Krimiautoren von A bis Z - Index - News

     

- Krimiautoren des 20. Jahrhunderts -
vergessene und verschmähte, verhunzte und unterschätzte





   
   

Abel, Kenneth

(Pseudonym für Sergei Lobanov-Rostovsky)

Geboren in den Vereinigten Staaten als Sohn russischer Einwanderer, wuchs Sergei Lobanov-Rostovsky in der Nähe von New Orleans auf. Er studierte Anglistik an der Louisiana State University und anschliessend Creative Writing an der Stanford University und doktorierte an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, mit einer Arbeit über Shakespeare. Seit 1993 unterrichtet er verschiedene Fächer - Romanschreiben, Shakespeares Werk, Renaissance-Poesie und Film - am Kenyon College in Gambier, Ohio. Nebenberuflich, unter dem Pseudonym Kenneth Abel, schreibt er seit 1994 Kriminalromane. Er lebt in Columbus, Ohio, ist verheiratet und hat eine Tochter.

Abels zweiter Krimi 'Die Mauer des Schweigens' lebt von originellen, glaubhaft skizzierten Figuren, von Abels vielschichtiger Erzählweise und den scharf geschliffenen, lebensnahen Dialogen. Die wichtigsten Rollen spielen die Mafiosi Tony Giardella, Bobby Amondano und Frankie Luccario, ihr Geldwäscher Adalberto Cruz, ein Guatemalteke mit düsterer Vergangenheit als Colonel einer Todesschwadron der Militärjunta, und Eduardo und Miilka, Cruz' Männer fürs Grobe; der gewiefte Überläufer Joey Tangliero, der nicht nur seine ehemaligen Mafiakollegen, sondern gleich auch noch über hundert auf der Lohnliste der Cosa Nostra stehende NYPD-Cops hochgehen lassen könnte; der ehrgeizige Staatsanwalt Conte; Deputy Federal Marshal Claire Locke als Vertreterin der Bundesbehörden; und die anständig gebliebenen Cops Dave Moser und Ray Fielding. 'Die Mauer des Schweigens' gilt als Abels bisher bester Roman.

In Abels jüngsten Romanen ist der idealistische, in New Orleans tätige Anwalt Danny Chaisson die Hauptperson. Er ist in zweiter Ehe mit der ATF-Agentin Mickie Vega verheiratet, die er im ersten Band kennen lernte und mit der er eine kleine Tochter hat. 'Die Flut', der dritte (und erste auf Deutsch vorliegende) Teil der Chaisson-Reihe, ist allerdings weniger ein Krimi (es geht zwar auch um Korruption, um mafiose Machenschaften in der örtlichen Baubranche und Versuche, diese zu verschleiern) als die eindrucksvolle Darstellung einer (auf Tatsachen beruhenden) Naturkatastrophe. Hauptakteur ist der kolossale Hurrikan Katrina, der Ende August 2005 in Louisiana gewütet, über 1'800 Menschen das Leben gekostet und ein unvorstellbares Chaos angerichtet hat.

Bibliografie:
'Bait' - 'Köder am Haken' (1994), 'The Blue Wall' - 'Die Mauer des Schweigens' (1996);
Danny Chaisson-Serie: 'Cold Steel Rain' (2000), 'The Burrying Field' (2002), 'Down in the Flood' - 'Die Flut' (2009).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Januar 2014 ++
 


Adams, Harold

(1923-2014)

Harold Adams wurde im Tausend-Seelen-Ort Clark, South Dakota, geboren und wuchs in den Bundesstaaten South Dakota, North Dakota und Wisconsin auf. Er verbrachte drei Jahre bei der US-Army und schloss danach ein Studium der englischen Literatur an der University of Minnesota ab. Es folgte eine Zeit als Betriebsleiter des Minneapolis Better Business Bureau (BBB, ein amerikanisches Pendant zu unserer Ombudsstelle), ehe er über zwanzig Jahre die Geschäfte des Charities Review Counsil of Minnesota führte, eine Organisation zur Qualitätsförderung im Spendenwesen.

Von 1981 bis 1999, ab 1988 hauptberuflich, verfasste Adams neunzehn Krimis - die 16-teilige, in den frühen 30er-Jahren, der Zeit der Grossen Wirtschaftsdepression spielende Reihe um das liebenswerte, weder Furcht noch Reue kennende Schlitzohr Carl Wilcox, zwei Romane um den ehemaligen TV-Moderator und jetzigen Privatdetektiv Kyle Champion und ein Einzelwerk.

Carl Wilcox, ein trinkfester Herumtreiber, der vor längerer Zeit ein paar Monate mit einer Revuetänzerin verheiratet war, betätigt sich als Handwerker, Gelegenheitsverbrecher, Plakatmaler und bisweilen, wenn er über einen Mordfall stolpert und gerade nicht im Kittchen sitzt, eher widerwillig als Privatdetektiv - er begibt sich auf Verbrecherjagd, um am Schluss nicht selbst als Sündenbock dazustehen.

Wilcox lebt am liebsten in den Tag hinein, kümmert sich jedoch selbstlos um seine Mitmenschen, wenn sie in Not geraten sind. Seine Wurzeln liegen in Corden - seine puritanisch eingestellten Eltern besitzen dort ein Hotel -, einem kleinen, fiktionalen Nest (gemeint ist wohl Adams' Geburtsort Clark) in South Dakota, dessen Bewohner mit sehr beachtlichem kriminellem Potential aufwarten. Unterstützt wird Wilcox durch den grundehrlichen, gern etwas unterschätzten Dorfpolizisten Joey Paxton und seinen zu ihm aufschauenden Neffen Hank, einen aufgeweckten, über einen stark entwickelten Gerechtigkeitssin verfügenden Teenager, und auch mit schönen jungen Frauen versteht er sich meistens gut.

Rund um dieses überschaubare Personal hat Adams eine schnörkellose, unprätentiöse, mit humorvollen Passagen gespickte Krimireihe kreiert - eine Trouvaille.

Harlod Adams starb 91-jährig in Eden Prairie, Minnesota, wo er seinen Lebensabend in einer Alterssiedlung verbracht hatte, und hinterliess eine Tochter, Wendy.

Bibliografie:
Carl Wilcox-Serie: 'Murder' - 'Einfach Mord' (1981), 'Paint the Town Red' - 'Malt die Stadt rot' (1982), 'Missing Moon' - 'Killer im Haus' (1983), 'The Naked Liar' - 'Lügen haben schöne Beine' (1985), 'The Forth Widow' - 'Die vierte Witwe' (1986), 'The Barbed Wired Noose' - 'Die Schlinge aus Stacheldraht' (1987), 'The Man Who Met the Train' - 'Grosse Männer sterben schnell' (1988), 'The Man Who Missed the Party' - 'Jagdsaison' (1989), 'The Man Who Was Taller Than God' (1992), 'A Perfectly Proper Murder' (1993), 'A Way With Widows' (1994), 'The Ditched Blonde' (1995), 'Hatched Job' (1996), 'The Iced Pick Artist' (1997), 'No Badge, No Gun' (1998), 'Lead, So I Can Follow' (1999);
Kyle Champion-Krimis: 'When Rich Men Die' (1987), 'The Forth of July Wake' (2002);
Standalone: 'The Thief Who Stole Heaven' (1982).

++ Erstellt: Dezember 2013 ++
++ Update: April 2014 ++
 



Adcock, Thomas

(*1947)

Thomas Larry Adcock wuchs in seiner Geburtsstadt Detroit und in New York City auf. Er begann seine journalistische Laufbahn als Polizei- und Lokalreporter bei der 'Detroit Free Press'. Später arbeitete er für das Detroit Büro der 'New York Times', die 'Sun Newspapers of Minnesota' und den 'Minneapolis Tribune', ehe er für kurze Zeit in die Werbebranche der Madison Avenue in New York wechselte. In dieser Periode schrieb er rund ein Dutzend Romane unter drei verschiedenen Pseudonymen, alle mit den Initialen B.S., Seifenopern für das Fernsehen und Stories für das Ellery Queen's Mystery Magazine. Seine erste Publikation unter eigenem Namen war 'Precinct 19' (1984), ein Sachbuch über den Polizeialltag im Manhattan Upper East Side Revier. 1989 startete Adcock die Neil Hockaday-Serie.

Der irisch-stämmige New Yorker Cop Neil Hockaday, genannt Hock, wie fast alle irischen Einwanderer in Hell's Kitchen aufgewachsen, kehrt nach seiner Scheidung dorthin zurück und wird Mitglied der SCUM-Patrol (Street Crimes Unit Manhattan) des NYPD, für die er (ohne Partner) in Hell's Kitchen unterwegs ist. Das Viertel hat sich indes verändert: Im Zuge der menschenfeindlichen Sozialpolitik unter Ronald Reagan und der masslosen Gier von Immobilienspekulanten sind die Alteingesessenen an den Rand bzw. in den 'Dschungel' (eine Schlucht tief unter der Stadt) gedrängt worden. Adcocks erster Krimi 'Hell's Kitchen' gibt diesen obdachlosen Aussenseitern eine Stimme.

In 'Ertränkt alle Hunde', Adcocks am höchsten eingestuftem Krimi, reist Hock mit seiner neuen Freundin, der Schauspielerin Ruby Flagg, in seine irische Heimat, wo sein letzter übrig gebliebener Verwandter (der Bruder von Hocks früh verstorbenem Vater) in den letzten Zügen liegt. Kaum dort angekommen, wird Hock in eine ebenso turbulente wie bleihaltige Familiengeschichte - seine eigene - verwickelt, aus der er immerhin lebend herauskommt.

Im vierten Teil der Reihe, 'Der Himmel des Teufels', kehrt der vom Polizeidienst beurlaubte, seit kurzem mit Ruby verheiratete Hock nach einer sechswöchigen Alkoholentziehungskur nach Hell's Kitchen zurück und mutiert zum Privatermittler, als in Manhattan reihenweise Homosexuelle und Transvestiten abgemurkst werden.

Die zwei letzten Romane der sechsbändigen Reihe gibt es bisher nicht in deutschen Übersetzungen.

Nach Beendigung der Hock-Serie kehrte Adcock dem Krimi den Rücken zu. Er schrieb Radiodramen, unterrichtete Creative Writing an der New York's New School for Social Research und wurde Literaturkritiker der New York Times. Überdies ist er USA-Korrespondent des Hamburger Internet-Magazins 'CULTurMAG'.

Adcock ist verheiratet mit der Schauspielerin und Autorin Kim Sykes und hat zwei erwachsene Töcher. Er lebt in Manhattan und in einem alten Farmhaus in New York State.

Bibliografie:
Neil Hockaday-Serie: 'Sea of Green' - 'Hell's Kitchen' (1989), 'Dark Maze' - 'Feuer und Schwefel' (1991), 'Drown All the Dogs' - 'Ertränkt alle Hunde' (1994), 'Devil's Heaven' - 'Der Himmel des Teufels' (1995), 'Town-Away Child' (1996), 'Grief Street' (1997).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Januar 2014 ++
 


A.D.G. (Alain Dreux Galloux)

(Pseudonym für Alain Fournier, 1947-2004; nannte sich auch Alain Camille und Arnold Fouquet)

Geboren in Tours als Sohn eines Sozialisten und Enkel eines Kommunisten, ging A.D.G. (bürgerlich: Alain Fournier; das Pseudonym konnte lange Zeit nicht gelüftet werden) als 12-Jähriger aus Protest gegen sein Elternhaus auf eine französische Militärschule, von der er wegen disziplinarischer Vergehen nach drei Jahren verwiesen wurde. Danach arbeitete er als Küchenjunge und Bankangestellter, ehe er einen Handel mit antiken Waffen und seltenen Büchern aufzog.

1968 kam A.D.G. in Kontakt mit dem einer rechtsgerichteten literarischen Vereinigung vorstehenden Michel-Georges Micberth und war kurz als Herausgeber der Zeitschrift der Gruppe tätig. 1971 debütierte er als Krimiautor. Darüber hinaus arbeitete er als Journalist und schrieb Dialoge für das französische Fernsehen. 1981 liess er sich in der französischen Kolonie Neukaledonien nieder. Dort gab er die Zeitschrift 'Combat calédonien' heraus, die gegen die Unabhängigkeit Neukaledoniens eintrat. 1991 kehrte er nach Frankreich zurück, wo er für verschiedene rechtslastige Zeitungen arbeitete. Er starb 57-jährig in Paris.

A.D.G zählte Anfang der 70er-Jahre - zusammen mit seinem politischen Antipoden Jean-Patrick Manchette - mit seinen harten, schnörkellosen Krimis zu den Begründern des Néopolar. 1977 startete er die neunteilige, zum Teil in Frankreich, zum Teil in Neukaledonien spielende Serie um den jungen royalistischen Anwalt Pasal Delcorix aus Tours und dessen besten Freund, den versoffenen Anarchisten und Journalisten Serguieï Djerbitskine, genannt "Machin", der im posthum erschienenen Krimi 'J'ai déjà donné' ums Leben kommt. In den 90er-Jahren geriet der Autor ins literarische Abseits.

2003, nach fünfzehn Jahren Schreibpause, kehrte A.D.G. mit seinem 19. Krimi 'Kanguroad Movie' zurück. Im Zentrum der actiongeladenen, im australischen "never-never Land" spielenden Geschichte steht der irisch-stämmige Ich-Erzähler Paddy O'Flaherty, ein ehemaliger Fallschirmspringer, der gemeinsam mit dem Aborigine Pickwick-Pickwick Kadigbaku im Outback als Ranger tätig ist. Eines Nachts stossen die beiden Männer auf fünf Mordopfer, einen Eingeborenen und vier Weisse - einzig die etwas undurchsichtige Schweizer Biologin Anais Unger hat das Massaker überlebt. Als Paddy unter Tatverdacht gerät, geht er dem Verbrechen selbst auf den Grund.

Bibliografie:
'La divine surprise' (1971), 'Les Panadeux' (1971), 'La marche truque…' - 'Flucht ist nichts für Träumer' (1972), 'La nuit des grands chiens malades' (auch unter dem Titel 'Quelques messieurs trop tranquilees') - 'Die Nacht der kranken Hunde' (1972), 'Cradoque's Band' (1972), 'Les trois badours' (1972), 'Berry Story' (1973), 'Notre frère qui êtes odieux…' (1974), 'Je suis un roman noir' (1974), 'L'ôtage sans pitié' (1976), 'Kangouroad Movie - 'Kanguroad Movie' (2003), 'Papiers gommés' (2008);
Pascal Delcroix & Machin-Serie : 'Le Grand Môme' (1977), 'Juste un rigolo' (1977), 'Pour venger Pépère' (1980), 'Balles nègres' (1981), 'On n'est pas des chiens' (1982), 'Joujoux sur le caillou' (1987), 'Les billets Nickelés' (1988), 'C'est la bagne!' (1988), 'J'ai déjà donné' (2007).

++ Erstellt: Januar 2011 ++  


Adler, Warren

(*1927)

Warren Adler wurde in Brooklyn, New York City, geboren, wo er auch aufwuchs und an der New York University ein Literaturstudium absolvierte. Nach einem Creative Writing-Studium an der New School arbeitete er als Journalist bei der Zeitung 'New York Daily News, später war er Redakteur des Wochenblatts 'Queens Post' heraus, für das er jeweils die Kolumne 'Pepper on the Side' beisteuerte. Während des Koreakrieges schrieb er für den Pressedienst der Armee im Pentagon. Nach dem Krieg besass er eine Zeit lang vier Radiosender und eine Fernsehstation, ehe er sich in Washington, D.C., niederliess, um eine Werbeagentur zu gründen.

Als er es sich finanziell leisten konnte, machte Adler, der schon mit fünfzehn Autor werden wollte und mit sechzehn seinen ersten (unveröffentlicht gebliebenen) Roman verfasste, im Jahre 1974 das Schreiben zu seinem Hauptberuf. Sein Werk besteht aus dreissig Romanen (Krimis und Politromane, aber auch Familien-, Liebes- und Scheidungsdramen, darunter der Bestseller 'Der Rosenkrieg'), etlichen Kurzgeschichten und Drehbüchern. Darüber hinaus gibt Adler Vorlesungen über Kreatives Schreiben und die Bedeutung des E-Books. Der Vater von drei erwachsenen Söhnen lebt mit seiner Frau Sonia, mit der er seit 1951 verheiratet ist, in New York City und Jackson Hole, Wyoming. Dort gründete er die Jackson Hole Writer's Conference, eine Organisation, die junge Autoren auf vielfältige Weise unterstützt.

Drei von Adlers Krimis liegen in deutschen Übersetzungen vor: Das Einzelwerk 'Die Macht im Nacken', in dem Tochter und Enkel des amerikanischen Mafiabosses Don Salvatore Padronelli von Terroristen nach Ägypten entführt werden, worauf dieser den US-Präsidenten und die First Lady als Geiseln nimmt, um seine heiss geliebten Nachkommen freizubekommen. Sowie die zwei ersten Bände der Reihe um Detective Sergeant Fiona FitzGerald von der Mordkommission des Metropolitan Washington Police Department, eine attraktive, toughe, allein lebende, sich durch einen ausprägten Gerechtigkeitssinn auszeichnende Frau Mitte dreissig, deren verstorbener Vater Senator in New York City war (in den beiden ersten Büchern gibt der Autor seltsamerweise einen New Yorker Cop als Vater an) und deren Fälle in der Regel die hohen Schichten der Hauptstadt betreffen.

Adlers Bücher sind bekannt für ihren dunklen Humor, ihre komplexen Charaktere und scharf geschliffenen Dialoge. In den letzten Jahren holte sich der Autor die Rechte von fast allen seinen Büchern zurück und brachte sie in digitale Form, um sie vor dem Vergessen zu bewahren.

Bibliografie:
Fiona FitzGerald-Serie: 'American Quartet' - 'Amerikanisches Quartett' (1981), 'American Sextet' - 'Amerikanisches Sextett' (1982), 'Senator Love' (1991), 'Immaculate Deception' (1991), 'The Witch of Watergate' (1992), 'The Ties That Bind' (1994), 'Death of a Washington Madame' (2005), 'Washington Masquerade' (2013);
'Trans-Siberian Express' (1977), 'The Casanova Embrace' (1978), 'Blood Ties' (1979), 'We Are Holding the President Hostage' - 'Die Macht im Nacken' (1986), 'Madeline's Miracles' (1989), 'Private Lies' (1991), 'Cult' (2002), 'Flanagan's Dolls' (2010), 'Residue' (2010), 'The David Embrace' (2010), 'Empty Treasures' (2010), 'The Serpent's Bite' (2012), 'Target Churchill' (gemeinsam mit James C. Humes, 2013).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Januar 2014++
 


Aird Catherine

(Pseudonym für Kinn Hamilton McIntosh, *1930)

Kinn McIntosh wurde als Tochter eines schottischen Arztes in Huddersfield, West Yorkshire, geboren und besuchte dort die Grundschule und dann bis 1946 die Greenhead High School in Keighley, ebenfalls West Yorkshire. Sie wollte ursprünglich in die Fussstapfen ihres Vaters treten, doch eine schwere Nierenerkrankung, die sie lange Zeit ans Bett fesselte, liess ein Medizinstudium nicht zu. Als ihre gesundheitlichen Probleme überwunden waren, legte sie in der Landpraxis ihres Vaters in Sturry Hand an. Beeinflusst von den Golden Age-Autorinnen Margery Allingham, Dorothy Sayers und Josephine Tey, unter dem Pseudonym Catherine Aird, begann Kinn McIntosh in den 60er-Jahren eine Laufbahn als Krimiautorin. Sie lebt seit 1946 in der kleinen Ortschaft Sturry, im östlichen Teil von Kent, und widmet sich auch heute noch vorwiegend dem Krimi-Schreiben. Darüber hinaus hat sie mehrere Dorfgeschichten über Sturry herausgegeben, am 'Oxford Companion to Crime and Mystery Writing' mitgearbeitet und sich auch in der lokalen Sozialpolitik engagiert.

Airds belletristisches Werk enthält einen Kurzgeschichtenband und 23 Kriminalromane, in denen mit einer Ausnahme der sympathische, meist zurückhaltend auftretende, ab und zu aber doch eine sarkastische Bemerkung fallen lassende Police Inspector C.D. Sloan, genannt "Seedy", aus der aufstrebenden, in der fiktiven englischen Grafschaft West Calleshire gelegenen (nach Airds Wohnort Sturry gezeichneten) Kleinstadt Berebury im Mittelpunkt steht. Er ist glücklich mit Margaret verheiratet und züchtet in der Freizeit Rosen. Sein Assistent ist Sergeant William Crosby, ein langsamer Denker mit einem Hang zu rasend schnellen Fahrten mit dem Streifenwagen, sein Vorgesetzter Superintendent Leeyes, der cholerische Leiter der örtlichen Kriminalpolizei. Zum Stammpersonal gehört ferner der Pathologe Dr. Dabble, ein routinierter Mann, der stets für eine Überraschung gut ist.

In ihren unprätentiösen, ganz auf den Fall fokussierten, mit viel trockenem Humor erzählten und an lebensnahen Dialogen reichen Krimis - reizvolle Mixturen aus Polizeiroman und Tüftelkrimi, die sich auch vor Ruth Rendells und P.D. James' besten Büchern nicht verstecken müssen - behandelt die Autorin vorzugsweise Familienintrigen und -tragödien, deren Ursprünge weit in die Vergangenheit zurückreichen.

Bibliografie:
Police Inspector C.D. Sloan-Serie: 'The Religious Body' - 'Der Nonnenmörder' (1966), 'Henrietta Who?' - 'Wer ist Henrietta?' (1968), 'The Complete Steel' (auch unter dem Titel 'The Stately Home Murder' - 'Schlossgeheimnisse' (1969), 'A Late Phoenix' - 'Skelett mit Folgen' (1970), 'His Burial Too' - 'Das Pendel des Todes' (1973), 'Slight Mourning' - 'Die Antwort steht im Testament' (1975), 'Parting Breath' (1977), 'Some Die Eloquent' (1979), 'Passing Strange' (1980), 'Last Respects' (1982), 'Harm's Way' (1984), 'A Dead Liberty' (1986), 'The Body Politic' (1990), 'A Going Concern' (1993), 'After Effects' (1996), 'Injury Time (1997), 'Siff News' (1998), 'Little Knell' (2000), 'Amendment of Life' (2003), 'Chapter and Hearse and Other Stories' (2003), 'A Hole in One' (2005), 'Losing Ground' (2007), 'A Past Tense' (2010), 'Dead Heading' (2014);
'A Most Contagious Game' (1967).

++ Erstellt: Januar 2011 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Alexie, Sherman

(*1966)

Der Spokane/Coeur-d'Alène-Indianer Sherman Alexie, geboren und aufgewachsen im Spokane Reservat in Wellpinit, Bundesstaat Washington, als Sohn eines Alkoholikers und einer Mutter, die die achtköpfige Familie mit Heimarbeit über Wasser hielt, musste sich mit sechs Monaten einer heiklen Hirnoperation unterziehen und litt danach unter epileptischen Anfällen. Trotzdem las er bereits mit fünf Jahren seine ersten Romane. Er ging an die High School in Reardon, ausserhalb des Reservats, und war dort der einzige Indianer. 1985 bis 1987 besuchte er die Gonzaga University in Spokane, danach wechselte er an die Washington State University in Pullman, wo er ein Medizinstudium in Angriff nahm. Weil er während des Anatomie-Unterrichts mehrmals das Bewusstsein verlor, brach er das Studium ab und besuchte einen Poesie-Workshop an derselben Uni. Er machte einen Abschluss in American Studies und begann zu schreiben.

Nach fünf Gedichtbänden, der Geschichtensammlung 'Regenmacher' (1993) und dem Roman 'Reservation Blues' (1995) veröffentlichte Alexie 1996 seinen ersten von zwei Krimis, 'Indian Killer' (der zweite Krimi 'Flight' folgte erst elf Jahre später). Er dreht sich um John Smith, den Spross einer Indianerin, der als Neugeborener von einem weissen Ehepaar aus Seattle adoptiert worden ist, ohne seine Stammeszugehörigkeit zu erfahren. Als er älter wird, konstruiert er sich eine Phantasieexistenz als Indianerheld. Er trifft die Studentin Marie, die sich für die Rechte der Indianer einsetzt. In der gleichen Zeit wird Seattle von einer Mordserie erschüttert, deren Urheber ein Indianer sein muss, und Jack Wilson, ein von Marie verachteter Ex-Polizist und Krimiautor mit indianischen Wurzeln, schickt sich an, die Morde für seine Zwecke auszuschlachten. Ist John Smith der Indian Killer?

Sherman Alexie, der auch als Komiker und Drehbuch- und Jugendbuchautor von sich reden macht, lebt mit seiner Frau Diane Tomhave, die ebenfalls indianischer Abstammung ist, und seinen zwei Söhnen in Seattle, Washington State.

Bibliografie:
'Indian Killer' - 'Indian Killer' (1996), 'Flight' (2007).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
 


Allbeury, Ted

(Kürzel für Theodore Edward Le Bouthillier Allbeury, 1917-2005; schrieb auch als Richard Butler und Patrick Kelly)

Ted Allbeury wurde in der nordwestenglischen Stadt Stockport, Cheshire, als Spross einer proletarischen Familie geboren, sein Vater starb, als er fünf war. Die Mutter zog daraufhin mit Ted und seiner Schwester nach Birmingham, später nach Ilford, Essex, wo er die Primarschule absolvierte. Zurück in Birmingham, besuchte er die King Edward's Grammar School im Stadtteil Aston. Nach Abschluss der Schule arbeitete er in einer Eisengiesserei und bildete sich in Abendkursen zum technischen Zeichner und Konstrukteur aus.

1940 wurde Allbeury vom britischen Geheimdienst rekrutiert - das Anstellungsgespräch fand offenbar in einem Coiffeurladen am Trafalgar Square statt. Während des Krieges diente er für die Organisation ‚Special Operations Executive' (SOE) in verschiedenen afrikanischen Ländern und Italien und stieg bis zum Lieutenant Colonel auf. Danach war er bis 1947 für die Besatzungsbehörden in Deutschland stationiert, wo er inhaftierte Nazis verhörte.

In der Nachkriegszeit betätigte er sich zunächst vornehmlich in der Werbebranche, später als Farmer und Hundezüchter auf der Isle of Oxney in Kent sowie, von 1965 bis 1967, als Leiter des sehr populären Piratensenders 'Radio 390'; dann bis 1981 wieder in der Werbung. Nach einem Schicksalsschlag - im November 1970 wurde seine vierjährige Tochter auf mysteriöse Weise entführt - begann er zu schreiben, um sich ein wenig von seiner Trauer abzulenken.
(Zu dieser Entführung existieren recht widersprüchliche Versionen: Es ist auch von zwei entführten Töchtern die Rede, und Allbeury soll sie nach vielen Jahren in Lateinamerika aufgespürt und befreit haben; nach anderen Quellen, die nur ein Entführungsopfer aufführen, ist dieses 1985 überraschend wieder in England aufgetaucht.)

Sei's drum. 1973, mit 56 Jahren, veröffentlichte Allbeury sein erstes Buch und schrieb dann innert 30 Jahren gegen 50 Spannungsromane - fast nur Einzelwerke (Ausnahme: Die Trilogie um den polnisch-englischen SIS-Agenten Tad Anders), die sich teils mit dem Zweiten Weltkrieg, teils mit dem Kalten Krieg auseinandersetzen. Darüber hinaus verfasste er zahlreiche Hörspiele, die Geschichtensammlung 'Other Kinds of Treason' und den nicht dem Krimigenre zuzurechnenden Roman 'Choice' ('Wer die Liebe wählt'). Die ursprünglich mit den Pseudonymen Richard Butler und Patrick Kelly gezeichneten Titel sind später unter dem Namen Ted Allbeury wieder aufgelegt worden.

Der mehrmals verheiratete, bis ins hohe Alter äusserst produktive Autor verbrachte das letzte Drittel seines Lebens mit seiner grossen Liebe Grazyna, mit der er von 1974 bis zu ihrem Tod 1999 verheiratet war, in der Grafschaft Kent, wo er 88-jährig starb. Er hinterliess einen Sohn und drei Töchter.

Nachdem Allbeury in seinen ersten Büchern noch als recht grobschlächtiger "Kommunistenfresser" aufgetreten war, wurde seine Betrachtungsweise in der zweiten Hälfte der 70er-Jahre allmählich differenzierter, indem er nun auch Englands politische Führung einer kritischen Betrachtung unterzog. Seine am höchsten eingestuften Politthriller stammen aus den späten 70er- und frühen 80er-Jahren: 'Vergangenheit ist nie zu Ende', eine autobiografisch gefärbte, um Einsätze der SOE im besetzten Frankreich kreisende Geschichte; 'Am Rande der Einsamkeit', ein Roman über Verrat und Loyalität, in dem der einsame, tragische Held James Harmer im Jahr 1944 eine Résistence-Gruppe überwachen soll, von der man glaubt, sie sei von der Gestapo infiltriert; 'Die andere Seite des Schweigens', die zwischen Fakten und Fiktion pendelnde Geschichte des berühmt-berüchtigten Spionageabwehrchefs Kim Philby - war Philby gar ein Tripelagent? wusste er überhaupt noch, für wen er arbeitete, und wen er verriet?; und 'Jeder Spion hat seinen Preis', in dem der skrupellose CIA-Psychiater Tony Symons junge Männer (z.B. Lee Harvey Oswald und Shirhan Sirhan, die Mörder der Kennedy-Brüder) zu Mordmaschinen programmiert.

Bibliografie:
'A Choice of Enemies' - 'Agenten sind treue Feinde' (1973), 'The Special Collection' - 'Unternehmen Sonderkollekte' (1975), 'The Only Good German' (auch unter dem Titel 'Mission Berlin') - 'Ein nützlicher Deutscher' (1976), 'Moscow Quadrille' - 'Quadrille mit tödlichem Ausgang' (1976), 'The Man with the President's Mind' - 'Phantomhirn für den Präsidenten' (1977), 'The Lantern Network' - 'Vergangenheit ist nie zu Ende' (1978), 'The Alpha List' - 'Die Alpha-Liste' (1979), 'Consequence of Fear' (auch unter dem Titel 'Smokescreen') - 'Die Saat der Angst' (1979), 'The Twentieth Day of January' - 'In der Hand des Kreml' (1980), 'The Reaper' (auch unter dem Titel 'The Stalking Angel') - 'Die Rächerin' (1980), 'The Other Side of Silence' - 'Die andere Seite des Schweigens' (1981), 'The Secret Whispers' - 'Seitenwechsel' (1981), 'All Our Tomorrows' - 'Und morgen die Zukunft' (1982), 'Shadow of Shadows' - 'Schatten der Spione' (1982), 'Pay Any Price' - 'Jeder Spion hat seinen Preis' (1983), 'The Girl from Addis' - 'Das Mädchen von Addis' (1984), 'No Place to Hide' - 'Rennie' (1984), 'Children of Tender Years' - 'Kinder der Geborgenheit' (1985), 'The Seeds of Treason' - 'Saat des Verrats' (1986), 'The Crossing' (auch unter dem Titel 'Berlin Exchange' - 'Bauernopfer' (1987), 'A Wilderness of Mirrors' - 'Spiegelverkehrt' (1988), 'Deep Purple' - 'Geheimcode Deep Purple' (1989), 'A Time Without Shadows' (auch unter dem Titel 'Rules oft he Game') - 'Zeit ohne Schatten' (1990), 'The Dangerous Edge' - 'Drecksarbeit' (1991), 'Show Me a Hero' - 'Ein echter Amerikaner' (1992), 'The Line-Crosser' - 'Grenzgänger' (1993), 'As Time Goes by' (1994), 'Beyond the Silence' (1995), 'The Long Run' (1996), 'Aid and Comfort' (1997), 'Shadow of a 'Doubt' (1998), 'The Reckoning' (1999), 'Never Look Back' (2000), 'The Assets' (2000), 'Cold Tactics' (2001), 'The Networks' (2002), 'Special Forces' (2002), 'Due Process' (2003), 'Hostage' (2004), 'Dangerous Arrivals' (2007), 'Deadley Departures' (2007), 'The Spirit of Liberty' (2007);
Tad Anders-Romane: 'Snowball' - 'Operation Schneeball' (1974), 'Palomino Blonde' (auch unter dem Titel 'Omega-minus') - 'Der Omega-Minus-Prozess' (1975), 'The Judas Factor' - 'Der Judas-Faktor' (1984).
Als Richard Butler: 'Where All the Girls Are Sweeter' - 'Wer die Nachtigall schiesst' (1975), 'Italian Assets' - 'Risiko an der Riviera' (1976).
Als Patrick Kelly: 'The Lonely Margins' - 'Am Rande der Einsamkeit' (1981), 'Codeword Cromwell' - 'Codewort Cromwell' (1980).

++ Erstellt: Januar 2011 ++  


Allegretto, Michael

(*1944)

Geboren in Florida als Sohn eines Vaters, der in Denver, Colorado, als Polizist tätig war, übte Michael Allegretto Berufe wie Landvermesser, Schulbusfahrer, Seidendrucker, Buchhandelsvertreter und Redakteur aus. Nebenbei verfasste er Zeitungsartikel, Kurzgeschichten und neun Kriminalromane - vier Psychothriller und den Fünfteiler um Jacob Lomax.

Jacob "Jake" Lomax, ein hart gesottener Ex-Cop, der immer wieder mal eins auf die Rübe bekommt, sich jedoch meistens gut zu wehren weiss, ist Privatdetektiv in Denver. Seine Frau Katherine wurde vor einigen Jahren ermordet, worauf er einen Nervenzusammenbruch erlitt. Lieutenant Patrick McArthur, Chef des Mord- und Raubdezernats, half ihm damals wieder auf die Beine und ist auch jetzt noch ein guter Freund und überdies seine wichtigste Kontaktperson bei der Polizei. Seit Katherines Tod lässt sich Lomax nicht mehr auf feste Beziehungen ein, doch hin und wieder hat er Sex mit einer Frau. Seine wahre Passion gilt indes dem Schachspiel.

Die aus schnörkellosen, sauber konstruierten, jeweils ganz auf den Kriminalfall fokussierten und mit prickelnden Dialogen gefüllten Geschichten bestehende Reihe fand 1995 nach acht Jahren ihren Abschluss. Seither hat man nichts mehr von Allegretto gehört.

Bibliografie:
Jacob Lomax-Serie: 'Death of the Rocks' (1987), 'Blood Stone' - 'Im Schatten der Beute' (1988), 'The Dead of Winter' - 'Tödlicher Denkzettel' (auch unter dem Titel 'Sterben on the Rocks', 1989), 'Blood Relative' - 'Nicht von schlechten Eltern' (1992), 'Grave Doubt' - 'Tot oder nicht tot' (1995);
'Night of Reunion - 'Die Frau, die aus dem Dunkeln kam' (1990), 'The Watchman' - 'Der Fluch der guten Tat' (1991), 'The Suitor' - 'Die Frau, die mit dem Feuer spielte' (1993), 'Shadow House' - 'Die Frau, die das Vergessen störte' (1994).

++ Erstellt: August 2012 ++  


Alter, Robert Edmond

(1925-1966)

Robert Edmond Alter, geboren in San Francisco als Robert Pedroni, wurde als kleiner Junge durch Retla und Irene Alter adoptiert. Seine frühen Jahre verbrachte er als Wanderarbeiter auf kalifornischen Fruchtfeldern und als Regal-Auffüller in einer Buchhandlung in Pasadena, Kalifornien, bevor er an der University of California und dem Pasadena City College studierte. Es folgte ein Lehrgang am Pasadena Playhouse, der ihm ein paar kleinere Filmrollen eintrug. 1949 wurde er Angestellter des Postbüros von Altadena, Kalifornien. Mitte der 50er-Jahre begann er zu schreiben - zuerst Kurzgeschichten für Gefässe wie 'Mike Shayne', 'Manhunt', 'Argosy', 'Saturday Evening Post', 'Alfred Hitchcock's Mystery Magazine' und 'Boys' Life', später Abenteuerbücher für Kinder und Jugendliche, Sciencefiction, historische Bücher und zwei Krimis, 'Sumpfschwester' und 'Jahrmarkt der Begierde'.

Alter lebte mit seiner Frau Maxine, die er 1947 geheiratet hatte, und ihrer gemeinsamen Tochter Sande in Altadena. Im Alter von vierzig Jahren erlag er in Los Angeles einer Krebserkrankung. Mehrere seiner Manuskripte wurden erst posthum veröffentlicht, unter ihnen eine Biografie des Afrikaforschers Henry Stanley, ein Roman über den Amerikanischen Bürgerkrieg ('High Spy'), das historische Werk 'The Trail of Billy the Kid' und der apokalyptische Siencefiction-Thriller 'Path to Savagery', der zehn Jahre später unter dem Titel 'The Ravagers' verfilmt wurde.

'Sumpfschwester' spielt in einer unwirtlichen, von Hinterwäldlern bewohnten Region, die durch 80'000 Dollar aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Vor vier Jahren ist hier, in den Sümpfen Floridas, ein Flugzeug mit Lohngeldern abgestürzt und seither verschollen, die Suche nach dem Bargeld hat schon viele Opfer gefordert. Um vielleicht doch noch an die Kohle zu kommen, hat Iris Cutler, eine der wenigen gebildeten Menschen des Orts, den gewieften und attraktiven 20-jährigen Shad Hark unter ihre Fittiche genommen und ins Bett geholt, während ihr Mann Larry tagtäglich Schundgeschichten für Jugendliche in die Tasten haut. Doch auch der durchtriebene Versicherungsagent Ferris, der das Geld eigentlich für seinen Arbeitgeber auftreiben sollte, ist hinter den 80'000 her. Und ein paar vor nichts zurückschreckende Rednecks. Als Shad dann zufällig auf das Flugzeug samt Geldkassette stösst, beginnt er mit Zehndollarnoten um sich zu werfen - ein verhängnisvoller Fehler.
Alters erster Krimi 'Sumpfschwester' ist eine sehr eigenständige und unprätentiöse Geschichte über Geldgier und unerfüllte Hoffnungen, prall gefüllt mit packenden Schilderungen des urwüchsigen, alptraumhaften Landstrichs mit seinen Sümpfen und dem undurchdringlichen Dschungel, mit seinen Alligatoren, Pantern und Mokassinschlangen und der wild wuchernden Vegetation.

Bibliografie: 'Swamp Sister' - 'Sumpfschwester' (1961), 'Carny Kill' - 'Jahrmarkt der Begierde' (1966).

++ Erstellt: September 2011 ++  


Alverson, Charles

(*1935)

Charles E. Alverson, geboren und aufgewachsen im Grossraum Los Angeles, musste unzählige Male die Schule wechseln, da seine Eltern immer wieder umzogen. Nach der High School diente er drei Jahre als Fallschirmspringer bei der US Army, anschliessend studierte er Englisch mit einem Abschluss am San Francisco State College 1960. Nach sechs Monaten in der Werbung zog er 1961 nach New York City, um für das Satiremagazin 'HELP!' zu arbeiten. Es folgten weitere journalistische Anstellungen und ein 1963 abgeschlossenes Journalistikstudium an der Columbia University. Frisch verheiratet, schrieb er in den folgenden sechs Jahre für das 'Wall Street Journal', zuerst in San Francisco, später in Los Angeles und Philadelphia, unterbrochen durch einen sechsmonatigen Aufenthalt in der Drogenentzugskommune Synanon in Ocean Beach, Kalifornien, im Jahr 1967 - als Nicht-Süchtiger.

1969 übersiedelte Alverson nach Grossbritannien - London, Radnorshire (Wales) und Cambridge waren die Wohnsitze. Er heiratete dort seine zweite Frau, mit der er drei Kinder hatte, schrieb für die Musikzeitschrift 'Rolling Stone' und verschiedene Zeitungen - und startete seine schriftstellerische Laufbahn. Alverson schrieb Romane für Erwachsene, Kinder und Jugendliche, Kurzgeschichten und Filmscripts und lieferte die Drehbücher zu Terry Gilliams Kultfilmen 'Jabberwocky' und 'Brazil'. 1980 wurde er verantwortlicher Redakteur des von Gilliams Monty Python-Kollegen Terry Jones finanzierten Umweltmagazins 'Vole', später war er in leitender Stellung für die Zeitschrift 'Insight' und das Technikmagazin 'GIS Europe' tätig. Neben seinen journalistischen und schriftstellerischen Aktivitäten machte er als militanter Gegner von Thatchers Steuerpolitik und des ersten Golfkriegs von sich reden; er wurde zweimal verhaftet, aber nicht verurteilt.

1993 besuchte er in Belgrad die Serbin Zivana Anicin, die er vierzehn Jahre zuvor kennen gelernt hatte, als sie in England als au-pair-Mädchen in Terry Jones' Haushalt angestellt war. Sie heirateten 1994 in Belgrad, und Alverson arbeitete dort als Journalist und Lehrer. 1998 liessen sie sich auf einer Farm in dem nordserbischen Dorf Parage nieder, wo sie die Bombardierung Serbiens durch die NATO erlebten. Charles Alverson, dessen letztes Buch 1989 erschienen ist, betreibt das Schreiben längst nur noch hobbymässig - in seinem Schreibtisch befinden sich, wie er 2008 in einem Interview sagte, fünf unveröffentlichte Manuskripte, die teilweise auf seiner Homepage abgedruckt sind. Im selben Interview bezeichnete der Globalisierungsgegner Alverson seine Wahlheimat als interessanteste, aber auch frustrierendste Region, in der er je gelebt hat.

Während seiner Zeit in Grossbritannien hat Alverson auch drei Krimis zu Papier gebracht. In zwei harten, schnörkellosen, mit flotten Sprüchen gewürzten Romanen steht der geschiedene Cop Jonah Webster "Joe" Goodey aus San Francisco im Mittelpunkt, ein sympathischer Mann, der in einer kleinen Wohnung über einem chinesischen Lebensmittelladen lebt. Im ersten Band 'Bis aufs Blut' verliert Joe seinen Job bei der Polizei, als er irrtümlicherweise einen alten Wachmann erschiesst, der sich als Cousin eines vorgesetzten Majors erweist. Doch bereits am nächsten Tag erhält Joe eine Privatdetektiv-Lizenz, um im Auftrag eben dieses Majors möglichst diskret den Mord an der Tänzerin Tina D'Oro aufzuklären - sie war die Liebhaberin des Majors, und der steht jetzt unter Mordverdacht.

Bibliografie:
'Fighting Back' - 'Tanz der Gewalt' (1973);
Joe Goodey-Romane: 'Goodey's Last Stand' - 'Bis aufs Blut' (auch unter dem Titel 'Striptease mit beschränkter Haftung', 1975), 'Not Sleeping, just Dead' - 'Tod auf Krankenschein' (1977).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Amila, Jean

(Pseudonym für Jean Meckert, 1910-1995; schrieb auch als John Amila, John Amilanar, Edouard Duret, Edmond Duret, Guy Duret, Albert Duvivier, Mariodile und Marcel Pivert)

Jean Meckert, geboren in Paris, verbrachte mit seiner Schwester drei Jahre in einem schauderhaften protestantischen Waisenhaus in Courbevoie bei Paris, nachdem der Vater die Familie im Jahr 1920 wegen einer anderen Frau verlassen und die Mutter darob einen schweren seelischen Zusammenbruch erlitten hatte. Mit dreizehn Jahren begann er in Paris eine Lehre in einer Reparaturwerkstatt, anschliessend arbeitete er als Feinmechaniker im Immigrantenviertel Belleville und verschlang in seiner Freizeit die Werke von Balzac und Zola. 1929 erhielt er eine Stelle beim Crédit Lyonnais, die er infolge der Weltwirtschaftskrise bald wieder verlor. Nach einer Periode der Arbeitslosigkeit ging er 1930 für zwei Jahre zur Armee. Zurück im Zivilleben, verrichtete er verschiedene Gelegenheitsjobs, unter anderem als Automechaniker, Magaziner und Verkäufer von Roulette-Gewinnsystemen. Mitte der 30er-Jahre, nach dem Scheitern seiner kurz zuvor geschlossenen Ehe, schrieb er seine ersten Geschichten.

Ein kurzer Einsatz im Zweiten Weltkrieg - Meckert nahm am "drôle de guerre" teil und wurde danach während einiger Monate in einem Soldatenlager in der Schweiz interniert - war gefolgt von einer Anstellung im Rathaus des 20. Arrondissement von Paris, nebenher nahm er an Aktionen der Résistence teil. 1942 machte Meckert das Schreiben zum Hauptberuf, acht Jahre später debütierte er als Krimiautor. Auf Anraten seines Verlegers Maurice Duhamel, dem Herausgeber der berühmten 'Série Noire' bei Gallimard, schrieb er seine ersten Krimis unter dem amerikanisch klingenden Pseudonym John Amila.

Meckert veröffentlichte 21 Krimis, von denen ein Drittel auf Deutsch vorliegt, rund ein Dutzend andere Romane (darunter sein erstes und wohl bekanntestes Werk 'Les coups', das 1942 in der angesehenen Kollektion 'Blanche' des Gallimard Verlags publiziert wurde), ein Theaterstück und ein Jugendbuch. Darüber hinaus arbeitete er als Dialogschreiber für das Kino.

Im Winter 1974/75, nach einem brutalen, nie geklärten (möglicherweise politisch motivierten) Überfall vor seinem Wohnsitz im Quartier Belleville des Gedächtnisses beraubt und fürderhin an epileptischen Anfällen und Depressionen leidend, verstummte der Autor, bis er mehrere Jahre später, unterstützt durch seine Schwester, zu einem halbwegs normalen Leben zurückfand, 1982 seine Jugenderinnerungen 'Les Bouchers des Hurlus' herausgab und 1985 seinen letzten Roman 'Au Balcon d'Hiroshima' folgen liess.

Jean Meckert verbrachte seine letzten Jahre zurückgezogen im ländlichen Ort Lorrez-le-Bocage-Préaux, Departement Seine-et-Marne, und starb im Alter von 84 Jahren in seiner Geburtsstadt. 2005 wurde ein nach ihm benannter Kriminalliteraturpreis (Prix Jean Amila-Meckert) gegründet. 2012 kam seine bereits 1986 fertig gestellte, von Gallimard damals jedoch zurückgewiesene Autobiografie 'Comme un écho errant' heraus.

Jean Meckert - ein Kind der Arbeiterklasse mit antimilitärischer Einstellung und anarchistischen Ideen - zählt zu den eigenständigsten, provokativsten und vielseitigsten Krimiautoren französischer Zunge, er lässt sich in keine Schublade stecken. Ein grosser Teil seiner sozialkritischen, ganz ohne Schwarz-Weiss-Malerei auskommenden - typischerweise von starken Frauenfiguren getragenen - Geschichten befasst sich mit einsamen, durch die Mächtigen an den Rand gedrängten Individuen, die mit aller Kraft versuchen, sich gegen das Schicksal aufzulehnen, ohne sich selber untreu zu werden.

Die schnörkellosen Noir-Balladen 'Die Abreibung' und 'Auf Godot wartet keiner' sehen den umtriebigen Gangster Riton Godot in wichtigen Rollen - er versucht das Vakuum zu füllen, das nach dem gewaltsamen Tod des "Comte" René Lecompte, des legendären, scheinbar unzerstörbaren Chefs der Pariser Unterwelt, entstanden ist und reisst sich auch gleich dessen einflussreiche Lebensgefährtin Angèle Maine unter den Nagel, die sich dann doch als eine Nummer zu gross für ihn erweist.

Im 1959 erschienenen Roman 'Die Ausgestossenen' prallen drei aus dem Gefängnis entwichene Schwerverbrecher, Victor, Charlot und Alain, in einem gottverlassenen Weiler wuchtig auf zwei Dutzend schwer erziehbare, der Pariser Banlieu entstammende Burschen, die unter der Leitung des jungen, idealistischen Ehepaars Irène und Roger ein Reintegrationsprogramm absolvieren - eine explosive Mischung, aus der nichts Gutes entstehen kann.

Die actiongeladene, in einem Provinzkaff in der Normandie spielende Gaunerkomödie 'Bis nichts mehr geht' behandelt alle Aspekte der Calvados-Schwarzbrennerei, mit örtlichen Kleinkriminellen, regionalen Steuerfahndern und mächtigen, skrupellosen Gangstern aus der Hauptstadt als Kontrahenten. Abgerundet wird die Erzählung durch eine schöne, scheinbar hoffnungslose Liebesgeschichte zwischen der beherzt gegen den Schnapskonsum der Kinder (!) kämpfenden 19-jährigen Grundschullehrerin Marie-Anne und dem jungen, pfiffigen Draufgänger und Alkoholschmuggler Pierrot, der eben aus dem Algerienkrieg zurückgekehrt ist.

'Mond über Omaha', ein mit Elementen des Psychothrillers verknüpfter Antikriegsroman, angesiedelt in der Normandie zwanzig Jahre nach dem D-Day, kreist um die Macht der Vergangenheit, um Lebenslügen, existentielle Ängste und verdeckte Identitäten, um Habgier, Eifersucht und Hass. Im Mittelpunkt stehen zwei Überlebende des Gemetzels am "Omaha Beach", die nach dem Krieg in Nordfrankreich hängen geblieben sind, Sergeant Reilly und sein Untergebener Hutchins. Steve Reilly, unglücklich mit einer jungen Französin verheiratet, erweist seinen toten Kameraden Tag für Tag die letzte Ehre, indem er sich akribisch um die Gräber auf dem riesigen amerikanischen Soldatenfriedhof "Omaha Beach" kümmert. George Hutchins desertierte unmittelbar nach der Landung an der französischen Küste und tauchte mit falschem (französischem) Namen unter, um den Kriegsgräueln zu entkommen. Jetzt fristet er mit seiner Familie ein kleinbürgerliches Dasein, bis Amédée Delouis, einer von Reillys Friedhofsangestellten, eines natürlichen Todes stirbt - und sich Hutchins als dessen verschollener Sohn (und potentieller Erbe) präsentiert, sehr zum Leidwesen von Amédées einzigem legitimem Sohn Fernand, der seine Felle davonschwimmen sieht. Zwischen den drei Männern und ihren Frauen entspinnt sich ein ränkevolles Spiel.

'Mitleid mit den Ratten' stellt die Pariser Gaunerfamilie Lenfant in den Mittelpunkt - Vater Julien arbeitet hauptberuflich beim Autokonzern Simca und erleichtert in seiner Freizeit betuchte Leute um mehr oder weniger wertvolle Gegenstände, Mutter Yvonne organisiert die Einbrüche, und die 17-jährige Tochter Solange steht für ihren Papa Schmiere -, ein nahezu perfekt eingespieltes Team, dessen Existenz jedoch aus den Fugen gerät, als Julien in flagranti von einem Polizisten erwischt wird und ihm ein zufällig am Tatort anwesender junger Mann, der sich Michel nennt, das Leben rettet. Denn Michel ist Teil einer Organsation, die in Ungnade gefallene Leute aus dem Weg räumt, und nistet sich jetzt mit seinen Kompagnons bei der Familie Lenfant ein - eiskalte Auftragskiller treffen auf harmlose kleine Diebe…

Die Doudou Magne-Trilogie dreht sich um den Flic Edouard "Doudou" Magne, alias Géronimo, einen schrägen Vogel mit einem Flair für soziale Aussenseiter, der durch seine langen Haare und das Tragen von Sandalen und geblümten Hemden auffällt (keine deutschsprachige Übersetzung).

Bibliografie:
'Y'a pas de bon Dieu !' (1950), 'Motus!' - 'Motus!' (1953), 'La bonne tisane' - 'Die Abreibung' (1955), 'Sans attendre Godot' - 'Auf Godot wartet keiner' (1956), 'Le drakkar' (1959), 'Les loups dans la bergerie' - 'Die Ausgestossenen' (1959), 'Jusqu'à plus soif' - 'Bis nichts mehr geht' (1962), 'Noces de soufre' (1964), 'La lune d'Omaha' - 'Mond über Omaha' (1964), 'Pitié pour les rats' - 'Mitleid mit den Ratten' (1964), 'Les fous de Hongkong' (1969), 'Le grillon enragé' (1970), 'A qui ai-je l'honneur? (1974), 'Le pigeon des Faubourgs' (1981), 'Le chein de Montargis' (1983), 'Langes radieux' (1984), 'Le boucher des Hurlus' (1982), 'Au balcon d'Hiroshima' (1985);
Doudou Magne-Trilogie: 'La nef des dingues' (1972), 'Contest flic' (1972), 'Terminus Iéna' (1974).

++ Erstellt: März 2013 ++  


Andréota, Paul

(1917-2007; schrieb auch als Paul Vance)

Paul Andréota kam in der Atlantik-Hafenstadt La Rochelle auf die Welt und wuchs dort und, nach dem Tod seines Vaters 1929, in Paris auf. Sein Klavier- und Kompositionsstudium am Konservatorium wurde durch den Zweiten Weltkrieg vorzeitig beendet. Von 1947 bis 1949 erschienen seine ersten drei - stark autobiografisch gefärbten - Romane, bevor er zum Film wechselte. Als Drehbuch- und Dialogschreiber sowie als Produzent war er an rund vierzig Filmen beteiligt. Parallel dazu, zwischen 1968 und 1976, verfasste er acht Kriminalromane. Er starb 89-jährig in seiner Geburtsstadt.

'Mord im Zickzack', Andréotas am höchsten eingestufter Krimi, erzählt die Geschichte einer verhängnisvollen Beziehungskette: Pierre Laisné liebt Chris, mit der er frisch verheiratet ist, doch diese hängt noch immer an dem berühmten Modefotografen Jess Vadja; dieser wiederum liebt Lou, die ihr Herz indes an Pierre Laisné verloren hat. Dann wird Jess erstochen aufgefunden, und Chris legt freiwillig ein Geständnis ab: Sie habe ihren früheren Geliebten Jess erstochen, um ihre Ehe zu retten. Aus dem Autopsiebefund geht jedoch klar hervor, dass Jess zu einem Zeitpunkt gestorben ist, da Chris die Tat gar nicht begangen haben kann. Deckt sie ihren Mann? Ein Zick-Zack-Lauf beginnt.

Bibliografie:
'Tout à fait le mème' (1968), 'Zigzags' - 'Mord im Zickzack' (1969), 'La Pieuvre' - 'Lebenswandel mit Todesfolge' (1970), 'Le Piège' - 'Die Hexe' (1972), 'Les Lames' (1973), 'Le Scénario' (1974), 'La maison des oiseaux' - 'In Schutt und Asche' (1975), 'Schizo' - 'Schizo' (1976).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Andresen, Thomas

(1934-1989; schrieb auch als Chris Martin)

Thomas Andresen, geboren in der deutsch-dänischen Grenzstadt Flensburg, Schleswig-Holstein, studierte vier Semester Philologie, bevor er zur Medizin wechselte, 1963 in Hamburg den Doktortitel erwarb und danach lange Zeit als Facharzt für Innere Medizin an einer Flensburger Klinik arbeitete. Bereits während des Studiums verfasste er mehrere Kurzgeschichten sowie zwei Kriminalromane, die unter dem Pseudonym Chris Martin herausgekommen sind. Später schrieb er zahlreiche Hörspiele, ein paar Kriminalerzählungen für Jugendliche und zwei Dutzend Krimis für Erwachsene. Darüber hinaus war er freier Mitarbeiter bei der legendären, 1954 neu gegründeten satirischen Wochenzeitschrift 'Simplicissimus'.

Thomas Andresen, der namentlich in den 70er-Jahren zu den renommiertesten Vertretern des deutschen Kriminalromans gehörte, schied 55-jährig in seiner Geburtsstadt freiwillig aus dem Leben - und geriet nach seinem Tod rasch in Vergessenheit.

Nach einigen gut gemeinten, jedoch mit etwas naiv wirkender Sozialkritik getränkten Werken erlebte Andresen von 1972 bis 1984 seine beste Zeit als Krimiautor. Herausragend: 'Wachs in meinen Händen' und 'Fünf Herren, einander belauernd', zwei anspruchsvolle, psychologisch ausgeklügelte, mit überraschenden Wendungen aufwartende Geschichten, die, wie fast alle seine Krimis, in der gehobenen Gesellschaft norddeutscher Kleinstädte angesiedelt sind.

'Fünf Herren, einander belauernd' erzählt von fünf ehrenwerten Bürgern, dem Polizisten Hannes Kowakowski, dem Arzt Kai Uweson, dem Politiker Horst Günther Schmidt-Holnis und den Kaufleuten Walter Ruhmland und Erwin Thedens, die nach der Ermordung der jungen, von ihnen verehrten Schauspielern Anna Barnsdorf Selbstjustiz übten an dem der Tat verdächtigten italienischen Gastarbeiter Alberto Castellotti und ihr Verbrechen dann geschickt vertuschten. Doch jetzt, 19 Jahre später, kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist, werden die fünf Herren von ihrer Vergangenheit eingeholt - einer nach dem andern kommt gewaltsam ums Leben. Ist der Mörder unter einem von ihnen zu suchen, oder handelt es sich um Racheakte eines Aussenstehenden?

Bibliografie:
Als Chris Martin: 'Der Spielverderber' (1961), 'Der Leisetreter' (1962).
Als Thomas Andresen: 'Der Anonyme' (1969), 'Hörst du den Uhu' (1969), 'Der Nebel wird dichter' (1970), 'Bis ich nicht mehr kann' (1971), 'Der Schrei' (1972), 'Schmutziger Herbst' (1972), 'Die Spur des bösen Bruders' (1972), 'Geisterstunde' (1972), 'Wachs in meinen Händen' (1972), 'Grossartig wie der Teufel' (1973), 'Wer badet nachts in meinem Swimming Pool?' (1975), 'Nur über Meiners Leiche' (1976), 'Eine Tote früh um fünf' (1977), 'Fünf Herren, einander belauernd' (1978), 'Die zweite Chance' (1982), 'Herr Struxdorf und die Hierarchie der Morde' (1983), 'Herr Struxdorf und das Spiel mit Blut' (1984), 'Träume von Liebe und Mord' (1987), 'Die Klinge im Haus' (1988), 'Das Lächeln der Revolvermündung' (1988), 'Der Kuss der Klapperschlange' (1988), 'Nachts sind alle Mörder grau' (1989).

++ Erstellt: Mai 2013 ++  


Appel, René

(*1945)

René Appel wurde in Hoogkarspel, einem Dorf in der Nähe Alkmaars (Provinz Noord-Holland) geboren. Er studierte Niederlandistik und allgemeine Linguistik an der Universität Amsterdam und redigierte anschliessend Spannungsliteratur für die Tageszeitung 'NRC Handelsblad'. Von 1994 bis 2003 unterrichtete er Sprachwissenschaft an der Universität Amsterdam, ehe er sich dem Verfassen von Kinderbüchern, Kurzgeschichten, Drehbüchern und Spannungsromanen zuwandte. Fünf seiner gut zwei Dutzend - vor allem von Patricia Highsmith und Ruth Rendell, aber auch von Willem van de Wetering inspirierten - Krimis liegen auf Deutsch vor.

'Tod am Leuchtturm' dreht sich um den im Leben gescheiterten Mittsechziger Peter van Galen (kränkelnde Ehe, beruflicher Absturz), der sich knapp fünfzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg auf eine Reise in die eigene Vergangenheit begibt. In seinem Heimatort, einer holländischen Kleinstadt am Meer, trifft er wieder auf seine Schulfreunde, und gemeinsam lüften sie ein verdrängtes Geheimnis rund um die schrecklichen Geschehnisse, denen damals, in den Tagen nach der Befreiung Hollands von der Nazi-Okkupation, zwei aus ihrem Kreis zum Opfer gefallen sind.

'Rachsucht' erzählt die Geschichte des jungen Amsterdamer Pärchens Manon und Roy, die sich über alles lieben. Roy führt indes ein Doppelleben als kleiner Ganove, verdient sich sein Geld mit Autodiebstählen und als Laufbursche im Drogenhandel. Als ihm bei einem Auftrag die Beute abhanden kommt, begeht er in seiner Not einen Mord - und kann seine Tat dann nicht lange vor Manon geheimhalten. Durch die Polizei in die Enge getrieben sagt Manon gegen ihren Freund aus, doch Roy kommt mangels Beweisen frei, und Manon muss nun um ihr Leben fürchten.

In dem multiperspektivisch angelegten Roman 'Ein Opfer der Umstände' entwirft Appel das Psychogramm des Martin Hogeween, eines erfolgreichen Unternehmensberaters Anfang fünfzig, dessen Leben aus den Fugen gerät, als er die unlauteren Machenschaften einer Kommunalbehörde durchleuchtet. In tragenden Rollen: Theo Verlinden, der hasserfüllte Leiter dieser Behörde, der Dreck am Stecken hat und durch Hogeween jetzt gnadenlos abserviert wird; der angehende Journalist Feliox Nieberg, Hogeweens 18-jähriger Sohn aus einer früheren Beziehung, der sich auf die Suche nach seinem ihm unbekannten Vater begibt - und von dessen Existenz Hogeween keine Ahnung hat; und Hogeweens zwanzig Jahre jüngere Freundin Carina Steinvoort, die dummerweise mit Felix im Bett landet - und damit eine Kette von tragischen Ereignissen in Gang setzt.

René Appel ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt in Amsterdam.

Bibliografie:
'Handicap' (1987), 'Spijt' (1989), 'De deerde persoon' - 'Mord in der dritten Person' (1990), 'Oppassen' (1991), 'Personlijke Omstandigheden' (1992), 'Vlekkelos' (1993), 'Geronnen bloed' (1994), 'Teggenliggers' (1995), 'Van Kwar tot erger' (1996), 'Geweten' - 'Tod am Leuchtturm' (1996), 'Spanning' (1996), 'Tweerstrijd' - 'Rachsucht' (1998), 'De echtbreker' (1999), 'Zinloos geweld' - 'Ein Opfer der Umstände' (2001), 'Noodzakelijk kwaad' (2002), 'Doorgeschoten' (2003), 'Misbruik wordt gestraft' (2004), 'Als broer en zus' (2005), 'Loverboy' (2005), 'Los geld' (2006), 'Hittegolf' - 'Hitzewelle' (2006), 'Schone Handen' (2007), 'Weerzin' (2008), 'Van twee kanten' (2010), 'Goede vrienden' (2011), 'De advocaat' (2013), 'De kortste nacht' (2014).

++ Erstellt: Mai 2015 ++  


Armstrong, Campbell

(Pseudonym für Thomas Campbell Black, 1944-2013; schrieb auch als Thomas Altman, Jeffrey Campbell und Thomas Weldon)

Thomas Campbell Black wurde in Glasgow geboren und wuchs auch dort auf. Er studierte Philosophie an der University of Sussex, Brighton. Nach einem kurzen Aufenthalt in London, wo er als Verlagslektor arbeitete, ging er 1971 mit seiner Frau Eileen Altman, die er 1965 geheiratet hatte, in die USA und unterrichtete Creative Writing an der University of New York in Oswego (1971-74) und der Arizona State University in Phoenix (1975-78). Ende der 70er-Jahre machte er das Schreiben zum Hauptberuf. 1991 kehrte er nach Europa zurück und liess sich mit seiner zweiten Frau Rebecca in einem riesigen Landhaus in den irischen Midlands nieder. Er starb 69-jährig in Dublin und hinterliess seine Gattin und seine drei Söhne aus erster Ehe, Iain, Stephen und Keiron.

Black hatte bereits etliche Romane unter seinem bürgerlichen Namen und den Pseudonymen Thomas Altman und Jeffrey Campbell veröffentlicht, als ihm 1987 mit dem 650 Seiten starken IRA-Thriller 'Jig' der internationale Durchbruch gelang. Sein Werk umfasst rund dreissig Romane, unter ihnen die sechsteilige Serie um Frank Pagan, Detective bei Scotland Yard, die Trilogie um den jüdisch-schottisch-stämmigen Police Detective Lou Perlman aus San Francisco, die Novellisationen der Filme 'Raiders of the Lost Ark' von Stephen Spielberg und 'Dressed to Kill' von Brian de Palma sowie die 2000 erschienenen Memoiren 'I Hope You Have a Good Live', in denen er sich vor allem mit seiner Beziehung zu der 1998 verstorbenen Eileen und seiner (überwundenen) Alkoholsucht auseinandersetzt.

'Jig' kreist um den irischen Bürgerkrieg, spielt sich jedoch vorwiegend in den Vereinigten Staaten ab. Vier reiche irisch-stämmige Amerikaner unterstützen die IRA, indem sie gewaltige Geldsummen nach Irland schmuggeln. Doch dieses Mal geht alles schief: Der Frachter wird überfallen, die Besatzung ermordet, und das Geld ist verschwunden. Finn - der Chef der geheimen IRA-Splittergruppe Association of the Wolfe - weiss nun, dass sich unter den vier Amerikanern ein Verräter befinden muss, und schickt seinen gefährlichsten Mann in die USA: Jig den "Tänzer", einen mysteriösen Attentäter, den ausser Finn niemand kennt. Und die vier Amerikaner wissen, dass sie sich auf die Ankunft eines irischen Killers gefasst machen müssen. New York wird zum Schauplatz des blutrünstigen Irland-Konfliktes, mit folgenden Protagonisten: Frank Pagan, Antiterrorspezialist bei Scotland Yard und sein verschlagener Gefährte, der FBI-Agent Artie Zuboric; Jig und sein Helfer Joseph Tumulty, ein irisch-stämmiger Priester; die vier reichen, einander belauernden Amerikaner, unter ihnen der schwer kranke Harry Cairney; Ivor McInnes, ein grössenwahnsinniger Prediger und Anführer der fanatischen pro-britischen Killertruppe 'Free Ulster Volunteers' aus Nordirland; und die geheimnisvolle Schönheit Celestine, Cairneys junge Ehefrau. Es kommt zu einem Kampf auf Biegen und Brechen, in dem fast alle Beteiligten den Löffel abgeben.

Bibliografie:
Als Campbell Armstrong: Frank Pagan-Serie: 'Jig' - 'Jig' (1987), 'Mazurka' - 'Die letzte Mazurka' (1988), 'White Light' - 'Die Gefangene' (1988), 'Mambo' - 'Mambo' (1990), 'Jigsaw' (1994), 'Heat' (1996);
Lou Perlman-Serie: 'The Last Darkness' (2002), 'White Rage' (2004), 'Butcher' (2006);
Einzelwerke: 'Brainfire' (1979), 'Agents of Darkness'- 'Ex', 1991), 'Concert of Ghosts' - 'Konzert der Schatten' (1992), 'Death's Head' (1993), 'Slattery's Rose' (1993), 'Silencer' - 'Und keinen Schritt weiter' (1997), 'Blackout' (1998), 'Deadline' (2000), 'The Bad Fire' (2001).
Als Campbell Black: 'The Wanting' (1966), 'Assassins and Victims' (1969), 'The Punctual Rape' (1970), 'Death's Head' (1972), 'Asterik Destiny' (1978), 'Dressed to Kill' (1980), 'Mr. Apology' (1984), 'Letters from the Dead' (1985), 'The Piper' (1986).
Als Thomas Altman: 'Kiss Daddy Goodbye' (1980), 'The True Bride' (1982), 'Black Christmas' (1983), 'Dark Places' (1984), 'The Intruder' (1985).
Als Jeffrey Campbell (gemeinsam mit Jeffrey Caine): 'The Homing' (1980).
Als Thomas Weldon: 'The Trader's Wife' (1997), 'The Surgeon's Daughter' (1998).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Dezember 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
 


Arnaud, Georges

(Pseudonym für Henri Georges Girard, 1917-1987)

Georges Arnaud, bürgerlich Henri Girard, wurde als Sohn einer Lehrerin und eines begüterten, in hoher Funktion im Aussenministerium angestellten Beamten in Montpellier geboren und wuchs ab 1926, dem Todesjahr seiner Mutter, in Paris auf. Er studierte Jura in Toulouse und Paris und belegte Kurse in Politischen Wissenschaften. Am 25. Oktober 1941 wurden sein nunmehr für die Vichy-Regierung arbeitender Vater, seine Tante und das Dienstmädchen auf dem Familienschloss im Périgord erschlagen, und Henri Girard geriet als einziger Überlebender unter Mordverdacht. Als er nach neunzehn Monaten Untersuchungshaft aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde, nahm er das Pseudonym Georges Arnaud (nach seinem zweiten Vornamen und dem Mädchennamen seiner Mutter) an. 1944 heiratete er die junge Sängerin Suzanne, mit der er zwei Söhne hatte, und führte in Paris das Leben eines Bohémien, bis das beträchtliche väterliche Erbe aufgebraucht war.

Mit dreihundert Dollar in der Tasche segelte Arnaud im Mai 1947 nach Venezuela und schlug sich dort während knapp zwei Jahren als Barkeeper, Goldsucher, Lastwagen- und Taxifahrer durch - diese harte Zeit inspirierte ihn zu seinem ersten Roman 'Lohn der Angst'. Nach Zwischenhalten in Kolumbien, Ecuador und Peru kehrte er im Frühjahr 1949 nach Frankreich zurück, wo ihm schon bald der Durchbruch als Journalist, Roman-, Theater- und Drehbuchautor gelang. Kurz nach seiner Scheidung im Jahre 1951 heiratete er erneut, doch diese Ehe hielt nur kurz. 1953 lernte er Rolande kennen; sie hatten zwei Töchter, vermählten sich aber erst viel später, 1966.

Ende der 50er-Jahre engagierte sich Arnaud intensiv für den algerischen Befreiungskampf. In diesem Zusammenhang geriet er 1960 für zwei Monate in Haft, weil er sich weigerte, den Namen eines Informanten preiszugeben. Als Algerien 1962 die Unabhängigkeit erlangte, zog Arnaud mit seiner Familie in das nordafrikanische Land und beteiligte sich an der Gründung einer Journalistenschule und der Zeitung 'Révolution Africaine'. 1974 kehrte er aus gesundheitlichen Gründen nach Frankreich zurück. Er arbeitete nun vorrangig als Enthüllungsjournalist für das Französische Fernsehen - unter anderem berichtete er über die Moon-Sekte, die Peiper-Affäre und den Drogenhandel in Kolumbien. Seine letzten drei Lebensjahre verbrachte er in Barcelona, wo er 69-jährig einer Herzattacke erlag. Der Mord an seinem Vater wurde nie geklärt.

Arnauds weitaus berühmtestes, von Henri-Georges Clouzot eindrucksvoll verfilmtes Werk ist der beklemmende, in einem knappen Stil erzählte Noir-Roman 'Lohn der Angst' aus dem Jahre 1950. In einer heruntergekommenen, von Seuchen, Hunger und Arbeitslosigkeit gezeichneten zentralamerikanischen Hafenstadt harrt ein Haufen Abenteurer, Tagediebe und Kriminelle der Chance auf schnelles Geld. Vier harte, wagehalsige Typen - der Franzose Gérard Stürmer, der Rumäne Johnny Mihalescu, der Spanier Juan Bimba und der Italiener Luigi Stornatori - nehmen den bestbezahlten, aber auch gefährlichsten Job an: Eine riesige Ladung Sprengstoff soll in zwei alten, klapprigen Lastwagen bei grosser Hitze durch unwegsames Gelände über 500 Kilometer transportiert werden, während ein Saboteur sein Unwesen treibt - als Leser spürt man förmlich die Todesängste der vier Männer.

Bibliografie:
'Le salaire de la peur' - 'Lohn der Angst' (auch unter dem Titel 'Ladung Nitroglycerin', 1950), 'Le voyage du mauvais larron' (1951), 'Les oreilles sur le dos' (1953).

++ Erstellt: Mai 2012 ++  


Arnott, Jake

(*1961)

Jake Arnott, geboren und aufgewachsen in Aylesbury, Buckinghamshire, verliess die dortige Grammar School mit sechzehn und jobbte danach als Hilfsarbeiter und in einer Leichenhalle, aber auch als Modell für Künstler. Die 80er-Jahre verbrachte er als Hausbesetzer und Politaktivist in London. 1989 ging er nach Leeds, um für die radikale Theatergruppe 'Red Ladder' und im Sozialwesen zu arbeiten. 1999 war er als Mumie im Film 'The Mummy' zu sehen. Im selben Jahr debütierte er als Krimiautor. Arnott ist bisexuell und lebt seit 2005 mit der (ebenfalls bisexuellen) Autorin Stephanie Theobald in London.

Arnotts Erstling 'Der grosse Schwindel' ist ein wuchtiger Gangsterroman aus dem London der Swinging Sixties. Im Zentrum steht der schwule Gangster Harry Starks - Besitzer des Clubs 'Stardust', raffinierter Schieber und eiskalter Killer -, der die Fäden fest in den Händen hält, bis er bei seinen Bemühungen, das Londoner Pornogeschäft unter seine Kontrolle zu bringen, den Bogen überspannt. Arnott erzählt die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte (Vorbilder waren die legendären Zwillingsbrüder Ronnie und Reggie Kray, die Mitte der 50er-Jahre die Londoner Unterwelt erobert hatten und 1969 hinter Gitter kamen) aus der Sicht von Personen aus Harrys nächstem Umfeld, das an dessen Untergang nicht unschuldig ist: Der schöne Knabe Terry, Harrys Günstling, Liebhaber und Sklave; Lord Thursby, ein schwuler, schwer verschuldeter und deshalb korrumpierbarer Politiker, der für Harry das Geld wäscht; Jack the Hat, Harrys Mann fürs Grobe; und Ruby Ryder, eine abgetakelte Schauspielerin, die Harrys erotische Club-Shows choreografiert, bis sie sich in den falschen Mann verliebt.
Harry Starks ist auch in den beiden nachfolgenden Romanen der als 'Long Time Trilogy' bezeichneten (und im Jahr 2004 für BBC 2 verfilmten) Serie ins Geschehen verwickelt.

Bibliografie:
Harry Starks-Trilogie (aka Long Firm Trilogy): 'The Long Firm' - 'Der grosse Schwindel' (1999), 'He Kills Coppers' (2001), 'Truecrime' (2003);
'Johnny Come Home' (2006), 'The Devil's Paintbrush' (2009), 'The House of Rumour' (2012).

++ Erstellt: November 2012 ++  


Atxaga, Bernardo

(Pseudonym für Joseba Irazu Garmendia, *1951)

Bernardo Atxaga wurde in der baskischen Ortschaft Asteasu, Provinz Guipuzcoa, geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in Bilbao und Philosophie in Barcelona und trat danach mit Liedtexten für die Gruppe 'Banda Pott', mit Gedichten, Kurzgeschichten, Hörspielen und Theaterstücken sowie mit Kinder- und Jugendbüchern (u.a. 'Memoiren einer baskischen Kuh') in Erscheinung. Im deutschsprachigen Raum debütierte er literarisch mit der skurrilen Geschichte 'Obabakoak oder das Gänsespiel'. Atxaga schreibt auf Baskisch und übersetzt seine Werke meistens selbst ins Spanische. Er lebt in dem kleinen ländlichen Dorf Zalduendo in der baskischen Provinz Alava.

In seinem vielschichtigen Politroman 'Ein Mann allein' zeichnet Atxaga das Porträt des vereinsamten und desillusionierten ehemaligen ETA-Terroristen Carlos, der nach längerem Gefängnisaufenthalt mit zwei Weggefährten, Guiomar und Ugarte, in der Nähe von Barcelona ein komfortables Hotel führt. Die Geschichte spielt in der Woche vom 28. Juni bis 2. Juli 1982, der Zeit der Fussball-WM in Spanien, die polnische Nationalmannschaft ist im Hotel einquartiert, als Carlos den fatalen Fehler begeht, zwei steckbrieflich gesuchte Terroristen im Keller seines Etablissements zu verstecken. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Autor auf kluge und unaufdringliche Weise mit dem Scheitern der (in diesem Falle baskischen) revolutionären Idee auseinander.

'Fenster zum Himmel' und 'Der Sohn des Akkordeonspielers', 1995 bzw. 2003 erschienen, befassen sich ebenfalls mit der Geschichte des Baskenlandes. Im Jahr 2009 folgte der im deutschen Sprachraum nicht greifbare Roman 'Zazbi etxe Frantzian', der die Verbrechen an den Kongolesen unter König Leopold II. von Belgien zum Thema hat (so genannte Kongo-Gräuel, Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts).

Bibliografie:
'Gizona bere bakardadean' - 'Ein Mann allein' (1993), 'Zeru horiek' - 'Fenster zum Himmel' (1995), 'Soinujolearen semea' - 'Der Tod des Akkordeonspielers' (2003).

++ Erstellt: Dezember 2014 ++  


Aveline, Claude

(Pseudonym für Evgen Avtsine, 1901-1992)

Claude Aveline, Spross einer russisch-stämmigen Familie, wurde im Paris geboren und wuchs dort und in Versailles auf. Als er seine Ausbildung mit siebzehn Jahren aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste, begann er zu schreiben und veröffentlichte schon bald seine ersten Gedichte. In den 20er-Jahren war er vornehmlich als Herausgeber von philosophischen Schriften tätig, danach konzentrierte er sich vermehrt auf die Schriftstellerei. Im Zweiten Weltkrieg schloss er sich der Résistence an. Darüber hinaus schrieb er für antifaschistische Zeitschriften wie 'Vendredi' und 'Commune' und veröffentlichte viel beachtete Filmkritiken in verschiedenen linksgerichteten Magazinen. Er starb 91-jährig in Paris.

Avelines Werk enthält Romane, Reiseberichte, Kindheitserinnerungen, fantastische Erzählungen für Jugendliche, Hörspiele, Essays, Aphorismen, Gedichte, den roman noir 'Le prisonnier' und die aus fünf Bänden bestehende "Suite policière" (Kommissar Frédéric Belot-Serie).

Im ersten Krimi 'Der zweifache Tod des Frédéric Belot' findet der junge Polizeiinspektor Simon Rivière in der Wohnung seines Vorgesetzten (und Patenonkels) Frédéric Belot zwei identisch - exakt wie der Kommissar - aussehende Männer vor: Der eine ist tot, der andere durch zwei Schüsse schwer verwundet. Welcher ist der echte Belot? Und warum hatte Belot einen Doppelgänger?

In den nachfolgenden - die Qualität des Erstlings nicht erreichenden - Titeln der "Suite policière" hält Aveline Rückschau auf Belots brillante Laufbahn bei der Pariser Kriminalpolizei. 'Der Passagier der Linie U' beginnt mit der Ermordung des Autohändlers Etienne Tavernier, der beim Aussteigen aus einem Omnibus der Linie U von einem Fahrgast erschossen wird. 48 Stunden später verschwindet der Briefmarkenhändler Maurice Verdon, als er auf der Linie U unterwegs ist. Kurz darauf trifft bei der Polizei eine Lösegeldforderung von 500'000 Francs ein, unterzeichnet mit "Der Passagier der Linie U". Frédéric Belot, redegewandt, klug und trotz seiner Migräneanfälle mit einer nahezu grenzenlosen Geduld begabt, nimmt sich des höchst verzwickten Falles an - und verliebt sich in die zauberhafte, über beachtliche detektivische Fähigkeiten verfügende Zeugin Madame Colet. Dann schlägt die Nachricht von einer zweiten Entführung, jener des belgischen Vicomte Guy de Lacken, wie eine Bombe ein - für Belot ist an Schlaf nun nicht mehr zu denken.

Bibliografie:
Suite policière (Kommissar Frédéric Belot-Romane): 'La double mort de Frédéric Belot' - 'Der zweifache Tod des Frédéric Belot' (auch unter dem Titel 'Der zweifache Tod', 1932), 'Voiture 7, place 15' - 'Wagen 7, Platz 15' (1937), 'Le jet d'eau' - 'Der Springbrunnen' (1946), 'L'abonné de la ligne U' - 'Der Passagier der Linie U' (auch unter dem Titel 'Der Briefmarkenhändler', 1947), 'L'oeil-de-chat' - 'Das Tigerauge' (1970);
'Le prisonnier' (1936).

++ Erstellt: Oktober 2012 ++  



 

Bailey, H.C.

(Kürzel für Henry Christopher Bailey, 1878-1961)

Geboren und aufgewachsen in London als Einzelkind, besuchte H.C. Bailey von 1890 bis 1897 die berühmte City of London School. Danach bekam er ein Stipendium für das Oxford Corpus Christi College an der University of Oxford, wo er Latein, Altgriechisch, Literatur und Geschichte studierte. Nach seinem Abschluss arbeitete er ab 1901 als Theaterkritiker, Kriegsreporter und später auch als Leitartikler für die konservative Zeitung 'Daily Telegraph'. In der Freizeit schrieb er Erzählungen für verschiedene Magazine und Romane - sein erstes Buch 'My Lady of Orange', ein historischer Roman, kam 1901 heraus.

Im Jahr 1908 heiratete Bailey Lydia Guest und lebte mit ihr in London, wo 1910 und 1913 ihre beiden Töchter Betty und Mary zur Welt kamen. 1930 gründete er mit AutorInnen wie Agatha Christie, Dorothy Sayers und G.K. Chesterton den "Detection Club". 1946 beendete Bailey seine journalistische Laufbahn beim 'Daily Telegraph' und liess sich mit seiner Frau in Llanfairfechen an der walisischen Nordküste nieder. Er starb dort im Alter von 83 Jahren.

Obgleich sich H.C. Bailey dem Schreiben fast ausschliesslich nebenberuflich widmete, veröffentlichte er nicht weniger als 46 Bücher - historische und romantische Romane, Krimis und Geschichtensammlungen.
Berühmt wurde er vor allem mit seinen Stories um den in London und Wien ausgebildeten, für Scotland Yard tätigen Gerichtsmediziner und Hobbydetektiv Reginald "Reggie" Fortune, einen scharfsinnigen Spürhund und feinfühligen Menschenkenner mittleren Alters mit einer Passion für kulinarische und kulturelle Genüsse, aber auch für Gartenarbeit und prachtvolle Autos. Sein wichtigster Kontakt bei Scotland Yard ist Superintendent Bell, ein erfahrener und zuverlässiger, etwas farbloser Polizist. Mit seiner Gattin Joan scheint Reggie eine befriedigende Ehe zu führen.

Auf Deutsch gibt es zwei Bände mit Fortune-Fällen - 'Die Hottentotten-Venus' (im Orignal 'Call Mr. Fortune', sechs Kriminalfälle) und '7 Fälle für Mr. Fortune' ('Der Eidechsenschwan', 'Der Himmelschlüsselstrauss', 'Der Dienstervolver' und 'Der Türschlüssel aus dem Band 'This is Mr. Fortune', 'Party bei Valerie', 'Die Primelblüten' und 'Die Messerspitze' aus dem Band 'Mr. Fortune Here'). Die besten - in der Regel zwanzig bis dreissig Seiten langen - Geschichten zeichnen sich aus durch geschickte Dramaturgie, sorgfältige Charakterzeichnung und atmosphärische Tiefe.

Baileys zweite Serienfigur ist Joshua Clunk aus London, ein derber, glücklich verheirateter, detektivisch tätiger Anwalt, der sich in elf Romanen sowie in einzelnen Reggie Fortune-Krimis für seine der Unterschicht entstammenden Klienten ins Zeug legt und dabei gelegentlich auch zu illegalen Mitteln greift (keine deutsche Übersetzung).

Bibliografie:
Reggie Fortune-Serie:
Geschichtensammlungen: 'Call Mr. Fortune' (1920), 'Mr. Fortune's Practice' (1923), 'Mr. Fortune's Trials' (1925), 'Mr. Fortune, Please' (1927), 'Mr. Fortune Speaking' (1929), 'Mr. Fortune Explains' (1930), 'Case for Mr. Fortune' (1932), 'Mr. Fortune Wonders' (1933), 'Shadow on the Wall' (1934), 'Mr. Fortune Objects' (1935), 'A Clue for Mr. Fortune' (1936), 'This is Mr. Fortune' (1938), 'Mr. Fortune Here' (1940);
Romane: 'The Man in the Cape' (1933), 'Shadow in the Wall' (1934), 'Black Land, White Land' (1937), 'The Great Game' (1939), 'The Bishop's Crime' (1940), 'No Murder' (auch unter dem Titel 'The Apprehensive Dog', 1942), 'Mr. Fortune Finds a Pig' (1943), 'The Cat's Whisker' (auch unter dem Titel 'Dead Man's Effects', 1944), 'The Life Sentence' (1946), 'Saving a Rope' (1948);
Joshua Clunk-Serie:
Romane: 'Garstons' (auch unter dem Titel 'The Garston Murder Case', 1930), 'The Red Castle' (auch unter dem Titel 'The Red Castle Mystery', 1932), 'The Skullen Sky Mystery' (1935), 'Clunk's Claiment' (auch unter dem Titel 'The Twittering Bird Mistery', 1937), 'The Veron Mystery' (auch unter dem Titel 'Mr. Clunk's Text', 1939), 'The Little Captain' (auch unter dem Titel 'Orphan Ann' (1941), 'Dead Man's Shoes' (auch unter dem Titel 'Nobody's Vineyard', 1942), 'Slippery Ann' (auch unter dem Titel 'The Queen of Spades', 1944), 'The Wrong Man' (1945), 'Honour Among Thieves' (1946), 'Shrouded Death' (1946).

++ Erstellt: April 2013 ++  


Baker, John

(*1942)

John Baker wurde im englischen Hull, Grafschaft Humberside, geboren, wo er auch aufwuchs und ausgebildet wurde. Er arbeitete unter anderem mit psychisch kranken Menschen in einer Landwirtschaftskommune, als Schiffsmakler, Lastwagenfahrer, Milchmann und in der Computerbranche und war bereits über fünfzig, als er sich aufs Schreiben verlegte. Bis vor kurzem war Baker Mitglied der "Murder Squad", einer 1999 formierten Gruppe von sieben nordenglischen Krimiautoren.

In Bakers humorvollen Kriminalromanen stehen der Yorker Privatdetektiv Sam Turner, ein älterer, mehrmals geschiedener Mann mit wüster Alkoholvergangenheit, und seine schräge Helfertruppe, bestehend aus Sams altem Kumpel Gus - er wird im zweiten Buch ermordet -, dem jungen Obdachlosen Geordie, der von seiner Mutter ausgesetzt worden ist, Celia, einer resoluten, 80-jährigen Englischlehrerin im Ruhestand, Marie, der Witwe von Sams früherem Partner, und der Krimiautor J.D. im Mittelpunkt. Im letzten Band 'The Meanest Flood' werden zwei von Sams Ex-Frauen ermordet. Sam reist zu einer weiteren, in Oslo lebenden Ex-Frau, weil er denkt, sie könnte das nächste Opfer sein, doch diese ist bereits getötet worden - und Sam steht nun unter Mordverdacht.

Bakers zweite Krimifigur ist Stone Lewis, der nach elf Jahren Gefängnis in Hull ein neues Leben beginnen möchte. Er findet einen Job in einem Internet-Café, wird liebevoll von seiner Familie unterstützt - und lässt sich dann doch wieder in Verbrechen verwickeln.

'Winged With Death', Bakers bislang letzter, 2009 veröffentlichter - zwischen den 1970ern in Montevideo, zur Zeit des uruguayischen Bürgerkriegs, und der Gegenwart in Nordengland hin- und herspringender Roman - ist nicht dem Krimigenre zuzurechnen.

Nach Aufenthalten in Südfrankreich und Oslo lebt Baker mit seiner Frau, der norwegischen Fotografin Anne, seit 1980 in York. Sie haben fünf Kinder.

Bibliografie:
Sam Turner-Serie: 'Poet in the Gutter' - 'Ins offene Messer' (1995), 'Death Minus Zero' - 'Voll erwischt' (1996), 'King of the Streets' - 'Tiefschlag' (1998), 'Walking With Ghosts' (1999), 'Shooting in the Dark' (2001), 'The Meanest Flood' (2003);
Stone Lewis-Romane: 'The Chinese Girl' (2000), 'White Skin Man' (2004).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2013 ++
 


Ball, John

(1911-1988)

John Dudley Ball, geboren in Schenectady, New York State, als Sohn eines Naturwissenschaftlers, besuchte das Carroll College in Milwaukee, Wisconsin, mit einem Bachelor-Abschluss 1934. Nach der Collegezeit zum Piloten ausgebildet, diente er im Zweiten Weltkrieg drei Jahre lang als Instruktor bei der Air Force. 1942 heiratete er die Autorin Nanoni Patricia "Nan" Hamilton. Nach dem Krieg arbeitete er in der Musikbranche, zuerst als Verfasser von Covertexten für 'Columbia Masterworks Records' und als Musikkritiker beim 'Brooklyn Eagle', danach als Kolumnist beim 'New York World-Telegram'. In dieser Zeit publizierte er seine ersten Bücher, die sich mit der Schallplattenindustrie befassen.

Von 1958 bis 1961 war Ball Leiter der PR-Abteilung des 'Institute of the Aerospace Sciences', anschliessend bis 1963 Chefredakteur einer Webeagentur in Beverly Hills, ehe er im selben Jahr ein Leben als freier Schriftsteller begann. Nebenbei arbeitete er Mitte der 70er-Jahre als Deputy Sheriff in Los Angeles County und als Freiwilliger beim Polizeidepartement von Pasadena. Dort unterrichtete er Polizisten im Kampfsport Aikido, den er während eines längeren Asienaufenthalts erlernt und perfektioniert hatte. Unter dem Pseudonym Donald Johnson war Ball zudem ein berühmter Vertreter des Nudismus - er verfasste mehrere Texte und ein Schulbuch zu diesem Thema und war Redakteur des Blattes 'Sunshine & Health'.

Im Jahr 1965 veröffentlichte Ball seinen ersten (und weitaus bekanntesten) Kriminalroman 'In der Hitze der Nacht', der den Auftakt zum Virgin Tibbs-Siebenteiler bildet. Detective Tibbs, Anfang dreissig, ist ein schwarzer, unverheirateter, ungemein kultivierter Polizeioffizier der Mordkommission Pasadena in Südkalifornen. Er hat zwar einen Partner, Bob Nakamura, ermittelt jedoch die meiste Zeit auf eigene Faust.

'In der Hitze der Nacht' spielt nicht in Pasadena, sondern in Wells, einer trostlosen Kleinstadt im tiefen Süden der Vereinigten Staaten, wo Maestro Enrico Mantoli, der prominente Organisator kommender Festspiele, ermordet aufgefunden wird. Der rassistische Polizeichef Gillespie ist mit dem Fall heillos überfordert und deshalb froh, auf die Unterstützung durch Virgil Tibbs zählen zu können - der allenfalls auch als Sündenbock verwendbar wäre. Auf gescheite, unspektakuläre und feinfühlige Art behandelt Ball sein Thema "rassistische Vorurteile in den amerikanischen Südstaaten der frühen 60er-Jahre". Die gleichnamige Verfilmung mit Sidney Poitier und Rod Steiger gewann 1967 fünf "Oscars", unter anderem als bester Film.

Die nachfolgenden Vergil Tibbs-Romane sind vorwiegend in Pasadena angesiedelt (Ausnahme: ‚The Eyes of Buddha', der in Katmandu spielt); unter ihnen ‚Nicht schiessen, Johnny!', die rührende Geschichte des neunjährigen, der weissen Unterschicht entstammenden Johnny McGuire, in der John Ball hart mit dem amerikanischen Waffenfetischismus ins Gericht geht. Als der zwei Jahre ältere Billy Hotchkiss Johnnys Transistorradio kaputt macht, dreht dieser durch. Er entwendet den geladenen Colt seines Vaters, um sich an seinem Peiniger zu rächen, feuert blindlings in das Hotchkiss-Haus, sucht dann voller Panik das Weite. Auf seiner Flucht trifft Johnny auf vier schwarze Teenager, fühlt sich von ihnen bedroht, es kommt zu einer Schiesserei, die einer der Schwarzen nicht überlebt. Vergil Tibbs zweifelt daran, dass Johnny der Täter ist. Er organisiert die Fahndung nach dem untergetauchten Jungen und muss gleichzeitig achtgeben, dass in Pasadena keine Rassenunruhen ausbrechen.

Balls zweite Serie dreht sich um den verheirateten 34-jährigen Cop Jack Tallon, Sergeant bei der Polizei in Pasadena, der nach einer misslungenen Geiselbefreiungsaktion die Nase voll hat von der urbanen Gewalt und deshalb das Amt des Polizeichefs im gemütlichen Städtchen Whitewater, Washington State, übernimmt. Als er realisiert, dass Gewalt auch vor kleinen Ortschaften nicht Halt macht, und dass seine Untergebenen dem Verbrechen meist recht hilflos gegenüberstehen, baut er eine schlagkräftige, gut organisierte Truppe auf.

In mehreren Krimi-Einzelwerken spielt Balls Passion, das Fliegen, eine wichtige Rolle. Neben seinen Krimis verfasste der Autor aber auch eine Reihe von Abenteuergeschichten, Kriegsromanen, Sachbüchern sowie etwa 400 Artikel über Musik, Astronomie, Reisen und die Flugfahrt.

John Ball starb 77-jährig in der kalifornischen Stadt Encino, wo er den zweiten Teil seines Lebens verbracht hatte, und hinterliess seine Frau und seinen 1952 geborenen Sohn John.

Bibliografie:
Detective Virgil Tibbs-Serie: 'In the Heat of the Night' - 'In der Hitze der Nacht' (auch unter dem Titel 'Heisser Mond', 1965), 'The Cool Cottontail' - 'Totes Zebra zugelaufen' (1966), 'Johnny Get your Gun' (auch unter dem Titel 'Death for a Playmate' - 'Nicht schiessen, Johnny!' (1969), 'Five Pieces of Jade' - 'Das Jadezimmer' (auch unter dem Titel 'Fünf Stücke Jade', 1972), 'The Eyes of Buddha' - 'Die Augen des Buddha' (auch unter dem Titel 'Unter den Augen Buddhas', 1976), 'Then Came Violence' (1980), 'Singapore' - 'Singapur. Ein Fall für Virgil Tibbs' (1986);
Chief Jack Tallon-Serie: 'Police Chief' (1977), 'Trouble for Tallon' (1981), 'Chief Tallon and the S.O.R.' (1984); 'Rescue Mission' (1966), 'Last Plane Out' (1970), 'The First Team' (1971), 'Mark One - The Dummy' (1974), 'Phase Three Alert' (1977), 'The Killing in the Market' - 'Heisser Markt für Mord' (1978), 'The Murder Children' (1979), 'The Kiwi Target' (1989), 'The Van' (1989).

++ Erstellt: Mai 2012 ++  


Ballard, W.T.

(Kürzel für Willis Todhunter Ballard, 1903-1980; schrieb auch als Brian Agar, P.D. Ballard, Parker Bonner, Hunter D'Allard, Harrison Hunt, Tod Hunt, John Hunter, Neil MacNeil, Jack Slade und John Shepherd)

W.T. Ballard, geboren in Cleveland, Ohio, war ein Cousin des Krimiautors Rex Stout, mit dem er den zweiten Vornamen teilte. Er ging zuerst in Cleveland, dann in Westtown, Pennsylvania, zur Schule. Nach dem Studium am Wilmington College in Ohio, das er 1926 abschloss, legte er zwei Jahre lang im väterlichen Elektrogeschäft Hand an. Anschliessend war er Journalist für verschiedene Lokalblätter. 1927 veröffentlichte er seine erste Story. Bei Ausbruch der grossen Depression zog er nach Los Angeles, wo er einige Filmskripts schrieb. 1933 wurde er professioneller Autor. 1936 heiratete er die Autorin Phoebe Dwiggins, die an mehreren seiner Werke mitarbeitete und einen Sohn, Wayne, zur Welt brachte.

Mit einem Gesamtwerk von knapp hundert Romanen (fast ausschliesslich Krimis und Western), über tausend Kurzgeschichten und rund fünfzig Drehbüchern für Film und Fernsehen war er einer der produktivsten Autoren seiner Zeit. Wie Dashiell Hammett, Raymond Chandler oder Erle Stanley Gardner verfasste er zahlreiche Beiträge für das einflussreiche Pulp-Magazin 'Black Mask', bevor er sich auch auf die lange Strecke begab. Seine tempostarken Kriminalromane sind mit einem kräftigen Schuss Humor gewürzt.

Ballard kreierte drei Krimiserien, in denen ganz unterschiedliche Personen im Mittelpunkt stehen: Der frühere Reporter und Pressesprecher Bill Lennox, der sich sein Brot jetzt als Troubleshooter eines grossen Filmstudios in Hollywood verdient und locker mit der Filmkritikerin Nancy Hobbs liiert ist (vier Romane und gut zwei Dutzend Stories); die ehemaligen FBI- und OSS-Agenten und heutigen Privatdetektive Tony Costaine und Bert McColl, zwei smarte und toughe Burschen (Tony ist wohl etwas smarter, Bert dafür eine Spur härter gesotten), die sich darauf spezialisiert haben, heikle Geschäfte in die richtigen Bahnen zu lenken - ihr Honorar beträgt mindestens 20'000 Dollar plus Spesen (sieben Romane, die ursprünglich unter dem Pseudonym Neil McNeil erschienen sind); und der Cop Max Hunter aus Las Vegas (drei Romane).

Der Autor starb 77-jährig in Mount Dora, Florida, dem Wohnsitz seiner letzten Lebensjahre. Seine Frau überlebte ihn um acht Jahre.

Bibliografie: Als W.T. Ballard:
Bill Lennox-Serie: 'Say Yes to Murder' (auch unter dem Titel 'The Demise of a Louse') - 'Hochzeitsnacht im Sarg' (1943), 'Murder Can't Stop' - 'Start frei für Mord' (1946), 'Dealing out Death' - 'Der Dunkelmann von Vegas' (1947), 'Lights, Camera, Murder' - 'Tod in goldener Robe' (ursprünglich als John Shepard, 1961);
Max Hunter-Serie: 'Pretty Miss Murder' - 'Liebe auf den ersten Mord' (1961), 'The Seven Sisters' - 'Sieben auf einen Streich' (1962), 'Three for the Money' - 'Alle meine Witwen' (1963);
'Walk in Fear' - 'Im Schatten der Angst' (auch unter dem Titel 'Kein Trumpf für Tracy', 1952).
Als Neil MacNeil:
Tony Costaine & Bert McColl-Serie: 'Death Takes an Option' - 'Ein Strohmann für den Henker' (1958), 'Two Guns for Hire' - 'Gefährliche Erbschaft' (1959), 'Third on an Seesaw' - 'Mörderische Stadt' (1959), 'Hot Dam' - 'Feuerwasser' (1960), 'The Death Ride' - 'Fahrt in den Tod' (1960), 'Mexican Slayride' - 'Rutschpartie in Mexiko' (1962), 'The Spy Catchers' - 'Lauter nette Leute' (auch unter dem Titel 'Zu scharf für zarte Kehlen', 1966).

++ Erstellt: Juni 2011 ++  


Ballinger, Bill S.

(1912-1980; schrieb auch als Frederic Freyer und B.X Sanborn)

Bill S. Ballinger, geboren in Oskaloosa, Iowa, schloss sein Studium an der University of Wisconsin 1934 mit einem Bachelor ab. Anschliessend arbeitete er als Werbetexter, später als Radioreporter in Chicago und New York City. Nach langen Reisen durch Europa und den Nahen und Fernen Osten liess er sich Anfang der 50er-Jahre in Los Angeles nieder, um Drehbücher (unter anderem für 'Alfred Hitchcock Presents', 'Cannon', 'Ironside' und 'Mike Hammer') und Kriminalromane zu schreiben. Von 1977 bis 1979 unterrichtete er Kreatives Schreiben an der California State University Northridge in Los Angeles.

Ballinger begann seine schriftstellerische Laufbahn mit zwei Dash Hammett verpflichteten Romanen um den Chicagoer Privatdetektiv Barr Breed. International bekannt wurde er mit seinen knapp zwanzig Standalones, in denen er seine Spezialität, das Erzählen aus verschiedenen Perspektiven, nahezu perfektioniert hat: Er erzählt zwei Geschichten - eine in der ersten, die andere in der dritten Person - in alternierenden Kapiteln und führt sie dann auf verblüffende Weise zusammen.

Ballingers grösste Würfe waren 'Die grosse Illusion' und 'Die längste Sekunde', aber auch 'Bis zur letzten Chance', eine feine Mischung aus Liebesgeschichte, Noir-Roman und Police-Procedural-Novel, weiss zu gefallen. Mitte der 60er-Jahre veröffentlichte der Autor den witzigen Fünfteiler um den in Indochina stationierten CIA-Agenten Joaquim Hawks (halb Spanier, halb Nez-Percé-Indianer), die nicht auf Deutsch vorliegt. 1974 kam 'The Corsican' heraus, die Geschichte des Aufstiegs eines korsischen Mafiaclans auf Korsika und in Marseille von 1943 bis 1973.

In Ballingers Meisterwerk 'Die grosse Illusion' kreuzen sich die beiden Erzählstränge erst ganz am Schluss. Zum einen geht es um einen Mordfall ohne Leiche (ein abgehacktes Fingerglied und ein Zahn sind, neben etwas Blut, einigen Haaren und einem verkohlten Knochen, die einzigen Überreste, deshalb der Titel ‚The Tooth and the Nail'), der vor einem New Yorker Geschworenengericht verhandelt wird - Staatsanwalt Cannon und Strafverteidiger Denman, zwei grosse Kaliber, stehen sich gegenüber, während der Angeklagte dem Leser lange Zeit vorenthalten wird.
Zum anderen erzählt der Autor die Geschichte des Zauberkünstlers Lew Mountain, der zufällig vor seinem Hotel die junge, reizende, aus Philadelphia geflüchtete Tally Shaw trifft, ihr aus der Klemme hilft, sie zu seiner Assistentin macht und nach einigen Monaten heiratet. Tally, die in Philadelphia durch ihren dementen, bei einem seltsamen Unfall getöteten Onkel in eine Falschgeldaffäre verwickelt worden war, kommt indes nach kurzer Zeit gewaltsam ums Leben, und Lew sinnt auf Rache. Die Art und Weise, wie Lew es dann dem Mörder seiner Frau heimzahlt, ist genial und bietet höchsten Lesegenuss.

'Die längste Sekunde' ist die Geschichte eines etwa 40-jährigen Mannes, der mit durchschnittener Kehle, ohne Stimme und ohne Gedächtnis, in einem New Yorker Krankenhaus erwacht. Man hatte ihn halbtot und nackt, nur mit Schuhen an den Füssen und einer 1000-Dollar-Note im Schuh, vor dem Haus der jungen Silberschmiedin Bianca Hill abgeladen, und sie rettete ihm das Leben. Als der Mann, den die Polizei als Vic Pacific identifiziert, aus dem Spital entlassen wird, geht er zu Bianca, um sich bei ihr zu bedanken - und sie stellt ihn aus Mitleid gleich als Gehilfen ein. Doch Bianca hat eine zweite Untermieterin, das Mannequin Rosemary Martin, die Pacific mit tiefer Abneigung entgegentritt - sie kennt ihn offenbar von früher her. Dann erhält Pacific einen Drohanruf, zwei Menschen aus seinem neuen Umfeld werden ermordet, sein Leben scheint an einem seidenen Faden zu hängen. Er beginnt seine eigene Vergangenheit zu erforschen, stellt fest, dass er über erstaunliche Fähigkeiten (Umgang mit Wurfmessern, Herstellung eines Dietrichs) verfügt und Arabisch spricht.
Der faszinierende, von einer bedrohlichen Grundstimmung durchdrungene Krimi wird abwechselnd aus der Sicht des Ich-Erzählers Pacific und der Polizei erzählt, wobei die beiden Stränge auch zeitlich auseinanderliegen. Gegen den Schluss hin verlässt der Autor etwas den Boden der Realität.

Ballinger war dreimal verheiratet - mit Geraldine Taylor von 1936 bis zur Scheidung 1946, mit Laura Dunham von 1949 bis zu ihrem Tod 1962 und mit Lucille Rambeau ab 1964 - und starb 68-jährig in Tarzana, Kalifornien.

Bibliografie:
Barr Breed-Romane: 'The Body in the Bed' - 'Ein Talisman, der Unglück bringt' (1948), 'The Body Beautiful' - ‚Die Totenshow' (1949). 'Portrait in Smoke' (auch unter dem Titel 'The Deadlier Sex') - 'Keiner ging an ihr vorbei' (1950), 'The Darkening Room' (1952), 'Rafferty' (auch unter dem Titel 'The Beautiful Trap', 1953), 'The Tooth and the Nail' - 'Die grosse Illusion' (1955), 'The Longest Second' - 'Die längste Sekunde' (1957), 'The Wife of the Red-Haired Man' - 'Bis zur letzten Chance' (1957), 'Beacon in the Night' - 'Auf dem Siedepunkt' (1958), 'Formula for Murder' - 'Rezept für einen Mord' (1958), 'The Fourth Forever' - 'Am 4. beginnt die Ewigkeit' (1963), 'Not I, Said the Vixen' - 'Liebe ist ein tödliches Spiel' (1965), 'The Heir Hunters' - 'Die Erbschaftsjäger' (1966), 'The Source of Fear' - 'Safari in die Vergangenheit' (1968), 'Heist Me Higher' - 'Die Henkersmahlzeit' (1969), 'The 49 Days of Death' (1969), 'The Lopsided Man' (1969), 'Triptych' (1970), 'The Corsican' (1974), 'The Law' (1975), 'The Ultimate Warrior' (1975), 'Lost City of Stone' (1978).
Joaquim Hawks-Serie: 'The Chinese Mask' (1965), 'The Spy in Bangkok' (1965), 'The Spy in the Jungle' (1965), 'The Spy at Angkor Wat' (1966), 'The Spy in the Java Sea' (1966).
Als Frederic Freyer: 'The Black Black Hearse' (1955).
Als B.X. Sanborn: 'The Doom Maker' (auch unter dem Titel 'The Blonde on Borrowed Time') - 'Der Wahrsager' (1959).

++ Erstellt: November 2011 ++  


Bardin, John Franklin

(1916-1981; schrieb auch als Douglas Ashe und Gregory Tree)

John Franklin Bardin kam als Sohn eines Kohlenhändlers in Cincinnati, Ohio, auf die Welt und wuchs auch dort auf. Sein Vater und seine ältere Schwester starben, als er noch zur Schule ging, seine Mutter litt an Schizophrenie. Da es Bardin an finanziellen Mitteln mangelte, musste er das Studium bereits im ersten Jahr abbrechen. Er arbeitete vier Jahre als Rausschmeisser, danach in einer Buchhandlung und las sehr viel. 1943 übersiedelte er nach New York City, wo er als zweifacher Familienvater in der Werbung tätig war (er brachte es bis zum Vizepräsidenten der Agentur Edwin Bird Wilson) und nebenbei zu schreiben begann. 1961 bis 1966 leitete er einen Schreib-Workshop an der New York's New School For Social Research. 1972 bis 1974 lebte er in Chicago und gab dort verschiedene Fachzeitschriften heraus. Die letzten sieben Jahre seines Lebens verbrachte er wieder in New York City, im East Village, wo er 64-jährig starb.

Zwischen 1946 und 1953 publizierte Bardin neun Romane - fünf unter seinem bürgerlichen Namen, vier unter seinen beiden Pseudonymen. Sein zehntes und letztes Buch folgte 25 Jahre später. Bekannt wurde Bardin mit seinen drei ersten, auch auf Deutsch vorliegenden Werken - ausgefeilten, düsteren, zum Teil surrealen Geschichten mit psychisch angeschlagenen Ich-Erzählern (so genannte Noir-Trilogie), in die er auch Erkenntnisse der Psychoanalyse und Traumdeutung einfliessen liess.

Der dritte Krimi 'Die Bärengrube' ragt heraus. Er erzählt von dem geistigen Zerfall der gefeierten und glücklich mit dem Dirigenten Basil verheirateten Pianistin Ellen Purcell, die zu Beginn des Romans, als sie eine schwere Krise scheinbar überwunden hat, nach zwei Jahren aus einer psychiatrischen Klinik entlassen wird; mit fatalen Folgen, denn Ellens böses, gewalttätiges alter Ego "Nelle" gewinnt jetzt immer mehr die Überhand.

Bibliografie:
Noir-Trilogie: 'The Deadly Percheron' - 'Das Teufelsrad' (1946), 'The Last of Philip Banter' - 'Geständnis auf Raten' (1947), 'Devil Take the Blue-Tail Fly' - 'Die Bärengrube' (1948);
'The Burning Glass' (1950), 'Christmas Comes Once a Year' (1954), 'Purloining Tiny' (1978). Als Gregory Tree: 'The Case Against Myself' (1950), 'The Case Against Butterfly' (1951), 'A Shroud for Grandmama' (in den USA als Douglas Ashe, 1951), 'So Young to Die' (1952).

++ Erstellt: Januar 2011 ++  


Barker, John

(*1948)

John Barker, geboren in Nord-London, ausgebildet in Cambridge, hat ein bewegtes Leben hinter sich: 1971 wurde er als Mitglied der "Angry Brigade", einer terroristischen Gruppierung, die spanische Polit-Häftlinge freibekommen wollte, mit ein paar Kilo Sprengstoff erwischt und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er sieben absitzen musste. Nach seiner Freilassung 1978 schlug er sich in London mit Gelegenheitsjobs durch. 1986 war er in Cannabisgeschäfte verwickelt, musste flüchten, wurde 1990 doch noch verhaftet und kam für zweieinhalb Jahre hinter Gitter. Heute lebt er als Importeur von Olivenöl sowie als zeit- und sozialkritischer Journalist und freier Schriftsteller im Norden Londons. Darüber hinaus arbeitet er hin hin und wieder mit der österreichischen Konzeptkünstlerin Ines Doujak zusammen.

2001 erschien Barkers erster Roman 'Termingeschäfte', an dem der Autor bereits in den 70er-Jahren gearbeitet hatte, auf Deutsch und Französisch, im englischen Original ('Futures') jedoch erst dreizehn Jahre später. Die anspruchsvolle, raffiniert gebaute Geschichte dreht sich um Phil und Jack, zwei alte Freunde mit Kokain-zerfressenen Nasen, die in dem von Drogen, Lügen und Betrug geprägten London der 80er-Jahre die Welt der Hochfinanz aufmischen.

2007 veröffentlichte Barker 'Bending the Bars', eine stark autobiografisch gefärbte Sammlung von Stories, die er in den 70er-Jahren im Gefängnis verfasst hatte. Weitere Kurzgeschichten und zahlreiche Essays sind in verschiedenen Zeitschriften erschienen.

Bibliografie:
'Futures' - 'Termingeschäfte' (2001).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2013 ++
++ Update: Februar 2016 ++
 


Barlow, James

(1921-1973)

James Barlow wuchs in Leamington Spa (Warwickshire) und Nord-Wales auf. 1940 war er RAF-Instruktor, bis er an Tuberkulose erkrankte und daraufhin technische Artikel für die Fachmagazine 'Flight' und 'Aeroplane' schrieb. 1948 veröffentlichte er seine ersten Stories im Magazin 'Punch', 1956 folgte der erste Roman. Bis 1960 arbeitete er als Rating Inspector für die Birmingham Corporation, danach widmete er sich ganz dem Schreiben.

Geschult am Werk seines grossen Vorbilds Graham Greene, verfasste Barlow eine Reihe von düsteren Romanen, unter ihnen 'Die Patrioten', mit dem ihm 1960 der Durchbruch gelang, und 'The Burden of Proof', ein harter Thriller um den sadistischen, das Londoner Eastend lange Zeit in Angst und Schrecken versetzenden Gangster Vic Dakin (keine deutsche Übersetzung), der unter dem Titel 'Villain' mit Richard Burton in der Rolle Vic Dakins in die Kinos kam.

'Die Patrioten', ein poetischer, in gemächlichem Tempo erzählter Roman, handelt von dem heissblütigen 40-jährigen Ex-Fallschirmjäger Reg Mills, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Leben nicht mehr zurechtfindet. Eine Kneipenschlägerei bringt ihn für sechs Monate ins Gefängnis, und auch dort führt ihn sein aufbrausendes Temperament in immer neue Schwierigkeiten. Reg wird als gebrochener Mann freigelassen - und gleitet nun endgültig in die Kriminalität.

1971 wanderte Barlow mit seiner Frau Joyce und den vier Kindern nach Tasmanien aus, wo er die letzten zwei Jahre seines Lebens verbrachte. Was ihn dazu bewog, England den Rücken zu kehren, schildert er in seinem 1969 erschienenen Buch 'Goodbye England'.

Bibliografie:
'Protagonists' (1956), 'One Half of the World' (1957), 'The Man with Good Intentions' (1958), 'The Patriots' - 'Die Patrioten' (1960), 'Term of Trial' - 'Kronzeugin der Hauptverhandlung' (1961), 'The Hour of Maximum Danger' (1962), 'This Side of the Sky' (1964), 'One Man in the World' (1966), 'The Love Chase' (1967), 'The Burden of Proof' (auch unter dem Titel 'Villain', 1968), 'Liner' (1970), 'Both Your Houses' (1971), 'In All Good Faith' (1971).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Barnard, Robert

(1936-2013; schrieb auch als Bernard Bastable)

Robert Barnard wurde in Burnham-on-Crouch, Grafschaft Essex, geboren und wuchs auch dort auf. Sein Vater, ein Farmer, schrieb in der Freizeit romantische Geschichten für Wochenmagazine. Nach seinem 1959 am Oxforder Balliol College mit einem Bachelor abgeschlossenen Englisch-Studium arbeitete Robert Barnard kurze Zeit in einer Buchhandlung und als Lehrer, bis er 1961 nach Australien zog, wo er fünf Jahre an der University of New England in New South Wales Englisch unterrichtete. In dieser Zeit lernte er seine zukünftige Frau kennen, die Bibliothekarin Louise Tabor.

Im Jahr 1966 kehrte Barnard nach Europa zurück. Er lehrte an der norwegischen Universität Bergen und wurde dort 1971 mit einer Dissertation über Charles Dickens promoviert. Von 1976 bis 1983 war er als Englischprofessor an der Universität Tromsö im nördlichsten Teil Norwegens tätig. Daraufhin liess er sich (nach 22 Jahren Abwesenheit) wieder in seiner Heimat England nieder, in der Industriestadt Leeds, um sich fortan vorrangig dem Schreiben zu widmen, nachdem er bereits 1974 seinen ersten (in Australien spielenden) Krimi 'Death of an Old Goat' veröffentlicht hatte. Darüber hinaus war Barnard mehrere Jahre Vorsitzender der Brontë Society.

Barnards Werk enthält rund vierzig Kriminalromane, Dutzende Kurzgeschichten sowie die vier Sachbücher 'A Talent to Deceive: An Appreciation of Agatha Christie' (1980), 'A Short History of English Literature' (1984), 'Emily Brontë' (2000) und 'A Brontë Encyclopedia' (2007).

Der Londoner Superintendent Peregrine "Perry" Trethowan von Scotland Yard, ein massiger, literarisch interessierter, mit Jan recht glücklich verheirateter Vater eines kleinen Sohnes (fünf Romane), und Charlie Peace, ein junger, schwarzer, zuerst in London, später in Leeds ermittelnder Scotland Yard-Detective (zehn Romane) sind Barnards bedeutendste Figuren. Zwei Krimis widmete der Autor dem Polizisten Inspector Idwal Meredith. Zahlreiche kleinere Auftritte hat Superintendent Mike Oddie.

Vier Krimis sind auch auf Deutsch herausgekommen: Das Einzelwerk 'Ein Totenhemd aus Schnee', der dritte Band der Perry Trethowan-Serie 'Emilys Erbe' sowie die beiden amüsanten (mit Bernard Bastable gezeichneten) Titel um Wolfgang Amadeus Mozart.

'Ein Totenhemd aus Schnee', angesiedelt in der Erdölstadt Tromsö, handelt vom Mord an einem jungen Mann, dessen Leiche unter der auftauenden Schneedecke aufgefunden wird. Inspektor Fagermo ermittelt den Fall und bringt ein Geflecht aus Eifersucht, Habgier, Spionage und Erpressung ans Licht.

In 'Emilys Erbe' begibt sich Perry Trethowan etwas planlos auf die Suche nach einem geheimnisvollen Manuskripts, das einer netten älteren Dame gewaltsam entwendet wurde - ein nachgelassenes Werk von Emily Brontë oder eine geschickte Fälschung? Mit einer gehörigen Portion Witz schildert Barnard, wie sich leidenschaftliche Sammler, zwielichtige Akademiker und geldgierige Ganoven gegenseitig die Schrift abzujagen versuchen.

In seinen beiden Mozart-Romanen spielt der Autor mit der Idee, das Musikgenie sei im Jahr 1764 von einer Konzertreise, das es als achtjähriges Wunderkind mit seinem Vater und seiner Schwester unternahm, nicht nach Österreich zurückgekehrt, sondern in London geblieben, um sich dort später als Gelegenheitskomponist, Dirigent und, bis ins hohe Alter, als Hobbydetektiv zu betätigen.

Zu Beginn des zweiten Teils 'Zu viele Noten, Mr. Mozart' bekommt der bereits 73-jährige Komponist eine neue Klavierschülerin: Sie ist erst elfjährig, aber sehr aufgeweckt und musikalisch begabt, heisst Victoria - und wird als Königin Grossbritanniens das Viktorianische Zeitalter begründen. Als Theaterdirektor Popper bei Festlichkeiten auf Schloss Windsor einem Giftanschlag zum Opfer fällt, der möglicherweise Victoria galt, wird Mozart von König William IV beauftragt, das Leben der Prinzessin zu schützen und den Mord in bewährter Weise aufzuklären. Bei seinen Nachforschungen muss Mozart zu seinem Leidwesen feststellen, dass das Königshaus schon damals reich an Skandalen und Intrigen war.

Robert Barnard starb 76-jährig in einem Pflegeheim in Leeds, Yorkshire, wo er seine letzten Monate verbracht hatte, und hinterliess seine Frau Louise.

Bibliografie:
'Death of an Old Goat' (1974), 'A Little Local Murder' (1976), 'Death on the High C's' (1977), 'Blood Brotherhood' (1977), 'Posthumous Papers' (auch unter dem Titel 'Death of a Literary Widow', 1979), 'Death in a Cold Climate' - 'Ein Totenhemd aus Schnee' (1980), 'Mother's Boys (auch unter dem Titel 'Death of a Perfect Mother', 1981), 'Little Victims' (auch unter dem Titel 'School for Murder', 1983), 'Out of the Blackout' (1984), 'A Corpse in a Gilded Cage' (1984), 'Disposal of the Living' (auch unter dem Titel 'Fête fatale', 1985), 'Political Suicide' (1986), 'The Skeleton in the Grass' (1987), 'A City of Strangers' (1990), 'Scandal in Belgravia' (1991), 'Masters of the House' (1994), 'Touched by the Dead' (auch unter dem Titel 'A Murder in Mayfair', 1999), 'Unholy Dying' (2000), 'The Mistress of Alderley' (2002), 'A Cry From the Dark' (2003), 'The Craveyard Position' (2004), 'Dying Flames' (2005), 'Last Post' (2008), 'A Stranger in the Family' (2010), 'Rogue's Gallery' (2011);
Idwal Meredith-Romane: 'Unruly Son' (auch unter dem Titel 'Death of a Mistery Writer' (1978), 'At Death's Door' (1988);
Perry Trethowan-Serie: 'Sheer Torture' (auch unter dem Titel 'Death by Sheer Torture', 1982), 'Death and the Princess' (1982), 'The Missing Bronte' (auch unter dem Titel 'The Case of the Missing Brontë') - 'Emilys Erbe' (1983), 'Bodies' (1987), 'The Cherry Blossom Corpse' (auch unter dem Titel 'Death in a Purple Prose'. 1987);
Charlie Peace-Serie: 'Death and the Chaste Apprentice' (1989), 'A Fatal Attachment' (1992), 'A Hovering of Vultures' (1993), 'The Bad Samaritan' (1993), 'No Place of Safety' (1997), 'The Corpse at the Haworth Tanddori' (1998), 'The Bones in the Attic' (2001), 'A Fall from Grace' (2006), 'The Killings on Jubilee Terrace' (2009), 'A Charitable Body' (2012).
Als Bernard Bastable:
'To Die Like a Gentleman' (1993), 'Mansion and Its Murder' (1998);
Wolfgang Amadeus Mozart-Romane: 'Dead, Mr. Mozart' - 'Wohin mit der Leiche, Mr. Mozart?' (1995), 'Too Many Notes, Mr. Mozart' - 'Zu viele Noten, Mr. Mozart' (1998).

++ Erstellt: Dezember 2014 ++  


Barrett, Neal Jr.

(1929-2014; schrieb auch als Victor Appleton II, Chad Calhoun, Clay Dawson, Franklin W. Dixon, Rebecca Drury, Wesley Ellis und J.D. Hardin)

Neal Barrett Jr., geboren in San Antonio, Texas, als Sohn eines Radiomoderators, aufgewachsen in Oklahoma City, dem Arbeitsort seines Vaters, verbrachte die Sommermonate jeweils auf der Farm seiner Grossmutter in Fort Worth, North-Texas. Bereits als 13-Jähriger belieferte er die Wochenzeitschrift 'The Saturday Evening Post' mit Gedichten, doch diese sah von einer Veröffentlichung ab. Von 1948 bis 1953 studierte er Professionelles Schreiben und Geschichte an der University of Oklahoma. Es folgte ein längerer Aufenthalt in Europa mit Stationen in Deutschland, England, Frankreich, Luxemburg und der Schweiz.

Zurück in den USA, in Fort Worth, verrichtete der nunmehr verheiratete Vater zweier Töchter halbherzig verschiedene Brotjobs in der Verwaltung, der Werbung und dem Verlagswesen. In seiner Freizeit schrieb er Kurzgeschichten, die ab 1960 in Zeitschriften für Sciencefiction wie 'Galaxy' und 'Amazing' abgedruckt wurden. Nach der Scheidung verbrachte er zwei Jahre in San Miguel de Allende, Mexiko. 1975 heiratete er seine zweite Frau Ruth, die eine Tochter und zwei Söhne in die Beziehung brachte, und liess sich 1992 mit ihr in Austin, Texas, nieder. Barrett starb dort im Alter von 84 Jahren.

Mitte der 70er-Jahre entschloss sich Barrett für ein Leben als freier Autor und machte fortan vor allem als Erfinder von fantastischer Literatur (Aldair-Tetralogie, 1976-82, 'Through Darkest America', 1987, 'Dawn's Uncertain Light', 1989, 'The Hereafter Gang', 1991) von sich reden. Sein breit gefächertes belletristisches Werk enthält etwa fünfzig Romane, neben Fantasy und Sciencefiction für Jugendliche und Erwachsene auch historische und humoristische Romane, Western und Krimis, sowie ungezählte Short Stories.

Barretts Beitrag zum Krimigenre besteht aus der so genannten Blues-Tetralogie, einer eigentümlichen Mischung aus Kriminalgroteske, Slapstick und Fantasy. 'Pink Vodka Blues', der erste und wildeste Teil der Reihe, dreht sich um einen gewissen Russell Murray - Literaturkritiker und Quartalstrinker -, der für seinen Chef in Dallas eine Tasche abholen soll. Nach einer durchzechten Nacht wacht er neben einer nackten Frau in einem Hotelzimmer auf - Filmriss, die Frau ist tot, es fallen Schüsse, und Murray ergreift die Flucht. In einer Alkoholentwöhnungsklinik trifft er dann auf die schöne, reiche Säuferin Sherry Lou. Die beiden kommen sich näher, begeben sich auf die Suche nach der verschwundenen Tasche. Auf ihren Fersen: Cops und Gangster, FBI-Agenten und Mafia-Killer.

Wiley Moss ist die Hauptperson im dritten und vierten Band der Blues-Serie. Der 34-jährige Insektenkundler zeichnet Käfer für die "Smithonians" in Washington, D.C., wird jedoch zu Beginn des Krimis 'Skinny Annie Blues' jäh aus seinem beschaulichen Alltag gerissen, als sein schlitzohriger Vater, den er seit achtzehn Jahren nicht mehr gesehen hat, im texanischen Galveston gewaltsam ums Leben kommt - Wileys detektivische Fähigkeiten sind gefragt.

Bibliografie:
Blues-Serie: 'Pink Vodka Blues' - 'Pink Vodka Blues' (auch unter dem Titel 'Eine Flasche zeigt nicht immer nach Norden', 1992), 'Dead Dog Blues' - 'Dead Dog Blues' (1994), 'Skinny Annie Blues' - 'Skinny Annie Blues' (1996), 'Bad Eye Blues' - 'Bad Eye Blues' (1997).

++ Erstellt: Juni 2013 ++
++ Update: Januar 2014 ++
 


Bayer William

(*1939; schreibt auch als David Hunt)

William Bayer wurde in Cleveland, Ohio, geboren. Seine Eltern, der Anwalt Leo Bayer und die Drehbuchautorin Eleanor, geborene Rosenfeld, verfassten in den 40er-Jahren unter dem Pseudonym Oliver Weld Bayer gemeinsam ein paar Krimis. Bayer jr. studierte an der Philips Exeter Academy, New Hampshire, und der Harvard University in Cambridge, wo er 1960 in Kunstgeschichte abschloss. Von 1963 bis 1968 arbeitete er als Produzent, Autor und Regisseur von Dokumentarfilmen für den amerikanischen Geheimdienst. Danach wurde er frei schaffender Autor und Filmemacher.

Als Bayer in den 70er-Jahren während vier Jahren mit seiner späteren Frau, der Kochbuchautorin Paula Wolfert, in Tanger, Marokko, lebte, intensivierte er seine schriftstellerischen Aktivitäten. 1978 veröffentlichte er seinen ersten von dreizehn Krimis 'Tangier', in dem der brillante marokkanische Polizist Hamid Ouazzani die Hauptrolle innehat. Die folgenden Jahre verbrachte Bayer in New York City, bis er 1994 nach San Francisco umzog. Heute lebt er mit seiner Frau in Sonoma Valley, Nord-Kalifornen.

In vier Romanen steht Lieutenant Frank Janek im Mittelpunkt, ein abgebrühter, von seiner Frau Sarah getrennt lebender New Yorker Cop Anfang Fünfzig, aber auch ein gebrochener Mann, seit er vor vielen Jahren seinen Partner und engen Freund bei einem Einsatz erschossen hat. Sein Vater war Akkordeonmacher in Prag, bis er nach New York City auswanderte und dort einen Reparaturladen eröffnete. Er hinterliess Frank ein Dutzend mehr oder wenig kaputte Ziehharmonikas, die seither dessen einziges Steckenpferd sind - passend zu seiner Grundstimmung entlockt er ihnen in seiner kleinen, karg möblierten Wohnung traurige Melodien und bastelt in schlaflosen Nächten ein wenig an ihnen herum. Janek ist ein brillanter, instinktiv handelnder Ermittler, der alle Facetten der menschlichen Seele kennt, der Dinge und Zusammenhänge sieht, die Andere nicht sehen, und der tief in die Gehirne anderer Leute dringen kann. Sein Partner und engster Freund ist Aaron Rosenthal, auch er ein routinierter, mit allen Wassern gewaschener Cop.

Bayers berühmtester Roman 'Der Killerfalke' erzählt von der Jagd auf ein riesiges Wanderfalkenweibchen bzw. auf den Falkner, der den Vogel als Mordmaschine abgerichtet hat - drei junge, zierliche Frauen sind die ersten (dem Anschein nach zufällig ausgewählten) Opfer. An den Ermittlungen beteiligt sich nicht nur Frank Janeks Polizeitruppe, sondern auch die ehrgeizige, von schwierigen Männerbeziehungen geprägte TV-Reporterin Pamela Barrett, die den ersten Falkenangriff miterlebt hat - und danach in die Fänge des sie raffiniert manipulierenden Falkners gerät. Die faszinierende Geschichte - eine Mischung aus Polizeiroman und Psychothriller, angereichert mit umfassenden Informationen zur Falknerei - wird abwechslungsweise aus der Sicht des Polizisten, der Jounalistin und des Mörders erzählt. Grosse Spannung erzeugt Bayer mit seinem Kunstgriff, dem Leser die Identität des Mörders schon früh zu offenbaren, während dieser sich im Dunstkreis der Fahnder aufhält - als Raubvogelexperte und Berater. 'Der Killerfalke' ist die Geschichte von vier in kräftigen Farben gezeichneten Figuren, drei Menschen und einem Tier, die gleichzeitig Jäger und Gejagte sind. Mit einem glücklichen Ende für den Vogel.

Der Nachfolgeband 'Tödlicher Tausch' ist indes das bessere Buch - eine mitreissende, tief gründende Police Procedural Novel, geschmückt mit einer vielschichtigen Liebesgeschichte: jener zwischen Frank Janek und der zwanzig Jahre jüngeren Fotografin Caroline Wallace, deren Vater, auch er ein NYPD-Cop, bei einem Einsatz gewaltsam ums Leben gekommen ist. Janek hat diesmal gleich zwei (nicht miteinander zusammenhängende) Fälle am Hals. Sein früherer "Rabbi" (will heissen: Mentor für Polizei-Rookies) Al DiMona, seit einigen Jahren im Ruhestand, schoss sich eine Kugel in den Kopf, nachdem er heimlich ein längst vergessenes Verbrechen zu klären versucht hatte - ein Verbrechen, in das auch der derzeitige Leiter der Kriminalabteilung und Carolines Vater verwickelt waren. Und fast gleichzeitig wurden zwei Frauen, eine junge Englischlehrerin und eine Prostituierte, zwischen denen es offenbar keine Verbindung gibt, auf bizarre Art getötet - jemand drang in ihre Wohnungen ein, erstach und enthauptete sie und tauschte dann ihre Köpfe aus. Zwei Fälle, die Janek und seine Kollegen an ihre Grenzen führen.

Im dritten Band 'Eiskalter Engel' breitet Bayer einen monströsen, etwas an den Haaren herbeigezogenen Kriminalfall vor dem Leser aus. Er kreist um die zutiefst frustrierte Psychotherapeutin Beverley Archer, die eine ihrer Patientinnen, die blutjunge Diana, in eine Killermachine umwandelt und sie dann auf die Jagd nach ihren alten Feinden schickt. Viel Raum erhält Janeks neue Beziehung zu der klugen, warmherzigen deutschen Psychoanalytikerin Monika Daskai, gleichzeitig Geliebte, Therapeutin und Beraterin des gequälten Cops.

Bibliografie:
Lieutenant Frank Janek-Serie: 'Peregrine' - 'Der Killerfalke' (1981), 'Switch' - 'Tödlicher Tausch' (1984), 'Wallflower' - 'Eiskalter Engel' (1991), 'Mirror Maze' (1994);
'Tangier' (1978), 'Punish Me With Kisses' (1980), 'Pattern Crimes' - 'Unternehmen Felsendorn' (1987), 'Blind Side' - 'Blinde Wut' (1989), 'Tarot' (1991), 'The Dream of the Broken Horses' (2002), 'City of Knives' (2008; bisher nur in der französischen Version 'La Ville des Couteaux' erschienen).
Als David Hunt: 'The Magician's Tale' - 'Farben der Nacht' (1997), 'Trick of Light' - 'Geh nicht zurück' (1998).

++ Erstellt: August 2012 ++  


Becker, Lars

(*1954)

Lars Becker, geboren und aufgewachsen in Hannover, liess sich nach einem längeren Italienaufenthalt in Hamburg nieder, wo er eine Weile als Drucker und Barmann arbeitete, bevor er ein Filmstudium an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und in New York absolvierte.

Seine erste Publikation 'Kalte Sonne', zunächst für das Fernsehen verfilmt, dann zu einem Kriminalroman umgeschrieben, dreht sich um das Schicksal von afrikanischen Flüchtlingen im Deutschland der 80er-Jahre. Die multiperspektivisch mit schnellen Schnitten erzählte Geschichte wartet mir einem farbigen Figurenensemble auf: Desmond Mabaso genannt "Street", ein Musiker und Strassenkämpfer aus der südafrikanischen Stadt Soweto, der 1978 aus der Haft entwich, untertauchte und jetzt in einer Bar in St. Pauli als Hilfskraft angestellt ist; Streets Arbeitkollege Bruno Guzmann, ein ausgebuffter Barkeeper mit einer Vergangenheit als Fremdenlegionär im Algerienkrieg; Streets alter Kumpel Fats Faniso, der in einem Luxushotel in Johannisburg als Page arbeitet, bis er wegen aufmüpfigem Verhalten gefeuert wird und sich nach Hamburg absetzt; der südafrikanische Generalkonsul Henk Bassers alias Van Vliet, ein ehemaliger Polizeikommandant, der vor einiger Zeit in Soweto Desmonds Schwester umgebracht hat; sowie das deutsche Gespann Jansen und Senff, das die südafrikanische Oberschicht illegal mit Waffen versorgt.

In Beckers zweitem Krimi steht der wortkarge Ex-Terrorist Steiger, Kampfname Amigo, im Mittelpunkt, ein einsamer Wolf, der vor vier Jahren auf einem abgelegenen Bauernhof in der Emilia Romagna untertauchte und sich dort, benebelt vom Grappa, halbherzig der Landwirtschaft widmet. Als er nur knapp einem Mordanschlag entgeht, kehrt er trotz ausgeschriebener Fahndung mit falschen Papieren nach Hamburg zurück, zumal die regelmässigen Überweisungen aus der Kriegskasse in den letzten Monaten ausgeblieben sind. Haben ihn seine ehemaligen Genossen von der Revolutionären Front auf Kreuz gelegt? ‚Amigo' - eine atemlose Erzählung über Habgier und Verrat, Rache und Gewalt.

Seit Anfang der 90er-Jahre macht Lars Becker vornehmlich als Drehbuchautor und Filmregisseur ('Bunte Hunde', 'Schattenboxen', 'Nachtschicht', 'Unter Feinden', 'Schade um das schöne Geld', 'Zum sterben zu früh', Beiträge zur Tatort-Serie usw.) von sich reden. Er hat heute seine eigene Filmproduktionsfirma Cinescript und lebt in Hamburg.

Bibliografie:
'Kalte Sonne' (1990), 'Amigo' (1991).

++ Erstellt: Januar 2016 ++  


Becker, Stephen D.

(1927-1999; schrieb auch als Steve Dodge)

Stephen D. Becker kam in Mount Vernon, New York State, zur Welt; sein Lebenslauf liegt weitgehend im Dunkeln. Von 1947 bis 1948, kurz vor der kommunistischen Machtübernahme, weilte er in Peking. Nach seiner Rückkehr in die USA begann er eine schriftstellerische Laufbahn. Sein Werk enthält ein bedeutendes Sachbuch über komische Kunst in Amerika ('Comic Art in America', 1959), Biografien, Kurzgeschichten und elf historische Spannungsromane, die zwischen 1951 und 1987 erschienen sind. Darüber hinaus war er als Übersetzer tätig. Er starb vier Tage vor seinem 72. Geburtstag.

Im Zentrum von Beckers Prosa steht die so genannte (teilweise auf eigenen Erlebnissen gründende) Fernost-Trilogie, mit dem zweiten Band 'Der letzte Mandarin' als Höhepunkt. Er spielt im bitterkalten, von Maos Kommunisten belagerten Peking der Jahreswende 1948/49 (neun Monate vor der Gründung der Volksrepublik China). Der in Japan geborene Amerikaner Jack Burnham, Elektroingenieur, Frauenheld und Major a.D., trifft mit dem Auftrag, den berüchtigten japanischen Kriegsverbrecher Major Kanamori Shoichi (Massaker von Nanking!) aufzuspüren und der Todesstrafe zuzuführen, in Peking ein. Er knüpft Kontakte, kreist den Gesuchten ein, doch schnell wird ihm klar, dass mehr hinter dem Auftrag steckt als blosse Rache. Ein nervenaufreibendes Spiel von Flucht und Verfolgung nimmt seinen Gang. Und Burnham findet die Liebe in der Person der Kinderärztin Nien Hao-Ian.

In deutschen Übersetzungen gibt es ferner 'Mit dem Tod einen Bund. Roman um ein verhängnisvolles Urteil' (er kreist um einen Mord im amerikanischen Südwesten des Jahres 1923), 'Leben und leben lassen' (ein Bericht über die Abenteuer des amerikanischen Arztes Benjamin Beer im Zweiten Weltkrieg und im Koreakrieg) und 'Rendezvous in Haiti' (mit einem US-Marine, der im Haiti des Jahres 1919 gegen eine Rebellentruppe kämpft).

Bibliografie:
Fernost-Trilogie: 'The Chinese Bandit' - 'Der chinesische Bandit' (1975), 'The Last Mandarin' - 'Der letzte Mandarin' (1979), 'The Blue-Eyed Shan' - 'Der Shan' (1982);
'The Season of the Stranger' (1951), 'Shanghai Incident' (zuerst als Steve Dodge, 1955), 'Juice' (1958), 'A Covenant with Death' - 'Mit dem Tod einen Bund' (1964), 'The Outcasts' (1967), 'When the War is Over' (1969), 'Dog Tags' - 'Leben und leben lassen' (1973), 'Rendezvous in Haiti' - 'Rendezvous in Haiti' (1987).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Bedford, Martyn

(*1959)

Geboren und aufgewachsen in Croydon, South-London, als einziges Kind einer Lohnbuchhalterin und eines Blechschlossers, studierte Martyn Bedford Journalistik und arbeitete dann fünfzehn Jahre als Reporter für kleinere Zeitungen. Zwischen den Jobs bereiste er die Welt, arbeitete kurze Zeit als Englischlehrer in Hongkong und schrieb Stories für Anthologien und (unveröffentlicht gebliebene) Romane. Anfang der 90er-Jahre studierte er Creative Writing an der University of East Anglia in Norwich, Grafschaft Norfolk. 1996 erschien sein erster Roman 'Der Zeichner'.

Bedford lebt mit seiner Frau Damaris in Ilkley, West Yorkshire, und hat zwei Töchter, Josie und Polly. Neben seiner Schriftstellerei - er verfasste bis 2006 fünf Bücher für Erwachsene, ehe er sich der Jugendliteratur zuwandte - unterrichtet er Creative Writing an der Leeds Trinity University.

In seinem Romanerstling 'Der Zeichner' entwirft Bedford das Porträt einer gequälten Seele: "Mein Name ist Gregory Lynch. Ich bin 35 Jahre alt, Waise, Junggeselle, mit viereinhalb Jahren Einzelkind. Ich habe ein braunes und ein grünes Auge." - dies sind die gebetsmühlenartig geäussersten Sätze des labilen, eigenbrötlerischen Ich-Erzählers. Nach dem Tod seiner Mutter stösst Gregory Lynch im Estrich auf seine alten Schulzeugnisse - und beschliesst, sein verpfuschtes Leben zu "korrigieren". Er besitzt nur ein einziges Talent: das Zeichnen. Und so bringt er seine Rachefantasien in Form von Cartoons zu Papier, um sie dann (vielleicht) Realität werden zu lassen.
Gregorys Hass richtet sich gegen seine Lehrer, die ihn seinerzeit von der Schule verwiesen haben, und die er nun für sein globales Scheitern verantwortlich macht - in jedem der sieben Kapitel des Romans geht es einem seiner Ausbilder an den Kragen. Dabei springt der Autor (bzw. Gregory) ständig zwischen vier Zeitebenen hin und her: Dem Aufwachsen in bescheidenen Verhältnissen an der Seite der heiss geliebten, zweieinhalb Jahre älteren (mit sieben an Hirnhautentzündung verstorbenen) Schwester Janice, der als peinvoll erlebten Schulzeit im Süden Londons, den zwanzig Jahre später, nach längerer Arbeitslosigkeit, durchgeführten Strafaktionen, die er als Korrekturmassnahmen bezeichnet ('Acts of Revision' lautet denn auch der Originaltitel des Romans), und der Gegenwart, die sich während der Zeit der Untersuchungshaft abspielt und fast nur aus fruchtlosen Gesprächen mit seinem Anwalt besteht.
'Der Zeichner': Eine kunstvoll komponierte, in einer schlichten (dem Gemüt des Erzählers angepassten) Sprache, ganz ohne Effekthascherei erzählte Tragikomödie mit einem unvergesslichen Protagonisten.

'Houdini Girl' ist die Geschichte des knapp 30-jährigen Magiers Fletcher Brandon, genannt "Red", der in Oxford lebt und unter dem Künstlernamen "Peter Prestige" sein Publikum in ganz England verzaubert. Reds Leben gerät aus den Fugen, als er sich in einer Kneipe unsterblich in die extravagante, etwas verrückte Rosa verliebt, die am nächsten Tag bei ihm einzieht. Ein Jahr später muss er Rosas Leiche identifizieren - sie ist von einem Zug überfahren worden: Unfall, Selbstmord oder Mord? Der untröstliche Red begibt sich auf Spurensuche, wird in seinem Haus überfallen, landet schliesslich in Amsterdam - und entdeckt, dass es fünf Jahre in Rosas Leben gibt, über die kein Mensch etwas zu wissen scheint.

Bibliografie:
'Acts of Revision' - 'Der Zeichner' (1996), 'Exit, Orange & Red' (1997), 'The Houdini Girl' - 'Houdini Girl' (1999), 'Black Cat' (2000), 'The Island of Lost Souls' (2006).

 


Behm, Marc

(1925-2007)

Marc Behm kam in Trenton, New Jersey, zur Welt. Als Teenager versuchte er sich als Schauspieler in der damals bekannten Truppe von Ernie Kovacs. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den er als Soldat in Frankreich verbrachte, blieb er in Paris hängen. Er studierte an der Sorbonne, arbeitete in der Filmbranche und heiratete eine Französin. Von 1961 bis 1980 war er vorrangig als Drehbuchautor ('Charade', 'Help!') tätig. Zwischen 1977 und 1994, verfasste er sieben (zum Teil nur in französischen Übersetzungen erschienene) Romane, von denen fünf dem Krimigenre zuzurechnen sind, und eine Handvoll Kurzgeschichten. Er starb 82-jährig im nordfranzösischen Küstenort Fort-Mahon-Plage.

Behms bekanntester, zweimal verfilmter Roman 'Das Auge' handelt von Joanna Eris und einem namenlosen New Yorker Detektiv, genannt "das Auge", zwei am Rande der Gesellschaft stehende Figuren, die versuchen, ihrem Leben einen Sinn zu geben. Joanna liest Horoskope und Shakespeare, hört 'La Paloma', trinkt zu viel Cognac, ändert ständig Namen und Outfit - und legt über Jahre hinweg reihenweise Männer um. Ihr Beobachter und heimlicher Beschützer "das Auge", zunächst noch für eine grosse Detektivagentur tätig, im Verlauf der Geschichte gefeuert, ist eine gescheiterte Existenz mit der fixen Idee, seine "verloren gegangene" Tochter zu finden (zeitweise hält er die Killerin für dieselbe), von der er lediglich ein Schulfoto besitzt. Das rührende Paar hetzt durch halb Amerika, ohne sich je richtig kennen zu lernen.

'Todespoker' dreht sich um die tragische Figur Joe Egan. Joe hat seit seiner Jugend die Fähigkeit, Geheimnisse anderer Menschen (Seitensprünge, Diebstähle, Drogenkonsum) wahrzunehmen, und schwingt sich dank dieser Gabe zu einem glänzenden Pokerspieler empor. Die Kehrseite: Joe kann den Tod, der in Gestalt einer blonden Frau mit violetten Augen auftaucht, sehen, flieht vor ihm durch halb Amerika, verkleidet sich mal als Clochard, mal als Baron, doch es hilft alles nichts.

In 'Durchgeknallt', der Geschichte des verschrobenen, durch den Tod seiner Eltern reich gewordenen Eigenbrötlers Patrick Nelson, persifliert Behm das Genre des Psychopathen-Thrillers. Patrick Nelson verliebt sich hoffnungslos in eine Polizistin, die mit dem Fall eines Serienkillers befasst ist (der Mörder zerstückelt wahllos Leute jeden Alters und Geschlechts fein säuberlich mit einer Axt) und versucht nun in recht unbedarfter Manier, ihren Verdacht auf sich selbst zu lenken, etwa indem er mehrere Äxte anschafft und sie in seinem Haus "versteckt".

Behms zwei nicht auf Deutsch vorliegende Krimis drehen sich um Lucy, eine junge Frau mit übernatürlichen Gaben.

Bibliografie:
'The Eye of the Beholder' - 'Mortelle Randonée' - 'Das Auge' (1980), 'Afraid To Death' - 'Trouille' - 'Todespoker' (1991), 'Off the Wall' - 'A Côté de la Plaque' - 'Durchgeknallt' (1992); Lucy-Romane: 'Seek to Know No More' - 'Ne cherche pas à savoir' (1993); 'Crabs' - 'Crabe' (1994).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Beinhart, Larry

(*1947)

Larry Beinhart, geboren und aufgewachsen in Brooklyn, New York City, als Sohn eines Juristen und einer Mutter, die in der Verwaltung der Long Island University arbeitete, besuchte die Brooklyn Technical High School und die State University of New York in Binghamptom. Danach ging er in die Filmproduktion, zuerst in New York City, dann in Miami. Zurück in New York, war er als Berater für den demokratischen Politiker Hank Steinkopf tätig. Nach einer kurzen Phase der Arbeitslosigkeit begann er Mitte der 80er-Jahre zu schreiben.

Von 1986 bis 1991 veröffentlichte Beinhart drei Krimis um den sizilianisch-stämmigen Ermittler Antonio "Tony" Cassella, der nach hingeschmissenem Jurastudium und kurzer Ehe in der Anti-Korruptions-Abteilung des NYPD tätig war, bis er mit dem Ex-Cop Joey D', einem engen Freund seines verstorbenen Vaters, in New York eine Privatdetektei eröffnete. Cassella ist im Grunde ein cleverer Bursche, doch sein starker Sexualtrieb und seine Vorliebe für Kokain kommen ihm immer wieder in die Quere. Im ersten (und besten) Band 'Kein Trip für Cassella' wird Cassella beauftragt, dem gewaltsamen Tod des Anwalts Edgar Wood, der 8 Millionen Dollar Firmengelder veruntreut hat, auf den Grund zu gehen. Die Spuren des höchst komplexen Kriminalfalls, in den vielleicht auch Cassellas zwielichtiger Onkel Vincent verwickelt ist, führen zurück in die Zeit des Zweiten Weltkriegs, als wohlhabende Juden von skrupellosen amerikanischen Geschäftsmännern um ihr Vermögen gebracht worden sind.

1993 liess Beinhart 'American Hero' folgen, eine bissige Politsatire mit Elementen des Privatdetektivromans und einer überflüssigen Liegesgeschichte, der eine hübsche, durchaus nicht an den Haaren herbeigezogene Idee zugrunde liegt: Der erste Golfkrieg soll von Amerikas Machthabern mediengerecht inszeniert worden sein, um das Überleben der Bush-Regierung zu sichern…
Abgerundet wird der Roman mit einer Liste von 39 Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg. Das Buch wurde von Barry Levinson sehr frei unter dem Titel 'Wag the Dog' verfilmt mit Robert De Niro und Dustin Hoffman in den Hauptrollen.

Larry Beinhart trat auch als Skilehrer, Journalist, Sachbuchautor ('How to Write a Mystery' und 'Fog Facts: Searching for Truth in the World of Spin'), Drehbuchautor und, in Oxford und Woodstock, als Dozent für Kreatives Schreiben im Bereich Kriminal- und Spannungsliteratur in Erscheinung. Er lebt mit seiner Frau, der Schauspielerin und Krimiautorin Gillian Farrell, mit der er zwei erwachsene Kinder hat, in Woodstock, New York State.

Bibliografie:
Tony Cassella-Trilogie: 'No One Rides For Free' - 'Kein Trip für Cassella' (1986), 'You Get What You Pay For' - 'Zahltag für Cassella' (1988), 'Foreign Affair' - 'Priester waschen weisser' (1991);
American Hero' (auch unter dem Titel 'Wag the Dog') - 'American Hero', (1993), 'The Librarian' (2004), 'Salvation Boulevard' (2008).

++ Erstellt: November 2012 ++  


Benchley, Peter

(1940-2006)

Peter Benchley kam als Sohn des Romanautors Nathaniel Benchley und Enkel des Humoristen Robert Benchley in New York City zur Welt und wuchs auch dort auf. Er absolvierte die High School an der Philips Academy in Exeter, New Hampshire, und schloss sein Englischstudium 1961 an der Harvard University ab. Im folgenden Jahr bereiste er die Welt. Anschliessend arbeitete er sechs Monate als Reporter bei der 'Washington Post', dann, von 1964 bis 1967, als Redakteur der Zeitschrift 'Newsweek'. 1967 bis 1969 war er Redenschreiber für Präsident Lyndon Johnson, ehe er als freier Journalist für 'The New Yorker', 'National Geographic', das 'New York Times Magazine' und andere Printmedien tätig war.

Benchleys grosse Stunde schlug 1974. Inspiriert durch Erlebnisse aus seiner Jugendzeit, in der er die Sommermonate auf Nantucket mit Fischen verbrachte und unzählige Haie an Land zog, und einen Zeitungsartikel über einen Fischer, der 1964 auf Long Island einen 2'000 kg schweren Hai fing, schrieb er seinen legendären Thriller 'Jaws' ('Der weisse Hai'), von dem 20 Millionen Exemplare über die Ladentische gingen - und dessen Verfilmung durch Stephen Spielberg (Benchley war Co-Drehbuchautor und hatte einen Cameo-Auftritt als Fernsehreporter) als erster Hollywood-Blockbuster gilt.

Fünf Gestalten bilden den Mittelpunkt des Romans 'Der weisse Hai': Chief Martin Brody, der rechtschaffene, leider jedoch wasserscheue Sheriff des Badeortes Amity auf Long Island, Vater dreier Söhne, um dessen Ehe mit Ellen es nicht gut steht; Matt Hooper, der junge, attraktive Meeresbiologe und Haispezalist vom ozeanischen Institut in Woods Hole, der Ellens Reizen erliegt; Quint, der eigenbrötlerische Skipper und raffinierte Haifischjäger; Larry Vaughn, der mit der Mafia verstrickte Bürgermeister und Immobilienhändler; - und ein sieben Meter langes Geschöpf mit Tausenden von Zähnen, ein gefrässiger, instinktsicherer und pfeilschneller Jäger. Als in Amity vier Menschen dem Fisch zum Opfer fallen, sperrt Chief Brody die Strände, obwohl die Hochsaison unmittelbar bevorsteht und die Kleinstadt ohne Tourismus dem Untergang geweiht ist. Der Bürgermeister und einflussreiche Geschäftsleute setzen nun Brody mächtig unter Druck, worauf dieser beschliesst, dem Hai zusammen mit Hooper und Quint auf den Leib zu rücken. Die stimmungsvolle, in der schweisstreibenden Haifischjagd gipfelnde (Spielbergs Verfilmung um Längen hinter sich lassende) Erzählung kommt fast ganz ohne reisserische Effekte aus - einzig bei den Schilderungen der erotischen Verwicklungen lässt der Autor etwas die Zügel schleifen.

Nach dem überwältigenden Erfolg mit 'Jaws' machte Benchley das Schreiben zu seinem Hauptberuf. Er verfasste weitere Spannungsromane und Filmdrehbücher, aber auch Essays und Sachbücher über Haie, rehabilitierte den von Natur aus eher scheuen Fisch, distanzierte sich immer weiter von seinem Erfolgsroman - und avancierte zu einem international anerkannten Hai-Experten.

Im Alter von 64 Jahren erlag Benchley in seinem Haus in Princeton, New Jersey, einer chronischen Lungenkrankheit. Er hinterliess seine Frau Winifred "Wendy" Wesson, die er 1964 geheiratet hatte, und drei Kinder, Tracy, Clayton und Christopher.

Bibliografie:
'Jaws' - 'Der weisse Hai' (1974), 'The Deep' - 'Das Riff' (1976), 'The Island' - 'Freibeuter des Todes' (1979), 'The Girl of the Sea of Cortez' - 'Der Berg der Fische' (1982), 'Q Clearance' - 'Q clearance. Streng geheim' (1986), 'Beast' - 'Beast. Schrecken der Tiefe' (1991), 'White Shark' (auch unter dem Titel 'Creature') - 'Shark: die Rückkehr des weissen Hais' (1994).

++ Erstellt: März 2012 ++  


Bennett, Margot

(1912-1980)

Margot Bennett, geboren in der schottischen Kleinstadt Lenzie, East Dunbartonshire, erhielt ihre schulische Ausbildung in Schottland und Australien. In der ersten Hälfte der 30er-Jahre war sie als Werbetexterin in Sydney und London tätig, danach legte sie als Krankenschwester im Spanischen Bürgerkrieg Hand an. 1938 vermählte sie sich mit Richard Bennett; sie hatte mit ihm eine Tochter und drei Söhne.

Von 1945 bis 1958 verfasste Bennett sechs Krimis, zwei Kriminalstories, zwei Theaterstücke, ein Sachbuch sowie vier Romane, die nicht zum Krimigenre gehören. Danach beendete sie ihre belletristische Laufbahn, um bis Ende der 60er-Jahre vornehmlich für das Fernsehen zu arbeiten. 1964 publizierte sie ein Sachbuch mit dem bemerkenswerten Titel 'The Intelligent Woman's Guide to Atomic Radiation'. Über ihre letzten Lebensjahre ist nichts bekannt. Bennett starb am 6. Dezember 1980 im Alter von 68 Jahren.

In ihren stärksten Krimis ('...und plötzlich war sie Witwe', 'Einer blieb zurück' und 'Jemand aus der Vergangenheit') überzeugt Bennett mit sauberen Plots, raffinierten Täuschungsmanövern, Sprachwitz, feinem Humor und prägnanten Charakter- und Milieuzeichnungen.

'...und plötzlich war sie Witwe' gilt als Bennetts Meisterwerk. Hauptakteur der verwickelten (in der dritten Person erzählten) Geschichte ist Hugh Everton, ein junger Ex-Diplomat, der vor einigen Jahren wegen Scheckbetrugs in einem französischen Gefängnis einsass und jetzt für ein Reiseunternehmen als Gastrokritiker unterwegs ist. In einem schäbigen Lokal trifft er auf seine alte Flamme, das Miststück Lucie, für das er damals in Frankreich den Kopf hingehalten hat, und ihre Entourage, bestehend aus Ehemann Gregory Bath, einem 70-jährigen hartherzigen Richter im Ruhestand, und zwei zwielichtigen Burschen. Als Everton sich für einen Drink und ein paar Runden Bridge in Lucies Haus einladen lässt, wird Bath im Nebenzimmer erschossen - und Everton stellt sich die Frage, ob er Lucie ein zweites Mal auf den Leim gekrochen ist.

'Jemand aus der Vergangenheit' kreist um sechs Figuren: Die Ich-Erzählerin Nancy, Journalistin und Romanautorin, und ihre engste Freundin (sowie frühere Arbeitskollegin und Mitbewohnerin) Sarah, eine schöne, von den Männern begehrte Frau auf der einen, und vier von Sarahs zahlreichen Ex-Geliebten - Peter, ein verrufener, aber charismatischer Krimineller, Laurence, ein unscheinbarer und etwas wehleidiger Journalist, der aufbrausende Schauspieler Mike (mit ihm war Sarah gar verheiratet) und Nancys derzeitiger Freund Donald, ein Kunstmaler, auf der anderen Seite - sie alle wurden von Sarah verlassen. Und jetzt, als Sarah kurz vor der Heirat mit einem Fabrikdirektor steht, wird sie durch einen von ihnen mit anonymen Drohbriefen bedroht und kurz danach in ihrer Wohnung erschossen. Als Nancy erfährt, dass Donald zur Mordzeit in Sarahs Wohnung seinen Rausch ausschlief, verstrickt sie sich immer tiefer in einem Netz von Lügen, um ihrem Freund zu helfen, den sie im Grunde gar nicht mehr so richtig liebt, gerät nun selbst unter Tatverdacht - und löst den Fall auf eigene Faust.
'Jemand aus der Vergangenheit', ein spritziger Mix aus psychologischer Studie, Beziehungsdrama und Whodunit, lebt von der sympathischen und scharfzüngigen, immer wieder mit treffsicheren Sprüchen aufwartenden und ihre prekäre Lage mit viel Selbstironie reflektierenden Ich-Erzählerin und der intelligenten Darstellung des Beziehungsgeflechts, in dem die Hauptakteure gefangen sind.

Bibliografie:
'Time to Change Hats' (1945), 'Away Went the Little Fish' (1945), 'The Widow of Bath' - '...und plötzlich war sie Witwe' (1952), 'Farewell Crown and Goodbye King' - 'Schatten um den König' (1952), 'The Man Who Didn't Fly' - 'Einer blieb zurück' (1955), 'Someone for the Oast' - 'Jemand aus der Vergangenheit' (1958).

++ Erstellt: September 2011 ++  


Bentley, Edmund Clerihew

(1875-1956; schrieb auch als E. Clerihew)

Edmund C. Bentley kam im Londoner Stadtteil Shepherd's Bush zur Welt. Während seiner Schulzeit an der St. Paul's School in London lernte er den späteren Krimiautor G.K. Chesterton kennen, mit dem ihn dann eine lebenslange Freundschaft verband. Nach seinem Jurastudium am Merton College, Oxford, kehrte Bentley nach London zurück, um hauptberuflich als Journalist für die Tageszeitungen 'Daily News' und 'Daily Telegraph' zu arbeiten und in seiner Freizeit Romane und vierzeilige Verse zu verfassen. Er starb 80-jährig in seiner Geburtsstadt.

'Trents letzter Fall' ist Bentleys weitaus bestes Prosawerk. Die leichtfüssige, heitere, mit einer hübschen Liebesgeschichte abgerundete Geschichte dreht sich um den jungen Maler und Journalisten Philip Trent, der im Auftrag einer Londoner Zeitung den Mord an dem millionenschweren amerikanischen Geschäftsmann Sigsbee Manderson untersucht - und dabei dermassen schlechte Figur macht (der wahre Täter erklärt ihm schliesslich die Hintergründe des Verbrechens!), dass er schwört, dies sei sein erster und letzter Kriminalfall gewesen. Dennoch ist Trent (im Original) in den 30er-Jahren zu weiteren Auftritten als Detektiv gekommen.

Darüber hinaus machte sich der politisch links stehende Autor einen Namen als Erfinder von scherzhaften, pseudobiografischen Vierzeilern (genannt "clerihew") über britische Persönlichkeiten. Die dreiteilige Sammlung ist unter dem Kürzel E. Clerihew erschienen.

Bibliografie:
Philip Trent-Serie: 'Trent's Last Case' (auch unter dem Titel 'The Woman in Black') - 'Trents letzter Fall' (auch unter dem Titel 'Der Sprung durchs Fenster', 1913), 'Trent's Own Case' (gemeinsam mit H. Warner Allen, 1936), 'Trent Intervenes' (Stories, 1938).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Bergman, Andrew

(*1945)

Andrew Bergman wurde als Sohn eines 'New York Daily News'-Journalisten in Queens, New York City, geboren. Nach Abschluss des Studiums am New Yorker Harpur College und an der University of Wisconsin-Madison, wo er 1970 einen Doktortitel in Amerikanischer Geschichte erwarb, veröffentlichte er 1971 seine Dissertation über den amerikanischen Film der 30er-Jahre ('We're in the Money') und 1973 eine Biografie des Schauspielers James Cagney ('James Cagney: The Pictorial Treasury of Film Stars'). Es folgten zwei in den 40er-Jahren spielende, mit historischen Ereignissen verzahnte Kriminalromane um den jüdischen Privatdetektiv Jack LeVine aus New York City mit Gastauftritten von Promis wie Humphrey Bogart und Richard Nixon.

Jack LeVine (bürgerlicher Name: Jacob Levine), Jahrgang 1906, ist ein geschiedener, kahlköpfiger, dem Bier zusprechender Gemütsmensch mit Übergewicht und einer grossen Nase, ein einfacher Mann, der, wie er selber sagt, "seinen dreckigen Job erledigt und danach verschwindet" - eine eigenständige, sympathische Figur mit scharfem Verstand und viel Sinn für Humor. Sein schäbiges Büro befindet sich an der Ecke Broadwaw/51. Strasse. Im ersten Roman hat LeVine eine liebe Freundin, Kitty Semour, eine ehemalige Gerichtsreporterin, die jetzt Öffentlichkeitsarbeit bei der Feuerwehr macht. Er lebt in einer bescheidenen 4-Zimmer-Wohnung in Queens.

Der erste Titel 'LeVine', angesiedelt im Sommer 1944, beginnt wie ein klassischer Detektivkrimi Chandler'scher Prägung - ein abgebrannter, hart gesottener Privatermittler wird von einer schönen Frau beauftragt, den Mann, der sie erpresst, aus dem Verkehr zu ziehen, kurz danach wird dieser ermordet aufgefunden, und auch sein Kumpel muss dran glauben. Doch dann gewinnt der Roman an Tiefe: LeVine wird in ein politisches Komplott verwickelt - es geht um die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen, in denen der Republikaner Thomas E. Dewey gegen Franklin D. Roosevelt antritt, finanziell unterstützt durch den Bankier Eli Savage, dessen Tochter Anne vor Jahren in ein paar Pornofilmen mitspielte und jetzt dafür die Quittung in Form einer Erpressung erhalten hat -, man besticht ihn mit grossen Summen, schiesst auf ihn, doch LeVine bleibt standhaft und legt alle rein.

'LeVine & Humphrey Bogart' spielt 1947. Der bekannte Drehbuchautor Walter Adrian, Mitglied der kommunistischen Partei, beauftragt seinen früheren Schulkameraden Jack LeVine zu ergründen, warum es mit seiner Hollywood-Karriere auf einmal nur noch bergabgeht. LeVine reist nach Los Angeles und findet seinen Klienten an einem Galgen baumelnd vor - ein Todesfall, der von der örtlichen Polizei als Suizid erklärt wird. Weit weg von seiner gewohnten Umgebung beginnt LeVine zu ermitteln. Er verliebt sich in Adrians schöne Witwe Helen, entkommt um Haaresbreite einem Anschlag auf sein Leben, ein Schauspieler wird ermordet, während Richard Nixon seine ersten Fäden spinnt. Beim spektakulären Showdown wird LeVine durch Humphrey Bogart tatkräftig unterstützt.

Nach zwei Büchern wurde Jack LeVine zugunsten von Bergmans Karriere als Drehbuchautor (u.a. 'Blazing Saddles', 'Fletch' und 'The In-Laws'), Regisseur (u.a. 'The Freshman', 'Striptease' und 'Isn't She Great') und Filmproduzent aufs Eis gelegt, bis er 2001 in dem im Jahre 1950 spielenden Krimi 'Tender Is LeVine' zurückkehrte.

Neben seinen Krimis und Drehbüchern schrieb Bergman die Bühnenwerke 'Social Security' und 'Working Title' und den ungemein witzigen autobiografisch geprägten Roman 'Sleepless Nights' (auf Deutsch: 'Kinder der Unschuld'), der sich mit dem Aufwachsen im jüdischen Milieu des New Yorks der 50er-Jahre befasst.

Andrew Bergman, Träger des inoffiziellen Titels "The Unknown King of Comedy", Vater von zwei erwachsenen Söhnen, Jacob und Teddy, lebt mit seiner Frau Louise, mit der er seit 1973 verheiratet ist, in New York City.

Bibliografie:
Jack LeVine-Serie: 'The Big Kiss Off of 1944' - 'LeVine' (1974), 'Hollywood and LeVine' - 'LeVine & Humphrey Bogart' (1975), 'Tender is LeVine' (2001).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2014 ++
 


Bialot, Joseph

(eigentlich Joseph Bialobroda, 1923-2012)

Joseph Bialot kam in Warschau als Sohn jüdischer Eltern zur Welt. 1930 floh die Familie vor antisemitischen Repressalien nach Frankreich und liess sich im jüdischen Pariser Viertel Belleville nieder. 1940 setzte er sich nach Bordeaux ab, später zog er weiter in die Pyrenäenstadt Pau und schliesslich in den Grossraum Lyon, wo er sich der Résistence anschloss. Am 25. Juli 1944 wurde er in Grenoble mit gefälschten Papieren erwischt und am 11. August nach Auschwitz deportiert. Er überlebte.

Zurück in Paris im Juni 1945, arbeitete Bialot im kleinen Trikotage-Unternehmen seiner Eltern, das er später übernehm. Nach dem frühen Krebstod seiner Frau zog er die beiden Söhne gross. Von 1969 bis 1973 studierte er Psychologie an der Universität Vincennes in Paris. Er war bereits 55 Jahre alt, als er Ende der 70er-Jahre seine Firma verkaufte und zu schreiben begann. Sein literarisches Werk umfasst rund zwei Dutzend Krimis, einige historische Romane und Jugenderinnerungen. Erst 2002, über fünfzig Jahre nach seiner Befreiung durch die Rote Armee im Januar 1945 - nach äusserst schmerzlichen Verarbeitungsprozessen -, veröffentlichte Bialot sein Buch über Auschwitz 'Im Winter werden die Tage länger'. Von seinen auf Deutsch vorliegenden Krimis verdienen 'Eine mörderische Drahtseiloper' und 'Die Nacht der Erinnerung' besondere Erwähnung. Nicht auf Deutsch erhältlich ist dagegen der Vierteiler um den ehemaligen Polizisten Jean-Loup Fresnel, genannt "Loup", der eine Maske trägt, seit Gesicht durch einen Schweissbrenner zerstört wurde und jetzt als Berater einer von Kapitän Valentin Welsch angeführten Pariser Polizeibrigade fungiert (Loup-Serie).

'Eine mörderische Drahtseiloper', eine leichtfüssige, mit schrägen Figuren bevölkerte Geschichte dreht sich um den arbeitslos herumhängenden Schauspieler Didier Valois aus Passy, dem südlichen Teil des 16. Arrondissement von Paris, dessen Lebensgeister endlich wieder erwachen, als auf seine verheiratete Geliebte Juliette ein beinahe tödlich endender Anschlag verübt wird. Zusammen mit seinem Freund und Wohnungsnachbar Philippe Barret, genannt Neuron, beginnt er Nachforschungen anzustellen - und kommt kriminellen Machenschaften rechtsradikaler Kreise auf die Spur.

In Bialots stimmungsvollem und ungemein düsterem - stark autobiografisch gefärbtem - Melodrama 'Die Nacht der Erinnerung' steht der 65-jährige Lucien Perrain im Mittelpunkt. Sein Enkel Julien ist entführt worden, und Perrain macht sich auf den Weg, das Lösegeld zu übergeben, bevor die stümperhafte Polizei alles versaut. Dabei gerät er in den Alptraum seiner eigenen Vergangenheit, als er während der Nazizeit in einem Konzentrationslager war. In einem furiosen Finale schliesst sich der Kreis.

Joseph Bialot lebte von 1945 bis zu seinem Tod im November 2012 in Paris und kehrte nie mehr in seine Geburtstadt Warschau zurück. Bis 2012 jedes Jahr ein Buch heraus, darunter '186 marches vers les nuages', eine zu tiefst bedrückende, in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs in Deutschland spielende Geschichte.

Bibliografie:
'Le salon du prêt-à-saigner' - 'Die Kinderbande' (1978), 'Babel-ville' - 'Babel-Ville' (1979), 'L'Annonce faite à Matcho' (1981), 'Matcho et les fourmis blanches' (1982), 'Sigmund Freud ne répond plus' - 'Sigmund Freud antwortet nicht mehr' (1982), 'Rue du Chat Crevé' (1983), 'Le Manteau de saint Martin' (1985), 'Un violon pour Mozart' - 'Eine mörderische Drahtseiloper' (1989), 'Le Royal-bougnat' (1990), 'La nuit du souvenir' - 'Die Nacht der Erinnerung' (1990), 'Les bagages d'Icare' (1991), 'Vous prendrez bien une bière?' (1997), 'Route Story' (1998), 'Noir scénar' (2002), 'La chronique de Montauk Point' (2004), 'Java des bouseux' (2006), 'La Ménagerie' (2007), 'L'héritage de Guillemette Gâtinel' (2011), 'Le puis de Moïse est achevé' (2012).
Loup-Serie: 'Nursery rhyme' (1999), 'Ô mort, vieux capitaine' (2000), 'Le Sténopé' (2000), 'Le numéro 10' (2001).
Historische Romane: 'Elisabeth ou le vent du Sud (1988), 'Judith' (1990), 'Le Semeur d'étincelles' (1996), 'La Gare sans nom' (1998), 'La Station Saint-Martin est fermée au public' (2004), 'Belleville blues' (2005), 'Le Jour ou Albert Einstein s'est echappé' (2008), '186 marches vers les nuages' (2009), 'À la vie!' (2010).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Mai 2013 ++
 


Biermann, Pieke

(*1950)

Liselotte "Pieke" Biermann wurde in der kleinen niedersächsischen Ortschaft Stolzenau/Weser geboren und wuchs in Hannover auf. Von 1968 bis 1976 studierte sie Deutsche Literatur und Sprache, Anglistik und Politische Wissenschaften an der Technischen Hochschule Hannover und der Universität Padua. 1977 publizierte sie ihre Magisterarbeit 'Berufsbild: Das Herz der Familie', die sich mit unbezahlter Hausarbeit befasste. Danach verrichtete sie Gelegenheitsjobs, war Lektorin beim Rowohlt Verlag und arbeitete bis 1980 als Hure, zuerst in Hannover, später in West-Berlin. In den 80er-Jahren war sie eine führende Figur in der westdeutschen Hurenbewegung.

Seit 1976 lebt und arbeitet Biermann als freie Schriftstellerin und Journalistin in Berlin. Sie veröffentlichte zahlreiche Essays, Literaturkritiken und Radiofeatures, bevor sie 1987 im Krimigenre debütierte. Darüber hinaus übersetzte sie Dorothy Parker, Derek Raymond, Walter Mosley, Liza Cody, Agatha Christie, Stefano Benni und Andrea Bajani ins Deutsche.

Nachdem sie viele Monate eine Sondereinheit der Polizei begleitet hatte, führte Biermann die hart gesottene, pausenlos Zigarillos paffende Berliner Kommissarin Karin Lietze, Chefin der Abteilung M I/3 in der Polizeidirektion 'Delikte am Menschen und organisierte Kriminalität' (im Volksmund: Direktion Zitti), in die deutsche Krimi-Szene ein. Der Kommissarin zur Seite stehen Sonja Schade, Detlev Roboldt, Lothar Fritz sowie Miriam "Mimi" Jakob, eine junge Israelin, die nach Berlin auswanderte, um keinen Kriegsdienst leisten zu müssen; und auch Helga, Kitty, Kim, Nadine & Co, die Frauen vom autonomen Strassenstrich "Migräne", greifen immer wieder ins Geschehen ein.

Die vier Lietze-Romane, vor allem die beiden vor dem Mauerfall spielenden Bände 'Potsdamer Ableben' (gibt es auch als Hörspiel) und 'Violetta', leben von knackigen Sprüchen, lebensnahen, spritzigen, für Nicht-Berliner nicht immer leicht verständlichen Dialogen, dem skurrilen Personal, einem gerüttelt Mass Lokalkolorit und engagierten Schilderungen sozialer Randgruppen, während den Kriminalfällen - etwa dem in 'Potsdamer Ableben' behandelten Mord an der missliebigen Kulturkritikerin Beatrice Bitterlich, genannt "Tränen-Titty", die an einer Promo-Party am Potsdamer Platz tot umfällt - vergleichsweise geringe Bedeutung zukommt.

Nach der Wende wird die M I/3 in LKA 4113/ 3. Mordkommission umgetauft, und Karin Lietze, die inzwischen die fünfzig überschritten hat, lebt mit Oberkriminalrat Adolf Lang zusammen, dem Kriminaldirektor der 'Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität'. Der Titel des vierten und bisher letzten Bandes 'Vier, Fünf, Sechs' bezieht sich auf die Nummer des Amtsraumes, in dem Karin Lietze jetzt arbeitet.

Im Jahr 1997 veröffentlichte Biermann 'Berlin, Kabbala', eine Sammlung harter, aus den Jahren 1991 bis 1997 stammender Stories, 2002 den Band'‚Herta & Doris' mit dreissig Prosastücken ("Very Short Stories") und 2008 'Der Asphalt unter Berlin - Kriminalreportagen aus der Metropole', eine Auswahl von 28 Berichten über wahre Fälle, die ab Juni 2003 während fünf Jahren einmal im Monat im Berliner 'Tagesspiegel' zu lesen und im rbb-Inforadio zu hören waren.

Bibliografie:
Kommissarin Karin Lietze-Serie: 'Potsdamer Ableben' (1987), 'Violetta' (1990), 'Herzrasen' (1993), 'Vier, Fünf, Sechs' (1997).

++ Erstellt: März 2014 ++  


Bingham, John

(bürgerlicher Name von Lord Clanmorris, 1908-1988)

John Michael Ward Bingham, Seventh Baron Clanmorris (dies ist der vollständige Name des englischen Krimiautors und Geheimagenten, nach dem John Le Carré, in den 50er-Jahren Binghams Untergebener, seinen Helden George Smiley gezeichnet hat), wurde in Sussex als einziger Sohn von Lord Clanmorris geboren, sein Lebenslauf weist Lücken auf. Ausgebildet wurde er am Cheltenham College. Danach arbeitete er zuerst als Journalist, unter anderem bei der Zeitschrift 'Punch', später offenbar während über dreissig Jahren für den britischen Geheimdienst. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den er bei den Royal Engineers verbrachte, lebte er zwei Jahre in Deutschland. Er starb 79-jährig, neun Monate nach seiner Frau Madelaine Mary Ebel, mit der er seit 1934 verheiratet war und einen Sohn und eine Tochter (die Romanautorin Charlotte Bingham) hatte.

Bingham schaffte den belletristischen Durchbruch mit seinem ersten von siebzehn Romanen: dem Kabinettstück 'Warum haben Sie gelogen, Sir?', einem Meisterwerk des psychologischen Spannungsliteratur. Im Mittelpunkt steht der 31-jährige Ich-Erzähler Michael Sibley, ein Schriftsteller und Journalist, der in einem Mordfall als Unschuldiger dummerweise die Polizei belügt, von einem namenlos bleibenden Kriminal-Chefinspektor ("der Inspektor mit den harten Augen") durch endlose Kreuzverhöre in die Enge getrieben wird und den Kopf verliert. In vielen Rückblenden schildert der Autor dann das verhängnisvolle und konfliktträchtige Beziehungsgeflecht zwischen den vier Protagonisten - dem zerrissenen Michael Sibley, dem charismatischen, unsympathischen Mordopfer John Prosset (Sibleys Schulkollege), der schüchternen, feinfühligen Kate Marsden (Sibleys Verlobte) und der selbstsüchtigen Schönheit Cynthia Harrison (Sibleys Ex-Freundin).

In den nachfolgenden Krimis konnte Bingham die Qualität seines Erstlings nicht mehr ganz erreichen. Ab Mitte der 60er-Jahre verfasste er einige Geheimdienstromane. Seine beiden letzten Werke handeln von Superintendent "Badger" Brock aus der Provinzstadt Melford, und auch sie sind eher dem Spionage- als dem Polizeiroman zuzurechnen. 'Hunting Down of Peter Manuel' aus dem Jahr 1973 erzählt die wahre Geschichte des Verbrechers Peter Manuel, der am 11.Juli 1958 in einem Glasgower Gefängnis gehenkt wurde.

Bibliografie:
'My Name is Michael Sibley' - 'Warum haben Sie gelogen, Sir?' (1952), 'Five Roundabouts to Heaven' (auch unter dem Titel 'The Tender Poisoner') - 'Fünf Kurven in den Himmel' (1953), 'The Third Skin' (auch unter dem Titel 'Murder is a Witch') - 'Die dritte Haut' (1954), 'The Patton Street Case' (auch unter dem Titel 'Inspector Morgan's Dilemma') - 'Es brennt in der Paton Street' (1955), 'Marion' (auch unter dem Titel 'Murder Off the Record') - 'Marion' (1957), 'Murder Plan 6' - 'Der sechste Plan' (1958), 'Night's Black Agent' - 'Finale in Norwegen' (1961), 'A Case of Libel' (1963), 'A Fragment of Fear' - 'Wo sind die Beweise, Sir?' (1965), 'The Double Agent' - 'Der Doppelagent' (1966), 'I Love, I Kill' (auch unter dem Titel 'Good Old Charlie') - 'Warum sagen Sie das erst jetzt, Sir?' (1968), 'Vulture in the Sun' - 'Geier in der Sonne' (1971), 'God's Defector' (auch unter dem Titel 'Minstry of Death') - 'Des lieben Gottes Deserteur' (1976), 'The Marriage Bureau Murders' - 'Die Hochzeitsnacht erlebst du nicht' (1977), 'Deadly Picnic' (1980);
Superintendent Brock-Romane: 'Brock' - 'Brock' (1981), 'Brock and the Defector' (1982).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Blake, Nicholas

(Pseudonym für Cecil Day Lewis, 1904-1972)

Cecil Day Lewis wurde als einziges Kind eines Geistlichen im irischen Ort Ballintubber, County Laois, geboren und wuchs nach dem frühen Tod der Mutter mit seinem Vater und einer Tante in London auf. Nach dem Besuch der Sherborne School in Devon studierte er am Wadham College in Oxford mit einem Abschluss 1927. Ein Jahr später heiratete er Mary King, ihre Söhne Sean und Nicholas kamen 1931 bzw. 1934 auf die Welt. Einer Liaison mit der Frau eines benachbarten Farmers (die Familie Day-Lewis lebte damals in Devon) entsprang mindestens ein weiterer Sohn. In den 40er-Jahren pflegte Day-Lewis eine turbulente Liebesbeziehung mit der Autorin Rosamond Lehmann. Die Ehe mit Mary wurde 1951 geschieden. Noch im selben Jahr vermählte sich Day-Lewis mit der jungen Schauspielerin Jill Balcon und liess sich mit ihr in einem grossen Haus in Greenwich nieder. Sie hatten zusammen eine Tochter (Tomasin, geboren 1953) und einen Sohn (Daniel, geboren 1957, später ein berühmter Schauspieler). Mit 68 Jahren erlag Day-Lewis im Haus des berühmten Romanciers Kingsley Amis in Hertfordshire einem Krebsleiden (Day-Lewis lebte dort mit Jill; mit der Frau seines Gastgebers hatte er einige Jahre zuvor eine kurze Affäre).

Zur Zeit des Spanischen Bürgerkrieges sympathisierte Day-Lewis mit dem Kommunismus, 1935 wurde er gar Mitglied der Partei, der er indes nach drei Jahren enttäuscht den Rücken kehrte. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete er im Ministry of Information, danach nahm er eine leitende Stellung im Verlagshaus Chatto & Windus ein, bis er zu seinen akademischen Wurzeln zurückkehrte. 1946 dozierte er an der Cambridge University, seine Vorlesungen wurden in der Sammlung 'The Poetic Image' publiziert. Von 1951 bis 1956 war er Lehrer für Gedichtkunst in Oxford, und von 1962 bis 1963 weilte er als Gastprofessor an der Harvard University.

Cecil Day-Lewis war ein vielseitiger Autor. Geprägt und gefördert durch den Poeten W.H. Auden, veröffentlichte er 1925 den ersten von zwanzig Gedichtbänden. 1935 nahm er das Pseudonym Nicholas Blake an, um sich in seiner Freizeit dem Krimischreiben zu widmen - er brauchte dringend Geld. Parallel dazu, unter angestammtem Namen, verfasste er natürlich weiterhin Gedichte, aber auch mehrere Bände mit Literaturkritiken und Essays, die Autobiografie 'The Buried Day' (1960) und ein Kinderbuch. 1968 ernannte ihn Queen Elisabeth zum Hofdichter, ein Amt, das ihn dazu verpflichtete, für feierliche Anlässe Verse zu schmieden.

In 16 von Blakes 20 Spannungsromanen steht Nigel Strangeway im Mittelpunkt, ein facettenreicher, offenbar nach W.H. Auden gezeichneter, in London ansässiger Amateurdetektiv, der sich für den hochrangigen Polizeibeamten Blount von Scotland Yard oder den britischen Geheimdienst, gelegentlich aber auch für seine zahlreichen Freunde und Bekannten ins Zeug legt. Im zweiten Band heiratet er die emanzipierte Forschungsreisende Georgia Cavendish, auch sie eine vielschichtige Figur, die indes den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt (Strangeway tröstet sich später mit einer Liebesbeziehung zu Clare Massinger). 'Der Morgen nach dem Tod', Blakes letzter Krimi um den mittlerweile gealterten Strangeway, spielt im amerikanischen Universitätsmilieu, mit dem der kurz zuvor nach Harvard berufene Autor eng vertraut war.

Im Gegensatz zu manchen anderen Akademikern ist es Blake gelungen, spannende, raffiniert gebaute, zunächst noch stark vom "Golden Age" geprägte Kriminalromane zu schreiben, ohne seine literarische Bildung allzu stark in den Vordergrund zu rücken. Von den auf Deutsch erhältlichen Titeln hat 'Das Biest' (in der Neuübersetzung: 'Mein Verbrechen', verfilmt von Claude Chabrol unter dem Titel ‚Das Biest muss sterben') den grössten Zuspruch erhalten.

'Das Biest' ist die Geschichte des erfolgreichen Krimiautors und allein erziehenden Vaters Frank Cairnes (Nom de plume: Felix Lane), dessen kleiner Sohn Martie vor einem halben Jahr von einem fahrerflüchtigen Raser getötet wurde, als er Bonbons einkaufen ging - die Mutter, Tessa, war bereits bei der Geburt des Jungen verstorben. Als die Polizeiermittlungen im Sand verlaufen, beschliesst der nach längerem Klinikaufenthalt wieder einigermassen hergestellte Vater, den Täter aufzuspüren und sich an ihm zu rächen. Seine Detektivarbeit hält er in einem Tagebuch fest, das der Leser jetzt in den Händen hält. Durch logische Überlegung und einen glücklichen Zufall stösst Lane auf den Schuldigen, einen Kotzbrocken namens George Rattery, doch sein Anschlag auf dessen Leben misslingt. Als Rattery noch am selben Tag (!) mit Strychnin getötet wird, soll Strangeway Felix Lanes Unschuld beweisen - ein schier aussichtsloses Unterfangen, es sei denn, der Detektiv findet eine Person, die Lanes Plan kannte und dann zu Ende führte. Die Ermittlungen des eigenartigen Falles, den Strangeway am Schluss als seinen bisher unglücklichsten bezeichnet, kommen in der zweiten Hälfte des Buches detailreich zur Darstellung.

Bibliografie:
Nigel Strangeways-Serie: 'A Question of Proof' - 'Was zu beweisen ist' (1935), 'Shell of Death' (auch unter dem Titel 'Thou Shell of Death') - 'Der geduldige Mörder' (auch unter dem Titel 'Eine vertrackte Geschichte', 1936), 'There's Trouble Brewing' - 'Tat auf Tat' (1937), 'The Beast Must Die' - 'Mein Verbrechen' (auch unter den Titeln 'Das Biest' und 'Die Spur im Tagebuch', 1938), 'The Smiler with the Knife' (1939), 'Malice in Wonderland' (auch unter den Titel 'The Summer Camp Mystery' und 'The Malice with Murder', 1940), 'The Case of the Abominable Snowman' (auch unter dem Titel ‚The Corpse in the Snowman', 1941), 'Minute for Murder' - 'Akte Q - streng geheim' (1947), 'Head of a Traveller' - 'Der rätselhafte Leichnam' (1949), 'The Dreadful Hollow' (1953), 'The Whisper in the Gloom' (auch unter dem Titel 'Catch and Kill') - 'Stimmen im Zwielicht' (1954), 'End of Chapter' - 'Ende des Kapitels' (auch unter dem Titel 'Schluss des Kapitels', 1957), 'The Widow's Cruise' - 'Scotland Yard reist mit' (1959), 'The Worm of Death' - 'Ein Patriarch verschwindet' (1961), 'The Sad Variety' - 'Ein Engel soll sterben' (1964), 'The Morning After Death' - 'Der Morgen nach dem Tod' (1966);
'A Tangled Web' (auch unter dem Titel 'Death and Daisy Bland', 1956), 'A Penknife in My Heart' (1958), 'The Deadley Joker' - 'Der Totenvogel' (1963), 'The Private Wound' (1968).

++ Erstellt: Februar 2012 ++  


Blanchard, Alice

(*1959)

Geboren und aufgewachsen in Middletown, Connecticut, als Tochter eines Kunstlehrers und einer Hobbyautorin, studierte Alice Blanchard Kreatives Schreiben und Filmemachen am Emerson College in Boston und an der Harvard University. Danach zog sie mit ihrem Mann nach Los Angeles, um gemeinsam mit ihm Drehbücher für die Hollywood-Studios zu schreiben. Parallel dazu verfolgte sie eine belletristische Laufbahn, indem sie 1996 den Erzählband 'The Stuntman's Daughter' herausgab und drei Jahre später ihren ersten (und bekanntesten) Krimi 'Die Gesichter der Wahrheit' folgen liess. Nach dem dritten, im Jahr 2005 erschienenen Roman 'Der Tod in deinem Blut' verlieren sich ihre Spuren.

'Die Gesichter der Wahrheit' spielt in einem verschlafenen Städtchen im Bundesstaat Maine. Die Ruhe dort hat jäh ein Ende, als das geistig behinderte Mädchen Melissa erwürgt im Dorfteich aufgefunden wird. Polizeichef Nalen Storrow verdächtigt seinen halbwüchsigen Sohn Billy der Tat - und begeht Selbstmord, als sich die Beweise gegen Billy verdichten. Achtzehn Jahre später rollt seine Tochter Rachel, inzwischen selbst Polizistin, den ungelösten Fall noch einmal auf. Ihr damals nicht verurteilter, jetzt an einer Blindenschule angestellter Bruder Billy hat sich eben erst in seine Mitarbeiterin Claire Castillo verliebt, als sie einem grausamen Verbrechen zum Opfer fällt. Kurz danach verschwinden Claires Schwester Nicole und deren Freund Digger: Sind sie die nächsten Opfer des Mörders? Für Rachel Storrow beginnt ein Wettlauf mit der Zeit - und eine beklemmende Reise in die Vergangenheit.

Bibliografie:
'Darkness Peering' - 'Die Gesichter der Wahrheit' (1999), 'The Breathtaker' - 'Sturmfieber' (auch unter dem Titel 'Zahn um Zahn', 2003), 'Life Sentences' - 'Der Tod in deinem Blut' (auch unter dem Titel 'Todesgut', 2005).

++ Erstellt: Juni 2015 ++  


Blettenberg, D.B.

(Kürzel für Detlef Bernd Blettenberg, *1949)

D.B. Blettenberg, geboren als einziges Kind einer Arbeiterfamilie in der Ortschaft Wirges im Westerwald, Rheinland-Pfalz, aufgewachsen bis zu seinem zwölften Lebensjahr in der benachbarten Dorfgemeinde Elgendorf, besuchte drei Jahre das Gymnasium in Montabaur, ebenfalls Rheinland-Pfalz, und anschliessend drei Jahre das Werdenfelser Gymnasium im bayrischen Garmisch-Partenkirchen. Ab 1966 absolvierte er in Leverkusen eine Lehre als Technischer Zeichner im Maschinenbau. Nach dem Wehrdienst übte er seinen erlernten Beruf in der Industrie aus, ehe er 1972 zur Deutschen Entwicklungshilfe wechselte und als Ausbilder und Projektleiter in Ecuador (1972-76), Thailand (1982-86), Nicaragua (1992-94) und Ghana (2003-04) tätig war - und so die Schauplätze seiner Spannungsromane hautnah kennen lernte. Zwischen seinen Auslandeinsätzen arbeitete er als Referent für Berufsausbildung und Gewerbeförderung in Bonn und Berlin und verfasste Fachbeiträge zu diesen Themen.

Blettenberg veröffentlichte 1981 seine erste von zahlreichen Reportagen, später kamen Essays, Kurzgeschichten, die abenteuerliche Erzählung 'Victoria Falls', Drehbücher für Kino und Fernsehen sowie, vor allem, elf Spannungsromane hinzu. Als Wegbereiter des an internationalen Schauplätzen spielenden deutschen Politromans ist er einer der wenigen deutschen Krimiautoren von Weltrang - und (auch in seiner Heimat) bis heute ein Geheimtyp geblieben.

Blettenbergs erster Roman 'Weint nicht um mich in Quito' handelt von einer Mordserie an Gewerkschaftern in Ecuadors durch eine Militärjunta regierter Hauptstadt Quito. Der Deutsche Wolf Strassner, seit drei Jahren in Lateinamerika ansässiger Ausbilder für Kommando-Unternehmen, ein hart gesottener Abenteurer mit unberechenbarem Sexualtrieb, dem das Schiesseisen gut in der Hand liegt, wird mehr oder weniger zufällig in die Affäre verwickelt. Er erledigt den Killer und gleich auch noch dessen rechtsradikalen Drahtzieher.

Wolf Strassner ist in 'Agaven sterben einsam' erneut im Einsatz, der aus zahlreichen Perspektiven erzählten Geschichte des gescheiterten ecuadorianischen Putschisten Rodrigo Montalvo Mera, der nach drei Jahren Exil eine glorreiche Rückkehr in seine Heimat plant, um der Militärdiktatur ein Ende zu setzen - Strassner soll dies mit allen Mitteln verhindern.

Die beiden Ecuador-Romane sind 2005 als Doppelband unter dem Titel 'Blut für Bolivar' neu veröffentlicht worden.

'Siamesiche Hunde', angesiedelt in Thailand, kreist um zwei deutsche Männer - den auf Landwirtschaft spezialisierten Entwicklungshelfer Michael Brandau und den Reporter Dulf Dombrowsky, der sich auf der Suche nach dem verschollenen Ex-Geheimdienstagenten und Seidenkönig Jim Thompson befindet -, die in das Visier der Drogenmafia, verschiedener Geheimdienste und der organisierten Kriminalität geraten. In wichtigen Nebenrollen: Brandaus Freundin Robin Royce, der Hundefänger Khun Bao und der chinesische Mafioso Milano Fong.

Thailand bildet auch für Blettenbergs fünften Roman 'Farang' die Kulisse. Der 26-jährige Eurasier Surasak "Farang" Meier, Waise eines deutschen Vaters und einer thailändischen Edel-Prostituierten, aufgewachsen in Bangkok unter den Fittichen eines mächtigen Generals, arbeitet in der "Stadt der Engel" als Leibwächter und Privatschnüffler. Er ist mit einem simplen Beschattungsauftrag beschäftigt, als eine Serie von Mordanschlägen auf Touristen seinen Freund, den Journalisten Tony Rojana, auf den Plan ruft. Und ausgerechnet jetzt macht Farangs deutscher Halbbruder Peter Meier Urlaub in Thailand - und wird das nächste Opfer des Touristenkillers.

In 'Blauer Rum' lässt sich Kurt Schulz, ein in Nicaragua den vorzeitigen Ruhestand geniessender, längst aller Illusionen beraubter Dschungelkämpfer (sein angestammter Name lautet Wolf Strassner…) nicht zuletzt aus Liebesgründen noch einmal auf ein gefährliches Abenteuer ein, in dem es um Drogen, Macht und sehr viel Geld geht; ein Himmelfahrtskommando, das ihn von Managua über Panama und Jamaica nach New York City und schliesslich nach Miami führt, und das nur wenige Beteiligte (darunter Schulz) mit heiler Haut überstehen.

'Null Uhr Managua' spielt im Nicaragua des Jahres 1993, das nach der Abwahl der sandinistischen Regierung im Chaos versunken ist. Der deutsche Zentralamerika-Experte Max Nordmann erhält von Bonn die Aufgabe, das Land auf seine demokratischen Fortschritte hin zu überprüfen und herauszufinden, wie es mit Mord, Plünderung und Terrorismus aussieht - beziehungsweise ob es sinnvoll ist, dort weiterhin Wirtschaftshilfe zu leisten. Die attraktive Diplomatin Barbara Beck steht ihm dabei zur Seite. Bei seinen zäh verlaufenden Recherchen trifft Nordmann auf Gruppierungen, die ganz unterschiedliche Interessen verfolgen - Geheimdienste, Militärs, marodierende Gangs und internationale Terroristen -, aber auch auf den früheren sandinistischen Kämpfer Rubén Dario, der jetzt ehemalige Contra-Generäle mit der Machete zerstückelt. Immer tiefer verstrickt sich der Deutsche in diesem undurchdringlichen Netz, bis er und Barbara schliesslich entführt werden - als Geiseln und Köder zugleich.

'Berlin Fidschitown' sieht zum zweiten Mal den in Bangkok lebenden Eurasier Farang als Hauptfigur. Von seinem Ziehvater wird er beauftragt, den ehemals in Bangkok operierenden, jetzt in Berlin untergetauchten deutsch-stämmigen "Paten" Gustav Thorn aufzuspüren, der auch von der suspendierten Kommissarin Romy Asbach und der Journalistin Heliane Kopter gejagt wird. Thorn hat sich jedoch ausgerechnet in Fidschitown verkrochen, Berlins düsterem unterirdischem Stollen- und Bunkersystem, in dem sich zwei vietnamesische Gangs mit härtesten Bandagen bekämpfen und den Südvietnam-Vietcong-Konflikt noch einmal aufleben lassen. Auch eine mafiose chinesische Bande, Farangs alte Kumpel Tony Rojana (der "Kamikaze"-Journalist) und Bobby Quinn (der amerikanische Vietnamveteran mit dem nom de guerre "die Tunnelratte") sowie die Mitglieder eines deutschen Kinderprostitutionsrings mischen kräftig mit.

In 'Land der guten Hoffnung' soll Helm Tempow, ein ehemaliger Entwicklungshelfer aus Deutschland, der sich darauf spezialisiert hat, verschwundene Personen aufzuspüren, in Südafrika einen Mann ausfindig machen, der vor Jahren, noch vor dem Ende der Apartheid, am Kidnapping einer deutschen Reederstochter beteiligt war. Im Zuge seiner Ermittlungen stellt Tempow fest, dass auch das ehemalige Opfer Rena Carstens, das sich damals in ihren Entführer verliebt und von ihm ein Kind bekommen hat, irgendwie in den Fall involviert ist. Dann werden wichtige Zeugen umgebracht, der Fall erhält eine ungeahnte politische Dimension - für Tempow beginnt ein Kampf um Leben und Tod in einem Land, in dem fast jeder seine Unschuld verloren hat.

Blettenbergs elfter und bislang letzter, knapp 600 Seiten umfassender Roman 'Murnaus Vermächtnis' (der Titel bezieht sich auf den berühmten deutschen Stummfilmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau), eine opulente Mischung aus Abenteuer-, Polit- und Kriminalroman, aus Fiktion und Fakten, ist überwiegend im Schwarzafrika des Jahres 2004 angesiedelt. Im Brennpunkt steht der Ex-Fremdenlegionär Victor Voss, Spross eines Ghanaers und einer Deutschen, der als Reisebegleiter in Accra, der Hauptstadt Ghanas, lebt und arbeitet und durch seinen geheimnisvollen, keinen Schatten werfenden Kunden und Murnau-Fan Albin Grau in eine farbenprächtige Geschichte um Inzest und Liebe, Okkultismus und Sektiererei, Film- und Kolonialgeschichte, Tabubrüche und Mord verwickelt wird.

Seit 1978 besitzt Blettenberg einen festen Wohnsitz in Berlin, seit 1994 als freier Autor. Er ist mit der Schauspielerin Andrea Heuer verheiratet.

Bibliografie:
Wolf Strassner-Romane: 'Weint nicht um mich in Quito' (1981), 'Agaven sterben einsam' (1982), 'Blauer Rum' (1995);
Farang-Romane: 'Farang' (1988), 'Berlin Fidschitown' (2003);
'Barbachs Bilder' (1984), 'Siamesische Hunde' (1987), 'Harte Schnitte' (1995), 'Null Uhr Managua' (1997), 'Land der guten Hoffnung' (2006), ‚Murnaus Vermächtnis' (2010).

++ Erstellt: März 2014 ++  


Blincoe, Nicholas

(*1965)

Nicholas Blincoe wurde in Rochdale, Lancashire, geboren und wuchs in Manchester auf. 1987 gründete er die erste weisse Rap-Gruppe Englands, die er Meatmouth nannte. Nach abgebrochenem Kunststudium an der Middlesex Polytechnic machte er 1993 einen Abschluss in moderner europäischer Philosophie an der University of Warwick. Er ist seit 1995 mit der palästinensischen Filmemacherin Leila Sansour verheiratet, pendelt zwischen London und Betlehem und arbeitet als freier Journalist und Autor. Sein Werk enthält die Geschichtensammlung 'My Mother Was a Bank Robber' (1998), sechs Kriminalromane und das Theaterstück 'Cue Deadly'. Darüber hinaus schrieb er für Radio und Fernsehen, unter anderem mehrere Episoden der BBC-Serie 'Walking the Dead'.

Von Blincoes drei auf Deutsch vorliegenden Krimis ist 'Manchester Slingback' klar der beste. Die düstere, in unzähligen Vor- und Rückblenden erzählte Geschichte dreht sich um Jake Powell, vor fünfzehn Jahren als Strichjunge und Polizeispitzel auf den Strassen des Schwulenviertels von Manchester unterwegs, Teil einer Clique von 17- bis 18-Jährigen, die mit schwarz kopierten Schwulenpornos handeln, um ihren aufwendigen Lebensstil zu finanzieren. Nach dem bestialischen Mord an seinem Freund Johnny taucht Jake unter, will ein neues Leben beginnen - und heute ist er verheiratet und angesehener, wenn auch nicht sehr glücklicher Besitzer eines schicken Spielkasinos im Londoner West End. Als nun Kevin Donnelly, der damals zur Clique gehörte, nach demselben Muster umgebracht wird wie seinerzeit Johnny, wird Jake von dem hinterhältigen Bullen Detective Inspector Davey Greene, der ihn von früher her kennt, nach Manchester zurückgeholt, damit er ihm bei der Auflösung des Falles behilflich ist - und Jake begegnet noch einmal seiner hässlichen Vergangenheit, in der pädophile Heimleiter und fanatische, schwulenfeindliche Polizisten für ein Klima des Schreckens gesorgt haben.

Bibliografie:
'Acid Causals' - 'Acid Killers' (1995), 'Jello Salad' - 'Speed Boys' (1997), 'Manchester Slingback' - 'Manchester Slingback' (1998), 'The Dope Priest' (1999), 'White Mice' (2002), 'Burning Paris' (2004).

++ Erstellt: Mai 2011 ++  


Block, Lawrence

(*1938; schreibt auch als Anne Campbell Clark, Jill Emerson, Lesley Evans, Chip Harrison, Leo Haig, Paul Kavanagh, Sheldon Lord und Andrew Shaw)

Lawrence Block wurde in Buffalo, New York State, als Sohn eines Anwalts geboren und wuchs auch dort auf. Er absolvierte sein Studium am Antioch College in Yellow Springs, Ohio, blieb jedoch ohne Abschluss. Danach arbeitete er in New York City als Lektor bei der Literaturagentur Scott Meredith und der Whitman Publishing Company, wobei er vor allem lernte, wie man nicht schreiben sollte. In dieser Zeit, Ende der 50er-Jahre, wurden seine ersten Stories in Post-Pulp-Magazinen wie 'Manhunt', 'Trapped' und 'Guilty' abgedruckt. Anfang der 60er-Jahre verfasste er (als Sheldon Lord, Andrew Shaw, Lesley Evans und Jill Emerson, zum Teil gemeinsam mit Donald Westlake) eine Reihe von Pornoromanen, bevor er 1966 als Krimiautor debütierte.

Block hat drei Töchter - Amy, Jill und Alison - aus seiner ersten, von 1960 bis 1973 bestehenden Ehe mit Loretta Ann Kallett und lebt mit seiner zweiten Frau Lynne Wood, mit der er seit 1983 verheiratet ist, in Greenwich Village, New York City; das Paar ist jedoch sehr häufig auf Reisen - dem Vernehmen nach hat Block bereits über 160 Länder besucht.

Blocks Bibliografie führt vier Bücher über das Schreiben, rund hundert Kurzgeschichten und über sechzig Romane auf. Aus seinem breit gefächertem Kriminalwerk ragt die 16-bändige, über mehr als dreissig Jahre sich erstreckende Reihe um den Ich-Erzähler Matthew "Matt" Scudder heraus, einen der raren in Echtzeit alternden Krimiserienfiguren. Matt quittiert den Dienst beim NYPD, als ein Querschläger aus seiner Dienstwaffe ein kleines Mädchen tötet, kehrt wenig später auch seiner Rolle als liebender Gatte und Familienvater den Rücken, beginnt zu trinken und schlägt sich dann als lizenzloser, in einem schäbigen Hotelzimmer einquartierter Privatdetektiv durch - bzw.: "Ich tue allen möglichen netten Leuten einen Gefallen" -, ohne auf Förmlichkeiten Wert zu legen. 10% seines Honorars steckt er jeweils in den Opferstock einer Kirche, eine Marotte, die ihm das Gefühl gibt, etwas Schreckliches zu verhindern (und die natürlich viel mit dem Tod des kleinen Mädchens zu tun hat).

Matt Scudder ist eine angenehm zurückhaltende, zur Selbstironie fähige Figur, die mit reifer Gelassenheit und ohne moralischen Zeigefinger über kriminelle Machenschaften in der Millionenstadt berichtet und über die Versuche der Menschen, in ihr zu überleben. Er hat zwei Söhne aus seiner ersten Ehe mit Anita, Michael und Andy, die er jedoch aus den Augen verloren hat. Weitaus wichtigere Rollen in Matts Leben spielen seine kluge Lebensgefährtin Elaine Mardell, ein ehemaliges Callgirl, das er von seinen Polizeitagen her kennt, sein bester Freund Mick Ballou, ein schlagkräftiger irischer Gangster und Besitzer des Lokals "Grogan's" in Hells Kitchen, sein dunkelhäutiger Assistent TJ, ein ehemaliger Kleinkrimineller und jetziger Computerspezialist, der die Strasse wie seine Hosentasche kennt, sein langjähriger AA-Sponsor (und Vaterersatz) Jim Faber sowie Joe Durkin, Detective des NYPD, Matts bester Kontakt bei der Polizei.

Die stimmungsvollen und sorgfältig gebauten Matt Scudder-Romane leben von ausufernden, ungemein authentisch wirkenden Dialogen, geschickten Tempowechseln und lakonischer Erzählweise, von eindrucksvollen Schilderungen der Metropole - und vor allem von der charismatischen Hauptfigur.

Höhepunkte der Matt Scudder-Serie: 'Viele Weg führen zum Mord'‚ das Buch, in dem Matt ernsthaft mit dem Saufen aufhören will, immer wieder zu AA-Treffen geht und dabei Jim Faber kennen lernt; 'Ein Ticket für den Friedhof', das Buch, in dem Matt und Elaine ein Liebespaar werden (die Heirat folgt einige Jahre später in 'Der Privatclub'); 'Tanz im Schlachthof', das Buch, in dem Matt den Strassenjungen TJ unter seine Fittiche nimmt; und 'Verluste', Blocks letzter ins Deutsche übersetzter Scudder-Roman, der eigentlich, so Matt Scudder, Mick Balous Geschichte ist, "doch dieser wird sie nie erzählen". Es ist das Buch, in dem Jim Faber ums Leben kommt, weil man ihn mit Matt verwechselt; und das Buch, in dem man sehr viel über Matts Vergangenheit erfährt - eine meisterhaft komponierte, melancholische Ballade über Liebe, Freundschaft und Hass, Rache und Verrat.

Blocks weitere Serienhelden sind Evan Tanner, ein 34-jähriger Koreaveteran und Agent einer namenlosen Geheimdienstorgansation der USA, der keine einzige Minute geschlafen hat, seitdem ein Granatsplitter sein Schlafzentrum zerstört hat (acht Romane); Bernie Rhodenbarr aus New York City, Buchhändler tags, Kunstdieb nachts und Detektiv, wenn es sich gerade so ergibt, der bei seinen Raubzügen immer wieder über Leichen stolpert, in der Folge unter Tatverdacht gerät - und die Fälle dann gleich selbst auflöst (zehn zwischen 1977 und 2004 publizierte Romane, wobei der Protagonist nicht nennenswert ergraut ist); der junge New Yorker Schnüffler und frühere Bordell-Angestellte Chip Harrison, der für den fetten, tropische Fische züchtenden Privatdetektiv Leo Haig die Laufarbeit erledigt (vier Romane, keine deutsche Übersetzung); und John Paul Keller, ein sympathischer Mann mittleren Alters, der in New York City ein recht unscheinbares Leben führt, in seiner Freizeit Briefmarken sammelt und seine Brötchen als Berufskiller verdient - mit den Honoraren für eine Handvoll Aufträge im Jahr kommt er bequem über die Runden (fünf zum Teil episodisch aufgebaute Romane, keine deutsche Übersetzung).

Lawrence Block verfasste ferner über zwanzig Einzelwerke und brachte Cornell Woolrichs Romanfragment 'Die Nacht trägt schwarz' und William Ards 'Babe in the Woods' zu Ende. Darüber hinaus publizierte er während vielen Jahren jeden Monat eine Kolumne über das Romanschreiben im Magazin 'Write's Digest'.

Im Jahr 2006 gab Axel Bussmer eine umfassende, mit 'Lawrence Block - Werkschau eines New Yorker Autors' betitelte Würdigung von Blocks Kriminalwerk heraus. Lawrence Block, in seiner Heimat von Autoren und Kritikern verehrt und über eine beachtliche Stammleserschaft verfügend, hat im deutschsprachigen Raum nie die ihm gebührende Anerkennung bekommen. Jetzt aber hat er die Sache in die eigene Hand genommen: Die ersten beiden Bände der Matt-Scudder-Serie sind 2016 in neuer Übersetzung durch Stefan Mommertz im Eigenverlag als eBook und Taschenbuch erschienen, die weiteren fünfzehn Bände sollen in den nächsten Jahren folgen.

Bibliografie:
Evan Tanner-Serie: 'The Thief Who Couldn't Sleep' (1966), 'The Cancelled Czech' (1966), 'Tanners Twelve Singers' - 'Zwölf Mädchen und der Supermann' (1967), 'Two for Tanner' (auch unter dem Titel 'The Scoreless Thai') - 'Hot Pants lassen Mörder kalt' (1968) , 'Tanner's Tiger' (1968), 'Tanner's Hero' (auch unter dem Titel 'Here Comes a Hero', 1968), 'Me Tanner, You Jane' (1970), 'Tanner on Ice' (1998);
Chip Harrison-Serie: 'No Score' (1970), 'Chip Harrison Scores Again' (1971), 'Make Out with Murder' (auch unter dem Titel 'Five Littler Rich Girls', 1974), 'The Topless Tulip Caper' (1975).
Matt Scudder-Serie: 'The Sins of the Fathers' - 'Mord unter vier Augen' (auch unter dem Titel 'Die Sünden der Väter', 1976), 'In the Midst of Death' - 'In der Mitte des Todes' (1976), 'Time to Murder and Create' - 'Blutgeld von einem Toten' (auch unter dem Titel 'Drei am Haken', 1977), 'A Stab in the Dark' - 'Alte Morde rosten nicht' (1981), 'Eight Millions Ways to Die' - 'Viele Wege führen zum Mord' (auch unter dem Titel 'Viele Wege führen zu Mord', 1982), 'When the Sacred Ginmill Closes' - 'Nach der Sperrstunde' (1986), 'Out on the Cutting Edge' - 'Engel der Nacht' (1989), 'A Ticket to the Boneyard' - 'Ein Ticket für den Friedhof' (1990), 'A Dance at the Slaughterhouse' - 'Tanz im Schlachthof' (1991), 'A Walk Among the Tombstones' - 'Endstation Friedhof' (auch unter dem Titel 'Ruhet in Frieden', 1992), 'The Devil Knows You're Dead' - 'Der Teufel weiss alles' (1993), 'A Long Line of Dead Men' - 'Der Privatclub' (1994), 'Even the Wicked' - 'Im Namen des Volkes' (1997), 'Everybody Dies' - 'Verluste' (1998), 'Hope to Die' (2001), 'All the Flowers are Dying' (2005), 'A Drop of the Hard Stuff' (2011);
Bernie Rhodenbarr-Serie: 'Burglars Can't Be Choosers' - 'Diebe nehmen, was sie kriegen' (auch unter dem Titel 'Ein Gentleman in der Klemme', 1977), 'The Burglar in the Closet' - 'Der Dieb im Schrank' (auch unter dem Titel 'Frisch geklaut ist halb gemordet', 1978), 'The Burglar Who Liked to Quote Kipling' - 'Der Dieb, der gern Kipling zitierte' (auch unter dem Titel 'Wer immer klaut, dem glaubt man nicht', 1979), 'The Burglar Who Studied Spinoza' - 'Nur tote Zeugen reden' (auch unter dem Titel 'Ein Philosoph mit langen Fingern', 1980), 'The Burglar Who Painted Lie Mondrian' - 'Der Dieb, der wie Mondrian malte' (auch unter dem Titel 'Mord ist keine schöne Kunst, 1983), 'The Burglar Who Traded Ted Williams' (1994), 'The Burglar Who Thaught He Was Bogart' (1995), 'The Burglar in the Library' (1997), 'The Burglar in the Rye' (1999), 'The Burglar on the Prowl' (2004);
Keller-Serie: 'Hit Man' (1998), 'Hit List' (2000), 'Hit Parade' (2006), 'Hit and Run' (2008), 'Hit Me' (2013);
Einzelwerke (nur Kriminalromane): 'Grifter's Game' (auch unter den Titeln 'Mona' und 'Sweet Slow Death') - 'Die Mörderlady' (auch unter den Titeln 'Die Mörder-Lady' und 'Abzocker', 1961), 'Death Pulls a Doublecross' (auch unter dem Titel 'Cowards Kiss', 1961), 'Markham: The Case of the Pornographic Photos' (auch unter dem Titel 'You Could Call it Murder, 1961), 'The Girl With the Long Green Hair' - 'Doppelspiel zu dritt' (auch unter den Titeln 'Mord im Hotel' und ‚Falsches Herz', 1965), 'Deadly Honeymoon' - 'Tödliche Flitterwochen' (1967), 'After the First Death' - 'Eva starb im Doppelbett' (1969), 'The Specialists' - 'Die Spezialisten' (1969), 'Ronald Rabitt is a Dirty Old Man' (1971), 'Ariel' (1980), 'Random Walk' (1988), 'Small Town' (2003), 'Getting off' (2011).
Als Anne Campbell Clark: 'Passport to Peril' (1967).
Als Lee Duncan: 'Fidel Castro Assassinated' (als Lawrence Block unter dem Titel ‚Killing Castro', 1961/2009).
Als Paul Kavanagh: 'Such Men Are Dangerous' - 'Feinde bis zum Tod' (1969), 'The Triumph of Evil' (1971), 'Not Comin' Home to You' (1974).
Gemeinsam mit Harold King: 'Coe of Arms' (1981).

++ Erstellt: März 2012 ++
++ Update: Februar 2013 ++
++ Update: Oktober 2014 ++
++ Update: November 2016 ++
 


Bodelsen, Anders

(*1937)

Anders Bodelsen wurde als Sohn eines Englischprofessors und einer Kunsthistorikerin in Frederiksberg, Kopenhagen, geboren und wuchs auch dort auf. Er ging bis 1956 ans Ordrup Gymnasium und studierte anschliessend einige Semester Rechtswissenschaft, Volkswirtschaft und Literaturwissenschaft an der Universität Kopenhagen. Danach verfolgte er eine Laufbahn als Kritiker beim dänischen Fernsehen, den Tageszeitungen 'Politiken' und 'Information' und dem Magazin 'Perspektiv' sowie als Journalist, Schriftsteller und Herausgeber einer Literaturzeitschrift. 1959 veröffentlichte er seinen ersten Roman, Mitte der 60er-Jahre gelang ihm der literarische Durchbruch. 1975 heiratete er die Sound-Designerin Eva Sindahl-Petersen.

Bodelsens umfangreiches und vielfältiges Werk enthält Kinder- und Jugendbücher, Fernseh- und Filmdrehbücher, Theaterstücke, Hörspiele, Kurzgeschichten, Sciencefiction ('Brunos tiefgekühlte Tage') und dreizehn Erwachsenenkrimis, von denen vier auf Deutsch erschienen sind; unter ihnen 'In guten und in bösen Tagen', die beklemmende, Geschichte eines Versicherungsbetruges, der drei unschuldigen Menschen das Leben kostet, der Bestseller 'Geld zum zweiten Frühstück' und 'Verdunkelung'. In seiner Heimat gilt Bodelsen als bedeutender Vertreter des "Dänischen Neurealismus", einer Gegenbewegung zum Modernismus.

Bodelsens erster Krimi 'Geld zum zweiten Frühstück' wurde dreimal verfilmt, zuletzt durch Rainer Erler für das ZDF ('Der Amateur', 1972). Die originelle Geschichte kreist um den unscheinbaren Bankkassierer Flemming Borck, der eines Tages zufällig erfährt, dass seine Bankfiliale demnächst überfallen wird, und nun einen Plan schmiedet, der ihm, wenn alles klappt, 178'000 Kronen einbringen wird, während sich der Räuber mit 10'000 Kronen begnügen muss. Der Plan geht auf, doch wenige Tage später wird Borck von einem Unbekannten angerufen, dem reingelegten Verbrecher, der die Hälfte der Beute für sich beansprucht - und seiner Forderung mit einem Revolver Nachdruck verleiht.

'Verdunkelung' spielt im Kopenhagen des Septembers 1944 - der Widerstand gegen die deutschen Okkupanten wächst, Sabotageakte und Fememorde sind an der Tagesordnung, die örtliche Polizei hält mühsam Recht und Ordnung aufrecht, als eines Nachts der lebenslustige Börsenmakler und Filmstudio-Besitzer Otto Baumann ermordet wird; ein überaus delikater Fall, denn die Tat könnte sowohl von den Deutschen als auch von der dänischen Widerstandsbewegung begangen worden sein. Kurz nachdem ein zweiter Mord geschieht, wird die gesamte dänische Polizei von den Deutschen verhaftet. Einzig der 40-jährige Familienvater Helge Nielsen von der Mordkommission entgeht durch Zufall der Razzia, taucht unter und verbeisst sich in den Fall. Die Spuren führen zu einem hasserfüllten Mann, dessen Töchterchen sechs Jahre zuvor einem Verkehrsunfall zum Opfer gefallen ist.

Bibliografie:
'Taenk pa et tal' - 'Geld zum zweiten Frühstück' (1968), 'Haendeligt uheld' (1968), ‚Straus' - 'Straus oder der zweitbeste Kriminalschriftsteller von Dänemark' (1971), 'Bevisets stilling' (1973), 'Pengene og livet' (1976), 'Operation Cobra' (1976), 'Borte borte' - 'In guten und in bösen Tagen' (1980), 'Domino' (1984), ‚Revision' (1985), 'Morklaegning' - 'Verdunkelung' (1988), 'Byen uden ildebrande' (1989), 'Rod september' (1991), 'Den abne dor' (1997).

++ Erstellt: Januar 2012 ++  


Boileau, Pierre / Narcejac, Thomas

(1906-1989 / 1908-1998; schrieben auch als Alain Bouccarèje und Arsène Lupin)

Pierre-Louis Boileau, genannt Pierre Boileau, kam in Paris zur Welt, wo er auch aufwuchs. Er absolvierte eine Handelshochschule und verrichtete danach verschiedene Jobs, unter anderem als Arbeiter in einer Filzfabrik und als Redakteur einer Werbezeitschrift. Nebenbei schrieb er Tüftelkrimis und Locked Room Mysteries mit einem Meisterdetektiv namens André Brunel als Hauptfigur. Im Zweiten Weltkrieg geriet er bald in deutsche Gefangenschaft, wurde jedoch nach zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen freigelassen und kehrte 1942 nach Paris zurück. Ab 1945 schrieb er Romane für das Feuilleton der Tageszeitung 'France Soir'. Dann fand eine schicksalhafte Begegnung statt…

Pierre Boileau starb 82-jährig in Beaulieu-sur-Mer, Alpes Maritimes.

Thomas Narcejac (bürgerlich: Pierre Robert Ayraud), geboren in Rochefort-sur-mer, Charente-Maritime, studierte Literatur am Lycée des Saintes und Philosophie an der Université de Poitiers und unterrichtete diese Fächer darauf am Lycée de Vannes in der Bretagne, anschliessend, während des "drôle de guerre", in Aurillac in der Auvergne. In dieser Zeit schrieb er seine ersten Prosatexte, in denen er seine Vorbilder Maurice Leblanc, G.K. Chesterton, Arthur Conan Doyle und Agatha Christie imitierte, und veröffentlichte seinen ersten Krimi 'L'assassin de minuit'. Für seinen vierten Krimi 'La mort est du voyage' bekam er 1948 den 'Prix du Roman d'Aventure', und bei der Preisverleihung lernte er einen jungen Mann namens Pierre Boileau kennen…

Narcejac überlebte seinen Partner um neun Jahre und starb mit knapp neunzig in Nizza.

Die beiden Autoren begannen ihre erfolgreiche Zusammenarbeit im Jahr 1950, wobei Boileau dem Vernehmen nach vor allem für die Erfindung der Intrigen zuständig war, während Narcejac sich mehr der Figurenzeichung und den psychologischen Aspekten der Ezählungen widmete. Ihr erstes, mit dem Pseudonym Alain Bouccarèje gezeichnetes Werk 'L'ombre et la proie' kam 1951 in einer Zeitschrift heraus. Bis Ende der 80er-Jahre folgten über vierzig Romane, zahlreiche Novellen, Kinder- und Jugendbücher (Sans-Atout-Detektivromane), vier Theaterstücke, mehrere Essays, das Sachbuch 'Der Detektivroman' (1964) sowie ein Band mit Kriminalparodien ('Identitätlichkeiten', 1980). Darüber hinaus waren die beiden als Drehbuchautoren, Dialogschreiber und für das Radio tätig. Nach dem Tod seines Freundes veröffentlichte Narcejac vier weitere (mit Boileau/Narcejac gezeichnete) Krimis.

Bereits ihr erster gemeinsam in Buchform publizierter Psychothriller 'Tote sollten schweigen' (von Henry-Georges Clouzot äusserst frei unter dem Titel 'Les Diaboliques' verfilmt, Simone Signoret spielte die Hauptrolle) war ein Volltreffer. Die trostlose Geschichte handelt von dem Handelsreisenden Fernand Ravinel, einem nicht besonders charakterfesten Mann, der sich auf Drängen seiner dominanten, kalt berechnenden Geliebten Lucienne Mogard, einer Ärztin, seiner sanftmütigen Ehefrau Mireille entledigt - und danach allmählich in den Wahnsinn getrieben wird.

Auch der nachfolgende Roman 'Die Gesichter des Schattens' wird aus der Sicht eines (mutmasslichen) Opfers erzählt. Richard Hermantier, ein erfolgreicher Industrieller Ende vierzig, hat vor kurzem bei einem Arbeitsunfall sein Augenlicht verloren und befindet sich jetzt, von Existenzängsten und Depressionen geplagt, in einem langwierigen Prozess der Rehabilitation. Doch kurz nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus lassen seltsame Geschehnisse in seiner nächsten Umgebung in ihm den Verdacht keimen, dass seine Frau Christiane und sein Compagnon Hubert Merville eine üble Intrige gegen ihn spinnen. Oder bildet er sich dies alles nur ein? Ist er im Begriff, den Verstand zu verlieren?

'Ich bin ein anderer' dreht sich um Gervais, einen künstlerisch begabten Mann um die dreissig mit unglücklicher Vergangenheit, der 1944 aus der deutschen Kriegsgefangenschaft fliehen kann und dann die Identität seines kurz vor Lyon bei einem Unfall getöteten Fluchtgefährten und Freundes Bernard annimmt. Er findet Unterschlupf bei den sonderbaren Halbschwestern Hélène (Bernards Brieffreundin!) und Agnès, die Bernard nie zu Gesicht bekommen haben, und beschliesst, ihnen seine wahre Identität zu verheimlichen. Kurz danach taucht Bernards Schwester Julia auf - für Gervais beginnt ein Alptraum, aus dem es kein Entrinnen gibt.

Zu den bekanntesten Werken des produktiven - namentlich in den 50er- und 60er-Jahren höchst erfolgreichen, in letzter Zeit jedoch immer stärker in Vergessenheit geratenen - Gespanns zählen ausserdem die vertrackte Dreiecksgeschichte 'Mord bei 45 Touren', das Doppelgängerdrama 'Vertigo - Aus dem Reich der Toten' (die Vorlage zu Alfred Hitchcocks gleichnamigem Film) und 'Mensch auf Raten', eine haarsträubende - einer Frankenstein-Geschichte Ehre machende - Collage aus Medical Thriller und Sciencefiction. In den nach 1970 erschienenen Büchern verlieren die Täuschungsmanöver und Komplotte immer mehr an Logik und Plausibilität.

Bibliografie:
'Celle qui n'était plus' - 'Tote sollten schweigen' (auch unter dem Titel 'Das Nebelspiel', 1952), 'Les visages de l'ombre' - 'Die Gesichter des Schattens' (auch unter dem Titel 'Gesichter des Schattens', 1953), 'D'entre les morts' (auch unter dem Titel 'Sueurs froides') - 'Vertigo - Aus dem Reich der Toten' (auch unter den Titeln 'Aus dem Reich de Toten' und 'Von den Toten auferstanden', 1954), 'Les louves' - 'Ich bin ein anderer: die Wölfinnen' (1955), 'Le mauvais oeil' und 'Au bois dormant' - 'Der böse Blick' und 'Ein Schloss in der Bretagne' (zwei Kriminalromane, 1956), 'Les Magiciennes' (1957), 'L'ingénieur aimait trop les chiffres' - 'Die Gleichung geht nicht auf' (1958), 'A coeur perdu' - 'Mord bei 45 Touren' (1959), 'Maléfices' - 'Das Geheimnis des gelben Geparden' (auch unter dem Titel 'Hexenspuk', 1961), 'Maldonne' - 'Die Karten liegen falsch' (1962), 'Les victimes' - 'Die Frau, die es zweimal gab' (1964), '…Et mon tout un homme' - 'Mensch auf Raten' (1965), 'La mort a dit: peut-être' - 'Parfum für eine Selbstmörderin' (1967), 'Delirium' und 'L'Île' - Tod nach Terminplan' und 'Die Insel' (zwei Kriminalromane, 1969), 'La porte du large' - 'Appartement für einen Selbstmörder' (1969), 'Les veufs' - 'Die trauernden Witwer' (1970), 'La vie en miettes' - 'Das Leben ein Alptraum' (1972), Opération Primevère' - 'Leiche auf Urlaub' (1973), 'Frère Judas' - 'Bruder Judas' (auch unter dem Titel 'Die Dame in rot', 1974), 'La tenaille' - 'Wenn eine Tote mit zwei Männern lebt' (auch unter dem Titel 'Tote leben nicht allein', 1975), 'La lèpre' - 'Ein Heldenleben' (1976), 'L'âge bête' - 'Rache mit 15' (1978), 'Carte vermeil' - 'Auf dem Abstellgleis' (1979), 'Terminus' - 'Abschied von Lucienne' (1980), 'Les intouchables' - 'Die Unberührbaren' (1980), 'Box-Office' - 'Werthers zweiter Selbstmord' (1981), 'Les eaux dormantes' - 'Ohne Spuren' (1983), 'Mamie' - 'Mamie' (1983), 'La dernière cascade' - 'Der Tod erlaubt kein Double' (1985), 'Schuss' - 'Schussfahrt' (1986), 'Mr. Hyde' - 'Mr. Hyde' (1987), 'Champ clos' - 'In inniger Feindschaft' (1988, 'Le contrat' - 'Der letzte Auftrag' (1988), 'J'ai été un fantôme' - 'Im Mord vereint' (1989), 'Le soleil dans la main' - 'Der Traum vom Gold' (1990, 'Le bonsai' - 'Tod de Luxe' (1990), 'La main passe' (1991), 'La Villa d'en face' (1991), 'Les nocturnes' (1992).
Arsène Lupin-Romane:
Als Arsène Lupin: 'Le Secret de Eunerville' - 'Das Geheimnis von Eunerville' (1973), 'La poudière' - ‚Die Affäre Mareuse' (1974).
Als Boileau & Narcejac: 'Le second visage d'Arsène Lupin' - 'Arsène Lupins zweites Gesicht' (1975), 'La justice d'Arsène Lupin' - 'Arsène Lupin sorgt für Gerechtigkeit' (1977), 'Le serment d'Arsène Lupin' (1979).
Pierre Boileau allein: André Brunel-Serie: 'La promenade de minuit', 'La pierre qui tremble' - 'Entscheidung in den Klippen' (1934), 'Le repos des Bacchus' - 'Der Trick mit da Vinci' (auch unter dem Titel 'Der ruhende Bacchus', 1938), 'Six crimes sans assassin' - 'Sechsmal tödlich' (1939), 'Les Trois clochards' (1945), 'Le rendez-vous de Passy' (1951).
Thomas Narcejac allein: 'L'assassin de minuit' (1942), 'La police est dans l'escalier' (1946), 'La mort est du voyage' (1948), 'La nuit des angoisses' (1948), 'La goût des larmes' (1950), 'Le mauvais cheval' (1950).

++ Erstellt: Januar 2014 ++  


Bonfiglioli, Kyril

(1928-1985)

Kyril Bonfiglioli, genannt Bon, wurde als Spross einer englischen Hausfrau und eines italienisch-slowenischen Antiquars im südenglischen Küstenstädtchen Eastbourne geboren. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Familie evakuiert, nachdem eine Bombe ihr Anwesen zerstört hatte. Kyrils Mutter und jüngerer Bruder kamen 1943 bei einem deutschen Angriff ums Leben.

Nach dem Krieg diente Bonfiglioli sieben Jahren bei der britischen Armee. In dieser Zeit starb seine erste Frau kurz nach der Geburt des zweiten Kindes. Nach dem Militärdeinst studierte er Englisch am Oxforder Balliol College, um anschliessend als Assistent des angesehenen Kunsthistorikers Edgar Wind zu arbeiten. Parallel dazu begann er mit Kunst zu handeln, und 1960 gründete er in Oxford seine eigene Firma, die Bonfiglioli Limited, die Mitte der 60er-Jahre zum Blühen kam. Daneben gab er mehrere Sciencefiction-Magazine heraus. Seine zweite Ehe, der drei Kinder entsprangen, wurde 1969 geschieden. Im folgenden Jahr liess er sich mit seiner neuen Lebensgefährtin in Silverdale, Lancashire, nieder, und widmete sich nun vorrangig dem Krimischreiben.

Bonfiglioli war ein erstklassiger Kunsthändler mit exquisitem Geschmack, ein Hedonist, Waffennarr und Frauenheld, aber auch ein starker Trinker und balancierte stets am Rande des Bankrotts. Aus Steuergründen zog er in den frühen 80er-Jahren auf die Kanalinsel Jersey, wo er 56-jährig an Leberzirrhose starb. Im Jahr 2001 veröffentlichte seine zweite Frau Margaret eine mit 'The Mortdecai ABC' betitelte Bonfiglioli-Biografie.

Bonfigliolis alter Ego Charlie Mortdecai ist die Hauptfigur in dreidreiviertel Kriminalromanen - der vierte Band wurde posthum von dem Satiriker Craig Brown zu Ende geschrieben und 1999 erstveröffentlicht. Charlie Mortdecai, ein korpulenter, zügelloser, wortgewandter, völlig unmoralischer Oxfordabsolvent, Kunsthändler, Lebemann und Hobbydetektiv mittleren Alters, richtet sein Wort als Ich-Erzähler immer wieder an den Leser. Begleitet wird er zunächst von dem unergründlichen, ungemein schlagkräftigen Ex-Sträfling Jock Strapp - eine prächtige Mischung aus Butler und Bodyguard mit struppigem Quadratschädel.

Der erste Band 'Nimm das Ding da weg' sticht hervor - eine haarsträubende, unerhört komische Geschichte mit völlig nebensächlichem Plot (Mortdecai transportiert einen gestohlenen Goya in einem antiken Rolls Royce zu einem steinreichen Amerikaner), die in den wohl seltsamsten Showdown der Krimigeschichte mündet.

Das Einzelwerk 'All the Tea in China', eine Art Prequel zur Mortdecai-Serie, berichtet über die Abenteuer von Karli Van Cleef, Mortdecais jüdisch-holländischem Vorfahren, der im England des 19. Jahrhunderts mit chinesischem Porzellan handelt, bis er nach China reist, um sich dem Opiumgeschäft zuzuwenden.

Bibliografie:
Charlie Mortdecai-Serie: 'Don't Point that Thing on Me' (auch unter dem Titel 'Mortdecai's Endgame') - 'Nimm das Ding da weg' (1973), 'Something Nasty in the Woodshed' - 'Die Damen und das Ungeheuer' (1976), 'After You With the Pistol' (1979), 'The Great Mortdecai Moustache Mystery' - 'Das grosse Schnurrbart-Geheimnis' (1999);
Einzelwerk: 'All the Tea in China' (1978).

++ Erstellt: August 2015 ++  


Bovard, Jacques-Etienne

(*1961)

Jacques-Etienne Bovard kam als Sohn des Anwalts, Historikers, Politikers und Musikers Pierre-André Bovard in Morges zur Welt, einem Städtchen am Genfersee, und wuchs dort mit seiner Schwester, Laurence, und seinem Bruder, Antoine, auf. Er absolvierte ein Literaturstudium an der Universität Lausanne und ist seither in dieser Stadt als Gymnasiallehrer für Französisch sowie als Literaturkritiker für den 'Nouveau Quotidien' und als Autor tätig. Sein schriftstellerisches Werk enthält Essays, Erzählbände und sieben Romane, in denen er auch seinen Hobbys Fotografie, Reiten, Fischen und Musik viel Raum gewährt. Der verheiratete Familienvater lebt in der kleinen Ortschaft Carrouge im Waadtländer Jura.

In Bovards einzigem Krimi 'Der Nebelreiter' wird die Leiche von Julien Chapart - streitbarer Anwalt, Pferdenarr sowie alleiniger Herausgeber und Autor des Hetzblattes 'Karbatsche' - in einer Schlucht im Waadtländer Jura gefunden. Die örtliche Polizei vermutet einen Reitunfall, doch die Gerüchte, es könnte Mord gewesen sein, verstummen nicht. Jean-Claude Abt von der Waadtländer Kriminalpolizei, ein geschiedener, vereinsamter, mit seiner 19-jährigen kleinkriminellen Tochter hoffnungslos zerstrittener Mann Mitte fünfzig, der nach dem Fichenskandal 1991 "überflüssig" geworden ist, wird undercover in den winterlichen Jura entsandt, um den Fall neu aufzurollen. Er nimmt Reitstunden im Zentrum, in dem Chapart verkehrt hat, entdeckt seine Leidenschaft für den Pferdesport, reflektiert sein Leben - und verliebt sich in eine junge Frau, Fabienne, die Gattin des skrupellosen Immobilienmaklers Lachaux, die mit dem Toten ein Verhältnis hatte. Ganz am Schluss der Erzählung - der Kriminalfall wird während des Mittelteils, in dessen Verlauf der Protagonist allmählich zu sich selbst findet, weitgehend ausgeklammert - stösst Abt auf Spuren, die den Ermittlungen eine entscheidende Wende geben.

'Der Nebelreiter', ein anspruchsvoller, mit zauberhaften Landschaftsschilderungen geschmückter Krimi, wird getragen von einem einfühlsam und facettenreich porträtierten Verlierertyp, der endlich gewillt ist, sich der Welt zu öffnen, sich auf Schicksale einzulassen.

Bibliografie:
'Demi-Sang suisse' - 'Der Nebelreiter' (1994).

++ Erstellt: Februar 2014 ++  


Bowers, Elisabeth

(*1949)

Elisabeth Bowers wurde in der westkanadischen Stadt Vancouver, British Columbia, geboren und wuchs auch dort auf. Sie war als Hilfsarbeiterin, Bibliothekarin, Reporterin und Lehrerin tätig, ehe sie Ende der 80er-Jahre zum Schreiben kam. Heute lebt sie auf den Gulf Islands vor der Westküste von British Columbia.

Mit ihren vielschichtigen, in Vancouver spielenden Kriminalromanen um die Privatdetektivin Meg Lacey - Vergewaltigungsopfer, glücklich geschiedene Mutter von zwei halbwüchsigen Kindern, stolze Besitzerin des schwarzen Aikido-Gürtels und Spezialistin für Fahndungen nach vermissten Kindern - gab Elisabeth Bowers zwei kräftige Lebenszeichen, um die Bühne der Kriminalliteratur danach gleich wieder zu verlassen.

In 'Ladies' Night' sucht Meg Lacey im Auftrag der Eltern die neunzehnjährige Alison, die von zu Hause ausgerissen ist. Die Spur führt in einen Nachtclub, dessen Besitzer Danny Haswell sein Geld vornehmlich mit Kinderpornographie verdient - und der zugleich Alisons Verlobter ist.

'Unbekannt verzogen' handelt von der alltäglichen Gewalt gegen Frauen und Kinder in der Familie: Sherry, verheiratet mit dem angesehenen Restaurantbesitzer Greg, taucht samt ihrem vierjährigen Sohn Mark in den Slums von Vancouver unter. Sherrys Schwester beauftragt Meg Lacey, die beiden aufzuspüren. Doch dann wird Sherry erschlagen aufgefunden, und Mark ist verschwunden.

Bibliografie:
Meg Lacey-Serie: 'Ladies' Night' - 'Ladies' night' (1988), 'Nor Forwarding Address' - 'Unbekannt verzogen' (1991).

++ Erstellt: September 2010 ++
++Update: Juni 2013 ++
 


Brac, Virginie

(Kürzel für Virginie Brac de La Perrière, *1955)

Virginie Bracs Leben begann 1955 in der algerischen Hauptstadt Alger, der Jacques Chevalier, ihr Grossvater mütterlicherseits, damals als Bürgermeister vorstand. Sie studierte Psychologie in Frankreich und in den USA, absolvierte dort ein Praktikum in einem Gefängnis und arbeitete danach vornehmlich als Drehbuchautorin für Film und Fernsehen. Darüber hinaus verfasste sie von 1982 bis 2004 sieben Spannungsromane und ein Kinderbuch.

Bracs Ich-Erzählerin Véra Cabral kommt in drei Romanen als Ich-Erzählerin zum Zuge. Die 35-jährige, einer portugiesischen Grossfamilie entstammende Psychiaterin, deren Leben von einem weit zurückliegenden Geheimnis überschattet wird, arbeitet in einem durch Intrigen und Misstrauen zerrütteten Pariser Kriseninterventionszentrum. Sie ist eine intelligente, nicht besonders selbstsichere, bisweilen etwas schnoddrig wirkende Frau; Geheimnisse, die in einer dunklen Ecke verrotten, jagen ihr Angst ein.

Véra und ihre Mitarbeiter werden von der Polizei immer dann als Experten zugezogen, wenn in der französischen Hauptstadt Geiselnahmen, Amokläufe und ähnliche Dramen stattfinden. Der zweite und dritte Teil liegen (mit sperrigen Titeln verunstaltet) auch auf Deutsch vor - spritzige, mit bissigem Humor erzählte, ohne grosses Psychologisieren auskommende Geschichten.

In 'Du hast ein dunkles Lied mit meinem Blut geschrieben' beordert man Véra Cabral in ein Pariser Frauengefängnis: Die junge Delinquentin Giselle Leguerche hat eine Wärterin ermordet sich dann in einer Zelle verbarrikadiert und ein Baby als Geisel genommen - eine Tat, die niemand versteht, denn die Frau wäre in wenigen Tagen nach zehn Jahren Haft wegen guter Führung auf Bewährung freigelassen worden. Die neuerdings mit ihrer Jugendliebe, dem aufstrebenden Neurologen Hugo Markovitch, liierte Psychotherapeutin spricht mit den Eltern und Bekannten der verstockten Verbrecherin - gibt es eine Verbindung zu ihrer Vergangenheit, als sie, wenige Monate nach der Geburt eines Sohnes, ihre beste Freundin ermordet hat? Und wo steckt das Kind heute? Seltsam auch die Rolle des algerischen Polizisten, der Véra hinter her zu schnüffeln scheint.

Der dritte Band 'In den Nächten brütet still der Tod', straff gebaut und flüssig übersetzt, beginnt mit einer dramatischen Szene: Mitten in der Nacht steht Professor Edouard Russell (Spitzname: Dédé-Pitbull), der ehrgeizige und rücksichtslose Chef des Zentrums, vor Véras Haustür - sein 17-jähriger Sohn Fred hat offenbar im Drogenrausch eine junge Frau zerstückelt, Véra soll ihn jetzt psychiatrisch betreuen, bzw. seine Schuldunfähigkeit beweisen und ihm damit eine jahrelange Haft oder Verwahrung ersparen. Doch Véra lässt sich nicht so leicht manipulieren und führt ihre eigenen Ermittlungen durch, während Fred im Krankenhaus mit Psychopharmaka ruhig gestellt wird und der Professor seine Ränke schmiedet.

Bibliografie: 'Sourire kabyle' (1982), 'Mort d'un fauve' (1983), 'Miss monde chez les anges' (1984), 'Coeur caillou' (1997);
Véra Cabral-Trilogie: 'Tropque de pervers' (2000), 'Notre-Dame des barjots' - 'In den Nächten brütet still der Tod' (2002), 'Double peine' - 'Du hast ein dunkles Lied mit meinem Blut geschrieben' (2004).

++ Erstellt: Juli 2014 ++  


Bracharz, Kurt

(*1947)

Kurt Bracharz kam im österreichischem Bregenz am Bodensee zur Welt. Nach der Reifeprüfung arbeitete er von 1968 bis 1972 nacheinander als Angestellter bei einer Bank, am Bezirksgericht und dem Landesinvalidenamt in Bregenz. Anschliessend war er achtzehn Jahre Englisch- und Warenkunde-Lehrer an der Berufsschule in Dornbirn, ehe er 1990 zum Journalismus wechselte und bis 1994 als Redakteur und Kolumnist bei der Vorarlberger-Ausgabe der 'Neuen Kronenzeitung', später beim ORF tätig war. 1997 machte er das Schreiben zum Brotberuf. Sein Werk enthält Krimis, Erzählungen, Essays, Reflexionen, Kinder- und Jugendbücher, Hörspiele, das Tagebuch 'Für reife Leser' (2009) und 'Mein Appetit-Lexikon - Eine Warenkunde für Geniesser' (2010). Darüber hinaus übersetzt er Krimis der Autoren Anthony Berkeley, Jonathan Latimer, Cyril Hare und Benjamin M. Schutz aus dem Englischen, ist seit 2005 Mitherausgeber der Literaturzeitschrift 'Miramente' und veröffentlicht Kolumnen zu politischen, kulinarischen und kulturellen Themen auf den Internetseite 'Znort' und 'Vorax' sowie Gastrokritiken in den 'Vorarlberger Nachrichten'. Er lebt in seiner Geburtsstadt.

Bracharz' frühe Krimis sehen ein höchst originelles Wiener Detektiv-Trio im Fokus, bestehend aus Adrian, einem dicken, kahlen, trinkfreudigen, etwas kindisch wirkenden Alt-68er um die Vierzig, sowie der starken und mutigen Lesbe Wanda und dem Technikfreak (Hacker, Telefonanzapfer, Fotograf usw.) Marius, die sich auf unkonventionelle Weise mit grotesken Kriminalfällen befassen.
In 'Höllenengel' erhält Adrian den Auftrag, den Autor Ulrich Von der Fichten als Bodyguard nach Neapel zu eskortieren. Dort trifft er bei einer Yuppie-Party seine grosse Jugendliebe Nadja; er lässt sich von ihr verführen, um den Finger wickeln und in eine lebensgefährliche Lage manövrieren - es geht um erstklassiges Kokain. In wichtigen Nebenrollen: Die "Angels of Aids", eine anarchistische bayerische Rockergruppe von vornehmlich schwulen Männern, die mit dem HIV infiziert sind und in einem Abruzzenkaff, in das es auch Adrian und Von der Fichten verschlägt, für Furore sorgen, und selbstverständlich auch die Mafia - und bald schon fliesst (verseuchtes) Blut.

In den beiden nachfolgenden Romanen ist Major Michael Jäger von der Bregenzer Kriminalabteilung in tragenden Rollen zu sehen. Im Mittelpunkt von Kurt Bracharz' vielleicht bestem Krimi 'Cowboy Joe' steht allerdings der junge Dorfpolizist Johann Natter, der seit einer spektakulären, eher peinlichen Begegnung mit einer verunfallten Kuh den Spitznamen Cowboy Joe trägt. Als Natter kurz nach diesem Zwischenfall nach Bregenz versetzt wird, mausert er sich unter Major Jäger in kurzer Zeit zu einem ausgekochten Kriminalbeamten, der in der Vorarlberger Hauptstadt türkischen Drogenhändlern, serbischen Mafiosi, einheimischen Zuhältern, aber auch einem zwielichtigen Backgammon-Crack das Fürchten lehrt. Die rasante, harte, mit trockenem Humor erzählte Geschichte ist 2009 in überarbeiteter Form wieder aufgelegt worden.

2010 publizierte Bracharz nach sechzehn Jahren Pause seinen fünften Krimi 'Der zweitbeste Koch', eine turbulente und figurenreiche, an haarsträubenden und magennervenstrapazierenden kulinarischen Exkursen (aufgetischt werden etwa gedünstete Entenembryonen, Murmeltiere und natürlich Hahn-Hoden-Gulasch) reiche Geschichte mit dem 60-jährigen Wiener Gastrokritiker Xaver Ypp als Erzähler. Sie handelt unter anderem von dem rätselhaften Verschwinden des chinesischen Chefkochs des bei Wien gelegenen Gourmetlokals "Schanghai 1938" und dem eng damit verknüpften Treiben einer internationalen Feinschmeckerbande, die einen Handel mit seltenen, vom Aussterben bedrohten Tieren aufgezogen hat - von Vorgängen, die selbst für den abgebrühten Ypp eine Grenz-Erfahrung darstellen.

Bibliografie:
Adrian-Romane: 'Pappkameraden' (1986), 'Höllenengel' (1990);
Major Jäger-Romane: 'Die grüne Stunde' (1993), 'Cowboy Joe' (1994);
'Der zweitbeste Koch' (2010).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Dezember 2010 ++
++ Update: August 2011 ++
++ Update: Februar 2013 ++
 


Brackett, Leigh

(1915-1978; schrieb auch als V.E. Thiessen)

Leigh Brackett wurde in Los Angeles geboren. Nach dem Tod ihres Vaters, der 1918 von der Spanischen Grippe dahingerafft wurde, verbrachte sie den grössten Teil ihrer Jugendzeit im Haus ihrer Grosseltern mütterlicherseits in der Nähe von Santa Monica, Kalifornien, und besuchte dort eine Privatschule für Mädchen. Danach kam sie in Los Angeles in engen Kontakt mit den Sciencefiction-Autoren Ray Bradbury und Robert Henlein. Als 24-Jährige machte sie das Schreiben zum Hauptberuf. 1940 veröffentlichte sie ihre erste Story in einem Pulp-Magazin, 1944 folgte ihr erster, von Raymond Chandler geprägter Roman 'No Good from a Corpse'. 1946 heiratete sie den berühmt-berüchtigten Sciencefiction-Autor Edmond Hamilton, mit dem sie in Kinsman, Ohio, und Lancaster, Kalifornien, lebte.

Nachdem Brackett als Verfasserin von Sciencefiction- und Fantasy-Stories (Eric John Stark-Serie) und des Endzeitromans 'The Long Tomorrow' ('Am Morgen einer anderen Zeit', 1955) in Erscheinung getreten war, schrieb sie in der zweiten Hälfte der 50er-Jahre auch zwei schnörkellose Noir-Romane.

'Raubtiere unter uns', 1962 mit Alan Ladd und Rod Steiger unter dem Titel '13 West Street' verfilmt, erzählt die Geschichte von Walter Sherris, Buchhalter und spiessiges Familienoberhaupt Anfang dreissig, Besitzer eines netten Eigenheims in heimeliger weisser Wohngegend einer Kleinstadt im Nordosten der USA, der auf seinem Abendspaziergang von fünf Jugendlichen grundlos zusammengeschlagen wird. Nach längerem Spitalaufenthalt wieder einigermassen hergestellt, macht der hasserfüllte Mann auf eigene Faust Jagd auf seine Peiniger, während die durch Koleski verkörperte Polizei dem Fall kein grosses Interesse entgegenzubring en scheint.

Auch der im selben Jahr erschienene Roman 'Wo ist meine Frau?' kreist um Rache. Carolyn, die Frau des jungen Anwalts Ben Forbes, ist entführt worden. Den Namen des Kidnappers erfährt der Leser bereits nach wenigen Seiten - es ist der gewalttätige Ehemann einer Frau, die Ben Forbes im Scheidungsprozess vertreten hat. Im Alleingang begibt sich der Anwalt auf die Suche nach Carolyn - und stellt sich dabei dermassen ungeschickt an, dass er zeitweise selbst unter Tatverdacht gerät.

Ab 1955 war Leigh Brackett vornehmlich als Drehbuchautorin tätig. Sie zeichnete unter anderem für die Drehbücher zu Howard Hawks' Westerntrilogie 'Rio Bravo', 'El Dorado' und 'Rio Lobo' sowie zu Raymond Chandlers Krimis 'The Big Sleep' und 'The Long Goodbye' verantwortlich.

Wenige Monate nach dem Tod ihres Mannes erlag Leigh Brackett 62-jährig in Lancaster einem Krebsleiden.

Bibliografie (nur Kriminalromane):
'No Good from a Corpse' (1944), 'Stranger at Home' (als Ghostwriter für den Schauspieler George Sanders, 1946), 'The Tiger Among Us' (auch unter den Titeln 'Fear no Evil') - 'Raubtiere unter uns' (auch unter den Titeln 'Ich war das Opfer' und '13 West Street', 1957), 'An Eye for an Eye' - 'Wo ist meine Frau?' (1957), 'Silent Partner' (1969).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2015 ++
 


Brandon, Jay

(*1953)

Jay Robert Brandon ist ein eingefleischter Texaner. Geboren in Dallas als Sohn einer Sekretärin und eines Maschinenhändlers, wuchs er in San Antonio auf. Sein Studium absolvierte er an der University of Texas, der John Hopkins University und der University of Houston mit einem Abschluss 1985 als Doktor der Jurisprudenz. Danach arbeitete er am höchsten Gerichtshof des Staates Texas und später als Staatsanwalt in San Antonio, bis er sich 1990 als Spezialist für Familienrecht selbstständig machte. Seit 1978 mit Yolanda Cardenas verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern, lebt und arbeitet Brandon in San Antonio.

Nebenberuflich verfasste Brandon seit 1985 bisher siebzehn Kriminalromane - faszinierende Mixturen aus Gerichtsthriller und psychologischen Studien; zehn Einzelwerke, den (nicht auf Deutsch vorliegenden) Fünfteiler um den texanischen Staatsanwalt Chris Sinclair aus San Antonio sowie zwei Mark Blackwell-Romane, unter ihnen 'Fade the Heat' ('Im Namen der Wahrheit'), mit dem er 1990 den Durchbruch schaffte.

Mark Blackwell, mutiger, unbestechlicher Bezirksstaatsanwalt in San Antonio, verheirateter Familienvater Mitte vierzig, feiert mit seinen Kollegen und seiner Partnerin und Freundin Linda Alaniz den Gewinn eines grossen Prozesses, als er erfährt, dass sein 23-jähriger Sohn David der Vergewaltigung der schwarzen Putzfrau Mandy Jackson angeklagt wird. Um jeden Verdacht des Amtsmissbrauchs von vornherein auszuschliessen, überträgt Blackwell den Fall zwei Sonderstaatsanwälten, während ein gewisser Henry Koehler Davids Verteidigung übernimmt. Ganz anders als David erweist sich Mandy dann als äusserst glaubwürdige Zeugin, die Geschworenen fällen einen Schuldspruch, und David landet im texanischen Staatsgefängnis. Wenig später begegnet Blackwell einem adretten kleinen Mann von zweifelhaftem Ruf, dessen Aussage dem Fall eine dramatische Wendung gibt. ‚Im Namen der Wahrheit', ein mitreissender, von sorgfältig gestalteten Charakteren getragener (leider etwas holprig ins Deutsche übertragener) Justizkrimi, wirft ein scharfes Licht auf das Rechtswesen der Vereinigten Staaten, auf die Winkelzüge und Kuhhändel seiner Repräsentanten.

Drei Jahre später, im Roman 'Unter Zwang' (in einer vorzüglichen deutschen Übersetzung als Hardcover erschienen), amtet Mark Blackwell noch immer als Bezirksstaatsanwalt, doch seine Ehe mit Lois und seine Beziehung mit Linda sind zerbröckelt. Der Angeklagte ist diesmal der einflussreiche und allseits beliebte Anwalt Austin Paley, der des vielfachen sexuellen Missbrauchs von kleinen Kindern verdächtigt wird. Durch seine Recherchen macht sich Blackwell die gesamte politische Elite der Stadt zum Feind, und selbst Eliot Quinn, sein früherer Mentor und väterliche Freund, stellt sich ihm entgegen, indem er Paleys Verteidigung übernimmt. Äusserst feinfühlig nähert sich Jay Brandon dem komplexen Thema Kindesmisshandlung, grossartig schildert er den dramatischen Schlagabtausch im Gerichtssaal.

Der Standalone 'So wahr ihr Gott helfe' behandelt eine Familientragödie. Schauplatz ist der (fiktive) osttexanische Ort Galilee, deren ökonomisches Herz, eine Fabrik für Unterwäsche, im Besitz der Matriarchin Alice Beaumont steht. Die kleinstädtische Idylle wird jäh zerstört, als Alices Tochter Lorrie und deren Ehemann gewaltsam ums Leben kommen und ihr Baby entführt wird. Billy Fletcher, Geschäftsleiter der Fabrik wird der Verbrechen angeklagt. Die junge, ungemein zähe und engagierte Sonderstaatsanwältin Kelsey Thatch übernimmt den Part der Klägerin, während Clyde Wolverton mit Billys Verteidigung betraut wird. Zwischen den Fronten steht Billys Bruder Morgan, der Gatte von Alices zweiter Tochter Katherine - und Staatsanwalt von Galilee. Bei ihren hartnäckigen und mutigen Ermittlungen entwirrt Kelsey Thatch ein dichtes Netz von Familienintrigen, Misstrauen, Rachsucht und Hass, bis sie dem wahren Täter auf die Schliche kommt.

Bibliografie:
Einzelwerke: 'Deadbolt' (1985), 'Tripwire' (1987), 'Predator's Waltz' (1989), 'Rules of Evidence' - 'Die Ohnmacht der Beweise' (1992), 'Local Rules' (1995), 'Defiance County' - 'So wahr ihr Gott helfe' (1996), 'Executive Privilege' (2001), 'Milagro Lane' (2009), 'The Jetty' (gemeinsam mit Joe Labatt, 2012), 'Shadow Knight's Mate' (2014);
Mark Blackwell-Romane: 'Fade the Heat' - 'Im Namen der Wahrheit' (1990), 'Loose Among the Lambs' - 'Unter Zwang' (1993);
Chris Sinclair-Serie: 'Angel of Death' (1998), 'After-Image' (2000), 'Silver Moon' (2003), 'Grudge Match' (2004), 'Running with the Dead' (2005).

++ Erstellt: Oktober 2015 ++  


Brett, Michael

(1921-2000)

Michael "Mike" Brett, nicht zu verwechseln mit dem britischen Krimiautor Miles Tripp, der gelegentlich das Pseudonym Michael Brett verwendet hat, kam in Patterson, New York State, zur Welt und verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in New York City - mehr weiss man nicht über seine Biografie.

Im Krimigenre debütierte Michael Brett im Jahr 1959 mit zwei witzigen Romanen um den Buchmacher Sam Dekkers aus New York, einen kahlen, vom Pech verfolgten Mann, der sich hin und wieder auch als Privatschnüffler versucht. Darüber hinaus schrieb Brett eine Reihe von Kurzgeschichten, die in 'Manhunt', 'Alfred Hitchcock's Mystery Magazine' und anderen Zeitschriften erschienen sind.

Von 1966 bis 1968 veröffentlichte Brett zehn tempostarke Romane mit dem New Yorker Privatdetektiv Pete McGrath als Hauptperson. Pete - schwarze Haare, blaue Augen, athletische Figur - ist ein hart gesottener, abgebrannter, in einem getunten Chevy Corvair rumkurvender Einzelgänger mit einer Schwäche für Scotch, teure Zigarren und schöne Frauen, der selten um ein Bonmot verlegen ist, wenn er nicht gerade Selbstgespräche führt.

In den 70er-Jahren liess Brett zwei Standalones folgen sowie, zusammen mit dem Police Detective David Toma, eine Novellisation der TV-Serie 'Toma'. Danach verlieren sich seine Spuren. Laut seinem Sohn Rory ist er im Jahr 2000 in New York City verstorben.

Bibliografie:
Sam Dekkers-Romane: 'Scream Street' (1959), 'The Guilty Bystander' (1959);
Pete McGrath-Serie: 'Kill Him Quickly, It's Raining' - 'Keine Chance für Joe Delevan' (1966), 'An Ear for Murder' - 'Von Mord war nicht die Rede' (1967), 'The Flight of the Stiff' - 'Ein Killer für den Boss' (1967), 'Turn Blue, You Murderers' - 'Ein höllischer Auftrag' (1967), 'We, the Killers' - 'Wir, die Killer' (1967), 'Dead Upstairs in the Tub' - 'Platzt bei Schlaf und Tod' (1967), 'Slit My Throat Gently' - 'Sanft wie ein Skalpell' (1968), 'Lie a Little, Die a Little' (auch unter dem Titel 'Cry Uncle') - 'Lüg dich ins Grab' (1968), 'Another Day, Another Stiff' - 'Mein Mann ist kein Mörder' (1968), 'Death of a Hippie' - 'Haschen mit dem Tod' (1968);
'Toma. The Compassionate Cop' (1974), 'Jungle' - 'Im Dschungel der Gewalt' (1975), 'Diamond Kill' - 'Diamanten-Coup' (1977).

++ Erstellt: Januar 2013 ++  


Brewer, Gil

(Kürzel für Gilbert Brewer, 1922-1983; schrieb auch als Eric Fitzgerald, Bailey Morgan, Elaine Evans, Hal Ellson, Al Conroy, Luke Morgann, Mark Bailey, Harry Arvay und Ellery Queen)

Gil Brewer wurde in Cauandaigua, New York State, als Sohn eines mittellosen, alkoholkranken Pulp-Autors gleichen Namens geboren und wuchs dort mit zwei Schwestern und einem Bruder auf. Nach dem Ausscheiden aus der Highschool verrichtete er Gelegenheitsjobs, bis er der Army beitrat und im Zweiten Weltkrieg in Frankreich und Belgien diente; er wurde verwundet, was ihm nach Kriegsende eine kleine Rente einbrachte. 1947 liess er sich bei seiner Familie in St. Petersburg, Florida, nieder und heiratete wenig später Verlaine Morris Lee, die zwei Kinder im Teenageralter in die vorerst geheim gehaltene Ehe brachte. In der Nachkriegszeit arbeitete er unter anderem in einem Warenhaus, einer Konservenfabrik und als Buchhändler, bevor er Anfang der 50er-Jahre zum Schreiben kam und sich bald als wichtiger Vertreter der Pulp-Szene etablierte. Mit seinen Berufskollegen Day Keene, Harry Whittington, Talmage Powell und Jonathan Craig verbrachte er viele Nächte mit Trinken und Kartenspielen.

Zu Beginn der 60er-Jahre, als sein Stern bereits verglühte, erlitt Brewer einen Nervenzusammenbruch, der einen längeren Krankenhausaufenthalt nach sich zog und ihn fast vier Jahre am Schreiben hinderte. Seine nachfolgende Publikationen beschränkten sich im Wesentlichen auf Schundromane, Novellisationen von Fernsehfilmen (‚It Takes a Thief'-Trilogie) und diverse Ghostwriter-Jobs. Im Jahr 1970 zog er sich bei einem selbst verschuldeten Autounfall schwere Verletzungen zu, von denen er sich nie mehr ganz erholen sollte. Seine Alkoholsucht nahm nun immer stärker überhand, Depressionen, Stürze, Knochenbrüche und Pflegebedürftigkeit waren die Folge. Gil Brewer starb 60-jährig in seiner Wohnung in St. Petersburg und hinterliess seine Frau, die ihm - mit kleineren Unterbrüchen - 35 Jahre lang eine treue Gefährtin war.

Brewer war ein gewiefter, schnörkelloser Plotter mit einem feinen Händchen für überraschende Wendungen, ein Meister der direkten Rede. Die Mehrzahl seiner rund dreissig - in horrendem Tempo niedergeschriebenen, in ihren besten Momenten an Jim Thompsons Werke erinnernden - Romane dreht sich um durchschnittliche Männer, die von schönen, abgebrühten Frauen in den Abgrund gezogen werden und dann Gewalt als einzigen Ausweg sehen. 'Höllisches Finale' und 'Amok' gehören zu Brewers besten auf Deutsch vorliegenden Krimis, deren Feinheiten jedoch verborgen bleiben, wenn man sie sich nicht im Original zu Gemüte führt - schauderhafte Übersetzungen.

'Höllisches Finale' ist die bedrückende Geschichte des Koreaveteranen Eric Garth, der Nacht für Nacht träumt, dass er seinem verhassten Bruder Frank den Kopf mit einem Holzhammer einschlägt und deshalb nach einer schweren Kriegsverletzung in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird. Dort lernt er die heissblütige, jedoch kalt berechnende, auf sein bald zu erwartendes, nicht unbeträchtliches, Erbe spekulierende Krankenschwester Leda Thayer kennen und lässt sich mit ihr auf eine heftige Affäre ein - der Beginn eines Alptraums, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Und dann liegt Frank mit zertrümmertem Schädel in Erics Wohnung.

In dem kleinen, schmutzigen Roman 'Amok' treffen der nach einer Pechsträhne um seine Existenz ringende Ex-Cop Steve Logan, dessen Frau Ruby kurz vor der Niederkunft steht, und der Korea-Veteran Ralph Angers - früher ein viel versprechender Augenarzt, der im Krieg den Verstand verloren hat und jetzt, von der Idee besessen, eine Augenklinik zu bauen, jeden umlegt, der seinen Weg kreuzt - in einer kleinen Stadt in Florida zufällig aufeinander, als Logan den Fehler begeht, Angers' Leben zu retten: der Beginn einer kurzen, symbiotischen, verhängnisvollen Beziehung.

Bibliografie: (Nicht gelistet sind die unter Pseudonym und als Ghostwriter verfassten Romane)
'Satan is a Woman' - 'Satan ist ein Weib' (1951), 'So Rich, So Dead' - 'Und dann kam die Nacht' (1951), '13 French Street' - 'Haus des Bösen' (1951), 'Flight to Darkness' - 'Höllisches Finale' (1952), 'Hell's Our Destination' (1953), 'A Killer Is Loose' - 'Amok' (1954), 'Some Must Die' (1954), '77 Rue Paradis' (1954), 'Play it Hard' - 'Spiel mit oder stirb' (1954), 'The Squeeze' - 'Ein Kopf = 260 000 Dollar' (1955), 'And the Girl Screamed' - 'Ein Mädchen schrie' (1956), 'The Angry Dream' (auch unter dem Titel 'The Girl from Hateville', 1957), 'The Brat' (1957), 'Little Tramp' (1957), 'The Bitch' (1958), 'The Red Scarf' - 'Bezahle oder stirb' (1958), 'Wild' (1958), 'The Vengeful Virgin' (1958), 'Wild to Possess' - 'Mord ohne Mörder' (1959), 'Angel' (1959), ‚Sugar' - 'Als mich der Teufel holte' (1959), 'Nude on Thin Ice' (1960), 'Blackwoods Teaser' (1960), 'The Three-Way Split' (1960), 'Appointment in Hell' (1961), 'A Taste of Sin' (1961), 'Memory of Passion' (1962), 'The Hungry One' (1966), 'The Tease' (1967), 'Sin for Me' (1967);
It Takes a Tief-Trilogie: 'The Devil in Davos' (1969), 'Mediterranean Caper' (1969), 'Appointment in Cairo' (1969).
Gemeinsam mit Day Keene: 'Love Me and Die' - ‚Lieb mich und stirb' (1951).

++ Erstellt: Juni 2013 ++  


Brödl, Günter

(1955-2000)

Günter Brödl wurde in Wien geboren und wuchs auch dort auf. Nach sieben Jahren verliess er das Gymnasium, arbeitete in einem Büro und veröffentlichte seine ersten - von der angloamerikanischen Rockmusik geprägten - Texte in den Weg weisenden Zeitschriften 'Neue Wege' und 'Wespennest'. 1975 erschien sein erstes Buch 'Der kühle Kopf. Zwei flüchtige Erzählungen'. In den folgenden Jahren erreichte er als Moderator der legendären Ö3-Sendung 'Musicbox' ein grosses Publikum.

Brödl war jedoch nicht nur ein profilierter Musikjournalist, sondern auch Roman-, Theater- und Drehbuchautor, Übersetzer (unter anderem übertrug er zwei Asterix-Folgen ins Wienerische), Song- und Comic-Texter - und der geistige Vater der später durch den Rockmusiker Willi Resetarits verkörperten musikalisch-literarischen Kunstfigur Kurt Ostbahn ("Ostbahn Kurti"), der er eine ganze Biografie andichtete, sowie der "Trainer" (Beleuchter, Texter, Berater und Seelenmasseur) der Kultcombo 'Ostbahn Kurti & die Chefpartie'. Als Vater von zwei Töchtern lebte er abwechselnd auf der Atlantikinsel Teneriffa und in Wien-Fünfhaus, wo er 45-jährig in seiner Wohnung einen plötzlichen Herztod erlitt.

Der Rockmusikfachmann Dr. Kurt Ostbahn und seine trinkfesten, kriminalistisch versierten Kumpel "Trainer" und "Doc Trash" sind die Hauptfiguren in Günter Brödls schrägen, mit Dialektausdrücken und Schmäh durchsetzten (und jeweils mit einem kleinen Glossar für Nicht-Wiener abgerundeten) Wiener-Trashkrimis, die mit haarsträubenden Plots aufwarten. So werden im schaurigen (durch Thomas Roth nach Brödls Drehbuch verfilmten) Romanerstling 'Blutrausch' dem Jungspund Wickerl - Bassist der Heavy Metal-Band 'Mom & Dead', schwarzlila gefärbtes Haar - der Körper aufgeschlitzt und das Herz entfernt, nachdem er kistenweise Raubkopien des neuen Whitney Houston-Albums samt Videomaterial entwendet hat - der Auftakt zu einer alkoholschwangeren und blutrünstigen, durch saftige Liebesszenen nur marginal aufgelockerten Geschichte mit wüstem Finale.

Eine tragende Rolle spielt stets auch Herr Josef, der Wirt des Cafés Rallye (Kurtis Stammbeiz), ein gesprächiger, grosszügig alkoholische Getränke ausschenkender Mann im mittleren Alter mit farbenfroher Vergangenheit als Motorradrennfahrer und Teilnehmer der Rallye Paris-Dakar und, wie man immer wieder hören muss, als Fremdenlegionär in Schwarzafrika. Und auch Rudolfsheim-Fünfhaus, der 15. Wiener Gemeindebezirk, in dem Brödls Erzählungen ihren Mittelpunkt haben, kommt vorzüglich auf seine Kosten.

Der fünfte Ostbahn-Roman 'Peepshow', den Günter Brödl zusammen mit dem Wiener Publizisten Peter Hiess verfasst hat, wurde zuerst in gekürzter Form unter dem Titel 'Das Geheimnis der toten Tänzerin' als Fortsetzungsgeschichte in der Zeitschrift 'Wiener' abgedruckt. Der Untertitel 'Trainer & Trash ermitteln' weist bereits darauf hin: Kurt Ostbahn glänzt hier über weite Strecken durch Abwesenheit (er lässt es sich in New Orleans gut gehen), während seine Assistenten Doc Trash und der Trainer in einen üblen Mordfall verwickelt werden - ein veritables "Locked Room Mystery" mit der Drehbühne eines Peepshow-Clubs als Ort des Verbrechens, einer gemeinsamen Bekannten, der Peepshow-Tänzerin Rikki, als Opfer und Kurt Ostbahns Intimfeind Kommissar Skocik als Ermittler. Beziehungsweise, in den Worten des Trainers: "A blede Gschicht, Kurtl".

Bibliografie:
Kurt Ostbahn-Serie: 'Blutrausch' (1995), 'Hitzschlag' (1996), 'Platzangst' (1997), 'Kopfschuss' (1999), 'Peep-Show' (gemeinsam mit Peter Hiess, 2000), 'Schneeblind' (2002).

++ Erstellt: August 2013 ++  


Brown, Fredric

(1906-1972)

Fredric Brown, geboren in Cincinnati, Ohio, ging an die Abendschule der University of Cincinnati und dann ans Hanover College in Indiana, aus dem er nach zwei Semestern rausflog. Von 1924 bis 1936 arbeitete er als Büroangestellter, dann wurde er Redaktor beim 'Milwaukee Journal'. In dieser Zeit verfasste er seine ersten Kurzgeschichten, die zum Teil in Pulp-Magazinen abgedruckt wurden. 1947 veröffentlichte er seinen ersten Krimi. Wegen einer hartnäckigen Halserkrankung zog er 1949 nach Taos, in die Wüste von New Mexico. 1954 liess er sich in Tucson, Arizona, nieder, wo er achtzehn Jahre später starb. Er hinterliess seine zweite Frau Elizabeth, die er 1948 geheiratet hatte, und zwei Söhne aus erster Ehe mit Helen Ruth, mit der er von 1929 bis 1947 verheiratet war.

Aus Browns Prosawerk - es enthält Sciencefiction-, Fantasy- und Kriminalromane sowie rund dreihundert Kurzgeschichten - sticht die Reihe um das originelle Chicagoer Gespann Edward "Ed" und Ambrose "Am" Hunter hervor. Der Ich-Erzähler Ed - ein stürmischer, idealistischer, sein Herz auf der Zunge tragender Teenager, der sich im Verlauf der Serie zu einem gestandenen jungen Mann entwickelt - und sein freundlicher, dicklicher, mit allen Wassern gewaschener Onkel Am beginnen ihre detektivische Laufbahn, als Eds Vater in betrunkenem Zustand ermordet wird ('Hunters erste Jagd', 1947). Die Amateurdetektive lösen den höchst seltsamen Fall auf und ziehen daraufhin gemeinsam in die amerikanische Provinz, um dort auf Verbrecherjagd zu gehen. Bis 1963 folgten sechs weitere Ed & Am-Krimis: harte, schnelle, humorvolle Geschichten mit spritzigen, aus dem Leben gegriffenen Dialogen.

Browns bekanntester Standalone, der mit Horrorelementen gewürzte, 1958 verfilmte Psychothriller 'Der Ripper von Chicago', handelt von einem versoffenen Reporter namens Bill Sweeney, der Jagd auf einen Frauenschlitzer macht. Eine wichtige Rolle spielt die Statue einer schreienden Frau.

Bibliografie:
Ed & Am Hunter-Serie: 'The Fabulous Clipjoint' - 'Hunters erste Jagd' (1947), 'The Dead Ringer' - 'In den Strassen von Chicago' (auch unter dem Titel 'Zwerge sterben halb so schwer', 1948), 'The Bloody Moonlight' (1949), 'Compliments of a Friend' - 'Die Detektive von Chicago' (1950), 'Death Has Many Doors' - 'Der Tod in Chicago' (1951), 'The Late Lamented' (1959), 'Mrs. Murphy's Unterpants' - 'Der schwarze Engel von Chicago' (1963);
'Madman's Holiday' (auch unter dem Titel 'The Crack-Up', 1943), 'The Screaming Mimi' - 'Der Ripper von Chicago' (auch unter dem Titel 'Die schwarze Statue', 1949), 'We All Killed Grandma' - 'Wir haben unsere Oma umgebracht' (1952), 'His Name Was Death' - 'Darius der Letzte' (1954), 'One for the Road' - 'Der Steckbrief im Safe' (1958), 'Knock Three - One - Two' - 'Klopfzeichen Drei-Eins-Zwei' (1959), 'The Murderers' - 'Venus in schwarz' (1961).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Browne, Howard

(1908-1999; schrieb auch als Alexander Blade, Lawrence Chandler, John Evans, Lee Francis und Ivar Jorgensen)

Howard Browne kam in Omaha, Nebraska, als Sohn einer Lehrerin und eines Bäckers zur Welt und besuchte in Lincoln, Nebraska, die High School. Als er mit siebzehn von der Schule flog, ging er nach Chicago und verrichtete dort Gelegenheitsjobs, unter anderem als Reporter für ein Lokalblatt, bis er 1928 eine Stelle als Credit Manager eines Warenhauses bekam - eine Arbeit, die ihn mit allen möglichen Lügen und Betrügereien konfrontierte, die er aber doch zehn Jahre lang aushielt. Seine Freizeit füllte er mit dem Schreiben von Sciencefiction-, Fantasy- und Kriminalstories aus, die in Pulp-Heften und Zeitschriften ('Esquire', 'Cosmopolitan', 'American Magazine' usw.) abgedruckt wurden.

1941 wurde Browne Redakteur beim angesehenen, damals auf Pulp-Fiction, Abenteuer- und Fantasy-Geschichten spezialisierten Ziff-Davis-Verlag in Chicago und New York City und blieb dort über zehn Jahre. Während dieser Zeit, zwischen 1946 und 1949, veröffentlichte er drei sauber konstruierte, von Raymond Chandlers und James M. Cains Büchern beeinflusste Krimis um den Privatdetektiv Paul Pine, 1957 folgte der vierte Band der ursprünglich mit John Evans gezeichneten Serie. 1985 erschien 'Paper Gun', bestehend aus der Pine-Story 'So Dark For April' und dem Titel gebenden Roman-Fragment, ebenfalls mit Pine als Hauptperson.

Paul Pine, ein kaum alternder Ich-Erzähler Anfang dreissig, Sohn eines Cops, der gewaltsam ums Leben kam, schlug zuerst ebenfalls eine Laufbahn bei der Polizei ein, wechselte dann aber zur Staatsanwaltschaft von Illinois, für die er zwei Jahre lang ermittelte. Danach machte er sich in Chicago selbständig. Er ist ein hart gesottener, intelligenter, moralisch integrer Detektiv, dem Selbstironie nicht fremd ist, steht mit beiden Beinen im Leben und ist (wie damals fast alle Schnüffler) ein starker Raucher und Trinker. Über sein Privatleben will er nichts verraten. Er hütet sich vor festen Frauenbeziehungen, "weil so etwas in meinem Beruf nicht gut gehen kann".

'Der Geschmack von Asche', über weite Strecken in einer schmucken, anscheinend nur von wohl erzogenen Bürgern bevölkerten Kleinstadt bei Chicago angesiedelt, ist der beste Pine-Roman. Der Kriminalfall, auf den sich der desillusionierte, etwas ausgebrannt wirkende Detektiv nur widerwillig einlässt, beginnt mit einer einfachen Erpressung, kumuliert in zwei von der Polizei als Selbstmorde deklarierten Todesfällen, korrupte Cops, zwielichtige Frauen und die mächtige Familie Delastone mischen kräftig mit - doch Pine findet zu alter Stärke zurück und führt hartnäckig seine Recherchen durch, obwohl er die ganze Stadt gegen sich hat, etliche Faustschläge einstecken muss - und einmal gar im Knast landet.

Als Browne seines Privatdetektivs und der Pulp-Fiction überdrüssig wurde, ging er 1957 für gutes Geld nach Hollywood und wurde ein hoch angesehener Drehbuchautor für Fernsehserien wie 'Columbo', 'Maverick', 'Mannix', '77 Sunset Strip', 'The Rockford Files', 'Cheyenne', 'The Fugitive' und 'Mission Impossible' und für eine Handvoll Kriminalfilme, unter ihnen 'The St. Valentine's Day Massacre' und 'Capone'. 1988 kehrte er mit 'Blutige Stadt' zum Krimi zurück, 1991 liess er 'Scotch on the Rocks' folgen - beides Stoffe eigener, durchgefallener Drehbücher, die er jetzt in Romanform brachte. In seinem belletristischen Werk finden sich ferner über 300 Kurzgeschichten, die Fantasy-Romane 'Warrior of the Down' (1943) und 'Return of Tharn' (1956) sowie zwei frühe Krimi-Standalones.

Der Autor war von 1931 bis 1959 mit Esther Levy verheiratet, anschliessend bis zu seinem Tod mit Doris Kaye. Er starb 91-jährig in Santiago, Kalifornien, und hinterliess einen Sohn und zwei Töchter aus zweiter Ehe.

Bibliografie:
Paul Pine-Serie: 'Halo in Blood' - 'Grüsse im Blut' (1946), 'Halo for Satan' - 'Grüsse für den Satan' (1948), 'Halo in Brass' - 'Grüsse für Laura' (1949), 'The Taste of Ashes' - 'Der Geschmack von Asche' (auch unter dem Titel 'Tödliche Schatten', 1957);
'If you have Tears' (1947), 'Thin Air' - In eigener Sache' (auch unter dem Titel 'In Luft aufgelöst', 1954), 'Pork City' - 'Blutige Stadt' (1988), 'Scotch on the Rocks' (1991).

++ Erstellt: April 2012 ++  


Browne, Marshall

(1935-2014)

Marshall Browne wurde in Melbourne geboren, über seinen weiteren Lebensweg ist wenig bekannt. Er war über dreissig Jahre im Bankwesen tätig - von 1974 bis 1981 in Hongkong, wo er in seiner Freizeit zu schreiben begann, danach bis 1995 in London, Melbourne und Bhutan -, ehe er sich ganz auf die Schriftstellerei konzentrierte. Er lebte mit seiner 2012 verstorbenen Frau Merell, einer Innendekorateurin, in Melbourne, ihre gemeinsame Tochter Justine arbeitet in der australischen Botschaft in den Vereinigten Staaten. Browne erlag 78-jährig in Melbourne einer mehrjährigen Krebserkrankung.

Brownes belletristisches Werk enthält unter anderem einen Band mit Kurzgeschichten, drei im Melbourne der 1880er- und 1890er-Jahre spielende Romane, die Politthriller-Trilogie um Inspektor Anders und zwei in Nazideutschland angesiedelte Krimis. Kurz vor seinem Tod konnte er noch einen vierten Anders-Krimi fertigstellen - dessen Veröffentlichung ist in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 zu erwarten.

Der römische Terroristen- und Mafiajäger Inspektor Anders, ein höflicher, nachdenklicher, etwas altmodischer Junggeselle um die fünfzig mit einer Vorliebe für leckere Speisen, guten Wein und reife Frauen, hat im Kampf gegen die Roten Brigaden vor vielen Jahren ein Bein verloren und trägt eine Prothese. Er wartet eigentlich nur noch auf die kurz bevorstehende Pensionierung, als er in 'Die Witwe des Richters' beauftragt wird, in einem süditalienischen Städtchen die offenbar von der Mafia verübten Morde an zwei Richtern aufzuklären. Bei seinen Nachforschungen gerät der desillusionierte Polizist in einen Strudel von Korruption, Gewalt und organisierter Kriminalität.

'Job Killer' dreht sich um eine Gruppe von radikalen Globalisierungsgegnern ("Gruppe Jüngster Tag"), die in Deutschland und Frankreich Firmenbosse in die Luft jagen, wenn diese Fusionen in die Wege leiten, die zu Massenentlassungen führen. Inspektor Anders, neuerdings führender Anti-Terrorismus-Experte bei Interpol, und sein Kollege Matucci sollen dem blutigen Treiben zusammen mit der französischen und der deutschen Polizei ein Ende setzen. Doch dann mehren sich die Hinweise, dass nicht eine Gruppe, sondern eine hochgefährliche, in Hypnose geschulte Einzelperson für die Terrorakte verantwortlich ist, und Anders kommt an seine physischen und psychischen Grenzen.

Auch Franz Schmidt, leitender Revisor einer Privatbank, die Hauptfigur der beiden in Nazideutschland spielenden Krimis, ist havariert: Er hat 1935 ein Auge verloren, weil er einem von Braunhemden angegriffenen Juden zu Hilfe eilte. Sein Leben als Familienvater und Bankdirektor wird kompliziert und gefährlich, als seine Bank 1938 einen neuen Kunden gewinnt: die NSDAP. Und erst recht ein Jahr später, als ihm die Leitung der Deutschen Reichsbank in Berlin anvertraut wird. Doch Schmidt wächst an der anspruchsvollen Aufgabe.

Bibliografie:
'City of Masks' - 'Gnadenlose Jagd in Hongkong' (1981), 'Dragon Strike' (1981), 'Dark Harbor' (1984), 'Rendezvous at Kamakura Inn' (2005);
Inspector Anders-Serie: 'The Wooden Leg of Inspector Anders' - 'Die Witwe des Richters' (1999), 'Inspector Anders and the Ship of Fools' - 'Job-Killer' (2001), 'Inspector Anders and the Bloot Vendetta' (2006);
Franz Schmidt-Romane: 'The Eye of the Abyss' (2003), 'The Iron Heart' (2009).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Februar 2014 ++
 


Bruno, Anthony

(1952-2014; schrieb zuerst als Adrienne Marceau, Jeanette Nobile, Amanda Brownfield, Antonia Saxon und Robert Brunn)

Anthony Bruno, geboren und aufgewachsen als Sohn einer Krankenschwester und eines Gärtners in Orange, New Jersey, studierte Kreatives Schreiben an der Boston University und mittelalterliche Geschichte am Boston College. Danach kehrte er in seine Geburtsstadt zurück, wo er vornehmlich im Verlagswesen tätig war. Nebenbei, unter verschiedenen weiblichen Pseudonymen, schrieb er zahlreiche romantische Geschichten für Teenager und Erwachsene sowie, als Robert Brunn, einen Vampirroman. 1988 debütierte er als Krimiautor. Im Zentrum seines Werks steht der Sechsteiler um die New Yorker FBI-Agenten Mike Tozzi und Cuthbert Gibbons, genannt Gib, der auch als BAD-Serie bezeichnet wird.

In 'Tödliche Gesellschaft' nimmt der heissblütige Frauenheld Mike Tozzi das Gesetz in die eigene Hand: Er legt reihenweise böse Buben um, die er nicht hinter Gitter bringen konnte. Zurzeit befindet er sich auf der Jagd nach dem psychopathischen Mafiakiller Richie Varga, der - unter den Fittichen eines Zeugenschutzprogramms stehend (!) - drei Undercover-Agenten des FBI enthauptet hat. Das FBI befürchtet einen Skandal und reaktiviert Tozzis besonnenen, bereits 55-jährigen Ex-Partner Gibbons: Er soll den Selbstjustizaktionen ein Ende setzen, soll Tozzi "neutralisieren".

In 'Tödliche Rituale' bekommen es Tozzi und Gibbons mit einer scheinbar übermächtigen Gegnerschaft zu tun - einer unheiligen Allianz aus Mafia und Yakuza. Gibbons wird schwer verletzt. Tozzi schwört Rache. In einem furiosen Showdown steht er der schärfsten Waffe der Yakuza gegenüber: dem Samurai Gozo Mashiro.

'Tödliches Glück' sieht Mike Tozzi als verdeckten Ermittler am Werk: man hat ihn auf den milliardenschweren Immobilienhai Russell Nashe angesetzt, der in Atlantic City den Unmut der Mafia auf sich gezogen hat. Als Tozzis Tarnung auffliegt, tritt Gibbons auf den Plan; in letzter Sekunde gelingt es ihm, seinen Kumpel aus dem Dreck zu ziehen.

Brunos zweite Serie handelt von Loretta Kovacs und Frank Marvelli, zwei Polizisten, die sich auf die Jagd nach Kautionsflüchtlingen spezialisiert haben (keine deutschen Übersetzungen). Im Jahr 1995 machte der Autor mit der Novellisation des Serienkiller-Thrillers 'Seven' von sich reden.

Neben seinen Romanen verfasste Bruno die Sachbücher 'The Iceman' ('Der Iceman-Killer') über den berüchtigten Mafia-Killer Richard Kulinski und 'The Seekers' über einen Kopfgeldjäger sowie eine Reihe von weiteren Texten über wahre Verbrechen. Sein letzter Spannungsroman 'Bleeders' ist bisher nur als eBook erhältlich. Darüber hinaus unterrichtete Bruno Aikido und führte ein lesenweres Blog (anthonybruno.net.blog).

Anthony Bruno, wohnhaft in Philadelphia, Pennsylvania, erlag 61-jährig einer Hirnblutung. Er hinterliess seine Frau, die bekannte Sachbuchautorin Judith Sachs, und die gemeinsame Tochter Mia.

Bibliografie:
Mike Tozzi & Cuthbert Gibbons-Serie: 'Bad Guys' - 'Tödliche Gesellschaft' (1988), 'Bad Blood' - 'Tödliche Rituale' (1989), 'Bad Luck' - 'Tödliches Glück' (1990), 'Bad Business' - 'Tödliche Geschäfte' (1991), 'Bad Moon' (1992), 'Bad Apple' (1994);
Loretta Kovacs & Frank Marvelli-Trilogie: 'Devil's Food' (1997), 'Double Espresso' (1998), 'Hit Fudge' (2000);
'Seven' - 'Sieben' (1995), 'Mission Impossible - The Tokyo Mandate' (1996), 'Bleeders' (nur als eBook, 2014).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: April 2014 ++
++ Update: September 2014 ++
 


Bunker, Edward

(1933-2005)

Edward "Eddie" Bunker kam am 31.12.1933 in einem schäbigen Teil Hollywoods zur Welt und wuchs auch dort auf. Seine Mutter war als Revuetänzerin, sein Vater als Bühnenarbeiter in der Filmmetropole tätig. Nach der frühen Scheidung der streitsüchtigen, zu viel Alkohol trinkenden Eltern wuchs Edward bei Pflegefamilien, einer Tante und in verschiedenen Institutionen auf, riss immer wieder aus und geriet bereits mit zwölf auf die schiefe Bahn. Bankraub, Erpressung, Drogenhandel, Bandenkriminalität, Checkfälschung, bewaffneter Raubüberfall und Totschlag - Bunkers kriminelle Energie kannte keine Grenzen. Er landete mehrmals im Knast (unter anderem zweimal für mehrere Jahre in Amerikas brutalstem Gefängnis San Quentin, wo er mit siebzehn Jahren der jüngste Sträfling aller Zeiten war, und im gefürchteten Hochsicherheitsgefängnis von Marion in Illinois) und las sich dort durch die Bibliotheken, was ihn davor bewahrte, den Verstand zu verlieren. Als ihm eine Freundin eine Schreibmaschine schenkte, gab er sich im Zuchthaus mit Leidenschaft dem Schreiben hin. Er verfasste Essays über die Zustände im Knast, die in Zeitschriften wie 'Harper's Magazine' und 'The Nation' abgedruckt wurden, sowie seine ersten Stories und Romane.

1973 veröffentlichte Bunker seinen ersten (semi-autobiografischen) Thriller 'Wilder als ein Tier'. Zwei Jahre später wurde er vorzeitig aus dem Zuchthaus entlassen - ein Wendepunkt in seinem Leben: Er beschloss, seiner Karriere als Verbrecher ein Ende zu setzen und seinen Lebensunterhalt fürderhin als Krimi- und Drehbuchautor und als Schauspieler in Los Angeles zu bestreiten - was ihm auch gelang. 1977 heiratete er die junge Anwältin Jennifer Steele, ihr gemeinsamer Sohn Brendan kam 1994 auf die Welt, doch die Ehe wurde später geschieden. Edward Bunker, ein langjähriger Diabetiker, starb 71-jährig in Burbank, Kalifornien, an den Folgen einer Gefässoperation.

Bunkers literarisches Vermächtnis besteht aus fünf harten, von einem qualvollen Lebenslauf zeugenden Krimis, den 1999 bzw. 2001 erschienenen Memoiren 'Mr. Blue: Memoirs of a Renegade' und 'Education of a Felon' und der Geschichtensammlung 'Death Row Breakout and other stories'. Seinen grössten Erfolg als Drehbuchautor hatte Bunker mit 'Runaway Train', der finsteren Geschichte der Flucht zweier Häftlinge aus einem Hochsicherheitsgefängnis im winterlichen Alaska mit Jon Voight in der Hauptrolle. Als Schauspieler glänzte Bunker unter anderem in der Rolle des Mr. Blue in Tarantinos Kultfilm 'Reservoir Dog'.

'Lockruf der Nacht', geschrieben im Knast in den frühen 60ern, erstmals veröffentlicht unter dem Titel 'Stark' im Jahr 2007, berichtet über die Leiden und Nöte des Ernie Stark, eines kleinen, miesen, an der Nadel hängenden Gauners in der kalifornischen Kleinstadt Oceanview. Der Cop Patrick Crowley stellt Ernie vor die Wahl: Mehrere Jahre Knast oder Spitzel in der örtlichen Drogenszene - er müsste der Polizei bloss seinen Kumpel Momo Mendoza, einen fetten hawaiischen, mit der schönen Dorie liierten und durch einen ultrabrutalen taubstummen Leibwächter beschützten Dealer, und dessen Chef ans Messer liefern. Doch Ernie will mehr, nämlich Dories Herz gewinnen und sich gleichzeitig im Drogenhandel zwischen Mexiko und Kalifornien eine goldene Nase verdienen. Die actiongeladene, stilistisch noch etwas unausgegorene Noir-Geschichte mündet in einen blutigen Showdown.

'Ort der Verdammnis' spielt in San Quentin, wo Rassenhass und Paranoia, Messerstechereien und Kravalle den Alltag bestimmen. Ron Decker, jung und blendend aussehend, stammt aus gutem Haus und geniesst das Leben als erfolgreicher Dealer, bis er mit Marihuana und Kokain im Wert von 150'000 Dollar erwischt und zu mehreren Jahren Zuchthaus in San Quentin verurteilt wird. Er ist kaum dort eingetroffen, als ihn eine Chicano-Clique vergewaltigen und als Stricher abrichten will, doch Earl Copen, ein einflussreiches Mitglied der Knast-Organisation "Weisse Bruderschaft" mit langjähriger San Quentin-Erfahrung, kommt ihm zu Hilfe und nimmt ihn dann unter seine Fittiche. Zwischen den ungleichen Häftlingen entwickelt sich eine tiefe Freundschaft - und die beiden setzen nun alles daran, zu entkommen aus dieser Welt, in der das Gesetz des Dschungels herrscht. 'Ort der Verdammnis' ist eine faszinierende Reportage über die Zustände in einem Gefängnis, in dem Resozialisierung ein Fremdwort ist, aber auch eine berührende Darstellung von zwischenmenschlichen Beziehungen, wie sie selbst in diesem Klima des Grauens aufkeimen.

In seinem hoch realistischen, in einem kühlen, ja dokumentarischen Stil verfassten Spätwerk 'Der letzte Coup' zeigt Bunker auf drastische Art, wie in Besserungsanstalten aus jugendlichen Delinquenten brutale Schwerverbrecher geformt werden. Troy Cameron, der gerissene Planer, Gerald McCain, völlig zu Recht "Mad Dog" genannt, und Big Charley Carson, alias "Diesel", kennen sich seit ihrer Teenagerzeit und haben den grössten Teil ihres Lebens in Anstalten und Gefängnissen verbracht. Doch jetzt, mit Ende dreissig endlich auf freiem Fuss, soll sich ihr Leben mit einem letzten Coup endgültig zum Guten wenden. Der zurzeit in Tijuana einsitzende mexikanische Drogenboss Chepe beauftragt die drei gegensätzlichen Knastbrüder, den einjährigen Sohn des Rauschgiftschmugglers Brennan zu entführen, denn dieser schuldet ihm 4 Millionen Dollar. Ihr Honorar, wenn alles klappt: Eine halbe Million zuzüglich der Hälfte dessen, was Brennan zahlt. Die Frage ist nur, ob Troy den unberechenbaren Psychopathen "Mad Dog" in Schach halten kann.

Bibliografie:
'No Beast so Fierce' - 'Wilder als ein Tier' (1973), 'The Animal Factory' - 'Ort der Verdammnis' (1977), 'Little Boy Blue' (1981), 'Dog Eat Dog' - 'Der letzte Coup' (1995), ‚Stark' - 'Lockruf der Nacht' (2007).

++ Erstellt: Februar 2012 ++  


Burke, James Lee

(*1936)

James Lee Burke wurde 1936 in Houston, Texas, geboren und wuchs an der Golfküste von Texas und Louisiana auf. Er studierte Englisch am Southwestern Louisiana Institute in Lafayette und an der University of Missouri in Columbia mit einem Masters-Abschluss 1960. Nebenbei verrichtete er Aushilfsjobs in der Erdölindustrie, als Landvermesser und als Lastwagenfahrer. Nach dem Studium arbeitete er unter anderem als Zeitungsreporter, Sozialarbeiter und als Englischlehrer an verschiedenen Colleges. In den 60er- und frühen 70er-Jahren verfasste er mehrere nicht zum Krimigenre gehörende Romane und einen Kurzgeschichtenband. Die folgende Zeit war von seiner Alkoholsucht geprägt. Doch Burke konnte sich aufrappeln, wurde 1977 trocken, und Ende der 80er-Jahre gelang ihm mit seinen ersten Dave Robicheaux-Romanen der literarische Durchbruch. Seit 1989 ist er hauptberuflicher Autor. In den 80er-Jahren unterrichtete er zudem Creative Writing an der Wichita State University in Kansas.

Dave Robicheaux, genannt "Streak", ein alkoholkranker, die meiste Zeit jedoch trockener Cajun mit schwieriger Kindheit und traumatischer Vietnamvergangenheit, ist zu Beginn der Reihe Detective beim New Orleans Police Department. Am Schluss des ersten Krimis 'Neonregen' verliert er seinen Job und kehrt zu seinen Ursprüngen zurück: In die Kleinstadt New Iberia im Süden von Louisiana, wo er für das Sheriff Department arbeitet, hin und wieder aber auch auf eigene Faust ermittelt bzw. für Gerechtigkeit und Ordnung sorgt. Darüber hinaus betreibt er mit seinem schwarzen Freund Batist einen Bootsverleih und Köderladen.
In 'Blut in den Bayous' trifft Robicheaux auf ein kleines salvadorianisches Flüchtlingsmädchen, Alafair, die einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzes über dem Golf von Mexiko, die er später adoptiert - und in diesem Roman wird Robicheaux' zweite Frau Annie Ballard, eine feinfühlige Sozialarbeiterin, die er in 'Neonregen' kennen gelernt hatte, im Bett ermordet - ein Verlust, der ihm ungemein nahe geht, und den er im Alkohol ersäuft, bevor er zur Rache schreitet.
Im nachfolgenden Roman 'Black Cherry Blues' kehrt Clete Purcell, Robicheaux' ehemaliger Polizeipartner und Lebensretter, aus Lateinamerika zurück, wo er als Kopfgeldjäger unterwegs war, und etabliert sich in New Orleans als Barkeeper und Privatdetektiv - die Wege der beiden alten Kumpel kreuzen sich fortan immer wieder.
Der vierte Roman 'Flamingo' bedeutet für Robicheaux einen Wendepunkt: Er heiratet seine dritte Frau Bootsie Giacano - die Witwe eines Vertreters der organisierten Kriminalität -, obwohl er weiss, dass sie unheilbar an Lupus erkrankt ist, und führt mit ihr eine gute, von gegenseitigem Respekt geprägte Ehe. (Bootsie wird im Fortgang der Reihe ihrer Krankheit erliegen.)

Robicheaux geht seinen Kriminalfällen, die ihn oft persönlich betreffen, mit an Besessenheit grenzender Leidenschaft und unkonventionellen Methoden nach, hat seine gewalttätige Ader nicht immer im Griff und nimmt das Gesetz gelegentlich in die eigene Hand. 'Strasse ins Nichts' führt ihn zurück zu seiner traurigen Famliengeschichte. In diesem Roman erfährt er, dass seine Mutter Mae, die 30 Jahre zuvor die Familie verlassen hatte, eine Prostituierte war und von zwei Polizisten als unliebsame Zeugin ermordet wurde.

Burke erzählt die düsteren, auf einer pessimistischen Weltsicht gründenden, tief in der Vergangenheit verwurzelten Robicheaux-Geschichten in einer sinnlich-poetischen Sprache und besticht mit ungemein plastischen und stimmungsvollen Schilderungen des ländlichen Louisiana mit seinem tropischen Klima und den heruntergekommen Dörfern, mit seinen herrlichen Landschaften und gefährlichen Sümpfen, mit seiner Korruption und seinem Rassismus, Phänomenen, die hier zum Alltag gehören.

Auch in seiner vierteiligen Reihe um den hart gesottenen, zu Wutausbrüchen neigenden Rechtsanwalt und früheren Texas Ranger Billy Bob Holland ist es Burke gelungen, gegenwärtige und vergangene Geschehnisse fein miteinander zu verweben. Die Krimis spielen in dem texanischen Bergkaff Deaf Smith, dessen ebenso hinterwäldlerische wie verkommene Bevölkerung mit sehr beachtlichen kriminellen Energien aufwartet.

In drei weiteren Krimis bekleidet Billy Bob Hollands Cousin Hackberry Holland, genannt "Hack", die Hauptrolle, ein ehemaliger Kriegsgefangener in Korea,, ein eins fünfunfneunzig grosser Witwer mit kantigem Profil, der jetzt als Sheriff in Rain Gods, Texas, zum Rechten schaut.

Burke lebt mit seiner Frau Pearl, mit der er seit 1962 verheiratet ist und vier Kinder hat, in Missoula, Montana, und New Iberia, Louisiana. Seine jüngste Tochter Alafair (!) Burke, eine ehemalige Staatsanwältin und jetzige Dozentin für Strafrecht, schreibt nebenberuflich ebenfalls Krimis.

Bibliografie:
Dave Robicheaux-Serie: 'The Neon Rain' - 'Neonregen' (1987), 'Heaven's Prisoners' - 'Mississippi Delta - Blut in den Bayous' (auch unter dem Titel 'Blut in den Bayous', 1988), 'Black Cherry Blues' - 'Black Cherry Blues' (1989), 'A Morning for Flamingos' - 'Flamingo' (1990), 'A Stained White Radiance' - 'Weisses Leuchten' (1992), 'In the Electric Mist with Confederate Dead' - 'Im Schatten der Mangroven' (1993), 'Dixie City Jam' - 'Mississippi Jam' (1994), 'Burning Angel' - 'Im Dunkel des Deltas' (1995), 'Cadillac Jukebox' - 'Nacht über dem Bayou' (1996), 'Sunset Limited' - 'Sumpffieber' (1998), 'Purple Cane Road' - 'Strasse ins Nichts' (2000), 'Jolie Blon's Bounce' - 'Die Schuld der Väter' (2002), 'Last Car to Elysian Fields' (2003), 'Crusader's Cross' (2005), 'Pegasus Descending' (2006), 'The Tin Roof Blowdown' (2007), 'Swan Peak' (2008), 'The Glass Rainbow' (2010), 'Creole Belle' (2012), 'Light of the World' (2013);
Billy Bob Holland-Serie: 'Cimarron Rose' - 'Dunkler Strom' (1997), 'Heartwood' - 'Feuerregen' (1999), 'Bitterroot' - 'Die Glut des Zorns', (2001), 'In the Moon of Red Ponies' (2004);
Hack Holland-Serie: 'Lay Down My Sword and Shield' (1971), 'Rain Gods' - 'Regengötter' (2009), 'Feast Day of Fools' - 'Glut und Asche' (2011).

++ Erstellt: Februar 2011 ++
++ Update: Juli 2012 ++
++ Update: Juli 2013 ++
++ Update: Oktober 2014 ++
Update: September 2015 ++
++ Update: Februar 2016 ++
 


Burley, W.J.

(1914-2002)

William John Burley wurde in Falmouth, einer Hafenstadt an der Südküste Cornwalls, geboren und wuchs dort mit fünf älteren Schwestern auf. Nach seiner Ausbildung an der Truro Central Technical School, Cornwall, und einer fünfjährigen Ausbildung in Physik, Chemie und Mathematik bei der Truro Gas Company nahm er eine leitende Position in diesem Betrieb ein; später arbeitete er auch für andere Gas-Gesellschaften. 1938 vermählte er sich mit Muriel Wolsey, die zwei Söhne, Alan und Nigel, gebar. Von 1950 bis 1953 studierte er Zoologie am Balliol College in Oxford, um danach Biologie an der Grammar School in Newquay, Cornwall, zu unterrichten. Während dieser Zeit, im Jahre 1966, debütierte er als Krimiautor. Acht Jahre später beendete er seine Lehrertätigkeit, um sich fortan ganz dem Schreiben zu widmen.

International bekannt wurde Burley mit der 22-teiligen (höchst erfolgreich für das Fernsehen verfilmten, von 1993 bis 1998 ausgestrahlten) Serie um Detective Chief Superintendent Charles Wycliffe, dem Leiter einer auf Schwerverbrechen spezialisierten Polizeieinheit in Devon und Cornwall.

Wycliffe, ein drahtiger, klein gewachsener Pfeifenraucher, führt mit der ehemaligen Sekretärin Helen eine glückliche Ehe und hat mit ihr erwachsene Zwillinge. Er liebt alte, wertvolle Bücher. Disziplin und Routine sind ihm ein Gräuel, doch am meisten verabscheut er Gewalttätigkeit. Sein engster Mitarbeiter ist zunächst Detective Chief Inspector Gill, ein zäher, ungemein fähiger, oft etwas bärbeissiger Bulle, später gesellen sich der ruhige, zuverlässige Detective Sergeant Doug Kersey sowie Detective Sergeant Lucy Lane, eine sehr attraktive junge Frau, dazu. Weitere wiederkehrende Figuren sind der Chefpathologe Dr. Franks und Wycliffes direkter Vorgesetzter Deputy Chief Constable Bellings, der sich fast ausschliesslich auf Verwaltungsaufgaben konzentriert. Die stark durch Simenons Maigret-Bücher beeinflussten Krimis leben von dem einprägsam gezeichneten, sympathischen, auf seine Intuitionen bauenden Protagonisten, der meistens allein unterwegs ist und sich ausgezeichnet in andere Menschen versetzen kann.

Zwei frühe, nicht auf Deutsch vorliegende Whodunits behandeln Kriminalfälle, mit denen sich der Zoologe und Gelegenheitsdetektiv Dr. Henry Pym und seine bezaubernde Sekretärin Susan auseinandersetzen. Darüber hinaus verfasste Burley drei Krimi-Einzelwerke und den Sciencefiction-Roman 'The 6th Day' (1978).

W.J. Burley starb 88-jährig in seinem Haus in Holywell bei Newquay, als er an seinem 23. Wycliffe-Krimi arbeitete.

Bibliografie:
Dr. Henry Pym-Romane: 'A Taste of Power' (1966), 'Death in Willow Pattern' (1969);
Superintendent Charles Wycliffe-Serie: 'Three Toed Pussy' - 'Und willst du nicht mein Mörder sein' (1968), 'To Kill a Cat' - 'Tod einer Katze' (1970), 'Guilt Edged' - 'Mehr als ein Motiv' (1971), 'Death in a Salubrious Place' (1973), 'Death in Stanley Street' (1975), 'Wycliffe and the Pea-Green Boat' (1975), 'Wycliffe and the Schoolgirls' - 'Unterricht in Angst und Schrecken' (1976), 'Wycliffe and the Scapegoat' - 'Trautes Heim, Mord allein' (1978), 'Wycliffe in Paul's Court' - 'Wenn tote Zeugen reden' (1980), 'Wycliffe's Wild Goose Chase' (1982), 'Wycliffe and the Beales' (1983), 'Wycliffe and the Four Jacks' (1985), 'Wycliffe and the Quiet Virgin' (1986), 'Wycliffe and the Winsor Blue' (1987), 'Wycliffe and the Tangled Web' (1988), 'Wycliffe and the Cycle of Death' (1990), 'Wycliffe and the Dead Flautist' (1991), 'Wycliffe and the Last Rites' (1992), 'Wycliffe and the Dunes Mystery' (1994), 'Wycliffe and the House of Fear' (1995), 'Wycliffe and the Redhead' (1997), 'Wycliffe and the Guildo of Nine' (2000);
Standalones: 'The Schoolmaster' - 'Gruss aus der Vergangenheit' (1977), 'Charles and Elizabeth' (1979), 'The House of Care' (1981).

++ Erstellt: Juni 2014 ++  


Burnett, W.R.

(Kürzel für William Riley Burnett, 1899-1982; schrieb auch als John Monahan)

W.R. Burnett, geboren in Springfield als Spross einer Politikerfamilie, aufgewachsen in Dayton, Ohio, besuchte das Miami Military Institute und die Ohio State University. Nach sechs Jahren quittierte er seinen recht eintönigen Job als Statistiker des Bundesstaats Ohio und liess sich 1927 in der damaligen Verbrecherhochburg Chicago nieder, um eine schriftstellerische Laufbahn in die Wege zu leiten. Er jobbte als Nachtwächter in einem schäbigen Hotel, das vornehmlich von Landstreichern, Preisboxern und Gangstern bevölkert war. Zurück in Ohio, hatte Burnett über hundert Kurzgeschichten und fünf Romane im Gepäck, alle unveröffentlicht. Der internationale Durchbruch liess dann nicht lange auf sich warten: Er erfolgte 1929 mit 'Kleiner Cäsar'.

Burnett verfasste insgesamt 20 Radio- und Theaterstücke, unzählige Stories und Liedtexte und 36 Romane (ausschliesslich Western und Krimis) und zählte namentlich in den 40er- und frühen 50er-Jahren zu den renommiertesten Drehbuchschreibern Hollywoods. Er starb 82-jährig in Santa Monica, Kalifornien.

Von Burnetts Stil prägenden, temporeichen, mit pointierten Dialogen aufwartenden Gangsterromanen ist der nagelharte Erstling 'Kleiner Cäsar' klar der beste. Der Autor schildert in diesem schmalen Band den Aufstieg und Fall von Cesare Enrico Bandello (genannt Rico), einem skrupellosen, schiesswütigen, jedoch nicht unsympathischen Italiener mit niedriger Stirn und flinken Händen, innerhalb der Chicagoer Gangster-Hierarchie der späten 20er-Jahre, der Zeit der Prohibition, der organisierten Kriminalität. Der Roman endet mit Ricos legendären Worten: "Mother of God! Is this the end of Rico?".

Bibliografie:
'Little Caesar' - 'Kleiner Cäsar' (auch unter den Titel 'Der kleine Cäsar' und 'Little Caesar', 1929), 'The Silver Eagle' (1931), 'Dark Hazard' (1933), 'High Sierra' - 'High Sierra' (1940), 'The Quick Brown Fox' (1942), 'Nobody Lives Forever' - 'Späterer Mord nicht ausgeschlossen' (1943), 'Tomorrow's Another Day' (1945), 'Romelle' (1947), 'The Asphalt Jungle' - 'Asphaltdschungel' (auch unter dem Titel 'Da waren es nur noch zwei', 1949), 'Little Men, Big World' - 'Im Schatten der Scheinwerfer' (1951), 'Vanity Row' - 'Ein gefährlicher Weg' (1952), 'Big Stan' (zuerst als John Monahan, 1953), 'Underdog' - 'Der Gezeichnete' (1957), 'Conant' - 'Ein Mann namens Conant' (1961), 'Round the Clock at Volari's' - 'Nachtclub Volari' (1961), 'The Widow Barony' (1962), 'The Cool Man' - 'Von vielen Hunden gehetzt' (1968), 'Goodbye Chicago: 1928, End of an Era' - 'Goodbye Chicago' (1981).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Burns, Rex

(Pseudonym für Raoul Stephen Sehler, *1935; schreibt auch als Tom Sehler)

Rex Burns wurde in Coronado bei San Diego, Kalifornien, geboren. Bis 1958 studierte er Englisch und Kreatives Schreiben an der Stanford University. Dann diente er drei Jahre bei der Marine, bevor er an die University of Minnesota ging und dort 1965 promoviert wurde. Nach drei Jahren als Dozent am Central Missouri State College lehrte er von 1968 bis 1998 Englische Literatur an der University of Colorado in Denver. In seiner Freizeit schrieb er fünfzehn Krimis, die zwischen 1975 und 1997 erschienen sind, und ein Sachbuch über die Industrielle Revolution. 1990 war er Mitherausgeber des Werks 'Crime Classics: The Mystery Story from Poe to the Present' heraus.

In elf Krimis steht der abgebrühte, ungemein beharrliche und geduldige Cop Gabriel "Gabe" Villanueva Wager aus Denver im Mittelpunkt, ein nach der Scheidung allein stehender Mann mit anglohispanischen Wurzeln und Vietnamvergangenheit. Der nur 1.70 grosse Detective verfügt über ausgezeichnete Manieren, doch mit ihm anlegen sollte man sich trotzdem besser nicht. Er geht ganz in seinem Beruf auf, selbst wenn er sich in der Mitte der Serie auf eine Beziehung mit einer Frau, der Polizistin Jo Fabrizio, einlässt. Anfänglich arbeitet er bei der notorisch unterbesetzten Abteilung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, speziell des Drogenhandels, ab dem dritten Band dann bei der Mordkommission, wo sein Fleiss und sein einzelgängerischer Arbeitsstil zunächst auf Widerstand stossen.

'Der Alvarez-Clan' bildet den Auftakt zu der unprätentiösen, ein realistisches und facettenreiches Bild der Polizeiarbeit zeichnenden, mit trockenem Humor erzählten Gabe Wager-Serie. Gabe trifft hier auf einen alten Schulkollegen, Rafael Alvarez, Geschäftsführer des "Rare Things Shops", der offenbar im grossen Stil mit harten Drogen handelt. Gabe observiert den Laden, verhaftet ein paar kleinere Dealer, nimmt seine Spitzel in die Mangel - und stösst auf eine Mauer des Schweigens. Erst als sich ihm eine neue Informationsquelle eröffnet, kommen die Ermittlungen langsam ins Rollen.

Mehrere Fälle führen Gabe Wager in die Provinz des Bundesstaates Colorado, z.B. in das Indianerreservat der Four Corners Area, wo er die örtliche Polizei bei der Ermittlung einer Mordserie unterstützt ('Leaning Land'). Bisweilen ist Gabe auch undercover am Werk.

Burns' zweite Serie dreht sich um den ehemaligen Geheimdienstagenten und aktuellen Hightech-Sicherheitsexperten Devlin Kirk aus Denver und seinem hünenhaften Sidecick Homer Bunchcroft, genannt "Bunch", die immer mehrere Fälle am laufen haben. Seit dem Selbstmord seines Vaters leidet Kirk unter Schuldgefühlen, und daran ändert sich wenig, als er im ersten Band 'Suicide Season' erfährt, dass sein Vater in Wirklichkeit ermordet wurde, zumal ihm der Killer schliesslich entwischt.

Darüber hinaus veröffentlichte Burns eine Reihe von viel beachteten Krimikolumnen und Essays für angesehene Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem für den 'Miami Herald' und die 'Washington Post', sowie Beiträge für Scribner's 'Mystery and Suspense Writers' und den 'Oxford Companion to Mystery'. Ferner moderierte er die Fernsehserie 'Anatomy of Mystery'. Er lebt in Boulder, Colorado, verfasst Kurzgeschichten für die einschlägigen Magazine und betreibt seit einigen Jahren ein Blog.

Bibliografie:
Detective Gabe Wager-Serie: 'The Alvarez Journal' - 'Der Alvarez-Clan' (1975), 'The Farnworth Score' - 'Einer muss gesungen haben' (1976), 'Speak for the Dead' - 'Der Schlüssel zum Tod' (1978), 'Angle of Attack' - 'Die Information' (1979), 'The Avenging Angel' (1983), 'Strip Search' - 'Der Cinnamon-Club' (1984), 'Ground Money' (1986), 'Killing Zone' (1988), 'Endangered Species' (1993), 'Blood Line' (1995), 'The Leaning Land' (1997);
Devlin Kirk-Serie: 'Suicide Season' (1987), 'Parts Unknown' (1990), 'Body Guard' (1991);
Als Tom Sehler: 'When Reason Sleeps' (1991).

++ Erstellt: Januar 2012 ++  



 

Cain, James Mallahan

(1892-1977)

James Mallahan Cain wurde als ältestes von fünf Kindern (drei Mädchen und zwei Knaben) des irisch-katholischen Englischlehrers James William Cain und der Opernsängerin Rose Mallahan, auch sie irischer Herkunft, in Annapolis, Maryland, geboren. Den Versuch, in die Fussstapfen seiner Mutter zu treten und eine Gesangskarriere zu verfolgen, brach er schweren Herzens ab. Stattdessen liess er sich bis 1910 am Washington College in Chesterton, Maryland, ausbilden, wo sein Vater damals Rektor war. In den folgenden Jahren verrichtete er verschiedene Jobs, unter anderem als Englisch- und Mathematiklehrer an einer Vorbereitungsschule für das College. 1917 machte er einen Master-Abschluss in Drama an der Johns Hopkins University in Baltimore.

Cain begann seine journalistische Karriere 1917 als Polizeireporter des 'Baltimore American'. Im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs betreute er in Frankreich das Divisionsblatt 'Lorraine Cross'. Daraufhin schrieb er während vier Jahren Artikel und Kolumnen für die 'Baltimore Sun'. Nachdem er knapp zwei Jahre am St. John's College in Annapolis Journalismus unterrichtet hatte, zog er 1924 nach New York City, wo er bis 1931 als Kolumnist und Redakteur für die Zeitung 'New York World' tätig war. Darüber hinaus verfasste er politische Texte und Essays für die Periodika 'Atlantic Monthly' und 'The Nation', aber auch Stories und Stücke für 'The American Mercury'. 1932 erhielt er ein gut dotiertes Angebot von den Paramount Studios, worauf er sich in Hollywood niederliess und ein paar (nicht sonderlich erfolgreiche) Drehbücher schrieb.

Während seiner Zeit in Hollywood, im Jahre 1934, veröffentlichte James M. Cain seinen millionenfach verkauften Geniestreich 'The Postman Always Rings Twice' (auf Deutsch mit dem törichten Titel 'Wenn der Postmann zweimal klingelt' verunstaltet), einen bahnbrechenden - für die Bühne adaptierten und mehrmals verfilmten - Noir-Roman, der dazu führte, dass der Autor in einem Atemzug mit Dashiell Hammett und Raymond Chandler genannt wurde. Das schlanke Werk erzählt die Geschichte einer unseligen Leidenschaft. Nick Papadakis, Besitzer einer Tankstelle und eines kleinen Restaurants in Kalifornien, heuert den jungen, abgebrannten Herumtreiber Frank Chambers als Hilfskraft an. Frank landet schon bald mit Nicks attraktiver Frau Cora im Bett, und Cora bittet Frank, Nick umzulegen. Frank erfüllt ihren Wunsch - und wird dann mangels Beweisen vor Gericht freigesprochen. Dem Liebesglück, versüsst durch eine hübsche Summe aus Nicks Lebensversicherung, scheint nun nichts mehr im Weg zu stehen - doch bald schon vergiften Misstrauen, Eifersucht und Geldgier die Beziehung des skrupellosen Paars, das Desaster ist nicht mehr fern. Ganz am Schluss schlägt Cain einen Purzelbaum…

Cains nachfolgende, von der Grossen Depression geprägte Romane - unter ihnen 'Double Indemnity', 'Serenade' und 'Mildred Pierce', um nur die bekanntesten und erfolgreichsten zu nennen - sind nach einem ähnlichen Muster gestrickt. Sie kreisen um Habsucht, Betrug und Gewalt, um Dreiecksbeziehungen, Ehebruch, Inzest und Sex in allen Schattierungen, um verzweifelte Menschen, die in ihrer Not auf die schiefe Bahn geraten, und sind mehrheitlich aus der Perspektive des Verbrechers erzählt. Den Erfolg seines Erstlings konnte der Autor freilich nicht mehr ganz wiederholen.

Neben seinen siebzehn Krimis veröffentlichte Cain den historischen Roman 'Mignon', ein Kinderbuch, zahlreiche Short Stories für verschiedene Magazine sowie - in jungen Jahren - etliche Theaterstücke, die indes nur wenig Zuspruch fanden. Seine Autobiografie konnte er nicht fertig stellen.

Im Jahr 2012 wurde 'The Cocktail Waitress' in Charles Ardais Reihe 'Hard Case Crime' erstmals aufgelegt - Cains Vermächtnis und eines seiner feinsten Werke, an dem der Autor in den letzten Jahren seines Lebens intensiv gearbeitet hatte, und dessen Ausgrabung und Rekonstruktion Ardai in einem spannenden Nachwort beschreibt. Ein Jahr später kam die deutschsprachige Version ('Abserviert') in einer vorzüglichen Übersetzung heraus.
Joan Medford, jung, temperamentvoll und ungemein attraktiv, hat gerade ihren gewalttätigen Ehemann beerdigt - er ist im Suff mit hundert Sachen in eine Mauer gekracht. Schweren Herzens gibt sie ihren vierjährigen Sohn bei ihrer kinderlosen Schwägerin in Obhut, um finanziell über die Runden zu kommen, und diese setzt nun alles daran, der Mutter den Buben endgültig wegzunehmen. Ihrem Mann nicht lange nachtrauernd, ergattert Joan schon bald einen lukrativen Job als Kellnerin in einer Cocktailbar - und kommt damit in engen Kontakt mit lüsternen Männern, etwa dem stinkreichen, schwer herzkranken Witwer Earl White, der ihr hoffnungslos verfällt, und dem rotzfrechen und charismatischen, jedoch mittellosen Rumtreiber Tom Barclay, der ihre Hormone in Aufruhr bringt - die Grundlage für eine schnörkellos-raffinierte Dreiecksgeschichte Cain'scher Prägung ist gelegt. Am Schluss der gut 300 Seiten langen Geschichte bleibt indes die kapitale Frage unbeantwortet: Ist die Ich-Erzählerin Joan Medford ein unglückseliges Opfer der Umstände oder eine mordende femme fatale?

James Cain war viermal kinderlos verheiratet: Von 1920 bis 1927 mit seiner Jugendliebe Mary Rebecca Clough, einer Lehrerin, von 1927 bis 1942 mit der Finnin Elina Sjösted Tyszecka, deren beiden Kinder er adoptierte, von 1944 bis 1947 mit der ehemaligen Stummfilm-Schauspielerin Aileen Pringle und schliesslich von 1947 bis 1966, dem Jahr ihres Todes, mit der Opernsängerin Florence Macbeth Whitwell - dies war seine glücklichste Zeit als Ehemann. Er verbrachte die letzten dreissig Jahre seines Lebens in Hyattsville, Maryland, wo er 85-jährig starb. Fünf Jahre später brachte Roy Hoopes eine Biografie des Autors ('The Biography of James M.Cain) zu Papier.

Bibliografie:
'The Postman Always Rings Twice' - 'Wenn der Postmann zweimal klingelt' (auch unter dem Titel 'Die Rechnung ohne den Wirt', 1934), 'Double Indemnity' - 'Doppelte Abfindung' (auch unter dem Titel 'Den Haien zum Frass', 1936), 'Serenade' - 'Serenade in Mexiko' (1937), 'The Embezzler' (auch unter dem Titel 'Money and the Woman' - 'Das Geld und die Frauen' (auch unter dem Titel 'Der Defraudant', 1940), ‚Mildred Pierce' - 'Mildred Pierce' (auch unter dem Titel 'Der Hass kann nicht schlafen', 1941), 'Love's Lovely Counterfeit' - 'Die falsche Seite der Liebe' (auch unter dem Titel 'Die andere Macht', 1942), 'Past All Dishonour' - 'Es begann am Sacramento' (1946), 'Sinful Women' - 'Das sündige Mädchen' (auch unter dem Titel 'Engelsgesicht', 1947), 'Butterfly' - 'Blutiger Schmetterling' (1947), 'The Moth' - 'Der hellgrüne Falter' (1948), 'Jealous Women' - 'Mord in Reno' (1950), 'The Root of His Evil' (auch unter dem Titel 'Shameless', 1951), 'Galatea' - 'Im Dunkel jener Nacht' (1953), 'The Magician's Wife' - 'Die Frau des Magiers' (auch unter dem Titel 'Tödliche Begierde', 1965), 'Rainbow's Ende' - 'Das Mädchen, das vom Himmel fiel' (1975), 'The Institute' - 'Zarte Hände hat der Tod' (1976), 'The Cocktail Waitress' - 'Abserviert' (2012).

++ Erstellt: November 2014 ++


Cain, Paul

(Pseudonym für George Caryl Sims, 1902-1966; schrieb auch als Peter Ruric)

George Caryl Sims kam als Sohn des Ex-Polizisten und Ladenbesitzers William Sims und seiner Frau Eva, geborene Freberg, einer Tochter schwedischer Einwanderer, in Des Moines, Iowa, zur Welt und wuchs nach der Trennung der Eltern mit der Mutter in einem gefährlichen Viertel Chicagos auf. Als junger Mann bereiste er die Welt und arbeitete nebenbei als Matrose, Kunstmaler und Berufsspieler. Seine Laufbahn als Autor begann er vermutlich Anfang der 20er-Jahre in den Stummfilmstudios von Hollywood, wo er offenbar auch mit Josef von Sternberg zusammenarbeitete. Ende der 20er-Jahre liess er sich in New York City nieder und lernte dort die (wie er selbst) heftig dem Alkohol zusprechende Schauspielerin Gertrude Michael kennen. Sie wurden ein Paar, doch die Beziehung hielt nur wenige Jahre. 1939 heiratete er das 20-jährige "Zigaretten-Girl" Virginia Maxine Glau, das sich fortan Mechel Ruric nannte, ihren Mann jedoch nach vier Jahren verliess. 1945 vermählte er sich mit der Drehbuchautorin Virginia Radcliffe, die Trennung erfolgte rund vier Jahre später. Auch seiner 1955 geschlossenen Ehe mit der dreissig Jahre jüngeren Peggy Gregson, die in den folgenden Jahren zwei Söhne, Peter und Michael, zur Welt brachte, war nur kurzes Glück beschieden.

1932 debütierte Sims im Krimigenre. Unter dem Nom de plume Paul Cain verfasste er bis 1936 siebzehn Stories, die im Pulp-Magazin 'Black Mask' veröffentlicht wurden. Parallel dazu, unter dem Pseudonym Peter Ruric, schrieb er eine Reihe von Hollywood-Drehbüchern, darunter 'Gambling Ship' und 'The Black Cat'. Gesundheitlich angeschlagen, lebte Sims in den 50er-Jahren vorwiegend in Frankreich. Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten schrieb er Kochkolumnen für ein New Yorker Blatt und einige Skripts für das Fernsehen. Seine letzten Jahre verbrachte er in einer kleinen Wohnung in Los Angeles. Er starb 64-jährig in dem nahe gelegenen Toluca Lake Convalescent Hospital.

Im Zentrum von Cains schmalem belletristischem Werk stehen die Kurzgeschichten, von denen sieben im Sammelband 'Totschlag' erschienen sind; 'Taubenblut', 'Eins, zwei, drei', 'Black', 'Rote 71', 'Ausgetrickst', 'Hinrichtung in Blau' und 'Bombenstimmung' sind ihre Titel. In der Pulp Master-Anthologie 'Antihero' ist überdies 'Der Ausputzer' abgedruckt worden. Die harten, schmutzigen, mit schnellen szenischen Schnitten in einem schlackenlosen Stil erzählten Stories handeln von korrupten Bullen, schäbigen Privatdetektiven, durchtriebenen Weibern, brutalen Bodyguards und gewissenlosen Gangstern.

Für seinen einzigen Roman 'Null auf Hundert' "kannibalisierte" Cain seine fünf ersten Stories. Angesiedelt im Los Angeles der Depressionsjahre und der Prohibition, dreht er sich um den Spieler und ehemaligen Weltkrieg-Scharfschützen Gerry Kells, der seine Chance auf einen Haufen Geld wittert, als er von einer Ladung Kokain erfährt, die demnächst an Land geschafft werden soll. Doch dann macht sich Kells gleich drei Gangstersyndikate samt der auf ihrer Lohnliste stehenden Polizei zum Feind; und verliebt sich erst noch in die versoffene Schwedin Granquist, die ebenfalls mit der organisierten Kriminalität in Verbindung steht. (Granquist ist nach Cains damaliger Freundin Gertrude Michael gezeichnet.) Die ultrabrutale, jedoch ganz ohne reisserische Szenen auskommende Geschichte nimmt ein tieftrauriges Ende.

In den Vereinigten Staaten hat Cain im Jahr 2013 eine Wiederauferstehung erlebt: Seine Kurzgeschichten sind in einem schön aufgemachten Band ('Paul Cain: The Complete Stories', Mysterious Press) herausgekommen, ergänzt durch umfassende Angaben zu Leben und Werk des (bei uns längst in Vergessenheit geratenen) Autors.

Bibliografie:
'Fast One' - 'Null auf Hundert' (1936).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2013 ++
 


Calef, Noël

(Pseudonym für Nissim Calef, 1907-1968; schrieb auch als Maurice Derblay)

Noël Calef kam in der bulgarischen Stadt Philipoli, dem heutigen Plovdiv, als Sohn einer jüdischen Familie zur Welt. Er studierte in Alexandria und Wien und liess sich Anfang der 30er-Jahre mit seiner Frau Suzanne Biget in Frankreich nieder. Im August 1941 wurde er von den Nazis verhaftet und für mehrere Monate im berüchtigten Durchgangslager von Drancy interniert, bevor er nach Italien deportiert und dort in den Lagern Bardonecchia, Tolentino und Urbisaglia gefangengehalten wurde. Bei Kriegsende kehrte er in seine Wahlheimat Frankreich zurück und machte als Romanautor und, wie sein jüngerer Bruder Henri Calef, in der Filmbranche von sich reden. 1948 veröffentlichte er die Erinnerungen ‚Drancy 1941. Camp de représailles'. In den 50er-Jahren verfasste er sechs Spannungsromane, unter ihnen der Noir-Klassiker 'Fahrstuhl zum Schafott', der durch den damals 24-jährigen Louis Malle verfilmt wurde. Calef starb 60-jährig in Paris, vier Jahre nach seinem einzigen Kind, Claudine.

'Fahrstuhl zum Schafott' beginnt mit einem Mord, doch dann verlässt der Autor die gewohnten Krimipfade und verknüpft die Tat mit dem Treiben von Menschen, die in hoffnungslos zerrütteten Beziehungen stecken.
Julien Courtois, ein tief verschuldeter, mit der hysterischen und eifersüchtigen Geneviève verheirateter Geschäftsmann und Schürzenjäger, hegt die Absicht, seinen Hauptgläubiger, den alten Wucherer Bordgris, am Sonnabend nach Geschäftsschluss in dessen Büro zu erschiessen und die Tat als Suizid zu arrangieren. Der raffiniert eingefädelte Plan geht auf, doch dann bleibt der Fahrstuhl stehen, als Courtois das Gebäude verlassen will, denn der Hausmeister stellt übers Wochenende jeweils den Strom ab.
Kurz danach entwendet der kleine Gauner Fred Juliens Wagen, um mit seiner Freundin Thérésa ein prickelndes Wochenende zu verbringen. Geneviève aber sieht von weitem das sich entfernende Fahrzeug, als sie auf ihren Gatten wartet, und verdächtigt diesen des Seitensprungs mit seiner Sekretärin. Sie rächt sich an ihm, indem sie ihn bei der Polizei als vermisst meldet und ihrem älteren Bruder Georges (der zugleich Juliens zweiter Hauptgläubiger ist) von Juliens finanziellen Schandtaten erzählt - Georges, der für seine kleine Schwester mehr zu empfinden scheint als für seine gefühlskalte Frau Jeanne. Als Fred im Verlauf des Wochenendes zufällig auf die reichen brasilianischen Touristen Pedro und Germaine trifft, entlädt sich seine Frustration in einem Akt der Gewalt - derweil Julien noch immer im Fahrstuhl steckt und langsam den Verstand verliert.
Calef erzählt die wilde und tragikomische Geschichte, in der die Gesetzeshüter eine denkbar schlechte Figur abgeben, mit einer grossen Portion pechschwarzen Humors und rundet sie mit einer bitterbösen Pointe ab.

Bibliografie:
'Echec au porteur' - 'Den Tod in der Hand' (1956), 'Ascenseur pour l'Echafaud' - 'Fahrstuhl zum Schafott' (1956), 'Recours en grâce' - 'Gnadengesuch' (1957), 'Retour à Sorrente' - ‚Zurück nach Sorrent' (1957), 'Les Oursseloups' - ‚Das Geheimnis der "Juanita"' (1958), 'Le sang d'un boeuf anonyme' - 'Ein Stier soll bluten' (1958).

++ Erstellt: März 2012 ++  


Campbell, Robert W.

(1927-2000; schrieb auch als F. G. Clinton und R. Wright Campbell)

Robert Campbell, geboren in Newark, New Jersey, studierte Kunst am Pratt Institute in Brooklyn. Er nahm am Koreakrieg teil und war freischaffender Illustrator und Verfasser von Drehbüchern für Kinofilme und Fernsehserien, ehe er Mitte der 70er-Jahre nach Carmel, an die kalifornische Central Coast, zog und dort seine ersten (nicht dem Krimigenre angehörenden) Romane herausgab, die sich jedoch schlecht verkauften. Zehn Jahre später, 57-jährig und in argen Geldnöten steckend, versuchte er sich auf Anraten eines Freundes als Krimiautor. Er stellte drei Serien auf die Beine, in denen ganz unterschiedliche Figuren - Flannery, Whistler und Hatch - im Mittelpunkt stehen.

Der Ire Jimmy Flannery, Held einer elfteiligen, 1999 beendeten Serie, ist Kanalisationsinspektor, Wahlbezirks-Hauptmann der Demokraten, Wohltäter, Mädchen für Alles und eine Art Detektiv im multikulturellen 27. Stadtteil Chicagos; ein liebenswertes, umsichtiges, abgebrühtes Schlitzohr irischer Abstammung, das auf pragmatische Weise seine - nicht immer selbstlosen - Ziele verfolgt und im Viertel für Ordnung sorgt.

Whistler - er hat einen Vornamen, will ihn aber nicht preisgeben - ist der Protagonist der La-La-Land-Tetralogie (La steht für Los Angeles, das in der deutschen Übersetzung Glitzerland heisst), ein älterer, etwas sentimentaler Privatdetektiv, ein trockener Alkoholiker, der bei seiner Arbeit mit den düstersten Seiten Hollywoods - Snuff-Movies, Kinderpornographie, Satanismus, Mord - konfrontiert wird.

Campbells zwei Romane um den in Omaha stationierten Eisenbahndetektiv Jake Hatch, einen Koreaveteranen, der delikate Liebesbeziehungen pflegt, harren der Übersetzung ins Deutsche.

In dem 1988 erschienenen Einzelwerk 'Asche' kommen Campbells Stärken besonders gut zur Geltung: Unaufgeregte, lakonische Erzählweise, fein geschliffene Dialoge und die Fähigkeit, Verflechtungen zwischen Politik und organisiertem Verbrechen scharfsinnig und humorvoll auf den Punkt zu bringen. Im Mittelpunkt der temporeichen Geschichte, in der jeder jeden hereinzulegen versucht, stehen der betrügerische Kredithai Alfonso 'Puffy' Pachoulo und der ausgekochte und desillusionierte Cop Eddie "Panama" Heath (er trägt seit zwanzig Jahren denselben Panamahut), die sich in Los Angeles, der Stadt, die von Träumen lebt, bis aufs Blut bekämpfen.

Robert W. Campbell, Autor von 27 Romanen, 4 Theaterstücken, 14 Drehbüchern und Scripts für 10 TV-Serien, ein eingefleischter Junggeselle, starb 73-jährig in einem Krankenhaus in Monterey, Kalifornien.

Bibliografie:
Jimmy Flannery-Serie: 'The Junkyard Dog' - 'Kettenhund' (1986), 'The 600 Pound Gorilla' - 'Der eiskalte Gorilla' (1987), 'Hip-Deep in Alligators' - 'Krokodile weinen nicht' (1987), 'The Cat's Meow' - 'Boulevard der Lämmer' (auch unter dem Titel 'Jimmy Flannery und die verschwundenen Mädchen', 1988), 'Thinning the Turkey Head' (1988), 'Nibbled to Death by Ducks' (1989), 'The Gift Horse's Mouth' (1990), 'In a Pig's Eye' (1991), 'Sauce fort he Goose' (1994), 'The Lion's Share' (1996), 'Pigeon Pie' (1998);
La-La-Land-Serie: 'In La-La Land We Trust' - 'Glitzerland' (1986), 'Alice in La-La Land - 'Alice im Glitzerland' (1987), 'Sweet La-La Land' - 'Dämmerung im Glitzerland' (1990), 'The Wizard of La-La Land'(1995);
Jake Hatch-Romane: 'Plugged Nickel' (1988), 'Red Cent' (1989);
'Juice' - 'Asche' (1988), 'Boneyards' (1992).
Als F. G. Clinton: 'The Tin Cop' (1993).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Canning, Victor

(1911-1986; schrieb auch als Julian Forest und Alan Gould)

Geboren in Plymouth, Devon, als Sohn eines Vaters, der als Taxifahrer und Kutschenbauer arbeitete, wuchs Victor Canning mit seinen beiden jüngeren Schwestern in einfachen Verhältnissen zunächst dort, ab Mitte der 20er-Jahre in Oxford auf. Nach der Schulzeit am Plymouth Technical College und an der Oxford Central School verdiente er sich seine Brötchen anfänglich als Staatsangestellter. In dieser Zeit, im zarten Alter von siebzehn, konnte er seine ersten Stories an Zeitungen und Magazine verkaufen.

1934 veröffentlichte Canning seinen ersten Roman 'Mr Finchley Discovers his England', der gross einschlug und es ihm erlaubte, seinen Beamtenjob zu quittieren und sich fortan ganz dem Schreiben zu widmen. In den folgenden sechs Jahren publizierte er dreizehn (nicht als Krimis zu bezeichnende) Romane unter seinem angestammten Namen und den Pseudonymen Julian Forest und Alan Gould, daneben Reiseberichte für die Zeitung 'Daily Mail'.

Cannings 1935 mit Phyllis McEwen geschlossener Ehe entsprangen bis 1942 drei Töchter, Lindel, Hilary und die bereits als Kleinkind verstorbene Virginia. Den Zweiten Weltkrieg verbrachte Canning zunächst bei der Royal Artillery in Wales, wo er zeitweilig in derselben Einheit wie Eric Ambler diente und sich mit ihm anfreundete, danach im Süden Englands und schliesslich in Nordafrika. Er war an der Invasion Siziliens beteiligt. 1946 verliess er die Armee im Rang eines Majors.

Nach dem Krieg konzentrierte sich Canning auf das Verfassen von leicht verdaulicher Spannungsliteratur - vorwiegend Agentenromane mit abenteuerlichen Szenen, angesiedelt zumeist in Afrika, Asien, Ost- und Südeuropa. Sein Werk enthält indes auch Drehbücher für Film und Fernsehen, Hörspiele, Kinder- und Jugendbücher, Reisereportagen (das Reisen war Victor Cannings grosse Passion) und ungezählte Kurzgeschichten für einschlägige Pulp-Gefässe wie 'Argosy', 'Suspense' und 'Ellery Queen's Mystery Magazine'.

Die Verfilmung seines 1948 erschienenen Romans 'The Golden Salamander' bescherte Canning einen Haufen Geld, mit dem er ein Landhaus in Kent erwarb. Er lebte dort mit seiner Familie, bis er sich 1968 in Diana Bird, eine Nachbarin, verliebte und mit ihr nach Andover, später nach North-Devon übersiedelte. Eine Heirat war indes erst 1974 möglich, und knapp zwei Jahre danach erlag Diana einem Krebsleiden. Noch im selben Jahr vermählte sich Canning mit Adria Irving-Bell. Er lebte mit ihr die meiste Zeit in Cirencester, Gloucestershire, wo er 74-jährig einer Herzattacke erlag. Sein letztes Buch ('Table Number Seven') wurde von seiner Frau und seiner Schwester Jean fertiggestellt.

Den Gipfel seiner Schreibkunst erreichte Canning in den 70er-Jahren. Plastische Schilderungen von (oft zwielichtigen) Charakteren sowie von Landstrichen, Räumen und Tieren sind die Markenzeichen des scharf beobachtenden, einen schnörkellosen Stil pflegenden Autors, den im deutschsprachigen Raum kaum mehr jemand kennt.

Zu Cannings besten Werken zählt 'Auf der Spur', ein geschickt konstruierter Thriller, nach dem Alfred Hitchcock (ziemlich frei) sein Spätwerk 'Family Plot' drehte. Die steinreiche, nach dem Tod ihrer beiden Geschwister vereinsamte Miss Grace Rainbird hofft, mit Hilfe der sich als Medium ausgebenden Blanche Tyler ("Madame Blanche") ihren Neffen Edward Shoebridges aufzuspüren, der seit vielen Jahren verschollen ist. Blanche und ihr smarter, leichtlebiger Bettgefährte George Lumbley wittern ein hübsches Sümmchen und begeben sich auf Spurensuche. Gleichzeitig entführt ein Ehepar mit dem Decknamen "Trader" den Erzbischof von Canterbury, eine kleine, geheime Organisation der Regierung soll ihn befreien, ohne dass die Sache an die Öffentlichkeit dringt. Geschickt verknüpft der Autor die beiden lange Zeit parallel verlaufenden Handlungsstränge miteinander und führt die verwickelte Geschichte zu einem harten Ende.

'Der Charlie-Bazillus' ist eine packende und märchenhafte, mit schönen Landschaftsschilderungen geschmückte "Ape-on-the-Run-Story" um scharf gezeichnete Figuren - und um einen Schimpansen namens Charlie, ein Versuchstier des britischen Verteidigungsministeriums, dem die Flucht gelingt, nachdem es zu experimentellen Zwecken (sprich: Entwicklung von biologischen Waffen) mit einem überaus gefährlichen Bazillus infiziert worden ist - Inkubationszeit drei Wochen.

Bibliografie (nur Kriminalromane):
'Panther's Moon' - 'Schwarzer Panther' (1948), 'The Golden Salamander' - 'Der goldene Salamander' (1948), 'A Forest of Eyes' (1950), 'Bird of Prey' (auch unter dem Titel 'Venetian Bird') - 'Im Schatten von San Marco' (1951), 'The House of the Seven Flies' - 'Das Haus zu den sieben Fliegen' (1952), 'The Man from the "Turkish Slave"' (1954), 'A Handful of Silver' (auch unter dem Titel 'Castle Minerva', 1954), 'His Bones Are Coral' (auch unter den Titeln 'Twist of the Knife' und 'The Shark Run', 1955), 'The Hidden Face' (auch unter dem Titel 'Burden of Proof') - 'Das verborgene Gesicht' (1956), 'The Manasco Road' (auch unter dem Titel 'The Forbidden Road') - 'Rivalen am Riff' (1957), 'The Dragon Tree' (auch unter dem Titel 'The Captives of Mora Island') - 'Der Drachenbaum' (1958), ‚The Burning Eye' - 'Das brennende Auge' (1960), ‚A Delivery of Furies' - 'Der Raub der Furien' (1961), 'Black Flamingo' - 'Schwarzer Flamingo' (1962), 'The Limbo Line' - 'Hinter der Limbo-Linie' (1963), 'The Scorpio Letters' - 'Erpressung durch Scorpio' (1964), 'Queen's Pawn' - 'Schach der "Königin"' (1969), 'The Great Affair' (1970), 'Firecrest' - 'Der verlorene Freitag' (1971), 'The Rainbird Pattern' - 'Auf der Spur' (1972), 'The Finger of Saturn' - 'Tochter des Saturn' (1973), 'The Mask of Memory' - 'Die Wahrheit erfahren Sie später' (1974), 'The Kingsford Mark' - 'Das Sündenmal' (1975), 'The Doomsday Carrier' - 'Der Charlie-Bazillus' (1976), 'Birdcage' (1978), 'The Satan Sampler' - 'Querverbindungen' (1979), 'Fall from Grace' (1980), 'The Boy on Platform One' (1981), 'Vanishing Point' - 'Geheimnis für drei' (1982), 'Raven's Wind' (1983), ‚'irds of a Feather' (1985), 'Table Number Seven' (1987);
Rex Carver-Serie: 'The Whip Hand' (1965), 'Doubled in Diamonds' - 'Die Opiumbarke' (auch unter dem Titel 'Die Opium-Barke', 1966), 'The Python Project' - 'Kennwort Pythonschlange' (1967), 'The Melting Man' - 'Experiment mit dem Terror' (1968).

++ Erstellt: August 2014 ++  


Chaber, M.E.

(Pseudonym für Kendell Foster Crossen, 1910-1981; schrieb auch als Bennett Barlay, Ken Crossen, Richard Foster, Christopher Monig, Clay Richards und Kent Richards)

Kendell Foster Crossen, geboren in Albany, Athens County, Ohio, als einziges Kind einer Farmerfamilie, besuchte das Rio Grande College in diesem Bundesstaat und liess sich dann in Kalifornien nieder. Er arbeitete als Marktschreier und Versicherungsdetektiv und kreierte im Rahmen eines Arbeitslosenprogramms einen New Yorker Stadtführer, bevor er Redakteur bei der berühmten Zeitschrift 'Detective Fiction Weekly' wurde und etwas später, Anfang der 40er-Jahre, zu schreiben begann. Crossen war ein emsiger Autor: unter mindestens sechs Pseudonymen verfasste er (neben seiner journalistischen Tätigkeit) über 400 Radio- und Fernsehscripts (letztere unter anderem für 'Perry Mason' und '77 Sunset Strip'), rund 300 Kurzgeschichten und Kurzromane für die Pulps und 45 Romane.

Bekannt wurde Crossen durch seine leichtfüssige, mit M.E. Chaber gezeichnete Reihe um den ehemaligen OSS- und CIA-Agenten Milo March, der als eine Mischung aus Geheimagent, Privatschnüffler und Versicherungsdetektiv in der halben Welt herumkommt - Hongkong, Rio, Paris, Berlin, Rom und Kapstadt zählen zu den Destinationen - und sein Büro im Fortgang der Serie von Denver nach New York City verlegt. Der charmante und smarte, auf trockene Martinis und schöne Frauen stehende, nur selten um einen knackigen Spruch verlegene Protagonist verfügt über harte Fäuste, einen scharfen Verstand und weiss auch mit dem Schiesseisen geschickt umzugehen. Im dritten Roman heiratet er die junge Ostberlinerin Gerta Brooks, die er zwei Jahre zuvor aus den Klauen der Kommunisten gerettet hat, und adoptiert den spanischen Strassenjungen Ernesto Pujol, doch die beiden spielen in den späteren Büchern keine Rolle mehr.

Die 21-teilige Reihe erstreckt sich über gut zwanzig Jahre, ohne dass die Hauptfigur nennenswert altert. Im Nachlass fand sich ein weiterer, 1974 beendeter, jedoch unveröffentlicht gebliebener, mit 'Death to the Brides' betitelter Band. In der einzigen Verfilmung 'The Man Inside' wird Milo March durch Jack Palance verkörpert.

Weitere wiederkehrende Figuren sind der Versicherungsdetektiv Brian Brett aus Los Angeles, der Sonderermittler Grant Kirby, der Spion Kim Locke, der fette New Yorker Ermittler Jason Jones und der schlagkräftige Privatschnüffler Peter Draco aus Miami, der nicht mit dem intergalaktisch im 35. Jahrhundert ermittelnden Versicherungsdetektiv Manning Draco verwandt ist ('Once Upon a Star', 1953). Ferner die Sciencefiction- und Comicfigur "The Green Lama", ein buddhistischer Supermann, der sich nach langem Tibet-Aufenthalt in New York auf Verbrecherjagd begibt.

Kendell Foster Crossen war viermal verheiratet und hatte vier Kinder, Stephen, Karen, Kendra und David. Er starb 71-jährig in Los Angeles.

Bibliografie (ohne Sciencefiction):
Als M.E. Chaber: Milo March-Serie: 'Hangman's Harvest' (auch unter dem Titel 'Don't Get Caught', 1952), 'No Grave for March' (auch unter dem Titel 'All the Way Down', 1953), 'As Old as Cain' (auch unter dem Titel 'Take One for Murder') - 'Das verräterische Tagebuch' (1954), 'The Man Inside' (auch unter dem Titel 'Now It's My Turn) - 'Ein Mann zerstört sich selbst' (1954), 'The Splintered Man' (1955), 'A Lonely Walk' - 'Der Skandal' (1956), 'The Gallows Garden' (auch unter dem Titel 'The Lady Came to Kill', 1958), 'A Hearse of Another Color' (1958), 'So Dead the Rose' (1959), 'Jade for a Lady' (1962), 'Softly in the Night' - 'Leise durch die Nacht' (1963), 'Six Who Ran' - 'Der Millionenraub' (1964), 'Uneasy Lies the Dead' - 'Ist Rako tot?' (1964), 'Wanted: Dead Man' - 'Gesucht: ein toter Mann' (1965), 'The Day it Rained Diamonds' - 'Eine Hand voll Juwelen' (1966), 'A Man in the Middle' - 'In Hongkongs dunklen Gassen' (1967), 'Wild Midnight Falls' (1968), 'The Flaming Man' - 'Im dunklen Los Angeles' (1969), 'Green Grow the Graves' - 'Geheimauftrag für Milo March' (1970), 'The Bonded Dead' - 'Hände weg, oder...' (1971), 'Born to Be Hanged' (1973).
Als Christopher Monig:
Brian Brett-Serie: 'The Burned Man' (auch unter dem Titel 'Don't Count the Corpses', 1956), 'Abra-Cadaver' - 'Zweimal Mr. Greene' (1958), 'Once Upon a Crime' (1959), 'The Lonely Graves' (1960).
Als Richard Foster:
Pete Draco-Romane: 'Bier for a Chaser' (1959), 'Too Late for Mourning' (1960);
Standalones: 'The Laughing Buddha Murders' (1944), 'The Invisible Man Murders' (1945), 'The Girl from Easy Street' (1952), 'Blonde and Beautiful' (1955), 'The Rest Must Die' (1959).
Als Kendell Foster Crossen:
Kim Locke-Serie: 'The Tortured Path' (1955), 'The Big Dive' (1959), 'The Gentle Assassin' (ursprünglich als Clay Richards, 1964).
Standalones: 'Once Upon a Star' (1953), 'Year of Consent' (1954).
Als Ken Crossen:
Jason Jones-Romane: 'The Case of the Curious Heel' (1944), 'The Case of the Phantom Fingerprints' (1945);
Standalone: 'Murder Out of Mind' (1945).
Als Clay Richards:
Grant Kirby-Romane: 'The Marble Jungle' (1961), 'Death of an Angel' (1963);
Standalone: 'Who Steals My Name' (1964).
Als Bennett Barlay:
Standalone: 'Satan Comes Across' (1945).

++ Erstellt: September 2013 ++  


Charyn, Jerome

(*1937)

Jerome Charyn wurde als Spross jüdischer Einwanderer in der New Yorker Bronx geboren und wuchs dort in bescheidenen Verhältnissen auf: Sam, sein harter, wortkarger, polnisch-stämmiger Vater, arbeitete als Kürschner für die Army, Fanny, seine schöne, ungebildete Mutter weissrussischer Herkunft, als Kartengeberin in einem der zahlreichen illegalen, von dem legendenumwobenen Mobster Meyer Lansky betriebenen Pokerclubs. Nachdem Jerome einige Erfahrungen als Kleinkrimineller gesammelt hatte - mit zwölf Jahren war er so etwas wie ein Schuldgelderpresser -, fand er mit vierzehn den Rank und begann eine Ausbildung an der High School of Music and Art in Manhattan, Schwerpunkt Malen. Danach studierte er Literatur und Geschichte an der Columbia University in New York City mit einem Abschluss 1959.

In den folgenden Jahrzehnten unterrichtete Charyn Englisch und Kreatives Schreiben in New York City, Stanford, Princeton, Paris und verschiedenen Colleges und Universitäten in New York State. Anschliessend, von 1995 bis 2009, war er Professor für Filmgeschichte an der American University of Paris, weigerte sich jedoch standhaft, Fanzösisch zu lernen - aus Angst, seine eigene Sprache zu "verlieren". Seit 2009 lebt er in einem Appartment im West Village (Greenwich Village, Manhattan) und widmet sich die meiste Zeit dem Verfassen von Romanen.

Nebenberuflich, inspiriert durch seinen älteren Bruder Harvey, der dreissig Jahre lang Cop bei der Mordkommission des NYPD war, begann Jerome Charyn im Jahr 1974 seine Laufbahn als Chronist der New Yorker Unterwelt, als Schöpfer der apokalyptischen, irrwitzigen Romane um Isaac Sidel, die im ethnischen Schmelztiegel der Lower East Side angesiedelt sind - in einem Sumpf von Gewalt, Rassismus, Korruption und organisierter Kriminalität mit fliessenden Übergängen zwischen Gesetzeshütern, Politikern und Mafiabossen, in einer bizarren, chaotischen Welt, der stets etwas Surreales anhaftet. Oder, in den Worten des Autors: "Die Sidel-Romane handeln von Menschen, die sich am Rande bewegen und zufälligerweise Polizisten sind. Sie verweigern sich dem Genre, sie haben keinen Anfang, keine Mitte, kein Ende - sie passieren in einer Art Niemandsland". Grosse Bedeutung haben stets auch Charyns Passionen Baseball, Tischtennis und Literatur.

Isaac Sidel, Jahrgang 1930, wie sein Gestalter als Spross jüdischer Vorfahren in New York City geboren, steigt im Verlauf der (unbedingt chronologisch zu lesenden!) Serie vom unbekannten Detective Inspector zum Angst und Schrecken verbreitenden Polizeichef auf, dann zum Bürgermeister und zuletzt zum US-Vizepräsidenten der Demokraten - und bleibt doch immer ein Strassenjunge aus der Bronx, der nie ohne seine Glock-Pistole im Hosenbund aus dem Haus geht. Weshalb es Sidel so weit bringt? Weil er eine Mission hat; weil er Gesetze bricht und Menschen opfert; weil er zugleich Richter und Vollstrecker ist. Ein unbestechlicher Desperado. Ein mordender Romantiker. Ein Naturereignis.

Sidel ist aber auch ein einsamer, anarchistisch gesinnter, in einer mickrigen kleinen Wohnung an der Rivington Street wohnender Mann mit nicht mal hundert Dollar auf dem Konto, der bei jeder Gelegenheit in Tränen ausbricht. Entfremdet von seiner Stammfamilie - sein Vater Joel, einst ein erfolgreicher Handschuhfabrikant, lebt als Porträtmaler mit einer jungen Vietnamesin in Paris, seine verrückte Mutter Sophie betreibt in New York einen Trödelladen, bis sie von Jugendlichen zu Tode getrampelt wird, und sein kleiner kleptomanischer Bruder Leo steht ständig wegen Unterhaltsklagen vor Gericht - und von seiner irischen Ehefrau Kathleen, die sich in Florida mit Immobilien eine goldende Nase verdient; gequält durch einen Bandwurm, mit dem ihn einer seiner Feinde, der Boss der Guzmann-Familie, infiziert hat; unwiderstehlich angezogen von traurigen Menschen, von Witwen und Waisen; zerrissen von seiner Gier nach verheirateten, unerreichbaren Frauen - in 'Secret Isaac' macht er der Anwaltsgattin Jennifer ein Kind, das er wohl nie sehen wird.

Seine grosse Liebe ist Magda Antonescu, alias Margaret Tolstoi, alias Prinzessin Anastasia, die er mit zwölf Jahren kennenlernte, als er mit ihr in New York die Schulbank drückte, eine faszinierende Frau rumänischer Herkunft, die einen Teil ihrer Kindheit in Odessa verbracht hat, mit Hunderten Männern im Bett war und für alle möglichen Geheimdienste und das FBI ins Feld zieht - in mehreren Büchern prallen sie und Sidel wuchtig aufeinander. Und dann gibt es noch den umtriebigen New Yorker Kardinal Jim O'Bannon, Isaacs besten (und wohl einzigen wahren) Freund, der sich lieber um sein Baseballteam als um die Seelen seiner Schäfchen kümmert.

Charyns frühe Sidel-Romane 'Blue Eyes' und 'Marilyn the Wild' (zeitlich vor 'Blue Eyes' angesetzt) gehören eigentlich dem blonden, unverschämt gut aussehenden Detective Manfred Coen, genannt Blue Eyes - leidenschaftlicher Ping-Pong-Spieler, geschiedener Vater zweier Töchter und unfreiwilliger Frauenheld jüdisch-polnischer Herkunft mit unwiderstehlichen blauen Augen, dessen Eltern vor vielen Jahren durch eine Gangsterbande (den peruanischen, in der Bronx ansässigen Guzmann-Clan, der in Charyns frühen Romanen immer wieder für schlechte Stimmung sorgt) in den Tod getrieben worden sind -, während Sidel Isaac, seine grosse Zeit beginnt erst nach Coens gewaltsamem (von ihm mitverschuldetem) Tod, hier noch etwas am Rande verharrt. Die dem zweiten Buch den Titel gebende, mit Manfred Coen in eine heisse Affäre verstrickte "femme fatale" Marilyn ist Sidels liebestolle, männerverschlingende Tochter, die ihren Vater immer wieder bis aufs Blut provoziert.

In 'Patrick Silver' ist Sidel hinter dem Kindermörder Jeromino her, dem ältesten und schwachsinnigsten der fünf Söhne der Familie Guzmann, die alle aus verschiedenen Gebärmüttern stammen, und von denen nur einer - Jesus, der jüngste - die Grundschule abschliessen konnte. Jerominos Bodyguard Patrick Silver, ein irisch-jüdischer Guinness-Säufer Ende vierzig, der stets ohne Schuhe, mit stinkenden Socken, durch die Grossstadt läuft und im Hauptberuf eine Synagoge bewacht, war früher Sidels Cop-Kollege. Und verliebt sich jetzt hoffnungslos in die (ebenfalls dem Guzmann-Clan angehörende) Pornokönigin Odile Leonhardy, was seinem Oberstübchen nicht gut tut. Am Schluss liegt Jeromino im bereits etwas überfüllten "Familiengrab" - und die verbliebenen Guzmanns wickeln ihre kleinen, schmutzigen Geschäfte fürderhin in Barcelona ab.

'Secret Isaac' (der letzte Teil des "Isaac-Quartetts") sieht Isaac Sidel erstmals ganz allein im Mittelpunkt. Der noch immer seinem (am Ende von 'Blue Eyes' durch einen chinesischen Killer erschossenen) Ziehsohn Manfred Coen nachtrauernde und von Schuldgefühlen zerfressene Bulle befindet sich auf einem seiner gefürchteten Feldzüge. Er lebt in einem heruntergekommenen Hotel im Nuttenquartier, streift in alten Lumpen durch die Gegend und trifft dabei auf die blutjunge, durch ihren Mann, den mächtigen Luden Dermott Bride, gebrandmarkte Prostituierte Annie Powell, die ihn in ihren Bann zieht. Kurz danach wird das Mädchen ermordet. Die Jagd nach dem Killer führt den James Joyce-Verehrer Sidel nach Dublin und schliesslich zu einem gigantischen irischen Zuhälterring, dessen Ausläufer bis in die höchsten New Yorker Polizeikreise reichen.

Die Ivanhoes - Sidels illegales Netzwerk von geheimen Informanten -, der schwule Mafia-Anwalt Maurice Goodstein, der Mobster Jerry DiAngelis, sein unterbelichteter Bruder Teddy, sein Schwiegervater Izzy Wasser, der Kopf des Clans, und sein grosser Rivale Sal Rubino, der raffinierte Strippenzieher Frederic LeComte vom Justizministerium, der hochbegabte 12-jährige Waisenjunge Kingsley McCardle, der in einer Jugendstrafanstalt einsitzt und vielleicht gar kein Kind ist, eine geheimnisvolle rumänische Prinzessin namens… Anastasia sowie Baseball in vielen Facetten sind die wichtigsten Ingredienzien der nächsten (zwölf Jahre nach 'Secret Isaac' erschienenen, aber nur kurze Zeit später spielenden) Folge 'Der gute Bulle' - mit Sidel als frisch gebackenem New Yorker Polizeichef, der gegen die allgegenwärtige Korruption in den Krieg zieht und sich mit jedem anlegt, der ihm im Weg steht, auch mit dem Gouverneur oder der feschen Bürgermeisterin Rebecca Karp, seiner gelegentlichen Bettgefährtin. Bis er einen Schritt zu weit geht und - angeklagt des Machtmissbrauchs und der Bestechlichkeit - verhaftet und vor Gericht gestellt wird.

'Maria' behandelt das Duell zwischen Carlos Maria Montalban - hoch angesehener Leiter eines New Yorker Schulbezirks, aber auch mit der Mafia verbandelter Drogenhändler, der seine Geschäfte mit Geldern finanziert, die für Lehrmittel und Schulspeisungen bestimmt sind - und Polizeipräsident Isaac Sidel, der sich weiterhin am liebsten auf den Strassen der Bronx aufhält, und zu Beginn der Erzählung einen Mordanschlag nur mit sehr viel Glück überlebt, nach zehn Stunden im Operationsaal und zwei Monaten im Koma. Zwischen den Fronten: Police Detective Carroll Brent - Gatte der millionenschweren Schönheit Diana und Schwiegersohn des mächtigen Bauunternehmers und Mafia-Mittelsmanns "Papa" Cassidy -, ein junger, etwas naiver Cop, der für Sidel verdeckt gegen Maria ermittelt. Dann aber überspannt Maria den Bogen und wird durch den Mafiaboss Sal Rubino abserviert - der Funke, der das Pulverfass zündet: Es kommt zu einem blutigen Konflikt zwischen Rubino und dessen Intimfeind Jerry DiAngelis, mit Isaac Sidel als Kriegsberater des DiAngelis-Clans.

In 'Montezumas Mann' befindet sich Bürgermeister-Kandidat Sidel wieder einmal im Clinch mit der Mafia, mit deren schillernden Repräsentanten Izzy, Jerry und Sal ihn ja schon lange eine eigentümliche Art von Hassliebe verbindet - und diesmal setzt Sidel seinen Fuss erstmals auf sizilianischen Boden. Die Erzählung dreht sich um kunstvoll hergestellte Holzpuppen, in denen Heroin von Palermo nach Manhattan verschoben wird - ein Sizilianer mit dem Spitznamen Montezuma war auf die brillante Idee gekommen. In einer tragenden Rolle: Joe Barbarossa, ein bereits von früheren Büchern her bekannter Urenkel des berühmten Nez Percé-Häuptlings Chief Joseph, ein hoch dekorierter Vietnam-Veteran und NYPD-Detective, in dessen Adern auch italienisches, irisches und ein Schuss afrikanisches Blut fliesst, Sidels derzeit bester Mann - eine Kreuzung aus Gesetzeshüter, Drogendealer und Profikiller. Und Sidels wilde Tochter Marilyn taucht endlich wieder aus der Versenkung auf - mit Joe Barbarossa im Schlepptau…

'Abrechnung in Little Odessa' sieht einen bereits auf die sechzig zusteuernden Sidel, der sich einen Monat vor seinem Amtsantritt als Bürgermeister einmal mehr auf einen äusserst heiklen Undercover-Job einlässt: Er schlüpft in die Rolle des Penners Geronimo Jones, um die Knickerbocker-Boys zu vernichten, eine Gang, die New York City "von Bastarden, Niggern, Juden und anderem Gesindel" säubern will. Dabei kann er sich wie immer auf seinen langjährigen direkten Untergebenen und jetzigen Nachfolger als Polizeichef Carlton Montgomery III, genannt Sweets, verlassen, einen baumlangen Schwarzen aus begütertem Haus mit einem Abschluss in Jura, und auch dessen ebenfalls schwarzhäutiger Intimus Albert "Wig" Wiggens, der ungleich rabiater zu Gange ist, steht Sidel tatkräftig zur Seite. Als schärfster Gegner kristallisiert sich schliesslich Sidels finanzkräftiger Wahlkampfhelfer Quentin Kahn heraus, der in den Vereinigten Staaten einen äusserst lukrativen Handel mit blauäugigen osteuropäischen Kindern aufgezogen hat.

Auch in 'El Bronx' ist Bürgermeister Isaac Sidel inkognito im Dschungel der Bronx unterwegs. Unterstützt durch seine Tochter Marilyn und seinen derzeitigen Schwiegersohn Joe Barbarossa, durch die "Bronx Major Crimes Brigade", einen unabhängig vom NYPD operierenden, durch den aufstrebenden Staatsanwalt Brock Richardson geleiteten "Spähtrupp zur Bekämpfung der Schwerkriminalität", und durch zwei beherzte Kids, Angel "Aljoscha" Carpenteros und Marianna Storm, nimmt er das Gesetz in die eigenen Hände, als im Viertel ein wahnsinniger Bandenkrieg um Macht und Drogen ausbricht, in den durchgedrehte Killer, schmierige Politiker und bekiffte Cops, aber auch Strassenkinder verwickelt sind. Doch nicht genug damit: Die US-Baseballspieler stehen seit Wochen im Streik - eine Katastophe für Isaac Sidel und die Bronx.

'Citizen Sidel', Charyns sperrigster und anspruchvollster - in unzählige, stets wieder fallen gelassene Handlungsstränge zerbröselter, mit literarischen Verweisen (vor allem auf Isaak Babels autobiografischen Erzählband 'Geschichten aus Odessa') gespickter - Roman, zieht uns Leser auf gerade mal 180 Seiten mit einem besonders schillernden Figurenensemble in den Bann. Wir treffen auf die umstrittenen Cops Doug Knight und Doug Knight Junior, Vater und Sohn, und auf Bart Grossvogel, den bösartigen Captain des Reviers Elizabeth Street, die aus 'El Bronx' bekannten Teenager Marianna, frühreife und hochintelligente 12-jährige Tochter des Baseball-Zars und demokratischen Präsidentschaftskandiaten J. Michael Storm, für den Sidel in den Wahlkampf zieht, und Angel, Graffiti-Künstler, abtrünniges Mitglied einer Jugendgang und Mariannas Herzbube, auf Bull Latham, den abgebrühten Boss des FBI, Calder Cottonwood, den schwächelnden amtierenden US-Präsidenten, und Tim Seligman, den Chefstrategen der Demokraten; ferner (einmal mehr) auf Sidels geheimnisvolle Jugendliebe Margaret "Anastasia" Tolstoi; und einen gebrechlichen 85-jährigen Rumänen namens Ferdinand Antonescu, der seit dem Zweiten Weltkrieg als "Schlächter von Bukarest" bekannt ist - und Anastasia geehelicht hat, als sie ein kleines Mädchen war. Und auf die traurige Kampfratte Raskolnikow, Sidels symbolbeladenes Maskottchen.

Im elften Buch der Isaac Sidel-Saga 'Unter dem Auge Gottes', herausgekommen 2012, dreizehn Jahre nach 'Citizen Sidel', ist Charyn im Jahr 1988 angelangt. Noch-Bürgermeister Sidel, designierter Vizepräsident der USA mit guten Aussichten auf das höchste politische Amt des Landes, läuft noch einmal zu grosser Form auf: Als gerissener Cop, als Beschützer der Bronx im Kampf gegen korrupte Politiker und gefrässige Immobilien-Spekulanten. Seine letzten Wochen in Manhattan, bevor es ins Weisse Haus geht, verbringt er im geschichtsträchtigen Hotel Ansonia - Caruso, Toscanini, Mahler, Strawinsky und Jehudi Menuhin, Jack Dempsey, Babe Ruth und viele andere Berühmtheiten haben dort gehaust; vor allem aber Arnold Rothstein, zu Beginn des 20. Jahrhundert der "König des Verbrechens", den Sidel zu seinem Leidweisen nicht kennen lernte. Dafür traf er im Jahr 1940 erstmals auf Rothsteins (fiktiven) Zögling David Pearl, mit dem sein Vater Joel damals fruchtbare Kontakte knüpfte. Im Ansonia trifft Sidel jetzt, nach fast einem halben Jahrhundert, wieder auf den zum Multimilliardär aufgestiegenen Finanzjongleur Pearl, der den Hotelkomplex beherrscht und von hier aus seine zwielichtigen Geschäfte in der Bronx abwickelt, sowie auf dessen unglückliche Gespielin Trudi Winckleman, genannt Inez, Mutter zweier Kinder und ehemalige Buchhalterin einer Bordellkette in New Orleans, in die er sich unsterblich verliebt. Dies hindert Sidel jedoch nicht daran, ein weiteres (vielleicht letztes Mal) im grossen Stil und ohne Rücksicht auf Verluste den Sündenpfuhl Manhattan auszumisten - der von Leichen gesäumte Weg führt ihn vom Hotel Ansonia nach San Antonia, Texas, und dann zurück nach New York City.

Um das dritte Quartett zu komplettieren (die Bände fünf bis acht werden ja bisweilen auch als "Odessa-Quartett" bezeichnet), wird Jerome Charyn höchst wahrscheinlich ein zwölftes Buch folgen lassen, mit Isaac Sidel als Präsident der Vereinigten Staaten. Oder als GOtt.

Aus dem Jahr 1998 stammt Charyns grossartiges Einzelwerk 'Der Tod des Tango-Königs' mit dem Hauptschauplatz Kolumbien (die Kokain-Metropole Medellin, "Welthauptstadt des Mordes"; der Urwald des Amazonas-Beckens; die Strassenschluchten Bogotas) und folgenden Protagonisten: Ruben Falcone, gleichzeitig Boss des gigantischen Kokainkartells und menschenfreundlicher Umweltschützer; Falcones Cousine Yolanda Ramirez, allein erziehende Mutter des kleinen Benjamin und gescheiterte Bankräuberin, die ein obskurer - durch Mister Bruno und Professor Sparks verkörperter - US-amerikanischer Geheimdienst aus dem Gefängnis holt und als Lockvogel anheuert, um Falcone endlich aus dem Verkehr zu ziehen; Rudolfo, der siebenjährige König der Strassenkinder und Serienmörder, der schliesslich doch noch in einer Schule landet. Daneben Todesschwadronen; indianische "Vogelmenschen", die mit selbst gebauten Flügeln im Regenwald herumflattern; der berühmte Romancier Bailen, frisch gebackenes Staatsoberhaupt Kolumbiens, der Falcone zum Umweltminister macht; und nicht zuletzt die Titelfigur Guillermo Gaudi, ein Legenden umwobener Tango-Tänzer und analphabetischer Bandit, der 1940 ermordet wurde. 'Der Tango-König' ist ein faszinierendes, in einem unverwechselbaren Sprachstil gestaltetes Spiel mit Genres, bzw., in den Worten des Autors: Eine "kreative Halluzination".

Jerome Charyn verfasste überdies die historischen Romane 'Johnny One-Eye' (Amerikanische Revolution) und 'The Secret Life of Emily Dickinson', die atemberaubende New Yorker Gangstergeschichte 'Paradise Man' mit dem vielschichtig gezeichneten Berufskiller Holden als Hauptperson, die autobiografisch gefärbten Romane 'Die dunkle Schöne aus Weissrussland' (der Titel nimmt Bezug auf Charyns Mutter, die eine ausserordentlich attraktive Frau gewesen sein musste), 'Der schwarze Schwan' und 'Bronx Boy'; 'Movieland', eine überschäumende Liebeserklärung an Hollywood; 'Metropolis', ein Porträt von New York City in der Ära des legendären jüdischen Bürgermeisters Ed Koch; 'Gangsters & Gold Diggers' über die "Roaring Twenties" am Broadway; und weitere Sachbücher, unter anderem über Baseball, Tischtennis, Isaak Babel, Quentin Tarantino und Marilyn Monroe; ferner Kurzgeschichten, die Anthologie 'Dunkle Engel', Hörspiele, Kinder- und Jugendbücher, Comic-Texte für renommierte Zeichner wie Jacquel de Loustal, Francois Boucq und José Munoz, und Liedtexte für seinen 2013 verstorbenen Freund Georges Moustaki.

Bibliografie:
Isaac Sidel-Serie: 'Blue Eyes' - 'Blue Eyes' (auch unter dem Titel 'Ping Pong Päng'!, 1974), 'Marilyn the Wild' - 'Marilyn the Wild' (auch unter dem Titel 'Die wilde Marilyn', 1976), 'The Education of Patrick Silver' - 'Patrick Silver' (auch unter dem Titel 'Die Erziehung des Patrick Silver', 1976), 'Secret Isaac' - 'Secret Isaac' (auch unter dem Titel 'Isaacs Geheimnis, 1978), 'The Good Policeman' - 'Der gute Bulle' (1990), 'Maria's Girls' - 'Maria' (1992), 'Montezuma's Man' - 'Montezumas Mann' (1993), 'Little Angel Street' - 'Abrechnung in Little Odessa' (1994), 'El Bronx' - 'El Bronx' (1997), 'Citizen Sidel' - 'Citizen Sidel' (1999), 'Under the Eye of God' - 'Unter dem Auge Gottes' (2012);
Einzelwerke: 'Paradise Man' - 'Paradise Man' (1987), 'Elsinore' (1991), 'Death of a Tango King' - 'Der Tod des Tango-Königs' (1998), 'Hurricane Lady' - 'Tödliche Romanze' (2001).

++ Erstellt: Februar 2014 ++  


Chase, James Hadley

(Pseudonym für René Brabazon Raymond, 1906-1985; schrieb auch als James L. Docherty, Ambrose Grant, Raymond Marshal und R. Raymond)

James Hadley Chase, als Sohn eines britischen Armeeoffiziers in London geboren, ausgebildet an der King's School in Rochester, Grafschaft Kent, verliess mit achtzehn sein Elternhaus, um sich in verschiedenen Jobs zu versuchen, unter anderem im Buchhandel. Seiner 1932 geschlossenen, bis zu seinem Tod bestehenden Ehe mit Sylvia Ray entsprang ein Sohn. Im Zweiten Weltkrieg diente er bei der Royal Air Force. Er brachte es zum Geschwaderführer und gab nebenbei das 'Royal Air Force Journal' heraus. 1956 liess er sich mit seiner Familie in Frankreich nieder, dreizehn Jahre später auf der Schweizer Seite des Genfersees, in der kleinen Ortschaft Corseaux-sur-Vevey, wo er ein zurückgezogenes Leben führte. Er starb dort im Alter von 78 Jahren.

Als ihm Mitte der 30er-Jahre James Mallahan Cains Bestseller 'Wenn der Postmann zweimal klingelt' in die Hände fiel, beschloss Chase, einen ebenso ertragreichen, in Amerika spielenden Gangsterroman zu verfassen. Er brütete über Enzyklopädien, Landkarten und Slang-Wörterbüchern, um seine bescheidenen Kenntnisse von den USA zu vertiefen, bis er 1939 sein erstes Buch herausgeben konnte: 'Keine Orchideen für Miss Blandish'. Der (wörtlich übersetzte) Titel klingt harmlos wie jener eines Agatha-Christie-Krimis; Chases Romanerstling ist indes das pure Gegenteil - ein schnörkelloser und brutaler Kracher, ein Meilenstein der hardboiled Literatur.

James Hadley Chase, ein Meister des knappen Stils und des lakonischen Dialogs, aber auch ein Autor mit höchst seltsamem Frauenbild (seine weiblichen Gestalten sind fast ausnahmslos smart, durchtrieben und kriminell und büssen dafür in der Regel mit einem qualvollen Tod), veröffentlichte bis zu seinem Tod unter verschiedenen Pseudonymen 97 Krimis (teilweise mit wiederkehrenden Ermittlern wie Dave Fenner, Vic Malloy, Steve Harmas, Frank Terrell und Mark Girland), die mehrheitlich in der fiktiven, vermutlich Miami nachgezeichneten Küstenstadt Paradise City oder in der ebenfalls erfundenen kalifornischen Stadt Orchid City angesiedelt sind. Sie wurden in über dreissig Sprachen übersetzt und als Vorlage für zahlreiche Filme verwendet. In den 90er-Jahren geriet Chase dann rasch in Vergessenheit.

'Keine Orchideen für Miss Blandish' beginnt mit einem missglückten Raub: Drei Schmalspurgangster wollen Miss Blandishs Collier entwenden, kidnappen irrtümlich dessen Trägerin - und sind nun heillos überfordert. Die Gangstertruppe Nummer zwei, von weitaus grösserem Kaliber und mit dem psychopathischen Mutter-Sohn-Paar Ma und Slim Grissom an der Spitze gut gerüstet, radiert das unbedarfte Trio denn auch gleich aus, um dessen Arbeit erfolgreich zu vollenden. Doch jetzt tritt Dave Fenner auf den Plan, ein ausgekochter, vor keiner Gewalttat zurückschreckender Privatdetektiv.

Bibliografie:
Als James Hadley Chase:
'No Orchids for Miss Blandish' (auch unter dem Titel 'The Villain and the Virgin') - 'Keine Orchideen für Miss Blandish' (auch unter dem Titel 'Die Erbschaft der Carol Blandish', 1939), 'The Dead Stay Dumb' - 'Rollendes Dynamit' (1939), 'Twelve Chinks and a Woman' (auch unter dem Titel 'The Doll's Bad News') - 'Die anderen sind tot, sagte Miller' (1940), 'Get a Load of This' (Stories, 1941), 'Miss Callaghan Comes to Grief' - 'Dann knackte es, und der Strom summte' (auch unter dem Titel 'Miss Callaghan muss Trauer tragen', 1941), 'Miss Shumway Waves a Wand' - 'Wilder Zauber' (1944), 'Eve' - 'Eva' (1945), 'I'll Get You for This' - 'Ein Schlummertrunk vom Boss' (auch unter dem Titel 'Der Sarg mit dem doppelten Boden', 1946), 'The Flesh of the Orchid' - 'Das Fleisch der Orchidee' (auch unter dem Titel 'Ein Grab voller roter Orchideen', 1948), 'You Never Know With Women' - 'Make-up für eine Somnambule' (1949), 'You're Lonely When You're Dead' - 'Tote sind einsam' (1949), 'Lay Her Among the Lillies' (auch unter dem Titel 'Too Dangerous to Be Free') - 'Die Katze im Sack' (1950), 'Figure It Out for Yourself' (auch unter dem Titel 'The Marijuana Mob') - 'Jeff Barratts Ratten' (1950), 'Strictly for Cash' - 'Nur wer im Wohlstand lebt…' (auch unter dem Titel 'Geld stinkt nicht', 1951), 'Double Shuffle' - 'Strich durch die Rechnung' (auch unter dem Titel 'Millionentanz', 1952), 'The Fast Buck' - 'Er schwieg bis zuletzt' (1952), 'I'll Bury My Dead' - 'Auge um Auge' (1953), 'This Way for a Shroud' - 'Der Schlächter von Dead End' (1953), 'Tiger By the Tail' - 'Stier bei den Hörnern' (1954), 'Safer Dead' - 'Tote reden nicht' (1954), 'You've Got It Coming' - 'Zu hoch hinaus' (1955), 'There's Always a Price Day' - 'Man muss für alles zahlen' (1956), 'The Guilty Are Afraid - 'Ängstlich sind die Schuldigen (auch unter dem Titel 'Nur Streichhölzer' 1957), 'Not Safe to Be Free' (auch unter dem Titel 'The Case of the Strangled Starlet') - 'Gemeingefährlich' (1958), 'Shock Treatment' - 'Plötzlich und unerwartet' (1959), 'The World In My Pocket' - 'An einem Freitag um halb zwölf…' (1959), 'What's Better Than Money?' - 'Was ist besser als Geld?' (1960), 'Come Easy, Go Easy' - 'Rasthaus des Teufels' (1960), 'Just Another Sucker' - 'Dumme sterben nicht aus' (auch unter dem Titel 'Palmetto - Dumme sterben nicht aus', 1961), 'A Lotus for Miss Quon' - 'Lotusblüten für Miss Quon' (1961), 'A Coffin from Hong Kong' - 'Ein Sarg aus Hongkong' (1962), 'I Would Rather Stay Poor' - 'Lohngelder für Pittsville' (1962), 'One Bright Summer Morning' - 'Kein Tag wie jeder andere' (1963), 'Tell It tot he Birds' - 'Keine Versicherung gegen Mord' (1963), 'The Soft Centre' - 'Wenn der Film reisst' (1964), 'The Way the Cookie Crumbles' - 'Der Mini-Killer' (1965), 'Cade' - 'Cade' (1966), 'This Is for Real' - 'Nach Gebrauch vernichten' (1965), 'You Have Yourself a Deal' - 'Schwarze Perle aus Peking' (1966), 'Have This One on Me' - 'Einmal Prag und zurück' (1967), 'Well Now, My Pretty' - 'Es tut nicht weh, Baby' (1967), 'An Ear to the Ground' - 'Brillanten für die Bestie' (1968), 'Believed Violent' - 'Die Todespille' (1968), 'The Vulture Is a Patient Bird' - 'Geier sind geduldig' (1969), 'The Whiff of Money' - 'Süsses Parfüm Gold' (1969), 'There's a Hippy on the Highway' - 'Die Jacht des Toten' (1970), 'Like a Hole in the Head' - 'Nett wie ein Loch im Kopf' (1970), 'An Ace Up My Sleeve' - 'Noch ein As im Ärmel' (1971), 'Want to Stay Alive'?' - 'Falls Sie Ihr Leben lieben' (1971), 'Just a Matter of Time' - 'Gut geplant ist halb gemordet' (1972), 'You're Dead Without Money' (1972), 'Knock, Knock! Who's There?' - 'Der Tod klopft an die Tür' (1973), 'Have a Change of Scene' - 'Tödlicher Tapetenwechsel' (1973), 'Goldfish Haven No Hiding Place' - 'Wo soll ein Goldfisch sich verstecken?' (1974), 'So What Happens to Me?' - 'Absturz ins Paradies' (1974), 'Believe This - You'll Believe Anything' - 'Hurrikan der Leidenschaften' (1975), 'Do Me a Favor, Drop Dead' - 'Sei so gut und stirb' (1976), 'I Hold the Four Aces' - 'Vier Asse auf einmal' (1977), 'Meet Mark Garland' (1977), 'My Lough Comes Last' - 'Ich lache zuletzt' (1977), 'Consider Yourself Dead' - 'Gleich bist du eine Leiche' (1978), 'A Can of Worms' - 'Einmal zuviel geheiratet' (1979), 'You Must Be Kidding' - 'Einen Kopf kürzer' (1979), 'You Can Say That Again' - 'Ein Double für die Falle' (1980), 'Try This One for Size' - 'Trau keinem Schurken' (1980), 'We'll Share a Double Funeral' - 'Jagt den Killer' (1982), 'Have a Nice Night' - 'Schöner Abend für Ganoven' (1982), 'Hand Me a Fig Leaf' - 'Was steckt hinterm Feigenblatt' (1982), 'Not My Thing' - 'Mach mir den Pelz nicht nass' (1983), 'Hit Them Where It Hurts' - 'Zahltag' (1984).
Als Raymond Marshall:
'Lady, Here's Your Wreth' - 'Nach Mitternacht' (auch unter dem Titel 'Ein Ticket für die Todeszelle', 1940), 'Just the Way It Is' - 'Hallo, ist da jemand?' (1944), 'Make the Corpse Walk' - 'Leichen sind lästig' (1946), 'Blonde's Requiem' (1946), 'No Business of Mine' - 'Nicht mein Bier' (1947), 'Trusted Like the Fox' (1948), 'The Paw in the Bottle' - 'Ein Hauch von Gewalt' (1949), 'Mallory' - 'Gesucht wird Mallory' (1950),1), 'Why Pick on Me?' - 'Der Ring des Bogenschützen' (1951), 'But a Short Time to Live' (auch unter dem Titel 'The Pickup') - 'Ein Grab für zwei' (1951), 'In a Vain Shadow' (auch unter dem Titel 'Never Trust a Woman') - 'Sareks Sore' (1951), 'The Wary Transgressor' - 'Der scharlachrote Mund' (1952), 'The Things Men Do' - 'Der Mann mit dem blauen Gesicht' (1953), 'Mission to Venice' - 'Mord am Canale Grande' (1954), 'The Sucker Punch' - 'Alibi auf Tonband' (1954), 'Mission to Siena' - 'Zahle oder stirb' (1955), 'You Find Him, I'll Fix Him' - 'Die Kanaille' (1956), 'Hit and Run' 'Dame mit beschränkter Haftung' (1958).
Als James L. Docherty:
'He Wont Need It Now' - 'Bedarf gedeckt' (1939).
Als Ambrose Grant:
'More Deadley Than the Male' - 'Satan in Satin' (1946).

++ Erstellt: November 2014 ++  


Chraibi, Driss

(1926-2007)

Driss Chraibi wurde als Sohn eines wohlhabenden islamischen Teehändlers in El-Jadida an der marokkanischen Atlantikküste geboren. Nach dem Gymnasium am französischen Elite-Lycée Lyantey in Casablanca ging er 1945 nach Paris, wo er 1951 in Chemie abschloss. Als er daraufhin keine Arbeit fand, bereiste er Europa und Israel, seinen Lebensunterhalt bestritt er unter anderem als Nachtwächter, Journalist, Arabischlehrer und Fotograf. Mitte der 50er-Jahre liess er sich mit seiner ersten Frau Catherine Birckel und den fünf Kindern in Frankreich nieder. Dort begann er seine Laufbahn als Schriftsteller - und avancierte zum Pionier und "enfant terrible" der Maghreb-Literatur.

Im Jahr 1954 erschien Chraibis erster von rund zwanzig Romanen: 'Le Passé simple', eine scharfe Abrechnung mit der traditionellen marokkanischen Gesellschaft. Der autobiografisch gefärbte Roman sorgte in Marokko für einen Skandal und blieb bis 1977 verboten. Anfang der 80er-Jahre debütierte Chraibi als Krimiautor, 1998 und 2001 gab er seine Memoirenbände 'Vu, lu, entendu' und 'Le monde à côté' heraus. Darüber hinaus schrieb er während dreissig Jahren Hörspiele für die Radiostation 'France-Culture'. Er starb 80-jährig in seiner Wohnung in Crest, Drôme, wo er seit 1986 mit seiner zweiten Frau, der Schottin Sheena McCullion, und ihren fünf gemeinsamen Kindern gelebt hatte.

Von 1981 bis 2004 veröffentlichte Chraibi den Fünfteiler um Inspektor Ali (Nachname unbekannt) von der Mordkommission Casablanca, der auch in England, den Vereinigten Staaten und Afghanistan ermittelt.

'Inspektor Ali im Trinity College', knapp 120 Seiten umfassend, spielt vor allem im englischen Cambridge, wo eine adelige marokkanische Studentin unter rätselhaften Umständen ums Leben kam. Inspektor Ali, ein schlitzohriger, unberechenbarer, von seinen Gegnern notorisch unterschätzter - mal als grobschlächtiger Tölpel, mal als arroganter Macho auftretender - Ermittler, ein Liebhaber von Lyrik, Kreuzworträtseln und schönen Frauen, reist mit seiner heissblütigen Gattin Sophia nach England, um dort ein wenig zum Rechten zu schauen bzw. eine diplomatische Katastrophe zu verhindern. Mit lässiger Dreistigkeit macht er sich ans Werk und löst den höchst delikaten Fall, an dem seine britischen Kollegen kläglich gescheitert wären.

Bibliografie:
Inspektor Ali-Serie: 'Une enquête au pays' - 'Ermittlungen im Landesinnern' (1981), 'L'inspecteur Ali' (1991), 'L'inspecteur Ali à Trinity College' - 'Inspektor Ali im Trinity College' (1996), 'L'inspecteur Ali et la CIA' (1998), 'L'homme qui venait du passé' (2004).

++ Erstellt: Oktober 2014 ++  


Clark, Clare

(*1967)

Clare Clark kam in London zur Welt und studierte Geschichte am Trinity College in Cambridge. Anschliessend arbeitete sie elf Jahre in der Werbung, zuerst bei Saatchi & Saatchi, dann bei Bartle Bogle Hegarty in London und New York. Heute lebt die verheiratete Mutter zweier Kinder wieder in ihrer Geburtsstadt und widmet sich hauptberuflich dem Verfassen von historischen Romanen. Darüber hinaus schreibt sie Beiträge für die Literaturseite des 'Guardian' und andere Zeitungen und ist Tutor für Kreatives Schreiben an der Londoner City University.

'Der Vermesser' (im Original: 'The Great Stink') aus dem Jahr 2005 war Clarks erster von bislang vier Romanen. Das faszinierende, tief unter die Haut gehende Sittengemälde spielt in einer unterirdischen Welt des Jahres 1855: in der seuchengeplagten Kloake Londons, dem Wohnsitz von Ratten und armen Schluckern - unter ihnen die Kanaljäger Tom und Joe, die ihren Lebensunterhalt bestreiten, indem sie die fett gefressenen Nager für illegale Hundekämpfe verkaufen. Hier treffen wir auf den Vermessungsingenieur William May, einen jungen, am Krimkrieg zerbrochenen Familienvater, den es immer wieder in die Kanäle zieht - nur dort, knietief in den Exkrementen stehend und sich selbst mit dem Messer tiefe Wunden zufügend, fühlt er sich lebendig und frei. Trotz seiner seelischen Blessuren erhält er jetzt den Auftrag, das uralte, marode Kanalisationssystem zu erneuern - ein Mammutprojekt, das nicht überall auf Zustimmung stösst. Als bald danach ein Mord in den Kanälen geschieht, gerät William May unter Verdacht, es droht die Todesstrafe. Erst in letzter Sekunde gelingt es seinem hartnäckigen Pflichtanwalt Sydney Rose, die kriminillen Machenschaften eines einflussreichen Mitglieds der Baubehörde an den Tag zu bringen.

In ihren folgenden Romanen 'Der Apotheker' (ein finsterer Medical Thriller aus dem London des ersten Viertels des 18. Jahrhunderts), 'Die französische Braut' (eine komplexe, im Louisiana des beginnenden 18. Jahrhunderts angesiedelte Liebesgeschichte) und 'Beautiful Lies' (die im London des Jahres 1887 spielende Erzählung einer extravaganten Frau, deren Leben auf Lügen gebaut ist) erreicht Clare Clark die kompositorische und stilistische Dichte ihres Erstlings nicht mehr ganz.

Bibliografie:
'The Great Stink' - 'Der Vermesser' (2005), 'The Nature of Monsters' - 'Der Apotheker' (2007), 'Savage Lands' - 'Die französische Braut' (2010), 'Beautiful Lies' (2012).

++ Erstellt: Mai 2014 ++  


Cleary, Jon

(1917-2010)

Jon Stephen Cleary wurde als ältestes von sieben Kindern einer bettelarmen Arbeiterfamilie in Sydney geboren. Er verliess die Schule mit vierzehn, um Geld zu verdienen, und verrichtete in den folgenden acht Jahren unzählige Gelegenheitsjobs, war aber auch oft arbeitslos. 1940 ging er zur australischen Armee, bei der er im Nahen Osten und in Neu Guinea diente. In dieser Zeit verfasste er ein paar Kurzgeschichten und das prämierte Hörspiel 'Safe Horizon'. 1947, ein Jahr nach seiner Hochzeit, debütierte Cleary als Romanautor. Von 1948 bis 1951 arbeitete er für das 'Australia News and Information Bureau' zuerst in London, dann in New York City. 1951 erschien sein bekanntestes Buch 'Sundowners' (kein Krimi), von dem 3 Millionen Exemplare abgesetzt wurden.

1966 hatte Clearys alter Ego Scobie Malone aus Sydney, ein liebenswürdiger Polizist und Familienvater irisch-katholischer Herkunft, seinen ersten Auftritt als Krimifigur. In der 20-teiligen, über fast 40 Jahre sich dahinziehenden, mit detailreichen Schilderungen Sydneys geschmückten Serie werden auch sozialpolitische Themen wie Rassismus, Feminismus, Wert der Familie und Homosexualität behandelt. Auf Deutsch liegt einzig der erste Titel 'Der Hochkommissar' vor, in dem Scobie Malone nach London entsandt wird, um den des Mordes an seiner ersten Frau verdächtigten australischen Hochkommissar John Quentin möglichst diskret zu verhaften, dabei in eine gefährliche politische Intrige verwickelt wird - und seine zukünftige Frau Lisa, Quentins Sekretärin, kennen lernt.

Cleary war mit über fünfzig Romanen (neben den Scobie Malone-Krimis vor allem Kriegs-, Abenteuer- und Politromane) und einer Gesamtauflage von gegen 10 Millionen einer der produktivsten und erfolgreichsten Autoren Australiens und machte auch als Drehbuchautor für Film und Fernsehen von sich reden. Nachdem er viele Jahre in den USA und Grossbritannien verbracht hatte, lebte er seit den 70er-Jahren in seiner Geburtsstadt. Der Tod seiner Frau, der Krankenschwester Joy Lucas, mit der er 57 Jahre verheiratet war, bedeutende einen herben Verlust für Cleary. Er folgte ihr sieben Jahre später im Alter von 92 Jahren.

Bibliografie:
Scobie Malone-Serie: 'The High Commissioner' - 'Der Hochkommissar' (auch unter dem Titel 'Der Haftbefehl' (1966), 'Helga's Web' (1970), 'Ransom' (1973), 'Dragon's at the Party' (1987), 'Now and Then, Amen' (1988), 'Babylon South' (1989), 'Murder Song' (1990), 'Pride's Harvest' (1991), 'Dark Summer' (1992), 'Bleak Spring' (1993), 'Autumn Maze' (1994), 'Winter Chill' (1995), 'A Different Turf' (1996), 'Endpeace' (1998), 'Five-Ring Circus' (1999), 'Dilemma' (2000), 'The Bear Pit' (2000), 'Yesterday's Shadow' (2001), 'The Easy Sin' (2002), 'Degrees of Connection' (2004).

++ Erstellt: Mai 2011 ++  


Coatmeur, Jean-Francois

(*1925)

Geboren und aufgewachsen in der bretonischen Ortschaft Pouldavid-sur-Mer (dem heutigen Douarnenez) als zweiter Sohn einer Arbeiterfamilie, besuchte Jean-Francois Coatmeur die Klosterschule in der nahe gelegenen Gemeinde Pont-Croix. Am 5. August 1944 entging er um ein Haar der Hinrichtung durch die bereits auf dem Rückzug sich befindenden deutschen Okkupanten, ein höchst traumatisches, in dem 1991 erschienenen Roman 'Les croix sur la mer' verarbeitetes Erlebnis.

Nach seinem Studium der klassischen Literatur, das er Anfang der 50er-Jahre an der katholischen Fakultät der Universität Angers abschloss, arbeitete er als Sekundarlehrer für dieses Fach in Calais und Brest. Von 1958 bis 1963 unterrichtete er an einer französischen Schule in Abidjan, Elfenbeinküste, um dann doch wieder in seine nordfranzösische Heimat, nach Brest, zurückzukehren, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1985 als Lehrer wirkte. Er ist seit 1952 mit Josette Beyer verheiratet und hat mit ihr eine 1953 geborene Tochter, Jehanne.

Parallel zu seiner Lehrertätigkeit wandte sich Coatmeur in der ersten Hälfte der 50er-Jahre dem Schreiben zu. Sein Werk besteht aus gut zwei Dutzend Krimis, zahlreichen Novellen, mehreren Hörspielen, einem Theaterstück und dem bereits erwähnten Roman 'Les croix sur la mer'. 'Sirenen um Mitternacht' und 'Nur kein Skandal!' sind seine bekanntesten Krimis, mit ihnen begründete er seinen Namen als "Meister der Intrige" sowie als Autor, der auch den Schwachen, den Opfern, Aussenseitern und Kindern, eine Stimme gibt.

'Sirenen der Nacht', eine atemlose, mit sprunghaften Szenen- und Perspektivenwechsel vorangetriebene Geschichte, spielt in der bretonischen Hafenstadt Brest in einem fiktiven Frankreich, das nach einem Militärputsch von einer totalitären Regierung und einer paramilitärischen Polizeitruppe kontrolliert wird - und in dem kaum mehr Verbrechen geschehen. Als dann in derselben Nacht an ganz unterschiedlichen Orten das linientreue Ehepaar Fontange, bestehend aus der reichen, nach einem Unfall gelähmte Fabrikantin Fabienne und dem Frauenhelden Eric, getötet wird, geht die Polizei von einer kommunistischen Verschwörung aus, was natürlich Unsinn ist. Unter Tatverdacht gerät indes auch Jef Chabert, der Bruder der Ermordeten, ein heruntergekommener Ex-Flic - und Alleinerbe des schwesterlichen Vermögens. In weiteren tragenden Rollen: Der Gastarbeiter Manoel Pereira, ein wichtiger Zeuge, der nach einem Verhör durch die Geheimpolizei spurlos verschwindet; Maud Chabert, die von ihrem Mann Jef getrennt lebt und ihm trotzdem ein falsches Alibi verschafft; und Kommissar Rault, der sich bei seinen Ermittlungen weder durch lügende Zeugen noch durch opportunistische Vorgesetzte und die Machenschaften von "Monsieur Jean", dem gefürchteten Chef der Geheimpolizei, beirren lässt - und die überraschende Lösung ans Licht bringt.

In Coatmeurs elftem Roman 'Nur kein Skandal!' werden die "Briefkastentante" Liz und ihr kleiner Sohn Sébastien in ihrem Haus in der Nähe von Quimper ermordet. Albert Laugel, Liz' Ex-Mann und Sébastiens Vater, ein ruhiger, sympathischer Zeitgenosse, traut der Polizei nicht über den Weg. Er beginnt selbst zu ermitteln, überlebt ein Attentat nur knapp - und kommt schliesslich einem ungeheuren Komplott auf die Spur, in das ein farbiges Figurenemsemble verwickelt ist: Carol Ridoni, die zwei Monate zuvor von drei Maskierten vergewaltigt wurde und sich dann in ihrer Not an Liz wandte; der unbestechliche Journalist Loïc Leporon, der seinen Mut mit dem Leben bezahlt; Léon Ballière, der Bürgermeister von Quimper, und sein aufmüpfiger Sohn Olivier; der verheiratete Psychiater Jacques Garamance und seine sinnenfrohe Geliebte Vicki Lemarchand, die - neben einem unbekannten Dritten - an der Vergewaltigung beteiligt waren; und die gegensätzlichen Polizisten Commissaire Nargeot und sein Assistent David Cadoc.

Bibliografie:
'Chantage pour une ombre' (1963), 'Nocturne pour mourir' (1965), 'Aliena' (1968), 'Baby-foot' - 'Sechzehn Jahre sind kein Leben' (1970), 'J'ai tué une ombre' (auch unter dem Titel 'autre-mort', 1972), 'La voix dans Rama' (1973), 'Le squale' (1975), 'Les sirènes de minuit' - 'Sirenen um Mitternacht' (1976), 'Le mascaret' (1977), 'On l'appelait Johnny' - 'Ein gewisser Johnny' (1979), 'La bavure' - 'Nur kein Skandal!' (1980), 'Morte fontaine' (1982), 'La nuit rouge' - 'Blutige Nacht' (1984), 'Yesterday' (1985), 'Narcose' (1987), 'La danse des masques' (1989), 'Escroquemort' (1992), 'Des feux sous la cendre' (1994), 'Les secrets d'Agnès Valière' (1996), 'La porte de l'enfer' (1997), 'Ballet noir' (1999), 'Escale à Brest' (2000), 'Tout nos soleils sont morts' (2002), 'La fille de Baal' (2005), 'Une écharde au cœur' (2010), 'L'0uest barbare' (2012).

++ Erstellt: Oktober 2013 ++  


Cody, Liza

(Pseudonym für Liza Nassim, *1944)

Liza Cody, geboren und aufgewachsen in London, studierte Kunst an der London Art School und der Royal Academy School of Art. Danach war sie unter anderem als Möbelschreinerin, Fotografin, Kunstmalerin, Roadie einer Londoner Rockband, Grafikerin und eine Zeit lang auch als Restauratorin in Madame Tussauds Wachsmuseum tätig. Ende der 70er-Jahre kam sie zum Schreiben von Krimis und Kurzgeschichten.

Von 1980 bis 1991 veröffentlichte Cody die sechsteilige, eher konventionelle Reihe mit Anna Lee als Protagonistin, einer ehemaligen Polzistin und jetzigen Angestellten der kleinen Londoner Detektivagentur Brierly Security. Im letzten Band 'Doppelte Deckung' geht Anna Lee, die mit David Quex eine etwas unbefriedigende Beziehung pflegt, nach Sarasota, Florida, wo sie eine vermisste Frau aufspüren soll - und den Überseeaufenthalt dazu benützt, ihr Leben neu zu überdenken. Die Serie wurde Mitte der 90er-Jahre in fünf Folgen für das englische Fernsehen verfilmt.

Mit der Ich-Erzählerin Eva Wylie erweckte Liza Cody 1992 eine der eindruckvollsten Figuren der modernen Kriminalliteratur zum Leben (auch Anna Lee kommt in den drei Romanen zu kleinen Auftritten). Eva Wylie, die "Killerqueen von London", eine hässliche, muskelbepackte und analphabetische, auf einem Schrottplatz in den Londoner Slums hausende Kampfhundhalterin mit Knastvergangenheit, ist Profi-Catcherin, Gelegenheitsdetektivin - und bei all ihren Schwächen eine starke, authentisch gezeichnete Underdog-Figur mit weichem Kern.

Im dritten Roman 'Eva langt zu' ist Eva Wiley am Boden zerstört. Für den Catchring gesperrt, verbringt sie die Tage mit ihren geistesgestörten Hunden in einem schäbigen Wohnwagen auf dem Schrottplatz und verrichtet hin und wieder einen miesen Job, wenn sie nicht gerade sturzbetrunken ist - als ihr unverhofft ein Haufen Geld in die Hände fällt. Evas Freude wird noch grösser, als wenig später ihre jahrelang verschollene Schwester Simone auftaucht. Doch dann kommen die bösen Buben, die es auf die fette Beute abgesehen haben - Evas Fäuste sind nun gefragt.

In ihrem kunstvoll gebauten Roman 'Gimme more' rechnet Cody mit der betrügerischen Musikindustrie ab. Im Mittelpunkt steht die ehemalige Musikerin Birdie Walker, deren charismatischer Lebensgefährte Jack vor 25 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Rockkarriere angeblich bei einer Feuersbrunst ums Leben gekommen ist. Als nun eine Plattenfirma um jeden Preis an unveröffentlichtes Material von Jack herankommen will, wittert die ausgekochte - von allen unterschätzte - Birdie ihre Chance auf den grossen Reibach; denn nur sie kennt die ganze Wahrheit über Jack.

Liza Cody, Mutter einer Tochter und zweifache Grossmutter, lebt als freie Autorin im südwestenglischen Badeort Bath, Somerset.

Bibliografie:
Anna Lee-Serie: 'Dupe' - 'Ein Spiel für Narren' (auch unter dem Titel 'Video-Piraten', 1980), 'Bad Company' - 'Schlechte Gesellschaft' (1982), 'Stalker' - 'Jäger-Latein' (1984), 'Head Case' - 'Kopfzerbrechen' (auch unter dem Titel 'Kopf kaputt', 1985), 'Under Contract' - 'Ungesetzlich geschützt' (1986), 'Backhand' - 'Doppelte Deckung' (1991);
Eva Wylie-Trilogie: 'Bucket Nut' - 'Was Sie nicht umbringt... Eva Wylies erster Fall' (auch unter dem Titel 'Schweres Geschütz', 1992), 'Monkey Wrench' - 'Eva sieht rot. Eva Wylies zweiter Fall' (auch unter dem Titel 'Schwesternkrieg', 1994), 'Musclebound' - Eva langt zu. Eva Wylies dritter Fall' (auch unter dem Titel 'Blüten für Mama', 1997);
Standalones: 'Gimme More' - 'Gimme more' (2000), 'Ballad of a Dead Nobody' (2011), 'Miss Terry' - 'Miss Terry' (2012), 'Lady Bag' - 'Lady Bag' (2013).

++ Erstellt: Juli 2013 ++
++ Update: September 2014 ++
 


Colby, Robert

(1919-2006)

Robert Colby kam in New York City zur Welt und besuchte das Mercer Junior College in New Jersey. Im Zweiten Weltkrieg nahm er als Infanterist am Angriff auf die Marshall- und Gilbertinseln und den Schlachten von Saipan und Okinawa im Pazifik teil. Später arbeitete er viele Jahre als Radio- und Fernsehreporter für die Stationen NBC und Mutual (New York City) und CBS (Hollywood) und verfolgte daneben eine nicht besonders erfolgreiche Laufbahn als Pulp- und Paperback-Autor. 1971 liess er das Sachbuch 'The California Crime Book' (es behandelt 17 Kriminalfälle, unter ihnen "Black Dahlia" sowie die Verbrechen der "Manson Familie" und des "Zodiak-Killers), in den 80er- und 90er-Jahren einige Kinderbücher folgen.

Robert Colby starb 2006, ein Jahr nach seiner Frau Francesca, mit der er die meiste Zeit in Los Angeles verbracht hatte. Nach seinem Tod geriet er rasch in Vergessenheit.

In den 50er-, 60er- und frühen 70er-Jahren Jahren verfasste Colby zahlreiche Short Stories für Alfred Hitchcock's Mystery Magazine und Mike Shaynes' Mystery Magazine sowie siebzehn Krimis, darunter 'The Captain Must Die', sein bekanntester und weitaus bester Roman, von dem es leider keine deutsche Übersetzung gibt.

'The Captain Must Die', eine rabenschwarze, mit vielen Zeitsprüngen erzählte Geschichte, kreist um zerbrochene Hoffnungen, Rachegefühle, Hass und Paranoia, fünf Figuren kommen abwechslungsweise zu Wort: Die drei ehemaligen GIs Brick, Val und Barney, die am Ende des Zweiten Weltkriegs für zwölf Jahre ins Gefängnis mussten, ihr ehemaliger Vorgesetzter Captain Driscoll (jetzt ein erfolgreicher Geschäftsmann in Louisville) und dessen Frau Madge. Als die Ex-Soldaten endlich auf freien Fuss kommen, haben sie nur noch eines im Sinn: Rache zu nehmen am Captain für das, was er ihnen im Krieg angetan hatte.

Von Colbys vier auf Deutsch vorliegenden Krimis sollte man tunlichst die Finger lassen - grauenhaft übersetzter Sex-and-Crime-Schund.

Bibliografie:
'The Quaking Widow' - 'Tödliche Erbschaft' (1956), 'These Lonely, These Dead' (1959), 'Murder Mistress' (1959), 'The Captain Must Die' (1959), 'Secret of the Second Door' (1959), 'The Deadly Desire' (1959), 'Make Mine Vengeance' - 'Puppen à la carte' (1959), 'The Star Trap' (1960), 'Run for the Money - 'Sonst stirbt deine Puppe' (1960), 'In a Vanishing Room' (1961), 'Kill Me a Fortune' (1961), 'Lament for Julie' (1961), 'Kim' (1962), 'Beautiful But Bad' (1962), 'The Faster She Runs' (1963), 'Executive Wife' - 'Die Frau des Chefs' (1964), 'Murder Times Five' - 'Killer!' (1972).

++ Erstellt: Juni 2013 ++  


Coleman, Reed Farrel

(*1956; schreibt auch als Tony Spinosa)

Reed Farell Coleman wurde als jüngster von drei Söhnen einer jüdischen Familie in Brooklyn geboren und wuchs auch dort auf. Er besuchte die Abraham Lincoln High School in Brooklyn und schrieb in dieser Zeit seine ersten Gedichte. Später arbeitete er unter anderem als Verkäufer von Babynahrung, als Koch, Taxi- und Lastwagenfahrer, war aber auch drei Jahre Mitherausgeber der Zeitschrift 'Poetry Bone'. In der Freizeit besuchte er Abendkurse in Schreiben am Brooklyn College und an der New School in Manhattan, wo er seine Frau Rosanne kennen lernte. 1991 veröffentlichte er seinen ersten Krimi. Nebenbei unterrichtet er Romanschreiben an der Hofstra University. Er lebt mit seiner Frau und den zwei Kindern in Suffolk County auf Long Island.

Colemans Werk besteht zurzeit aus 16 Krimis, von denen drei unter dem Pseudonym Tony Spinosa erschienen sind, rund ein Dutzend Gedichte sowie zahlreiche, in Zeitungen und Zeitschriften publizierte Kurzgeschichten und Essays. Colemans wertvollster Beitrag zur Kriminalliteratur ist die Reihe um Moses "Moe" Prager aus Brooklyn, deren erster Band auch auf Deutsch erhältlich ist.

Moe Prager entstammt einer jüdischen Familie. Wegen einer Knieverletzung ist er nach zehn Jahren aus dem Dienst beim NYPD ausgeschieden. Er betreibt mit seinem Bruder Aaron in Brooklyn ein paar Weinhandlungen und hat eine Lizenz als Privatdetetiv, die irgendwo herumliegt. Manchmal trauert er seiner Zeit bei der Polizei nach. Moe ist ein intelligenter, selbstkritischer, zum Grübeln neigender Zeitgenosse mit viel Einfühlungsvermögen und Sinn für Humor. Im ersten, 1978 spielenden Roman lernt er seine zukünftige Frau Katy kennen: Sie ist die ältere Schwester des vermissten Studenten Patrick, den Moe im Auftrag ihres mächtigen und gefährlichen, ja monströsen Vaters Francis Maloney, eines Politikers mit unrühmlich beendeter Laufbahn als Polizeibeamter, aufspüren soll - doch alles ist ganz anders, als es zunächst den Anschein macht. Die unheilsamen Verflechtungen zwischen Moe Prager und der Familie Maloney, an denen Moes Ehe schliesslich zerbricht, prägen auch die nachfolgenden - in den 80er- und 90er-Jahren spielenden - Bände der Serie. Im sechsten, Anfang der Nuller-Jahre angesiedelten Roman 'Innocent Monster' spielt auch Moes (und Katys) 1980 geborene Tochter Sarah eine Rolle: Sie beauftragt ihren Vater, von dem sie sich entfremdet hat, die elfjährige Tochter ihrer besten Jugendfreundin aufzuspüren, der finstere Fall führt Moe in die New Yorker Künstlerszene.

Colemans weitere wiederkehrende Figuren sind Dylan Klein, ein Privatdetektiv aus New York City, der eine Laufbahn als Autor anstrebt; und Joe Serpe, ein ehemaliger NYPD-Cop, der mit seinem Partner Bob Healy private Ermittlungen durchführt, daneben aber auch die Bar 'The Odd Couple' und einen Heizöl-Lieferdienst betreibt (die Joe Serpe-Romane sind unter dem Pseudonym Tony Spinosa erschienen). Gemeinsam mit seinem irischen Freund Ken Bruen hat Coleman 2009 den Krimi 'Tower' herausgegeben.

Bibliografie:
Dylan Klein-Serie: 'Life Goes Sleeping' (1991), 'Little Easter' (1993), 'They Don't Play Stickball in Milwaukee' (1997);
Moe Prager-Serie: 'Walking the Perfect Square' - 'Spur ins Gestern' (2001), 'Redemption Street' (2004), 'The James Deans' (2005), 'Soul Patch' (2007), 'Empty Ever After' (2008), 'Innocent Monster' (2010), 'Hurt Machine' (2011), 'Onion Street' (2013);
'Gun Church' (2012).
Als Tony Spinosa: Joe Serpe-Serie: 'Hose Monkey' (2006), 'The Fourth Victim' (2008).
Gemeinsam mit Ken Bruen: 'Tower' - 'Tower' (2009).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Mai 2013 ++
++ Oktober 2013 ++
 


Compart, Martin

(*1954)

Martin Compart kam in Witten/Ruhr zur Welt. Nach der Schulzeit und der Bundeswehr arbeitete er bei den Wittener 'Ruhr-Nachrichten' und schrieb für die Kult-Magazine 'Comixene' und 'Science Fiction Times'. Während des Studiums der Politikwissenschaften gründete er die AG Kriminalliteratur. 1982 wurde er Herausgeber des legendären Ullstein-Krimiprogramms 'Gelbe Reihe'. 1986 wechselte er zu Bastei-Lübbe, wo er unter anderem die Krimireihe 'Schwarze Serie' betreute. Daneben war er stets auch als Journalist und Krimikritiker tätig. 1989 machte er sich selbständig und schrieb für Printmedien wie 'Spiegel', 'taz', 'Esquire', 'Musikexpress' und 'TV-Spielfilm' und den Rundfunk. Daneben verfasste er Drehbücher für das Fernsehen sowie Kriminalhörspiele.

Von 1999 bis 2000 gab Compart 21 Kriminalromane (Derek Raymond! George Pelecanos!) und den Reader 'Noir 2000' in der wertvollen Reihe 'DuMont Noir' heraus. 2000 zeichnete er für das Standardwerk 'Crime TV. Lexikon der Krimi-Serien' verantwortlich. 2004 folgte der zweite Noir-Reader 'Dark zone', 2010 'G-Man Jerry Cotton - Eine Hommage' und 2013 die eBooks 'Paint it Black - Über Noir-Fiction' und 'Die Krays - Ein Gangster-Mythos'. Seit 2014 ist er Herausgeber der Flashman-Papers im Kuebler Verlag. In seinem inspirierenden Blog beschäftigt sich Compart auf polemische Weise mit Themen aus den Bereichen populäre Kultur, True Crime, Politik und Geschichte.

Im Jahr 2001 veröffentlichte Martin Compart seinen ersten Krimi 'Der Sodom-Kontrakt' (Untertitel: Ein politisch unkorrekter Anti-EU-Thriller) in dem von ihm mitgegründeten Strange Verlag, sechs Jahre später erschien eine leicht entschärfte Version im Berliner Alexander Verlag von Alexander Wewerka, dem Herausgeber des grandiosen Werks des 1995 verstorbenen US Autors Ross Thomas - des Präsidenten der "Gruppe Oberbaumbrücke", die Martin Compart zusammen mit seinem Freund Jörg Fauser zu Beginn der 80er-Jahre ins Leben rief…

'Der Sodomkontrakt' ist ein harter, kompromissloser, aus hin- und herspringenden Perspektiven erzählter Politroman über das Aufkommen des organisierten Verbrechens in Europa nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, ein Roman über Geldgier, Machthunger und Perversion - der unsägliche Fall Dutroux bildet den Hintergrund. Im Mittelpunkt steht Gill (Vorname unbekannt), ein ehemaliger Geheimagent und Söldner in allen Krisenherden dieser Welt, der sich jetzt im Ruhrgebiet als Sicherheitsexperte und Privatdetektiv durchschlägt. Als sein Kollege Harry Brenner, der offenbar einer grossen Sache auf der Spur war, von den Berufskillern Schmidt und Schneider getötet wird und diese ihm den Mord in die Schuhe schieben, kann Gill mit Hilfe seines zwielichtigen Kumpels Klaus Danner alias "Karibik-Klaus" in letzter Minute untertauchen. Es folgt eine blutige Jagd von Deutschland nach Belgien und wieder zurück, bei der neben den beiden monströsen Hitmen, der granatenharten, Männer verschlingenden Polizistin Alexa Bloch (Leiterin der Dortmunder Mordkommission), dem versoffenen Bullen Wilcke, dem Bordellbesitzer Klaus Danner und weiteren bizarren Gestalten auch der Bundesnachrichtendienst und widerwärtige Politiker mitmischen. Rasante Handlungsführung, grossartige Dialoge und knackige Sprüche - erstklassiger Lesestoff, jedoch nichts für schwache Nerven.

Auch in seinem zweiten (von einem Kritiker anerkennend als Schundroman mit Tiefgang bezeichneten) Thriller 'Die Lucifer-Connection' wartet Compart mit einem zornigen Plot auf. Was scheinbar harmlos mit dem Verschwinden eines schwarzen Kätzchens beginnt, führt zu einem Massengrab voller Kinder in der Nähe von Dortmund, zu einem international agierenden Netzwerk von Satanisten, zum Bösen schlechthin. Als Gill, Polizeidirektorin Alexa Bloch (Gills beste Freundin, seit sie ihm das Leben gerettet hat) und "Karibik-Klaus" den Zusammenhang der Fälle erkennen, machen sie Jagd auf die Kindermörder und Frauenschänder. Doch dann verabredet sich Alexa mit dem charismatischen Satanisten-Beauftragten der katholischen Kirche Professor Erik Zaran - das Unheil ist nun nicht mehr aufzuhalten. Der Dschungel von Sierra Leone (nach dem Bürgerkrieg ein zerrissenes, von westlichen Grosskonzernen ausgebeutetes Land), die Londoner Unterwelt, Wien (mit einem überraschenden Auftritt von Günter Brödls Krimifigur Doc Trash!) und eine Burgruine an der Donau sind die Schauplätze des wilden, blutigen Kampfs, den Gill und "Karibik-Klaus" mit ihrer kleinen Privatarmee den Satanisten und ihren durchgeknallten Schergen aufzwingen.

Der schlanke, schmutzige Noir-Roman 'Die Lemminge im Palast der Gier' gehört den beiden unehrenhaft entlassenen Afghanistan-Veteranen Andy und Vladi, die ihrem trostlosen Leben neuen Schub verleihen wollen, indem sie mit zwei Kumpeln den Geldtransport eines Gangsters überfallen. Der Raub gelingt, doch dann geht alles den Bach runter. Gill spielt hier nur eine kleine, aber entscheidende Rolle (und ist auch im Bonus-Track 'Im Wald', einer zehnseitigen Backwood-Story, kurz und effizient am Werk zu sehen).

Bibliografie:
Gill-Romane: 'Der Sodom-Kontrakt' (2001), 'Die Lucifer-Connection' (2011), 'Die Lemminge im Palast der Gier' (2014);
'Moneyshot' (eBook, 2012).

++ Erstellt: Mai 2016 ++  


Condon, Richard

(1915-1996)

Richard Condon kam in New York City auf die Welt. Nach seinem Dienst bei der amerikanischen Handelsmarine und einem Abstecher in die Werbebranche verfolgte er eine schriftstellerische Laufbahn. Er war Drehbuch- und Bühnenautor, aber auch Theaterregisseur, bevor er sich Ende der 50er-Jahre dem Roman zuwandte. Als begeisterter Globetrotter lebte er mit seiner aus der Ehefrau Evelyn Hunt und den zwei Töchtern bestehenden Familie lange Zeit abwechselnd in Paris, Madrid, New York, Genua und Mexiko City. Seine letzten Jahre verbrachte Condon in der texanischen Stadt Dallas, wo er 81-jährig starb.

Condons bekanntestes Buch 'Botschafter der Angst' kam 1959 heraus und wurde zweimal verfilmt. Es dreht sich um den jungen Journalisten Sergeant Raymond Shaw, der, eben erst aus dem Koreakrieg zurückgekehrt, in ganz Amerika als Held gefeiert wird. Was niemand weiss: Shaw ist in einem Gefangenenlager in der fernen Mandschurai von kommunistischen Wissenschaftlern mittels Gehirnwäsche zum Killer umgepolt worden. Die ausländischen Verschwörer spielen indes schon bald keine wesentliche Rolle mehr, denn Shaw wird jetzt zum Spielball seiner machthungrigen, intriganten, in zweiter Ehe mit dem grobschlächtigen Senator John Iselin verheirateten Mutter. Ihr Gegenspieler ist Shaws früherer Vorgesetzter und bester Freund Major Ben Marco, der herauszufinden versucht, was damals in der Mandschurai wirklich geschah. Condon zeichnet in seinem anspruchsvollen, mit satirischen und surrealen Elementen angereicherten Roman ein farbiges Bild von der amerikanischen Politszene in der Hochblüte des Kalten Krieges.

Von 1982 bis 1994 veröffentlichte Condon die vierteilige Serie um die umtriebige, von Don Corrado angeführte Mafiafamilie Prizzi aus New York City. Im ersten Band der Prizzi-Saga ('Die Ehre der Prizzis') verliebt sich der etwas einfältige, für die Prizzis tätige Killer Charley Partanna in Irene Walker, die Frau eines seiner Opfer, die denselben Beruf wie Charley ausübt. Das reizende Paar plant bereits die Hochzeit, als es den Auftrag erhält, sich gegenseitig umzulegen. Die Verfilmung durch John Huston mit Jack Nicholson und Kathleen Turner in den Hauptrollen kam 1985 in die Kinos.

Bibliografie:
'The Oldest Confession' - 'Rendezvous in Madrid' (1958), 'The Mandchurian Candidate' - 'Botschafter der Angst' (1959), 'Some Angry Angel' (1960), 'A Talent for Loving' (auch unter dem Titel 'The Great Cowboy Race' (1961), 'An Infinity or Mirrors' - 'Jahre der Nacht' (1964), 'An God Will Do' (1966), 'The Ecstasy Business' (1967), 'Mile High' - 'Nur Geld zählt' (1969), 'The Vertical Smile' (1971), 'Arigato' - 'Arigato-Coup' (1972), 'Winter Kills' - 'Der Patriarch' (1974), 'The Star-spangled Crunch' (1974), 'Money is Love' (1975), 'The Whisper of the Axe' - 'Das Messer' (1976), 'The Abandoned Woman' (1977), 'Bandicoot' - 'Der Dandy-Gauner' (1978), 'Death of a Politician' (1978), 'The Entwining' (1980), 'A Trembling Upon Rome' (1983), 'Emperor of America' (1990), 'The Final Addiction' (1991), 'The Venerable Bead' (1992);
Prizzi-Serie: 'Prizzi's Honor' - 'Die Ehre der Prizzis' (1982), 'Prizzi's Family' - 'Die Familie der Prizzis' (1986), 'Prizzi's Glory' - 'Der Ruhm der Prizzis' (1988), 'Prizzi's Money' (1994).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Constantine, K.C.

(Pseudonym für Carl Constantine Kosak, *1934)

Über K.C. Constantines bürgerlichen Namen wurde lange Zeit gerätselt - er lautet Carl Constantine Kosak. Geboren in der kleinen Industriestadt McKees Rock, Pennsylvania, auf dem Höhepunkt der Grossen Depression, diente Kosak in den frühen 50er-Jahren bei den US Marines. Nach dem Studium am Westminster College in New Wilmington, Pennsylvania, ging er verschiedenen Tätigkeiten nach. Zuletzt lehrte er Kreatives Schreiben an der Seton Hill University in Greensburg, Pennsylvania, bis er 1993 gefeuert wurde. Neben seinen Brotberufen begann er bereits Anfang der 70er-Jahre zu schreiben - und erweckte mit Mario Balzic eine der faszinierendsten Krimifiguren zum Leben. Der die Öffentlichkeit scheuende Autor lebt mit seiner Frau Linda in Greensburg, Pennsylvania. Ein längeres "Interview" mit Kosak kann auf der Website 'Badattitudes.com' nachgelesen werden - dort gibt er die jung verstorbene Romanautorin Flannery O'Connor und den Philosophen und Autor des Buches 'The True Believer' als seine wichtigsten Einflüsse an. Am 2. Mai 2011, am Festival of Mystery in Oakmont, Pennsylvania, trat Kosak zum ersten Mal in der Öffentlichkeit auf und signierte seine Werke.

Mario Balzic, in dessen Adern italienisches und serbisches Blut fliesst, bildet den Mittelpunkt in dreizehn der siebzehn zwischen 1972 und 2000 erschienenen Rocksburg-Romanen - handlungsarmen, dialogreichen, mit lässigem Humor erzählten Geschichten, in denen Constantine ein recht pessimistisches Bild einer von Neid, Missgunst und Korruption zerrütteten amerikanischen Gesellschaft zeichnet. Balzic ist zuerst Polizeichef, dann, in 'Family Values' und 'Blood Mud', Privatdetektiv in dem heruntergekommenen (fiktiven) Bergwerksstädtchen Rocksburg - gemeint ist Kosaks Geburtsort McKees Rock. Assistiert wird er u.a. von Detective Sergeant Ruggiero "Rugs" Carlucci, der in 'Good Sons' Balzics Nachfolge als Polizeichef antritt. Constantines siebzehntes und letztes Buch 'Saving Room for Desert' sieht drei Steifenpolizisten im Einsatz, und Mario Balzic kommt zu einem Cameo-Auftritt.

Mario Balzic, die "Amerikanische Antwort auf Kommissar Maigret", ist ein Polizist mit Ecken und Kanten, der sich in seine Kriminalfälle verbeisst und es vorzüglich versteht, sich auf Menschen und ihre Milieus einzulassen, ein pfiffiger, sprachgewandter und teilnahmsvoller, ab und zu ein paar Gläser zu viel kippender Gemütsmensch, der seine cholerische Seite meistens gut unter Kontrolle hat - einzig seine bürokratischen Kollegen und Vorgesetzten reizen ihn oftmals bis aufs Blut. Er hat zwei Töchter, Emily und Marie, und führt mit Ruth eine befriedigende Ehe, wenngleich seine von ihm vergötterte Mutter, die im Fortgang der Reihe einen schweren Hirnschlag erleidet, unter demselben Dach lebt; Balzic hält sich allerdings nur selten zuhause auf.

In Constantines Meisterwerk 'Tomaten von unten' muss Mario Balzic von Anfang an bös unten durch: Tag für Tag zähe Sitzungen mit Politikern und Anwälten, die den neuen Tarifvertrag der Polizei verhandeln; Gattin Ruth kontrolliert ständig seinen Mund nach Zeichen übermässigen Rotweinkonsums (rote Zähne!); der nichtsnutzige Mann einer engen Bekannten aus seiner Jugendzeit ist verschwunden; und ganz am Schluss enhüllt Balzic ein schreckliches Familiendrama, das ihm ungemein nahe geht - und in dem Tomaten eine nicht unbedeutende Rolle spielen.

Bibliografie:
Rocksburg-Serie: 'The Rocksburg Railroad Murders' - 'Die Morde von Rocksburg' (auch unter dem Titel 'Mord in einer kleinen Stadt', 1972), 'The Man Who Liked to Look at Himself' - 'Ohne Sitte und Moral' (auch unter dem Titel 'Filme für den Staatsanwalt', 1973), 'The Blank Page' - 'Ein unbeschriebenes Blatt' (1974), 'A Fix Like This' - 'Eine abgekartete Sache' (1975), 'The Man Who Liked Slow Tomatoes' - 'Tomaten von unten' (1982), 'Always a Body to Trade' - 'Immer ein As in der Tasche' (1983), 'Upon Some Midnights Clear' - 'Eine schöne Bescherung' (1985), 'Joey's Case' - 'Joeys Ende' (1988), 'Sunshine Enemies' - 'Blues für Mario Balzic' (1990), 'Bottom Liner Blues' (1993), 'Cranks and Shadows' (1995), 'Good Sons' (Rugs Carlucci-Roman, 1996), 'Family Values' (1997), 'Brushback' (Rugs Carlucci-Roman, 1998), 'Blood Mud' (1999), 'Grievance' (Rugs Carlucci-Roman, 2000), 'Saving Room for Desert' (2002).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Januar 2011 ++
++ Update: Juni 2013 ++
 


Conteris, Hiber

(*1933)

Hiber Conteris wurde in der uruguayischen Stadt Paysandu geboren und wuchs in Montevideo auf, wo sein Vater in der Fleischindustrie beschäftigt war. Nach dem Literaturwissenschafts-Studium in Buenos Aires und Montevideo arbeitete er für die methodistische Kirche und publizierte Artikel im Wochenmagazin 'Marcha', das 1974 verboten wurde. Von 1966 bis 1968 war er an der Pariser Sorbonne und erwarb dort einen Doktortitel in Literaturwissenschaft. Zurück in seiner Heimat, lehrte er Ideengeschichte an einer bedeutenden Universität.

Conteris war von 1968 bis 1970 Mitglied der revolutionären Nationalen Befreiungsbewegung, der MLN-Tupamaros. 1972 ging er für zwei Jahre ins freiwillige Exil nach Europa und arbeitete an der Université Catholique de Louvain in Belgien sowie in der deutschen Stadt Bielefeld, wo er für ein Rundfunkprogramm und verschiedene Zeitschriften Beiträge verfasste. 1976 wurde er von der Militärjunta verhaftet, gefoltert und zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Bis zu seiner Amnestierung 1985 sass er im Gefängnis für politische Sträflinge, das von den Militärs "Libertad" genannt wurde. Seine einzige Lektüre während der Haft bestand aus Raymond Chandlers Romanen und Frank MacShanes Chandler-Biografie - Werke, die er schliesslich auswendig kannte. Nach mehreren Jahren erhielt er die Erlaubnis, selbst zu schreiben. Es resultierten der Krimi 'Zehn Prozent für Marlowe' und weitere Romane, aber auch Theaterstücke und eine Reihe von Kurzgeschichten.

'Zehn Prozent für Marlowe', angesiedelt im Los Angeles des Jahres 1956, ist ein waschechter Philip Marlowe-Krimi, in dem der Detektiv als Ich-Erzähler dem als Suizid getarnten Mord an Chandlers Literaturagent Yensid Andress auf den Grund geht. Auch Chandler wird (wenn auch nur am Rande) in den Fall involviert - eine hübsche, geschickt umgesetzte Idee. Der Roman spielt in der McCarthy-Zeit, als Kommunisten in Hollywood einem Berufsverbot unterstanden. Marlowe findet heraus, dass Andress auch einigen auf McCarthys schwarzer Liste stehenden Drehbuchautoren eine Chance geben wollte - musste er dafür mit dem Leben bezahlen?
Abgerundet wird der Krimi durch einen "Chandler-Test", ein kluges Nachwort des Krimiautors Robert Brack und eine längere Diskussion über Krimi-Detektive, die Chandler Mitten im Roman mit seinen 'Black Mask'-Kollegen John Butler, W.T. Ballard und Cleve Adams führt; sowie durch die herrliche Szene, in der sich Chandler und Marlowe zusammensetzen und ihr Verhältnis zueinander Revue passieren lassen (Marlowe ist in Conteris' Buch ein guter Bekannter des Krimiautors und zugleich Vorbild für dessen legendäre Romanfigur).

Hiber Conteris, dessen Sohn Marcos 24-jährig in Nicaragua im Kampf gegen die Contras gefallen ist, liess sich 1985 in den Vereinigten Staaten nieder, wo er zuerst an der University of Wisconsin in Madison spanisch-amerikanische Literatur unterrichtete. Anschliessend war er Leiter der Abteilung für Moderne Sprachen an der Alfred University in New York und danach, von 1997 bis 2006, Dozent für Spanische Literatur und lateinamerikanische Politikwissenschaften an der University of Arizona in Tucson. Neben seiner Lehrertätigkeit schrieb er Literaturkritiken, Sachbücher, Gedichte, Theaterstücke und Romane. 2006 kehrte er in sein Mutterland zurück. Sein letzter Roman 'Cuarteto' ist 2007, sein letztes Bühnenwerk 2008 erschienen. Conteris lebt in Montevideo.

Bibliografie:
'El Diez Por Ciento de Vida' - 'Zehn Prozent für Marlowe' (1985).

++ Erstellt: März 2011 ++  


Cook, Thomas H.

(*1947)

Thomas H. Cook, geboren im Vorgebirgsstädtchen Fort Payne, Alabama, studierte bis 1969 Englisch und Philosophie am Georgia State College und machte danach Master-Abschlüsse in Amerikanischer Geschichte am New Yorker Hunter College (1972) und in Philosophie an der Columbia University in Manhattan (1976). Von 1978 bis 1981 war er als Englisch- und Geschichtslehrer am Dekalb Community College in Clarkson, Georgia, tätig, parallel dazu verfasste er Literaturkritiken für das 'Atlanta Magazine', bis er 1982 das Romanschreiben zum Hauptberuf machte. Heute lebt er als freier Schriftsteller mit seiner Frau Susan Terner, einer Radioautorin, in New York City und Cape Cod. Sie haben eine Tochter, Justine.

In seinen Romanen (im Original bisher über zwanzig Titel, fast nur Einzelwerke), befasst sich Cook zumeist mit weit zurückliegenden Verbrechen und ihren Auswirkungen auf die Gegenwart. Ausnahme: Die von 1988 bis 1990 erschienene Frank Clemons-Trilogie dreht sich um einen Detective von der Mordkommission in Atlanta, der sich nach dem ersten Band ('Die Tote von Atlanta') als Privatermittler in New York City selbständig macht.

Zu Cooks herausragenden Büchern gehört der subtile Psychothriller 'Das Verhör' aus dem Jahr 2002. Der Obdachlose Albert Jay Smalls, ein schmächtiger, kindlich wirkender Bursche Mitte zwanzig, wird des Mordes an einem 8-jährigen Mädchen verdächtigt, und die beiden Cops Detective Norman Cohen und Detective Jack Pierce, dessen kleine Tochter vor vier Jahren ermordet worden ist, haben noch genau elf Stunden Zeit, um ihn der Tat zu überführen - so will es das Gesetz. Die routinierten, aufeinander eingespielten Ermittler setzen den verstockten Verdächtigen, der das Opfer offenbar von früher her kannte, mächtig unter Druck, drängen ihn in die Ecke, durchforsten seine Vergangenheit - bis zur totalen Erschöpfung aller Beteiligten. Die zu Beginn der 50er-Jahre in einer fiktiven Grosstadt spielende Geschichte, ein düsteres, tief in seelische Abgründe eindringendes, mit vielen Zeitsprüngen und Szenenwechseln erzähltes Kammerspiel, versetzt den Leser in Dauerspannung - und wartet auf der letzten Seite mit einer unerwarteten Lösung auf.

Drei Jahre später folgte der fast ebenso starke Roman 'Das Gift des Zweifels'. Er erzählt von Eric Moore, einem glücklich verheirateten Inhaber eines kleinen Fotoladens, und seinem 15-jährigen Sohn Keith, einem höflichen, etwas ängstlichen Einzelgänger. Eines Tages bricht die Katastrophe in das Leben der Moores ein: Keith wird von der Nachbarsfamilie Giordano wie schon oft gebeten, auf deren 8-jährige Tochter Amy aufzupassen, am nächsten Morgen ist das Mädchen spurlos verschwunden, sein Pijama wird vor der Stadt gefunden. Keith gerät unter Verdacht, er beteuert seine Unschuld, Eric versucht ihn zu beschützen - und wird doch den Verdacht nicht los, dass sein Sohn ein Kinderschänder und Mörder sein könnte. Aus Verunsicherung entstehen Misstrauen und Zweifel, die Welt der Moores zerbirst.

Neben seinen Krimis publizierte Cook die True Crime-Bücher 'Blood Echoes', 'Early Graves' und 'A Father's Story' sowie - gemeinsam mit Otto Penzler - Anthologien mit den besten amerikanischen Kurzkrimis der Jahre 2002 bis 2004. Darüber hinaus brachte er die zehnteilige Fernsehserie 'Taken' - sie befasst sich mit den Folgen des sensationellen UFO-Absturzes bei Roswell, New Mexico, im Juli 1947 - in Romanform.

Bibliografie:
Frank Clemons Trilogie: 'Sacrificial Ground' - 'Die Tote von Atlanta' (1988), 'Flesh and Blood' (1989), 'Night Secrets' (1990);
'Blood Innocents' (1980), 'The Orchids' (1982), 'Tabernacle' (1983), 'Elena' (1986), 'Streets of Fire' - 'Stadt in Flammen' (1989), 'Evidence of Blood' - 'Blutspuren' (1991), 'The City When it Rains' (1991), 'Mortal Memory' - 'Tödliche Erinnerung' (1993), 'Breakheart Hill' - 'Die Last des Bösen' (1995), 'The Chatham School Affair' - 'Wer das Dunkel erblickt' (1996), 'Instruments of the Night' - 'Die Quelle der Furcht' (1998), 'Places in the Dark' (2000), 'The Interrogation' - 'Das Verhör' (2002), 'Read Leaves' - 'Das Gift des Zweifels' (2005), 'Murmur of Stones' (auch unter dem Titel 'The Cloud of Unknowing') - 'Trugbild' (2007), 'Master of the Delta' (2008), 'The Fate of Katherine Carr' (2009), 'The Last Talk With Lola Faye' (2010), 'The Quest for Anna Klein' (2011), 'The Crime of Julian Wells' (2012), 'Sandrine's Case' (auch unter dem Titel 'Sandrine', 2013).

++ Erstellt: März 2014 ++  


Corley, Edwin Raymond

(1931-1981; schrieb auch als Patrick Buchanan, Will Collins, David Harper und William Judson)

Edwin Corley, geboren in Bayonne, New Jersey, wurde als Minderjähriger Feldwebel bei der US Air Force. Später arbeitete er unter anderem als Feuerschlucker, aber auch als Vizepräsident einer grossen Werbeagentur. Er lebte mit seiner Frau und den zwei Kindern in New York City, als er 1969 seinen ersten Roman 'Siege' ('Belagerung') veröffentlichte, der auf die Bestsellerliste der 'New York Times' kam. Corley entschloss sich daraufhin zu einer Laufbahn als Autor. Von seinen 24 Romanen - drei Kinderbücher unter dem Pseudonym William Judson, Erwachsenenbücher (Krimis, Abenteuer- und Katastrophenromane und historische Romane unter bürgerlichem Namen und den Pseudonymen Patrick Buchanan, Will Collins und David Harper) wurden drei verfilmt und blieben die beiden letzten unveröffentlicht. Corley schrieb auch für Bühne und Film. Er starb 50-jährig in Gulfport, Mississippi.

'Belagerung. Roman eines Aufstandes', angesiedelt in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre, erzählt die Geschichte einer drei Tage dauernden, ungemein blutigen Belagerung. Eine perfekt geschulte, mit modernen Waffen ausgerüstete Armee von Schwarzen, angeführt von Generalmajor Shawcross, dessen Frau und zwei kleine Söhne am Anfang der Romans ermordet werden, dem charismatischen und rücksichtslosen politischen Führer Gray, der das Attentat auf Malcolm X im Februar 1965 hautnah erlebt hat, und dem militanten Dichter Carpenter, besetzt Manhattan und sprengt die zu ihr führenden Brücken in die Luft - die Insel soll das Mittel sein, um New Jersey als Lebensraum für die (damals 22 Millionen zählende) schwarze Bevölkerung der USA zu gewinnen. Ihre wichtigsten Gegenspieler: der schwarze (mit Shawcross befreundete!) Oberst Dewey, der überzeugt ist, dass Separatismus der falsche Weg für die Afroamerikaner ist, und der Präsident der Vereinigten Staaten, ein mutiger Mann mit viel Verständnis für die Anliegen der schwarzen Bevölkerung.

Gemeinsam mit Jack Murphy, unter dem Pseudonym Patrick Buchanan, verfasste Corley vier harte Krimis um den ex-Cop Ben Shock aus New York City und die schöne, hoch intelligente Ex-TV-Nachrichtensprechern Charity Tucker (sie wurde vergewaltigt; Ben, damals noch ein Cop, erschoss den Täter und verlor deshalb seinen Job), die als lizenzlose Privatdetektive bzw. Troubleshooter in der Welt herumkommen.

Bibliografie:
'Siege' - 'Belagerung' (1969), 'The Jesus Factor' - 'Der Jesus-Faktor' (1970), 'Acapulco Gold' (1972), 'Sargasso' (1977), 'Air Force One' (1978), 'The Genesis Rock' (1980).
Als Patrick Buchanan (gemeinsam mit Jack Murphy): Ben Shock & Charity Tucker-Serie: 'A Murder of Crows' - 'Eine Stadt in Angst' (1970), 'A Parliament of Owls' - 'Amoklauf' (1971), 'A Requiem of Sharks' - 'Der Hai im Haus' (1973), 'A Sounder of Swine' (1974).
Als David Harper: 'Hijacked' (auch unter dem Titel 'Skyjacked') - 'Helden sind gefährlich' (1970), 'Big Saturday' (1971), 'The Green Air' (1973), 'The Patchwork Man' - 'Der tödliche Augenblick' (1975).
Als Will Collins: 'Grizzly' (1976).

++ Erstellt: Oktober 2010 ++  


Courtier, S.H.

(Kürzel für Sidney Hobson Courtier, 1904-1974)

Sidney H. Courtier wurde in Kangaroo Flat, im südostaustralischen Bundesstaat Victoria, als Sohn eines leitenden Minenarbeiters geboren und ging im Nachbarort Bendigo zur Schule. Nach dem Studium an der University of Melbourne arbeitete er in mehreren Kleinstädten Victorias als Lehrer, bis er 1965 in den Ruhestand trat. Beeinflusst durch sein grosses Vorbild Arthur Upfield, begann er Anfang der 50er-Jahre nebenbei zu schreiben. Sein Werk enthält zahlreiche Kurzgeschichten und Artikel für verschiedene Magazine, ein paar nicht dem Krimigenre angehörende Romane, etliche Radiohörspiele sowie vor allem 23 Krimis, darunter zwei siebenteilige Serien, in denen die Polizisten Detective Inspector C.J. "Digger" Haig (in den deutschen Übersetzungen heisst er seltsamerweise William Haig) bzw. Superintendent Ambrose Mahon als Serienfiguren auftreten, ohne dabei wirklich im Mittelpunkt zu stehen - als Ich-Erzähler fungiert zumeist das Opfer oder ein Angehöriger des Opfers. Mehrere Krimis sind im Outback angesiedelt, das Coutier ausgiebig bereist hatte. Dies gibt dem Autor Gelegenheit, sich mit dem Brauchtum und der Geschichte der Aborigines zu befassen, und auch poetischen Schilderungen der urwüchsigen Landschaft wird viel Platz eingeräumt.

Inspector Haig von der Kriminalpolizei Brisbane, Queensland, ist ein hässlicher, grobknochiger, etwas bärbeissiger, aber blitzgescheiter Fahnder, der ständig selbst gedrehte Zigaretten raucht. Seine Freunde nennen ihn Digger, weil er immer wieder überraschende Fakten ausgräbt bzw. ans Tageslicht bringt. Er führt seine Ermittlungen oft auch ausserhalb der Grossstadt, im Outback, durch. 'Träume zu verkaufen' etwa spielt im nördlichsten Teil von Queensland, im "Traumzeitland Alchera", wo den Touristen schaurige Eingeborenenriten präsentiert werden - bis einer der Mitarbeiter ermordet wird.

Eine Besonderheit der Ambrose Mahon-Krimis ist die Tatsache, dass der attraktive und charmante Protagonist zwar der Kriminalpolizei von Sydney, New South Wales, vorsteht, jedoch in den meisten Büchern zu Auswärtsspielen kommt, indem er bei Reisen durch Australien über Verbrechen stolpert - und diese dann natürlich auflöst. Im letzten Band 'Der Vogelmord', einem der feinsten Werke des Autors, überlässt Mahon die Ermittlungen ganz seinen Untergebenen und tritt erst auf den letzten Seiten kurz in Erscheinung. Die Hauptrolle bekleidet Sergeant Mike Austin, dessen bescheidener, allseits beliebter, im Hinterland von New South Wales als Grundschullehrer arbeitender Bruder Harry beinahe Opfer eines Mordanschlags geworden wäre - es geht um Falschmünzerei im grossen Stil.

Der seit 1933 mit Audrey verheiratete Autor erlitt 1967 einen schweren Hirnschlag mit Lähmungen und Verlust der Sprache. Verbissen kämpfte er gegen seine Defizite an, lernte wieder sprechen - und schrieb dann vier Krimis, die sich mit neurologischen Ausfällen und Krankheit auseinandersetzen (Verlust der Beweglichkeit und der Sprache in 'No Obelisk for Emily', Verlust des Gedächtnisses in 'Dead If I Remember', Verlust des Gehörs in 'Into the Silence' und Verlust der Gesundheit in 'The Smiling Trip'). Er starb 70-jährig in Safety Beach, Victoria.

Bibliografie:
Ambrose Mahon-Serie: 'The Glass Spear' (1950), 'One Cried Murder' (1956), 'Come Back to Murder' - 'Das Gesicht am Fenster' (1957), 'A Shroud for Unlac' (1958), 'Let the Man Die' - 'Drei rote Rosen' (1961), 'A Corpse Won't Sing' (1964), 'Mimic a Murderer' - 'Der Vogelmord' (1964);
Digger Haig-Serie: 'Now Seek My Bones' (1957), 'Death in a Dream Time' - 'Träume zu verkaufen' (1959), 'Swing High, Sweet Murder' - 'Die Strohpuppe' (1962), 'The Ringnecker' - 'Ein Gast zuviel' (1965), 'A Corpse at Least' - 'Haus ohne Menschen' (1966), 'See Who's Dying' - 'Überlebenschance Null' (1967), 'No Obelisk for Emily' - 'Kein Denkmal für Emily' (1970);
Einzelwerke: 'Gently Dust the Corpse' (auch unter dem Titel 'Softly Dust the Corpse') - ‚Die Maske am Sarg' (1960), 'Murder's Burning' - 'Gefallen wie Luzifer' (1963), 'Ligny's Lake' - ‚Falsche Signale' (1971), 'Some Village Borgia' - 'Schwarze Vögel über Chickowee' (1971), 'Dead if I Remember' - 'Zurück in die Falle' (1972), 'Into the Silence' (1973), 'Listen to the Mocking Bird' - ‚Verbrechen handgewebt' (1974), 'The Smiling Trip' (1975), 'A Window in Chungking' - 'Sekunde vor dem Tod' (1975).

++ Erstellt: Dezember 2011 ++  


Cox, Anthony Berkeley

(1893-1971; schrieb auch als Anthony Berkeley, Francis Iles, A.B. Cox und A. Monmouth Platts)

Anthony Berkeley Cox ("ABC"), geboren in Watford, Hertfordshire, als ältestes von drei Kindern einer gut situierten Familie (der Vater war Arzt und Erfinder eines Röntgengeräts, die Mutter hatte einen Vorfahren, der Earl of Monmouth war), besuchte das Sherborne College in Wessex und studierte am University College in London. Im Ersten Weltkrieg, an der französischen Westfront, wurde er Opfer eines Gasangriffs, von dessen Folgen er sich nie mehr ganz erholte. Nach dem Krieg war er zunächst in der Werbung tätig. Etwas später, im Jahr 1922, begann er seine rund fünfzig Jahre dauernde Karriere als Journalist - er arbeitete zunächst für satirische Magazine wie 'Punch' und 'The Humorist', später als Krimikritiker für den 'Daily Telegraph' und die 'Sunday Times', ab Mitte der 50er-Jahre bis zu seinem Tod für den 'Guardian'. Parallel dazu, von 1925 bis 1939, gab er 21 Krimis heraus, den ersten anonym. 1928 gründete er mit anderen Krimiautoren den legendären "Detection Club", dem auch Agatha Christie, Dorothy Sayers und andere KrimiautorInnen angehörten.

Cox war zweimal kinderlos verheiratet: von 1917 bis 1931 mit Margaret Fearnley Farrar, von 1932 bis Ende der 40er-Jahre mit Helen Peters-MacGregor - beide Ehen wurden geschieden. Nach dem Ersten Weltkrieg lebte er kurze Zeit in Kent und in seinem Geburtsort Watford, bevor er sich Anfang der 20er-Jahre in St. John's Wood, London, niederliess. 1930 erwarb er einen zweiten Wohnsitz auf dem Lande, an der Grenze zwischen Devon und Cornwall. Er starb im Alter von 77 Jahren.

Weit herum bekannt wurde der Autor dank seinem mit Anthony Berkeley gezeichneten Zehnteiler um Roger Sheringham, einen anfänglich recht rüpelhaft und nicht besonders scharfsinnig wirkenden, sich immer wieder arg überschätzenden Hobbydetektiv und Bestsellerautor, der im Verlauf der Reihe allerdings an Format gewinnt. (Wie Edmund Bentleys Detektiv Philip Trent ist Sheringham ein Gegenentwurf zum Superhirn Sherlock Holmes.)

'Der Fall mit den Pralinen', der bekannteste Titel der Serie, dreht sich um einen rätselhaften Giftmord. Im exklusiven Rainbow Club am Piccadilly Circus wird eine Schachtel Pralinen für Sir Eustace Pennefather abgeben. Der Baronet, ein lasterhafter und cholerischer, kurz vor der Scheidung stehender Schürzenjäger, schenkt das Konfekt einem anderen Clubmitglied, dessen Ehefrau isst davon - und stirbt. Als die von Chief Inspector Moresby geleiteten polizeilichen Ermittlungen im Sand verlaufen, übernehmen die sechs Mitglieder des erlauchten, von Sheringham ins Leben gerufenen "Kriminalzirkels" (gemeint ist der erwähnte "Detection Club") - Sheringham selbst sowie der berühmte Anwalt Sir Charles Wildman, die schöne Romanautorin Alicia Dammers, die Dramatikerin Mabel Fielder-Flemming, der Krimiautor Percy Robinson und der schüchterne, unscheinbare Amateurermittler Ambrose Chitterwick - den Fall, um nach einer Woche ihre mehr oder weniger originellen Interpretationen vorzutragen. Eine überraschende Lösung, auf die wie erwartet Chitterwick kommt, rundet die vergnügliche Erzählung ab.

Chief Inspector Moresby, ein anständiger, stets solide Arbeit verrichtender Scotland Yard-Beamte, kommt in weiteren Sheringham-Krimis zum Zuge, und auch Chitterwick hat noch zwei Auftritte, als Hauptperson in 'Ich könnte schwören, dass...' und als Nebenfigur in 'Der verschenkte Mord'.

Der Standalone 'Der verschenkte Mord' gehört zu Berkeleys stärksten Büchern. Lawrence Todhunter, ein sympathischer Gentleman, der nur noch wenige Monate zu leben hat, will der Gesellschaft einen letzten Dienst erweisen, indem er die hassenswerteste Person der Gegenwart um die Ecke bringt. Nicht Hitler soll das Opfer sein (er würde sofort durch einen anderen Schweinehund ersetzt), nein, das Miststück Jean Norwood, eine Schauspielerin, muss daran glauben. Doch dann gerät ein Unschuldiger unter Mordverdacht, und Mr. Todhunter versucht die Polizei davon überzeugen, dass er selbst der Täter ist - ein schier aussichtsloses Unterfangen.

Drei Romane - so genannte "Inverted Novels", d.h., der Täter ist von Anfang an bekannt, und der Fall wird von hinten her aufgerollt - veröffentlichte Cox als Francis Iles (dies ist der Name eines seiner Vorfahren, der seinen Lebensunterhalt als Schmuggler bestritt), unter ihnen 'Vor der Tat', der als einer der wichtigsten Vorläufer der modernen psychologischen Spannungsliteratur gilt. Die aus der Sicht des Opfers erzählte Geschichte kreist um Lina McLaidlaw, eine naive, etwas spröde, aus reichem Hause kommende Frau mit schwach ausgeprägtem Selbstwertgefühl, die sich auf eine Ehe mit dem charmanten Verführer Johnnie Aysgarth einlässt. Obwohl der sich schon bald als spielsüchtiger und betrügerischer Nichtsnutz entpuppt, kann Lina nicht von ihm lassen - das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

Darüber hinaus schrieb Cox unter seinem angestammten Namen eine Reihe von Sketchen sowie komische Opern, fantastische Geschichten und politische Essays. Auch war er einer von zwei Direktoren der obskuren Londoner Firma 'A.B. Cox Ltd'. Er galt als exzentrische und hoch intelligente, grossen Wert auf den Schutz seiner Privatsphäre legende Persönlichkeit.

1996 veröffentlichte Malcolm J. Turnbull die lesenswerte Cox-Biografie 'Elusion Aforethought: the Life & Writing of Anthony Berkeley Cox', die im Internet abrufbar ist.

Bibliografie:
Als Anthony Berkeley: Roger Sheringham-Serie: 'The Layton Court Mystery (anonym veröffentlicht 1925), 'The Wychford Poisoning Case' (1926), 'The Vane Mystery' (auch unter den Titeln 'Roger Sheringham and the Vane Mystery' und 'The Mystery of Lover's Cave', 1927), 'The Silk Stocking Murders' (1928), 'The Poisoned Chocolates' - 'Der Fall mit den Pralinen' (auch unter den Titeln 'Der Detektiv-Club' und 'Die vergifteten Pralinen, 1929), 'The Second Shot' - 'Der zweite Schuss' (1930), 'Top Storey Murder' (auch unter dem Titel 'Top Story Murder') - 'Der Mord unter dem Dach' (auch unter dem Titel 'Mord in der Mansarde', 1931), 'Murder in the Basement' - 'Der Kellermord' (1932), 'Jumping Jenny' (auch unter dem Titel 'Dead Mrs. Stratton') - 'Galgenvögel' (1933), 'Panic Party' (auch unter dem Titel 'Mr. Pidgeon's Island') - 'Spiel mit dem Feuer' (1934);
'The Picadelly Murder' - 'Ich könnte schwören, dass...' (1929), 'Trial and Error' - 'Der verschenkte Mord' (1937), 'Not to Be Taken' (auch unter dem Titel 'A Puzzle in Poison' (1938), 'Death in the House' (1939).
Als Francis Iles: 'Malice Aforethought' - 'Vorsätzlich...' (1931), 'Before the Fact' (auch unter dem Titel 'Murder Story for Ladies') - 'Vor der Tat' (1932), 'As for the Women' (1939).
Als A.B. Cox: 'The Wintringham Mystery' (1926), 'Mr. Priestey's Problem' (auch unter dem Titel 'The Amateur Crime', 1927).
Als A. Monmouth Platts: 'Cicely Disappears' (1927).

++ Erstellt: April 2011 ++  


Craig, Jonathan

(Pseudonym für Frank E. Smith, 1919-1984; schrieb auch als Jennifer Hale)

Frank E. Smith kam in New York City zur Welt und wuchs auch dort auf. Anfang der 40er-Jahre arbeitete er als Research Analyst für die Navy und danach, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, für den Generalstab sowie als Berater von Präsident Truman an der Potsdamer Konferenz. Im Jahr 1959 verlegte er seinen Wohnsitz von New York City in die Kleinstadt New Port Richey im Westen Floridas. Dort gehörte er zum Kreis der Krimiautoren Day Keene, Gil Brewer, Harry Whitington und Talmage Powell, die sich die Nächte mit Bechern und Pokern um die Ohren schlugen.

Unter dem Pseudonym Jonathan Craig verfasste Frank E. Smith zahlreiche Western, vierzehn Krimis sowie Dutzende Kurzgeschichten, die in bedeutenden Gefässen wie 'Manhunt' und 'Black Mask' abgedruckt wurden. Als Jennifer Hale bediente er die Anhänger der Gothic Novel.

Craigs wichtigste Krimifiguren sind der erfahrene Cop Pete Selby (Ich-Erzähler) und sein jüngerer Partner Stan Rayder von der New Yorker Mordkommission, zwei integre, etwas farblose Fahnder, die vorwiegend in Greenwich Village auf der Piste sind. Die schnörkellosen, mit präzisen Schilderungen der Polizeiarbeit gespickten Geschichten beginnen in der Regel damit, dass eine schöne Frau ermordet aufgefunden wird. 'Der Tod im Nacken, der erste Band des Zehnteilers, kam 1955 heraus, zwei Jahre bevor Ed McBain die legendären Cops des 87. Polizeireviers zum Leben erweckte.

Als Craigs bester Krimi gilt zu Recht das Einzelwerk 'Gewalt und Gesetz' ('Renegade Cop') aus dem Jahr 1954 mit Lieutenant Steve Lambert als Hauptperson, einem niederträchtigen, habgierigen, das Gesetz auf seine ureigene Weise interpretierenden Senkrechtstarter der Kriminalpolizei einer Riverton genannten Grossstadt (gemeint ist vermutlich New York City) - Einschüchterung, Machtmissbrauch, Erpressung und Fälschung von Beweismaterial sind seine bevorzugten Arbeitsmethoden. Als Lambert der umwerfend schönen Frau eines vermutlich unschuldig in Untersuchungshaft schmorenden Mannes sexuell verfällt, ist es geschehen um seine Selbstkontrolle - er wird zum "Renegade Cop", zum abtrünnigen Polizisten.

Bibliografie:
Pete Selby & Stan Rayder-Serie: 'The Dead Darling' - 'Den Tod im Nacken' (1955), 'Morgue for Venus' - 'Tod für Venus' (1956), 'The Case of the Beautiful Body' - 'Als es Morgen wurde' (1957), 'Case of the Cold Coquette' - 'Callgirls weinen nicht' (auch unter dem Titel 'Mr. Macklins zweites Leben', 1957), 'Case of the Peticoat Murder' - 'Drei tödliche Tage' (1958), 'Case of the Nervous Nude' - 'Das nackte Mädchen' (1959), 'Case of the Village Tramp' (1959), 'Case of the Laughing Virgin' (1960) 'Case of the Silent Stranger' (1964), 'Case of the Brazen Beauty' - 'Anruf bei Nacht' (1966);
'Red-headed Sinners' - 'Blutiger Nebel' (1953), 'Renegade Cop' (auch unter dem Titel 'Alley Girl') - 'Gewalt und Gesetz' (1954), 'So Young, So Wicked' - 'Sein letzter Mord' (1957), 'Come Night, Come Evil' - 'Nur auf Bewährung' (1957).

++ Erstellt: September 2013 ++  


Crais, Robert

(*1953)

Geboren und aufgewachsen in Baton Rouge, Louisiana, als Spross einer Öl-Arbeiterfamilie, bereiste Robert Crais als Teenager mit einer Zirkustruppe den Südosten Amerikas. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Amateurfilmer und Verfasser von Kurzgeschichten und nach Abbruch des Ingenieurstudiums an der Louisiana State Universitiy ein Semester vor dem Abschluss ging er 1976 nach Hollywood, um Drehbücher für Serien wie 'Miami Vice', 'Hill Street Blues', 'Cagney & Lacey' oder 'L. A. Law' zu schreiben. 1987 startete er seine Karriere als Krimiautor. Ex-Ranger Elvis Cole (der extrovertierte Ich-Erzähler heisst eigentlich Philip James Cole, doch seie Mutter verehrte Elvis Presley) und sein wortkarger, hartgesottener Partner Joe Pike (ein Ex-LAPD-Cop und Ex-Marine), die in Los Angeles eine Detektei betreiben, sind die prägnant und glaubhaft gezeichneten Hauptfiguren in Crais' bisher 15-bändiger Krimireihe (Stand: 2012).

In Robert Crais' viertem Roman 'Im freien Fall' geraten Elvis Cole und Joe Pike in den Slums von South Central Los Angeles zwischen die Fronten krimineller LAPD-Cops, brutaler Kokaindealer und schiesswütiger Strassengangs, als sie von der jungen Sekretärin Jennifer Sheridan beauftragt werden, das Berufsleben ihres heiss geliebten Verlobten, des Elite-Polizisten Mark Thurman, zu durchleuchten.

'Falsches Spiel in L.A.' erzählt von Teddy Martin, einem reichen Unternehmer aus Los Angeles, der des Mordes an seiner Frau Susan beschuldigt wird. Der mit allen Wassern gewaschene Staranwalt Jonathan Green engagiert das Duo Cole und Pike, um seinen Mandanten zu entlasten: Die zuständige Ermittlerin Detective Angela Rossi, eine rabiate, überaus ehrgeizige Polizistin, soll, so Green, Beweismaterial manipuliert haben, um ihrer Karriere neuen Glanz und Schwung zu verleihen. Doch Rossi hat eine weisse Weste, Cole und Pike quittieren den Job - und geraten nun erst recht in die Bredouille.

Lakonische, humorvolle Erzählweise, Liebe zum Detail und scharf geschliffene Dialoge: Robert Crais ist ein würdiger und durchaus eigenständiger Nachfolger seiner Vorbilder Dashiell Hammett und Raymond Chandler. Er lebt mit seiner Frau in den Bergen von Santa Monica und widmet sich hauptberuflich und (zumindest in seiner Heimat) höchst erfolgreich der Schriftstellerei - in Kalifornien ist sogar eine Pizza nach ihm benannt.

Bibliografie:
Elvis Cole & Joe Pike-Serie: 'The Monkey's Raincoat' - 'Kidnapping' (auch unter dem Titel 'Die gefährlichen Wege des Elvis Cole', 1987), 'Stalking the Angel' - 'Die Rache der Samurai' (auch unter dem Titel 'Die schwarze Welt des Elvis Cole', 1989), 'Lullaby Town' - 'Schmutzige Geschäfte' (auch unter dem Titel 'Lullaby Town', 1992), 'Free Fall' - 'Im freien Fall' (1993), 'Voodoo River' - 'Voodoo River' (1995), 'Sunset Express' - 'Falsches Spiel in LA' (1996), 'Indigo Slam' (1997), 'L.A. Requiem' - 'Stunde der Rache' (1999), 'The Last Detective' (2003), 'The Forgotten Man' (2005), 'The Watchman' (2007), 'Chasing Darkness' (2008), 'The First Rule' - 'Gesetz des Todes' (2010), 'The Sentry' (2011), 'Taken' - 'Strasse des Todes' (2012);
'Demolition Angel' - 'Feuerengel' (2000), 'Hostage' - 'Hostage - Entführt' (2001), 'The Two Minute Rule' (2006), 'Suspect' - 'Unter Verdacht' (2013), .

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: August 2012 ++
++ Update: Januar 2013 ++
++ Update: November 2013 ++
++ Update: August 2014 ++
 


Crawford, Robert

(Pseudonym für Hugh C. Rae, 1935-2014; schrieb auch als James Albany, R.B. Houston, Stuart Stern und Jessica Stirling)

Hugh Crawford Rae wurde als Sohn einer Arbeiterfamilie in Glasgow geboren und ging dort bis sechzehn zur Schule. Unterbrochen durch den Militärdienst bei der Royal Air Force, arbeitete zwölf Jahre im Antiquariat einer Glasgower Buchhandlung und schrieb nebenbei Gedichte und Stories, die zum Teil in amerikanischen Magazinen abgedruckt wurden. Der Erfolg seines ersten - auf einem realen Kriminalfall beruhenden - Spannungsromans 'Skinner' erlaubte es ihm, sich fortan ganz auf die Schriftstellerei zu konzentrieren. Sein Werk enthält Gedichte, Kurzgeschichten, ein Bühnenstück, ein Radiohörspiel, zwei Television Plays, sieben mit James Albany gezeichnete Kriegsromane, zahlreiche (unter dem weiblichen Pseudonym Jessica Stirling publizierte) historische Romanzen und zwanzig Krimis, die mehrheitlich unter bürgerlichem Namen und dem Pseudonym Robert Crawford (auf Deutsch ausschliesslich unter dem Crawford-Pseudonym) erschienen sind. Darüber hinaus gab er Erwachsenen-Kurse in Kreativem Schreiben an der Glasgow University.

Crawfords Krimiwerk ist hierzulande weitgehend unbekannt geblieben, nur sieben Romane sind ins Deutsche übertragen worden: der Standalone 'Komm mit und stirb', zwei Titel aus der vierzehnbändigen Reihe um die schottischen Polizisten Chief Superintendent McCaig und Detective Inspector Ryan sowie vier Titel aus der nagelharten Serie um das ausgekochte Gespann Arthur Salisbury und Frank Shearer ("Firma Salisbury & Shearer", eine eigentümliche Mélange aus Privatdetektei und Gangsterorganisation), das im London der 60er-Jahre seine zwielichtigen Geschäfte abwickelt. Scharf geschliffene Plots, unangestrengte Erzählweise und ein feines Gespür für seine Figuren waren Crawfords Markenzeichen.

Robert Crawford, seit 1960 mit Elizabeth verheirateter Vater einer Tochter, Gillian, präsidierte von 1974 bis 1978 die Schottische Schriftstellervereinigung. Seinen letzten Krimi veröffentlichte er 1982, danach schrieb er nur noch unter dem erst 1999 gelüfteten Pseudonym Jessica Stirling - und lieferte bis kurz vor seinem Tod jedes Jahr einen schönen Roman für seine weibliche Leserschaft ab. Neun Jahre nach seiner Frau starb er 78-jährig in seiner Geburtsstadt.

Bibliografie:
Als Robert Crawford: Arthur Salisbury & Frank Shearer-Serie: 'The Shroud Society' - 'Totenhemd GmbH' (1969), 'Cockleburr' (auch unter dem Titel 'Pay as you Die') - 'Mord nach tausend Tagen' (1969), 'Kiss the Boss Goodbye' - 'Tot bist Du am schönsten' (1970), 'The Badgers's Daughter' - 'Die Pistolen-Lady' (1971), 'Whip Hand' (1972).
Als Hugh C. Rae: Chief Superintendent McCaig & Detective Inspector Ryan-Serie: 'A Few Small Bones' (auch unter dem Titel 'The House at Balnesmoor') - 'Mord im Moor' (1968), 'The Shooting Gallery' - 'Im Schussfeld' (1972);
'Skinner' (1965), 'Night Pillow' (1967), 'The Interview' (1969), 'The Saturday Epic' (1970), 'The Marksman' - 'Komm mit und stirb' (1971), 'The Rock Harvest' (1973), 'The Rookery' (1974), 'Sullivan' (1978), 'The Haunting at Weaverley Falls' (1980), 'Privileged Strangers' (1982).
Als R.B. Huston: 'Two for the Grave' (1972).
Als Stuart Stern (gemeinsam mit S. Ungar): 'The Minotaur Factor' (1977), 'The Poison Tree' (1978) .

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2014 ++
 


Crispin, Edmund

(Pseudonym für Robert Bruce Montgomery, 1921-1978)

Edmund Crispin, geboren in Chesham Bois, Buckinghamshire, als viertes Kind und einziger Sohn schottisch-irischer Eltern (sein Vater war ein ehemaliger Sekretär des Hochkommissariats von Indien), besuchte ab 1934 die Merchant Taylor's School in Northwood, Middlesex, und machte seinen Abschluss im Modernen Sprachen 1943 am Oxforder St. John's College. Anschliessend unterrichtete er zwei Jahre an der hoch angesehenen Schrewsbury School.

Seine nachfolgende berufliche Laufbahn verlief mehrgleisig. Unter seinem bürgerlichen Namen Robert Bruce Montgomery arbeitete er als Musiklehrer, spielte Klavier und Orgel und komponierte Musik für Chöre und Orchester, später auch für den Film. Als Edmund Crispin, inspiriert durch seinen Lieblingsautor John Dickson Carr, debütierte er 1944 in der Belletristik. Darüber hinaus schrieb er Krimikritiken für die 'Sunday Times' und gab eine siebenbändige Anthologie für Sciencefiction heraus.

Crispin lebte lange Zeit in dem ruhigen Marktstädtchen Totnes, Devon, bis er sich 1964 in einem Haus in der Nähe des Dorfes Dartington, ebenfalls Devon, niederliess. Schwer gezeichnet von seiner Alkoholsucht, heiratete er 1976 seine Sekretärin und Betreuerin Ann Clements. Zwei Jahre später, kurz vor seinem 57. Geburtstag, starb er in seinem Wohnsitz in Devon.

Crispins Krimiwerk enthält zwei Kurzgeschichtenbände und neun amüsante, leichtfüssige, an literarischen Anspielungen reiche Romane um den exzentrischen Oxforder Anglistik-Lehrer Gervase Fen - Vorbild war offenbar Crispins Tutor W.G. Moore. Professor Fen, Anfang vierzig, hochaufgeschossen und schlank, ein verheirateter Familienvater, hervorragender Literatur- und Musikkenner ist vor allem auch ein scharfsinniger und ungemein selbstsicherer Amateurdetektiv, der aus 'Alice im Wunderland' zitiert, wenn ihn etwas aus der Bahn wirft. Seinen bizarren Kriminalfällen geht er vornehmlich an akademischen Schauplätzen auf den Grund, hin und wieder in Zusammenarbeit mit der Polizei. Als Transportmittel dient ihm sein heissgeliebter - extrem kleiner, lärmiger und zerbeulter - Sportwagen "Lily Christine III", mit dem er stets in halsbrecherischem Tempo unterwegs ist. Wiederkehrende Figuren sind der hochbetagte und stocktaube, aber noch immer lebensfrohe emeritierte Professor Wilkes und Polizeiinspektor Humbleby von Scotland Yard, ein Kenner der klassischen Literatur. Und Alkohol fliesst stets in Strömen.

'Der wandernde Spielzeugladen' (knapp gefolgt von 'Schwanengesang') sticht aus Crispins Kriminalwerk hervor. Der berühmte, aber mittellose Lyriker Richard Cadogan, der sich in London zu Tode langweilt, fährt in die Universitätsstadt Oxford, die Stätte seiner Jugend, um das Abenteuer zu suchen. Kurz nach seiner Ankunft entdeckt er mitten in der Nacht die Leiche einer älteren Frau in einem Spielzeugladen, wird bewusstlos geschlagen und kehrt am nächsten Morgen mit der Polizei an den Ort zurück - keine Leiche, kein Spielzeugladen! In seiner Not wendet sich Cadogan an seinen alten Bekannten Gervase Fen, der sich freudig erregt des Falles annimmt, seine draufgängerische Art um ein Haar mit dem Leben bezahlt und schliesslich einem äusserst raffiniert vorgehenden Erbschleicher auf die Spur kommt.
Auf 250 Seiten zündet der Autor in diesem, seinem dritten, Krimi ein Feuerwerk aus Slapstick, verdrehtem Witz, ausgefallenen Ideen, wilden Verfolgungsjagden und geistreichen Dialogen - mit einem Spielzeugladen, der sich auf Wanderschaft begibt.

Bibliografie:
Gervase Fen-Serie: 'The Case of the Gilded Fly' - 'Mord vor der Premiere' (1944), 'Holy Disorders' - 'Heiliger Bimbam' (auch unter dem Titel 'Seht das Motiv und nicht die Tat', 1945), 'The Moving Toyshop' - 'Der wandernde Spielzeugladen' (auch unter dem Titel 'Mord im 1. Stock', 1946), 'Swan Song' - 'Schwanengesang' (1947), 'Love Lies Bleeding' - 'Liebe stirbt zuerst' (auch unter dem Titel 'Mit Geheimtinte', 1948), 'Buried for Pleasure' - 'Begräbnis am Donnerstag' (auch unter den Titeln 'Mit Freuden begraben' und 'Der Pfarrer und sein Poltergeist', 1948), 'Frequent Hearses' - '...vorm Tor der Leichenwagen' (1950), 'The Long Divorce' - 'Giftbriefe' (auch unter dem Titel 'Anonyme Briefe', 1951), 'Beware of the trains' - 'Morde - Zug um Zug' (Stories, 1953), 'The Glimpses of the Moon' - 'Der Mond bricht durch die Wolken' (1977), 'Fen Country' (Stories, 1979).

++ Erstellt: Oktober 2013 ++  


Crumley, James

(1939-2008)

James Crumley wurde als Sohn einer Arbeiterfamilie in Three Rivers, im Süden von Texas, geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen dort und in New Mexico auf. 1958 studierte er Ingenieurswissenschaften am Georgia Institute of Technology, von 1959 bis 1961 diente er in der US Army, vorwiegend auf den Philippinen. 1964 machte er einen Abschluss in Geschichte an der Texas Arts and Industries University, 1966 erwarb er einen Master of Fine Arts in Creative Writing an der Iowa State University. In seiner Freizeit arbeitete er als Barkeeper und als Arbeiter auf den Ölfeldern.

Crumley engagierte sich für den Umweltschutz und gegen den Vietnamkrieg und gab 1969 den Kriegsroman 'One to Count Cadence' heraus. Inspiriert von den Werken Raymond Chandlers, auf die er kurz zuvor gestossen war, veröffentlichte er 1975 seinen ersten von sieben Krimis, denen das amerikanische Vietnamtrauma den Stempel aufdrückt. Nach einem rastlosen Leben mit Stationen in Montana, Arkansas, Colorado und Washington State liess er sich 1984 in Missoula, Montana, nieder.

Neben acht Romanen, die er immer wieder umschrieb, und einer Handvoll Kurzgeschichten verfasste Crumley, mehrere Drehbücher, die jedoch nicht verfilmt wurden. Da er vom Schreiben nicht leben konnte, war er auch als Skriptdoktor in Hollywood, als Dozent an der University of Montana und als Gastprofessor an zahlreichen Colleges tätig. Crumley war fünfmal verheiratet, zuletzt während sechzehn Jahren mit der Dichterin und Künstlerin Martha Elizabeth, und hatte insgesamt fünf Kinder, die aus der zweiten und der vierten Ehe stammten. 2008 zollte James Crumley - "The Poet of Hard Boiled", oder, in seinen eigenen Worten, "A Bastard Child of Raymond Chandler" (wenngleich seine Krimi wohl eher mit Robert Stones Werken zu vergleichen sind), seinem ausschweifenden Lebenswandel Tribut und starb 68-jährig in einem Krankenhaus in Missoula.

Crumleys Protagonisten sind Milton Chester Milodragovitch, genannt Milo, aus Montana und Chauncey Wayne Sughrue, genannt Sonny oder C.W., aus Südtexas; zwei kaputte, vom Leben gebeutelte Outlaws, bzw., in Crumleys Worten, "Milo ist meine gute Seite, Sughrue meine schlechte". Die beiden hatten sich in den frühen 70er-Jahren zum ersten Mal getroffen, wenige Wochen, nachdem Milo in Meriwether, Montana, eine Detektei eröffnet hatte. Sie wurden Freunde und Partner, trennten sich nach einem handfesten Streit und rauften sich später wieder zusammen. Ihren einzigen gemeinsamen Auftritt haben sie in 'Jeder gräbt sein eignes Grab', dem fünften Teil der Reihe.

Milo, Enkel eines russischen Einwanderers und Sohn von alkoholsüchtigen Eltern, die beide Suizid begingen, war fünfmal verheiratet und ist Vater eines Sohnes, den er jedoch aus den Augen verloren hat. In jungen Jahren nahm er am Koreakrieg teil. Nach dem College arbeitete er zehn Jahre als Deputy Sheriff, danach als Privatdetektiv und/oder Barkeeper. Er ist etwas älter und vermutlich eine Spur intelligenter und weniger gewalttätig als Sughrue, spricht aber wie dieser in hohem Masse dem Alkohol, dem Kokain und dem Sex zu. Sein Intimfeind ist der Cop Lieutenant Jamison, mit dem er aufwuchs und im Krieg war - und der jetzt mit einer von Milos Ex-Frauen verheiratet ist. Der hart gesottene Waffennarr Sughrue ("Sug as in Sugar, rue as in rue the fucking day"), aufgewachsen in Südtexas, war im Vietnamkrieg, wo er mit jeder Art von Drogen experimentierte und wegen eines Kriegsverbrechens - er löschte "aus Versehen" eine ganze vietnamesische Familie aus - vor Militärgericht gestellt, jedoch nicht verurteilt wurde. Im Gegenzug spionierte er für die Armee, indem er Universitäten und radikale Studentenorganisationen infiltrierte. Später machte er einen Abschluss in Englisch, zog es dann jedoch vor, als Repomann zu arbeiten und in San Francisco vermisste Kinder aufzuspüren. Schliesslich landete auch er in Meriwether.

Crumleys zweiter Krimi 'Der letzte echte Kuss' gilt als Meilenstein des Privatdetektivromans. Im Auftrag der sympathischen Barbesitzerin Rosie Flowers, begleitet von dem versoffenen Schriftsteller Abraham Trahearne und einer biertrinkenden Bulldogge namens Fireball, für ein Honorar von lumpigen 87 Dollar, macht sich Sughrue auf die Suche nach Rosies Tochter Betty Sue, die vor zehn Jahren mit sechzehn spurlos verschwunden ist - und bringt Erschütterndes zu Tage.

Sughrue steht auch in Crumleys spektakulärstem Buch 'Tequila Blues' im Mittelpunkt. Sarita Cisneros, die Frau des zwielichtigen republikanischen Politikers Pines und angeblich die Mutter von Sughrues Kumpel Norman, ist offenbar samt ihrem Dienstmädchen Wynona entführt worden, Sughrue soll sie aufspüren. Er trommelt ein paar Kriegskameraden zusammen und begibt sich mit seiner entfesselten, drogengeschädigten Truppe auf einen Höllenritt durch die Gegend. Dann verliebt sich Sughrue in Wynona, die junge Mutter des kleinen Lester, dessen Vater Pines ist. Der blutige Showdown findet in New Mexico statt, und Sughrues Liebe nimmt ein trauriges Ende.

In 'Jeder gräbt sein eignes Grab' kann Milo an seinem 53. Geburtstag endlich sein beträchtliches Erbe antreten - doch das Geld und dessen betrügerischer Verwalter, der Banker Andy Jacobson, sind abhanden gekommen. Zusammen mit seinem langjährigen Freund, dem inzwischen mit der smarten und warmherzigen Ex-Anwaltsgehilfin Whitney verheirateten Sughrue, der den kleinen Lester adoptiert hat, macht er sich auf, die verdienten Millionen vielleicht doch noch zu ergattern.

'Land der Lügen' sieht einen gealterten Milo in Brennpunkt des Geschehens. Liiert mit der bisexuellen Tierärztin Betty Porterfield, betreibt er neuerdings eine Bar in Texas, in der er Geld wäscht, das er bei einem Drogendeal beiseite schaffen konnte. Doch Milo ist auch mit knapp sechzig noch auf Speed, er langweilt sich in seinem neuen Job, beginnt wieder als Privatdetektiv und ist schon bald mit Fällen überhäuft: Aufspüren einer jungen Frau, die ihrem Mann entlaufen ist; Schutzdienst für eine Schönheit, die von einem Stalker bedroht wird; Suche nach dem schwarzen Ex-Häftling Enos Walker, der (wahrscheinlich in Notwehr) einen kriminellen Barbesitzer getötet hat, und den Milo vor der Todesstrafe bewahren will. Milo bezieht Prügel, wird beinahe Opfer eines Mordanschlags, gerät selbst unter Mordverdacht und muss sich mit ausgekochten Frauen herumschlagen - zu viel des Guten, er schwört, nie wieder einen Fuss nach Texas zu setzen. 'Land der Lügen' ist eine wilde und figurenreiche Geschichte, in der Crumley dem Amerika der Gegenwart den Spiegel vorhält; einem Amerika, dessen Macht, so der Autor, auf Drogen, Geld und Waffen beruht.

Bibliografie:
Milo & Sughrue-Serie: 'The Wrong Case' - 'Schöne Frauen lügen nicht' (Milo, 1975), 'The Last Good Kiss' - 'Der letzte echte Kuss' (Sughrue, 1978), 'Dancing Bear' - 'Der tanzende Bär' (auch unter dem Titel 'Kerle, Kanonen und Kokain', Milo, 1983), 'The Mexican Tree Duck' - 'Tequila Blues' (Sughrue, 1993), 'Bordersnakes' - 'Jeder gräbt sein eignes Grab' (Milo & Sughrue, 1996), 'The Final Country' - 'Land der Lügen' (Milo, 2001), 'The Right Madness' (Sughrue, 2005).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2011 ++  


Cullingford, Guy

(Pseudonym für Constance Lindsay Dowdy Taylor, 1907-2000)

Geboren in Dovercourt, Essex, schrieb C. Lindsay Dowdy mit zwanzig Jahren ihre ersten Gedichte, Kurzgeschichten und Artikel, die in Zeitschriften gedruckt wurden. Sie vermählte sich 1930 mit einem gewissen Mr. Taylor und zog danach ihre Kinder gross, ehe sie sich 1948 erneut der Schriftstellerei zuwandte und bis 1991 (ab 1952 unter dem männlich klingenden Pseudonym Guy Cullingford, das sie auf Anraten ihres Verlegers annahm, und das lange Zeit ungelüftet blieb) elf Kriminalromane sowie mehrere Erzählungen, einen nicht zum Krimigenre gehörenden Roman ('The Bread and Butter Miss', 1979) und drei Fernsehspiele verfasste. Sie starb 93-jährig in Schottland.

Cullinghams schwer unterschätzte Krimis sind in der britischen Mittelschicht angesiedelt. Mit scharfem Blick und feinem Humor analysiert die elegante Stilistin zwischenmenschliche Desaster, entwickelt raffinierte Plots und und wartet immer wieder mit überraschenden Wendungen auf. Darüber hinaus ist sie eine Wegbereiterin feministischer Spannungsliteratur, etwa mit dem 1962 erschienenen Krimi 'Frauen gemeinsam sind stark' (im Origial treffender und weniger programmatisch 'Third Party Risk'), in dem die einfache Hausfrau Dorothy Squirl mehr oder weniger zufällig eine Frauenpartei gründet, die sich in der Folge mit heftigem Widerstand konfrontiert sieht - jemand scheint dieser Bewegung dermassen feindlich gegenüberzustehen, dass er selbst vor Mord nicht zurückschreckt.

Eines der besten Werke der Autorin ist 'Schritt ins Verderben' aus dem Jahr 1964, eine psychologisch ausgeklügelter Geschichte, die sämtliche Facetten der (bei Cullingford in der Regel zum Scheitern verurteilten) Mann-Frau-Beziehung plastisch und drastisch beschreibt.

Bibliografie:
Als C. Lindsay Taylor: 'Murder With Relish' (1948).
Als Guy Cullingford: 'If Whishes Were Hearses' - 'Wenn Wünsche töten könnten' (1952), 'Post Mortem' - 'Post mortem' (auch unter dem Titel 'Die Katze lässt das Mausen nicht', 1953), 'Conjurer's Coffin' - 'Der Zauberer von Soho' (1954), 'Framed for Hanging' - 'Wer andern einen Strick dreht' (1956), 'The Whipping Boys' - 'Prügelknaben' (auch unter dem Titel 'Ein Uhr nachts', 1958), 'A Touch of Drama' (1960), 'Third Party Risk' - 'Frauen gemeinsam sind stark' (1962), 'Brink of Disaster' - 'Schritt ins Verderben' (1964), 'The Stylist' (1968), 'Bother at the Barbican' (1991).

++ Erstellt: Oktober 2010 ++  


Cumberland, Marten

(1892-1972; schrieb auch als Kevin O'Hara)

Marten Cumberland kam in London zur Welt und ging auch dort zur Schule, bevor er sich mit zwanzig der Royal Navy anschloss und die folgenden sechs Jahre als Funker auf hoher See verbrachte. Nach dem Ersten Weltkrieg verfolgte er eine journalistische Laufbahn bei verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften und Radiostationen, daneben arbeitete er im Verlagswesen als Redakteur. 1924 wurde er freier Journalist. 1928 vermählte er sich mit Kathleen Walsh. Er lebte mit ihr in Paris, wo er seinen Lebensunterhalt vornehmlich mit dem Verfassen von Krimis bestritt, während seinen Bühnenwerken und Hörspielen weniger Erfolg beschieden war. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in der irischen Hauptstadt Dublin.

Cumberlands erster (1923 gemeinsam mit B.V. Shann verfasster) Roman 'Behind the Scenes' ist im Theatermilieu angesiedelt. Im Krimigenre debütierte der Autor drei Jahre später mit 'Loaded Dice'. Bis 1966 folgten über sechzig Krimis, darunter die Kommissar Saturnin Dax-Serie und der mit Kevin O'Hara gezeichnete 16-Teiler um Chico Brett, aber auch ein Dutzend Novellen, fünf Theaterstücke, einige Hörspiele, das Sachbuch 'How to Write Serial Fiction' (1928) und der Roman 'Sin of David' (1935) - Werke, die heute niemand mehr kennt.

Saturnin Dax ist ein massiger, durch einen prächtigen Schnurrbart und buschige Augenbrauen auffallender Pariser Kommissar mit messerscharfem Verstand, viel Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis und einer Vorliebe für klassische Musik, doch über sein Privatleben erfährt man praktisch nichts. Er raucht Unmengen Maryland-Zigaretten und begibt sich kaum je ohne seinen dicken, gelben Spazierstock auf die Strasse. Unterstützt wird er durch seine Mitarbeiter Félix Norman (jung, temperamentvoll, elegant gekleidet) und Georges Alder (ruhig, zuverlässig, stets einen schwarzen Regenmantel tragend), zwei sympathische Burschen, die abseits des Berufslebens nichts gemeinsam haben. Die 34-bändige - von feinem Humor, detailreichen, präzisen Figurenschilderungen und dem charismatischen Protagonisten lebende - Reihe erstreckt sich über 26 Jahre, in denen Dax zu Wohlstand, Ruhm und Ehre kommt.

Der Ich-Erzähler Loretto "Chico" Brett, ein gross gewachsener, rothaariger, aus Buenos Aires stammender Privatdetektiv spanisch-irischer Abstammung, hat am Rande des legendären Shepherd Market in London ein kleines Büro, das er sich mit seiner vollschlanken, die meiste Zeit leider arg unterbeschäftigten Sekretärin Norah Hume teilt. Seine besten Kumpel bei Scotland Yard, Inspector "Gipsy" Rawson und Sergeant Gamble, haben ihm den originellen Spitznamen "Caballero Cop" verpasst. Trinkfestigkeit, eine robuste Konstitution und ein Flair für schöne Frauen sind die hervorstechenden Eigenschaften des stets um saubere Recherchierarbeit bemühten Schnüfflers.

Bibliografie:
Saturnin Dax-Serie: 'Someone Must Die' (1940), 'Questionable Shape' (1941), 'Quislings Over Paris' (1942), 'The Knife Will Fall' (1943), 'Not Expected to Live' (1945), 'Steps in the Dark' - 'Schritte im Dunkeln' (1945), 'A Lovely Corpse' - 'Diskretion Ehrensache' (1946), 'Hearsed in Death' (auch unter dem Titel 'A Dilemma for Dax', 1946), 'Hate Will Find a Way' (auch unter dem Titel 'And Worms Have Eaten Them') - 'Die Perlen der Manette Sugru' (1947), 'And Then Came Fear' (1948), 'Policeman's Nightmare' - 'Alpdruck' (1949), 'On the Danger List' (1950), 'Confetti Can Be Red' (auch unter dem Titel 'The House in the Forest') - 'Hochzeitsreise nach Paris' (1950), 'The Man Who Covered Mirrors' (1951), 'Booked for Death' (auch unter dem Titel 'Grave Consequences' - 'Sie sind entlassen!' (1952), 'Fade Out the Stars' - 'Lösegeld für Ginette' (1952), 'One for the Grave' - 'Schach und matt' (1952), 'Etched in Violence' - 'Die Frau mit dem Monokel' (1953), 'Nobody Is Safe' (auch unter den Titel 'Which of Us Is Safe?'), 'The Frightened Brides' - 'Die erschreckten Frauen' (1954), 'Unto Death Utterly' (1954), 'The Charge Is Murder' (1955), 'Lying At Death's Door' - 'Theaterkarte für Béatrice' (1956), 'Far Better Dead!' - 'Einladung zur Ferienreise' (1957), 'Hate for Sale' (1957), 'Out of this World' - 'Der rote Elefant' (1958), 'Murmurs in the Rue Morgue' - 'Ein hochachtbarer Bürger' (1959), 'Remains to Be Seen' (1960), 'There Must Be Victims' (1961), 'Attention! Saturnin Dax!' (1962), 'Postscript to a Death' (1963), 'Hate Finds a Way' (1964), 'The Dice Were Loaded' (1965), 'No Sentiment in Murder' (1966);
Einzelwerke: 'Loaded Dice' (gemeinsam mit B.V. Shann, 1926), 'The Perilous Way' (1926), 'The Dark House' (1935), 'Devil's Snare' (1935), 'The Imposter' (1935), 'Murder at Midnight' (gemeinsam mit B.V. Shann, 1935), 'Shadowed' (1936), 'Birds of Pray' (1937), 'The Testing of Tony' (1943), 'Everything He Touched' (1945), 'Darkness As a Bride' (1947), 'The Crime School' (1949).
Als Kevin O'Hara: Chico Brett-Serie: 'The Customer's Always Wrong' - 'Sie wussten zuviel' (1951), 'Sing, Clubman, Sing' - 'Die Tänzerin' (1952), 'Exit and Curtain' - 'Gefährliche Fenster' (1952), 'Always Tell the Sleuth' - 'Zwischen zwei Gegnern' (1953), 'It Leaves them Cold' - 'Die Schauspielerin' (1954), 'The Pace That Kills' - 'Die rosarote Brille' (1955), 'Keep Your Fingers Crossed' - 'Chico räumt auf' (1955), 'Women Liket o Know' - 'Manette pack aus' (1957), 'Well, I'll Be Hanged' - 'Meine Frau ist verschwunden!' (1958), 'Danger: Woman at Work!' - 'Erpresser am Werk' (1958), 'And Here Ist he Nose' - 'Der geheimnisvolle Fächer' (1959), 'Taking Live Easy' (1961), 'If Anything Should Happen' - 'Wenn etwas passieren sollte' (1962), 'Don't Tell the Police' - 'Ein Gentleman mit grauen Schläfen' (1963), 'Don't Neglect the Body' - 'Eine Frau mit Geld' (1964), 'It's Your Funeral' - 'Die Waffe einer Frau' (1966).

++ Erstellt: Dezember 2013 ++  


Cunningham, E.V.

(Pseudonym für Howard Fast, 1914-2003; schrieb auch als Behn Boruch, Walter Ericson und Simon Kent)

Howard Fast kam als mittlerer von drei Söhnen des jüdisch-ukrainischen Fabrikarbeiters Barney Fastovsky, dessen Name bei der Ankunft in die USA zu Fast gekürzt wurde, und der Britin Ida Miller in New York City zur Welt. Die Mutter starb, als er knapp neun war, und der Vater wurde kurz danach arbeitslos. Obschon Howard deshalb bereits als Teenager Geld verdienen musste, schloss er 1931 die George Washington High School ab. Im selben Jahr verkaufte der passionierte Leser (Mark Twain, Karl Marx, Jack London, Nathanial Hawthorne und Bernard Shaw hatten es ihm besonders angetan) seine erste Story an die Zeitschrift 'Amazing Stories'. Zwei Jahre später kam sein erster Roman 'Two Valleys' heraus, der Durchbruch als Autor folgte 1939 mit seinem vierten Buch 'Conceived In Liberty'.

Während des Zweiten Weltkriegs verfasste Howard Fast Propagandaschriften für den staatlichen Radiosender 'Voice of America'. Ende 1943 trat er der Kommunistischen Partei der USA bei. Zwei Jahre später musste er für drei Monate ins Gefängnis, weil er vor dem Untersuchungsausschuss der ‚House Commitee on Un-American Activities' die Aussage verweigerte. Anfang der 50er-Jahre kam er auf McCarthys Schwarze Liste, was einem Berufsverbot gleichkam und dazu führte, dass er seinen berühmten Roman 'Spartacus' zunächst selbst verlegen musste. 1954 erhielt er den 'Internationalen Stalin-Friedenspreis'. Nach der blutigen Niederschlagung des ungarischen Aufstandes durch die Sowjetunion trat er ernüchtert aus der Partei aus und wandte sich daraufhin der Zen-Philosophie zu.

Im Jahr 1937 vermählte sich Fast mit der Künstlerin Bette Cohen und hatte mit ihr zwei Kinder, Jonathan und Rachel. Die Familie liess sich Mitte der 50er-Jahre in Teaneck, New Jersey, nieder. 1974 übersiedelte sie nach Los Angeles, 1980 kehrte sie an die Ostküste zurück, um Anfang der 90er-Jahre Wohnsitz in Connecticut zu beziehen. 1999, fünf Jahre nach Bettes Tod, heiratete Howard Fast Mercedes O'Connor. Er starb 88-jährig in Old Greenwich, Connecticut.

Aufgrund von Werken wie 'Die letzte Grenze', 'Bürger Tom Paine', 'Strasse zur Freiheit', 'Spartacus', 'Die Affäre Winston' und 'Der Unbeirrbare' wird Howard Fast unter die einflussreichsten amerikanischen Romanciers des 20. Jahrhunderts eingereiht. Neben gut vierzig Romanen und mehreren Hörspielen, Drehbüchern, Fernsehstücken, Gedichten, Biografien, Memoiren ('Being Red' aus dem Jahr 1990) und Sachbüchern für Kinder, veröffentlichte er unter dem Pseudonym E.V. Cunningham von 1960 bis 1984 neunzehn weitgehend unbekannt gebliebene Kriminalromane: Eine elfteilige Reihe, die jeweils mit einem weiblichen Vornamen betitelt ist, den Siebenteiler um Detective Sergeant Masao Masuto, dem Leiter der Mordkommission von Beverly Hills (die so genannte "The Case of…"-Serie) und das Einzelwerk 'Der Mann, der nicht mehr töten wollte', die Geschichte eines Berufskillers, der sich zum ersten Mal in eine Frau verliebt und dafür mit seinem Leben bezahlt.

Masao Masuto, schlank und hoch gewachsen, ein in den Vereinigten Staaten geborener Sohn von Japanern (ein so genannter Nisei also), lebt mit seiner ebenfalls japanisch-stämmigen Frau Kati und den zwei Kindern, Ana und Uraga, glücklich in einem kleinen Bungalow in Culver City, Los Angeles County. Er ist Zen-Buddhist, Karatemeister und Besitzer eines prächtigen Rosengartens, der ihm Vergnügen und Entspannung bietet, und weiss genau, dass man als Polizist in Beverly Hills über Taktgefühl, Selbstkontrolle, Urteilsvermögen und gute Manieren verfügen muss. Mit subtiler Ironie und viel Humor schildert der Autor Masutos auf Intuition und Scharfsinn basierende Ermittlungsarbeit, die den Detektiv natürlich immer wieder mit der Filmwelt und deren missgünstigen, selbstsüchtigen Protagonisten, aber auch mit Terroristen und alten Nazis konfrontiert, und würzt die Geschichten mit herrlichen Wortgefechten zwischen Masuto und seinem grantigen Vorgesetzten Captain Wainwright. In weiteren Nebenrollen: Der sympathische jüdische Detective Sy Beckman, der junge Officer Frank Seaton und der Gerichtsmediziner Sam Baxter.

Von den mit weiblichen Vornamen betitelten Romanen - sie kreisen um aussergewöhnliche Frauen ganz unterschiedlicher Herkunft - erhielt 'Sylvia' den grössten Zuspruch. Der kalifornische Multimillionär Frederick Summers beauftragt den Privatdetektiv Alan Macklin, die Vergangenheit seiner Verlobten auszuleuchten. Die bildschöne Frau nennt sich Sylvia West, ist Ende zwanzig und begütert, züchtet Rosen, hat einen Lyrikband herausgegeben, spricht fliessend Französisch, Spanisch und Chinesisch - und ihre Biografie ist offensichtlich getürkt. Macklin, ein gebildeter, seinen Beruf verabscheuender Aussenseiter, begibt sich auf Spurensuche und findet heraus, dass Sylvia unter grauenvollen Bedingungen aufwuchs und schon früh auf die schiefe Bahn geriet. Und verliebt sich rettungslos in sie, noch bevor sie ihm leibhaftig begegnet ist… Eine herzerwärmende, märchenhafte Geschichte.

Bibliografie:
Mit weiblichen Vornahmen betitelte Serie: 'Sylvia' - 'Sylvia' (1960), 'Phyllis' - 'Bianca' (auch unter dem Titel 'Vierzig Tage Frist', 1962), 'Alice' - 'Alice' (1963), 'Lydia' - ‚Lydia' (1964), 'Shirley' - 'Shirley' (1964), 'Penelope' - 'Penelope' (1965), 'Helen' (1966), 'Margie' (1966), ‚Sally' - 'Sally' (1966), 'Cynthia' - 'Cynthia' (1968), 'Millie' - 'Milly' (1973);
Masao Masuto-Serie: 'The Case of the Angry Actress' (auch unter dem Titel 'Samantha') - 'Samantha' (1967), 'The Case of the One-Penny-Orange' - 'Die verschwundene Mauritius' (1977), 'The Case of the Russian Diplomat' - 'Ein Diplomat zuviel' (1978), 'The Case of the Poisoned Eclairs' - 'Club der Geschiedenen' (1979), 'The Case of the Sliding Pool' - 'Ein Fall von Erdrutsch' (1981), 'The Case of the Kidnapped Angel' - 'Ein Engel für die Traumfabrik' (1982), 'The Case of the Murdered Mackenzie' (1984);
'The Assassin who Gave up his Gun' - 'Der Mann, der nicht mehr töten wollte' (1969).
Als Walter Ericson: 'Fallen Angel' - 'Die 27. Etage' (1952).

++ Erstellt: Juni 2014 ++  



 

Daeninckx, Didier

(*1949)

Didier Daeninckx wurde als Sohn einer Arbeiterfamilie im Pariser Vorort Saint-Denis geboren und besuchte dort die Grundschule. Nachdem er mit siebzehn wegen rebellischen Verhaltens aus dem Gymnasium geflogen war, arbeitete er zehn Jahre als Drucker und dann drei Jahre als Betreuer von Jugendlichen. Anschliessend war er Redakteur bei verschiedenen lokalen und regionalen Blättern. Als er arbeitslos wurde, begann er an seinem ersten Krimi zu schreiben, der 1982 unter dem Titel 'Mort au premier tour' herauskam.

Aus Daeninckx' umfangreichem Werk - es enthält über 30 Romane, unzählige Erzählungen, gut ein Dutzend Jugendbücher, aber auch Essays und Comics sowie zwölf Radio- und fünf Fernsehskripts - sind sechs Krimis und die Kurzromane 'Statisten' und 'Reise eines Menschenfressers nach Paris' ins Deutsche übertragen worden. In vielen seiner Bücher greift Daeninckx unbewältigte gesellschaftspolitische Probleme seines Landes auf - Résistence und Kollaboration, Algerienkrieg, Rechtsextremismus und Ausländerpolitik. Darüber hinaus ist er Redakteur der sozial- und politkritischen Website 'amnistia.net'. Er lebt in Aubertvilliers bei Paris.

'Bei Erinnerung Mord' befasst sich mit einem historisch verbürgten Geschehnis: Am 17. Oktober 1961 wurden in Paris unter der Leitung des berüchtigten Politikers und Kriegsverbrechers Maurice Papon (er war zur Zeit des Vichy-Régime für die Deportation französischer Juden aus Bordeaux verantwortlich, erst 1998 wurde ihm der Prozess gemacht) fast 200 unbewaffnete Menschen, die gegen den Algerienkrieg demonstrierten, von der Sicherheitspolizei getötet, darunter unerklärlicherweise Roger Thiraud, ein Studienrat für Latein und Geschichte. Zwanzig Jahre später kommt Thirauds posthum geborener Sohn, auch er Historiker, bei seinen Recherchen in Toulouse gewaltsam ums Leben. Der desillusionierte Polizeiinspektor Cadin (er trat in vier weiteren Büchern von Daeninckx auf, bis er Selbstmord beging) nimmt sich des Falles an und deckt die weit zurückliegenden Hintergründe der beiden Verbrechen auf.

'Das Schloss bei Prag' erzählt von dem französischen Sciencefiction-Autor Frédéric Doline, der 1994 spurlos in der neu gebildeten Tschechischen Republik verschwindet. Seine Frau Nina beauftragt den ihr von früher her bekannten Privatdetektiv und Ex-Journalisten Francois Novacek - Spross einer Französin und eines tschechischen Fussballtrainers - mit der Suche nach dem Vermissten. Anspielungsreich verwebt Daeninckx fiktive Elemente mit historischen Fakten und zeichnet ein eindrucksvolles Bild der nachkommunistischen Politlandschaft in Osteuropa und des Zusammenspiels zwischen westlichem Opportunismus und (noch nicht aufgeweichten) östlichen Machtstrukturen.

Im Kurzroman 'Statisten' entdeckt der vom gelangweilten Ehemann zum leidenschaftlichen Filmliebhaber mutierte Valère Notermans bei einem Trödler in Lens ein technisch brillantes, mit grauenvollen Szenen gefülltes Filmfragment, dessen Regisseur und Komparsen unbekannt sind. Die bei aller Abscheulichkeit faszinierenden, vermutlich in den 40er-Jahren entstandenen Bilder lassen Notermans keine Ruhe, er begibt sich auf die Suche ihrer Herkunft. Bei seinen mit ein paar skurrilen Kollegen durchgeführten Recherchen, die ihn durch den Norden Frankreichs führen, stösst er zunächst auf eine Mauer des Schweigens, dann wird er von zwei Rentnern tätlich angegriffen, und kurz danach offenbart sich ihm die erschütternde Wahrheit.

'Nazis in der Metro' (der Titel ist eine Hommage an Raymond Queneaus berühmten Roman 'Zazie dans le métro') handelt von schmutzigen rot-braunen Verwicklungen im Frankreich der mittleren 90er-Jahre, denen der antifaschistische Pariser Detektiv Gabriel Lecouvreur (alias "der Pulp" bzw. "le Poulpe") auf den Grund geht. ("le Poulpe ist eine sehr umfangreiche, 1995 von Jean-Bernard Pouy als Antwort auf den Aufstieg des ‚Front National' ins Leben gerufene Krimiserie, zu der immer wieder andere Autoren einen Band beisteuern, aber auch der Nom de guerre des männlichen Helden der Reihe.)

Nachdem er ein Jahr zuvor mehrere Wochen in der französischen Kolonie Neukaledonien verbracht hatte, veröffentlichte Daeninckx 1998 den Kurzroman 'Reise eines Menschenfressers nach Paris', in dem er ein übles Kapitel der französischen Geschichte aufrollt: 1931 wurden etwa hundert Kanaken (so lautet der Name der Ureinwohner Neukaledoniens) nach Frankreich geholt, damit sie endlich ihr Mutterland kennenlernen. In Tat und Wahrheit brachte man sie jedoch in einem Gehege in der zoologischen Abteilung der grossen Pariser Kolonialausstellung unter, wo sie von den Besuchern als Menschenfresser bestaunt werden konnten. Die haarsträubende Geschichte wird aus der Sicht eines direkt Betroffenen erzählt, der 54 Jahre später, als er am letzten Aufstand der Kanaken gegen die französischen Herrscher teilnimmt, auf sein Leben zurückblickt.

Bibliografie:
Inspecteur Cadin-Romane: 'Meurtres pour mémoire' - 'Bei Erinnerung Mord' (auch unter dem Titel 'Karteileichen, 1984), 'Le géant inachevé' (1984), 'Le bourreau et son double' (1986), 'Le facteur fatal' (1990), 'Mort au premier tour' (1997);
Pulp-Romane: 'Nazis dans le métro' - 'Nazis in der Metro' (auch unter dem Titel 'Pulp und die alte Linke', 1996), 'La route due rom' (2003);
'Mort au premier tour' (1982), 'Le der des ders' - 'Tod auf Bewährung' (1984), 'Métropolice' (1985)‚ 'Play-Back' - 'Die Stimme der Bianca B.' (1986), 'Lumière noire' (1987), 'La mort n'oublie personne' (1989), 'A louer sans commission' (1991), 'Hors-limites' (1992), 'Zapping' (1992), 'Autres lieux' (1993), 'Main courante' (1994), 'En marge' (1994), 'Le château en bohème' - 'Das Schloss bei Prag' (1994), 'Les figurants' - 'Statisten' (1995), 'Le goût de la vérité' (1997), 'Cannibale' - 'Reise eines Menschenfressers nach Paris' (1998), 'La repentie' (1999), 'Ethique en toc' (2000), '12 Rue Merkert' (2001), 'La mort en dédicace' (2001), 'Le retour d'Atai' (2002), 'Les corps râlent' (2003), 'Je tue il' (2003), 'Le crime de Sainte-Adresse' (2004), 'Cités perdues' (2005), 'Itinéraire d'un salaud ordinaire' (2006), 'On achève bien les disc-jockeys' - 'Nur DJs gibt man den Gnadenschuss' (2006), 'Missak' (2009), 'L'affranchie du périphérique' (2009), 'Galadio' (2010), 'Avec le groupe Manouchian' (2010).

++ Erstellt: Januar 2011 ++
++ Update: Oktober 2012 ++
 


D'Amato, Barbara

(*1938; schreibt auch als Malacai Black)

Barbara D'Amato, geborene Steketee, kam in Grand Rapids, Michigan, auf die Welt und wuchs auch dort auf. Sie verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens in Chicago, wo sie an der Northwestern University Soziologie studierte. D'Amato war Technische Operationsassistentin, Tischlerin für eine Zauberkünstlertruppe, Assistentin eines Leoparden-Dompteurs und Detektivin für verschiedene Anwaltskanzleien, bevor sie zum Schreiben kam. Neben ihren bislang neunzehn Kriminalromanen verfasste sie Bühnenstücke, ein Sachbuch über einen umstrittenen Kriminalfall ('The Doctor, the Murder, the Mystery', in dem D'Amato den Fall des schwarzen Gynäkologen John Branion behandelt, der 1967 des Mordes an seiner Frau angeklagt wurde, danach über zwanzig Jahre, bis zu seinem Tod, im Gefängnis war und dank der Autorin - posthum - rehabilitiert wurde), Musicals für Kinder und Erwachsene und Kolumnen für Krimimagazine. Hin und wieder versuchte sie, Polizeibeamten das Krimischreiben beizubringen. D'Amato ist Mutter von zwei Söhnen, unter ihnen der Autor und Bildhauer Brian D'Amato, und lebt mit ihrem Mann, einem Juraprofessor, in Chicago.

Die Mehrzahl von D'Amatos Geschichten dreht sich um Cat Marsala aus Chicago, eine feinfühlig gezeichnete, sympathische Figur, die sich als freie Journalistin vornehmlich mit sozialpolitischen Themen (Prostitution, Arbeit auf einer Unfallstation, Spielsucht, hartes Leben auf dem Lande, Drogenpolitik) auseinandersetzt; zu lesen in neun ruhig und stimmungsvoll erzählten Kriminalromanen, deren Titel im Original mit dem Adjektiv "hard" beginnen.

D'Amatos zwei in den frühen 80er-Jahren herausgekommene Romane um die Gerichtsmedizinerin Dr. Gerritt DeGraaf sind nicht ins Deutsche übertragen worden. Aus der vierbändigen Serie um die Chicagoer Cops Suze Fiqueroa und Norm Bennis ist einzig der erste Titel 'Auf Schritt und Tod' auf Deutsch erhältlich.

Bibliografie:
Cat Marsala-Serie: 'Hardball' - 'Eine Bombe für Cat Marsala' (1990), 'Hard Track' - 'Cat Marsala und der Mord auf dem Michigansee' (1991), 'Hard Luck' - 'Mörderische Lotterie' (1992), 'Hard Woman' - 'Cat Marsala und die tote Hure' (1993), 'Hard Case' - 'Mord auf Station' (1994), 'Hard Christman - 'Eine Leiche auf dem Gabentisch' (1995), 'Hard Bargain' (1997), 'Hard Evidence' (1999), 'Hard Road' (2001);
Chicago Cops-Serie: 'Killer.app' - 'Auf Schritt und Tod' (1996), 'Good Cop, Bad Cop' (1998), 'Help Me Please' (1999), 'Authorized Personnel Only' (2000);
Dr. Gerritt DeGraaf-Romane: 'The Hands of Healing Murder' (1980), 'The Eyes of Utopia Murders' (1981);
Einzelwerke: 'On My Honor' (zuerst als Malacai Black, 1989), 'White Male Infant' (2002), 'Death of a Thousand Cuts' (2004), 'Foolproof' (gemeinsam mit Jeanne M. Dams und Mark Richard Zubro, 2009), 'Other Eyes' (2011).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Danks, Denise

Denise Danks, als Tochter einer griechischen Mutter und eines englischen RAF-Piloten in London geboren, schloss ihr Studium am St. Luke's College in Exeter als Englisch- und Drama-Lehrerin ab und begann dann 1977 eine journalistische Laufbahn. Sie schrieb für Radio, Fernsehen und verschiedene Zeitungen vorwiegend über Computer und die Computertechnologie, gründete und leitete in den 80er-Jahren eine Nachrichtenagentur für diesen Bereich und war eine Weile Geschäftsführerin des innovativen Fachverlags 'Computerwire', bevor sie 1988 das Schreiben von Drehbüchern für Film und Fernsehen und von Kriminalromanen (Georgina Powers-Serie) zum Hauptberuf machte.

Georgina "George" Powers, Danks' Protagonistin in sechs Romanen (Vorbild war offenbar das Mädchen George aus Enid Blytons berühmter Jugendkrimireihe 'Famous Five'), eine junge, geschiedene, allein stehende Londoner Computer-Journalistin mit einer Vorliebe für harte Drinks und unberechenbare Sexualpartner, ist, in den Worten ihrer Erfinderin, stur wie ein Maulesel, hart gesotten und verletzlich, intelligent und bescheuert - eine zerrissene Figur.

In Danks' drittem Roman, dem Cyber-Space-Thriller 'Die Spiele des Computer-Killers', verirrt sich George Powers in der gefährlichen Welt der virtuellen Pornographie, in die nicht nur ihr derzeitiger Sexpartner - ein perverser Computerspezialist, den sie bei einem Interview kennen gelernt hat -, sondern auch ihr früherer Liebhaber und, wie sich bald zeigt, sogar ihr Ex-Mann verstrickt sind. Ein tödliches Spiel beginnt, und George weiss nicht, wem sie vertrauen kann.

Der Nachfolgeband 'Sieh mich an, Al Sony' dreht sich um die Jagd nach Computerchips im Wert von 1 Million Dollar, die George Powers' alter Kumpel Charlie East beim Pokern in Las Vegas einem japanischen Gangster namens Al Sony abgenommen hat. Als neben der Yakuza auch noch kolumbianische Drogenkartelle und ein rabiater ungarischer Computerhändler aufkreuzen, geht es der mutigen Heldin nur noch ums nackte Überleben.

Denise Danks, deren drei letzten Krimis (zwei George Powers-Romane und das Einzelwerk 'Torso') nicht auf Deutsch vorliegen, hat zwei erwachsene Töchter und lebt mit ihrem Mann im Osten Londons.

Bibliografie:
Georgina Powers-Serie: 'The Pizza House Crash' (auch unter dem Titel 'User Deadly') - 'Pizza House Crash' (1989), 'Better Off Dead' - 'Lieber tot als vergessen' (1991), 'Frame Grabber' - 'Die Spiele des Computer-Killers' (1992), 'Wink a Hopeful Eye' - 'Sieh mich an, Al Sony' (1993), 'Phreak' (1998), 'Baby Love' (2000);
'Torso' (1999).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2013 ++
 


Darnton, John

(*1941)

John Darnton, geboren in New York City als Sohn des Kriegskorrespondenten Byron Darnton, der 1942 über Neu Guinea irrtümlich abgeschossen wurde, und der bekannten Journalistin Eleanor Choate Darnton, beide für 'The New York Times' tätig, und jüngerer Bruder des Historikers Robert Darnton, studierte an der University of Wisconsin-Madison und arbeitete danach fast vierzig Jahre als Reporter, Redakteur und Auslandkorrespondent der 'New York Times' in Nigeria, Kenia, Polen, Spanien, New York und London. Mit seinen Reportagen über das krisengeschüttelte, unter Kriegsrecht stehende Polen gewann er 1982 den Pulitzer-Preis. Als er 2005 die Arbeit bei der 'New York Times' beendete, wurde er Gastprofessor für Journalismus an der State University of New York in New Paltz. Der Vater zweier Töchter und eines Sohnes lebt mit seiner Frau, der Journalistin Nina Darnton, in New York City.

Seit 1996 macht John Darnton - kein grosser Stilist, aber ein akribischer Rechercheur - auch als Erfinder von spektakulären, sauber konstruierten, mit überraschenden Wendungen aufwartenden Wissenschaftsthrillern von sich reden. Im Jahr 2011 veröffentlichte er zudem das autobiografische Werk 'Almost a Family', in dem er sich mit seiner Jugendzeit als Halbwaise auseinandersetzt.

'Neandertal - Tal des Lebens' spielt in einem abgeschiedenen Tal des Pamirhochlands von Tadschikistan. Dort soll ein Stamm von Neandertalern überlebt haben, was einer Sensation gleichkäme, ging man doch bisher davon aus, dass diese vor rund 30'000 Jahren ausgestorben sind. Überdies sollen diese Hominiden über die Gabe des "remote viewing" zu verfügen, über die Fähigkeit also, mit den Augen eines anderen sehen können. Kein Wunder also, dass sich der amerikanische Geheimdienst für diese Entdeckungen brennend interessiert. Er entsendet die renommierten Paläontologen Susan Arnot und Matt Mattison, die vor Jahren eine Liebespaar waren, auf eine abenteuerliche, überaus gefährliche Mission in die unwegsame Region - und die beiden finden dort gleich zwei Stämme von Neandertalern, die einander feindlich gesinnt sind.

In Darntons zweitem Roman 'Zwillingspark' legt eine Gruppe von abtrünnigen Wissenschaftlern auf einer hermetisch abgeschlossenen südostamerikanischen Insel seit über dreissig Jahren Organbanken in Form von jungen geklonten Menschen an, auf die man in der Not zurückgreifen kann - der Traum vom ewigen Leben. Einem dieser Klone, dem 24-jährigen Skyler, gelingt es, die Insel zu verlassen. Kurz danach trifft er auf den New Yorker Journalisten Jude Harley, der genau gleich aussieht wie er. Und Judes Freundin Tizzie Tierney hat exakt dasselbe Gesicht wie Skylers innig geliebte Gefährtin Julia, die kurz vor seiner Flucht auf der Insel getötet und ausgeweidet worden ist. Die Doppelgänger und Tizzie schliessen sich zusammen - eine haarsträubende Hetzjagd durch Amerika nimmt ihren Lauf.

Bibliografie:
'Neanderthal' - 'Neandertal - Tal des Lebens' (auch unter dem Titel 'Tal des Lebens', 1996), 'The Experiment' - 'Zwillingspark' (1999), 'Mind Catcher' - 'Der Versuch' (2002), 'The Darwin Conspiracy' (2005), 'Black & White and Dead All Over' (2008).

++ Erstellt: Januar 2015 ++  


Davidson, Lionel

(1922-2009; schrieb auch als David Line)

Lionel Davidson wurde als jüngstes von neun Kindern in Hull, Yorkshire geboren. Lionels Vater, ein mittelloser jüdischer Schneider aus Polen, lernte dort seine analphabetische, aus Litauen stammende Frau kennen und starb 1924. Vier Jahre später liess sich die Mutter mit ihren Kindern in London nieder. Lionel, der seiner Mutter das Lesen und Schreiben beibrachte, verliess mit dreizehn die Schule, um Geld zu verdienen. Er arbeitete als Laufbursche für das Magazin 'Spectator', das 1937 eine von ihm unter Pseudonym verfasste Story veröffentlichte. Im Zweiten Weltkrieg war er auf britischen U-Booten im Fernen Osten als Telegraf im Einsatz. In den späten 40er- und den 50er-Jahren schrieb er als freischaffender Journalist für die 'Keystone Press Agency' in verschiedenen europäischen Ländern, unter anderem in der Tschechoslowakei. 1955 wurde er Redakteur der Zeitschrift 'John Bull'. Ab 1960 war er vorwiegend als Autor von Spannungsromanen für Jugendliche (unter dem Pseudonym David Line) und Erwachsene (unter angestammtem Namen) tätig. Von 1967 bis 1977 lebte er in Israel, danach kehrte er nach London zurück. Seine erste Frau Fay Jacobs, die er 1949 geheiratet hatte und die zwei Söhne zur Welt brachte, starb 1988. Ein Jahr später vermählte er sich mit Frances Ullman. Er starb 87-jährig in seinem Haus im Norden Londons.

Davidsons witziger Romanerstling 'Die Nacht des Wenzel', in Grossbritannien seinerzeit ein Bestseller, erzählt die Geschichte des jungen Engländers Nicolas Whistler, der auf einer Geschäftsreise nach Prag unfreiwillig in den Kalten Krieg verwickelt wird. Drei der nachfolgenden Romane - 'Das Geheimnis der Menora', 'Der Ruf der Gazelle' und 'The Sun Chemist' - sind in Israel angesiedelt.

'Tod in Chelsea', Davidsons einziger lupenreiner Krimi, dreht sich um eine Serie von spektakulären Morden im Londoner Stadtteil Chelsea; der mürrische Chief Superintendent Warton und die ehrgeizige freischaffende Reporterin Mary Mooney verbeissen sich in den Fall. Als Störenfriede und potentielle Täter treten immer wieder die exzentrischen Experimentalfilmer Artie, Steve und Frank in Erscheinung - und alle Opfer stammen aus ihrem unmittelbaren Umfeld.

1994 veröffentlichte Davidson seinen achten (und letzten) Erwachsenenroman 'Der Rabe', eine intelligent komponierte, temporeiche Agentengeschichte mit Abenteuerelementen. Sie dreht sich um Johnny Porter, einen kaltblütigen, eigenbrötlerischen, ungemein zähen Wissenschaftler indianischer Herkunft, genannt "Rabe", der vom britischen und amerikanischen Geheimdienst einen höchst gefährlichen Auftrag erhält: Er soll eine brisante Botschaft des in einem geheimen nordsibirischen Genlabor tätigen Wissenschaftlers Rogatschow in den Westen schmuggeln.

Bibliografie:
'Night of Wenceslas' - 'Die Nacht des Wenzel' (1960), 'The Rose of Tibet' - 'Die Rose von Tibet' (1962), 'A Long Way to Shiloh' - 'The Menora Men' - 'Das Geheimnis der Menora' (1966), 'Making God Again' (1968), 'Smith's Gazelle' - 'Der Ruf der Gazelle' (1971), 'The Sun Chemist' (1976), 'The Chelsea Murders' - 'Tod in Chelsea' (1978), 'Kolymsky Heights' - 'Der Rabe' (1994).

++ Erstellt: Oktober 2010 ++  


Dawson, David Laing

(*1941)

Der Kanadier David Laing Dawson, geboren und aufgewachsen in Victoria, British Columbia, zum Psychiater ausgebildet an der University of British Columbia Medical School in Vancouver sowie im englischen Cambridge, ist ein vielseitig begabter Mann: Chefarzt am Hamilton Psychiatric Hospital und Dozent an der McMaster University of Hamilton in Ontario bis zu seiner Pensionierung in den 90er-Jahren, Maler, Mitbesitzer einer Galerie in Hamilton, Sachbuch-, Drehbuch- und Bühnenautor - und Verfasser von fünf erstklassigen Spannungsromanen um vielschichtige, am Rande der Gesellschaft sich bewegende Figuren, deren Innenleben einfühlsam und präzis beschrieben ist.

In zwei (chronologisch zu lesenden) Romanen steht Dr. Robert Snow im Mittelpunkt. Snow ist ein heruntergekommener, alkoholkranker Internist Mitte vierzig, der in 'Endstation Wahnsinn' ohne Approbation auf der Alkoholentzugs-Abteilung im Maryland State Hospital arbeitet. Als immer mehr mit dem HIV infizierte Personen wegen einer akuten Psychose ins Krankenhaus eingeliefert werden, beginnt der (frisch verliebte) Doktor zu recherchieren, gerät, als er den skrupellosen Experimenten eines Pharma-Multis auf die Spur kommt, in einen Alptraum - und findet Trost bei der Flasche.

'Die letzte Illusion' sieht Snow auf seinem Tiefpunkt: Nach einem im Suff begangenen Selbstmordversuch vegetiert er in einer trostlosen psychiatrischen Klinik vor sich hin, wird mit Medikamenten ruhig gestellt, zerfliesst in Selbstmitleid. Seine Tatkraft erwacht erst wieder, als auf der Abteilung ein junges Mädchen ermordet wird. Und dann scheint Dr. Snow den Weg zurück ins Leben doch noch zu finden.

'The Intern' aus dem Jahr 1996 (im weitesten Sinn ein Prequel der Dr. Robert Snow-Romane, jedoch nicht als Krimi konzipiert) berichtet über die Erlebnisse des jungen Arztes Robert Snow während seiner Ausbildung in einem Torontoer Krankenhaus in den späten 60er-Jahren.

Bibliografie:
'Lost Rights' - 'Und erlöse sie von dem Leben' (1990), 'Slide in all Direction (2008), 'Don't Look Down' (2009);
Dr. Robert Snow-Romane: 'Double Blind' - 'Endstation Wahnsinn' (1991), 'Essondale' - 'Die letzte Illusion' (1993).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2013 ++
 


Deighton, Len

(Kürzel für Leonard Cyril Deighton, *1929)

Leonard 'Len' Deighton kam in London als Sohn englisch-irischer Eltern zur Welt. Sein Vater arbeitete als Chauffeur und Mechaniker, seine Mutter als Köchin in einem Hotel. Nach der Schulzeit an der Marylebone Grammar School in London war Len Deighton kurze Zeit bei der Bahn angestellt, bevor er zweieinhalb Jahre als Fotograf bei der Royal Air Force diente. Nach dem Ausscheiden aus der Armee besuchte er von 1949 bis 1952 die St. Martin's School of Art in London und dann drei Jahre die Londoner Kunstakademie. Während und nach dem Studium arbeitete er als Kellner, Konditor, Stewart der British Overseas Airways Corporation, Lehrer, Fabrikmanager, Pressefotograf und als Illustrator in New York. 1960 war er Art Director einer Londoner Werbeagentur.

Nach seiner Heirat mit der Illustratorin Shirley Thompson im Jahr 1960 lebte Deighton auf einer Farm in Irland und in Portugal, bevor er sich in Südfrankreich, auf der Ile de Porquerolles, niederliess, um an seinem ersten Roman 'Ipcress' zu arbeiten. In dieser Zeit schrieb er auch Kochrezepte für den Londoner 'Observer', 1965 veröffentlichte er sein erstes Kochbuch 'Action Cockbook', das vor allem bei Junggesellen beliebt war. 1969 verliess er England und pendelte mit seiner zweiten Frau, der niederländischen Diplomatentochter Ysabele, zwischen Südkalifornien, Österreich, Portugal, Frankreich und Irland. Ihre beiden Söhne kamen in den 70er-Jahren auf die Welt.

Von 1962 bis 1996 verfasste Deighton 27 Spionageromane. Den Durchbruch schaffte er mit der sechsteiligen Serie um einen anonymen, der Arbeiterschicht entstammenden britischen Geheimdienstagenten aus Burnley, der in den Verfilmungen den Namen Harry Palmer erhielt. Im zweiten Band 'Fische reden nicht' wollen Harry Palmer und seine Freundin Charlie in einem malerischen portugiesischen Fischerdorf ein wenig ausspannen; doch dann wird eine Leiche nach der anderen an Land gespült, die Anschläge auf sein Leben häufen sich - Harry muss zum Rechten schauen. 'Das Milliarden-Dollar-Gehirn', der vierte Teil der Harry Palmer-Serie, eine kunstvoll gebaute Geschichte mit fein gezeichneten Haupt- und Nebenfiguren, handelt von einer haarsträubenden neofaschistischen, von einem alten texanischen General angezettelten Verschwörung.

'Brahms Vier' und 'Geködert' sind die herausragenden Titel der drei in den letzten Jahren des Kalten Krieges spielenden Trilogien um Bernard Samson, einen Geheimagenten des Secret Intelligence Service (SIS), der als Ich-Erzähler auftritt. Sein Vater Brian, auch er ein britischer Spion, war nach dem Zweiten Weltkrieg, den er undercover in Deutschland verbrachte, in Berlin stationiert, sodass Bernard an deutschen Schulen ausgebildet wurde und perfekt Deutsch spricht; sein bester Freund Werner Volkmann lebt in Berlin. Bernie Samson, ein Mann Mitte vierzig von recht zweifelhaftem Charakter, legt sich immer wieder mit seinen Vorgesetzten an und wird deshalb bei Beförderungen meist übergangen.
Am Ende des ersten Bandes 'Brahms Vier', in dem Samson einem äusserst wichtigen, hinter dem Eisernen Vorhang operierenden britischen Agenten mit dem Decknamen "Brahms Vier" zur Flucht verhelfen soll, bevor dieser von der Stasi aus dem Verkehr gezogen wird, wird der zweifache Familienvater von seiner (seit zwölf Jahren ohne sein Wissen als Spionin tätigen) Frau Fiona sitzengelassen: Sie läuft zum kommunistischen Feind über und überlässt die Kinder, Sally und Billy, ihrem Mann.
In 'Geködert', dem ersten Band der zweiten Trilogie, ist eine grosse Summe aus der Hauptkasse des SIS spurlos verschwunden, Bernie Samson, der seit kurzem mit der 22-jährigen Schönheit Gloria zusammenlebt, soll sich der Sache annehmen. Doch dann mehren sich die Hinweise, dass Fiona mit dem Verschwinden des Geldes etwas zu tun hat - benutzt man Bernie bloss als Köder? Oder wird Bernie geködert? (Im Fortgang des Dreiteilers erfährt Samson schliesslich auch die Hintergründe des Abtauchens seiner Frau - mehr soll hier nicht verraten werden.)
Die dritte, bisher leider nicht auf Deutsch vorliegende Samson-Trilogie endet offen, was die Zukunft von Bernie, Fiona und ihren beiden Kindern betrifft.

Die neun Bernard Samson-Romane bilden eine in sich geschlossene Geschichte des Kalten Krieges und dessen seelenlosen Protagonisten mit ihren von Machtgier, Überlebenskampf und Paranoia getriebenen Ränkespielen; eindrucksvoll bringen sie die Stärken des (stilistisch brillanten) Autors zur Geltung: Liebe zum Detail, kenntnisreiche Darstellung des - in der Regel nicht sonderlich spannenden - Alltags von Geheimdienstleuten, feine Ironie und Konstruktion verwickelter, jedoch immer einleuchtender Plots um authentisches, vorwiegend der englischen Unterschicht entstammendes Personal.

Len Deighton hat überdies ein Dutzend Standalones (darunter mehrere um den Zweiten Weltkrieg kreisende Bücher) sowie etliche Kurzgeschichten, Reisebücher und Sachbücher über das Kochen und den Zweiten Weltkrieg herausgegeben. Der äusserst medienscheue Schriftsteller, dessen letzter Krimi 1996 erschienen ist, lebt mit seiner Frau Ysabele in Portugal und auf der Kanalinsel Guernsey.

Bibliografie:
'Harry Palmer'-Serie: 'The IPCRESS File' - 'Ipcress - Streng geheim' (1962), 'Horse Under Water' - 'Fische reden nicht' (1963), 'Funeral in Berlin' - 'Finale in Berlin' (1964), 'Billion-Dollar Brain' - 'Das Milliarden-Dollar-Gehirn' (1966), 'An Expensive Place to Die' - 'Tod auf teurem Pflaster' (1967), 'Spy Story' - 'Eiskalt' (1974);
Bernard Samson-Serie: Erste Trilogie: 'Berlin Game' - 'Brahms Vier' (1983), 'Mexico Set' - 'Mexiko-Poker' (1984), 'London Match' - 'London Match' (1985); zweite Trilogie: 'Spy Hook' - 'Geködert' (1988), 'Spy Line' - 'Gedrillt' (1989), 'Spy Sinker' - 'Gelinkt' (1990); dritte Trilogie: 'Faith' (1994), 'Hope' (1995), 'Charity' (1996);
'Only When I Larf' - 'Komm schon Baby, lach dich tot' (1968), 'Bomber' - 'Bomber' (1970), 'Close-Up' - 'Nahaufnahme' (1972), 'Yesterday's Spy' - 'Nagelprobe' (1975), 'SS-GB' - 'SS-GB' (1978), 'Twinkle, Twinkle, Little Spy' (auch unter dem Titel 'Catch a Falling Spy') - 'Sahara-Duell' (1976), 'XPD' - 'XPD - das Hitler-Protokoll' (1981), 'Goodbye, Mickey Mouse' - 'Goodbye für einen Helden' (1982), 'Winter' - 'In Treu und Glauben' (1987), 'MAMista' - 'MaMista' (1991), 'City of Gold' - 'Kairo' (1992), 'Violent Ward' (1993).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2010 ++
 


DeMarinis, Rick

(*1934)

Rick DeMarinis kam in New York City zur Welt. Seine Eltern liessen sich scheiden, als er drei war. Nach der zweiten Heirat seiner Mutter wuchs er bei ihr und dem Stiefvater in Los Angeles auf. Er machte einen Abschluss in Englisch an der University of Montana in Missoula und unterrichtete anschliessend Kreatives Schreiben an verschiedenen Provinzuniversitäten - University of Montana, San Diego State University, Arizona State University, University of Texas in El Paso. Nebenberuflich verfasste er Kurzgeschichten und Romane. Nach seiner Emeritierung liess er sich in Missoula nieder. DeMarinis war mit dem grossen, vom Publikum verschmähten, 2008 in Missoula verstorbenen Krimiautor James Crumley befreundet - und auch ihm blieb der literarische Erfolg bisher verwehrt: Trotz acht Romanen, von denen einzig 'Kaputt in El Paso' und 'Götterdämmerung in El Paso' astreine Krimis sind, und sechs Bänden mit Kurzgeschichten kam DeMarinis bisher nicht über den Status eines Geheimtyps hinaus.

Uriah "Uri" Walkinghorse ist der einprägsame Held in DeMarinis' furiosem, im texanisch-mexikanischen Grenzgebiet spielendem Roman noir 'Kaputt in El Paso'. Der gescheiterte Mathematiklehrer und ehemalige Bodybuilder ist 42-jährig, frisch geschieden und vereinsamt. Er verrichtet den öden Hausmeisterjob in einem schäbigen Block in El Paso (verstopfte Toiletten, Kakerlaken, Vandalismus, Ruhestörung, säumige Mieter) und darf dafür gratis ein kleines Appartment bewohnen. Aufgewachsen war er - wie seine vier ebenfalls elternlosen Halbgeschwister - bei den Adoptiveltern Maggie und Sam. Und der, ein ehemaliger Pfarrer, ist jetzt an einem Hirntumor erkrankt, verweigert die Behandlung und liegt, von religiösen Wahnvorstellungen befallen, im Sterben. Uri soll ihn ins Gebet nehmen - und sich überdies um seinen ältesten Halbbruder Moses (Sam versah alle Adoptivkinder mit biblischen Namen) kümmern, der seit Jahren ein Junkie-Dasein fristet. Gleichzeitig gewinnt auch Walkinghorses Berufsleben an Schwung: Für 200 Dollar pro Nacht verhilft er als maskierter "Henker" den betuchten Kunden eines SM-Studios zu einem Extrakick - ein Job, den er dem etwas seltsamen Ehepaar Farnsworth verdankt. Doch schon sein zweiter Einsatz geht gründlich schief: Der Studiogast, ein hoch angesehener Bankier namens Clive Renseller, stirbt an einem Herzinfarkt, Walkinghorse, hilfsbereit, schafft die Leiche fort - und landet alsbald mit Rensellers junger Witwe Jillian im Bett. Wenig später aber wird er von mexikanischen Drogenhändlern entführt, denn der tote Bankier war ihr Geldwäscher, und Walkinghorse weiss vielleicht zuviel.

'Kaputt in El Paso', meisterhaft komponiert, in einer kraftvollen Sprache erzählt und mit facettenreichen Charakteren bevölkert, ist die Geschichte einer bunt zusammengewürfelten, dysfunktionalen Familie und die Geschichte des gutmütigen, jedoch nicht zu unterschätzenden Ich-Erzählers Uriah Walkinghorse, der dieser Familie angehört; der in einen Schlamassel gerät, dennoch seinen eigenen Weg geht, beinahe die Liebe findet - und in einer kaputten Umgebung vielleicht ein besserer Mensch wird.

Bibliografie:
'Sky Full of Sand' - 'Kaputt in El Paso' (2003), 'Virgin in the Woodworks' - 'Götterdämmerung in El Paso' (2012; im Original bisher nicht erschienen).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2012 ++
 


Démonino, Laurence

(*1960)

Geboren, aufgewachsen und ansässig in Paris, eröffnete Laurence Démonino nach ihrem Jurastudium eine eigene Kanzlei im 6. Arrondissment der französischen Hauptstadt. Im Jahr 1997 veröffentlichte sie ihren einzigen Erwachsenenroman 'Eine Art Engel' - ein Höhepunkt der französischen Krimikunst der jüngeren Zeit. Zwei Jahre später liess sie das Jugendbuch 'Le secret de la femme rose' folgen, danach verstummte die dreifache Mutter als Autorin bereits wieder.

'Eine Art Engel', ein actiongeladener, tief trauriger, in einem knappen und präzisen Stil erzählter roman noir, sieht den früh verwaisten, erst 16-jährigen, die gleichaltrige drogenabhängige Prostituierte Dara-Soledad wie eine Schwester liebenden Edel-Strichjungen Ange im Brennpunkt des Geschehens. Ange will aus dem Milieu ausbrechen, doch der Versuch scheitert - die Schläger seines Ziehvaters und Zuhälters Stanislas Weiss, eines mächtigen Vertreters der Pariser Unterwelt, werfen ihn schlimm zugerichtet in eine Baugrube. Dank der Fürsorge der 50-jährigen Witwe Maria Conception Uruti, die ihn liebevoll pflegt, und der unscheinbaren Studentin Béatrice, bei der er dann Unterschlupf findet, kommt Ange allmählich wieder auf die Beine und kämpft sich zurück ins Leben - um seine Soledad zu retten; und sich an Weiss zu rächen.

Bibliografie:
'Une sorte d'ange' - 'Eine Art Engel' (1997).

++ Erstellt: Februar 2014 ++  


Denby, Joolz

(Pseudonym für Julianne Mumford, *1955)

Joolz Denby wurde als Tochter eines Armee-Angehörigen in Colchester, Essex, geboren und wuchs in Portsmouth (Hampshire), Sutton (Surrey) und Harrogate (Yorkshire) auf. Mit elf Jahren galt sie als lyrisches Wunderkind. Mit neunzehn heiratete sie einen kriminellen Biker, ein Mitglied der "Satan's Slaves Gan", doch die Ehe hielt nicht lange. Später machte sie sich einen Namen als Verfasserin von sozialkritischen Gedichten und Geschichten, die sie mit Musikuntermalung auf der Bühne vortrug, und als Illustratorin. Von 2000 bis 2006 veröffentlichte sie vier psychologisch ausgefeilte Spannungsromane. Denby lebt mit ihrem Lebensgefährten Justin Sullivan, dem Gründer und Songwriter der Rockband 'New Model Army', in Bradford, West Yorkshire.

Denbys atemberaubender Debütroman 'Im Herzen der Dunkelheit', eine so genannte "Inverted Novel", dreht sich um ein höchst originelles Dreigespann, bestehend aus der Ich-Erzählerin Tiger Lily, einer zarten, einsamen Frau mit einem Flair für Zahlen, aus Jamie, einer verletzlichen Stand-up-Komikerin, und dem indisch-stämmigen Transvestiten Mojo; drei rührende Gestalten, die in Bradford eine kleine, harmonische Familie bilden, bis sich Jamie wieder einmal in den falschen Mann verliebt: den gefährlichen Psychopathen Sean.

Zu Beginn von Denbys zweitem Buch 'Das Tor des Schmerzes' wird die Protagonistin Alma Greer von ihrem Gatten Philip verlassen, kurz nachdem er, fürsorglich wie er ist, ihren Kater Wellington getötet hat, weil er Alma nicht einmal die Haltung eines Tieres zutraut. Alma, am Boden zerstört, hält nun Rückschau auf ihr problembeladenes Leben: Das Aufwachsen als unerwünschtes Kind von hochbegabten Eltern und als Schwester eines brillanten (schwulen) Bruders; ihre beiden scheusslichen Ehen - zuerst mit dem charismatischen Dichter Jack Collier, der sich als gewaltätiger Säufer erweist, dann mit dem (erwähnten) Philip, einem staubtrockenen Akademiker mit übergrossem Ego; und auch die beiden "Ems" Millie und Maz, ihre engsten Freundinnen, enttäuschen sie schwer. Kein Wunder, dass Alma in die Fänge einer Sekte gerät, bei der sie zunächst viel Wertschätzung und Geborgenheit findet; und erst noch Material für ihr geplantes Buch über die Brontë-Schwestern sammeln kann. Doch kurz vor Schluss des Romans enthüllen die Sektenführer ihr wahres Gesicht - es kommt zu einem apokalyptischen Finale.

Bibliografie:
'Stone Baby' - 'Im Herzen der Dunkelheit' (2000), 'Corazon' - 'Das Tor des Schmerzes' (2001), 'Billie Morgan' (2004), 'Borrowed Light' (2006).

++ Erstellt: Mai 2011 ++  


Devine, D.M.

(Kürzel für Devine, David McDonald, 1920-1980; schrieb auch als Dominic Devine und David Munro)

Geboren in der westschottischen Stadt Greenock, Renfrewshire, besuchte David Devine von 1925 bis 1938 die Greenock Academy. Danach studierte er an der University of Glasgow (Master-Abschluss 1945) und der University of London (Bachelor of Laws 1953). 1946 heiratete er Betsy Findlay Munro, mit der er eine Tochter hatte. Neben und nach seinem Studium arbeitete er von 1944 bis 1961 als Hilfssekretär, anschliessend bis 1972 als stellvertretender Sekretär bei der North West Engineering Employers Association in Glasgow. 1972 wurde er Sekretär und Archivar der alt ehrwürdigen University of St. Andrews, Fife.

Devine übte die Schriftstellerei stets nebenberuflich aus. 1961 partizipierte er an einem Wettbewerb um den besten durch einen Universitätsdozenten verfassten Krimi, verpasste jedoch den Sieg, weil er damals im Bereich Verwaltung tätig war. Sein Beitrag trug den Titel 'Meines Bruders Killer' und war Devines erster von dreizehn zwischen 1961 bis 1978 veröffentlichten Krimis - sieben gab er als D.M Devine, sechs als Dominic Devine heraus. Seine Werke gelten als wichtige Einflüsse für britische Krimiautoren wie Colin Dexter und Peter Lovesy.

D.M. Devine, ein Meister der mehrsträngigen, zwischen verschiedenen Zeitebenen springenden Handlungsführung, erweckt komplexe Charaktere zum Leben und führt den Leser mit unerwarteten Wendungen an der Nase herum. 'Das fünfte Seil', einer seiner bekanntesten (unter dem Titel ‚Giornata nera per l'arieta' mit Franco Nero in der Hauptrolle verfilmten) Krimis, spielt in einer spiessigen schottischen Kleinstadt. In kurzen Einsprengseln kündigt der anonyme Mörder seine Taten an, begründet und kommentiert sein Vorgehen - er tötet nur Menschen, die aus seiner Sicht nichts mehr vom Leben zu erwarten haben. Das erste Opfer ist die unglücklich verliebte Lehrerin Jean Lubbock, die den Anschlag jedoch überlebt. Es folgen die gelähmte Frau des Arztes Dr. Binnie und der chronisch kranke Journalist Gordon Travers. In den Fokus der Polizeiermittlungen gerät der Gerichtsreporter Jeremy Beald, ein gutmütiger Mann mit scharfem Verstand, der zuviel trinkt, seitdem ihm an seiner vorherigen Stelle Unrecht widerfahren ist, und der jetzt - unterstützt durch Helen, seine Flamme aus jüngeren Jahren - selbst zu ermitteln beginnt.

Bibliografie:
'My Brother's Killer' - 'Meines Bruders Killer' (1961), 'Doctors Also Die' - 'Ein Mann wartet' (1962), 'The Roynston Affair' - 'Tödliche Neugier' (1964), 'His Own Appointed Day' - 'Mittwoch im Nebel' (1965), 'The Devil at Your Elbow' - 'Alles dreht sich um Lucille' (1966), 'The Fifth Cord' - 'Das fünfte Seil' (1967), 'This Is Your Death' (1981).
Als Dominic Devine: 'The Sleeping Tiger' - 'Der Tiger in Mr. Prescott' (1968), 'Death Is My Bridgeroom' - 'Das Totenbetthäschen' (1969), 'Illegal Tender' - 'Leise kam der Tod' (1970), 'Dead Trouble' - 'Siebzehn bittere Pillen' (1971), 'Three Green Bottles' - 'Drei grüne Flaschen' (1972), 'Sunk Without Trace' (1978).

++ Erstellt: Januar 2012 ++  


Dewey, Thomas B.

(1915-1981; schrieb auch als Tom Brandt und Cord Wainer)

Thomas B. Dewey, geboren in Elkhart, Indiana, als Sohn eines College-Englischlehrers, wuchs in den Bundesstaaten Ohio, Michigan, Illinois und Iowa auf. Er studierte Englisch am Kansas State Teachers College in Emporia, Abschluss 1936, und bildete sich dann zwei Jahre an der University of Iowa weiter. Es folgten vier Jahre als Redakteur an der Storycraft Correspondence School in Los Angeles und danach, in den letzten drei Kriegsjahren, verschiedene Schreibtisch-Tätigkeiten für die amerikanische Regierung. Nebenbei verfasste er Stories für 'Ellery Queen's Mystery Magazine' und andere Zeitschriften, 1944 erschien sein erster Krimi. Ab 1945 arbeitete er in einer Werbeagentur in Los Angeles, bis er 1952 das Schreiben zum Hauptberuf machte und sich im selben Jahr im texanischen Brady niederliess. Ende der 60er-Jahre beendete er seine schriftstellerische Laufbahn. Er holte einen Doktortitel in Englisch nach und unterrichtete dieses Fach von 1971 bis 1977 an der Arizona State University in Tempe. Dewey war zweimal (nach einzelnen Quellen dreimal) verheiratet und hatte einen Sohn und eine Tochter aus erster Ehe. Er starb 66-jährig in Tempe.

Dewey war ein fleissiger und grundsolider Autor von sauber konstruierten, mit trockenem Humor erzählten Krimis. Sein bekanntester Protagonist ist Mac, der seinen Nachnamen, Robinson, erst im zweitletzten Krimi kundtut. Mac war als junger Mann ein idealistisch eingestellter Cop in Chicago, bis er gefeuert wurde, weil er sich dem organisierten Verbrechen widersetzte. Mit Hilfe seines Vorgesetzten und väterlichen Mentors Lieutenant Donovan, der in fast allen Romanen kleinere Gastauftritte hat, eröffnet er daraufhin in Chicago eine Privatdetektei in einem kleinen Büro, das ihm auch als Wohnung dient. Zwei Aufträge (aufgezeichnet in 'Sechs gegen einen' und 'Macht Liebe, nicht Tod') führen ihn nach Kalifornien, wo Lieutenant Lou Shapiro, ein harter und gerechter Cop um die fünfzig, seine wichtigste Bezugsperson darstellt - und im letzten Roman verlegt Mac seinen Arbeitsplatz gar endgültig nach Los Angeles. Mac ("The Missing Link Between Philip Marlowe and Lew Archer") ist ein sensibler und bescheidener, jede Art von Gewalt verabscheuender Mann, ein hartnäckiger und sorgfältiger Ermittler mit einem Faible für die junge Generation. Er ist ein wichtiger Vorläufer von fiktiven Privatdetektiven der 70er-Jahre, z.B. Pronzinis Nameless Detective.

Deweys zweite, witzig-turbulente Reihe dreht sich um den Privatermittler Pete Schofield aus Los Angeles, einen smarten, schlagkräftigen Burschen aus Los Angeles, der glücklich mit der rothaarigen Schönheit Jeannie verheiratet ist, von jungen Frauen heiss begehrt wird, seiner eifersüchtigen, immer wieder tatkräftig ins Geschehen eingreifenden Gattin jedoch mehr oder weniger treu bleibt.

In einer weiteren Serie steht der Bücherwurm Singer Batts im Mittelpunkt, ein exzentrischer Hotelbesitzer und Hobbydetektiv in einem verschlafenen Nest des Mittleren Westens. Die an Rex Stouts Nero Wolfe-Serie angelehnten Krimis sind aus der Sicht von Singers Batts' Kompagnon Joe Spinder erzählt.

Bibliografie:
Mac-Serie: 'Draw the Curtain Close' (auch unter dem Titel 'Dame in Danger') - 'Eine Frau lebt gefährlich' (1947), 'Every Bet's a Sure Thing' - 'Wette mit dem Satan' (1953), 'The Case of the Murdered Model' (auch unter dem Titel 'Prey for Me') - 'Der Teufel holt sie alle ab' (auch unter dem Titel 'Die tödliche Zunge', 1954), 'The Mean Streets' - 'Auf heissem Pflaster' (1955), 'The Brave Bad Girls' - 'Mädchen sind so' (1956), 'You've Got Him Cold' - 'Tote erben nicht' (1958), 'The Case of the Chased and the Unchased' - 'Sechs gegen einen' (1959), 'The Girl Who Wasn't There' (auch unter dem Titel 'The Girl Who Never Was') - 'Das Mädchen, das nicht da war' (1960), 'How Hard to Kill' - 'Alle gegen Mac' (1962), 'A Sad Song Singing' - 'Das Geheimnis des Koffers' (1963), 'Don't Cry For Long' - 'Zieh dich an, Mädchen' (1964), 'Portrait of a Dead Heiress' - 'Engel der Sünde' (1965), 'Deadline' - 'Vier Tage bis zum Galgen' (1966), 'Death and Taxes' - 'Tod und Steuern' (1967), 'Death Turns Right' (auch unter dem Titel 'The King Killers') - 'In die Höhle des Löwen' (1968), 'The Love-death Thing' - 'Macht Liebe, nicht Tod' (1969), 'The Taurus Trip' - 'Die 8-mm-Party' (1970);
Pete Schofield-Serie: 'And Where She Stops' - (auch unter dem Titel 'I.O.U. Murder') - 'Tödliche Juwelen' (1957), 'Go to Sleep, Jeannie' - 'Wer erbt die Millionen?' (1959), 'Too Hot for Hawaii' - 'Zwischenfall in Honolulu' (1960), 'The Golden Hooligan' (auch unter dem Titel 'Mexican Slayride') - 'Unter Schmugglern' (1961), 'Go, Honey, Lou' - 'Abenteuer mit Honeylou' (1962), 'The Girl with the Sweet Plump Knees' - 'Rätselhafte Patricia' (1963), 'The Girl in the Punchbowl' - 'Das Mädchen im Sektglas' (1964), 'Only On Tuesdays' - 'Zwischen Sex und Mord' (1964), 'Nude in Nevada' - 'Die tätowierte Tänzerin' (1965);
Singer Batts-Serie: 'Hue & Cry' (auch unter den Titeln 'The Murder of Marion Mason' und 'Room for Murder') - 'Zeter und Mordio' (1944), 'As Good As Dead' (1946), 'Mourning After' - 'Schönheit ist gefährlich' (1950), 'Handle With Fear' - 'Vorsicht macht sich bezahlt' (1951);
Einzelwerke: 'My Love is Violent' (1956), 'Hunter at Large' - 'Das Mädchen aus Mexiko' (1961), 'Can a Mermaid Kill?' (1965), 'A Season for Violence' - 'Das Mädchen aus der Vorstadt' (1966).
Als Tom Brandt: 'Kiss Me Hard' (1953), 'Run, Brother, Run' - 'Lauf, Bruder, lauf!' (1954).

++ Erstellt: Januar 2011 ++  


Dexter, Colin

(*1930)

Colin Dexter wurde als zweiter Sohn einer mittellosen Familie in der Kleinstadt Stamford, Lincolnshire, geboren und wuchs auch dort auf. Nach dem Militärdienst beim Royal Corps of Signals studierte er bis 1953 Latein und Altgriechisch am Christ's College in Cambridge, um dann zwölf Jahre klassische Fächer an verschiedenen Schulen in den East Midlands zu unterrichten. Im Jahr 1956 heiratete er Dorothy Cooper und hatte mit ihr einen Sohn und eine Tochter.

Da Dexter allmählich sein Gehör verlor, musste er den Lehrerberuf im Jahr 1966 endgültig aufgeben. Er ging nach Oxford, wo er bis zu seiner Pensionierung als Sekretär des Prüfungsausschusses tätig war und ab 1975 (zunächst nebenberuflich) Kriminalromane verfasste. (Zum Schreiben kam er während eines verregneten Familienurlaubs in Wales im Sommer 1973).

Im Mittelpunkt von Dexters Kriminalwerk (dreizehn Romane und eine Geschichtensammlung) steht Chief Inspector Morse (sein Vorname - Endeavour - wird erst enthüllt, als bereits niemand mehr daran glaubt, dass er überhaupt einen hat) von der Mordkommission der Oxforder Thames Valley Police, ein eigenbrötlerischer, hoch gebildeter Liebhaber von klassischer Musik (Richard Wagner!), Kunst und kryptischen Kreuzworträtseln, ein aufbrausender Mann mit einer fatalen Neigung zu traurig endenden Liebesgeschichten und alkoholischen Getränken, der im Fortgang der Serie zudem an Diabetes erkrankt. In weiteren wichtigen Rollen: Morses walisischer Partner Sergeant Lewis (auch er scheint keinen Vornamen zu tragen), ein stämmiger Ex-Boxer mit gutmütiger, geduldiger Wesensart - und Morses vermutlich bester Freund; der Polizeipathologe Max De Bryn, der im zehnten Roman eine tödliche Herzattacke erleidet; und Morses Vorgesetzter Superintendent Strange.

Die in klassischer Tüftelmanier höchst raffiniert gebauten Geschichten werden aus rasch wechselnden Blickwinkeln erzählt. Sie leben von falschen Fährten, verblüffenden Lösungen, einem reichhaltigen Figuren-Ensemble und natürlich von den beiden gegensätzlichen Protagonisten Morse und Lewis, deren Lebensläufe und Eigenheiten schrittweise offenbart werden. Im Jahr 1999 fand die in England Kultstatus aufweisende Serie mit dem Herztod des knapp 70-jährigen Morse (er hat denselben Jahrgang wie sein Erfinder) ihren Abschluss - dies bedeutete auch das Ende der schriftstellerischer Laufbahn seines Schöpfers, der sich seither vorzugsweise karitativen Aufgaben widmet.

'Eine Messe für all die Toten', 'Das Rätsel der dritten Meile', 'Mord am Oxford-Kanal' und 'Finstere Gründe' werden von den Morse-Experten als beste Bände der offenbar Suchtpotential aufweisenden Reihe bezeichnet.

Die Morse-Krimis wurden für eine höchst erfolgreiche Fernsehserie adaptiert (33 Episoden, ausgestrahlt von 1987 bis 2001, mit dem 2002 verstorbenen britischen Schauspieler John Thaw als Chief Inspector Morse in der Hauptrolle), wobei Colin Dexter in jeder Folge einen Cameo-Auftritt hatte und einmal sogar ein paar Worte sprach.

Bibliografie:
Chief Inspector Morse-Serie: 'The Last Bus to Woodstock' - 'Der letzte Bus nach Woodstock' (1975), 'Last Seen Wearing' - '...wurde sie zuletzt gesehen' (1976), 'The Silent World of Nicholas Quinn' - 'Die schweigende Welt des Nicholas Quinn' (1977), 'Service of all the Dead' - 'Eine Messe für all die Toten' (1979), 'The Dead of Jericho' - 'Die Toten von Jericho' (1981), 'The Riddle oft he Third Mile' - 'Das Rätsel der dritten Meile' (1983), 'The Secret of Annexe 3' - 'Hüte dich vor Maskeraden' (1986), 'The Wench is Dead' - 'Mord am Oxford-Kanal' (1989), 'The Jewel that Was Ours' - 'Tod für Don Juan' (1991), 'The Way Through the Woods' - 'Finstere Gründe' (1992), 'Morse's Greatest Mystery and Other Stories' - 'Ihr Fall, Inspektor Morse' (Kurzgeschichten, 1993), 'The Daughters of Cain' - 'Die Leiche am Fluss' (1994), 'Death is now my Neighbour' - 'Der Tod ist mein Nachbar' (1996), 'The Remorseful Day' - 'Und kurz ist unser Leben' (1999).

++ Erstellt: April 2015 ++  


Dexter, Pete

(*1943)

Pete Dexter wurde in Pontiac, Michigan, geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters verbrachte er seine Kindheit mit seiner Mutter und ihrem zweiten Mann, einem Mathematiklehrer, in Milledgeville, Georgia, und in South Dakota. Er studierte an der University of South Dakota und arbeitete nach einem flüchtigen Florida-Intermezzo fünfzehn Jahre als Kolumnist der 'Philadelphia Daily News', bis sein Leben im Dezember 1981 aus den Fugen geriet: Wegen einer kontroversen Reportage über einen jungen toten Drogendelinquenten wurde Dexter in Philadelphia von zwei Dutzend mit Baseballschlägern bewaffneten Halbwüchsigen zusammengeschlagen - eine Eruption der Gewalt, die ihn beinahe das Leben kostete und zahlreiche Operationen nach sich zog. Einigermassen wieder hergestellt, entschloss er sich 1983 für ein Leben als freier Autor. Nach längerem Aufenthalt im kalifornischen Sacramento lebt er seit Anfang der 90er-Jahre mit seiner zweiten Frau Diana auf der Whidbey Island im Puget Sound, Washington State.

Dexters fulminante, in lakonischem Stil erzählte und einen ganz besonderen Sog ausübende Romane kreisen um Gewalt, Sexualität und Rassenhass. Für 'Paris Trout' bekam Dexter 1988 den 'National Book Award', die höchste literarische Auszeichnung der USA. Auf dem deutschen Buchmarkt hingegen finden seine grandiosen Werke viel zu wenig Beachtung.

Neben sieben Romanen schrieb Dexter rund zwanzig Drehbücher. 2007 erschien 'Paper Trails: True Stories of Confusion, Mindless Violence, and Forbidden Desires, a Surprising Number of Which are Not About Marriage', eine Sammlung seiner besten journalistischen Texte aus den 70er-, 80er- und 90er-Jahren, und 2009 das autobiografisch geprägte Buch 'Spooner'.

'God's Pocket', angesiedelt in dem gleichnamigen (fiktionalen) Arbeiterviertel in Philadelphia, ist Dexters erster Roman, auf die deutschsprachige Übersetzung musste man 27 Jahre warten. Leon Hubbard, ein psychopathisches, nichtsnutziges Bürschlein Anfang zwanzig, hat das Schicksal herausgefordert: Sein von ihm bis aufs Blut provozierter schwarzer Arbeitskollege Old Lucy zertrümmert ihm den Schädel vor mehreren Zeugen mit einer Eisenstange, der Fall wird als Arbeitsunfall abgehakt, kein Mensch weint Leon eine Träne nach - ausser seiner Mutter Jeanie, die sich nicht so leicht mit dem Tod ihres einzigen Kindes abfinden kann. Ihr engster Verbündeter ist der ungemein populäre 'Daily Times'-Kolumnist Richard Shellburn, ein versoffener, wehleidiger Mann mit schwachem Rückgrat, der von Jeanies Reizen sehr angetan ist - und Leon in blumigen Worten zum hoffnungsvollen jungen Mann hochstilisiert. Doch auch Jeanies zweiter Mann Mickey Scarpato, der Beziehungen zur lokalen Mafia hat, trägt das Seine dazu bei, dass es im schäbigen kleinen Viertel schon bald zu weiteren Gewaltakten kommt.

'Paris Trout' seziert den geistigen Zerfall des einflussreichen Ladenbesitzers und Geldverleihers Paris Trout, eines kaltblütigen, herz- und gewissenlosen Egozentrikers, der in dem fiktiven, von Heuchelei, Klassendenken und Korruption durchseuchten Südstaatenkaff Cotton Point Anfang der 50er-Jahre, der Zeit der Rassentrennung, ohne ersichtlichen Grund das 14-jährige schwarze Mädchen Rosie Sayers ermordet und daraufhin mit allen Mitteln versucht, sich der Bestrafung für die sinnlose Tat zu entziehen. Als sich zwischen Trouts berühmtem Anwalt Harry Seagraves, einem unglücklich verheirateten, zwischen Pflichtbewusstsein und Menschlichkeit hin und her gerissenen Mann, und Trouts charakterfester Ehefrau Hanna eine Liebesgeschichte entspinnt, ist die Katastrophe unausweichlich - Paris Trout läuft Amok, zieht eine Blutspur durch Cotton Point.

Die Kulisse für Dexters Roman 'Bruderliebe' bilden die Bandenkriege im Philadelphia der 70er- und 80er-Jahre (Philadelphia bedeutet auf Deutsch bekanntlich Bruderliebe). Peter Floods Leben wird zerstört, bevor es richtig begonnen hat: Er ist acht Jahre alt, als seine Schwester von einem Auto überfahren wird, seine Mutter daraufhin den Verstand verliert und sein Vater, ein Gewerkschaftsboss irischer Abstammung, dem Unfallfahrer - einem korrupten Polizisten - das Licht ausbläst. Viele Jahre später wird Peter Flood wider Willen in die schmutzigen Kämpfe zwischen den Gewerkschaften und der Mafia verwickelt; er wird sie nicht überleben.

In 'Paperboy' rechnet Dexter mit der skrupellosen Welt des Enthüllungsjournalismus ab. Ward James und Yardley Acheman, zwei junge, hochtalentierte Journalisten aus Miami, recherchieren im Sommer 1965 die Hintergründe des vier Jahre zurückliegendes Mordes an einem gewalttätigen Sheriff - möglicherweise sitzt ein Unschuldiger in der Todeszelle. Es zeigt sich jedoch bald, dass die von Ehrgeiz zerfressenen Journalisten weniger an der Wahrheit, als an ihren eigenen Karrieren (sprich: dem Pulitzer-Preis) interessiert sind.

'Train', angesiedelt im Los Angeles des Jahres 1953, ist die gewalttriefende Geschichte von drei höchst gegensätzlichen Figuren - dem schwarzen Teenager Lionel Walker, genannt Train, einem begabten Golfer, der als Caddy auf einem exklusiven Golfplatz arbeitet und bereits einen Mord auf dem Gewissen hat; von Miller Packard, einem undurchsichtigen und rücksichtslosen Weltkriegsveteranen und Detective beim LAPD, der das Gesetz am liebsten in die eigenen Hände nimmt; und von Norah Rose, deren Mann vor ihren Augen ermordet wird, und die kurz danach eine sexuell begründete Beziehung mit Packard beginnt - von drei Figuren, die sich besser nie begegnet wären. Pete Dexter schafft eine düstere Atmosphäre, die Grenzen zwischen Gut und Böse werden unscharf, und am Schluss entlädt sich die Spannung.

Bibliografie:
'God's Pocket' - 'God's Pocket' (1983), 'Deadwood' - 'Deadwood' (1986), 'Paris Trout'- 'Tollwütig' (auch unter dem Titel 'Paris Trout', 1988), 'Brotherly Love' - 'Bruderliebe' (auch unter dem Titel 'Unter Brüdern', 1991), 'The Paperboy' - 'Schwarz auf weiss' (auch unter dem Titel 'Paperboy', 1995), 'Train' - 'Train' (2003), 'Spooner' (2009).

++ Erstellt: April 2011 ++
++ Update: Februar 2015 ++
 


Dickinson, Peter

(Kürzel für Peter Malcolm de Brissac Dickinson, 1927-2015)

Peter Dickinson wurde als einer von vier Söhnen eines Kolonialbeamten in Livingstone, Nord-Rhodesien (dem heutigen Sambia), geboren und verbrachte dort eine idyllische Kindheit. 1935 liess sich die Familie in England nieder, wo der Vater wenig später starb. Nach der Schulzeit in Eton und dem Militärdienst studierte Dickinson klassische Sprachen und Englisch am King's College in Cambridge, Abschluss 1951. Danach arbeitete er siebzehn Jahre als Verfasser von humoristischen Gedichten und Redakteur beim Magazin 'Punch', bis er 1969 freier Schriftsteller wurde.

Seiner ersten, 1953 geschlossenen Ehe mit Mary Rose Barnard entsprangen zwei Söhne, John und James, sowie zwei Töchter, Philippa und Polly. 1991, drei Jahre nach dem Tod von Mary Rose, vermählte sich Dickinson mit der amerikanischen Fantasy-Autorin Robin McKinley. Er lebte mit ihr im südenglischen Städtchen Winchester, Hampshire, wo er nach kurzer Krankheit an seinem 88. Geburtstag starb.

Neben Gedichten, Kinderbüchern und Sciencefiction veröffentlichte Dickinson 21 Krimis, darunter den Sechsteiler um Superintendent James Pibble von Scotland Yard, der im Verlauf der Serie seinen Job verliert und daraufhin als Privatdetektiv in London tätig wird. Im letzten Band ('Mit einem Fuss im Grab') bekommt es der gealterte und von Suizidgedanken gepeinigte Protagonist mit einem Mordfall in einem Betagtenheim zu tun.

Peter Dickinson - in seiner Heimat bis heute ein hoch angesehener Autor - würzte seine unterhaltsamen Geschichten stets mit phantastischen Elementen und lehrreichen Informationen über fremde Kulturen. In einem seiner bekanntesten und besten Romane, dem Einzelwerk 'Das Giftorakel', wird der Sultan von Q'Kut in seinem Palast am Persischen Golf ermordet, einziger Zeuge ist Dinah, ein weibliche Schimpanse. Der als Gast im Palast weilende Zoologe und Sprachforscher Wesley Morris, der mit Dinah seit längerer Zeit Bahn brechende Experimente durchführt, entlarvt schliesslich den Täter - tatkräftig unterstützt durch die Äffin.

Bibliografie:
James Pibble-Serie: 'The Glass-Sided Ants' Nest' (auch unter dem Titel 'Skin Deep') - 'Rächende Vergangenheit' (auch unter dem Titel 'Mister Pibble und die Ethnologin', 1968), 'A Pride of Heroes' (auch unter dem Titel 'The Old English Peep Show') - 'Helden scharenweise' (1969), 'The Seals' (auch unter dem Titel 'The Sinful Stones') - 'Zurück nach Babylon' (1970), 'Sleep and his Brother' - 'Tödlicher Ehrgeiz' (1971), 'The Lizard in the Cup' - 'Ein Tropfen Gift im Becher' (1972), 'One Foot in the Grave' - 'Mit einem Bein im Grab' (1979);
'The Green Gene' (1973), 'The Poison Oracle' - 'Das Giftorakel' (1974), 'The Liveley Dead' - 'Wodka konserviert' (1975), 'King and Joker' (1976), 'Walking Dead' - 'Ein wandelnder Leichnam' (1977), 'A Summer in the Twenties' (1981), 'The Last Houseparty' - 'Das letzte Fest' (1982), 'Hindsight' - 'Die Spur der Hindin' (1983), 'Death of a Unicorn' - 'Tod eines Einhorns' (1984), 'Tefuga' - 'Tefuga' (1986), 'Skeleton-in-Waiting' (1987), 'Perfect Gallows' - 'Galgenspiel' (1988), 'Play Dead' (1991), 'The Yellow Room Conspiracy' (1992), 'Some Deaths Before Dying' (1999).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Dezember 2015 ++
 


Diehl, William

(1924-2006)

William Diehl, geboren in Queens, New York City, hatte einen berühmten Babysitter: die spätere Hollywood-Ikone Mae West. Mit siebzehn Jahren, am Tag nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor, trat er der Air Force bei. Einen Abschuss über Deutschland überlebte er nur mit sehr viel Glück, belohnt wurde er mit mehreren Tapferkeitsmedaillen. Nach dem Krieg studierte er an der University of Missouri in Columbia, um danach eine journalistische Laufbahn zu verfolgen. Er verfasste Reportagen und Kolumnen für das 'New Orleans Magazine' und das 'Cincinnati Magazine', ehe er sich selbständig machte und vor allem für das 1961 gegründete Magazin 'Atlanta' schrieb. Nachdem er sich selbst das Fotografieren beigebracht hatte, arbeitete er als Fotoreporter für die United States Information Agency. Bei seiner Arbeit lernte er Martin Luther King kennen - und wurde dessen offizieller Fotograf. 1967 griffen ihn zwei Männer mit Messern an und verletzten ihn am Hals, als er King auf einer Tour durch Mississippi begleitete.

An seinem 50. Geburtstag kehrte Diehl dem Journalismus den Rücken zu: Er wollte endlich seinen Traum verwirklichen und Schriftsteller werden. Am nächsten Tag verkaufte er seine Kameras, borgte von seinem besten Freund 5'000 Dollar und begann zu schreiben. Drei Jahre später veröffentlichte er seinen ersten Krimi 'Sharky's Machine', der ein Bestseller wurde. Es folgten vier weitere, recht exotische, etwas weniger erfolgreiche Thriller und die in sehr gemächlichem Tempo erzählte dreiteilige Trilogie um den brillanten Juristen Martin Vail aus Chicago (der erste Band wurde mit Richard Gere in der Hauptrolle verfilmt) und schliesslich der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angesiedelte Spannungsroman 'Eureka'.

Gegen Ende seines Lebens gab der von Krankheit gezeichnete Autor seinen langjährigen Wohnsitz auf der St. Simon's Island auf und liess sich mit seiner dritten Frau, der früheren TV-Reporterin Victoria Gunn, in Woodstock, Georgia, nieder, wo er medizinisch besser betreut werden konnte. Kurz vor seinem 82. Geburtstag erlag er im Emory University Hospital in Atlanta einem Gefässleiden. Er hinterliess seine Frau, vier Kinder aus erster Ehe (mit Virginia Arnold) und ein Kind aus zweiter Ehe (mit Catherine Clifford). Sein zehnter Krimi 'Seven Ways To Die' blieb unvollendet.

'Sharky' ist eine action- und sexgeladene, mit prägnanten Figuren bevölkerte und coolen Sprüchen gewürzte Geschichte, deren Ursprünge im Italien des Zweiten Weltkriegs liegen. Im Mittelpunkt steht der vom Drogendezernat zur Sitte strafversetzte Cop Tom Sharky aus Atlanta, der mit seinen Partnern den Mord an einem Edel-Callgirl auf den Grund geht. Die Gegner der kleinen, aber überaus schlagkräftigen Truppe sind zwei grosse Kaliber: der nahezu perfekt getarnte Gangster Victor DeLaroza, der in Hongkong gross geworden war, bevor er in den USA Fuss fasste und zum "König der Nacht" aufstieg, und sein psychopathischer Partner Dominic Scardi, ein ehemaliger Killer der Cosa Nostra.

'Zwielicht', der erste (und beste) Teil der Martin Vail-Trilogie, entwickelt sich nach etwas zähen ersten 180 Seiten zu einem facettenreichen und richtig spannenden Justizroman, dem eindrucksvoll gezeichnetes Personal den Stempel aufdrückt: Die junge, feingliedrige Psychiaterin Molly Arrington und Vails detektivisch tätiger Kollege Tommy Goodman auf der einen, die ehrgeizige und verbissene, jedoch hoch talentierte Staatsanwältin Janet Venable auf der anderen Seite - und natürlich der charismatische und leidenschaftliche Strafverteidiger Martin Vail selbst, der instinktiv fast immer die richtigen Entscheidungen trifft, sowie sein Klient, der 20-jährige, geradezu engelhaft wirkende Angeklagte Aaron Stampler, der des barbarischen Mordes am Erzbischof von Chicago bezichtigt wird, und auf den der elektrische Stuhl wartet. Leidet Aaron an "Multipler Persönlichkeitsstörung"? Und war der Bischof wirklich ein Heiliger? Der 660 Seiten starke Roman gipfelt in einer dramatischen Gerichtsverhandlung - und nimmt ganz zuletzt eine überraschende Wendung.

Bibliografie:
'Sharky's Machine' - 'Sharky und seine Profis' (auch unter dem Titel 'Sharky', 1978), 'Chameleon' - 'Chamäleon', auch unter dem Titel 'Blutrausch', 1981), 'Hooligans' (1984), 'Thai Horse' - 'Thai Horse' (1987), 'The Hunt' (auch unter dem Titel '27') - 'Siebenundzwanzig' (1991), 'Eureka' (2002).
Martin Vail-Trilogie: 'Primal Fear' - 'Zwielicht' (1992), 'Show of Evil' - 'Der Ministrant des Bösen' (1995), 'Reign in Hell' (1997).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Diez, Rolo

(Kürzel für Rolando Aurelio Diez Suarez, *1940)

Rolo Diez, geboren in der argentinischen Stadt Junin, Provinz Buenos Aires, studierte Jura, Psychologie und Filmwesen und arbeitete danach beim Film. Wegen aktiver Mitgliedschaft in einer Widerstandsgruppe gegen die argentinische Militär-Junta wurde er verhaftet und gefoltert und verbrachte zwei Jahre im Gefängnis. Nach seiner Freilassung im Jahr 1977 ging er ins europäische Exil mit Stationen in Frankreich, Italien und Madrid und hielt sich mit kleinen Jobs über Wasser. Seit 1980 lebt er als Journalist, Drehbuch- und Romanautor in Mexiko-Stadt. Sein Werk enthält den autobiografischen Text 'Los Companeros' aus dem Jahr 1987 und vierzehn Krimis, darunter die Carlo Hernandez-Trilogie, die auch auf Deutsch vorliegt.

Diez' Krimiheld Carlos "Carlito" Hernandez, Sonderermittler bei der Polizei von Mexiko-Stadt, befindet sich im Dauerstress: Er muss zwei Familien versorgen, die Launen seiner beiden eifersüchtigen Frauen, die nichts voneinander wissen, erdulden, wird immer wieder von zwielichtigen Weibern verführt, und sein recht aufwändiger Lebensstil zwingt ihn dazu, den kargen Polizistengehalt mit allerlei dubiosen Nebengeschäften aufzubessern. Kein Wunder, dass er kaum Zeit findet, seinen haarigen Kriminalfall zu lösen, in den Nutten, Schwule, falsche Transvestiten, Kubaner, Kolumbianer und Gringos verwickelt sind ('Der Tequila-Effekt').

Rolo Diez erzählt die drei schlackenfreien, gesellschaftskritischen Romane mit einem gerüttelt Mass schwarzen Humors und bringt das Kunststück fertig, dass einem Carlos Hernandez, dieser korrupte, umtriebige Macho, im Verlauf der Reihe regelrecht ans Herz wächst.

Bibliografie:
Carlos Hernandez-Trilogie: 'Mato y voy' - 'Der Tequila-Effekt' (1992), 'Metamujeres' - 'Hurensöhne' (2001), 'La vida que me doy' - 'Wüstenstaub' (2001);
'Vladimir Ilich contra los uniformados' (1989), 'Paso del tigre' (1991), 'Gatos de azotea' (1992), 'Una baldosa en el Valle de la Muerto' (1992), 'Luna de escerlata' (1994), 'Gambito de dama' (1998), 'In domina veritas' (2001), 'Papel picado' (2003), 'Miro con los ojos bien abiertos' (2003), 'Dos mil y una noches' (2009), 'El mejor y el peos de los tiempos' (2010).

++ Erstellt: Juli 2013 ++  


Diment, Adam

(*1943)

Adam Diment (ein Pseudonym?) kam als Sohn eines Bauers in Sussex zur Welt und besuchte in Lansing, West-Sussex, eine Privatschule. In den 60er-Jahren schrieb er Kolumnen in einem Magazin für pubertierende Mädchen, kurze Zeit arbeitete er damals auch in der Werbebranche. Er liebte schöne Frauen und schnelle Autos, rauchte viel Marihuana - und war ein Posterboy der Londoner Jugend dieser Zeit.

1967 veröffentlichte Diment seinen ersten Krimi 'The Dolly, Dolly Spy', der gross einschlug. Es folgten drei weitere Romane, alle mit seinem alter Ego, dem kiffenden Londoner Geheimagenten Philip McAlpine, als Hauptfigur. 1971 tauchte Diment mit seiner Frau Jackie unter, über das Leben des zweifachen Vaters kursierten danach die wildesten Gerüchte - Flucht vor der englischen Justiz wegen Drogendelikten, Hippie im fernen Osten, Geschäftsmann in Thailand, Buddhist im Tibet, Landwirt in Kent, um nur die beliebtesten zu nennen.

McAlpine ist eine schillernde, recht eigenständige Figur. Er war Industriespionageabwehrmann bei einer Firma, die Haushaltgeräte herstellt, bis er zu Beginn des ersten Bandes mittels Erpressung gezwungen wird, für eine Geheimabteilung der britischen Regierung zu arbeiten. Der Erpresser heisst Rupert Quine, er ist Chef dieser Abteilung, eine zwergenhafte, widerliche Gestalt mit Rattenaugen. McAlpine, Besitzer einer Fluglizenz, kann gut mit Waffen umgehen, beherrscht Jiu-Jitsu und Karate und spricht mehrere Sprachen - Fähigkeiten, die ihn zu einem Undercover-Auftrag prädisponieren: Er wird in das Unternehmen "International Charter Inc.", das sich auf illegale Transporte - Drogen, Gold, Geheimagenten, Terroristen - spezialisiert hat, eingeschleust. In 'Püppchen, Püppchen' schickt ihn Quine in den Nahen Osten, wo er einen gefährlichen, im Sold des ägyptischen Geheimdienstes stehenden ehemaligen Nazi-Oberst namens Detmann aufspüren soll. Schon bald wird jedoch klar, dass auch die Amerikaner an Detmann interessiert sind; und dass Quine mit gezinkten Karten spielt.

Bibliografie:
Philip McAlpine-Serie: 'Dolly, Dolly Spy' - 'Püppchen, Püppchen' (1967), 'The Bang Bang Birds' - 'Die Knallvögel' (1967), 'The Great Spy Race' - 'Der grosse Wettlauf der Spione' (1968), 'Think Inc' (1971).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Dodge, David

(1910-1974)

David Dodge wurde als jüngstes von vier Kindern eines erfolgreichen Architekten in Berkeley, Kalifornien, geboren. Der Vater erlitt 1919 einen tödlichen Verkehrsunfall. Daraufhin zog die Mutter mit ihren drei Töchtern und David nach Los Angeles, wo dieser die Lincoln High School besuchte, jedoch ohne Abschluss blieb. Von 1926 bis Ende der 30er-Jahre war er unter anderem als Bankangestellter, Hafenarbeiter, Nachtwächter und Buchhalter tätig. 1936 vermählte er sich mit Elva Keith. Nach dem Angriff auf Pearl Harbor heuerte er bei der Navy an - er verliess sie nach drei Jahren als Lieutenant Commander.

Dodge begann seine schriftstellerische Laufbahn 1936, als er in San Francisco einer Gruppe von Bühnenautoren, Schauspielern und Produzenten (unter ihnen Dodges Schwager George Burkhardt, der Gründer des Zirkels) beitrat, deren Ziel es war, Theater zum puren Vergnügen zu kreieren. Dodge steuerte zwei Werke bei, 'A Certain Man Had Tow Sons' und 'Christmas Eve at the Mermaid'. Einige Jahre später wettete er mit seiner Frau, dass er im Stande sei, einen spannenderen Krimi zu schreiben als jene, die sie während ihren verregneten Ferien gerade lasen. 1941 kam sein erster Krimi heraus, und Dodge gewann die Wette.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog Dodge mit seiner Frau und der 1940 geborenen Tochter Kendal durch Zentral- und Südamerika mit längeren Aufenthalten in Guatemala und Peru. In dieser Zeit begann er seine zweite Karriere, jene als Reisebuchautor. 1950 bezog die Familie Wohnsitz in Südfrankreich, nach zwei Jahren kehrte sie in die USA zurück. Es folgte ein kurzer Aufenthalt in Burlingame, Kalifornien, worauf Dodge mit seinen Angehörigen nach Princeton, New Jersey, ging. Als Kendal 1957 die High School abgeschlossen hatte, waren David und Elva Dodge nicht mehr zu halten - ausgedehnte Reisen durch ganz Europa füllten die folgenden Jahre aus. 1968 schliesslich liess sich das Ehepaar in San Miguel de Allende, Mexiko, nieder. Elva starb dort im Oktober 1973, David folgte ihr nach zehn Monaten, kurz vor seinem 64. Geburtstag.

In Dodges frühen, von Dashiell Hammett beeinflussten Krimis steht James "Whit" Whitney aus San Francisco im Mittelpunkt. 'Die blaue Limousine', der erste und beste Band des witzigen Vierteilers, in dem sehr viel Alkohol fliesst, dreht sich um den Fall Harald Wolff. Wolff, ein Bierbrauer, der sich in der Prohibition als Alkoholschmuggler (und Betrüger seiner Mitaktionäre) eine goldene Nase verdient hatte, kam bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, weil sich sein (präparierter?) Fallschirm nicht öffnete. Nach seinem Tod musste eine Million Dollar Einkommenssteuer nachgezahlt werden, eine Summe, die dem ganzen Erbe entsprach. Whits 20 Jahre älterer Kompagnon George MacLeod, ein berüchtigter Schürzenjäger, der Wolff in Steuerfragen beraten hatte, stellt nun fest, dass dieser Betrag viel zu hoch war. Wolffs Tochter Marian beauftragt ihn, der Sache auf den Grund zu gehen, doch bevor er etwas unternehmen kann, bläst man ihm mit einer .25er das Licht aus - und Whit mutiert vom Steuerberater zum Detektiv. Dann geschieht ein weiterer Mord, auf den Hobbyschnüffler wird ein Anschlag verübt, doch Whit lässt nicht locker, verliebt sich nebenbei in MacLeods reizende junge Witwe Kitty und legt dem Mörder in Zusammenarbeit mit dem nagelharten Cop Lieutenant Webster das Handwerk.
Daraufhin kehrt Whit in seinen Brotberuf zurück, wird jedoch weiterhin in Verbrechen verwickelt. Zu Beginn des dritten, im Zweiten Weltkrieg spielenden Bandes 'Whit wundert sich' heiratet er Kitty in Reno und taumelt dort am selben Tag in einen haarsträubenden Spionagefall um einen deutschen Nazioffizier, der den Japanern mit einem illegalen Radiosender kriegsentscheidende Informationen über die amerikanische Marine zukommen lässt.

Dodges zweite Serie dreht sich um den zynischen, hart gesottenen Privatschnüffler Al Colby, einen in Mexiko Stadt lebenden, perfekt Spanisch sprechenden Amerikaner, der vermisste Personen aufspürt, in Peru hinter Inka-Schätzen her ist und in den Anden Saboteure jagt. Auch Dodges dritte Figur John Abraham Lincoln, der als Special Agent des Bundesfinanzministeriums im Fernen Osten zum Rechten schaut, ist ein tougher Kerl.

Die vergnügliche Krimikomödie 'Über den Dächern von Nizza' (im Original 'To Catch a Thief', verfilmt von Alfred Hitchcock mit Cary Grant und Grace Kelly in den Hauptrollen) ist Dodges bekanntestes Werk. Es handelt von dem legendären amerikanischen Juwelendieb John Robie, genannt "Le Chat", der von 1936 bis 1939 die Prominenz der Côte d'Azur um Schmuck im Wert von 8 Millionen Francs erleichert, bis er verhaftet und zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt wird. Nach einem Jahr Haft wird er (wie viele andere Delinquenten) von den deutschen Besatzern freigelassen. Er geht zum Maquis, wo er das Schlitzohr Henri Bellini kennen lernt - der Beginn einer tiefen Freundschaft.
Nach dem Krieg setzt sich Robie in einer Villa oberhalb des südfranzösischen Ortes Vence zur Ruhe. Er frönt der Jagd, geht angeln und schwimmen, arbeitet in seinem Garten und trinkt guten Wein - doch sein Ruhestand wird empfindlich gestört, als ein Nachwuchsgauner ihn zu imitieren beginnt: Wie einst "Le Chat", bewaffnet einzig mit einem Glasschneidemesser, klettert der Youngster über Dächer, um an seine kostbare Beute zu gelangen. Als Robie selbst in Verdacht gerät, taucht er unter, um - mit neuer Identität und unterstützt durch eine Truppe von früheren Widerstandskämpfern - den Täter auf eigene Faust zu schnappen. Ein Lockvogel in der Person der an Geld und Schmuck reichen Amerikanerin Mrs. Stevens soll es richten. Doch diese hat eine schöne Tochter, Frances, die mit allen Wassern gewaschen ist.

Dodges letzter vollendeter Krimi 'The Last Match' kam 2006, 33 Jahre nach seiner Niederschrift, in der berühmten Reihe 'Hard Case Crime' erstmals in die Buchläden, nachdem das Manuskript kurz zuvor in den Papieren des Autors gefunden worden war. Dodges 2007 verstorbene Tochter Kendal rundete das Buch mit einem schönen Nachwort über das Leben ihres Vaters ab.

Bibliografie:
James "Whit" Whitney-Serie: 'Death and Taxes' - 'Die blaue Limousine' (1941), 'Shear the Black Sheep' (1943), 'Bullets for the Bridgeroom' - 'Whit wundert sich' (1944), 'I Ain't Hay' - 'Tödlicher Rauch' (1946);
Al Colby-Serie: 'The Long Escape' - 'Das Grab auf der Hazienda' (1947), 'Plunder in the Sun' - 'Der Schatz von Amaru' (1949), 'The Red Tassel' - 'Die rote Quaste' (1950);
'To Catch a Thief' - 'Über den Dächern von Nizza' (auch unter den Titeln 'Die Katze und ihr Doppelgänger' und 'Le chat sucht le chat', 1952), 'The Lights of Skaro' - 'Die Lichter von Skaro' (1954), 'Angel's Ransom - 'Lösegeld für Anima' (1956), 'Loo Loo's Legacy' (1960), 'Carambola' (1961), 'The Last Match' (2006);
John Abraham Lincoln-Krimis: 'Hooligan' (1969), 'Troubleshooter' (1971).

++ Erstellt: Oktober 2011 ++  


Donald, Anabel

(*1944)

Anabel Donald, geborene Stockwell, kam als Tochter eines britischen Diplomaten in Indien zur Welt. Ihre Ausbildung absolvierte sie am St. Anne's College in Oxford mit einem Abschluss 1968. Danach unterrichtete sie über dreissig Jahre Englisch, zuerst in Austin, Texas, danach an verschiedenen englischen Schulen. Von 1965 bis zur Scheidung 1981 war sie mit dem Autor Miles Donald verheiratet und hatte mit ihm zwei Kinder.

Nebenberuflich, im Jahr 1984, debütierte Anabel Donald als Schriftstellerin. Nach vier nicht dem Krimigenre angehörenden Romanen veröffentlichte sie zwischen 1992 und 1999 die fünfbändige Alex Tanner-Reihe, aus der die ersten drei Titel auch auf Deutsch vorliegen. Ihr letztes Buch ist 2002 erschienen, danach verlieren sich ihre Spuren.

Alex Tanner, als Tochter einer allein erziehenden, geistig schwer kranken Mutter in verschiedenen Pflegefamilien aufgewachsen, ist eine mutige und scharfzüngige, nicht besonders attraktive Frau um die Dreissig. Gut befreundet mit dem Dokumentarfilmemacher Barty O'Neill, arbeitet sie freiberuflich für eine Fernsehstation in London und nebenbei, um ihr Gehalt etwas aufzubessern, als Privatdetektivin im Stadtteil Notting Hill. Ab dem dritten Band steht ihr Nick zu Seite, ein ausgekochtes Mädchen von der Strasse mit einer Hochbegabung für wissenschaftliche Fächer.

'Tod eines Schürzenjägers' handelt von einem über dreissig Jahre zurückliegenden Mord, dem der Frauenheld Lord Rollo Shervin bei einem Jagdball auf seinem Landschloss zum Opfer gefallen ist. Seine schöne Frau Laura war die Hauptverdächtige, doch das Verbrechen wurde nie aufgeklärt. Und jetzt, kurz nach dem Tod der Witwe, trifft Alex Tanner zufällig auf Miss Potter, eine schrullige ältere Lady, die damals als Erzieherin der vier Töchter Charlotte, Helena, Penelope und Candida im Hause Sherwin war. Von ihr erhofft sie sich Insiderinformationen zur Lösung des Falles. Als Gegenleistung soll Alex recherchieren, was mit Charlottes vor drei Monaten verschwundener Tochter Zara geschehen ist.

Während 'Tod eines Schürzenjägers' nur schwerfällig in die Gänge kommt, erzählt der zweite Roman 'Todessalto' eine spritzige, sorgfältig gestaltete Geschichte um unheilvolle familiäre Verwicklungen, Geldgier, Ehebruch und Mord mit einem dramatischen Finale, das die mutige Detektivin nur knapp überlebt.

Bibliografie:
Alex Tanner-Serie: 'An Uncommon Murder' - 'Tod eines Schürzenjägers' (1992), 'In the Deep End' - 'Todessalto' (1993), 'The Glass Ceiling' - 'Der Glaskäfig' (1994), 'The Loop' (1996' (1996), 'Destroy Unopened' (1999).

++ Erstellt: Oktober 2016 ++  


Doolittle, Jerome

(*1933)

Jerome Doolittle (Herkunft unbekannt) war Reporter, Kolumnist und Redakteur der 'Washington Daily News' und der 'Washington Post'. Dann verliess er den Journalismus, um als Sprecher der amerikanischen Botschaften in Casablanca bzw. Laos zu arbeiten. Später berichtete er über den Vietnam- und den Kambodschakrieg für verschiedene Zeitungen und Magazine. Als die Kommunisten in Indochina die Macht übernahmen, kehrte er in die Vereinigten Staaten zurück. Von 1976 bis 1978 schrieb er Reden für US Präsident Jimmy Carter. Anschliessend unterrichtete er in Harvard. Nachdem er 1982 einen Roman über den Geheimkrieg der CIA in Laos ('The Bombing Officer') veröffentlicht hatte, debütierte er 1990 als Krimiautor.

Doolittles Krimiheld ist der Privatermittler, Ex-Pilot und frühere Spitzenringer Tom Bethany aus Cambridge, Massachusetts. In 'Beinscheren' durchleuchtet Bethany, ein hochintelligenter, beinharter, zur Not auch gewalttätiger Linker im Auftrag des US Präsidentschafts-Kandidaten Markham die Vergangenheit des potentiellen Aussenministers Kellicott, der vorerst als bescheidener, integrer und gebildeter Mann auftritt. Als Bethany jedoch die ersten dunklen Flecken auf Kellicotts Weste entdeckt, wird er beinahe das Opfer eines Attentats. Der Detektiv ist nun erst recht nicht mehr zu bremsen, wühlt sich immer tiefer in Kellicotts Familiengeschichte - und wird fündig.

'Würgegriff' handelt von vier Rentnern aus Boston, die ihr gespartes Geld einer Anlagefirma in Houston anvertraut haben. Jetzt ist das Geld weg, und Tom Bethany soll versuchen, vielleicht doch noch ein paar Dollar zu retten. Er beginnt im Leben einiger Geschäftsführer zu schnüffeln, diese werden nervös, und der Detektiv muss alle Register seines Könnens ziehen, um nicht unter die Räder zu kommen.

Für seine drei nachfolgenden Tom Bethany-Romane hat Jerome Doolittle keinen Verleger mehr gefunden - sie sind nur noch auf seiner Website badattitudes.com erschienen.

Bibliografie:
Tom Bethany-Serie: 'Body Scissors' - 'Beinscheren' (1990), 'Strangle Hold' - 'Schwitzkasten' (1991), 'Bear Hug' - 'Würgegriff' (1992), 'Head Lock' (1993), 'Half Nelson' (1994), 'Kill Story' (1995); 'The Bombing Officer' (1985).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Dor, Milo

(Kürzel für Milutin Doroslovac, 1923-2005; schrieb auch als Alex Lutin und Alexander Dormann)

Milo Dor wurde als Sohn eines serbischen Arztes und einer Mutter, die einen Kosmetiksalon führte, in Budapest geboren und wuchs in Gross-Betscherek, Serbien, und in verschiedenen Dörfern der südosteuropäischen Regionen Banat und Batschka auf, bis die Familie 1933 nach Belgrad übersiedelte. Weil er einen Schulstreik organisiert hatte, wurde Milo mit siebzehn Jahren vom Gymnasium verwiesen, konnte jedoch als Externer sein Abitur ein Jahr später nachholen.

Nach der Besatzung Belgrads durch die Nationalsozialisten nahm Milo Dor an der Widerstandsbewegung teil. 1942 wurde er verhaftet und ein Jahr später als Zwangsarbeiter nach Wien deportiert. Nach dem Krieg blieb er in Österreich und studierte bis 1949 Theaterwissenschaft und Romanistik an der Universität Wien. Ab 1951 war er Mitglied der "Gruppe 47" um Günter Grass.

Milo Dor, der bereits als Teenager seine ersten Gedichte verfasst hatte und 1945 anfing, in deutscher Sprache zu schreiben, war ab 1949 hauptberuflich als freier Autor und Publizist tätig. Darüber hinaus übersetzte er aus dem Serbischen und Kroatischen. Er lebte mit seiner zweiten Frau bis zu deren Tod im Jahr 2002, dann allein, vorwiegend in Wien, aber auch in Rovinj auf der kroatischen Halbinsel Istrien, und starb 82-jährig in einem Wiener Krankenhaus. Sein Sohn aus erster Ehe ist der 1947 geborene Filmemacher Milan Dor.

Milo Dors Werk besteht aus Romanen (sein Hauptwerk, die Raikow-Trilogie, kreist um einen serbischen Widerstandskämpfer), Erzählungen, Essays, Sachbüchern, Kinder- und Jugendbüchern, Hörspielen, einem Trauerspiel, etlichen Drehbüchern und Anthologien und der 1988 erschienenen Autobiografie 'Auf dem falschen Dampfer'. In Gemeinschaft mit dem gleichaltrigen (1976 verstorbenen) Wiener Autor, Übersetzer, Journalisten und Herausgeber Reinhard Federmann verfasste er in den 50er-Jahren drei Politromane: 'Und einer folgt dem anderen', 'Internationale Zone' und 'Und wenn sie nicht gestorben sind…', der erst vierzig Jahre später erstmals herauskam.

'Internationale Zone' ist eine schnörkellose, in Wien angesiedelte Geschichte, dem durch die Alliierten besetzten, von Schwarzmärkten und Schmuggel, Spionage und Menschenhandel, Geldgier und Opportunismus beherrschten offenen Tor zwischen Ost und West, vier habsüchtige, niederträchtige Männer spielen die Hauptrollen: Boris Kostoff, ein versoffener, fetter bulgarischer Tierarzt, der wegen einer Gewalttat einige Jahre im Zuchthaus einsass; der smarte Rumäne Georges Maine, alias Georgi Maniu, und der Österreicher Freddie Hirsch, die zusammen den Zigarettenschwarzmarkt fest in der Hand haben, sich aber längst nicht mehr über den Weg trauen; und der russische Polizeioffizier Gubarew, ihr wichtigster Verbindungsmann im sowjetischen Sektor. Verschoben werden vor allem Tabakwaren und Schnaps, aber in vermehrtem Umfang auch Textilien, Medikamente und Stahl - ein Milliardengeschäft, mit dem die Russen ihre Armee finanzieren und die westliche Seite ihre Schweizer Bankkonti nährt.

Bibliografie:
'Und einer folgt dem anderen' (1953), 'Internationale Zone' (1953), 'Und wenn sie nicht gestorben sind...' (1996).

++ Erstellt: Oktober 2013 ++  


Douglas, Malcolm

(Pseudonym für Ronald Douglas Sanderson, 1920-2002; schrieb auch als Martin Brett)

Geboren in Beltinge, Grafschaft Kent, diente Douglas Sanderson im Zweiten Weltkrieg bei der Handelsmarine und der Royal Air Force, für die er auch wissenschaftliche Artikel verfasste. Im Jahr 1947 wanderte er nach Montréal aus, fünf Jahre später wurde er kanadischer Staatsbürger. In seiner neuen Heimat schlug er sich zunächst als Kellner, Angestellter in einem Juweliergeschäft, Nachtclubsänger und Radiomoderator durch, bis er 1952 zum Krimischreiben kam. Im Jahr 1955 übersiedelte er in die spanische Stadt Alicante, wo er knapp fünfzig Jahre später mit 82 starb. Er hinterliess einen Sohn, John, der in Alicante als Universitätsdozent und Autor arbeitet.

Unter den Pseudonymen Malcolm Douglas und Martin Brett sowie unter eigenem Namen verfasste Sanderson bis 1975 einundzwanzig Spannungsromane, von denen fünfzehn in der prestigeträchtigen 'Série noire' bei Gallimard herauskamen; unter ihnen der in den 50er-Jahren spielende Vierteiler um Mike Garfin (alias Bill Yates), sein bedeutendster Beitrag zur Kriminalliteratur.

Mike Garfin, ein jung verwaister Bursche irisch-französicher Abstammung, wuchs bei Nonnen auf und arbeitete danach bei der Royal Canadian Mounted Police, den "Mounties", bis er aus disziplinarischen Gründen rausgeschmissen wurde und sich daraufhin als hart gesottener, fliessend französisch und englisch sprechender, in einem gepflegten Jaguar herumkurvender, mit dem beherzten Callgirl Tess liierter Privatdetektiv zuerst in Toronto, zwei Jahre später in Montréal niederliess. ('The Deadly Dames', der dritte Teil der Reihe, erschien in einem anderen Verlag, und Mike Garfin hiess hier Bill Yates.)

'Heisser Schnee', der erste (und einzige auf Deutsch vorliegende) Mike Garfin-Titel, kreist um Drogenhandel im französischsprachigen Teil Kanadas mit dem Québec-Syndikat als treibende Kraft. Im Auftrag der kultivierten Schönheit Vivian Remington soll Garfin deren 19-jährigen Sohn aus erster Ehe, Gerald Astley, aufspüren, der vermutlich in eine üble Sache verwickelt ist. Doch Vivians restliche Fmilienmitglieder - die nymphomane Tochter Geraldine (Geralds Schwester), der jetzige Gatte Colin Remington, ein angesehener Börsenmakler, Importeur, Kunstsammler und Philantrop, und dessen intrigante Tochter Marian - haben es faustdick hinter den Ohren, machen dem Detektiv das Leben schwer. Als Garfin wenig später vor der Leiche seines ermordeten Mountie-Freundes Tom Littlejohn steht, weiss er, dass seine Tage gezählt sind, denn Tom musste sterben, weil man ihn mit Garfin verwechselt hatte.

Robert Race, Ich-Erzähler des nachtschwarzen Einzelwerks 'Ruh in Frieden, lieber Schatz', ein junger, sozial eingestellter, glücklich verheirateter Anwalt, hat vor mehreren Jahren einen Zeugen zu einem Meineid verleitet, um seinen Klienten frei zu bekommen, und muss jetzt für dieses Vergehen bitter büssen: Er gerät in die Fänge gewissenloser Gangster, die ihn erpressen, und seine heiss geliebte, aus reichem Haus stammende Gattin Eve erweist sich als Männer verschlingende Intrigantin, die für ihre Habgier mit dem Leben bezahlt. Robert Race, des Mordes an seiner Frau verdächtigt, scheint sich in einer ausweglosen Situation zu befinden.

Bibliografie:
Als Malcolm Douglas: 'Murder Comes Calling' (auch unter dem Titel 'Exit in Green') - 'Ruh' in Frieden, lieber Schatz' (1953), 'Prey by Night' (1955), 'Rain of Terror' - 'Alptraum auf Italienisch' (1956), 'The Deadly Dames' (1956), 'Pure Sweet Hell' - 'Zum Sterben hat jeder mal Zeit' (1957), 'Shout for a Killer' (1963).
Als Martin Brett: Mike Garfin-Serie: 'Hot Freeze' - 'Heisser Schnee' (1954; die deutschsprachige Version ist mit Malcolm Douglas gezeichnet), 'Blondes Are my Trouble' (auch unter dem Titel 'The Darker Traffic', 1954), 'The Deadly Dames' (1956), 'A Dum-Dum for the President' (1961);
Standalone: 'The Dead Connection' (1961).
Als Douglas Sanderson: 'Dark Passion Subdue' (1952), 'The Final Run' (auch unter dem Titel 'Flee from Terror', 1956), 'The Shreds' (1958), 'Night of the Horns' (1958), 'Cry Wolfram' (auch unter dem Titel 'Mark it from Murder' (1959), 'Catch a Fallen Starlet' (auch unter dem Titel 'The Stubborn Unlaid', 1960), 'Lam to Slaughter' (1964), 'Score for Two Dead' (1964), 'Black Reprieve' (1965), 'No Charge for Framing' (1969), 'A Dead Bullfighter' (1975).

++ Erstellt: Mai 2014 ++  


Downey, Timothy

(1951-2008)

Timothy Downey wurde als Sohn eines Einkäufers und einer Zahnarztassistentin in Mount Kisco, New York geboren und wuchs mit einem Bruder und einer Schwester in dem nördlich von New York City gelegenen Städtchen Pleasantville auf. Nach Abschluss des Englischstudiums am Hamilton College 1973 und einigen Jahren als Saxophonist bei verschiedenen Rockbands arbeitete er als Berater für grosse Firmen wie Verizon und Goldman Sachs. 1984 heiratete er Linda Wright und hatte mit ihr zwei Söhne. Drei Jahre später veröffentlichte er sein einziges Buch, den Kriminalroman 'Der Tod ist in der Stadt'. Downey lebte mit seiner Familie in Garrison bei Philipstown (Ney York State); 1998 wurde er Mitglied der dortigen Quäker-Gemeinschaft, für die er auch als Schatzmeister amtierte. Mit 57 Jahren starb er in einem New Yorker Krankenhaus an Krebs.

'Der Tod ist in der Stadt' dreht sich um den berühmt-berüchtigten Kolumnisten Pete Killharney - bei Pflegeeltern aufgewachsener irischer Katholik, furioser Trinker, von seiner Frau verlassener Vater einer 15-jährigen Tochter - Hell's Kitchen ist sein Revier. Alljährlich veröffentlicht er seine "persönliche Abschussliste", die so genannte "Killharney's Bar Hit List", eine Abrechnung mit den zehn widerwärtigsten Promis der Stadt - korrupte Politiker und Richter, profitgeile Banker, Immobilienmakler und Industrielle, mächtige Mafiosi, bigotte Fernsehprediger. Doch jetzt benutzt ein Unbekannter die Listen als Vorlage zum Morden im Dienste der Gesellschaft - oder hat er die Absicht, Killharney in seinem Rachefeldzug zu vernichten? Unterstützt durch seinen jüngeren Bruder Brendan, einen Priester, und seine neue Berufskollegin Sheila, in die er sich heftig verliebt, macht Killharney Jagd auf den blutrünstigen Killer. 'Der Tod ist in der Stadt' ist ein bitterböser, vielschichtiger, an schrillen Szenen reicher Thriller mit scharf gezeichneten Charakteren.

Bibliografie:
'A Splendid Executioner' - 'Der Tod ist in der Stadt' (1987).

++ Erstellt: April 2016 ++  


Downing, Warwick

(*1931; schreibt auch als Wick Downing)

Warwick Downing, geboren und aufgewachsen in Denver, Colorado, studierte Englisch an der University of Wyoming und der Denver University sowie Jura an der Denver University's Law School. Danach war er in San Francisco in verschiedenen juristischen Funktionen tätig, bis er 1968 nach Denver zurückkehrte und dort als Assistent Attorney arbeitete. Als die Repubulikaner Anfang der 70er-Jahre in Colorado an die Macht kamen, verlor er als eingefleischter Anhänger der Demokratischen Partei seinen Job und begann zu schreiben. Nach drei Buchveröffentlichungen wurde er District Attorney in dem Städtchen Cortez, Colorado. Heute lebt er als freischaffender Autor in seiner Geburtsstadt.

Downings belletristisches Werk enthält drei Jugendbücher und sieben schnörkellose, actiongeladene Krimis, darunter zwei mit Joe Reddman als Hauptfigur. In den 90er-Jahren wechselte der Autor zum Genre des Gerichtsdramas. Seine letzte Publikation ist das mit Wick Downing gezeichnete Jugendbuch 'The Trials of Kate Hope' aus dem Jahr 2008 mit einer 14-jährigen Anwältin als Hauptperson.

Joe Reddman, genannt "Der letzte wilde Indianer", "Der Spieler" oder "Mr. Cool", ist nach dem frühen Tod seiner (weisshäutigen) Mutter in der Obhut der Cheyenne-Indianerin Blue Tree Woman aufgewachsen und hat viel von ihr gelernt. Jetzt arbeitet der geschiedene Vater von drei Söhnen (der älteste ist der angehende Anwalt David, der in dem 1990 erschienenen Roman 'A Clear Case of Murder' die Hauptrolle bekleidet), ein schlagkräftiger, sturer und stoischer, aber auch gefühlsvoller Mann Ende dreissig, in Denver als Privatdetektiv, oft zusammen mit dem Polizeibeamten Charlie Riggs, zu dem er einen guten Draht hat.

In 'Zahn um Zahn' erhält Reddman von Terry Brennan, einem ehemaligen Staatsanwalt, der die Seiten gewechselt hat und sein Geld jetzt mit Drogenhandel verdient, den Auftrag, den testosteron-gesteuerten Börsenmakler Arnie Jack aufzuspüren, denn dieser, bisher Brennans rechte Hand, hat sich mit 150'000 Dollar Drogengeld abgesetzt. Kurz danach wird in einem Steinbruch eine Leiche gefunden, die Arnies Ring und Kleider trägt, deren Gesicht jedoch bis auf die Knochen weggefressen ist. Joe Reddman, ein gewiefter und furchtloser Ermittler, landet nach einem brutalen Angriff bewusstlos im Krankenhaus, überlebt zwei weitere Anschläge auf sein Leben nur mit sehr viel Glück - doch "der letzte wilde Indianer" lässt sich nicht so leicht ins Boxhorn jagen und löst den verwickelten Fall auf seine Weise.

In Downings ein Jahr zuvor erschienenem Krimi 'Ruhe sanft im Wasserbett' haben Reddman und Riggs nur peripher am Geschehen teil. Im Mittelpunkt steht hier der charismatische Anwalt Nathan Tree - einst ein erfolgreicher Staatsanwalt mit politischen Ambitionen, heute ein ermittelnder Strafverteidiger mit einem Alkoholproblem -, der seinem jungen Berufskollegen Phillip Garver aus der Klemme helfen soll, als in dessen Wasserbett die Leiche einer jungen Erdölgeologin aufgefunden wird - nicht auf dem Bett, sondern innen, im Wasser. Garver wird verhaftet, doch Tree zweifelt an seiner Schuld, erst recht, als weitere Frauen ermordet werden - und kommt schliesslich einem Komplott von Ölkonzernen, für die die Geologin gearbeitet hatte, auf die Spur.

Bibliografie:
Joe Reddman-Romane: 'The Player' - 'Krummer Bulle' (1974)‚ 'The Gambler, the Minstrel and the Dance Hall Queen' - 'Zahn um Zahn' (1976);
'The Mountains West of Town' - 'Ruhe sanft im Wasserbett' (1975), 'A Clear Case of Murder' (1990), 'The Water Cure' (1992), 'A Lingerng Doubt' (1993), 'Choice of Evils' (1994).

++ Erstellt: Juni 2011 ++  


Dreher, Sarah

(1937-2012)

Sarah Dreher kam in Hanover, Pennsylvania zur Welt. Sie studierte Psychologie am Wellesley College, Massachusetts, wurde 1963 an der Purdue University in Indiana promoviert und eröffnete 1965 in Amherst, Massachusetts, eine Praxis als Psychotherapeutin. Nebenher verfasste sie Kurzgeschichten und Bühnenwerke. 1985 begann sie ihre Laufbahn als Krimiautorin. Darüber hinaus engagierte sie sich in der Frauen- und Lesbenbewegung, war Mitbegründerin der Nonprofit-Organisation Sunrise-Amanecer Inc. in Springfield, Massachusetts, die sich dafür einsetzt, die Lebensqualität der am stärksten benachteiligten Bevölkerung zu verbessern, und stand dieser Gesellschaft in den letzten sieben Jahren als Präsidentin und klinische Leiterin vor. Sarah Dreher lebte in Amherst und in einer Hütte in den Berkshire Hills. Eine Woche nach ihrem 75. Geburtstag starb sie zuhause in Amherst.

Die sprachlich versierte, humorvolle Autorin publizierte von 1985 bis 1998 sieben mit Fantasy-Szenen angereicherte Kriminalromane (ein achter Band blieb unveröffentlicht), die von skurrilen - fast ausschliesslich weiblichen - Figuren getragen werden. Im Mittelpunkt steht Stoner McTavish, eine romantische und etwas chaotische Lesbe, die in Boston ein Reisebüro betreibt und sich hobbymässig als Detektivin betätigt. Unterstützt wird sie durch ihre Geliebte Gwen Owens, ihre wahrsagende Tante Hermione und ihre Geschäftspartnerin und beste Freundin Marylou Kesselbaum. Stoner und Gwen lernen sich im ersten Band der Reihe kennen, als Gwen mit ihrem zwielichtigen Mann in Wyoming die Flitterwochen verbringt und Stoner im Auftrag von Gwens Böses ahnenden Grossmutter diesem ein wenig auf den Zahn fühlen soll.

Bibliografie:
Stoner McTavish-Serie: 'Stoner McTavish' - 'Stoner McTavish' (1985), 'Something Shady' - 'Schatten' (1986), 'Gray Magic' - 'Grauer Zauber' (1987), 'A Captive in Time' - 'Gefangene der Zeit' (auch unter dem Titel 'Stoner Goes West', 1990), 'Otherworld' - 'Die andere Welt' (auch unter dem Titel 'Jenseits', 1993), 'Bad Company' - 'Stoner verkehrt in schlechten Kreisen' (1995), 'Shaman's Moon' - 'Der Rat der Schamanin' (1998).

++ Erstellt: August 2012 ++  


Durling, Ulf

(*1940)

Der gebürtige Stockholmer Ulf Durling verbrachte seine Schulzeit in der südschwedischen Stadt Köping. Nach dem Medizinstudium, das er 1966 am Karolinska Institut abschloss, liess er sich zum Psychiater ausbilden. Später war er Lehrer für Psychiatrie und Leiter am Krankenhaus von Danderyd in Stockholm. Mit seiner Frau Helena, einer Psychotherapeutin, hat er zwei erwachsene Kinder.

Nebenberuflich debütierte Durling 1971 als Krimiautor. Mit seinem sechzehn Romane und zwei Novellen umfassenden Werk gehört er in Skandinavien zu den angesehensten Autoren von psychologischer Spannungsliteratur, während im deutschsprachigen Raum einzig der Erstling 'Gammal Ost' (zu Deutsch 'Alter Käse'‚ der Diogenes Verlag bevorzugte jedoch den albernen Titel 'Nach dem Essen sollst du ruhn') erschienen ist.

In einer kleinen zwielichtigen Pension findet man einen Toten in einem abgeschlossenen Zimmer, Kriminalassistent Gunnar Bergman leitet die Ermittlungen. Gleichzeitig befassen sich drei ältere Herren - die Rentner Johan Lundgren und Carl Bergman (Gunnars Vater) und der praktizierende Arzt Efraim Nylander -, die eine Leidanschaft für Kriminalromane verbindet, mit dem Fall, in dem ein altes Stück Käse und eine leere Flasche Chianti wichtige Rollen spielen. 'Nach dem Essen sollst du ruhn', ist eine hochkomische Mischung aus Locked Room Mystery, Polizeiroman und Hobbyermittler-Groteske um skurrile Figuren und wartet mit einer herzerwärmenden Lösung auf - eine Trouvaille.

Bibliographie:
'Gammal Ost' - 'Nach dem Essen sollst du ruhn' (1971), 'Hemsökelsen' (1972), 'Säg PIP!' (1975), 'Annars dör man' (1977), 'Min kära bortgangna' (1980), 'Tack för lanet' (1981), 'Lugnet efter stormen' (1983), 'Aldrig o livet' (1985), 'In memoriam' (1988), 'Synnerliga skäl' (1990), 'Tills döden förenar oss' (1993), 'Komma till skott' (1996), 'Vilddjurets tal' (1999), 'Domaredans' (2001), 'Vägs ände' (2005), 'Den svagaste lànken' (2008).

++ Erstellt: September 2016 ++  



 

Elkins, Aaron

(*1935)

Aaron Elkins, geboren in Brooklyn, New York City, wurde am New Yorker Hunter College, an der University of Wisconsin in Madison, der University of Arizona und der California State University in Los Angeles in Biologischer Anthropologie, Psychologie und Bildungswissenschaften ausgebildet, Abschluss 1962. Das Studium verdiente er sich zunächst als Boxer, später, nach ein paar verlorenen Kämpfen, in der Gastronomie. Ab 1960 war er über zwanzig Jahre in unterschiedlichen Funktionen für die kalifornische Regierung und an mehreren Universitäten tätig, unter anderem mehrere Jahre als Dozent für Betriebswissenschaft an der europäischen Aussenstation der University of Maryland in Heidelberg. Seit 1982 konzentriert er sich auf das Krimischreiben. Er gilt als Vater des zeitgenössischen Forensik-Krimis.

Elkins' bedeutendste literarische Figur ist der international tätige forensische Anthropologe Gideon Oliver von der University of Washington in Port Angeles, genannt "der Knochen-Detektiv von Amerika", ein genialer und scharfsinniger, jedoch bescheiden gebliebener Wissenschaftler, der im zweiten Roman 'Yahi' seine zukünftige Frau Julie Tendler, die leitende Aufseherin im Olympic National Parc, kennen lernt (Olivers erste Frau Nora ist vor einigen Jahren bei einem Autounfall gestorben). Während seiner berufsbedingten Reisen, die ihn oft an exotische Orte führen, wird Oliver mit Kriminalfällen konfrontiert bzw. von den örtlichen Behörden zu deren Lösung beigezogen.

'Alte Knochen', der beste der vier ins Deutsche übersetzten Gideon Oliver-Romane, ist in der Nähe der bretonischen Küstenstadt Saint-Malo angesiedelt. Dort hat der alte Patriarch Guillaume du Rocher seine ganze Familie zu einem wichtigen Treffen in sein altes Schloss einberufen, doch kurz bevor er seine Mitteilungen kundtun kann, wird er am Fusse des Mont-Saint-Michel von der Flut überrascht und ertrinkt - ein unfassbares Malheur, wenn man bedenkt, dass er die Küste wie seine Westentasche kannte. Der Notar liest das Testament vor, dessen Inhalt nicht alle Mitglieder des zerstrittenen Clans glücklich macht. Kurz danach findet man im Keller des Schlosses ein kopfloses Skelett - es sind die Überreste eines Anfang der 40er-Jahre, zur Zeit der Okkupation, begrabenen Mannes; und fast gleichzeitig wird im Schloss ein Mitglied der Familie du Rocher vergiftet. Die örtliche Polizei, mit dem Skelettfund und dem Mordfall leicht überfordert, bittet Gideon Oliver, der gerade am Jahreskongress für Wissenschaft und Kriminalistik in Saint-Malo teilnimmt, um fachliche Unterstützung. Ruhig und beharrlich, wie es seine Art ist, und kaum beirrt durch einen hinterlistige Anschlag auf sein Leben, begibt sich der Knochen-Detektiv auf Spurensuche - und bringt schliesslich die Hintergründe des 45 Jahre zurückreichenden Familiendramas ans Licht.

Weniger bekannt sind Elkins' später gestartete Krimiserien. Sie drehen sich um Chris Norgren, der als Kurator in einem Kunstmuseum in Seattle arbeitet und sich in seiner Freizeit als Detektiv betätigt, bzw. die mit dem Polizeibeamten Graham Sheldon liierte Golferin Lee Ofsted, die immer wieder in Verbrechen verwickelt wird. Darüber hinaus verfasste der Autor drei Einzelwerke (die beiden ersten setzen sich mit der Nazizeit auseinander), etliche Kurzgeschichten sowie Artikel über das Schreiben und Reiseberichte. Hin und wieder arbeitet er als forensischer Anthropologe für die Clallam County Cold Case Task Force.

Mit seiner zweiten Frau, der Krimiautorin Charlotte Elkins, geborene Trangmar, mit der er seit 1972 verheiratet ist und die an der Lee Ofsted-Serie mitgearbeitet hat, lebt Elkins in Sequim auf der Olympic Peninsula im Nordwesten des Bundesstaats Washington. Aus seiner ersten Ehe mit Toby Siev (1959 bis 1972) hat er zwei Kinder, Laurence und Robin.

Bibliografie:
Gideon Oliver-Serie: 'Fellowship of Fear' (1982), 'The Dark Place' - 'Yahi' (1983), 'Murder in the Queen's Armes' (1985), 'Old Bones' - 'Alte Knochen' (1987), 'Cruses!' - 'Fluch!' (1989), 'Icy Clutches' (1990), 'Make no Bones' (1991), 'Dead Men's Hearts' - 'Tote Herzen' (1994), 'Twenty Blue Devils' (1997), 'Skeleton Dance' (2000), 'Good Blood' (2004), 'Where There's a Will' (2005), 'Unnatural Secection' (2006), 'Little Tiny Teeth' (2007), 'Uneasy Relations' (2008), 'Skull Suggery' (2010), 'Dying on the Vine' (2012);
Chris Norgren-Serie: 'A Deceptive Clarity' (1987), 'A Glancing Light' (1991), 'Old Scores' - 'Alte Meister' (1993);
Lee Ofsted-Serie (gemeinsam mit Charlotte Elkins): 'Wicked Slice' (1989), 'Rotten Lies' (1995), 'Nasty Breaks' (1997);
Einzelwerke: 'Loot' (1999), 'Turncoat' (2002), 'The Worst Thing' (2011).

++ Erstellt: Juni 2011 ++
++ Update: Dezember 2012 ++
 


Engel, Howard

(*1931)

Howard Engel, geboren in St. Catharines, in der kanadischen Provinz Ontario, ausgebildet in Geisteswissenschaften an der McMasters University in Hamilton, arbeitete kurze Zeit in Sault St. Marie als Lehrer, danach als CBC-Journalist unter anderem in Paris, London, Spanien und auf Zypern. Von 1962 bis 1978 war er mit der 1985 verstorbenen Autorin Marian Engel verheiratet, die 1965 die Zwillinge Charlotte und William zur Welt brachte. Mit seiner zweiten Frau, der kanadischen Autorin Janet Hamilton, hat er einen 1989 geborenen Sohn, Jacob.

Howard Engel war einer der Gründer der 'Crime Writers of Canada'. Mit 49 Jahren debütierte er als Krimiautor. Seine elfbändige, mit viel Humor erzählte Serie dreht sich um Benny Cooperman, einen charmanten jüdisch-stämmigen Privatdetektiv, der in der fiktiven kanadischen Provinzstadt Grantham (gemeint ist St. Catharines) tätig ist.

Im 1995er Titel 'Mit heiler Haut', einem der am höchsten eingestuften Werke des Autors, wird Benny Cooperman von dem berüchtigten Bauspekulanten und Gangsterboss Abe Wise für einen besonders heiklen Job angeheuert: Er soll herausfinden, wer die auf Wise verübten Anschläge eingefädelt hat - andernfalls müssen Bennys Liebste daran glauben. Der Detektiv verbeisst sich in den Fall, stösst auf lange zurückliegende, schmutzige Geschichten und kommt nur knapp mit heiler Haut davon.

In Zusammenarbeit mit seiner zweiten Frau hat Engel 1985 unter dem Pseudonym F. X. Woolf den Krimi 'Murder in Space' veröffentlicht, der, wie auch 'My Brother's Keeper', gemeinsam mit Eric Wright verfasst und 2002 herausgekommen, nicht ins Deutsche übertragen worden ist.

2001 erlitt Engel einen Hirnschlag und verlor dadurch die Fähigkeit zu lesen. Trotzdem brachte er vier Jahre später mit 'Memory Book' den elften Roman der Benny Cooperman-Serie heraus, in dem der Held bei einer Schlägerei schwere Hirnverletzungen erleidet - und daraufhin nicht mehr lesen kann. 2007 liess Engel die mit einem Vorwort von Oliver Sacks versehenen Memoiren 'The Man Who Forgot How to Read' folgen, 2008 den zwölften Cooperman-Krimi 'East of Suez'.

Howard Engel, einer der einflussreichsten Krimiautoren Kanadas, lebt heute in Toronto.

Bibliografie:
Benny Cooperman-Serie: 'The Suicide Murders' - 'Selbstmord ist auch keine Lösung' (1980), 'The Ransom Game' - 'Erpresserspiel' (1981), 'Murder on Location' - 'Mord stand nicht im Drehbuch' (1982), 'Murder Sees the Light' - 'Es kommt alles ans Licht' (1984), 'A City Called July' - 'Ein ruhiges Plauderstündchen' (auch unter dem Titel 'Ticket für einen Toten', 1986), 'A Victim Must Be Found' - 'Ein Opfer muss her' (1988), 'Deas and Buried' (1990), 'There Was an Old Woman' (1993), 'Getting Away With Murder' - 'Mit heiler Haut' (1995), 'My Brother's Keeper' (gemeinsam mit Eric Wright, 2002), 'Memory Book' (2005),'East of Suez' (2008);
Als F. X. Woolf: 'Murder in Space' (1985), 'Mr. Doyle and Dr. Bell' (1997).
Gemeinsam mit Eric Wright: 'My Brother's Keeper' (2002).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Erdman, Paul

(1932-2007)

Paul Emil Erdman kam nach weiten Umwegen zur Schriftstellerei. Geboren als Sohn eines amerikanisch-stämmigen Pfarrers im kanadischen Stratford, Ontario, aufgewachsen in den USA, studierte er am Concordia Seminary, St. Louis, und an der Edmund A. Walsh School of Foreign Service der Georgetown University, Washington, D.C. Im Jahr 1958 doktorierte er in Ökonomie, europäischer Geschichte und Theologie an der Universität Basel. Nachdem er einige Jahre als Volkswirtschaftler bei der Europäischen Gesellschaft für Kohle und Stahl und am Stanford Research Institute in Menlo Park, Kalifornen, gearbeitet hatte, gründete er 1965 in Basel eine Privatbank, die Salik Bank, die 1969 von der United California Bank aufgekauft wurde. Ein Jahr später kam es zum Konkurs, und Erdman wurde wegen illegaler Spekulationen im Silber- und Kakaomarkt angeklagt. Während der Untersuchungshaft begann er an seinem ersten Roman 'Der Milliarden-Dollar-Schnitt' zu schreiben. Nach acht Monaten kam er auf Kaution frei, setzte sich in die Vereinigten Staaten ab und entschloss sich für ein Leben als Autor. 1973 wurde er in Absentia zu neun Jahren Haft verurteilt, kehrte jedoch selbstverständlich nie mehr in die Schweiz zurück. Er lebte als freier Schriftsteller in San Francisco und auf einer kleinen Ranch in der Nähe von Healdsburg, Sonoma County, wo er 74-jährig nach langer Krankheit starb. Erdman hinterliess seine Schweizer Frau Helly, geborene Boeglin, die er 1954 geheiratet hatte, und zwei Töchter, Jennifer und Constance.

Erdmans Werk besteht aus fünf Sachbüchern zu ökonomischen Themen und neun handlungsreichen Finanzkrimis (so genannte "financial fiction" oder "fi-fi"), die alle teilweise in der Schweiz angesiedelt sind - einem Land, mit dem ihn eine Hassliebe verband. Erdman publizierte überdies mehrere Artikel über seine zweite Passion, den American Football, und schrieb von 1998 bis 2005 eine Kolumne zu finanziellen Themen für die Webseite 'MarketWatch.com'. Sein zehnter Roman 'The Great Game' blieb unveröffentlicht.

Erdmans erster Roman 'Der Milliarden-Dollar-Schnitt', von dem im englischen Sprachraum über 2 Millionen Exemplare abgesetzt wurden, handelt von Insidergeschäften, waghalsigen Spekulationen und verzweifelten Aktionen zur Rettung maroder Konzerne. Eine wichtige Rolle spielt das Bankenparadies Schweiz, vertreten unter anderem durch Dr. Walter Hofer, den mit allen Wassern gewaschenen Vorstandspräsidenten der zweitgrössten Bank des Landes, der für die Briten und die Amerikaner die Kohlen aus dem Feuer holen soll, aber auch die Russen mischen munter mit, indem sie den Goldpreis in die Höhe schnellen lassen, während der Dollar ins Bodenlose fällt.

In Erdmans berühmtestem Roman 'Crash '81. Der Grosse Schock' stehen sich Ende der 70er-Jahre zwei schillernde Figuren gegenüber: Das amerikanische Finanzgenie Bill Hitchcock, ein ehemaliger Bankenbesitzer, der neuerdings Saudiarabien in Wirtschaftsfragen berät (es ist die Zeit der grossen Ölkrise), und der Schah von Persien, der mit allen (auch atomaren) Mitteln die Herrschaft über den Nahen Osten anstrebt und deshalb einen Atomwissenschaftler der Extraklasse engagiert.

'Schweizer Konten', eine brisante Mischung aus Fiktion und Fakten, angesiedelt in der zweiten Hälfte des Zweiten Weltkriegs, kommt im Wesentlichen mit einer Handvoll historischen und zwei erdachten Figuren aus. Auf der Seite der Alliierten und der Schweizer sind dies Allan Dulles, der 1943 bis 1945 von Bern aus die amerikanischen Geheimdienstaktionen in der Schweiz koordinierte (und 1953 Direktor der CIA wurde), Peter Burckhardt (fiktiv) und seine Vorgesetzten Hauptmann Waibel und Oberstbrigadier Masson vom Geheimdienst der Schweizer Armee, und die junge, mutige in Basel als Vizekonsulin ansässige Amerikanerin Nancy Reichman (fiktiv), die das Bindeglied zwischen Dulles und dem Schweizer Geheimdienst darstellt. Ihre Gegner sind der hohe SS-Offizier Walter Schellenberg, Himmlers rechte Hand, und Sturmbannführer Hans Wilhelm Eggen von der Waffen-SS, doch auch die Russen sind im Spiel. Der minutiös recherchierte (alle Informationsquellen sind im zehnseitigen Anhang aufgeführt!), zweifellos auch von Erdmans Ressentiments gegen die Schweiz geprägte Roman enthüllt die vielschichtigen Verflechtungen der "neutralen" Schweiz mit Nazi-Deutschland - um zu verhindern, dass ihr Land gewaltsam ins Dritte Reich eingegliedert wurde, bzw. zu Gunsten der eigenen Prosperität, liess ein grosser Teil der Schweizer Wirtschafts- und Finanzwelt der deutschen Kriegsmaschinerie jede erdenkliche Unterstützung zukommen.

Bibliografie:
'The Billion Dollar Sure Thing' (auch unter dem Titel 'Billion Dollar Killing') - 'Der Milliarden-Dollar-Schnitt' (1973), 'The Silver Bears' - 'Die Silberhaie' (1974), 'The Crash of '79' - 'Crash '81. Der Grosse Schock' (1979), 'The Last Days of America' - 'Die letzten Tage von Amerika' (1981),'‚The Panic of '89' - 'Panik '89' (1986), 'Palace' - 'Las-Vegas-Spiel. The Palace' (1987), 'Swiss Account' - 'Schweizer Konten' (1991), 'Zero Coupon' - 'Zero Bonds' (1993), 'The Set Up' (1997).

++ Erstellt: Februar 2012 ++  


Estleman, Loren D.

(*1952)

Loren D. Estleman, geboren in Ann Arbor, Michigan, wuchs in einem alten Farmhaus in Whitmore Lake bei Detroit auf. Als der Vater wegen einer Augenerkrankung gezwungen war, seinen Beruf als Lastwagenfahrer aufzugeben, nahm die Mutter einen Job bei der örtlichen Post an, und der erst achtjährige Loren und sein älterer Bruder mussten nun im Haushalt Hand anlegen. Mit fünfzehn Jahren schrieb Loren seine erste Geschichte, die jedoch - wie offenbar auch seine 160 nachfolgenden Texte - nicht veröffentlicht wurde.

Estleman studierte Anglistik und Journalismus an der Eastern Michigan University, Abschluss 1974, und arbeitete dann als Fotograf, Reporter und Redakteur für verschiedene kleinere Blätter in seinem Heimatstaat, unter anderem als Polizeireporter. Nebenbei verfasste er seinen ersten Roman ('The Oklahoma Park'), der 1976 veröffentlicht wurde. Inspiriert von Jack London, Edgar Allan Poe, Somerset Maugham, Ernest Hemingway, Edith Wharton, Raymond Chandler, aber auch von der Fernsehserie 'The Untouchables', machte er 1980 das Schreiben zu seinem Hauptberuf. Heute umfasst sein Werk über sechzig Romane - Krimis und Western -, Hunderte Kurzgeschichten und ein Sachbuch über klassische Westernromane. Estleman, ein ausgesprochen disziplinierter Schriftsteller, der seine Manuskripte ständig überarbeitet, lebt mit seiner zweiten Frau, der Krimiautorin Deborah Morgan, in Whitmore Lake, wenige Meter von dem Haus entfernt, in dem er seine Kindheit verbracht hat.

Mit seiner bedeutendsten und mit bisher 24 Romanen und knapp 30 Stories umfangreichsten Serie, derjenigen mit dem Privatdetektiv Amos Walker, stellt Estleman seine Stärken eindrucksvoll unter Beweis: Er erzählt komplexe, unprätentiöse Geschichten, besticht mit präzisen Schauplatz-Schilderungen, verfügt über einen genauen Blick für Figuren und Milieus und ist überdies ein feiner Stilist. Amos Walker, ein aufrichtiger, altmodischer, von einem recht pessimistischen Menschenbild geprägter - zu Beginn der Reihe 32-jähriger und dann leicht verzögert alternder - Eigenbrötler, der seinen Humor trotz allem nicht verloren hat, blickt bereits auf eine Laufbahn als Collegeboxer, Vietnamkämpfer, Militärpolizist und Soziologiestudent mit B.A.-Abschluss sowie auf eine kurze Ehe mit Catherine und eine abgebrochene Polizeiausbildung zurück, als er sich anschickt, im heruntergekommenen, von Gewalt, organisierter Kriminalität, Arbeitslosigkeit und Rassenhass gezeichneten Detroit für ein wenig Ordnung zu sorgen, zuerst mit seinem Partner Dale Leopold, mit dem er die Detektei 'Apollo Investigations' betreibt, nach dessen gewaltsamem Tod als Einzelkämpfer. Er ist ein kräftiger Trinker und starker Raucher, liebt alte Filme, hat hin und wieder für kurze Zeit eine Freundin - und kennt jede Facette seiner Stadt, die in allen Romanen eine wichtige Rolle spielt. Walkers Lebenslauf kommt im Verlauf der Serie nur häppchenweise und lückenhaft zur Darstellung.

Estlemans zweite, in der dritten Person erzählte Reihe dreht sich um den bezahlten Killer Peter Macklin aus Detroit, einen eher durchschnittlichen, oft etwas unterschätzten Zeitgenossen ("The Nine-to-Five Killer"), der seinen Beruf - offiziell bezeichnet er sich als Berater für zwischenmenschliche Beziehungen - auf sachliche und unspektakuläre Weise erledigt. Er arbeitete einige Zeit für die Mafia, bis er beschloss, das Killen freiberuflich zu betreiben. Seine Frau Donna sucht im zweiten Roman nach siebzehn Jahren Ehe das Weite, weil sie es satt hat, mit dem Scheisskerl verheiratet zu sein; sein einziger Sohn Roger ist mit sechzehn drogenabhängig, schafft dann den Ausstieg - und ergreift denselben Beruf wie sein ungeliebter Vater. Nach dem dritten Band verstreichen sechzehn Jahre, bis der nunmehr 44-jährige (seit seinem ersten Auftritt jedoch nur um gut fünf Jahre gealterte) Macklin als Killer im Ruhestand mit seiner neuen Ehefrau, der über zwanzig Jahre jüngeren Laurie, zurückkehrt. Laurie weiss bisher nichts von seiner Vergangenheit, die ihn jedoch bald wieder einholt.

Die ursprünglich als Trilogie angelegte Detroit-Serie umfasst sieben historische Noir-Romane, die in verschiedenen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in der bis in die 50er-Jahre zu einer pulsierenden Metropole aufsteigenden, danach unaufhaltsam zerfallenden Autostadt Detroit (genannt "Motor City") angesiedelt sind: 'Whiskey River' spielt in der Prohibitionszeit (20er-Jahre), 'Motown' in den turbulenten 60ern, 'King of the Corner' im Jahr 1990, 'Edsel' in den 50ern, 'Stress' in den 70ern, 'Jitterburg' während des Zweiten Weltkriegs und der letzte, 1999 erschienene Band 'Thunder City' im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.

Der schonungslose Detroit-Chronist Loren D. Estleman zählt in den Vereinigten Staaten zu den populärsten Krimiautoren der Gegenwart und wurde mit Literaturpreisen überhäuft, während er im deutschen Sprachraum seit 1992 nicht mehr verlegt worden ist.

Bibliografie (nur Kriminalromane):
Amos Walker-Serie: 'Motor City Blues' - 'Detroit-Blues' (1980), 'Angel Eyes' - 'Der Tod in Detroit' (1981), 'The Midnight Man' - 'Mitternacht in Detroit' (1982), 'The Glass Highway' - 'Die Strassen von Detroit' (1983), 'Sugartown' - 'Frühling in Detroit' (1984), 'Every Brilliant Eye' - 'Das Sterben in Detroit' (1985), 'Lady Yesterday' - 'Lady Detroit' (1987), 'Downriver' - 'Detroit River' (1988), 'Silent Thunder' - 'Donner über Detroit' (1989), 'Sweet Women Lie' (1990), 'Neverstreet' (1997), 'The Witchfinder' (1998), 'The Hours of the Virgin' (1999), 'A Smile on the Face of the Tiger' (2000), 'Sinister Heights' 2002), 'Poison Blonde' (2003, 'Retro' (2004), 'Nicotine Kiss' (2006), 'American Detective' (2007), 'The Left-handed Dollar' (2010), 'Burning Midnight' (2012), 'Don't Look For Me' (2014), 'You Know Who Killed Me' (2014);
Peter Macklin-Serie: 'Kill Zone' - 'Kill-Zone' (1984), 'Roses are Red' - 'Rosen für den Killer' (1985), 'Any Man's Death' - 'Killers Sohn' (1986), 'Something Borrowed, Something Black' (2002), 'Little Black Dress' (2005);
Detroit-Serie: 'Whiskey River' - 'Whiskey River' (1990), 'Motown' - 'Motown' (1991), 'King of the Corner' - 'Crack City' (1992), 'Edsel' (1995), 'Stress' (1996), 'Jitterbug' (1998), 'Thunder City' (1999);
Valentino-Romane: 'Frames' (2007), 'Alone' (2009), 'Alive!' (2013);
Einzelwerke: 'The Oklahoma Punk' (auch unter dem Titel 'Red Highway', 1976), 'Sherlock Holmes vs. Dracula' (1978), 'Dr Jekyll and Mr. Holmes' (1979), 'Peeper' - 'Ein harter Schnüffler' (1989), 'Gas City' (2008), 'The Confessions of Al Capone' (2013).

++ Erstellt: September 2010
++ Update: Juli 2012 ++
++ Update: November 2013 ++
++ Update: Dezember 2014 ++
 


Eterovic, Ramon Diaz

(*1956)

Ramon Diaz Eterovic, geboren an der Magellanstrasse in Punta Arenas, Chile, hat kroatische Wurzeln. Er studierte Politikwissenschaften in Santiago de Chile und schrieb danach Gedichte, Erzählungen, Romane, ein Buch über seine Geburtsstadt und Filmdrehbücher. Von 1980 bis 1995 war er Chefredakteur der Poesiezeitschrift 'La Gota Pura', von 1991 bis 1993 Vorsitzender des chilenischen Schriftstellerverbandes. Er lebt in der chilenischen Hauptstadt.

Im Jahr 1987 startete Eterovic die stimmungsvolle - im Original bis 2012 auf fünfzehn Bände angewachsene - Serie um Heredia, Vorname unbekannt, einen abgehalfterten, vereinsamten Taxifahrer, Geldbeschaffer und Privatdetektiv Mitte vierzig, der zumeist in der Altstadt der chilenischen Metropole Santiago unterwegs ist und Trost erhält durch den Wodka - und durch seine grosse Liebe zur Literatur, aus der er unentwegt zitiert.

In 'Engel und Einsame', dem ersten von zwei auf Deutsch erschienenen, einige Jahre nach der Pinochet-Diktatur spielenden Roman wird Heredias frühere Geliebte, die Journalistin Fernanda Arredondo, tot in einem Hotelzimmer aufgefunden: Mord oder Selbstmord? Tatkräftig unterstützt durch seinen alten Freund Kommissar Dagoberto Solis von der Kriminalpolizei, seine junge Freundin Griselda, seinen blinden Nachbarn Stevens, der über ausgezeichnete Kontakte zum Geheimdienst verfügt, den neugierigen und gesprächigen Kioskbesitzer Anselmo und natürlich durch seinen zugelaufenen Kater Simenon, mit dem er immer wieder Rücksprache hält, kommt Heredia einer grossen Sache auf die Spur - milliardenschwere Waffengeschäfte und illegale Produktion von chemischen Waffen, in die auch die CIA und korrupte Polizeibeamte verwickelt sind.

Bibliografie:
Heredia-Serie: 'La ciudad esta triste' (1987), 'Solo en la oscuridad' (1992), 'Nadie sabe mas que los muertos' (1993), 'Angeles y solitarios' - 'Engel und Einsame' (1995), 'Correr tras el viento' (1997), 'Nuanca enamores a un forastero' (1999), 'Los siete hijos de Simenon' - 'Kater und Katzenjammer' (2000), 'El ojo del alma' (2001), 'El hombre que pregunta' (2002), 'El color de la piel' (2003), 'A la sombra del dinero' (2005), 'El segundo deseo' (2006), 'La oscura memoria de las armas' (2008), 'La muerte juega a ganador' (2010), 'El leve aliento de la verdad' (2012).

++ Erstellt: Oktober 2014 ++  


Eversz, Robert

(*1955)

Geboren in Great Falls, Montana, als Sohn einer Krankenschwester und eines Geschäftsmanns, wuchs Robert Eversz in Reno, Bundesstaat Nevada, und den kalifornischen Städten San José und Newhall auf, verbrachte aber auch viel Zeit auf der grosselterlichen Ranch in der Nähe des Yellowstone National Park. Er studierte bis 1978 an der University of California in Santa Cruz und absolvierte danach vier Jahre das MFA-Programm in Film, Television und Digitalen Medien an der University of California in Los Angeles (UCLA). Die folgenden zehn Jahre verbrachte er als Filmemacher und Drehbuchautor in Hollywood. ^

Seit 1992 lebt Eversz vornehmlich in der tschechischen Hauptstadt Prag, doch auch der spanische Küstenort Sant Pol de Mar, die mexikanische Stadt Morelia und die italienische Badestation Silvi Marina gehör(t)en zeitweilig zu seinen Wohnsitzen, und in den letzten Jahren weilte er mit seiner vierköpfigen Familie oft in den USA. Er war einer der Gründer des Prague Summer Writer's Workshop an der Karls-Universität (heute: Prague Summer Program) und führt dort jedes Jahr einen Workshop für angehende Autoren englischer Zunge durch. Darüber hinaus hält er seit 2008 regelmässig Kurse im Rahmen der Writing Programs der UCLA ab.

Mitte der 90er-Jahre liess Eversz mit Mary Alice Baker eine faszinierende Figur auf den Leser los: Die junge, naive Frau aus der südkalifornischen Provinz, Tochter eines gewalttätigen Vaters, wird zur Zufallsterroristin, taucht in Los Angeles unter, nennt sich fortan Nina Zero - und entdeckt ihre dunkle Seite. Kompromisslos wehrt sie sich gegen FBI-Agenten, Gangster und anderes Gelichter, bis sie am Ende des ersten Romans 'Shooting Elvis' als "asoziale Killerin" ins Gefängnis gesteckt wird.

'Killing Paparazzo' beginnt am Tag, an dem Nina Zero nach fünf Jahren Haft auf freien Fuss kommt. Sie geht nach Las Vegas, um mit dem englischen Paparazzo Gabriel Burns eine Greencard-Ehe zu schliessen. Kurz danach wird Burns in Los Angeles ermordet aufgefunden, und Nina gehört zu den Hauptverdächtigen. Sie beginnt selbst zu ermitteln - und sich intensiv mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Rasante Handelsführung, wilde Actionszenen und eine glaubhaft dargestellte, sehr eigenständige, im Verlauf der Reihe allmählich zu sich selbst findende Protagonistin - eine harte, kaltschnäuzige, selbstbewusste Frau mit einer verletzlichen, melancholischen Seite und einem schrillen Outfit, die ab dem dritten Band als Paparazza unterwegs ist - machen Robert Eversz' fünf schwarzhumorige Nina Zero-Romane zu einer lohnenden Lektüre.

Bibliografie:
Nina Zero-Serie: 'Shooting Elvis' - 'Shooting Elvis' (1996), 'Killing Paparazzi' - 'Killing Paparazzi' (auch unter dem Titel 'Schnappschüsse', 2001), 'Burning Garbo' (2003), 'Digging James Dean' (2005), 'Zero to the Bone' (2006);
Gypsy Hearts' (1997).

++ Erstellt: Juli 2015 ++  


Ewo, Jon

(*1957 als Jon Tore Halvorsen; schreibt auch als Holger Selmas)

Jon Ewo (seit 2003 sein offizieller Name) wurde in Oslo geboren, wo er auch heute lebt. Nach Abschluss der Schule arbeitete er bis 1987 als Bibliothekar in Vestby, seither ist er als Berater, Redakteur, Autor und Verleger tätig. Darüber hinaus war er Sänger der Punkrockband 'Genickschuss', die jedoch nie ein Konzert gegeben hat. Nach zwei Erzählbänden, zwei Romanen und zahlreichen (zum Teil unter dem Pseudonym Holger Selmas publizierten) Kinder- und Jugendbüchern veröffentlichte er zwischen 1996 und 1998 die harte, in einer schnörkellosen Sprache erzählte Alex Hoel- oder Torpedo-Trilogie, deren ersten beiden Teile auch auf Deutsch vorliegen. Seither widmet sich der Vielschreiber (rund 100 Bücher seit 1986) fast ausschliesslich der Jugendliteratur.

Alex Hoel, Erpresser und schlagkräftiger Geldeintreiber (in Norwegen werden die Geldeintreiber der Gangsterbanden als Torpedo bezeichnet) für einen Bandenboss aus Ex-Jugoslawien, aber auch ein Mann, dem Loyalität über Alles geht, würde eigentlich am liebsten aussteigen und die schöne Irina, die Witwe seines alten Freundes Ulf, umgarnen und lieben (Irina erwartet im zweiten Band dann tatsächlich ein Kind von Alex), hat jedoch selber Schulden - und gerät in 'Torpedo' zwischen die Fronten zweier rivalisierender osteuropäischer Banden der organisierten Kriminalität, die in den 90ern auch in der Osloer Unterwelt Fuss gefasst haben. Am Schluss ist Axel um einen Haufen Knete reicher, dafür um einen Finger und ein Ohr ärmer.

In Ewos zweitem (auch als Hörspiel adaptiertem) Krimi 'Rache' führt Alex Hoel im Zentrum von Oslo die Bar Exil. Als vor dem Lokal auf einen seiner alten Kumpel geschossen wird, begibt er sich - ohne dies wirklich zu wollen - zurück ins halbseidene Milieu und wird in einen höchst gefährlichen Fall verwickelt, in dem sein rachsüchtiger Erzfeind Braza, aber auch Norwegens Bikerszene prominente Rollen spielen.

Bibliografie:
Torpedo-Trilogie: 'Torpedo' - 'Torpedo' (1996), 'Hevn. Torpedo II' - 'Rache' (1997), 'Gissel. Torpedo III' (1998).

++ Erstellt: Dezember 2014 ++  



 

Faist, Frieder

(1948-2008)

Frieder Faist, geboren und aufgewachsen in der bayerischen Stadt Augsburg, absolvierte eine Lehre als Industriekaufmann und Lochkartentabellierer und war nach dem Zivildienst als kaufmännischer Angestellter und Verwaltungsangestellter tätig. Um 1980 herum betrieb er eine Kneipe in Augsburg. Ab 1980 widmete er sich hauptberuflich dem Schreiben von Romanen und Hörspielen. 1981 gab er das Buch 'Reden kann ich nicht, wenn es mir schlecht geht' heraus, eine Sammlung von Gedichten und Geschichten ehemaliger Drogenabhängiger. Darüber hinaus schrieb er regelmässig Beiträge für das legendäre Haffmans-Magazin 'Der Rabe'. Faist starb 60-jährig in seiner Heimatstadt, in der er als überzeugter Regionalist fast sein ganzes Leben verbracht hatte.

Faists bekanntestes Prosawerk 'Schattenspiele. Ein Kriminalroman aus deutscher Provinz' ist ein origineller Krimi, aber auch eine schön gemachte Persiflage auf einen verfilzten Kulturbetrieb. Der Roman handelt von dem arbeitslosen, in einer namenlosen Kleinstadt lebenden Schriftsetzer und frisch gebackenen Amateurdetektiv Max Escher, der sich auf die Suche nach dem Autor des geheimnisvollen, in der Zeit der Wirtschaftswunderjahre spielenden und vor über zehn Jahren, 1968, im Eigenverlag publizierten Romans 'Schattenspiele' begibt. Unterstützt wird er durch den dichtenden Studenten Joschi Ost, der die avantgardistische Literaturzeitschift 'Sackgasse' herausgibt. In weiteren Rollen: Die mächtige Verlegerfamilie Poschinger, der schwülstige Heimatdichter und Poschinger-Biograf Joseph Balthasar Riedl, nach dem ein - ausschliesslich bedeutungslosen und reaktionär gesinnten Autoren vorbehaltener - Literaturpreis benannt ist, das Ehepaar Knapp (Joachim, der Anwalt, und Gisela, die talentfreie Kinderbuchautorin), ferner Answald Kiefer, Studienrat und ambitionierter Freizeitdichter, sowie seine Frau Annerose, Inhaberin von "Anneroses Art Atelier" - und der ganze lokale Klüngel. Als Max Escher nach beschwerlichen Recherchen das Buch 'Schattenspiele' endlich in der Hand hält, wird er zusammengeschlagen.

Wie auch in den drei nachfolgenden Krimis überzeugt Faist in seinem Erstling durch leichtfüssige Schreibweise, sprachliche Ausdruckskraft und ein feines Gespür für Figuren, Milieus und Dialoge.

Bibliografie:
'Schattenspiele' (1984), 'Ehrensache' (1993), 'Doppelt oder tot' (1995), 'Einer will's gewesen sein' (1997).

++ Erstellt: Mai 2011 ++  


Fajardie, Frédéric H.

(Pseudonym für Ronald Moreau, 1947-2008)

Frédéric H. Fajardie wurde als Sohn einer Arbeiterin und eines Buchhändlers geboren und wuchs mit seinen drei Schwestern in einem Pariser Arbeiterviertel auf. Mit fünfzehn musste er die Schule verlassen, um seinem aufgrund eines Unfalls behinderten Vater im Buchladen zu helfen. Später ging er dann doch noch an die Uni und studierte Geschichte, moderne Sprachen, Soziologie und Philosophie. 1968 war er in der extrem gewalttätigen maoistischen Gruppierung 'Gauche prolétarienne' organisiert. 1974 lernte er seine zukünftige Frau Francine kennen, die damals im Justizministerium arbeitete und ihn zum Schreiben animierte. Ein Jahr später verfasste er seinen ersten Roman 'Der maskierte Tod'.

Fajardies im deutschsprachigen Raum sträflich vernachlässigtes Prosawerk besteht aus 21 Krimis (darunter 6 mit Fajardies alter Ego, dem Pariser Kommissar Antonio Corrado Padovani), 16 anderen, zum Teil historischen Romanen, über 300 Erzählungen, 5 Jugendbüchern, mehreren Essays, Pamphleten und Aphorismen sowie über 80 Theaterstücken. Zentrales Thema des zeit- und sozialkritischen Autors war die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus dem Blickwinkel der linksradikalen Bewegung - Erster Weltkrieg, spanischer Bürgerkrieg, Vichy-Regierung, Résistence und Befreiung, 68er-Bewegung und schliesslich die bleierne Mitterand-Zeit.

Als Anhänger von Karl Marx und des antifaschistischen Autors Georges Bernanos veröffentlichte Fajardie 1993 das wütende Sachbuch 'Chronique d'une liquidation politique', in dem er Arroganz, Geldgier und Machthunger der regierenden Sozialisten dermassen scharf attackierte, dass er (damals ein gefragter Drehbuchautor für Film und Fernsehen) Opfer eines Berufsverbots wurde und ihn die Presse während Jahren ignorierte. In seinen Erzählungen und seinen in der linken Tageszeitung 'L'humanité' publizierten Artikeln rechnete Fajardie mit seinen Gegnern ab. Am 1. Mai (!) 2008 erlag er an seinem langjährigen Wohnsitz im Quartier Latin einem Krebsleiden.

'Der maskierte Tod', der erste Band der Kommissar Padovani-Serie, ist eine furiose, bluttriefende Parabel auf Unmenschlichkeit und Chaos der modernen Gesellschaft. Er dreht sich um drei durchgedrehte, in verschiedenen Kostümen auftretende "Rächer der Erniedrigten", die mit Macheten, Ahlen und anderen Werkzeugen reihenweise Polizisten und Justizbeamte massakrieren. Kommissar Padovani, ein linksradikaler Flic italienischer Abstammung (sein Vater kämpfte gegen Franco und später gegen die Nazis), wird mit dem Fall betraut - und schlägt hart zurück, als die "Rächer" seinen besten Freund Inspektor Ben Ghozi erstechen.

Im autobiografisch gefärbten Roman 'Rote Frauen werden immer schöner' steht der 20-jährige Freddy (eigentlich heisst er, wie sein Erfinder, Frédéric) im Mittelpunkt, ein proletarischer Linker, der es im Gegensatz zu seinen feinsinnigen Kumpeln mit der Revolution ernst meint. Er erschiesst 1968 einen Flic aus Notwehr, muss seine Heimat verlassen und verbringt lange Jahre in verschiedenen Befreiungsbewegungen, bis er Ende der 80er-Jahre in Mitterands pseudo-sozialistisches Frankreich zurückkehrt - und sich auf die Suche nach seiner grossen Liebe macht, nach Francine, die er seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat.

Bibliografie:
Kommissar Padovani-Serie: 'Tueurs de flic' - 'Der maskierte Tod' (1979), 'La théorie du 1%' (1979), 'Le souffle court' (1980), 'Polichinelle mouillé' (1982), 'Patte de velours' (1993), 'Full Speed' (2004);
'La nuit des chats bottés' (1979), 'Querelleur' (1979), 'Gentil, Faty !' (1979), 'Sniper' (1980), 'L'adieux aux anges' (1981), 'Bleu de méthylene' (1981), 'Au dessus de l'arc-en-ciel' (1982), 'Le faiseur de nuées' (1983), 'Clause de style (1983), 'Brouillard d'automne' (1984), 'Les enfants de lune' (1986), 'Jeunes femmes rouges toujours plus belles' - 'Rote Frauen werden immer schöner' (1988), 'Sous le regard des élégantes' (1996), 'Après la pluie' (1996), 'Reines dans la ville' (1997), 'Les hauts vents' (1998), 'Tu ressembles à ma mort' (2007).

++ Erstellt: Februar 2012 ++  


Farrell, Henry

(Pseudonym für Charles Farrell Myers, 1920-2006; schrieb auch als Charles Henry, Charles Henry Myers und Charles F. Myers)

Henry Farrell wurde in Madera County, Kalifornien, geboren und wuchs in den kalifornischen Kleinstädten Chowchilla und Coalinga auf. Im Zweiten Weltkrieg diente er bei der US Air Force, gegen Kriegsende schrieb er zum Zeitvertrieb seine ersten Texte. 1947 debütierte er als Schrifsteller. Der mit der 1981 verstorbenen Schauspielerin Molly Dodd verheiratete Autor verfasste Pulp-Stories, Film- und Fernsehdrehbücher (zunächst für die Serie 'Alfred Hitchcock Presents') und fünf Spannungsromane. Er starb 85-jährig in seinem Haus in Pacific Palisades, Kalifornien, und hinterliess eine Schwester, Wanda.

International bekannt wurde Farrell im Jahr 1960 mit seinem zweiten (von Robert Aldrich mit Bette Davis und Joan Crawford verfilmten) Roman 'Was geschah wirklich mit Baby Jane?', einem Drama um Eifersucht und Neid, Missgunst und Hass, in dem sich die früh verwaisten Schwestern Jane (vor vierzig Jahren als Kinderstar mit dem Künstlernamen Baby Jane gefeiert, später vom Publikum vergessen und im Alkoholrausch versunken) und Blanche Hudson (seit einem mysteriösen Autounfall, der ihre höchst erfolgreiche Filmkarriere vor 25 Jahren jäh beendete, an den Rollstuhl gefesselt) in ihrer riesigen, einsamen Villa das Leben zur Hölle machen. Doch die beiden sind aufeinander angewiesen, Jane, weil sie kein Geld hat, Blanche, weil sie nicht gehen kann. Als Blanche beschliesst, das Haus zu verkaufen, nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Und ganz am Schluss kommt endlich die ganze grauenvolle Wahrheit über die Nacht, in der der verhängnisvolle Unfall geschah, ans Licht.

'Hush…Hush, Sweet Charlotte', der Nachfolgefilm von 'What happened to Baby Jane?', beruht auf Farrells unveröffenlichter Story 'What Happened to Cousin Charlotte', Regie führte wiederum Robert Aldrich, und Bette Davis spielte auch hier die Hauptrolle, doch Joan Crawford war nicht mehr dabei. Farrells letzter (nicht ins Deutsche übersetzter) Roman 'Such a Georgeous Kid like Me' wurde von Francois Truffaut unter dem Titel 'Une belle fille comme moi' verfilmt und kam 1972 in die Kinos.

Bibliografie:
'What Ever happened to Baby Jane?' - 'Was geschah wirklich mit Baby Jane?' (1960), 'Death on the Sixth Day' - 'Die Frau hinter der Maske' (1961), 'How Awful About Allan' - 'Scheusslich, die Sache mit Allan' (1963), 'Such a Georgeous Kid Like Me' (1967).
Als Henry Charles: 'The Hostage' (1959).

++ Erstellt: April 2012 ++  


Ferrario, Davide

(*1956)

Davide Ferrario, geboren in der lombardischen Kleinstadt Casalmaggiore, Provinz Cremona, studierte angloamerikanische Literatur an der Staatsuniversität Mailand, wandte sich dann aber dem Film zu, zuerst als Filmkritiker und Drehbuchautor, später als Regisseur, Produzent und Organisator von Festivals. 1994 veröffentlichte er seinen bislang einzigen Krimi 'Römisches Maskenspiel' - ein Juwel.

'Römisches Maskenspiel' spielt im Rom des Herbstes 1947. Die Hauptrollen bekleiden Orson Welles und der mit ihm befreundete Privatdetektiv Tommaso Moravia, eine fiktive Figur mit einer Vergangenheit als Widerstandskämpfer gegen Mussolini und als Polizist. Orson Welles, in argen Geldnöten steckend, will in Italien eigentlich nur als Hauptdarsteller in einem zweitklassigen Film mitwirken, für 'Othello' proben, den 'Dritten Mann' vorbereiten und die schöne Schauspielerin Lea Padovani umgarnen, als er in ein gigantisches politisches Komplott verwickelt wird, an dem sogar der legendäre Mafioso Lucky Luciano teilhat. In Italien stehen nämlich die ersten freien Wahlen nach dem Zweiten Weltkrieg bevor, und es droht ein Sieg der Kommunisten, was die Vereinigten Staaten und der Vatikan, aber auch die Mafia und die bereits wieder erstarkten Faschisten mit allen Mitteln verhindern wollen. In seiner sorgfältig recherchierten und kunstvoll gebauten Geschichte pendelt der Autor mit viel Geschick zwischen historischen Fakten (Orson Welles hielt sich nach dem Krieg tatsächlich in Rom auf) und fesselnder Fiktion.

Ferrario lebt in Turin und arbeitet vorwiegend als Filmregisseur und frei schaffender Filmproduzent, schliesst jedoch nicht aus, wieder einmal einen Kriminalroman zu schreiben.

Bibliografie:
'Disslovenza al nero' - 'Römisches Maskenspiel' (1994).

++ Erstellt: Oktober 2010 ++  


Fesperman, Dan

(*1955)

Dan Fesperman wuchs in Charlotte, North Carolina, auf. Er studierte Journalistik und Geschichte an der University of North Carolina in Chapel Hill und machte danach als Kriegskorrespondent unter anderem für den 'Miami Herald', die 'Baltimore Sun' und die 'Baltimore Evening Sun' von sich reden. 1991 berichtete er aus Jordanien, Saudi-Arabien und Kuweit über den ersten Golfkrieg, in den folgenden drei Jahren aus Berlin über den Balkankonflikt. 1994 ging er in die belagerte Stadt Sarajevo. Nach 9/11 hielt er sich in Pakistan und Afghanistan auf. Fesperman ist seit 1988 mit der Journalistin Liz Bowie verheiratet. Sie leben mit ihren beiden Kindern Emma und Will in Baltimore, Maryland.

Fespermans erster Krimi 'Lügen im Dunklen' ist 1999 erschienen. Er spielt 1994 in der eingeschlossenen und verwüsteten Stadt Sarajevo, die zwar noch von der bosnischen Regierung kontrolliert wird, doch serbische Heckenschützen sorgen für Angst und Schrecken bei der Bevölkerung, ein Menschenleben ist nichts mehr wert. Im Mittelpunkt steht Kommissar Vlado Petric von der Mordkommission, Frau und Tochter hat er illegal nach Berlin in Sicherheit gebracht. Als Esmir Vitas, der Chef der Geheimpolizei, ermordet wird, gerät Petric in einen Sumpf von Korruption, Kunstschmuggel und organisierter Kriminalität, und auch Blauhelme scheinen in den scheusslichen Fall verwickelt zu sein.

Fesperman hat seit 2003 sieben weitere (nicht ins Deutsche übertragene) Politthriller veröffentlicht, unter ihnen der zweite Vlado Petric-Roman 'Small Beat of Great Sorrows' und der in Deutschland spielende, in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurückreichende Roman 'The Arms Maker of Berlin'.

Bibliografie:
Vlado Petric-Romane: 'Lie in the Dark' - 'Lügen im Dunklen' (1999), 'Small Beat of Great Sorrows' (2003);
'The Warlord's Son' (2004), 'The Prisoner of Guantanamo' (2007), 'The Amateur Spy' (2008), 'The Arms Maker of Berlin' (2009), 'Layover in Dubai' (2010), 'The Double Game' (2012).

++ Erstellt: November 2012 ++  


Fiedler, Roger M.

(Pseudonym für Roger Martin Skrzipczyk, *1961)

Roger Fiedler kam in Castrop-Rauxel, Nordrhein-Westfalen, auf die Welt. Nach seinem Physikstudium in München arbeitete er im Weinbau von Bordeaux, als S-Bahnschaffner, Programmierer, Sekretär im erzbischöflichen Jugendamt in München, Messebauer in Basel, in der Verpackungsindustrie und als Reiseleiter für Andalusien. Seit 1995 verfasst er Romane und Kurzgeschichten. Er lebt im Westerwald.

Igor "Gorja" Gorski, etwas schwachbrüstiger, ständig besoffener und/oder unglücklich verliebter Sohn russisch-italienischer Eltern - und Münchens wohl erfolglosester Privatdetektiv aller Zeiten - spielt die Hauptrolle in Fiedlers drei skurrilen Private-Eye-Parodien.

Der zweite Band 'Eisenschicht' beschert Gorski einen äusserst ungemütlichen Auftrag, als ein Kurde in einer Ingolstädter Chemiefabrik unter einem Staffel Schrott begraben wird: Er wird als verdeckter Ermittler in die multikulturelle Schwerarbeitertruppe eingeschleust. Arbeitsunfall? Mord? Gorskis Verstand leidet nicht nur unter der ungewohnt harten Arbeit, sondern noch viel mehr unter der Präsenz von Kommissarin Binzgerbers schöner Tochter Nomi.

In 'Dreamin' Elefantz' hat der von Liebeskummer gepeinigte Igor Gorski mit seinem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Doch dann verschwindet die junge Graffiti-Künstlerin Anna (Tochter einer der reichsten Frauen Münchens), und der schwermütige Schnüffler folgt ihren gesprayten Lebenszeichen in den Münchner Untergrund.

'Enzi@n. Ein Kriminalroman in 54 e-mails', zusammen mit Jörg Juretzka in Form eines Austauschs von E-Mails verfasst, sieht Igor Gorski sowie Juretzkas Privatdetektiv Kristof Kryszinski im Brennpunkt der turbulenten, zum Teil in Italien spielenden Geschichte.

In seinem kunstvoll gebauten, hochkomischen Einzelwerk 'Pilzekrieg' schildert Fiedler die wilden Abenteuer des 180 Kilo wiegenden Bremer BWL-Absolventen Sebastian Knooth, der in den Wienerwald reist, um sich in der örtlichen Klinik den Magen verkleinern zu lassen. Aus Angst vor der Operation, ausgerüstet mit einem Laptop und einer Kiste Bier, kampiert der grüblerische junge Mann im Forst, statt ins Krankenhaus zu gehen - und wird alsbald mit getöteten Wildschweinen, einem uralten schweigsamen Mann, der seit vielen Jahren Wegkreuze neu streicht, den Überresten eines gekochten Menschen und der furchtbaren Familiengeschichte des ehemaligen Postboten und leidenschaftlichen Pilzesammlers Backes konfrontiert.

Bibliografie:
Gorski-Trilogie: 'Sushi, Ski und Schwarze Sheriffs' (1997), 'Eisenschicht' (1998), 'Dreamin' Elefantz' (2000);
'Pilzekrieg' (2003), 'Chill Bill' (nur als ebook, 2013), 'Extratrocken, schranktot' (nur als eBook, 2014).
Gemeinsam mit Jörg Juretzka: 'Enzi@n', 2001)

++ Erstellt: März 2016 ++  


Fischer, Bruno

(1908-1992; schrieb auch als Russell Gray, Harrison Storm, Jason K. Storm und Adam Train)

Geboren in Berlin als Sohn eines Kaufmanns, übersiedelte Bruno Fischer 1913 mit seinen Eltern in die USA und wuchs im New Yorker Stadtbezirk Queens auf. Er studierte an der Rand School of Social Sciences in New York mit einem Abschluss 1929. 1934 heiratete er die Sekretärin Ruth Miller und hatte mit ihr einen Sohn und eine Tochter. Anfang der 40er-Jahre lebte er mit seiner Familie in einer Küstenstadt Foridas, später liess er sich in Croton-on-Hudson nieder, einem Vorort New Yorks, in dem sich damals vor allem Kommunisten und Künstler aufhielten. Seine letzten Jahre verbrachte der erblindete Autor im Camp Three Arrows, einer sozialistischen Kooperative in Putnam County, New York State. Im Alter von 83 Jahren starb er während seiner Ferien im mexikanischen Städtchen San Miguel de Allende.

Von 1929 bis 1931 arbeitete Fischer als Sportreporter der 'Long Island Daily Press', danach als Polizeireporter und für die sozialistische Zeitung 'Labor Voice', bevor er von 1934 bis 1936 das Wochenblatt der sozialistischen Partei ('Socialist Call') herausgab. 1936 begann er Prosa zu schreiben, zunächst, unter den Pseudonymen Russell Gray und Harrison Storm, überwiegend Horror- und Detektivgeschichten für Gafässe wie 'Black Mask' und 'Manhunt', ab 1939 auch Romane, die hohe Auflagen erzielten. Anfang der 60er-Jahre wurde er Chefredakteur bei 'Collier'.

1945 veröffentlichte Fischer den ersten von fünf Krimis um den New Yorker Privatdetektiv Ben Helm, einen der raren amerikanischen Ermittler, die glücklich verheiratet sind - seine Gattin ist die Broadway-Schauspielerin Greta Murdock. Ben Helm, ein intelligenter und friedfertiger, seine Pistole nur im äussersten Notfall zückender Ex-Polizist, setzt sich neben seinem Schnüffler-Job auch als Dozent auf dem Gebiet der Kriminologie und als Autor in Szene.

Weitere wiederkehrende Figuren sind der Privatdetektiv Rick Train (zwei Romane), der scharfsinnige, nach einer Kinderlähmung arg handicapierte Ermittler Ben Bryn (einige Kurzgeschichten) und der "Crab Detective" Calvin Kane, ein gehunfähiger Schnüffler mit deformiertem Körper, aber extrem kräftigen Armen (mehrere Kurzgeschichten).

In Fischers zweitem, in der amerikanischen Provinz angesiedeltem Ben Helm-Roman 'Das sechste Alibi' wechseln sich die sieben Hauptakteure von Kapitel zu Kapitel ab. Im Rampenlicht steht die junge, flatterhafte Schönheit Beverly - wer sich in sie verliebt, spielt mit seinem Leben. Sie ist das einzige Kind des hoffnungslos zerstrittenen Ehepaars George und Kathryn Atwood, das seine liebe Mühe mit Beverlys Flausen hat. Frank Townsend, ein impulsiver Gelegenheitsarbeiter mit harten Fäusten, im Grunde aber ein anständiger Bursche, begehrt Beverley heiss, mit dem erfolgreichen Immobilienhändler David Reese steht ihm jedoch harte Konkurrenz gegenüber. Rachel Townsend schliesslich, Franks Schwester und Davids Sekretärin, sehnt sich nach einer Liebesbeziehung mit ihrem Chef. Als zwei Männer aus Beverlys Umfeld gewaltsam ums Leben kommen, wird Ben Helm von den örtlichen Behörden als Ermittler beigezogen. Er überlebt einen Anschlag auf sein Leben nur um ein Haar, löst den Fall dann aber selbstverständlich mit Bravour.

Fischers harte Einzelwerke spielen oft im Milieu der organisierten Kriminalität. 'Witwe zum halben Preis' handelt von dem skrupellosen, mit der aufreizenden Maryann verheirateten Politiker und Geschäftsmann Frankie Millard, der zusammen mit der hinter ihm stehenden Organisation die fiktive Stadt Dalefort beherrscht. Seine rechte Hand ist der Yale-Absolvent Curt Stone, für die schmutzige Arbeit ist der Muskelmann Hank zuständig. Zu Beginn der Geschichte fischt man Frankies politischen Gegenspieler Paul Lakeland, den unbestechlichen Bürgermeister der Stadt, tot aus einem Stausee. Als wenig später Joel Oliver, der als sonderbevollmächtigter Richter Lakelands Tod untersuchen soll, in seinem Wagen erstochen wird, gerät Frankie unter Mordverdacht. Curts Dienste sind nun gefragt: Er soll die Tat Olivers Frau Elizabeth in die Schuhe schieben - doch dann verliebt er sich in sie.

Fischers bekanntestes Werk ist der 1974 nach einer über zehn Jahre dauernden Schreibblockade herausgegebene Standalone 'The Evil Day', die Geschichte des stets in Geldnöten steckenden New Yorker Ehepaars Caleb und Sally Dawson, dessen Beziehung auf eine harte Probe gestellt wird, als Sally zufällig in den Besitz von Juwelen im Wert von 250'000 Dollar gelangt - und ihre Beute partout nicht zurückgeben will.

Bibliografie:
Rich Train-Romane: 'The Hornet's Nest' (1944), 'Kill to Fit' (1946);
Ben Helm-Serie: 'The Dead Men Grin' (1945), 'More Deaths Than One' - 'Das sechste Alibi' (1947), 'The Restless Hands' (1949), 'The Silent Dust' (1950), 'The Paper Circle (auch unter dem Titel 'Stripped for Murder') - 'Striptease für einen Killer' (1951);
'So Much Blood' (auch unter dem Titel 'Stairway to Death') - 'Treppe des Unheils' (1939), 'Quoth the Raven' (auch unter den Titeln 'Croaked the Raven' und 'The Fingered Man', 1944), 'The Pigskin Bag' (1946), 'The Spider Lily' - 'Spiel um das Leben' (1946), 'The Bleeding Scissors' (auch unter dem Titel 'The Scarlet Scissors', 1948), 'The Angels Fell' (auch unter dem Titel 'The Flesh Was Cold', 1950), 'House of Flesh' (1950), 'The Lady Kills' - 'Töte mit Liebe' (1951), 'The Fast Buck' - 'Blutgeld' (auch unter dem Titel 'Automarder', 1952), 'Fools Walk In' - 'Das Mädchen in Grün' (auch unter dem Titel 'Auf des Messers Schneide', 1952), 'Run for Your Live' (1953), 'So Wicked My Love' - 'Achterbahn zum Himmel' (1954), 'Knee-Deep in Death' - 'Einer wusste zuviel' (1956), 'Murder in the Raw' - 'Eine Lady tut das nicht!' (1957), 'Second-Hand Nude' - 'Blondine aus zweiter Hand' (1959), 'The Girl Between' - 'Witwe zum halben Preis' (1960), 'The Evil Days' (1974).
Als Russell Gray: 'The Lustful Ape' - 'Eiskalt unter der Haut' (1950).

++ Erstellt: Mai 2012 ++  


Fish, Robert

(1912-1981; schrieb auch als Robert L. Pike, A. C. Lamprey und Lawrence Roberts)

Robert L. Fish wurde in Cleveland, Ohio, als jüngstes von drei Kindern einer jüdischen Familie geboren und wuchs auch dort auf. Nach Abschluss seines Maschinenbaustudiums an der dortigen Case University (heute: Case-Western Reserve) arbeitete er als Bauingenieur in verschiedenen Städten der USA, danach von 1953 bis 1962 in Brasilien. Parallel dazu begann er 1960 mit dem Verfassen von Kurzgeschichten, die in Ellery Queen's Crime Magazine abgedruckt wurden. Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten widmete er sich ganz dem Schreiben. Sein Werk enthält über vierzig Krimis, ungezählte (zum Teil in Brasilien angesiedelte) Kurzgeschichten sowie eine Biografie des Fussballers Pele. Robert Fish, der seit 1935 mit Mamie Kates verheiratet war und zwei Töchter hatte, starb 68-jährig in seinem Haus in Trumbull, Connecticut.

In 'Polizeirevier 52, New York', Fishs bekanntestem, mit dem Pseudonym Robert L. Pike (Pike ist der Name eines Fischs, des Hechts!) gezeichnetem Roman, steht der New Yorker Cop Lieutenant Clancy im Mittelpunkt. Clancy, ein knorriger Einzelgänger, den nichts aus der Ruhe bringt, erhält den Job, für die Sicherheit des berüchtigten, unberechenbaren Gangsters Johnny Rossi zu sorgen, der als Kronzeuge gegen ein Verbrecher-Syndikat auftreten sollte - eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die Clancys Geduld auf eine harte Probe stellt. Der rasante und schnörkellose Krimi ist unter dem Titel 'Bullit' (mit Steve McQueen als Clancy) in die Kinos gekommen.

Aus Fishs vergnüglicher Reihe um den Profi-Schmuggler Kek Huuygens ist einzig 'Die 10-Dollar-Wette' ins Deutsche übersetzt worden. Fishs weitere Serienhelden sind Captain José da Silva, Detektiv der Polizei von Rio de Janeiro, den es bei seinen Ermittlungen bis in den Amazonas-Dschungel verschlägt, Schlock Homes, eine Parodie auf Sherlock Holmes (drei Bände mit Kurzgeschichten), die Krimiautoren Carruthers, Simpson & Briggs sowie Lieutenant James Reardon aus San Francisco. Fish hat überdies Jack Londons Krimi 'Das Mordbüro' nach dessen Notizen vollendet und 1963 herausgegeben.

Bibliografie:
Als Robert Fish:
Captain José da Silva-Serie: 'The Fugitive' (1962), 'Isle of Snakes' - 'Die Insel der Schlangen' (1963), 'The Shrunken Head' - 'Ein Kopf für den Minister' (1963), 'The Diamond Bubble' - 'Die Spinne auf der Hand' (1965), 'Brazilian Sleigh Ride' - 'Zwischenlandung in Recife' (1965), 'Always Kill a Stranger' - 'In Rio droht Gefahr' (1967), 'Die Nackte an der Copacabana' (1968), 'The Xavier Affair' - 'Die Xavier-Affäre' (1969), 'The Green Hell Treasure' - 'Die Insel der grünen Hölle' (1971), 'Trouble in Paradise' (1975);
Kek Huuygens-Serie: 'The Hochmann Miniatures' (1967), 'Whirgling' (1970), 'The Tricks of the Trade' (1972), 'The Wager' - 'Die 10-Dollar-Wette' (1974);
Carruthers, Simpson & Briggs-Serie: 'The Murder League' - 'Die Mörder-Liga' (1968), 'Rub-a-Dub-Dub' (auch unter dem Titel 'Death Cuts the Deck') - 'Alle meine Mörderlein' (1971);
Einzelwerke: 'Trials of O'Brien' - 'Ein Freund hängt für den anderen' (auch unter dem Titel 'Komm mein Freund und häng für mich', 1965), 'A Handy Death' (1973), 'Pursuit' (1978), 'The Gold of Troy' (1980), 'Rough Diamond' (1981).
Als Robert Pike:
Lieutenant Clancy-Serie: 'Mute Witness' (auch unter dem Titel 'Bullit') - 'Polizeirevier 52, New York' (1963), 'The Quarry' - 'Die Rache des anderen' (1964), 'Police Blotter' - 'Schüsse, die ins Schwarze trafen' (1965);
Lieutenant James Reardon-Serie: 'Reardon' - 'Ein unbekannter toter Mann' (1970), 'The Gremlin's Grampa' - 'Polizeischutz für den Gangsterboss' (1972), 'Bank Job' - 'Der dunkle Ehrenmann' (1974), 'Deadline 2 A.M. - 'Übergabe 2 Uhr nachts' (1976).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Flora, Fletcher

(1914-1969)

Geboren in Parsons, Kansas, besuchte Fletcher Flora das Kansas State College und die University of Kansas in Lawrence. 1940 heiratete er Betty Ogden, zog mit ihr nach St. Louis, Missouri, und war dort als Lehrer tätig. 1943 wurde er zur Armee eingezogen. Er kämpfte als Infanterist im Fernen Osten, bis eine schwere Verwundung seinem Dienst ein Ende setzte. Nach dem Krieg arbeitete er achtzehn Jahre als Erziehungsberater in Fort Leavenworth in Kansas. Ende der 40er-Jahre schrieb er nebenberuflich seine ersten Stories, die er in verschiedenen Detektivmagazinen unterbringen konnte. Ab 1954 begab er sich auch auf die lange Strecke und veröffentlichte bis zu seinem Tod sechzehn Krimis unter eigenem Namen und drei als Ellery Queen. Kurz vor seinem 65. Geburtstag erlag er in Leavenworth einer Herzattacke. Er hinterliess seine Frau Betty, zwei Söhne, Harrison und Timothy, und eine Tochter, Susan.

Fletcher Flora war ein vielseitiger, stilistisch versierter Autor mit einem feinen Gespür für Charaktere und Stimmungen. Sein Romanwerk enthält Police Procedurals, Hardboiled Novels, Noir-Romane und Whodunits - ausschliesslich Einzelwerke.

Zu Floras grössten Würfen zählt 'Zur Liebe verdammt', die düstere Geschichte der Millionärsgattin Annabel Farnese aus Manhattan, einer seit dem frühen Tod ihres heiss geliebten Vaters zerrissenen Frau, die mit ihrem pedantischen, rach- und kontrollsüchtigen, ja psychopathischen Mann Oliver seit vier Jahren eine deprimierende Ehe führt. Sie lebt in einer Scheinwelt, trinkt zu viel, leidet unter Gedächtnislücken und landet immer wieder mit irgendwelchen Männern im Bett, die sie am nächsten Morgen zu tiefst verabscheut. Als sie sich in den herzkranken, in einer schäbigen Kneipe klimpernden Pianisten Joe Doyle verliebt, ist das Unheil nicht mehr abzuwenden. In eindrucksvollen Nebenrollen: Der lebenskluge Barkeeper Yancy, der verzweifelt versucht, seinen Kumpel Joe von einer Affäre mit Annabel abzuhalten; und der fette, schmierige Privatdetektiv Sweeny, der in Olivers Auftrag Annabels nächtliche Ausflüge protokolliert - und die schöne Frau ins Zentrum seiner erotischen Tagträume stellt.

Willie Hogan, Hauptperson in 'Der Schuss kam zu schnell', eine unglücklich verheiratete, etwas einfältige, aus lauter Langeweile ständig trockene Martinis pichelnde femme fatale aus der amerikanischen Provinz, erschiesst im Affekt ihren unansehnlichen, aber äusserst geschäftstüchtigen Mann Howard, als dieser hinter ihre Affäre mit dem smarten Bankkassierer Quincy Hogan (Howards Vetter!) kommt. Nicht ganz uneigennützig erklärt Quincy sich bereit, die Leiche zu verscharren und alle Spuren zu verwischen. Doch dann taucht eine junge Unbekannte auf, die offenbar seit längerer Zeit die Geliebte des Getöteten war, und setzt das Pärchen mächtig unter Druck.

Bibliografie:
'Strange Sisters' (1954), 'Desperate Asylum' (auch unter dem Titel 'Whisper of Love', 1955), 'The Hot Shot' (1956), 'The Brass Bed' (1956), 'Let Me Kill You, Sweetheart' (1958), 'Leave Her to Hell!' - 'Flucht ins Vergessen' (1958), 'Whispers of the Flesh' - 'Die lockende Glut' (auch unter dem Titel 'Sie hatte keine Freunde', 1958), 'Park Avenue Tramp' - 'Zur Liebe verdammt' (1959), 'Take Me Home' (1959), 'Wake Up With a Stranger' (1959), 'Killing Cousins' - 'Der Schuss kam zu schnell' (1960), 'Most Likely to Love' (1960), 'The Seducer' (1961), 'The Irrepressible Peccadillo' (1962), 'Skuldoggery' (1967), 'Hildegarde Withers Makes the Scene' (gemeinsam mit Stuart Palmer, 1969).
Als Ellery Queen: 'The Golden Goose' (auch unter dem Titel 'Who Killed the Golden Goose?', 1964), 'Blow Hot, Blow Cold' (1964), 'The Devil's Cook' (1966).

++ Erstellt: März 2012 ++  


Fonseca, Rubem

(*1925)

Rubem Fonseca wurde als Sohn portugiesischer Einwanderer in Juiz de Fora, einer im Südosten Brasiliens gelegenen Stadt, geboren und wuchs ab 1932 in Rio de Janeiro auf. Er studierte Jura und Verwaltungsrecht in Rio, Boston und New York City, unterrichtete eine Weile in den Vereinigten Staaten und liess sich dann in Rio nieder, wo er als hoher Verwaltungsbeamter in verschiedenen Institutionen arbeitete, zuletzt als Direktor der Elektrizitätswerke. Später war er Filmkritiker, Drehbuchautor und Leiter der Abteilung Kultur der Erziehungsdirektion in Rio.

1963 entschied sich Fonseca für ein Leben als Autor. Sein Oeuvre enthält neben zahlreichen Erzähungen und Geschichtensammlungen auch sechs Kriminalromane, die ihn zu einem der bedeutendsten Autoren Lateinamerikas machten. Er war mit der Übersetzerin Théa Maud verheiratet, die 1996 starb, hat eine Tochter, Maria Beatriz, und zwei Söhne, José Alberto und José Henrique (ein bekannter Regisseur), und lebt zurückgezogen in Rio.

Die bittersüsse Liebes- und Spannungsgeschichte 'Bufo & Spallanzani' (Bufo steht für den Ochsenfrosch, Spallanzani war ein berühmter italienischer Philosoph und Amphibienforscher) dreht sich um den Ich-Erzähler Ivan Canabrava, der in jungen Jahren als kleiner Beamter in eine mysteriöse Lebensversicherungsgeschichte um einen scheintoten Betrüger verwickelt war, in deren Zuge ein Friedhofswärter starb, und der daraufhin (unter dem auf den französischen Dichter Gustave Flaubert anspielenden Pseudonym Gustavo Flavio) ein neues Leben als Erfolgsautor und Liebhaber leckerer Speisen und schöner Frauen begann. Zurzeit quält sich der lüsterne Flavio mit einem Roman über Spallanzani und liebt die verheiratete Delfina Delamare. Kurz nachdem Delfina einen Krebsspezialisten aufsucht, wird sie mit einer Kugel im Herzen ermordet in ihrem Auto aufgefunden. Flavio flüchtet in ein Luxushotel, das tief im brasilianischen Dschungel gelegen ist, Delfinas Ehemann jagt rachsüchtig hinter ihm her - und dann kommt wieder eine Person gewaltsam ums Leben.

Fonsecas zweiter Roman 'Grenzenlose Gefühle, unvollendete Gedanken' spielt Ende der 80er-Jahre in Rio und Berlin. Der namenlose Ich-Erzähler, ein brasilianischer Filmemacher mittleren Alters, der sich auf die Verfilmung von Isaac Babels Geschichtensammlung 'Die Reiterarmee' vorbereitet, wird unfreiwillig in eine Diamantenschmuggelaffäre verwickelt, gerät in Gefahr und flieht nach West-Berlin zu seinem Filmproduzenten Plessner. Besessen von Babels Leben und Werk begibt er sich in Plessners Auftrag auf die gefährliche Mission, ein angeblich verschollenes Babel-Manuskript aus Ost-Berlin in den Westen zu schmuggeln. Dies gelingt, doch der Filmemacher, der nicht im Traum daran denkt, das begehrte Manuskript aus den Händen zu geben, kehrt nach Rio zurück, um es von seinem alten, kranken Freund, dem Babel-Spezialisten Gurian, auf seine Echtheit prüfen zu lassen. Fonseca inszeniert um seine fein skizzierte Hauptfigur eine wunderbare, mit cinéastischen, literarischen und zeitpolitischen Anspielungen reich garnierte Geschichte.

'Mord im August', ein weitgehend auf historischen Fakten beruhender Politroman, ist im Rio de Janeiro des Augusts 1954 angesiedelt. Die Regierung des betagten, gebrechlich gewordenen, aber noch immer mit allen Wassern gewaschenen und durch eine Vielzahl von Intrigen gestählten Präsidenten Getulio Vargas wackelt. Vargas' Gegner schmieden Komplotte, Attentate und Morde sind an der Tagesordnung. Und mittendrin, wie ein Fels in der Brandung, steht Kommissar Alberto Mattos, ein melancholischer und unbestechlicher Polizist und ehemaliger Anwalt mit einem Flair für Opern und schöne Frauen, der andauernd Milch in seinen Schlund giesst und Eier schlürft, um sein berufsbedingtes Magenleiden im Zaum zu halten.

Bibliografie:
'O caso Morel' (1973), 'A grande arte' (1983), 'Bufo & Spallanzani' - 'Bufo & Spallanzani' (1986), 'Vastas emocoes e pensamentos imperfeitos' - 'Grenzenlose Gefühle, unvollständige Gedanken' (1989), 'Agosto' - 'Mord im August' (1990), 'O Seminarista' (2009).

++ Erstellt: April 2011 ++
++ Update: April 2012 ++
 


Fonteneau, Pascale

(*1963; schreibt auch als Marie Trajan)

Geboren in der bretonischen Ortschaft Ille-et-Vilaine als Tochter einer deutschen Mutter und eines französischen Vaters, wuchs Pascale Fonteneau dort und ab 1973 in Brüssel auf. Sie studierte Journalistik und Kommunikation an der Université libre de Bruxelles, organisierte Film- und Krimi-Festivals und andere Kulturveranstaltungen, arbeitete als Radiokritikerin und veröffentlichte ihre ersten Texte in Magazinen wie '813' und 'Polar' und in Tageszeitungen. 1992 erschien ihr erster Krimi 'Confidences sur l'escalier'.

Im deutschsprachigen Raum debütierte Fonteneau 1995 mit ihrem dritten Krimi 'Die verlorenen Söhne der Sylvie Derijke', einer charmant-verspielten, tempostarken Geschichte um eine Ich-Erzählerin namens Sylvie Derijke, vor deren Haustür eines Tages Francois, 14, und Sébastien, 12, die beiden als entführt gemeldeten Enkel des einflussreichen Industriellen Walin-Delcreuze stehen. Die altklugen Jungs nisten sich bei Sylvie ein, und niemand scheint sie zu vermissen. Bei ihren Recherchen stösst die sympathische Protagonistin schon bald auf einigen Dreck am Stecken des Unternehmerclans - und schliesslich auf die richtige Mutter der beiden Quälgeister.

Ein Jahr danach folgte 'Pulp und die Waffen der Frauen' aus der von Jean-Bernard Pouy kreierten Serie 'Le Poulpe' (nom de guerre des linksradikalen Pariser Pazifisten und Detektivs Gabriel Lecouvreur, auf Deutsch 'Pulp'), ein turbulenter, pfiffiger, mit leichter Feder geschriebener Roman, in dem sich Pulps zeitweilige Liebesgefährtin Cheryl, eine schöne Coiffeuse mit eigenem Salon in Paris, in Brüssel auf Verbrecherjagd begibt, nachdem dort während eines Friseurkongresses einer ihrer Berufskollegen gewaltsam ums Leben gekommen ist.

Pascale Fonteneau lebt als freie Autorin (bisher zwölf Krimis, zahlreiche Novellen und Hörspiele) mit ihren drei Kindern in Brüssel. Halbtags arbeitet sie in der literarischen Vereinigung 'Passa Porta' und erstellt dort unter anderem Programme für Schreibwerkstätten.

Bibliografie:
'Confidences sur l'escalier' (1992), 'Etats de lame' (1993), 'Les fils perdus de Sylvie Derjike' - 'Die verlorenen Söhne der Sylvie Derijke' (1995), 'Cheryl - Les Damnés de l'artère' - 'Pulp und die Waffen der Frauen' (1996), 'La puissance du désordre' (1997), 'Otto' (1997), 'Maelbeek' (1998), 'Curieux sentiments' (1999), 'La vanité des pions' (2000), 'Crois-moi' (2005), 'Jour de gloire' (2006), '1275 ares' (2007), 'Propriétés privées' (2010), 'Hasbeen' (2010).

++ Erstellt: Dezember 2013 ++  


Forester, C.S.

(Pseudonym für Cecil Lewis Troughton Smith, 1899-1966)

Cecil Scott Forester wurde als jüngstes von fünf Kindern eines im Dienst des ägyptischen Bildungsministeriums stehenden Englischlehrers in Kairo geboren. Um ihren Kindern eine möglichst gute schulische Ausbildung angedeihen zu lassen, übersiedelte die Mutter im Jahr 1901 nach Camberwell, London, während der Vater berufeshalber in Ägypten blieb und seine Familie fortan nur noch selten sah. Cecil besuchte das Londoner Dulwich College und begann danach ein Medizinstudium an der Guy's Hospital Medical School, das er jedoch zu Gunsten des Journalismus und der Schriftstellerei nach wenigen Semestern abbrach. Ende der 20er-Jahre heiratete er seine langjährige Freundin Kathleen Belcher, eine Turnlehrerin, und hatte mit ihr zwei Söhne - John und George.

In den 30er-Jahren berichtete Forester als 'Times'-Korrespondent über den Spanischen Bürgerkrieg und die Besetzung der Tschechoslowakei durch Nazi-Deutschland. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs liess er sich in den Vereinigten Staaten nieder und schrieb Texte für das britische Propagandabüro. Nach dem Krieg blieb er in den USA, im kalifornischen Berkeley, wo er 1947 seine zweite Frau Dorothy Foster heiratete. 1964 erlitt er einen schweren Hirnschlag, zwei Jahre später starb er 66-jährig in seiner Wahlheimat.

Foresters Werk enthält Biografien, die Autobiografie 'Long Before Forty', Reiseberichte, Kinderbücher, zwei Theaterstücke, Drehbücher für Hollywoodfilme, Kriegs- und Abenteuerromane (darunter der unvergessliche, in der Zeit der Napoleonkriege spielende Zwölfteiler um den schüchternen, seekranken Admiral Horatio Hornblower sowie der 1935er Weltbestseller 'The African Queen'), daneben aber auch drei Kriminalromane.

'Zahlungsaufschub', angesiedelt in der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, handelt von dem bisher recht unscheinbaren, mit der naiven, vielleicht etwas verschwenderischen Annie verheirateten Londoner Bankangestellten und zweifachen Vater William Marble, der aus finanzieller Not seinen steinreichen, verwaisten, aus dem Nichts aufgetauchten Neffen umbringt, die Leiche im Garten vergräbt - und damit den Zerfall seiner Familie in Gang setzt. Der meisterhaft gestaltete Roman, in dem weder Polizei noch Detektive auftreten, wurde 1931 für das Theater adaptiert und 1932 mit Charles Laughton in der Hauptrolle verfilmt.

In seinem zweiten Thriller 'Ein glatter Mord' entwirft Forester das Psychogramm eines bis anhin unauffällig in einem seelenlosen Londoner Vorort lebenden Familienvaters namens Charlie Morris, der, als seine Stelle bei einer kleinen Werbeagentur in Gefahr gerät, sein Talent zum Morden entdeckt und jeden aus dem Weg räumt, der es wagt, seine Pläne zu durchkreuzen. Der Roman kam 2014 in neuer Übersetzung unter dem (etwas reisserischen) Titel 'Gnadenlose Gier' wieder auf den Markt - erfährt Foresters Kriminalwerk bei uns jetzt doch noch seine hoch verdiente Anerkennung?

Foresters dritter, 1935 entstandener und längst verloren geglaubter Krimi 'The Pursued' ('Tödliche Ohnmacht') tauchte fast siebzig Jahre später wieder auf, wurde von Mitgliedern der Forester-Society ersteigert und schliesslich im Jahr 2011 erstmals aufgelegt. Die rabenschwarze Geschichte kreist um das Schicksal einer der unteren Londoner Mittelschicht entstammenden, in einer trüben, mit Klatsch durchseuchten Vorortssiedlung lebenden Kleinfamilie - Marjorie, eine attraktive, feingliedrige Frau, zuverlässige Hausfrau und Mutter von zwei kleinen Kindern, die Tag für Tag die gewalttätigen Handlungen ihres lüsternen, selbstsüchtigen, zum Jähzorn neigenden Mannes Ted über sich ergehen lässt, ihre lebenslustige Schwester Dot und ihre adrette, energische, sich alsbald als ungemein kaltblütige Frau erweisende Mutter Mrs. Clair -, deren Leben aus den Fugen gerät, als Dot von Ted geschwängert wird. Einen Selbstmord vortäuschend, bringt Ted seine Geliebte allem Anschein nach um die Ecke, Marjorie weiss nicht mehr ein noch aus, doch dann nimmt Mrs. Clair die Sache in die Hand - und schmiedet einen verhängnisvollen Plan.
'Tödliche Ohnmacht' ist ein souverän und geradlinig, aus weiblicher Sicht erzählter Noir-Roman über das trost- und ausweglose Leben durchschnittlicher Menschen, ein Meilenstein der britischen Spannungsliteratur.

Im Jahr 2000 veröffentlichte Foresters älterer Sohn John eine zweibändige, mehr als 800 Seiten umfassende Biografie seines Vaters unter dem Titel 'Novelist & Story Teller. The Life of C.S. Forester', in der er etliche Korrekturen an dessen Lebenslauf anbrachte.

Bibliografie:
'Payment Deferred' - 'Zahlungsaufschub' (auch unter dem Titel 'Grausame Schuld', 1926), 'Plain Murder' - 'Ein glatter Mord' (auch unter den Titeln 'Glatter Mord' und 'Gnadenlose Gier', 1930), 'The Pursued' - 'Tödliche Ohnmacht' (1935/2011).

++ Erstellt: April 2014 ++
++ Update: März 2015 ++
 


Freemantle, Brian

(*1936; schreibt auch als Harry Asher, Jonathan Evans, John Maxwell und Jack Winchester)

Brian Freemantle, geboren und aufgewachsen in Southampton, Hampshire, trat kurz nach Schulabschluss seine erste Stelle als Journalist an. Bis 1975 war er als Reporter, Redakteur und Korrespondent in mehr als dreissig Ländern tätig, einschliesslich Russland und Vietnam. 1975 organisierte er den einzigen englischen Hilfsflug in das eingeschlossene Saigon. Unter Einsatz des Lebens gelang es ihm und seiner Mannschaft, 36 Waisenkinder in Sicherheit zu bringen. Danach gab Freemantle den Journalismus auf, um sich hauptberuflich dem Schreiben zu widmen. Sein erster Charlie Muffin-Krimi 'Agentenpoker' brachte ihm 1977 den internationalen Durchbruch, der ihm im deutschsprachigen Raum erstaunlicherweise bis heute verwehrt blieb. Der seit 1956 mit Maureen verheiratete Vater von drei Töchtern, Victoria, Emma und Charlotte, lebt und schreibt in London.

Charlie Muffin, ein abgebrühter, der britischen Unterschicht entstammender, ständig von Fussschmerzen gepeinigter Agent und Spezialist für hoffnungslose Fälle, ist Spielball der grossen Geheimdienste während des Kalten Krieges, seine Frau Edith wird im zweiten Band 'Jagd auf Charlie Muffin' von der CIA versehentlich getötet. Seine Verachtung für karrieregeile Bürokraten und fantasielose Emporkömmlinge demonstriert er mit schäbiger Kleidung, durchgelaufenen Sohlen und gelegentlichen Fürzen. Am Ende des fünften Bandes ('Abgesang auf Charlie Muffin') erhält er die Quittung für sein ungebührliches Benehmen: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird er vom britischen Geheimdienst zu vierzehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Der schlitzohrige Überlebenskünstler hat indes noch ein paar Pfeile im Köcher, befreit sich trickreich aus dem Gefängnis und wird rehabilitiert - beschrieben in Freemantles grossartigem, erst vier Jahre später erschienenen Nachfolgeband 'Eine Rose für Charlie Muffin'. Die Serie fand 2001 mit 'Kings of Many Castles' ein vorläufiges Ende, doch neun Jahre später tauchte Charlie Muffin in alter Frische wieder auf - als heimlich mit der ranghohen russischen Geheimagentin Natalia Fedova verheirateter Vater einer kleinen Tochter ('Red Star Rising').

Freemantles weitere Serienfiguren sind Dimitri Danilov, Chef des Moskauer Büros "Organisierte Kriminalität", und sein amerikanisches Gegenstück William Cowley vom FBI (vier in der Zeit nach dem Kalten Krieg angesiedelte Romane) sowie Sherlock Holmes' unehelicher Sohn Sebastian (zwei Romane). Darüber hinaus verfasste der Autor mit 'Hartmanns Dilemma', 'Bauernopfer' und 'Kleine graue Mäuse' sehr beachtliche Einzelwerke. Und im Jahr 1995 brachte er ein viel diskutiertes Sachbuch über organisierte Kriminalität in Europa zu Papier ('Importeure des Verbrechens: Europa im Griff des organisierten Verbrechens').

Bibliografie:
Charlie Muffin-Serie: 'Charlie Muffin' (auch unter dem Titel 'Charlie M') - 'Agentenpoker' (1977), 'Clap Hands, Here Comes Charlie' (auch unter dem Titel 'Here Comes Charlie M') - 'Jagd auf Charlie Muffin' (1978), 'The Inscrutable Chalire Muffin' - 'Charlie Muffins Schachzug' (1979), 'Charlie Muffin's Uncle Sam' (auch unter dem Titel 'Charlie Muffin, U.S.A.') - 'Eine Flasche für Charlie Muffin' 1980), 'Madrigal for Charlie Muffin' - 'Abgesang auf Charlie Muffin' (1981), 'Charlie Muffin and Russian Rose' (auch unter dem Titel 'The Blind Run') - 'Eine Rose für Charlie Muffin' (1985), 'Charlie Muffin San' (auch unter dem Titel 'See Charlie Run') - 'Lächeln Sie, Charlie Muffin' (1987), 'The Rund Around' - 'Stochern im Nebel' (1988), 'Comrade Charlie' (1989), 'Charlie's Apprentice' - 'Der Lehrling' (1993), 'Charlie's Chance' (1996), 'Dead Men Living' (2000), 'Kings of Many Castles' (2001), 'Red Star Rising' (2010), 'Red Star Burning' (2012), 'Red Star Falling' (2013);
Cowley & Danilov-Serie: 'The Button Man' (auch unter dem Titel 'In the Name of the Killer') - 'Sniper' (1992), 'No time for Heroes' (1994), 'The Watchmen' (2002), 'Triple Cross' (2004);
Sebastian Holmes-Romane: 'The Holmes Inheritence' (2004), 'The Holmes Factor' (2005);
Einzelwerke: 'Goodbye to an Old Friend' - 'Die Schliche der Taube' (1973), 'Face Me When You Walk Away' - 'Labyrinth mit Minen' (1974), 'The Man Who Wanted Tomorrow' - 'Rächer kennen kein Erbarmen' (1975), 'The November Man' - 'Strategie des Skorpions' (1976), 'Deaken's War' - 'Deakens Krieg' (1982), 'Rules of Engagement' (auch unter dem Titel 'The Vietnam Legacy') - 'Flucht aus Vietnam' (1984), 'The Lost American' (auch unter dem Titel 'The Kremlin Kiss', 1986), 'The Bearpit' - 'In der Höhle des Bären' (1988), 'Betrayals' - 'Bauernopfer' (1989), 'O'Farrell's Law' (1990), 'Little Grey Mice' - 'Kleine graue Mäuse' (1991), 'Ice Age' (2002), 'Two Women' (2003), 'Dead End' (2005), 'Time to Kill' (2006), 'The Namedropper' (2007).
Als John Maxwell: 'H.M.S. Bounty' (auch unter dem Titel 'Hell's Paradise', 1977), 'Mary Celeste' (1979).
Als Jonathan Evans: 'Misfire' (auch unter dem Titel 'Target', 1980), 'The Midas Men' (auch unter den Titeln 'Sagomi Gambit' und 'Gold') - 'Die Midasmänner' (1981), 'Chairman of the Board' (auch unter den Titeln 'Takeover' und At Any Price') - 'Das Millionenspiel' (1982), 'Monopoly' (auch unter den Titeln 'The Kremlin Correction' und 'The Kremlin Conspiracy') - 'Monopoli' (1984), 'The Laundryman' (auch unter dem Titel 'Dirty White') - 'Die Geldwäscher' (1985).
Als Jack Winchester: 'The Solitary Man' (auch unter dem Titel 'The Iron Cage') - 'Hartmanns Dilemma' (1980), 'The Choice of Eddie Franks' (1986).
Als Harry Asher: 'The Profiler' (auch unter dem Titel 'Mind Reader', 1997), 'The Predator' (1998).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2012 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Fremlin, Celia

(1914-2009)

Celia Fremlin wurde in Kingsbury, Middlesex, als Tochter eines viktorianischen Vaters und einer Hobbyautorin geboren und verbrachte ihre Kindheit in Herfordshire. Ihr ein Jahr älterer Bruder war der Kernphysiker John H. Fremlin. Sie studierte klassische Philologie und Philosophie am Oxforder Sommerville College, fand danach jedoch keine ihrer Ausbildung entsprechende Arbeit. Sie schlug sich deshalb als Süsswarenverkäuferin, Kellnerin und Putzfrau durchs Leben und schrieb nebenbei Humoresken und philosophische Abhandlungen. Im Zweiten Weltkrieg leitete sie einen englischen Luftschutzraum. 1942 vermählte sie sich mit dem Londoner Arzt Elia Goller, mit dem sie in London lebte und bis zu seinem Tod 1968 zusammen war. Sie zog ihre drei Kinder gross, bevor sie sich ab Ende der 50er-Jahre ganz aufs Schreiben konzentrierte. 1985 heiratete sie den (1999 verstorbenen) Musiker Leslie Minchin.

Fremlins Werk enthält sechzehn psychologische Thriller, zwei Sachbücher drei Kurzgeschichtenbände und einen Gedichtband. Ihre Romane, in denen Polizisten und Detektive allenfalls in kleinen Nebenrollen auftreten, beginnen harmlos und idyllisch. Mit kühlem Blick und feiner Ironie schildert die Autorin alltägliche Familienszenen, beunruhigende Elemente lässt sie nur in homöopathischen Dosen einfliessen, und erst am Schluss offenbart sich die ganze Dimension des Grauens. In ihren stärksten Büchern - 'Die Stunden vor Morgengrauen', 'Wer hat Angst vorm schwarzen Mann' und 'Klimax' - entwirft die scharf beobachtende, sprachlich versierte Autorin überaus präzise Psycho- und Soziogramme.

Celia Fremlin, deren letztes Buch 1994 erschienen ist, lebte von 1942 bis 2000 im Londoner Stadtteil Hampstead und liess sich dann in Bristol nieder. Sie starb kurz vor ihrem 95. Geburtstag in einem Pflegeheim in Bournemouth.

Bibliografie:
'The Hours Before Dawn' - 'Die Stunden vor Morgengrauen' (1958), 'Uncle Paul' - 'Onkel Paul' (1959), 'Seven Lean Years' (auch unter dem Titel 'Wait for the Wedding') - 'Sieben magere Jahre' (1961), 'The Trouble Makers' - 'Unruhestifter' (1962), 'The Jealous One' - 'Die Eifersüchtige' (1965), 'Prisoner's Base' - 'Wer hat Angst vorm schwarzen Mann' (1967), 'Possession' - 'Klimax oder Ausserordentliches Beispiel von Mutterliebe' (1969), 'Appointment With Yesterday' - 'Rendezvous mit gestern' (1972), 'The Long Shadow' - 'Der lange Schatten' (1976), 'The Spider-Orchid' - 'Die Spinnen-Orchidee' (1977), 'With No Crying' - 'Gibt's ein Baby, das nicht schreit' (1980), 'The Parasite Person' - 'Parasiten-Person' (1982), 'Listening in the Dusk' - 'Zwielicht' (1990), 'Dangerous Thoughts' - 'Gefährliche Gedanken' (1992), 'The Echoing Stones' - 'Das Tudorschloss' (1993), 'King of the World' - 'Vaters Stolz' (1994).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Freyermuth, Gundolf S.

(*1955; schreibt auch als John Cassar und Peter Johannes)

Geboren und aufgewachsen in Hannover, studierte Gundolf S. Freyermuth von 1973 bis 1980 Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (AVL), Germanistik, Amerikanistik und Geschichte an der Freien Universität Berlin. Seine Magisterarbeit befasste sich mit dem modernen Drama, seine Dissertation mit der Digitalisierung von Kunst und Unterhaltung. In den 80er-Jahren war er Redakteur des Kultumagazins 'TransAtlantik', Kulturressortleiter und Reporter des 'stern' und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für AVL der Freien Universität Berlin, von 1992 bis 1995 Chefreporter der Hamburger Zeitschrift 'Tempo'.

1989 übersiedelte Freyermuth mit seiner Frau Elke in die USA. Sie lebten zuerst in New York City, dann in Los Angeles, wo 1994 und 1997 ihre Söhne Leon und George zur Welt kamen. Später liess sich die Familie auf einer Ranch in Arizona nieder. 2005 kehrte Freyermuth nach Deutschland zurück, um als Professor für Angewandte Medienwissenschaften an der "ifs" (internationale filmschule köln) zu unterrichten, 2010 kam ein Lehrauftrag am neu gegründeten 'Cologne Game Lab' hinzu. Er ist deutsch-amerikanischer Doppelbürger und pendelt zwischen Köln und Berlin.

Freyermuths Werk umfasst ungezählte Essays, Kritiken, Glossen, Porträts und Reportagen für bedeutende internationale Printmedien (Schwerpunkt: Digitale Medien und Kommunikation), elf (zum Teil mit seiner Frau verfasste) Sachbücher sowie die drei Kriminalromane 'Der Ausweg', 'Bogarts Bruder' und 'Perlen für die Säue', die von 1989 bis 1999 unter drei verschiedenen Namen - Freyermuth, Cassar und Johannes - erschienen sind.

Freyermuths erster Krimi 'Der Ausweg' ist die Fabel des 38-jährigen Altlinken, Hobbyphilosophen und gescheiterten Juristen Harry Mann, der in seiner Westberliner Altbauwohnung in den Tag hineinlebt, bis er sich heftig in eine schöne Frau verliebt, deren Gatten, blind vor Leidenschaft, um die Ecke bringt - und sich daraufhin jäh in einem neuen Leben wiederfindet: Einem Leben als Killer in einer Welt, in der Korruption, Erpressung und Machtmissbrauch zum guten Ton gehören.

'Bogarts Bruder' spielt in Hollywood, wo am Vorabend des Zweiten Weltkriegs Carl Jordan, Inhaber von 'Pinnacle Books', einem kleinen Avantgarde-Verlag mit angeschlossenem Buchladen und geheimem Pornohandel für betuchte Kunden, aus dem Leben scheidet - Selbstmord oder Mord? Carls jüngerer Bruder Hank, ein 39-jähriger Abenteurer und Reporter, der gerade, um ein Haar der Hinrichtung entronnen, aus dem spanischen Bürgerkrieg in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt ist, übernimmt den Laden und macht sich auf, Carls letzte Stunden zu recherchieren. Wenig später wird der 'Pinnacle Books'-Kunde Wilhelm Bullzogen getötet, ein deutscher Millionär im Exil, der Hitler bei dessen Aufstieg finanziell unterstützte.
Bei seinen Ermittlungen wird Hank in einen äusserst gefährlichen Kriminalfall gezogen, in den amerikanische Politiker, deutsche Emigranten, Nazi-Typen und korrupte LAPD-Cops verwickelt sind, aber auch Carl Jordans undurchsichtige fromme Witwe und der damals noch kaum bekannte Schauspieler Humphrey Bogart. Okjekt der Begierde ist der erotische Schlüsselroman 'Transkontinentale Liebschaften' von Bullzogens Frau (und Hanks ehemaliger Geliebten) Alma Berger, der anonym in 'Pinnacle Books' veröffentlicht wurde - und von dem es nur noch ein einziges Exemplar zu geben scheint.
'Bogarts Bruder': ein vergnügliches, poetisches und kurzweiliges, durch originelle Vergleiche und unzählige Anspielungen auf Film, Literatur, amerikanische Politik und die Geschehnisse in Nazideutschland bereichertes Buch mit Hank Jordan als vielschichtigem Ich-Erzähler (der Titel bezieht sich auf eine physiognomische Ähnlichkeit des Helden mit Bogart) - und einem Cameo-Auftritt von Dashiell Hammett.

'Perlen für die Säue', aus wechselnden Blickwinkeln erzählt, ist ein turbulenter, figurenreicher Krimi mit parodistischen Elementen - und gleichzeitig eine scharfe Abrechnung mit den niederträchtigen, über Leichen gehenden Machenschaften der "Vierten Gewalt", für die einzig Auflage und Einschaltquoten zählen. In der Mitte des Romans wird Wolfgang Wedel-Mayer, Chefredakteur des beliebten Hamburger Käseblatts 'Die Wichtige' - ein skrupelloses, vulgäres Ekelpaket mit gewaltigem Frauenverschleiss, für den Journalismus ein Kampfsport ist - um die Ecke gebracht, ein Mord, für den jeder, der dem Getöteten jemals begegnet ist, ein handfestes Motiv haben dürfte, auch seine Frau Doris, die von ihrem Liebhaber Georg Claas, dem allmächtigen 70-jährigen Verleger der 'Wichtigen', schwanger ist. Oder gibt es vielleicht doch politische Gründe für die Tat? Wedel-Mayer hatte nämlich angekündigt, in der nächsten Ausgabe seiner Zeitschrift einen Artikel zu veröffentlichen, der in Deutschland für einen Skandal sorgen würde.

Über tausend Seiten abwechslungsreiche Spannungsliteratur, erschienen unter drei Namen in drei Verlagshäusern, stilistisch und inhaltlich weit über dem üblichen Niveau deutschsprachiger Krimis - eine stolze Bilanz für den Autor, der auch mit zwei schönen Sachbüchern über deutsche Emigranten in der Hitlerzeit ('Reise in die Verlorengegangenheit', 1993, und 'Fluchtpunkt Hollywood', 2011) in Erscheinung getreten ist.

Bibliografie:
Als Gundolf S. Freyermuth: 'Der Ausweg' (1989).
Als John Cassar: 'Bogarts Bruder' (1997).
Als Peter Johannes: 'Perlen für die Säue' (1999).

++ Erstellt: März 2013 ++  


Fullerton, John

(*1949; schrieb auch unter dem Pseudonym C.W. Diaz)

Geboren im südwestenglischen Dorset, aufgewachsen in Südafrika, wo er die Grundschule besuchte, versuchte sich John Fullerton nach Abschluss seiner Ausbildung zuerst als Farmer und im Finanzwesen, bevor er Anfang der 70er-Jahre zum Journalismus kam und dann über dreissig Jahre mit viel Herzblut in diesem Beruf arbeitete, neunzehn Jahre für die Agentur Reuters. Er berichtete unter anderem über den Bürgerkrieg im Libanon, den Afghanistankrieg, den ersten Golfkrieg und den Balkankonflikt sowie, nach 9/11, aus Pakistan und Afghanistan. Darüber hinaus unterrichtete er angehende Journalisten, war Dozent für Kreatives Schreiben an der Leicester University und veröffentlichte fünf Spannungsromane und ein Sachbuch.

Nach berufsbedingten Aufenthalten in 38 Ländern schloss Fullerton im Jahr 2010 ein Studium der Buddhismuskunde an der University of Sunderland mit einem Master-Titel ab, löschte daraufhin seine Website und verstummte als Autor. Der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder pendelt zwischen London und Südostasien.

Fullertons vier zwischen 1996 und 2006 erschienene Politthriller kreisen um reale Konflikte (Balkankrieg, War On Terror nach 9/11, Bürgerkrieg in Beirut, Apartheid). Ein fünfter Roman, 'Clap', mit dem Schauplatz Kuba ist im Jahr 2000 unter dem Pseudonym J.W. Diaz erschienen. Zuvor hatte der Autor, der offenbar um 1980 herum zwei Jahre undercover für den britischen Geheimdienst in Afghanistan unterwegs gewesen war, das Sachbuch 'The Sovjet Occupation of Afghanistan' herausgegeben.

Fullertons bekanntester Roman 'Das Affenhaus' spielt im verwüsteten Sarajewo des Winters 1993/94, als die bosnisch-herzegowinische Hauptstadt unter Dauerbeschuss durch die serbischen Armeen steht. In einer von Serben bewohnten, despektierlich als "Affenhaus" bezeichneten Mietkaserne am Rand der Stadt ist eine Polizei-Informantin (eine heroinsüchtige serbische Zahnärztin) grausam ermordet worden. Nacelnik Rosso, der pflichtbewusste und instinktsichere Chef der von Bosniern dominierten Kriminalpolizei verbeisst sich in den Fall, den ausser ihm keinen Menschen zu interessieren scheint - eine Mordermittlung in einer Stadt, die voll von Leichen ist, behelfsmässig vergrabenen, verwesenden Körpern, an denen sich die ausgesetzten Hunde gütlich tun.
Bei seinen Recherchen gerät Kommissar Rosso - Sohn eines berüchtigten kroatischen Nazi-Kollaborateurs, Ehemann der tief gefallenen, im Krieg zur Alkoholikerin gewordenen Intellektuellen Sabina, Ziehvater der todesmutigen 19-jährigen Krankenschwester Tanya - in die Grabenkämpfe der unversöhnlichen bosnischen, serbischen und kroatischen Milizen, an denen auch Heckenschützen, Nutten, UNO-Soldaten, Kriegskorrespondenten, Betrüger, Schwarzmarkthändler und anderes Strandgut, das jeder Krieg mit sich bringt, teilhaben. Eine wichtige Rolle spielt Rossos Intimfeind Luka, ein verkrüppelter, charismatischer Gangsterboss, gleichzeitig aber auch eine unverzichtbare Waffe der Bosnier im Guerillakrieg gegen die Serben.
'Das Affenhaus', Fullertons erster und einziger ins Deutsche übersetzte, mit prägnantem Personal aufwartende Krimi, zeichnet ein beklemmendes Bild der langsam vor sich hin sterbenden Stadt Sarajewo und ihrer zwischen Hass und Fatalismus schwankenden, von Hunger und Kälte gequälten Bevölkerung.

Bibliografie:
'The Monkey House' - 'Das Affenhaus' (1996), 'A Hostile Place' (2003), 'Give Me Death' (auch unter dem Titel 'This Green Land', 2004), 'White Boys Don't Cry' (2006).
Als J.W. Diaz: 'Clap' (2000).

++ Erstellt: März 2014 ++  


Furst, Alan

(*1941)

Alan Furst wurde als Sohn einer jüdischen Familie russisch-lettischer Herkunft in Manhattan, New York City, geboren und wuchs auch dort auf. Nach seiner Collegezeit arbeitete er als Taxifahrer, Erntehelfer, Fabrikarbeiter und freier Werbetexter, trampte durch die USA und verbrachte einige Zeit in Südfrankreich und Spanien, bevor er zum Journalismus kam und Reiseberichte und Literaturkritiken für die amerikanische Ausgaben des 'Esquire' und andere Magazine verfasste. Während seines Paris-Aufenthalts (1987 bis 1993) schrieb er Kolumnen für 'The International Herald Tribune'. Später liess er sich auf Long Island (New York) nieder, wo er bis heute lebt.

Furst begann bereits mit zwanzig zu schreiben, betrat die Krimibühne jedoch erst 1976 mit dem ersten, nicht auf Deutsch vorliegenden Band der Roger Levin-Trilogie. Roger Levin war ein mittelgrosser Marihuana-Dealer und danach Besitzer des chinesischen Restaurants Long Hai in New York, das er aufgrund einer idiotischen Wette verlor. Heute verdient er sein Brot als lizenzloser Gelegenheitsdetektiv. Er wohnt in Manhattan und teilt das Bett mit seiner schönen Freundin Sandy. Sein bester Freund und wichtigster Auftragsgeber ist der Anwalt Wyatt Reed.

In 'Die Paris-Falle' wird Roger Levin von der Synagogengemeinschaft seiner Eltern beauftragt, eine grössere Geldsumme an eine israelische Untergrundorganisation in Paris zu überbringen - dem Anschein nach nicht viel mehr ein hübscher, kleiner Ausflug. Doch kaum in Paris angekommen, wird der sympathische Held in eine höchst undurchsichtige Intrige verwickelt und kehrt schliesslich mit einem Finger weniger, aber (im Gegensatz zu einigen seiner Weggefährten) immerhin lebend nach New York zurück.

Auch in 'Tödliche Karibik' hat Roger Levin einen kniffligen, jedoch vorzüglich honorierten, durch Wyatt Reed vermittelten Fall zu knacken. Fiona, die 19-jährige Tochter der steinreichen amerikanischen Familie de Scodellaire, ist in die Fänge des verrückten Psychiaters und Sektenführers Charles Early Smith geraten, der es natürlich auf ihr Geld abgesehen hat - Levin soll sie befreien und heil nach Hause bringen. Die Spur führt auf die kleine Karibikinsel St. Maarten, wo Smith ein verwittertes Fort besitzt. Doch ist Fiona überhaupt gewillt, zu ihrer überspannten Familie zurückzukehren? Die mit bissigem Witz erzählte Geschichte zeichnet sich aus durch spritzige Dialoge, schnoddrige Sprüche und einen verwickelten Plot.

1983 liess der Autor den auf Fakten beruhenden Politthriller 'Geschäfte im Schatten' folgen. Die Carter-Administration entliess im Juni 1977 auf einen Schlag nicht weniger als 820 CIA-Agenten, unter ihnen Guyer, der sich nun mit seinem alten Kumpel List in Manhattan selbständig macht: Das ausgekochte Gespann spezialisiert sich auf die Vermittlung von Doppelgängern für gefährdete Personen - ein lukrativer, wenn auch nicht ganz ungefährlicher Job.

Furst hielt später offenbar nicht mehr viel von seinem Frühwerk - es ist nicht einmal auf seiner Homepage aufgeführt.

Ende der 80er-Jahre fand Furst zu seinem grossen Thema: Europa als Zentrum der Geschichte in den Jahren 1933 bis 1945. In diesen vom Autor als "historische Spionageromane" bezeichneten Werken steht jeweils (wie bei seinem grossen Vorbild Eric Ambler) eine kleine, bescheidene Figur im Mittelpunkt. 1988 veröffentlichte er mit 'Soldaten der Nacht' den ersten dieser bisher zehn Romane, in denen er das ränkevolle und skrupellose Spiel der Mächte jener Zeit auf eindrucksvolle Weise in Szene setzt.

Im Jahr 2000, nach vier nicht ins Deutsche übertragenen Büchern, schaffte Furst mit 'Das Reich der Schatten' den internationalen Durchbruch. Paris 1938, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Der Anschluss Österreichs und die Annektion des Sudetenlands stehen unmittelbar bevor, als der ungarische Aristokrat und Lebenskünstler Nicholas Morath von seinem Onkel, dem ungarischen Diplomaten Graf Janos Polanyi, als Geheimagent gegen den (auch in Ungarn grassierenden) Nationalsozialismus eingesetzt wird. Er schmuggelt gefälschte Pässe und geheime Dokumente über die Grenzen, sammelt Geld ein, befreit inhaftierte Personen und unternimmt gefährliche Reisen nach Deutschland und Osteuropa, ohne die Hintergründe seines Tuns wirklich zu durchschauen. Doch eines Tages, kurz vor Kriegsausbruch, ist Polanyi plötzlich spurlos verschwunden, und Morath ist nun ganz auf sich allein gestellt.

'Die Nacht der Sirenen' sieht den ukrainischen Schriftsteller Ilja Serebin im Brennpunkt des Geschens. Serebin, bis anhin kein besonders mutiger Mann, lebt in Paris im Exil, als er im November 1940 vom britischen Geheimdienst beauftragt wird, Öltransporte von Rumänien nach Deutschland zu sabotieren. Die Vorbereitungen zu der gefährlichen Mission führen Serebin von Paris nach Istanbul, von Bukarest in den schillernden Kurort St. Moritz. Und dann, im Winter des Jahres 1941, besteigt Serebin auf der Donau ein Schiff und hat fortan nur noch ein Ziel vor Augen: einen Abschnitt des Flusses für die feindlichen Ölfrachter unpassierbar zu machen.

Kapitän Eric de Haan, nerven- und charakterstarker Kapitän des alten Frachters 'Noordendem', ist die Hauptfigur in 'Die Stunde des Wolfs'. Am 30. April 1941 wird er vom niederländischen Geheimdienst angewiesen, im Kampf gegen Nazideutschland Munition, technische Geräte und britische Offiziere in verschiedene Hafenstädte zu bringen - ständig bedroht durch deutsche U-Boote und Luftaufklärer. Als Eric de Haan auch Flüchtlinge aufnimmt, wird seine Mission zum Himmelfahrtskommando. Dann marschieren die Deutschen in der Sowjetunion ein, und die 'Noordendem' sitzt im Baltikum fest.

Bibliografie:
Roger Levin-Trilogie: 'Your Day in the Barrell' (1976), 'The Paris Drop' - 'Die Paris-Falle' (1980), 'The Caribbean Account' - 'Tödliche Karibik' (1981);
'Shadow Trade' - 'Geschäfte im Schatten' (1983);
Historische Spionagethriller: 'Night Soldiers' - 'Soldaten der Nacht' (1988), 'Dark Star' (1991), 'The Polish Officer' (1995), 'The World at Night' (1996), 'Red Gold' (1999), 'Kingdom of Shadows' - 'Das Reich der Schatten' (2000), 'Blood of Victory' - 'Die Nacht der Sirenen' (2002), 'Dark Voyage' - 'Die Stunde des Wolfs' (2004), 'The Foreign Correspondent' (2006), 'The Spies of Warsaw' (2009), 'Spies of the Balkans' (2010), 'Mission to Paris' (2012).

++ Erstellt: Februar 2012 ++
++ Update: Juni 2012 ++
 


Fusco, John

John Fusco (Geburtsjahr vermutlich 1964) entstammt einer neapolitanischen Familie. Geboren in Waterbury, Connecticut, wuchs er in der nahe gelegenen Kleinstadt Prospect auf. Nach Abbruch der Wilby High School in Waterbury arbeitete er als Fabrikarbeiter, Holzfäller und Motorradsattler und trat als Bluesgitarrist in örtlichen Nachtclubs auf. Mitte der 80er-Jahre ging er ans Naugatuck Valley Community College in Waterbury, wo er seine zukünftige Frau, die Schauspielerin Richela Renkun, kennen lernte. Das daraufhin absolvierte Kunststudium an der Tisch School of the Arts in New York City öffnete ihm die Türen für eine höchst erfolgreiche Laufbahn als Drehbuchautor für Hollywood-Filme ('Crossroads', 'Young Guns', 'Hidalgo', 'Spirit: Stallion of the Cimarron' und andere).

Im Jahr 1997 gründete Fusco in Vermont die 'Red Road Farm', ein Refugium für wilde und selten vorkommende Pferde. 2001 kam sein erster Roman 'Das Gesetz der Familie heraus, 2012 das preisgekrönte Kinderbuch 'Little Monk and the Mantis'. Für Herbst 2014 ist der Thriller 'Dog Beach' angekündigt. John Fusco, Besitzer des Schwarzen Gürtels in der chinesischen Kampfkunst Shaolin Kung Fu, lebt mit seiner Frau und seinem Sohn auf einer Farm im Norden Vermonts.

'Das Gesetz der Familie', eine wunderbar-opulente Mischung aus Mafiathriller, Milieustudie und Entwicklungsroman mit zu Herzen gehenden Szenen, einprägsamem Personal und authentischen Dialogen, erzählt die Geschichte des aufgeweckten dreizehnjährigen Jungen Nunzio, dessen italienischer Vater Big Dan Paradiso im multikulturellen, etwas heruntergekommenen (fiktiven, zweifellos Waterbury nachgezeichneten) Städtchen Saukiwog Mills, Neuengland, einen Schrottplatz betreibt. Für Nunzio endet die Kindheit jetzt, im Sommer 1979: Zusammen mit seinem sechs Jahre älteren Bruder Danny Boy soll er in der Ferienzeit im väterlichen Betrieb Hand anlegen. Doch schon bei seinem ersten Einsatz stösst Nunzio auf eine Leiche, die - samt dem sie beherbergenden 1973er Pontiac Bonneville - zu einem Schrottpaket verarbeitet wird, bevor der Junge jemandem den Fund zeigen kann: Die Handschrift der Mafia. Nunzio und Danny wollen nun herausfinden, wer der Tote ist und wer ihn auf dem Gewissen hat. Sie erhalten Unterstützung von ihrem versoffenen Verwandten Angelo Volpe, einem ehemaligen Cop, der seit einem mysteriösen Sturz tetraplegisch im Rollstuhl sitzt, betreut von einem Kapuzineräffchen namens Ruby Lee und von Johnny, einer muskelbepackten schwarzen Lady.

Bibliografie:
'Paradise Salvage' - 'Das Gesetz der Familie' (2001).

++ Erstellt: Juni 2014 ++  


Fusilli, Jim

(*1953)

Jim Fusilli wurde in Hoboken, New Jersey, als Sohn einer italienisch-stämmigen Familie geboren. Er ging zwölf Jahre an römisch-katholische Schulen und machte einen Abschluss am St. Peter's College in Jersey City, wo er auch die Schulzeitung und das Schulradio mitbetreute. Danach war er Song-Schreiber und Rock-Gitarrist bei verschiedenen Bands in Greenwich Village. 2001 veröffentlichte er seinen ersten Krimi.

Fusilli lebt mit seiner in der Werbung tätigen Frau Diane Holuk und der gemeinsamen Tochter Cara in New York City und arbeitet als Rock- und Pop-Kritiker für 'The Wall Street Journal', eine Tätigkeit die er seit 1983 ausübt, und gelegentlich für das National Public Radio sowie als Krimikritiker des 'Boston Globe', als freier Schriftsteller und zeitweise auch als Creative Writing-Dozent an der State University of New York in Binghamton.

Fusillis verfasste vier unspektakuläre, von einer melancholischen Stimmung geprägte Kriminalromane um den Ex-Schriftsteller Terry Orr, der in Manhattan als Privatdetektiv arbeitet, seitdem er seine italienisch-stämmige Frau Marina, eine talentierte Malerin, und ihren kleinen Sohn Davy auf tragische Weise verloren hat, und um Orrs halbwüchsige Tochter Gabriella, genannt Bella, zwei rührende, in ihrer Gegensätzlichkeit überzeugend dargestellte Figuren.

Der dritte, kurz nach 9/11 spielende Band 'Tribeca Blues' (Tribeca ist der Stadtteil von Manhattan, in dem Terry und Bella ein Haus bewohnen) bildet das Herz der Serie. Im Zuge seiner Ermittlungen eines Erbschaftsstreits (Terrys enger Freund Leo Mallard, der mit seiner skrupellosen Ex-Frau arg zerstritten war, ist unerwartet gestorben) findet Terry Orr den Mann, von dem er immer dachte, er habe Marina und Davy auf dem Gewissen: Raymond Montgomery Weisz, als Jugendlicher ein hoch begabter Pianist, bis er von seiner Mutter in den Wahnsinn getrieben wurde und auf der Strasse landete; und endlich offenbart sich Terry Orr die schockierende Wahrheit über sein Familiendrama.

Nach dem (voräufigen?) Abschluss der Terry Orr-Serie ('Hard, Hard City') publizierte Fusilli Kurzgeschichten, ein Buch über die 'Beach Boys' und ihr Meilenstein-Album 'Pet Sounds' (2005), einen Krimi für Jugendliche (2008), den stark autobiografisch gefärbten historischen Spannungsroman 'Narrows Gate' (2011) und zuletzt zwei Krimis um einen namenlosen Aussenseiter (Nameless Drifter-Romane).

Bibliografie:
Terry Orr-Serie: 'Closing Time' - 'Ihr letztes Bild' (2001), 'A Well-Known Secret' - 'Solange du schweigst' (2002), 'Tribeca Blues' (2003), 'Hard, Hard City' (2004);
'Narrows Gate' (2011);
Nameless Drifter-Romane: 'Road to Nowhere' (2012), 'Billboard Man' (2013).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
++ Update: September 2013 ++
 



 

Gamboa, Santiago

(*1965)

Geboren in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota als Sohn einer Künstlerin und eines Kunsthistorikers, studierte Santiago Gamboa Hispanistik an der Universidad Javeriana in Bogota und danach an der Universidad Computense in Madrid und wurde an der Pariser Sorbonne mit einer Arbeit über kubanische Literatur promoviert. Daraufhin arbeitete er vier Jahre als Nachrichtenredakteur des spanischsprachigen Programms von Radio France in Paris, ehe er zu der kolumbianischen Tageszeitung 'El Tiempo de Bogota' in Rom wechselte und während des Balkankriegs aus Bosnien berichtete. Nach langjährigem Aufenthalt in einer kleinen Ortschaft unweit von Rom lebt er mit seiner zweiten Frau und seinem Sohn in der Grossstadt Cali, Südwestkolumbien.

Im Jahr 1995, auf dem Höhepunkt seiner journalistischen Laufbahn, debütierte Gamboa als Autor. Inzwischen ist sein Werk auf vier Krimis, sechs andere Romane, ein Reisetagebuch und zahlreiche Essays, Kolumnen und Geschichten angewachsen. In deutscher Sprache sind bisher einzig zwei Krimis und der autobiografisch grundierte Roman 'Das glückliche Leben des jungen Esteban' erschienen.

Der intelligente, melancholische Einzelgänger Victor Silanpa aus Bogota drückt Gamboas erstem Krimi 'Verlieren ist eine Frage der Methode' den Stempel auf. Als Reporter einer grossen Tageszeitung und Gelegenheitsdetektiv mit gefälschter Polizeimarke recherchiert er einen Kriminalfall um eine gepfählte Leiche, in den Grundstückspekulanten, geldgierige Politiker, ein zwielichtiger Anwalt, nuttige Frauen, die Mafia und eine fanatische Nudistengruppe verwickelt sind, während die Polizei, verkörpert durch den fresssüchtigen Hauptmann Aristofanes Mayo, die meiste Zeit mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist. Gamboa erzählt seine höchst unterhaltsame Geschichte mit schwarzem Humor und bösen Blicken auf sein von Gewalt und Korruption geplagtes Heimatland.

Bibliografie:
'Perder es cuestion de metodo' - 'Verlieren ist eine Frage der Methode' (1997), 'Los impostores' - 'Die Blender' (2002), 'Necropolis' (2009), 'Plegarias nocturnas' (2012).

++ Erstellt: Dezember 2015 ++  


Garber, Joseph

(1943-2005)

Geboren in Philadelphia als Sohn eines Berufssoldaten, besuchte Joseph R. Garber die University of Virginia, ehe er der US-Army beitrat. Im Jahr 1968 machte er einen Abschluss in Philosophie an der East Tennessee State University. Daraufhin arbeitete er als Berater für verschiedene renommierte Wirtschaftsberatungsfirmen in New York City, bis er sich 1984 mit seiner Frau in Woodside, Kalifornien, niederliess und eine Stelle als Technologie-Kolumnist für das Magazin 'Forbes' antrat. Im Jahr 1989 veröffentlichte er seinen ersten Thriller 'Milliardenpoker'.

Garbers bekanntester Roman ist 'Der Schacht', ein haarsträubender Schmöker, der durch atemberaubende Verfolgungsjagden in den Treppenhäusern und Liftschächten eines hochmodernen New Yorker Wolkenkratzers vorangetrieben wird. Dave Elliot, eine verheiratete Führungskraft Mitte vierzig, kommt wie jeden Morgen in sein Büro im 45. Stock des Hochhauses - und stellt fest, dass jeder, sein Chef, seine Kollegen, seine Freunde, sogar seine Familie, ihn tot sehen will. Scharfschützen und andere hart gesottene Typen sind hinter ihm her, er ist ganz auf sich allein gestellt. Elliott aber war vor zwanzig Jahren Mitglied einer Sondereinheit in Vietnam, und seine alten Instinkte kehren jetzt unwiderstehlich zurück. Was folgt sind über dreihundert Seiten wilde Action, gewürzt mit Slapstick, schockierenden Szenen und schwarzem Humor. Natürlich mit Happyend.

Mit 61 Jahren erlag Garber an seinem kalifornischen Wohnsitz einem Herzversagen. Er hinterliess seine Frau Janice, mit der er 36 Jahre kinderlos verheiratet war.

Bibliografie:
'Rascal Money' - 'Milliardenpoker - feindliche Übernahme eines Unternehmens' (1989), 'Vertical Run' - 'Der Schacht' (1995), 'In a Perfect State' - 'Im Auge des Wolfes' (1997), 'Whirlwind' (2004).

++ Erstellt: März 2015 ++  


Garfield, Brian

(Kürzel für Brian Francis Wynne Garfield, *1939; schreibt auch als Bennett Garland, Alex Hawk, John Ives, Drew Mallory, Frank O'Brian, Jonas Ward, Brian Wynne und Frank Wynne)

Brian Garfield, geboren in New York City als Sohn einer Kunstmalerin, aufgewachsen in Arizona, machte einen Master-Abschluss an der University of Arizona. Ende der 50er-Jahre war er Mitglied der recht erfolgreichen Jazz-Rock-Blues-Band 'The Palisades'. Mit achtzehn, während der Militärdienstzeit, verfasste er seinen ersten Roman. Es folgten über siebzig Bücher mit einer Gesamtauflage von rund 20 Millionen: Western, Abenteuer-, Horror-, Spionage- und Kriminalromane, historische Romanzen und zwei Bände mit Kriminalstories, aber auch je ein Sachbuch über Western-Filme und den Zweiten Weltkrieg in Alaska und eine Biografie des britischen Geheimagenten, Naturforschers und Hochstaplers Richard Meinertzhagen. Darüber hinaus war er in der Filmbranche tätig und präsidiert seine eigene Filmgesellschaft, die Shan Productions Company.

Zu Garfields bekanntesten Prosawerken zählen der höchst erfolgreich mit Charles Bronson verfilmte Selbstjustizroman 'Ein Mann sieht rot' (Garfield war mit der reisserischen Verfilmung begreiflicherweise gar nicht zufrieden), die beiden stimmungsvollen Krimis um den Navajo-Trooper Sam Watchman aus Arizona, die gemeinsam mit Donald Westlake verfasste Caper Novel 'Bahn frei für eine Fuhre Gold', der Spionageroman 'Hopscotch' und der historische Roman 'Das Gold der Zaren' - alles Werke, die in der ersten Hälfte der 70er-Jahre erschienen sind. Garfields nach 1977 publizierte Romane sind nicht ins Deutsche übersetzt worden.

'Ein Mann sieht rot' ist die Geschichte des 47-jährigen New Yorker Buchprüfers Paul Benjamin (in der Verfilmung und der deutschen Übersetzung heisst er Paul Kersey), dessen Leben aus den Fugen gerät, als drei jugendliche schwarze Einbrecher seine Frau Esther (in der deutschen Übersetzung: Joanna) und seine Tochter Carol brutal zusammenschlagen: Esther stirbt, Carol, die mit dem Anwalt Jack Tobey verheiratet ist, erleidet ein schweres psychisches Trauma, von dem sie sich nicht mehr erholen wird. Paul, im Grunde ein vernünftiger und liberal denkender Zeitgenosse, versucht sich zuerst mit kleinen, mehr oder weniger sinnvollen Handlungen abzulenken und führt lange Gespräche mit seinem Schwiegersohn, doch er steht gewaltig unter Druck, immer kurz vor der Explosion, fühlt sich auf der Strasse ständig bedroht von gefährlich wirkenden Typen, die er am liebsten tot sehen würde, und findet nicht mehr zurück in den Alltag. Anders als im Film lässt Paul seinen Gewaltfantasien erst im letzten Viertel freien Lauf: Wahllos eschiesst er Kriminelle, um sich an einer Gesellschaft zu rächen, die zugelassen hat, dass das Leben seiner Frau und seiner Tochter zerstört wurde. 'Ein Mann sieht rot' ist eine einfühlsame und unspektakuläre psychologische Studie über einen Mann, der, als er den Boden unter den Füssen verliert, sich nicht anders als mit blinder Gewalt zu helfen weiss.

Zu Beginn des Nachfolgebandes 'Ein Mann dreht durch' erfahren wir, dass Paul damals in New York in fünf Wochen nicht weniger als 17 Kriminelle hingerichtet hat. Seine Tochter starb zwei Monate nach dem Überfall, worauf er seinen Wohnsitz in die Verbrecherhochburg Chicago verlegte, um dort eine etwas subtilere Rache-Taktik zu verfolgen: Er besucht Gerichtsverhandlungen, lauert anschliessend den gegen Kaution freigelassenen Gangstern auf und bläst ihnen das Licht aus. Doch dann verliebt sich Paul in die attraktive und einsame Staatsanwältin Irene Evans, und mehrere Nachahmungstäter, die auch den Tod unschuldiger Menschen in Kauf nehmen, beginnen ihr Unwesen zu treiben - eine Welt bricht für ihn zusammen, als er erkennt, wie viel Schaden er mit seiner sinnlosen Rachetour angerichtet hat.

In 'Der bessere Indianer' machen Sam Watchman, 33-jährig, sein junger, weisser Partner Buck Stevens und der unfähige, sich jedoch arg überschätzende FBI-Agent Vickers Jagd auf fünf Bankräuber - drei frühere Green Berets, unter ihnen der eiskalte Ex-Major Leo Hargit, ein Pilot, den sie aus dem Vietnamkrieg kennen, und ein ehemaliger Sträfling, der über Insiderinformationen verfügt -, die sich mit ihrer Beute von fast einer Million Dollar und einer weiblichen Geisel ins Gebirge von Arizona abgesetzt haben und dort von einem Blizzard überrascht werden. Die schnelle, abwechslungsweise aus der Sicht der Verbrecher und ihrer Verfolger erzählte Geschichte gipfelt in einem dramatischen Duell zwischen Watchman und Hargit.

Garfields anspruchsvollstes Werk ist 'Das Gold der Zaren'. In diesem vorzüglich recherchierten Roman verknüpft er zwei wichtige Ereignisse des 20. Jahrhunderts miteinander: Den unglaublich brutalen Russischen Bürgerkrieg 1918 bis 1920 (Rote Armee gegen Weisse Armeen) und die Eroberung der Krimstadt Sewastopol (damals die stärkste Festung der Welt) durch Nazideutschland 1942. Bindeglied sind 500 Tonnen Gold (die eiserne Reserve des letzten Zaren), die im Januar 1920 in den Wirren des russischen Bürgerkrieges in Sibirien verloren gingen, bis nach über zwanzig Jahren die Nazis kamen und das Gold mitnahmen, um es dann 1944 irgendwo in der UdSSR zu verstecken. Anfang der 70er-Jahre ist Harry Bristow, ein bekannter Historiker und Sachbuchautor ukranisch-amerikanischer Abstammung, auf der Suche nach Material für Bücher über den Krieg zwischen der Roten Armee unter Trotzki und den zaristischen Weissen Armeen mit Admiral Alexander Koltschak als oberstem Befehlshaber auf der einen, über die Belagerung Sewastopols durch die Deutschen auf der andern Seite - eine recht zähe Angelegenheit, in der Zeit des Kalten Krieges. Durch seinen alten Freund Evan McIver von der CIA lernt Bristow die junge Jüdin Nikki Eisen kennen. Sie wird seine Geliebte und verhilft ihm zu einem Treffen mit Chaim Tippelskirch, dem Ende 1919, unmittelbar vor der Kapitulation der Weissen, von Koltschak das Kommando über den aus 28 gepanzerten Waggons bestehenden Goldzug übertragen worden war. Kurz nach diesem Treffen erhält Bristow zu seiner Verblüffung plötzlich die Erlaubnis, für weitere Nachforschungen in die Sowjetunion einzureisen - denn für die Geheimdienste dreier Länder, die auf das Gold scharf sind, ist klar: Wenn jemand den Schatz aufstöbern kann, dann Harry Bristow. Diese drei Länder aber sind die UdSSR, die USA und Israel...

Brian Garfield, ein enger Freund des Krimiautors Don Westlake, den er in den 60er-Jahren, während seiner Zeit in New York City, kennen gelernt hatte, verliess die Stadt 1979 und bezog Wohnsitz in Kalifornien. Heute lebt er mit seiner zweiten Frau Bina in Pasadena, Kalifornien, und Santa Fé, New Mexico.

Bibliografie:
Paul Benjamin-Romane: 'Death Wish' - 'Ein Mann sieht rot' (auch unter den Titeln 'Der Vigilant oder ein Mann sieht rot' und 'Ein Mann sieht rot oder der Vigilant', 1972), 'Death Sentence' - 'Ein Mann dreht durch' (1975);
Trooper Sam Watchman-Romane: 'Relentless' - 'Der bessere Indianer' (1972), 'The Threepersons Hunt' - 'Einer gegen Threepersons' (1974);
'The Hit' - 'Das Weisse im Auge der Mafia' (auch unter dem Titel 'Der rosa Cadillac', 1970), 'The Villiers Touch' (1970), 'Deep Cover' (1971), 'What of Terry Conniston?' - 'Ein Tropfen Blut im Sand' (1971), 'Line of Succession' (1972), 'Gangway!' - 'Bahn frei für eine Fuhre Gold' (gemeinsam mit Donald Westlake', 1973), 'Kolchak's Gold' - 'Das Gold der Zaren' (1973), 'The Romanov Succession' (1974), 'Hopscotch' - 'Hopscotch' (auch unter dem Titel 'Freitod durch fremde Hand' (1975), 'Recoil' - 'Nicht aktenkundig' (1977), 'Necessity' (1988), 'The Marksman' (2003).
Als John Ives: 'Fear in a Handful of Dust' (auch unter dem Titel 'Fear', 1978; später als Brian Garfield unter dem Titel 'Fleshburn', 1984), 'The Marchand Woman' (1979).
Als Drew Mallory: 'Target Manhattan' (1975).
Als Frank O'Brian: 'The Rimfire Murders' (1962).

++ Erstellt: August 2011 ++  


Gash, Jonathan

(Pseudonym für John Grant, *1933; schreibt auch als Graham Gaunt und Jonathan Grant)

John Grant wurde in Bolton, Lancashire, geboren und wuchs dort in einer vielköpfigen Arbeiterfamilie auf. Er studierte Medizin an der University of London und am Royal College of Surgeons and Physicians und arbeitete nebenher für einen Antiquitätenhändler im Londoner East End. Seinen Militärdienst absolvierte er als Offizier des britischen Sanitätscorps. 1955 vermählte er sich mit der Krankenschwester Pamela Richard, die drei Töchter, Alison, Jacqueline und Yvonne, zur Welt brachte. In den frühen 60er-Jahren arbeitete er als Pathologe in Hannover und Berlin, ehe ihn ein Lehrauftrag an die Universität von Hongkong führte. Von 1971 bis 1988 war er Leiter des mikrobiologischen Instituts der Schule für Hygiene und tropische Medizin an der University of London, anschliessend privat praktizierender Fachmann für Infektions- und Tropenkrankheiten. Nach seiner Pensionierung liess er sich mit seiner Frau in der Nähe von Colchester, Essex, nieder, um sich ganz auf das Verfassen von Spannungsliteratur zu konzentrieren.

Mitte der 70er-Jahre erweckte der Autor seinen Helden Lovejoy (kein Mister, kein Vorname, einfach Lovejoy) zum Leben, einen zynischen, mit allen Wassern gewaschenen, etwas schmuddeligen und stets abgebrannten Antiquitätenhändler, Frauenverführer und Hobbydetektiv aus dem ländlichen Essex, der (zusammen mit seinem trinkfesten Kumpel, dem "Aufreisser" Tinker Dill) immer wieder in haarsträubende Verbrechen verwickelt wird - eine höchst eigenständige Figur ("Antiquitäten, Frauen und mein persönliches Überleben - das sind die einzigen Interessen, die ich pflege"). Rasante Handlungsführung, sprühender Witz und die Schrullen des Ich-Erzählers machen die 24-teilige Reihe zu einem höchst vergnüglichen Leseerlebnis. Die Romane wurden für das Fernsehen adaptiert und von 1986 bis 1994 durch die BBC in 71 kommerziell sehr erfolgreichen Folgen ausgestrahlt, Ian McShane spielte die Hauptrolle.

Auf Deutsch sind nur die drei ersten Titel erschienen. Band Eins, 'Lovejoys Duell', dreht sich um die legendären Flintlock-Pistolen, die im 18. Jahrhundert bei Duellen zum Einsatz kamen - und von denen es nur ganz wenige Exemplare gibt. Jetzt ist der Besitzer eines dieser Waffenpaare ermordet worden, im Auftrag dessen Bruders soll Lovejoy die abhanden gekommenen Flintlocks aufspüren - ein äusserst brenzliges Unterfangen, das für den furchtlosen Antiquar beinahe tödlich endet.

Im dritten Lovejoy-Roman 'Lovejoys Gral' behauptet ein altes Paar (der geniale Fälscher Reverend Henry Swan und seine Lebensgefährtin Martha Cookson), den Heiligen Gral zu besitzen - die wertvollste Antiquität der Welt. Keiner glaubt den beiden Halunken. Doch dann gibt Swan bei einer Explosion den Löffel ab, und Lovejoy begibt sich auf die Suche nach dem Gral.

Gash veröffentlichte überdies fünf düstere Thriller um die Krankenhausärztin Dr. Clare Burtonall, die ab dem dritten Roman von ihrem Ehemann, einem zwielichtigen Geschäftsmann, geschieden ist, und ihren Sidekick und Lover, einen jungen Prostituierten namens Bonn, die historische (mit Jonathan Grant gezeichnete) Trilogie 'The Mehala of Sealandings' sowie fünf Einzelwerke, zuletzt 'Preddy Boy' im Jahr 2013.

Bibliografie:
Lovejoy-Serie: 'The Judas Pair' - 'Lovejoys Duell' (auch unter den Titeln 'Schuldlos schuldig' und 'Der Schuss aus dem Nichts', 1977), 'Gold from Gemini' (auch unter dem Titel 'Gold by Gemini') - 'Lovejoys Gold' (1978), 'The Grail Tree' - 'Lovejoys Gral' (1979), 'Spend Game' (1980), 'The Vatican Rip' (1981), 'Firefly Gadroon' (1982), 'The Sleepers of Eden' (1983), 'The Gondola Scam' (1983), 'Pearlhanger' (1985), 'The Tartan Ringers' (auch unter dem Titel 'The Tartan Sell', 1986), 'Moonspender' (1986), 'Jade Woman' (1988), 'The Very Last Gambado' (1989), 'The Great California Game' (1990), 'The Lies of Fair Ladies' (1992), 'Paid and Lovin Eyes' (1993), 'The Sin Within Her Smile' (1993), 'The Grace in Older Women' (1995), 'Possessions of a Lady' (1996), 'The Rich and the Profane' (1999), 'A Rag, a Bone, and Hank of Hair' (1999), 'Every Last Cent' (2001), 'The Word Game' (2003), 'Faces in the Pool' (2008);
Dr. Clare Burtonall-Serie: 'Different Women Dancing' (1998), 'Prey Dancing' (1998), 'Die Dancing' (2000), 'Bone Dancing' (2002), 'Blood Dancing' (2006);
Einzelwerke: 'The Year of the Woman' (2004), 'Finding Davey' (2005), 'Bad Girl Magdalene' (2007), Preddy Boy' (2013).
Als Graham Gaunt: 'The Incomer' (1981).

++ Erstellt: März 2016 ++  


Gault, William Campbell

(1910-1995; schrieb auch als Roney Scott und Will Duke)

William Campbell Gault, geboren in Milwaukee, Wisconsin, studierte an der University of Wisconsin und war danach mehrere Jahre als Hotelier in seiner Heimatstadt tätig. In dieser Zeit, 1932, heiratete er Virginia, mit der er zwei Kinder hatte. 1935 gewann er einen Kurzgeschichten-Wettbewerb, was ihn dazu brachte, weitere Stories zu verfassen und sich ab 1937 ganz aufs Schreiben zu konzentrieren. In den 30er- und 40er-Jahren verfasste er rund dreihundert Stories (Kriminal-, Sciencefiction- und Sportgeschichten, aber auch romantische und erotische Geschichten) für verschiedene Pulp- und Softporno-Magazine, anschliessend, nach dem Zusammenbruch des Pulp-Marktes, Krimis für Erwachsene und Sportromane für Jugendliche. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er zwei Jahre bei der Infanterie diente, zog er in den District Pacific Palisades, Los Angeles. 1958 bezog er Wohnsitz in Santa Barbara, Südkalifornien, und war dort ein Nachbar und enger Freund des Krimiautors Ross Macdonald. Er starb 85-jährig in Santa Barbara.

Aus Gaults 31 Romane umfassendem Kriminalwerk sind fünf Titel ins Deutsche übertragen worden. Vier von ihnen drehen sich um Brock "The Rock" Callahan, einen gut aussehenden, muskelbepackten Ex-Footballspieler und Privatdetektiv aus Los Angeles, der über grossen Mut und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügt. Seine Kundschaft kommt zumeist aus der besseren Gesellschaft der schillernden Metropole. Er hat eine feste Freundin, die Innendekorateurin Jan Bonnet, die er später heiraten wird. Nach sieben Bänden unterbrach Gault die Serie zu Gunsten seiner Jugendbücher, doch knapp zwanzig Jahre später kehrte ein gereifter Brock Callahan für sieben weitere Romane zurück.

Gaults zweite Reihe handelt von dem italienisch-stämmigen, der Unterschicht entstammenden, wie Callahan in Los Angeles wirkenden Privatschüffler Joe Puma, einem harten Burschen mit vornehmlich halbseidenen Auftraggebern. In 'The Cana Diversion' kommt Puma gewaltsam ums Leben, und Callahan - die beiden Detektive sind sich in den letzten Jahren einige Male über den Weg gelaufen - übernimmt die Aufklärung des Falls.

Rasante Handlungsführung, sorgfältige Skizzierung von Milieus (oft Kunst- und Sportszenen), Haupt- und Nebenfiguren und detailreiche Schilderungen der Nachkriegszeit in einem von Dekadenz geprägten Los Angeles waren die Markenzeichen des bereits kurz nach seinem Tod in Vergessenheit geratenen Autors.

Bibliografie:
'Don't Cry For Me' (1952), 'The Bloody Bokhara' (auch unter dem Titel 'The Bloodstained Bokhara', 1952), 'The Canvas Coffin' (1953), 'Blood on the Boards' (1953), 'Run, Killer, Run' (1954), 'Sqaure in the Middle' (1956), 'Phantom' (1957), 'Death Out of Focus' - 'Todeshauch Nr. 263' (1959), 'The Sweet Blonde Trap' (1959);
Brock Callahan-Serie: 'Ring Around the Rosa' (auch unter dem Titel 'Murder in the Raw') - 'Rosa unter den Geranien' (1955), 'Day of the Ram' (1956), 'The Convertible Hearse' - 'Die Todeslimousine' (1957), 'Come Die With Me' - 'Komm stirb mit mir' (1959), 'Vein of Violence' - 'Geld und Gewalt' (1961), 'County Kill' (1962), 'Dead Hero' (1963), 'The Bad Samaritian' (1982), 'The Cana Diversion' (1982), 'Death in Donegal Bay' (1984), 'The Dead Seed' (1985), 'The Chicano War' (1986), 'Cat and Mouse' (1988), 'Dead Pigeon' (1992);
Joe Puma-Serie: 'Shakedown' (als Roney Scott, 1953), 'End of a Call Girl' (auch unter dem Titel 'Don't Call Tonight', 1958), 'Night Lady' (1958), 'Sweet Wild Wench' (1959), 'The Wayward Widow' (1959), 'Million Dollar Tramp' (1960), 'The Hundred Dollar Girl' (1961), 'The Cana Diversion' (1982).
Als Will Duke: 'Fair Prey' (1956).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Geason, Susan

(*1946)

Susan Geason, geboren im australischen New Norfolk, Tasmanien, aufgewachsen in Queensland, studierte Geschichte und Politik an der University of Queensland und erwarb einen Masters in Politischer Theorie an der University of Toronto, Kanada, wo sie mehrere Jahre lebte und arbeitete. Danach liess sie sich in Sydney nieder. Sie war politisch und journalistisch tätig und schrieb Ende der 80er-Jahre eine Reihe von Handbüchern über Verbrechensverhütung, bevor sie 1990 als Schriftstellerin debütierte.

Neben ihren Beiträgen zum Krimigenre gibt Geason Jugendromane, Essays und Sachbücher für Jugendliche und Erwachsene heraus. Darüber hinaus arbeitete sie von 1992 bis 1997 als Literaturredakteurin des Wochenmagazins 'Sun-Herald' in Sydney und erwarb 2005 mit einem Roman über die Feministin Mary Taylor einen Doktortitel in Kreativem Schreiben an der University of Queensland. Sie lebt in Sydney und ist seit 2005 vornehmlich als Kinderbuchautorin tätig.

Privatdetektiv Syd Fish aus Sydney, gescheiterter Journalist und gefeuerter Regierungsberater, ein scharfzüngiger und zynischer Beobachter seiner Umgebung, unterstützt durch seine alte Freundin, die populäre Journalistin Lizzie Darcy, steht im Mittelpunkt der Kurzgeschichtensammlung 'Fish im Trüben' und der nachfolgenden Romane 'Fish vor die Hunde' und 'Haifischfutter'. Für ihren dritten, 2001 beendeten Syd Fish-Roman 'Hook, Line and Sinker' hat Geason keinen Verleger gefunden - er ist seit 2007 im Internet abrufbar.

In Geasons Einzelwerk 'Buschfeuer' duelliert sich Rachel Addison, Polizeipsychologin und einziges weibliches Mitglied der Mordkommission Sydney, mit einem brutalen Sexualmörder.

Bibliografie:
Syd Fish-Serie: 'Shaved Fish' - 'Fish im Trüben' (1990), 'Dogfish' - 'Fish vor die Hunde' (1991), 'Shark Bait' - 'Haifischfutter' (1993);
'Wildfire' - 'Buschfeuer' (1995).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Geeraerts, Jef

(Kürzel für Jozef Adriaan Anna Geeraerts, 1930-2015)

Jef Geeraerts wurde als Spross einer gutbürgerlichen Familie in der flandrischen Stadt Antwerpen geboren und besuchte dort das französischsprachige Jesuitengymnasium 'Onze Lieve Vrouwecollege'. Nach dem Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Kolonial-Hochschule in Antwerpen und dem Militärdienst als Fallschirmjäger in Deutschland war er während sechs Jahren stellvertretender Verwalter im Äquatorbezirk Buma von Belgisch-Kongo. 1954 heiratete er Josée Swaelen und hatte mit ihr drei Kinder, die in Belgisch-Kongo zur Welt kamen. Im Jahr 1960, als das Land am 30. Juni seine Unabhängigkeit erlangte, wurde er bei Unruhen schwer verwundet und kehrte daraufhin nach Belgien zurück.

In seinem engen und kühlen Heimatland fand sich Geeraerts lange Zeit nur schwer zurecht, er sehnte sich nach Afrika, fand keine Arbeit und trennte sich von seiner Familie. 1962 schrieb er sich in der Freien Universität Brüssel ein, um Deutsche Sprache zu studieren, und begann nebenbei zu schreiben. Sein Brot verdiente er sich als Zeitungsredakteur und Übersetzer. 1968 gelang ihm der literarische Durchbruch mit 'Black Venus', dem ersten Band der so genannten Gangrän-Reihe, die sich mit seinem ausschweifenden Leben in Belgisch-Kongo auseinandersetzt und in Belgien einen Skandal auslöste - das Buch wurde wegen "Pornografie und Rassismus" von einem Staatsanwalt beschlagnahmt und auf den Index gesetzt.

Jef Geeraert ist einer der bedeutendster Krimiautoren Belgiens, aber auch einer der schärfsten Kritiker des Landes bzw. dessen Regierung, der er vorwirft, dass sie sich mit korrupten Politikern arrangiert und Skandale mit allen, auch illegalen Mitteln totschweigt. Sein Werk enthält zahlreiche Romane (vorwiegend Krimis), Erzählungen, Reisereportagen, Hörspiele und Theaterstücke. Er lebte mit seiner zweiten Frau, der Modeschöpferin Eleonore Vigenon, in der Nähe von Gent, wo er 85-jährig starb.

Geeraerts' 1980 erschienener Krimi 'Die Coltmorde', eine Mischung aus Polit- und Polizeiroman mit detailversessenen Schilderungen der Ermittlungen, ist im Jahr 1990 angesiedelt. Belgien untersteht einem totalitären Regime, die Rijkswacht ist mit dem BKA, dem FBI und Interpol vernetzt, und über die Bürger werden umfassende Fichen angelegt. Im Mittelpunkt steht der aufstrebende 36-jährige Kapitein-Commandant Willy Velge, der dem Rijkswacht-Distrikt Gent vorsteht. Der verheiratete Vater eines Sohnes ist ein überaus eitler, von einem unberechenbaren Sexualtrieb gequälter Superbulle, der die Frauen hasst und sie sich deshalb unterwirft. Jetzt leitet er die Fahndung in drei scheusslichen, offenbar miteinander zusammenhängenden Mordfällen - eine promiskuitive Witwe, ein pensionierter Rijkswachtgeneral und ein schwuler Grundschullehrer sind die Opfer, und der Sohn des Generals scheint in die Verbrechen verwickelt zu sein. Als die düsteren Geheimnisse der Generalsfamilie ans Licht zu kommen drohen, greift die Rijkswacht mit gnadenloser Härte durch - das Leben derer, die die Wahrheit ahnen, hängt jetzt an einem seidenen Faden.

Auch in seinem Spätwerk 'Der Generalstaatsanwalt' befasst sich Geeraerts mit Machtmissbrauch, Vertuschung und Korruption im belgischen Staat. Es ist die satirisch gefärbte, mit Anspielungen auf die Marc Dutroux-Affäre gespickte Geschichte eines narzisstisch gestörten Machtmenschen: Des alternden, trotz seiner zwielichtigen Vergangenheit sich für unantastbar haltenden Generalstaatsanwalts zu Antwerpen namens Albert Savelkoul, der mit seiner bigotten adeligen Gattin Amandine seit Jahren nur noch schriftlich verkehrt und sich mit Louise eine junge und teure, leider aber untreue Geliebte hält. Sein Verhängnis naht, als Amandine sich an die skrupellose, macht- und geldgierige katholische Organisation "Opus Die" wendet, damit diese ihre beiden Söhne, jedoch keinesfalls den Ehemann, nobilitieren lässt. Dem einen Haufen Geld witternden Orden ist nun jedes Mittel recht, um Savelkoul in Misskredit zu bringen - immer enger windet sich die Schlinge windet um den Hals des fast schon Mitleid erweckenden Staatsanwalts.

Bibliografie:
Gangrän-Romane: 'Black Venus' - 'Im Zeichen des Hengstes' (1968), 'De Goede Mordenaar' (1972), 'Het Teken van de Hond' (1975), 'Het Zevende Zegel' (1977).
'Ik ben maar een neeger' (1962), 'Schroot' (1963), 'Zonder clan' (1965), 'Het verhaaö van Matsombo' - 'Scharlatan auf heisser Erde - die Geschichten des Grégoire-Désiré Matsombo' (1966), 'Dood in Bourgondie' (1976), 'Kodiak' .58' (1979), 'De Coltmoorden' - 'Die Coltmorde' (1980), 'Jagen' (1981), 'Diamant' (1982), 'Drugs' (1983), 'De trap' (1984), 'De zaak Alzheimer' (1985), 'Het Sigmaplan' (1986), 'Romeinse Suite' (1987), 'Zand' (1988), 'Sanpaku' - 'Sanpaku' (1989), 'Double-face' - 'Double Face' (1990), 'Z 17' (1991), 'Het Rashomon-complex' (1992), 'De Cu Chi chase' (1993), 'De nachtvogels' (1994), 'Goud' (1995), 'De PG' - 'Der Generalstaatsanwalt' (1998), 'De Ambassadeur' (2000), 'Dossier K.' - 'Codex K.' (2002), 'Geld' (2004), 'Cro-Magnon' (2006).

++ Erstellt: Dezember 2012 ++
++ Update: Oktober 2016 ++
 


Gill, B.M.

(Kürzel für Barbara Margaret Gill, 1921-1995; schrieb auch als Margaret Blake und Barbara Gilmour)

B.M. Gill kam in Holyhead, der grössten Stadt der nordwalisischen Insel Holy Island, Grafschaft Anglesey, als Tochter eines irischen Seemanns und einer aus Wales stammenden Mutter auf die Welt. Sie besuchte die Klosterschule 'Le Bon Sauveur' in Holyhead und danach das Redland College in Bristol, ehe sie eine Stelle als Sekretärin der Leuchtturmbehörde Trinity House in Holyhead antrat. Mit 21 Jahren heiratete sie einen Mann namens Trimble und hatte mit ihm einen Sohn, Roger, doch die Ehe war von kurzer Dauer. Als allein erziehende Mutter arbeitete sie zuerst vier Jahre als selbständige Podologin und danach vierzehn Jahre als Grundschullehrerin. In dieser Zeit schrieb sie ihre ersten Radioscripts und Kurzgeschichten sowie, als Margaret Blake, eine Reihe von romantischen Spannungsromanen, die sich recht gut verkauften. 1977 kehrte sie auf die Inselgruppe Anglesey zurück, nahm wieder ihren Mädchennamen an und begann eine Laufbahn als Krimiautorin. Ihr Werk enthält (neben den acht mit Margaret Blake gezeichneten, nicht auf Deutsch vorliegenden Romantik-Thrillern) die Trilogie um Detective Chief Inspector Tom Maybridge und sechs Einzelwerke, darunter 'Der zwölfte Geschworene' und 'Herzchen', ihre bekanntesten Beiträge zur Kriminalliteratur.

'Der zwölfte Geschworene' behandelt den spektakulären Mordfall Carne. Der charismatische Fernsehmoderator Edward Carne wird angeklagt, seine Frau ermordet zu haben, und im Londoner Old Bailey treten zwölf Geschworene zusammen, um ein Urteil zu fällen. Carnes Tochter Frances könnte ihren Vater entlasten, doch sie ist spurlos verschwunden, und die Verhandlung scheint auf einen Schuldspruch hinauszulaufen. Einer der Geschworenen, der arbeitslose Journalist Robert Quinn, verfügt jedoch über Insider-Wissen, denn bei ihm ist Frances untergekrochen. Und Quinn hält Carne für unschuldig.

Der Zweite Weltkrieg tobt, und England wird durch den "Blitz" gelähmt, als Zanny Moncrief, sechs Jahre alt und bildhübsch, ihren Stiefbruder, den kleinen Quälgeist Willie, aus dem Weg räumt und wenig später mit Willies siebenjähriger Schwester Dolly dasselbe versucht. Zannys selbstbetrügerischen, heuchlerischen Eltern versorgen ihre Tochter zur Sicherheit in einem katholischen Internat, und alles scheint sich zum Guten gewendet zu haben, bis das Mädchen mit fünfzehn für den viel älteren Klostergärtner Murphy zu schwärmen beginnt und ihre Konkurrentin, die Turnlehrerin Bridget, um die Ecke bringt. Gills schwarzhumoriger Krimi 'Herzchen' ist die Geschichte einer frechen, unbekümmerten Mörderin - das Produkt einer zutiefst verlogenen Gesellschaft, die nur ihr eigenes Wohl im Sinn hat.

DCI Maybridge, verheiratet mit der Restaurationsexpertin Meg, Vater eines erwachsenen Sohnes, ist ein sympathischer, recht emotionaler Ermittler; ein beleibter Brillenträger, dessen stechender Blick bei Verhören gefürchtet ist. Der erste, im Krankenhausmilieu spielende Band 'Othellos letzte Probe' sticht heraus. Er kreist um den renommierten Neurochirurgen Paul McKendrick, in dessen unmittelbaren Umfeld drei Sexualmorde geschehen - zu den Opfern gehören seine Tochter Maggie, eine angehende Krankenschwester, und seine Lebensgefährtin Harriet Brand, die Leiterin der Anästhesie. Der Taten verdächtigt wird der im Klinikarchiv angestellte Hobby-Violinist George Webber, Ehemann der seit zwei Jahren querschnittgelähmten Sue. Sue wurde damals erfolglos von McKendrick operiert und hat seither keinen Sex mehr mit ihrem Mann - sind die Delikte Racheakte eines frustrierten (sich bei den ersten Befragungen denkbar ungeschickt aufführenden) Mannes? Wichtige Rollen spielen aber auch Maybridges rüpelhafter und testosteron-gesteuerter Kollege Detective Sergeant Stannard, dessen liebenswerte, wenn auch reichlich naive Frau Tessa, die eng mit Sue befreundet ist, sowie Rachel Gray, die auf Rache sinnende Schwester des ersten Mordopfers, der auf McKendricks Abteilung tätigen Krankenschwester Sally. Scharfsinnig und kunstvoll entwirft die Autorin präzise Psychogramme ihrer Protagonisten.

Bibliografie:
'Target Westminster' - 'Zündstoff für das Parlament' (1977), 'Death Drop' - 'War es nicht eigentlich doch nur ein Unfall?' (auch unter dem Titel 'Blind in den Tod', 1979), 'The Twelfth Juror' - 'Der zwölfte Geschworene' (1984), 'Nursery Crimes' - 'Herzchen' (1986), 'Dying to Meet You' - 'Nocturno für eine Hexe' (1988), 'Time amd Time Again' - 'Die Zeit danach' (1989);
Detective Chief Inspector Tom Maybridge-Serie: 'Victims' (auch unter dem Titel 'Suspect') - 'Othellos letzte Probe' (1980), 'Seminar for Murder' - 'Seminar für Mord' (1985), 'The Fifth Rapunzel' (1991).
Als Margaret Blake: 'Stranger at the Door' (1967), 'Bright Sun, Dark Shadow' (1968), 'The Rare and the Lovely' (1969), 'The Elusive Exile' (1971), 'Courier to Danger' (1973), 'Flight from Fear' (1973), 'Apple of Discord' (1975), 'Walk Softly and Beware' (1977).

++ Erstellt: Oktober 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
 


Giovanni, José

(Pseudonym für Joseph Damiani, 1923-2004)

José Giovanni, geboren in Paris als Spross korsischer Eltern (der Vater war ein international bekannter Pokerspieler, während die Mutter das Roulette-Spiel bevorzugte), aufgewachsen dort und in der französischen Bergwelt, in Tours bei Chamonix, wo seine Familie ein kleines Hotel gepachtet hatte, absolvierte das Lycée Janson-de-Sailly in Paris, blieb dann jedoch ohne Berufsabschluss. Er arbeitete zeitweise im elterlichen Betrieb, daneben als Holzfäller und Bergführer, und war aktives Mitglied der Résistence, bis er kurz vor Kriegsende inhaftiert wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Giovanni nach Paris zurück und geriet unter dem Einfluss seines Onkels, seines älteren Bruders und von Gefängnis-Kumpanen schon bald auf die schiefe Bahn. Als bei einem missglückten Einbruch drei Personen ums Leben kamen, wurde er zum Tod verurteilt, auf Betreiben seines Vaters jedoch nach bangen Zeiten begnadigt. Während des gut zehnjährigen Gefängnisaufenthalts begann er zu schreiben. Im Dezember 1956 kam er auf freien Fuss.

Giovanni veröffentlichte 22 Romane (darunter etliche Romanfassungen seiner Drehbücher), 33 Drehbücher und die Erinnerungsbände 'Il avait dans le coeur des jardins introuvables' (1995) und 'Mes grandes gueules' (2002) und setzte sich darüber hinaus als Regisseur für Film ('La rapace', 'Dernier domicile connu', 'La scoumoune', 'Deux hommes dans la ville', 'Le Gitan', 'Le Ruffian') und Fernsehen in Szene.

Höhepunkte seines schriftstellerischen Schaffens sind die atmosphärisch dichten Gangsterballaden 'Der zweite Atem' ('Le deuxième souffle', von Jean-Pierre Melville mit Lino Ventura in der Hauptrolle des Gangsters Gu Minda verfilmt), und 'Das Ende vor Augen' aus der so genannten Gangster-Trilogie sowie der von eigenen Erlebnissen inspirierte Gefängnisausbruch-Roman 'Das Loch'. Den Politthriller 'Wölfe unter sich' verfasste er gemeinsam mit dem bei uns unbekannten Autor Jean Schmitt.

Ehrenkodex und Treue, Rache und Verrat sind die zentralen Themen in Giovannis schlakenlosen, von einer melancholischen Stimmung durchdrungenen Spannungsromanen, deren sich am Rand der Gesellschaft bewegende Hauptpersonen ihr Leben nicht selten unter der Guillotine aushauchen - die Erinnerungen an die Todeszelle, in der er lange Monate verbracht hatte, verfolgten Giovanni ein Leben lang.

'Der zweite Atem' ist Giovannis bester Krimi. Er kreist um drei eindrucksvoll gestaltete Hauptfiguren: Gustave Minda, genannt Gu, ein müder, gealteter, im Milieu trotzdem noch immer hoch angesehener Gangster italienischer Herkunft, ein einsamer Wolf, der nach mehrjähriger Haft aus dem Gefängnis ausbricht und danach, als er sich in Paris nicht mehr zurechtfindet, in Marseille untertaucht, um noch einmal gross abzuräumen; seine alte Freundin und zeitweilige Geliebte Simone Dubreuil, genannt Manouche, eine grossherzige 40-jährige femme fatale mit feuerroten Haaren, die in Paris einen Nachtclub betreibt; und Gu Mindas kluger, mit allen Wassern gewaschener Gegenspieler Kommissar Blot.

José Giovanni, der die Alpen wie seine Westentasche kannte, lebte seit 1969 abgeschieden und zufrieden in dem Walliser Bergdorf Marécotte, in einem Chalet mit dem Namen 'Le deuxième souffle'. Er starb 80-jährig in einem Lausanner Krankenhaus an den Folgen einer Hirnblutung.

Bibliografie:
Gangster-Trilogie: 'Le deuxième souffle' (ursprünglich unter dem Titel 'Le règlement de comptes') - 'Der zweite Atem' (1958), 'Classe tous risques' - 'Das Ende vor Augen' (1958), 'L'excommunié' (auch unter dem Titel 'La scoumoune') - 'Der Gangster-Boss' (1958);
'Le trou' - 'Das Loch' (1957), 'Histoire de fou' (1959), 'Les aventuriers' (1960), 'Le haut-fer' (1962), 'Ho!' (1964), 'Meurtre au sommet' - 'Aufstieg ohne Wiederkehr' (1964), 'Les ruffians' - 'Der Rammbock' (1969), 'Mon ami le traître' (1977), 'Le musher' - 'Wettlauf mit dem Tod' (1978), 'Les loups entre eux' - 'Wölfe unter sich' (gemeinsam mit Jean Schmitt, 1982), 'Un vengeur est passé' (1984), 'Le tueur du dimanche' (1985), 'Tu boufferas ta cocarde' (1987), 'La mort du poisson rouge' (1996), 'Le prince sans étoile' (1998), 'Les chemins fauves' (1999), 'Les gosses d'abord' (2001), 'Comme un vol de vautours' (2003), 'Le pardon du grand Nord' (2004).

++ Erstellt: Februar 2013 ++  


Giovinazzo, Buddy

(*1957)

Buddy Giovinazzo, geboren und aufgewachsen in Staten Island, New York City, als Spross einer italienischen Einwandererfamilie, studierte Kino an der City University of New York und arbeitete danach lange Jahre als Filmdozent an der School of Visual Arts in Manhattan und an der City University of New York. Daneben verfasste er Drehbücher und drehte Independent-Filme, Musik-Videos, einen Dokumentarstreifen und Beiträge zu den deutschen Fernsehserien 'Polizeiruf 110' und 'Tatort'. Mitte der 90er-Jahre begann er mit der Schriftstellerei. Sein Werk enthält den Erzählband 'Cracktown' (1995) und vier harte Kriminalromane. Verheiratet mit Gesine Giovinazzo Todt, pendelt er zwischen Los Angeles und Berlin.

'Broken Street' erzählt die Geschichte des namenlosen Ich-Erzählers, eines in den dreckigen New Yorker Gettos herumhängenden jugendlichen Aussenseiters (Mutter tot, Vater dem Alkohol verfallen) - von seiner kurzen, hoffnungsloser Laufbahn, die ihn vom kleinkriminellen Drogenkonsumenten zum Kokain-Dealer führt und die in einen brutal geführten Bandenkrieg ausufert, bei dem die Cops nur Statisten sind.

'Potsdamer Platz', eine unerhört schnelle und blutrünstige Geschichte aus dem Berlin Mitte (ehemals Ostberlin) von 1995, dreht sich um die amerikanischen Mafiakiller Tony, dem Ich-Erzähler, und Hardy, einem pädophilen Psychopathen, die von ihrem Boss Riccardo Montefiore von New Jersey an die berühmteste Baustelle der 90er Jahre, den Potsdamer Platz, entsandt werden, um dem türkischen Bauunternehmer Yossario im rabiaten Krieg gegen die Konkurrenz mit amerikanischer Härte beizustehen, beziehungsweise selbst abzusahnen; eine Konkurrenz, die alte Stasi-Mitarbeiter und knallharte Russen im Rücken weiss. Doch Tony, dessen trostlose Jugendzeit in kurzen Rückblenden aufleuchtet, wird zu seinem eigenen Erstaunen von menschlichen Regungen heimgesucht, verliebt sich zwischen zwei Massakern in eine Berliner Studentin, versucht auszusteigen.

Bibliografie:
'Poetry and Purgatory' - 'Poesie der Hölle' (1996), 'On Broken Street' - 'Broken Street' (1998), 'Potsdamer Platz' - 'Potsdamer Platz' (2002; im Original bisher nicht erschienen), 'Caution to the Winds' - 'Piss in den Wind' (2011; im Original bisher nicht erschienen).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
 


Godey, John

(Pseudonym für Morton Freedgood, 1912-2006; schrieb auch als Stanley Morton)

Morton Freedgood kam in Brooklyn zur Welt. Er studierte am City College of New York und an der New York University und diente im Zweiten Weltkrieg. Daraufhin arbeitete er einige Jahre als Berater für 'United Artists', '20th Century Fox', 'Paramounts' und andere Filmgesellschaften, bis er das Schreiben zu seinem Hauptberuf machte. Unter dem Pseudonym John Godey (nach 'Godey's Ladies Book', dem Titel einer Frauenzeitschrift aus dem 19. Jahrhundert) verfasste er von 1947 bis 1984 vierzehn Kriminalromane sowie eine Vielzahl von Kurzgeschichten und Artikeln für Magazine wie 'Cosmopolitan', 'Collier's' und 'Esquire'. 1974 kam seine Autobiografie 'The Crime of the Century and Other Misdemeanors' heraus. Freedgood war mit der Künstlerin Lillian verheiratet und hatte eine Tochter, Laura. Er starb 93-jährig in seinem Haus in West New York, New Jersey.

Godeys bekanntestes (dreimal verfilmtes) Prosawerk ist der satirische, mit schnellen Schnitten und zahlreichen Perspektivenwechseln erzählte Thriller 'Abfahrt Pelham 1 Uhr 23', in dem vier Schmalspurgangster - der Ex-Söldner Ryder, der ehemalige U-Bahnfahrer Longman, Joe Welcome (eigentlich Giuseppe Benvenuto), ein früherer Mafia-Schläger, und der einfältige Muskelmann Steever - mitten in New York City eine U-Bahn entführen. Sie nehmen die 16 Passagiere und den Fahrer als Geiseln, fordern eine Million Dollar und drohen, den ersten Fahrgast zu töten, wenn sie das Geld nicht innert einer Stunde erhalten. In wichtigen Nebenrollen: Detective Chief Inspector Daniels vom NYPD, Fahrdienstleiter Frank Correll, Leutnant Clive Prescott von der Bahnpolizei, der junge Undercover-Cop Tom Berry, der sich zufällig unter den Geiseln befindet, und der New Yorker Bürgermeister, der die Gangster mit vagen Versprechen abspeist, während die Polizei augenscheinlich nicht viel von Verhandlungen hält.

Zwei Romane kreisen um den New Yorker Fernsehschauspieler Jack Albany. Im ersten Band 'The Reluctant Assassin' (die deutsche Übersetzung ist mit dem Titel 'Lieber feig als kalt im Sarg' verunstaltet), einer recht witzigen Verballhornung des Genres des Gangsterromans, wird Albany mit dem berüchtigten Auftragskiller Ace Williams aus San Francisco verwechselt: Er soll für den Gangsterboss und Hobbymaler Joe Smooth zwei Cops umlegen, während dieser seinen 10 Millionen-Coup, die Entführung des Bürgermeisters, durchzieht. Als wenig später der echte Ace in New York auftaucht, hängt Albanys Leben an einem seidenen Faden - seine schauspielerisches Fähigkeiten sind jetzt gefragt wie nie zuvor.

Unter seinem angestammten Namen veröffentlichte Freedgood 1957 den nicht dem Krimigenre zugehörenden Roman 'The Wall-to-Wall-Trap', zehn Jahre zuvor, gemeinsam mit seinem Bruder Stanley und gezeichnet mit Stanley Morton, den Abenteuerroman 'Yankee Trader'.

Bibliografie:
'The Gun and Mr. Smith' (1947), 'The Blue Hour' (auch unter den Titel 'Killer at His Back' und 'The Next to Die') - 'Die blaue Stunde' (1948), 'The Man in Question' (auch unter dem Titel 'The Blonde Betrayer', 1951), 'This Year's Death' - 'Der Tod des Jahres' (1953), 'The Clay Assassin' (1959), 'The Fifth House' (1960), 'The Three Worlds of Johnny Handsome' - 'Die drei Geschichten des Johnny Handsome' (1972), 'The Taking of Pelham One Two Three' - 'Abfahrt Pelham 1 Uhr 23' (1973), 'The Talisman' (1976), 'The Snake' - 'Der tödliche Biss' (1978), 'Nella' (1981), 'Fatal Beauty' (1984);
Jack Albany-Romane: 'The Reluctant Assassin' (auch unter dem Titel 'A Thrill a Minute with Jack Albany') - 'Lieber feig als kalt im Sarg' (1966), 'Never Put Off Till Tomorrow What You Can Kill Today' (1970)

++ Erstellt: November 2012 ++  


Goines, Donald

(1937-1974; schrieb auch als Al C. Clark)

Das Leben des Afroamerikaners Donald Goines war kurz und dreckig: Geboren am 15. Dezember 1937 in Detroit, Michigan, als Spross einer hart arbeitenden Mittelklasse-Familie, die dort ein kleines Kleiderreinigungsunternehmen besass, aufgewachsen als Bruder einer älteren und einer jüngeren Schwester, besuchte Donald Goines eine katholische Grundschule. Im Alter von knapp fünfzehn trat er mit gefälschten Papieren der US Air Force bei. Er nahm in Japan am Koreakrieg teil und kehrte mit achtzehn als Heroin-Junkie nach Detroit zurück. In den folgenden 15 Jahren arbeitete er als Fabrikarbeiter, Lastwagenfahrer, Zuhälter, Buchmacher und Falschspieler, Delikte wie Diebstahl, Schwarzbrennerei und bewaffneter Raubüberfall führten jedoch immer wieder zu Aufenthalten im Jackson State Prison und anderen Gefängnissen. Er verbrachte insgesamt 6.5 Jahre im Knast – und dort begann er Ende der 60er-Jahre zu schreiben. Nach seiner letzten Haftstrafe verbrachte er zwei Jahre in Los Angeles, bis ihn das Heimweh wieder nach Detroit trieb. Am 21. Oktober 1974 wurden er und seine Frau Shirley aus unklaren Gründen in ihrer Wohnung in Detroit erschossen – man sprach von einem missglückten Drogendeal. Goines hinterliess offenbar mehrere Kinder von verschiedenen Müttern, darunter eine Tochter von Shirley.

Obwohl Goines zeitlebens nie vom Heroin wegkam, war er ein recht disziplinierter und vor allem extrem flinker Autor. Beeinflusst durch das Werk von Iceberg Slim, dem er Anfang der 70er-Jahre während seines Aufenthalts in Los Angeles begegnet war, verfasste er in seinen letzten fünf Lebensjahren nicht weniger als 16 Bücher - autobiografisch geprägte, in einer rohen, ungeschliffenen Sprache erzählte, in den schwarzen Slums von Detroit, Los Angeles oder New York angesiedelte Romane um soziale Aussenseiter jeder Couleur. 'Daddy Cool' mit dem Killer Larry Jackson alias "Daddy Cool“ als Hauptfigur ist sein berühmtestes Werk.

Den rabiaten, wuchtigen, kurz nach Ende der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung spielenden Fünfteiler um Kenyatta zeichnete Goines mit dem Pseudonym Al C. Clark, dem Namen eines Freundes. Kenyatta, genannt Ken (Vorbild ist der afrikanische Freiheitskämpfer Jomo Kenyatta, der "Vater von Kenya“), ist der Führer einer militanten schwarzen Organisation in Detroit, die sich zum Ziel gesetzt hat, die amerikanischen Gettos von Drogen und Prostitution zu säubern und alle rassistischen weissen Polizisten aus dem Verkehr zu ziehen. Kenyattas härteste Gegner sind die integren, eng miteinander befreundeten Cops Ryan (weiss) und Benson (schwarz) von der Detroiter Mordkommission. Zu Beginn des vierten Bandes 'Kenyattas Flucht‘ fliegt Kenyattas Club im Norden Detroits auf, die Polizei rückt mit Panzern gegen Kenyattas Trainingsfarm vor und richtet ein Massaker an. Mit seiner mordlustigen Frau Betty und seinen treuesten Anhängern, alle bis an die Zähne bewaffnet, begibt sich der “Gettofürst“ auf die Flucht. Er kapert ein Flugzeug, doch an Bord kommt es zu einer Schiesserei, und die Bande muss in der Nähe von Las Vegas notlanden. Am Ende der wilden Geschichte sind fast alle Mitglieder der Organisation tot oder im Knast – doch Kenyatta und Betty können untertauchen und dann eine neue, noch besser trainierte und noch gefährlichere Truppe aufbauen, diesmal in Los Angeles, und sind schon bald wieder im Geschäft; allerdings nur für kurze Zeit, denn im nachfolgenden (besten, vielschichtigsten) Roman 'Kenyattas letzter Hit‘ legt sich Kenyatta mit der mächtigsten Drogenorganisation der Vereinigten Staaten an - und beisst ins Gras.

Mit über 5 Millionen verkauften Büchern war Donald Goines (der Begründer des "Ghetto Realism“) ein kommerziell erfolgreicher, wenn auch von der Kritik verschmähter Schriftsteller, der in den 80er- und 90er-Jahren bei afroamerikanischen Hiphoppern und Rappern ein Revival erlebte und bis heute der meist gelesene Romancier in amerikanischen Gefängnissen sein soll. Es gibt mehrere Goines-Biografien, z.B. 'Donald Writes No More‘ (Eddie Stone, 1974) und 'Low Road: The Life and Legend of Donald Goines‘ (Eddie B. Allen Jr., 2004).

Bibliografie: br>'Dopefield‘ - 'Bestie Heroin' (1971), 'Whoreson‘ (1972), 'Black Gangsters‘ (1972), 'Black Girl Lost‘ (1972), 'Street Players‘ (1973), 'White Man’s Justice, Black Man’s Grief‘ (1973), 'Daddy Cool‘ (1974), 'Eldorado Red‘ (1974), 'Never Die Alone‘ (1974), 'Swamp Man‘ (1974), 'Inner City Hoodlum‘ (1975).
Als Al C. Clark: Kenyatta-Serie: 'Crime Partners‘ - 'Kenyatta schlägt zu' (1974), 'Death List‘ - 'Kenyattas Todesliste' (1974), 'Cry Revenge!‘ (1974), 'Kenyatta‘ Escape‘ - 'Kenyattas Flucht' (1974), 'Kenyatta’s Last Hit‘ - 'Kenyattas letzter Hit' (1975).

++ Erstellt: November 2011 ++  


Goldman, William

(*1931; schreibt auch als Harry Longbaugh und Simon Morgenstern)

Geboren und aufgewachsen in Highland Park bei Chicago als Spross einer jüdischen Familie, studierte William Goldman am Oberlin College, Ohio, und dann an der Columbia University, New York, mit einem Masters-Abschluss 1956. Er hatte bereits fünf Romane und (gemeinsam mit seinem älteren Bruder, dem Bühnen- und Drehbuchautor James Goldman) drei Broadwaystücke verfasst, als ihm Ende der 60er-Jahre der grosse Durchbruch als Drehbuchautor ('Butch Cassidy and the Sundance Kid', 'All the Presidents Man', 'Absolute Power' usw.) gelang.

Goldmans weitaus bekanntester Krimi ist (nicht zuletzt aufgrund der Verfilmung, zu der er auch das Drehbuch beisteuerte) 'Der Marathon-Mann' - die Szene, in der ein alter Nazi dem Langstreckenläufer "Babe" ein Loch in den Zahn bohrt, bleibt fest im Gedächtnis haften.

Neben seinen Drehbüchern und vier Krimis schrieb Goldman ein Kinderbuch, Essays, Sachbücher, Hollywood-Memoiren ('Adventures in the Screen Trade', 1983), Sciencefiction-, Fantasy- und andere Romane, teilweise unter den Pseudonymen Simon Morgenstern und Harry Longbaugh (dem angestammten Namen des legendären Sundance Kid). Er lebt in Manhattan und hat zwei Töchter aus seiner 1991 nach dreissig Jahren geschiedenen Ehe mit Ilene Jones.

'Der Marathonmann', ein temporeicher Thriller mit überraschenden Wendungen, erzählt die Geschichte des Historikers Thomas Babington "Babe" Levy, der in New York an seiner Doktorarbeit arbeitet und jeden Tag für seinen Traum, einen Sieg in einem Marathonlauf, trainiert. Unter tragischen Umständen verwaist, vergöttert er seinen zehn Jahre älteren Bruder Henry, den er "Doc" nennt und von dem er glaubt, er sei im Öl-Business reich geworden. Doch dann wird Doc von einem kahlen, stiernackigen Mann mit dem Messer aufgeschlitzt - und verblutet kurz danach in Babes Armen.
Der Täter ist ein hochintelligenter und brandgefährlicher Nazi-Zahnarzt namens Szell, der in Auschwitz als Mengeles Protegé jüdische Gefangene um ihre Diamanten brachte, nach dem Krieg in Lateinamerika untertauchte, die Diamanten jedoch in einem New Yorker Schliessfach zurückliess und jetzt in die USA zurückkehrt ist, um seine Beute in Bargeld umzuwandeln. Und Szell vermutet, dass der sterbende Doc seinen Bruder noch über die Bedeutung der Diamanten aufklären konnte, denn Doc war nicht Geschäftsmann, sondern, unter dem Decknamen Scylla, Mitglied einer amerikanischen Geheimorganisation, der "Division", die für Szell Kurierdienste leistete und dafür mit Informationen über den Verbleib gesuchter Nazi-Schergen entschädigt wurde. Babe wird in die Enge getrieben und gefoltert (Zahnarztszene!), weiss nicht mehr, wem er trauen kann - und entwickelt ungeahnte Lauf- und Kampfkräfte.

Zwölf Jahre später überraschte Goldman seine Leser mit 'Die Brüder', einer Art Fortsetzung seines Erfolgsromans (die beiden Bücher haben jedoch nur wenig miteinander zu tun) - und Scylla weilt wieder unter den Lebenden: Er konnte nach der Messerattacke des Nazis in letzter Sekunde gerettet werden, und die Chirurgen formten ihn zu einem perfekten Instrument der Geheimdienste: Sie entfernten seine Fingerkuppen, veränderten seine Stimmbänder und verpasstem ihm ein neues Gesicht. Danach versteckte ihn die "Division" jahrelang auf einer einsamen Insel - doch jetzt wird er reaktiviert, um den Dritten Weltkrieg zu verhindern. Babe Levy, inzwischen glücklich mit der schönen und hoch begabten Forscherin Melissa verheirateter Geschichtsprofessor an der Columbia University, ist diesmal nur in einer peripheren Rolle involviert.
'Die Brüder' ist ein geschickt gebauter, aus vielen Perspektiven erzählter und an gewalttätigen Szenen reicher Krimi, in dem eine Gruppe von fanatischen Geheimagenten und Wissenschaftlern eine neue, von Grossbritannien beherrschte Weltordnung anstrebt - ein doch eher wirklichkeitsfernes Szenario (oder nimmt Goldman das Genre des Superagententhrillers auf die Schippe?). Eine schockierende Pointe beschliesst den Roman.

Bibliografie:
'No Way to Treat a Lady' - 'So behandelt man keine Dame' (1964), 'Heat' (auch unter dem Titel 'Edged Weapons') - 'Fieber' (1985);
Babe & Doc-Romane: 'Marathon Man' - 'Der Marathon-Mann' (1974), 'Brothers' - 'Die Brüder' (1986).

++ Erstellt: März 2011 ++


Goodis, David

(1917-1967)

David Goodis wurde als Sohn jüdischer Eltern in Philadelphia, Pennsylvania, geboren. Er hatte zwei jüngere Brüder, von denen einer mit drei Jahren an einer Hirnhautentzündung starb. Nach dem Abschluss an der Simon Gratz High School und einem Abstecher an die University of Indiana in Bloomington studierte er bis 1938 Journalismus an der Temple University in Philadelphia. Es folgte eine kurze Zeit als Texter in einer Werbeagentur.

1939 ging Goodis nach New York City und verfasste in den folgenden drei Jahren unter mehreren Pseudonymen Radioserien (unter anderem 'Hop Harrigan' und 'Superman'), Hörspiele und vor allem unzählige Detektiv-, Horror-, Western- und Kriegsgeschichten für die einschlägigen Pulp-Magazine, aber auch seinen ersten Roman 'Retreat from Oblivion' (kein Krimi). 1942 bezog er Wohnsitz in Los Angeles und heiratete im Oktober 1943 die gleichaltrige, ebenfalls aus Philadelphia kommende Möchtegern-Schauspielerin Elaine Astor, doch die (geheim gehaltene) Ehe hielt nicht lange: Elaine verliess Goodis nach knapp einem Jahr, die Scheidung folgte im Januar 1946 - die gescheiterte Beziehung zu Elaine sollte Goodis' Frauenbild für den Rest seines Lebens prägen.

Nach der Trennung von Elaine erlebte Goodis eine wüste, nicht sehr erfolgreiche Zeit in Hollywood. Er besass zwar einen gut dotierten 6-Jahres-Vertrag mit Warner Brothers, schrieb eine Handvoll Drehbücher, und auch seine nebenher betriebene Schriftstellerei kam nicht zu kurz; nachts aber trieb er sich vornehmlich auf der Strasse und in den übelsten Kneipen und Nachtklubs herum und wurde immer wieder in Schlägereien verwickelt. Für ein paar Dollar Monatsmiete schlief er auf dem Sofa seines Freundes, des Anwalts Allen Norkin, dessen alte Kleider er trug und blau färbte, wenn sie verblichen waren (Goodis' Geiz war legendär).

1950 kehrte Goodis ins Elternhaus zurück, um seinen geistig kranken Bruder Herbert zu betreuen, seine Eltern finanziell zu unterstützen und seiner Tätigkeit als Krimiautor neuen Schwung zu verleihen - und auch hier, in Philadelphia, suchte er immer wieder die gefährlichsten Gegenden und Lokale auf.

Der Tod seiner Eltern (der Vater starb 1963, die Mutter 1966), aber auch ein langwieriger Rechtsstreit mit zwei TV-Stationen (es ging um die erfolgreiche Fernsehserie 'The Fugitive', die laut Goodis auf seinem ersten Krimi 'Dark Passage' basierte) schlug ihm dermassen aufs Gemüt, dass er sich in eine psychiatrische Klinik einweisen liess. Wenig später, mit knapp fünfzig, starb er im Albert Einstein Medical Center an den Folgen eines Hirnschlags, der vermutlich durch Faustschläge ausgelöst worden war. 1984 publizierte der Franzose Philippe Garnier Goodis' Biografie 'Goodis: La Vie en Noir et Blanc'. (Wie andere amerikanische Noir-Autoren - zu nennen sind Chester Himes und Jim Thompson - erhielt auch Goodis in Frankreich mehr Anerkennung als in seiner Heimat.)

David Goodis, "The Poet of the Losers", dem das Schreiben die Psychotherapie ersetzte, gehört zu den Säulenheiligen des Schwarzen Romans. Von 1946 bis 1967 veröffentlichte er siebzehn schmutzige und düstere Geschichten über gebrochene Menschen, die zumeist den unteren Schichten entstammen und deren Schicksal oft bereits besiegelt ist, bevor der letzte Kampf beginnt; über Menschen auf der Flucht, die fast immer mit dem Tod endet. Schauplatz von 'Dark Passage' ist San Francisco, alle anderen Krimis sind in Philadelphia angesiedelt. Elf seiner Werke wurden verfilmt.

'Messer im Blick' ist eine faszinierende Mischung aus Roman noir und psychologischer Studie. Im Mittelpunkt steht eine selbstsüchtige und hinterhältige, ihre Mitmenschen manipulierende und ins Verderben reissende Frau namens Clara - die Inkarnation des Bösen. Der Bankangestellt George Ervin, Vater einer 19-jährigen Tochter, seit dem frühen Tod seiner lieben Frau ein vereinsamter, grüblerischer Mann ohne Selbstwertgefühl, lernt die üppig gebaute Clara kennen, als sie in einem Drugstore als Kassiererin arbeitet, und heiratet sie nach kurzer Zeit - sein Leben wird zur Hölle.

'Am Ende der Nacht' dreht sich um Nat Harbin, der, frisch verliebt in eine schöne, reiche Frau, am liebsten seine Arbeit als Berufseinbrecher quittieren würde. Doch dann erschiessen Harbins Kumpel Baylock und Dohmer nach einem grossen Coup drei Polizisten, geben dabei den Löffel ab - und Harbin kann sich der Verantwortung für die 20-jährige Kindfrau Ghadden, das vierte Mitglied der Bande, nicht entziehen; denn Ghadden ist die Tochter von Gerald, der vor vielen Jahren Harbins Lehrmeister war, bis er bei einem Einbruch erschossen wurde.

'Der Mond in der Gosse' - weniger ein Krimi als eine unsäglich traurige Erzählung über die Überlebens- und Geschlechterkämpfe sozialer Aussenseiter in den Slums einer Grossstadt - sieht den impulsiven 35-jährigen Dockarbeiter Bill Kerrigen im Mittelpunkt. Vor sieben Monaten wurde seine sanftmütige Schwester Catherine vergewaltigt, worauf sie sich mit einer rostigen Klinge den Hals aufschnitt und auf der Strasse verblutete. Etwas ziellos macht er sich auf die Suche nach dem Täter - hat Bills jüngerer Bruder Frank, der sich in der Gosse langsam zu Tode säuft, seine kleine Schwester auf dem Gewissen? Die Geschichte spielt sich fast ausschliesslich an drei Orten ab: In der schäbigen, von hoffnungslosen Säufern und abgewrackten Weibern frequentierten Kneipe Dugans Den, dem heruntergekommen Haus der Kerrigens, in dem auch Bills fauler Vater Tom und die heissblütigen Frauen Lola, Toms Liebhaberin, und Lolas Tochter Bella, die auf Bill scharf ist, wohnen - und auf der Vernon Street, der Strasse der Verlorenen, auf der Catherine ihrem Leben ein Ende gesetzt hat.

In 'Schiessen Sie auf den Pianisten' erzählt Goodis die Geschichte des einst erfolgreichen Konzertpianisten Eddie. Eddie verdient sich seinen Lebensunterhalt nunmehr als Klimperer in einem schäbigen Bierschuppen. Er möchte seine Vergangenheit vergessen und mit seinen beiden kriminellen Brüdern möglichst wenig zu tun haben. Doch eines Tages taucht sein von Verbrechern gejagter und verwundeter Bruder Turley in der Kneipe auf, bittet Eddie um Hilfe, und Eddie gerät in Not.

Goodis' Spätwerk 'Wenn die Nacht vergeht' handelt von dem kleinen Ex-Polizisten Corey Bradford, der seine Dienstmarke abgeben musste, weil er sein Gehalt mit Schutzgeldern aufgebessert hatte. Seitdem hängt er in den Strassen und Kneipen von Philadelphia herum und schüttet Gin in seinen Schlund - bis er eher zufällig in ein äusserst gefährliches Abenteuer schlittert: Als er eines Nachts dem Gangsterboss Grogan aus der Klemme hilft, zeigt sich dieser erkenntlich und heuert ihn als Ermittler an. Kurz darauf tauchen auch Bradfords ehemalige Polizeikollegen wieder auf, um ihn für einen Undercover-Job zu reaktivieren. Corey Bradford, ein abgebrühter, längst aller Illusionen beraubter Verlierertyp, nimmt die Herausforderung an - und überlebt.

Bibliografie:
'Dark Passage' - 'Die schwarze Natter' (auch unter dem Titel 'Dark Passage. Die schwarze Natter', 1946), 'Nightfall' (auch unter den Titeln 'Convicted' und 'The Dark Case') - 'Die Nacht bricht an' (auch unter dem Titel 'Nightfall. Die Nacht bricht an', 1947), 'Behold this Woman' - 'Messer im Blick' (1947), 'Of Missing Persons' - 'Die Täuschung' (1950), 'Cassidy's Girl' - 'Cassidys Mädchen' (1951), 'Of Tender Sin' (1952), 'Street of the Lost' - 'Strasse der Barbaren' (1952), 'The Burglar' - 'Am Ende der Nacht' (1953), 'The Moon in the Gutter' - 'Der Mond in der Gosse' (1953), 'Black Friday' - 'Begräbnis auf besonderen Wunsch' (auch unter dem Titel 'Schwarzer Freitag', 1954), 'Street of no Return' - 'Strasse ohne Wiederkehr' (1954), 'The Blonde on the Street Corner' (1954), 'The Wounded and the Slain' (1955), 'Down There' (auch unter dem Titel 'Shoot the Piano Player') - 'Schiessen Sie auf den Pianisten' (auch unter dem Titel 'Schüsse auf den Pianisten', 1956), 'Fire in the Flesh' - 'Feuer in der Nacht' (1957), 'Night Squad' - 'Wenn die Nacht vergeht' (1961), 'Somebody's Done For' (1967).

++ Erstellt: Dezember 2010 ++  


Gores, Joe

(Kürzel für Joseph Nicholas Gores, 1931-2011)

Geboren in Rochester, Minnesota, studierte Joe Gores bis 1951 Englische Literatur an der University of Notre Dame in South Bend, Indiana. Nach der Militärdienstzeit machte er 1961 einen Magister im selben Fach an der Stanford University. Danach arbeitete er unter anderem als Lastwagenfahrer, Fitnesstrainer, auf dem Rummelplatz, als Englischlehrer in Kenia und zuletzt zwölf Jahre als Privatdetektiv und Repo-Mann für zwei Agenturen in San Francisco. In seiner Freizeit schrieb er Kurzgeschichten, die er jedoch geraume Zeit nicht an die Pulp-Magazine verkaufen konnte, und Biografien von Pentagon-Generalen. 1967 quittierte er den Detektivjob, um sich dem Krimi zuzuwenden. Später, zwischen 1978 und 1986, verfasste er fast ausschliesslich Drehbücher für das Fernsehen ('Columbo', 'B. L. Stryker, 'Kojak', 'Magnum P.I.', 'Mike Hammer' und 'Remington Steele'), vereinzelt auch für das Kino.

Joe Gores, ein enger Freund des 2008 verstorbenen Krimiautors Donald Westlake, lebte mit seiner zweiten Frau Dori Corfitzen, die er 1976 geheiratet hatte, in San Anselmo in der San Francisco Bay Area. Am 10. Januar 2011, exakt fünfzig Jahre nach seinem grossen Vorbild Dashiell Hammett, mit dem er zwei Berufe (Privatdetektiv und Autor) teilte und dem er den grossartigen Krimi 'Hammett' widmete, starb Gores 79-jährig im Marin General Hospital in Greenbrace. Neben seiner Frau Dori hinterliess er einen Stiefsohn und eine Stieftochter.

Gores' Krimi '32 Cadillacs' gehört zur zwölf Kurzgeschichten und sechs Romane umfassenden Serie um die berüchtigten Repoleute der Dan Kearney Associates (DKA) aus San Francisco. (Repoleute beschlagnahmen Fahrzeuge, Stereoanlagen usw., wenn deren Besitzer mit den Raten in Verzug geraten sind.) Kearneys schräge Truppe - den harten Kern bilden (neben dem verheirateten Familienvater Kearney) Patrick Michael O'Bannon, genannt O.B., ein gerissener Ire, der seit 25 Jahren im Geschäft ist, die junge Schönheit Giselle Marc, die Büroleiterin, die sich auch im Aussendienst wacker schlägt, und die Youngsters Larry Ballard, ein Muskelprotz mit einem brauenen Gürtel in Karate, und Bart Heslip, ein schwarzer Ex-Boxer - versucht hier mit allen Mitteln, nicht weniger als 32 von einem gewieften Roma-Clan ergaunerte Luxus-Cadillacs zurückzuholen, doch die Roma-Leute sind fast ebenso clever, durchtrieben, kreativ und intrigierfreudig wie die Jungs und Mädels der DKA. '32 Cadillacs' ist ein überaus frecher und komischer Roman, aber auch eine Hommage an die "echte" DKA - die (nicht mehr existierenden) David Kikkert & Associates, für die Gores einst ins Feld zog. Alle Geschichten der DKA-Serie beruhen auf Fällen, mit denen sich der Autor in dieser Zeit auseinandergesetzt hat.

Das 1975 erschienene Einzelwerk 'Hammett', eine raffinierte Mischung aus Noir-Roman und Biografie, angereichert mit zahlreichen Anspielungen auf Dashiell Hammetts Romanwerk, spielt im San Francisco des Jahres 1928, während der Prohibition, als organisierte Kriminalität die Stadt beherrscht. Der ehemalige Pinkerton-Detektiv Hammett arbeitet - getrennt von Frau und Kindern - an seinen legendären Kriminalromanen, als sein Freund und ehemaliger Arbeitskollege Vic Atkinson, der einem Korruptionsfall bei der Polizei auf der Spur ist, brutal ermordet wird. Dash Hammett, trickreich und hart gesotten, stellt Schreibmaschine und Schnapsflasche in die Ecke und begibt sich auf seinen Rachefeldzug.

Auch Gores' letzter Krimi 'Spade & Archer' aus dem Jahr 2009 nimmt Bezug auf Dashiell Hammett: er ist der Vorläufer von Hammetts 'Der Malteser Falke' und dreht sich um den Privatdetektiv Sam Spade, seinen (zu Beginn von 'Der Malteser Falke' ermordeten) Partner Miles Archer und dessen Frau Iva, und auch die Cops Dundy und Polhaus und Spades Anwalt Sid Wise sind zu Gast.

Bibliografie:
'A Time of Predators' - 'Die Leichenmacher' (auch unter dem Titel 'Der Killer in dir', 1969), 'Interface' - 'Interface' (auch unter dem Titel 'Der Stoff, aus dem die Morde sind', 1974), 'Hammett' - 'Dashiell Hammetts letzter Fall' (auch unter dem Titel 'Hammett', 1975), 'Come Morning' - 'Runyan's Coup' (1986), 'Wolf Time' - 'Die Rache des Jägers' (1989), 'Dead Man' - 'Der Mann aus dem Totenreich' (1993), 'Menaced Assassin' (1994), 'Cases' (1998), 'Glass Tiger' (2006), 'Spade & Archer' (2009);
DKA-Serie: 'Dead Skip' - 'Zur Kasse, Mörder!' (1972), 'Final Notice' - 'Überfällig' (auch unter dem Titel 'Zahltag ist um sechs', 1974), 'Gone ,No Forwarding' - 'Unbekannt verzogen' (1978), '32 Cadillacs' - '32 Cadillacs' (1992), 'Contract Null and Void' (1996), 'Stakeout on Page Street' (Short Stories, 2000), 'Cons, Scams, and Grifts' (2001).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Januar 2011 ++
++ Update: Juni 2012 ++
 


Gorman, Ed

(1941-2016; schrieb auch als E.J. Gorman, Daniel Ransom, Robert David Chase und Richard Driscoll)

Ed Gorman verbrachte den weitaus grössten Teil seines Lebens in seiner Geburtsstadt Cedar Rapids, Iowa, mit Zwischenstops in Des Moines, Iowa, und Minneapolis, Minnesota. Er war zweimal verheiratet, zuerst sieben Jahre mit Cathleen Stevens, dann 34 Jahre bis zu seinem Tod mit der Kinderbuchautorin Carol Gorman Johnson, geborene Maxwell. Nach 23 Jahren bei einer Werbeagentur erfüllte er sich seinen Traum und wurde Schriftsteller. Sein Werk besteht aus Krimis, Western-, Abenteuer- und Horrorromanen, Comics, ungezählten Kurzgeschichten und Kritiken. Überdies war er Herausgeber von Erzählbänden und Mitbegründer des Magazins 'Mystery Scene'. Kurz vor seinem 75. Geburtstag erlag er in Cedar Hills einer langwierigen Krebserkrankung. Er hinterliess seine zweite Frau, seinen Sohn Joseph und seinen Stiefsohn Ben Johnson.

Gormans Serienhelden sind zumeist soziale Aussenseiter aus dem Mittleren Westen. Sam McCain führt als junger Anwalt im Iowa der 50er- und 60er-Jahre Ermittlungen für die reiche, exzentrische Richterin Esme Anne Whitney durch. Dev Conrad schlägt sich als Politberater in Chicago durch, Tobin als Filmkritiker und Hobbydetektiv in New York City. Der Ex-Cop Jack Dwyer arbeitet als Gelegenheitsschauspieler und Security-Mann in einer Kleinstadt in Iowa, Robert Payne als Profiler im selben Bundesstaat.

Ed Gorman erhielt von allen Seiten Lob für seine unaufgeregte, schwungvolle Erzählweise, seinen trockenen Humor und seine aus dem Leben gegriffenen Figuren, wurde hingegen für seine bisweilen etwas gesuchte Handlungsführung kritisiert.

Auf Deutsch ist einzig der erste der beiden Tobin-Romane unter dem Titel 'Der zweite Mann' erschienen. Tobin (Vorname unbekannt), ein klein gewachsener, rothaariger Filmkritiker mit überschäumendem Temperament, der bereits viermal verheiratet war, gerät arg in die Bredouille, als sein Berufskollege und Intimfeind Richard Dunphy erstochen wird, unmittelbar nachdem sich die beiden bei einer Talkshow vor laufender Kamera in die Haare geraten sind. Um seine Haut zu retten, begibt sich Tobin gleich selbst auf die Jagd nach dem Mörder - an Verdächtigen herrscht kein Mangel in der von Ehrgeiz, Geldgier, Eifersucht und heimlichen Affären getriebenen Welt des Fernsehens.

Bibliografie (nur Krimis):
Jack Dwyer-Serie: 'Rough Cut' (1985), 'New, Improved Murder' (1985), 'Murder Straight Up' (1986), 'Murder in the Wings' (1986), 'The Autumn Dead' (1987), 'A Cry of Shadows' (1990);
Tobin-Romane: 'Murder on the Aisle' - 'Der zweite Mann' (1987), 'Several Deaths Later' (1988);
Robert Payne-Serie: 'Blood Moon' (auch unter dem Titel 'Blood Red Moon', 1994), 'Hawk Moon' (1995),'‚Harlot's Moon' (1998), 'Voodoo Moon' (2000);
Sam McCain-Serie: 'The Day the Music Died' (1999), 'Will You Still Love Me Tomorrow' (2000), 'Wake Up Little Susie' (2001), 'Save the Last Dance for Me' (2002), 'Everybody's Somebody's Fool' (2004), 'Breaking Up Is Hard To Do' (2004), 'Fools Rush In' (2007), 'Ticket to Ride' (2009), 'Bad Moon Rising' (3022), 'Riders on the Storm' (2014);
Dev Conrad-Serie: 'Sleeping Dogs' (2008), 'Stranglehold' (2010), 'Blindside' (2012), 'Flashpoint' (2013), 'Elimination' (2015).
Einzelwerke: 'Graves' Retreat' (1989), 'The Poker Club' (1990), 'The Night Remembers' (1991), 'Night Kills' (1992), 'Cage of Night' (1992), 'Shadow Games' (1996), 'Daughter of Darkness' (1998), 'The Midnight Room' (2009).
Als A.J. Gorman: 'The Marilyn Tapes' (1995), 'The First Lady' (1996), 'Senatorial Privilege' (1997).

++ Erstellt: Dezember 2016 ++  


Gosling, Paula

(*1939; schreibt auch als Ainslee Skinner)

Paula Gosling, geborene Osius, kam in Detroit zur Welt und besuchte dort die Mackenzie High School und die Wayne State University mit einem Abschluss in Englisch 1962. Sie arbeitete dann zwei Jahre in einer Werbeagentur in ihrer Geburtsstadt, bis sie sich 1964 in England niederliess und dort fünfzehn Jahre als Werbeberaterin tätig war, zuerst fünf Jahre in London, anschliessend in Brighton. Mit ihrem ersten Mann Christopher Gosling hatte sie zwei Töchter, die Ehe zerbrach 1978 nach zehn Jahren. Ein Jahr nach ihrer Scheidung wählte sie ein Leben als freie Schriftstellerin.

Goslings auf drei Serien verteilte Protagonisten sind Matt Gabriel, Sheriff und Hobby-Philosoph aus Blackwater Bay, Michigan (so genannte Blackwater Bay-Serie, fünf Romane); Luke Abbott, Polizist in England (zwei Romane); und Lieutenant Jack Stryker von der Mordkommission der fiktiven Grossstadt Grantham in Michigan, liiert mit der schönen Englischprofessorin Kate Trevorne, der zwischen 1985 und 2002 dreimal als Hauptperson sowie einmal, im ersten Band der Blackwater Bay-Serie, als "Gast" zum Zuge kommt. Gosling hat überdies fünf Einzelwerke, ein paar Drehbücher und - unter dem Pseudonym Ainslee Skinner - den Sciencefiction-Roman 'Mind's Eye' zu Papier gebracht. Seit 2004 hat man nichts mehr von ihr gehört.

In Goslings klaustrophobischem Erstlingsroman 'Töten ist ein einsames Geschäft' gerät das Leben von Clare Randell, Cheftexterin einer Werbeagentur in San Francisco, nach der zufälligen Begegnung mit einem ihr unbekannten Mann jäh aus den Fugen, Anschläge werden auf sie verübt. Lieutenant Mike Malchek, ein von dunklen Kriegserinnerungen geplagter Vietnamveteran und Spezialist für Heckenschützen und gedungene Mörder, nimmt sich des Falles an, und setzt alles daran, den Attentäter, einen international gesuchten, immer mit neuen Masken operierenden Berufskiller, dem er seit Jahren auf den Fersen ist (und den Clare identifizieren könnte), aus der Reserve zu locken, ohne seinen Schützling in Gefahr zu bringen.

'Der Polizistenkiller', der stärkste Titel der Jack Stryker-Trilogie, dreht sich um einen Killer, der in kurzer Zeit - ohne ersichtliches Motiv und ohne Spuren zu hinterlassen - vier in verschiedenen Bezirken Granthams tätigen Polizisten mittels Kopfschuss das Licht ausbläst. Der temperamentvolle Draufgänger Jack Stryker und seine Truppe, bestehend aus dem athletischen, viel Wert auf einen gesunden Lebensstil legenden und regelmässig die Messe besuchenden Sergeant "Tos" Toscarelli, dem besonnenen, über eine grosse Portion Menschenkenntnis verfügenden Familienvater Sergeant Ned Pinsky und dem cleveren und sympathischen, wenn auch etwas grossspurig auftretenden Frauenhelden Detective Harvey Neilson, machen sich auf die schier aussichtslose Jagd nach dem Scharfschützen - in der Hoffnung, nicht das gleiche Schicksal wie ihre Kollegen zu erleiden. Als das nächste Opfer ein FBI-Agent ist, erhalten sie Verstärkung durch die verwirrend schöne Witwe Dana Marchant vom Justizdepartement, eine Workaholic, die sich nach einem Mann wie Stryker sehnt (derweil Kate auf einer Literaturtagung in England weilt und dort von einem attraktiven Autor umgarnt wird). Dann werden auch Stryker und Tos durch Schüsse schwer verletzt - ist der Täter in den Reihen der Polizei zu finden?

Bibliografie:
'A Running Durck' (auch unter den Titeln 'Fair Game' und 'Cobra') - 'Töten ist ein einsames Geschäft' (1978), 'The Zero Trap' - 'Die Falle im Eis' (1979), 'Loser's Blues' (auch unter dem Titel 'Solo Blues') - 'Mord in Concert' (1980), 'The Woman in Red' - 'Die Dame in Rot' (1983), 'Hoodwink' - 'Ein echtes Gaunerstück' (1988), 'Tears of the Dragon' (2004); Jack Stryker-Serie: 'Monkey Puzzle' - 'Tod auf dem Campus' (1985), 'Backlash' - 'Der Polizistenkiller' (1989), 'Ricochet' (2002);
Luke Abbott-Romane: 'The Wychford Murders' - 'Blut auf den Steinen' (1986), 'Death Penalties' - 'Alpträume' (1991);
Blackwater Bay-Serie: 'The Body in Blackwater Bay' - 'Leiche im Paradies' (1992), 'A Few Dying Words' - 'Das Spiel wird ernst' (1993), 'The Dead of Winter' - 'Die Leiche unterm Eis' (1995), 'Death and Shadows' - 'Im Schatten der Toten' (1998), 'Underneath Every Stone' (2000).

++ Erstellt: November 2010 ++  


Gough, Laurence

(*1943)

Laurence Gough wurde in Vancouver, British Columbia, geboren, wo er auch aufwuchs und vier verschiedene High Schools besuchte. Nach abgebrochenem Studium an der Simon Fraser University arbeitete er in so unterschiedlichen Berufen wie Müllmann, Strassenbauarbeiter, Buchhändler und Literaturkritiker. Von 1987 bis 2003 veröffentlichte er dreizehn in seiner Geburtsstadt angesiedelte Polizeiromane - die Jack Willows & Claire Parker-Serie. Darüber hinaus verfasste er den um ein CIA-Komplott im Nahen Osten kreisenden Politthriller 'Sandsturm' sowie rund fünfzig Radiodramen für die kanadische Rundfunkanstalt CBC.

In 'Bewegliche Ziele', dem ersten Band der Jack Willows & Claire Parker-Serie, versetzt ein Sniper Vancouver in Angst und Schrecken. Er trägt schrille Frauenkleider und eine schulterlange, platinblonde Perücke, benutzt "Chinese Red"-Lippenstift und durchlöchert mit seinem Winchester .460 Magnum-Gewehr reihenweise Menschen, die mit einer Ausnahme, dem Cop Dave Atkinson, Mitglied des selben Single-Clubs sind - ein haariger Fall für den routinierten Polizisten Jack Willows und seine neue Partnerin Claire Parker von der Mordkommission. Gough fesselt den Leser in seinem Debütroman mit kernigen Dialogen, geschickter Handlungsführung und einem überraschenden Finale.

Der von seiner Frau Jean getrennt lebende Familienvater Jack Willows und Claire Parker werden im Verlauf der Reihe ein Paar, wohnen zeitweise mit Jacks beiden Kindern Mickey und Laura unter einem Dach, heiraten gegen Ende der Serie und haben schliesslich zusammen einen Sohn.

Gough lebt mit seiner Frau, einer Anwältin, mit der er zwei Kinder hat, in seiner Heimatstadt und schreibt Krimikritiken für die 'Vancouver Sun'. Sein letzter Roman ist 2003 erschienen.

Bibliografie:
Jack Willows & Claire Parker-Serie: 'The Goldfish Bowl' - 'Bewegliche Ziele' (1987), 'Death on a No. 8 Hook' (auch unter dem Titel 'Silent Knives') - 'Die Tote am Haken' (1988), 'Hot Shots' - 'Der goldene Schuss' (1989), 'Serious Crimes' - 'Gefrorener Lotus' (1990), 'Accidental Deaths' - 'Jäger und Gejagte' (1991), 'Fall Down Easy' (1992), 'Killers' (1993), 'Heartbreakers' (1995), 'Memory Lane' (1997), 'Karaoke Rap' (1997), 'Shutterbug' (1998), 'Funny Money' (2000), 'Cloud of Suspects' (2003);
'Sandstorm' - 'Sandsturm' (1990).

++ Erstellt: September 2012 ++  


Goulart, Ron

(Kürzel für Ronald Joseph Goulart, *1933; schreibt auch als Josephine Kains, Howard Lee, Frank S. Shawn, Kenneth Robeson, Con Steffanson, Joseph Silva, Chad Calhoun, R.T. Edwards, Ian R. Jamieson, Jillian Kearny und Zeke Masters)

Ron Goulart wurde als Sohn eines portugiesischen Vaters und einer italienischen Mutter in der kalifornischen Stadt Berkeley geboren. Nach seinem Studium an der dortigen University of California arbeitete er in Werbeagenturen in San Francisco und Los Angeles, nebenbei verfasste er Kurzgeschichten für die Pulps und andere Magazine. 1964 heiratete er die Autorin Fran Sheridan, mit der er zwei Söhne, Sean und Steffan, hatte. Ende der 60er-Jahre liess er sich mit seiner Familie in Weston, Connecticut, nieder, um sich nun ganz dem Schreiben hinzuwenden.

Goularts Werk enthält vornehmlich humoristische Sciencefiction-Geschichten und -Romane und Comics, aber auch zehn Krimis und zahlreiche bedeutende Sachbücher, unter anderem über die Geschichte der Pulp-Magazine ('Cheap Thrills), über Privatdetektive ('The Hardbolied Dicks') und über die grossen Comic-Detektive der 30er-Jahre ('The Adventurous Decade'). Ferner "novellisierte" Goulart Drehbücher, Fernsehserien und Comicstrips. Er lebt mit seiner Frau im ländlichen Städtchen Ridgefield, Connecticut.

John Easy, Privatschnüffler aus Hollywood, ist die Hauptfigur in vier mit leichter Feder verfassten, von schrägen Vögeln bevölkerten Krimis und drei Kurzgeschichten, alle aus den 70er-Jahren. Er ist ein gross gewachsener, breitschultriger, etwas barscher Bursche Anfang dreissig mit einer Vorliebe für teure Sakkos und Rollkragenpullis, der mit seinem schwarzen 67er-VW vermisste Frauen aufspürt. In wichtigen Nebenrollen: Hagopian, ein ausgezeichnet vernetzter armenischer Playboy und TV-Autor, Lieutenant Alvin von der San Ignacio Police - und natürlich die Frauen.

Viel später, von 1998 bis 2005, veröffentlichte Goulart sechs Romane um zwei selbst ernannte Privatdetektive: Den berühmten Komiker Groucho Marx und den frisch verliebten Radioskriptautor und Ex-Polizeireporter Frank "Rollo" Denby, die im ersten Band 'Groucho Marx, Superdetektiv' im Los Angeles des Jahres 1937 dem als Suizid erklärten Tod des Starlets Peg McMorrow, mit dem Groucho einst eine Affäre hatte, auf den Grund gehen. Der Kriminalfall ist indes von untergeordneter Bedeutung - die Geschichte lebt von spritzigen Dialogen, Slapstick, frechen Pointen und Zitaten aus dem Werk der Marx Brothers.

Bibliografie:
John Easy-Serie: 'If Dying Was All' - 'Einsam nur ins letzte Bett' (1971), 'Too Sweet to Die' - 'Zu süss für den Sarg' (1972), 'The Same Lie Twice' - 'Für jeden Kuss zwei Lügen' (1973), 'One Grave Too Many' - 'Da fehlt was am Skelett' (1974).
Groucho Marx & Frank Denby-Serie: 'Groucho Marx, Master Detective' - 'Groucho Marx, Meisterdetektiv' (1998), 'Elementary, My Dear Groucho' (1999), 'Groucho Marx, Private Eye' (1999), 'Groucho Marx and the Broadway Murders' (2001), 'Groucho Marx, Secret Agent' (2002), 'Groucho Marx, King of the Jungle' (2005).

++ Erstellt: September 2012 ++  


Grady, James

(*1949; schreibt auch als James Dalton und Brit Shelby)

Geboren und aufgewachsen in Shelby, Montana, als Sohn eines Kino-Geschäftsführers und einer Buchhändlerin, studierte James Grady Journalistik an der University of Montana in Missoula. 1973 zog er nach Washington, D.C., wo er ein Jahr als Assistent und Berater in Gesetzgebungsfragen für Senator Lee Metcalf arbeitete - es war die Zeit nach Watergate. Anschliessend wurde er freischaffender Journalist, Krimi- und Drehbuchautor.

Bereits mit 25 Jahren gelang Grady ein grosser Wurf: 'Die 6 Tage des Condor', eine gelungene Mixtur aus 'Man-on-the-Run-Story' und Politthriller, vorzüglich verfilmt durch Sydney Pollak ('Three Days of the Condor') mit Robert Redford in der Hauptrolle. Es ist die Geschichte des CIA-Analytikers Ronald Malcolm mit dem Decknamen Condor, der bei der "Amerikanischen Gesellschaft für Literaturgeschichte", einer getarnten CIA-Aussenstelle, Thriller auswertet, um den Geheimdienst mit neuen Tricks zu versorgen. Als eines Tages während seiner Abwesenheit sämtliche Bürokollegen einem Anschlag zum Opfer fallen, taucht Condor unter. Erstmals auf freier Wildbahn, setzt er ungeahnte Kräfte frei und kommt den Drahtziehern eines ungeheuerlichen, bis in höchste Geheimdienstkreise reichenden Drogenschmuggel-Unternehmens immer näher.

Vierzig Jahre später, in 'Die letzten Tage des Condor', kehrt Condor als Romanheld zurück, nachdem er bereits in einigen Erzählungen und am Rand im Roman 'Mad Dogs' aufgetaucht ist. Nach den Geschehnissen im ersten Band zu einem erstklassigen verdeckt arbeitenden CIA-Agenten aufgestiegen, verlor Condor zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufgrund von traumatischen Erlebnissen den Verstand und wurde in ein geheimes Irrenhaus der CIA gesteckt. Jetzt ist er wieder auf freiem Fuss und arbeitet in der Library of Congress in Washington, wird jedoch weiterhin von Agenten des neu gegründeten (fiktiven) Supergeheimdienstes Home Security überwacht. Als er eines Abends in seinem Wohnzimmer einen dieser Agenten ermordet vorfindet, gerät er in grosse Not - es beginnt eine von Misstrauen und Paranoia beherrschte Hetzjagd kreuz und quer durch die amerikanische Hauptstadt. Grady erzählt die düstere Geschichte aus rasch wechselnden Perspektiven, spickt sie mit inneren Monologen, springt atemlos zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her - ein Meisterwerk.

Gradys Spionage-Epos 'Die Spinne im Labyrinth' dreht sich um den legendären Agenten Jud Stuart, einen abgebrühten Spezialisten für dreckige CIA-Aktionen ("Geheimkrieg" in Laos, Chile-Putsch, Iran-Contra-Affäre, Watergate-Skandal usw.), der, von Skrupeln gequält, dem Geheimdienst nach 25 Jahren den Rücken gekehrt hat, in der Folge zum Sicherheitsrisiko wird (er säuft zuviel und weiss zuviel) und deshalb liquidiert werden soll - ein tödliches Spiel nimmt seinen Lauf.

Grady hat ferner vier eher konventionelle Kriminalromane herausgegeben, in denen Detective Sergeant Devlin Rourje aus Baltimore bzw. der Privatdetektiv und Ex-Journalist John Rankin aus Washington, D.C., als Hauptpersonen auftreten.

James Grady lebt mit seiner Frau, der Journalistin, TV-Produzentin und ehemaligen Privatdetektivin Bonnie Goldstein, in einem ruhigen Vorort von Washington. Sie haben eine Tochter, die Filmemacherin Rachel Grady, und einen Sohn, Nathan.

Bibliografie:
Condor-Romane: 'Six Days of the Condor' (auch unter dem Titel 'Three Days of the Condor') - 'Die 6 Tage des Condor' (1974), 'Shadow of the Condor' - 'Der Schatten des Condor' (1975), 'Last Days of the Condor' - 'Die letzten Tage des Condor' (2015);
John Rankin-Romane: 'Runner in the Street' - 'Die Opfer der Macht' (1984), 'Hard Bargains' - 'Washington Blues' (1985);
Devlin Rourke-Romane: 'Razor Game' - 'Messerscharf' (1985), 'Just a Shot Away' - 'So weit die Kugel reicht' (1986);
Einzelwerke: 'Catch the Wind' (1980), 'Steeldown' (1988), 'River of Darkness' - 'Die Spinne im Labyrinth' (1991), 'Thunder' (1994), 'White Flame' (1996), 'Mad Dogs' (2006).
Als Brit Shelby: 'The Great Pebble Affair' (1976).
Als James Dalton: 'City of Shadows' (2000).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
++ Update: Oktober 2015 ++

++ Update: Juni 2016 ++  


Grand, David

(*1967)

David Grand wurde in New York City geboren, wo er auch aufwuchs, und studierte an der New York University mit einem Master-Abschluss in Romanschreiben.

Sein belletristisches Debüt gab er 1998 mit 'Louse', einem aus Briefen, Memos, Aktennotizen und tagebuchartigen Berichten zusammengesetzten Schlüsselroman über den 1976 verstorbenen milliardenschweren Hollywood-Tycoon und Finanzjongleur Howard Hughes (im Buch: Herbert Horatio "Poppy" Blackwell) - der drogensüchtige, rassistische Paranoiker hatte sich Mitte den 60er-Jahre in eine hermetisch abgeriegelte Hotelsuite hoch über Las Vegas zurückgezogen, die er bis zu seinem Tod nicht mehr verlassen sollte. Erzählt wird die beklemmende Geschichte aus der Sicht von Blackwells Kammerdiener und Krankenpfleger Herman Q. Louse, der in dieser sterilen Welt sein bisheriges Leben vergessen, seine Identität aufgeben musste - und jetzt, kurz vor dem Tod seines Herrn, den Aufstand probt.

Grands zweiter Roman 'Körperfluchten' spielt in Long Meadow, in unmittelbarer Nähe einer fiktiven Metropole (Vorbild ist New York City), zwischen den beiden Weltkriegen: Die Prohibition ist aufgehoben, Drogenhandel, organisierte Kriminalität und Antikommunismus blühen auf, Gewerkschaftsrevolten fordern ihre Opfer, in Europa feiert der Nationalsozialismus erste Erfolge und Stalin zelebriert seine Schauprozesse. Vor dieser Kulisse wird der Weltkriegsveteran und Ex-Junkie Victor Ribe, der wegen eines nicht begangenen Doppelmordes zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden war, nach fünfzehn Jahren unter höchst seltsamen Umständen vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen; entlassen in eine graue, kalte Welt der Erpressung und Korruption, der Auftragsmorde und der politischen Intrige. Der figurenreiche, mit schnellen szenischen Schnitten und vielen Rückblenden erzählte Noir-Roman entlädt sich in einem apokalyptischen Finale.

Grand unterrichtet Kreatives Schreiben an der Fairleigh Dickinson University in New Jersey und lebt mit seiner Frau und den Zwillingssöhnen in Brooklyn.

Bibliografie:
'Louse' - 'Louse' (1998), 'The Disappearing Body' - 'Körperfluchten' (2002).

++ Erstellt: Januar 2013 ++  


Granger, Bill

(Kürzel für William Francis Granger, 1941-2012; schrieb auch als Joe Gash und Bill Griffith)

Bill Granger, ein renommierter, zweimal für den Pulitzer-Preis vorgeschlagener Journalist und Kolumnist aus Chicago, veröffentlichte von 1979 bis 1993 über zwanzig Krimis und (gemeinsam mit seiner Frau) drei Sachbücher. 1981 gewann er den "Edgar" für den besten Kriminalroman.

Geboren in Wisconsin Rapids, Wisconsin, aufgewachsen im Süden Chicagos, besuchte Granger die St. Ambrose Elementary School, danach das La Salle Institute in Bronzeville, Chicago, und schliesslich die DePaul University, ebenfalls Chicago, an der er die Uni-Zeitung herausgab und 1963 in Englisch abschloss. Während seiner Collegezeit arbeitete er als Laufjunge bei der 'Washington Post' und lernte dort seine zukünftige Frau kennen. Von 1963 bis 1966 war er Reporter für die Nachrichtenagentur 'UPI', danach für die 'Chicago Tribune'. 1969 wechselte er zur politisch links stehenden Tageszeitung 'Chicago Sun-Times', für die er neun Jahre Fernsehkritiken und Features verfasste. In dieser Zeit, 1971, ging er nach Irland, um für mehrere Zeitungen über den Bürgerkrieg zu berichten. Anschliessend wurde er freier Autor und (bis 1997) Kolumnist der 'Chicago Tribune', von 1994 bis 1999 schrieb er Artikel für den 'Chicago Daily Herold'.

In Grangers erster (1979 gestarterer) Serie kämpft Peter Devereaux, genannt November-Mann, als Agent der "R Section", einer fiktiven, 1961 ins Leben gerufenen Geheimdienstorganisation, gegen internationale Verschwörungen und Schurkereien. Devereaux, zu Beginn der Reihe Anfang fünfzig, war Professor für chinesische Geschichte an der Columbia University, bis er von der "Section R" angeworben wurde. Im ersten Band 'Der November Mann' wird er ins krisengeschüttelte Belfast entsandt, um einer fanatischen irischen Terrororganisation das Handwerk zu legen, die Lord Slough, den Vetter der Königin und reichsten Mann Englands, im Visier hat. Doch dann wird er selbst beinahe Opfer eines Mordanschlages, in seiner Abteilung scheint es eine undichte Stelle zu geben, und auch sein langjähriger Intimfeind Denisov vom KGB, die Konkurrenz von der CIA und die schöne Agentin Elisabeth Campbell machen ihm das Leben schwer.

Grangers zweite Reihe sieht Sergeant Terrence "Terry" Flynn und Detective Karen Kovac von der Chicagoer Mordkommission im Mittelpunkt. Terry Flynn, geschiedener Vietnamveteran Mitte dreissig, entstammt einer irischen Polizistenfamilie. Er ist der geborene Jäger und kann sich stets auf seine Instinkte und Eingebungen verlassen. Karen Kovac, blond und blauäugig, geschiedene Mutter eines kleinen Sohns, ist eine schnelle und kluge Frau Anfang dreissig mit polnischen Wurzeln. Die beiden werden im Fortgang des Vierteilers ein Liebespaar.

Im Verlauf des ersten Bandes 'Frauenmord in Chicago' wächst Terry Flynn langsam in die Hauptrolle der Reihe hinein. Karen Kovac wird gar erst in der Mitte dieses Romans eingeführt, als sie von der Streifenpolizistin zum Lockvogel und schliesslich zum Detective beim Morddzernat vorrückt. In der vielschichtigen, multiperspektivisch konzipierten Geschichte kommen auch der krebskranke Lieutenant Matt Schmidt und Jack Donovan, Leiter der Kriminalabteilung bei der Staatsanwaltschaft, zu eindrucksvollen Auftritten.

Von der dreibändigen Reihe um den ehemaligen Sportreporter und jetzigen Buchmacher Jimmy Drover aus Chicago und den drei Einzelwerken gibt es keine deutschen Übersetzungen.

Nach mehreren Hirnschlägen wurge Granger im Jahr 2002 in einem Veteranen-Heim in Montena, Illinois, untergebracht. Zehn Jahre später starb er dort im Alter von 70 Jahren. Er hinterliess seine Frau Lori, eine bekannte Journalistin und Autorin, mit der er 45 Jahre verheiratet war, und einen Sohn, Alec.

Bibliografie:
November Mann-Serie: 'November Man' - 'Der November-Mann' (1979), 'Schism' (1981), 'The Shattered Eye' - 'Das tödliche Auge' (1982), 'The British Cross' - 'Verräter-Poker' (1983), 'The Zurich Numbers' - 'Code Zürich 123567' (1984), 'Heminway's Notebook' - 'Hemingways Tagebuch' (auch unter dem Titel 'Revolte in der Karibik', 1986), 'There Are No Spies' - 'Allein und verraten' (1986), 'The Infant of Prague' (1987), 'Henry McGee Is not Dead' (1988), 'The Man Who Heard Too Much' (1989), 'League of Terror' (1990), 'The Last German' (1991), 'Burning the Apostle' (1993);
Terry Flynn & Karen Kovac-Serie: 'Public Murders' - 'Frauenmord in Chicago' (1980), 'Priestly Murders' - 'Priestermorde in Chicago' (ursprünglich als Joe Gash, 1984), 'Newspaper Murders' - 'Ein Mord für die Schlagzeilen' (ursprünglich als Joe Gash, 1985), 'The El Murders' - 'Mitten im Winter' (1987);
Jimmy Drover-Serie: 'Drover' (1991), 'Drover and the Zebras' (1992), 'Drover and the designated Hitter' (1994);
Einzelwerke: 'Sweeps' (1980), 'Queen's Crossing' (1982).
Als Bill Griffith: 'Time for Frankie Coolin' (1982).

++ Erstellt: September 2012 ++  


Gray, A.W.

(1940-2015; schrieb auch als Jeffrey Ames, Crosland Brown, Sarah Gregory und William Gray)

A(lbert) W(illiam) Gray, genannt Bill, wurde als Sohn eines Feuersteinhändlers und einer Hausfrau in Fort Worth, Texas, geboren und wuchs in der Nachbarstadt Dallas auf, wo er auch zur Schule ging und von 1957 bis 1962 Finanzwissenschaft an der Southern Methodist University studierte. Anschliessend arbeitete er beim US Forest Service in New Orleans und bei der General Services Administration in Dallas, seinen Lebensunterhalt finanzierte er allerdings vorwiegend mit Pokern. Darüber hinaus begleitete er den mit ihm befreundeten späteren Golf-Superstar Lee Trevino an Tournieren in Nord- und Lateinamerika.

Es folgte eine Zeit als Agent für drei Versicherungs-Gesellschaften, bis er sich 1970 in dieser Branche selbständig machte. Nach der Heirat mit der Reiseberaterin Martha Crosland im Jahr 1976 liess er sich in einem Vorort von Forth Worth nieder. Die Geburt der vier Kinder hinderte ihn nicht daran, seinen lustvoll verschwenderischen Lebensstil fortzusetzen und immer wieder die Spielkasinos von Las Vegas aufzusuchen.

Zu Beginn der 80er-Jahre entwickelte Gray ein sehr lukratives Postbetrugssystem, doch das FBI kam ihm schon bald auf die Schliche, er landete im Knast. Angestachelt durch Elmore Leonards Kriminalromane, mit deren Lektüre er sich die Zeit vertrieb, begann Gray während seines vierjährigen Aufenthalts im texanischen Big Springs Gefängnis zu schreiben - seine beiden ersten Bücher ('Bino' und 'Size') wurden kurz vor seiner Entlassung veröffentlicht, und als er im Jahr 1989 auf freien Fuss kam, war er bereits ein gefragter Autor.

Bino (Abkürzung von Albino) Phillips, ein weisshaariger Anwalt aus Dallas, ist Grays einzige Serienfigur: Ein hart gesottener, gerissener, muskelbepackter Zweimetermann mittleren Alters mit einer Vorliebe für schöne Frauen, schicke Klamotten, liberal gesinnte Politiker und zwielichtige Kundschaft, der sein Studium am South Texas College of Law (dem "Harvard des Ghettos") absolviert hat und jeden Winkel, jede Facette seiner Stadt kennt. Seine Arbeitsräume teilt er sich mit dem Buchmacher Horace Harrison genannt Half-a-Point, einem Freund aus Highschool-Zeiten, der gelegentlich für ihn Ermittlungen durchführt, und der Sekretärin Dodie, einer smarten jungen Frau mit Drogenvergangenheit, seine kleine Wohnung mit dem Oscar-Fisch Cecil.

'Bino', der erste Band des Vierteilers, dreht sich um die Ermordung des unbestechlichen demokratischen - mit Bino befreundeten - Politikers Richard Bigelow durch die psychopathischen Auftragskiller Buster, John-Boy und Sonny. Die verführerische FBI-Agentin Karen Allen, der Republikaner Art Stammer, der zwielichtige Anwalt Winnie Anspatcher III und der charismatische Mafioso Dante Tirelli (derzeitiger Ehemann von Binos Ex-Frau Annabelle) ziehen die Fäden, doch Bino behält die Übersicht.

Im Folgeband 'Das Recht des Richters' hat Bino für einmal einen renommierten Klienten: Den integren verwitweten Bundesrichter Emmett Burns, den seine republikanischen Gegner aus dem Verkehr ziehen wollen, indem sie ihn der Annahme von Bestechungsgeldern beschuldigen. Burns' Achillesferse ist seine schöne Tochter Ann, für sie würde er durchs Feuer gehen, durch ihre Spielsucht geriet sie aber unlängst in die Fänge der Organisierten Kriminalität. Ein äusserst delikates Mandat für den trickreichen Anwalt, der über sich hinauswächst und das Komplott in letzter Sekunde vereitelt.

Er ist 1.94 gross, wiegt 117 kg und trägt einen roten Vollbart. Er diente drei Jahre bei der Marine, sass wegen tätlichen Angriffs auf einen Polizisten im Gefängnis und bestreitet seinen Lebensunterhalt als Berufspokerspieler: Sizemore Fred Brandon, genannt Size, Hauptperson des Einzelwerks 'Texanisches Roulette'. Schon in der Schulzeit half der gutmütige Hüne seinem schmächtigen Freund Pecos Jimmy Fontenot aus jeder Klemme, später ging er für ihn in den Knast, erledigte nasse Aufträge für ihn. Inzwischen hat sich Pecos Jimmy in der Gangsterhierarchie von Dallas weit nach oben gearbeitet. Als Size vor einer Anklagejury der Bundesbehörden gegen Pecos Jimmy aussagen soll - was er nie und nimmer täte! - verliert dieser die Nerven, versucht seinen Beschützer zum Schweigen zu bringen, doch die Autobombe erwischt Sizes besten Freund, und Size schägt hart zurück - es kommt zu einem blutigen Showdown in Las Vegas.

Sorgfältige Handlungsführung, hinterhältiger Witz, meisterhafte Dialoge und präzise Zeichnung der vorzugsweise am Rande der Legalität sich bewegenden Haupt- und Nebenfiguren - Gray muss sich selbst vor den besten Werken seiner Idole Elmore Leonard und George V. Higgins nicht verstecken.

Bill Gray starb 75-jährig in seinem Haus in der Nähe von Dallas, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hatte. Er hinterliess seine Frau Martha, vier Kinder, zahlreiche Enkel - und sechzehn erstklassige Spannungsromane.

Bibliografie:
Bino Phillips-Serie: 'Bino' - 'Bino' (1988), 'In Defense of Judges' - 'Das Recht des Richters' (1990), 'Killings' (1993), 'Bino's Blues' (1995);
Einzelwerke: 'Size' - 'Texanisches Roulette' (1989), 'The Man Offside' (1991), 'Prime Suspect' (1992), 'Poisoned Dreams' (1993).
Als Crosland Brown: 'Tombley's Walk' (1991).
Als William Gray: 'Shares' (1996).
Als Sarah Gregory: 'In Self-Defense' (1995), 'Public Trust' (1997), 'The Best Defense' (1998), 'Capitol Sandal' (1999).
Als Jeffrey Ames: 'Venom' (2002), 'Lethal City' (2003).

++ Erstellt: August 2016 ++  


Greenleaf, Stephen

(*1942)

Stephen Greenleaf kam in Washington, D.C., zur Welt und wuchs in Centerville, Iowa, auf. Er studierte Geschichte am Carleton College in Northfield, Minnesota, und Jura an der Boalt Hall School of Law der University of California in Berkeley. Von 1967 bis 1969 diente er in der US-Army, danach praktizierte er sechs Jahre als Rechtsanwalt, zuerst in Monterey, dann in San Francisco, und war überdies ausserordentlicher Professor für Strafverteidigung. Mitte der 70er-Jahre hatte er genug von der Jurisprudenz. Er zog nach Seattle und begann - nach einem Kurs für Kreatives Schreiben an der University of Iowa - eine Laufbahn als Krimiautor. Er ist mit der Kinderbuchautorin Ann Garrison Greenleaf verheiratet und hat einen Sohn.

Geprägt von Ross Macdonalds Lew Archer-Krimis publizierte Greenleaf 1979 seinen ersten Roman 'Grave Error'. Bis 2000 folgten dreizehn weitere Titel (sowie eine einzige Kurzgeschichte, 'Iris') um sein verzögert alterndes alter Ego John Marshall "Marsh" Tanner (der Name ist abgeleitet von John Marshall, dem ersten vorsitzenden Richter des Obersten Gerichtshofs der USA, und Tanner, Greenleafs ehemaligem Basketball-Trainer) und zwei Justizthriller. Marsh Tanner, von seinem ursprünglichen Beruf als Anwalt schwer enttäuscht, arbeitet in San Francisco als Privatdetektiv. Er ist allerdings Mitglied der Anwaltskammer geblieben und nimmt gelegentlich noch ein Mandat an, damit er gewisse Informationen vertraulich behandeln kann.

Tanner ist ein hart gesottener, melancholischer Einzelgänger mit Kriegsvergangenheit, der seine Freizeit mit Lesen, Musikhören und vor dem TV verbringt und sich dabei gerne ein paar Drinks genehmigt. Seine einzigen Freunde sind die derbe, etwa zwanzig Jahre ältere Privatdetektivin Ruthie Spring, deren ums Leben gekommener Mann Marsh einst den Ermittlerberuf beigebracht hat, und der Polizist Charley Sleet, der im drittletzten Band durchdreht und im Gerichtssaal den Angeklagten erschiesst. Nach einer kurzen Affäre mit seiner lieben Sekretärin Peggy Nettleton, die ihre Stelle am Ende des sechsten Bandes aufgibt, versucht Marsh Tanner tiefer gehenden Frauenbeziehungen möglichst aus dem Weg zu gehen. Die Serie endet mit Tanners fünfzigstem Geburtstag, den er mit seinen engsten Bekannten feiert.

Stephen Greenleaf, ein brillanter Stilist, der in seinen Büchern auch wichtige sozialpolitische Themen wie Rassismus, Leihmutterschaft, Aids und politischer Extremismus behandelt, fesselt den Leser mit raffinierten Plots und feinfühliger Charakterzeichnung. 'Peggys Geheimnisse', einer der Höhpunkte der Serie, ist Tanners Sekretärin gewidmet, die gleich in zwei Fälle unmittelbar verwickelt wird. Seit zwei Monaten ist sie Opfer eines Stalkers, der sie mit obszönen Telefonanrufen bedrängt. Tanner stellt ihm eine Falle, doch die schnappt nicht zu, und schliesslich setzt Peggy dem (sich als recht harmlos erweisenden) Treiben selbst ein Ende. Gegen Ende des Romans kommt Hochspannung auf, als ein perverser Killer, Peggys Nachbar, auf sie angesetzt wird - es geht um die einige Jahre zurückliegende Entführung eines kleinen Mädchens durch eine Person, der Peggy gefährlich werden könnte. Greenleaf legt in der unspektakuären, psychologisch stimmigen Geschichte grossen Wert auf die komplexen Interaktionen zwischen Peggy und dem Stalker, aber auch zwischen Peggy und Marsh, deren langjährige Beziehung auf eine harte Probe gestellt wird.

Im Jahr 2000 beendete Greenleaf seine Karriere als Krimiautor.

Bibliografie:
John Marshall Tanner-Serie: 'Grave Error' - 'Sarg drüber' (1979), 'Death Bed' - 'Auf Doppelspur' (1980), 'State's Evidence' - 'Der erste Mann' (1982), 'Fatal Obsession' - 'Abgang eines Störenfrieds' (1983), 'Beyond Blame' - 'Marshall Tanner, Privatdetektiv' (1986), 'Toll Call' - 'Peggys Geheimnis' (1987), 'Book Case' - 'Buch der Lügen' (1991), 'Blood Type' - 'Blutgruppe' (1992), 'Southern Cross' - 'Kreuz des Südens' (1993), 'False Conception' (1994), 'Flesh Wounds' (1996), 'Past Tense' (1997), 'Strawberry Sunday' (1999), 'Ellipsis' (2000);
'The Ditto List' - 'Bis dass D. T. euch scheidet' (1985), 'Impact' - 'Der Absturz' (1989).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Grubb, Davis

(1919-1980)

Geboren und aufgewachsen in Moundsville am Ohio River, West Virginia, als Sohn eines Architekten, der während der Depression arg unten durch ging, und einer engagierten Sozialarbeiterin, musste Davis Grubb seine Ausbildung zum Kunstmaler wegen Farbenblindheit abbrechen. 1940 zog er nach New York City, um für den Rundfunk zu arbeiten, später wechselte er in die Werbebranche. 1944 veröffentlichte er seine erste Story. Der literarische Durchbruch gelang ihm 1953 mit seinem ersten Roman 'Die Nacht des Jägers'. Sein Werk enthält drei Erzählbände und zehn Romane, von denen drei dem Krimigenre zuzurechnen sind. Grubb starb einen Tag nach seinem 61. Geburtstag in New York City.

Am Anfang von Grubbs erfolgreichstem Roman 'Die Nacht des Jägers' sitzt Ben Harper in der Todeszelle und wartet auf seine Hinrichtung: Bei einem Banküberfall hat er zwei Angestellte erschossen und 10'000 Dollar erbeutet, die er umittelbar vor der Verhaftung im Hause seiner Familie verstecken konnte. Bens Zellengenosse, der psychopathische Mörder Harry Powell, genannt "der Prediger", versucht vergeblich, ihm das Versteck zu entlocken. Kaum auf freiem Fuss, taucht Powell bei Bens Familie auf. Er gibt sich als Geistlicher aus, wickelt Bens labile Witwe Willa um den Finger und heiratet sie nach kurzer Zeit. Als ihm klar wird, dass nur Bens kleine Kinder John und Pearl das Versteck des Geldes kennen, bringt er Willa um, doch die Kinder können in letzter Sekunde entwischen - und "der Prediger" jagt die beiden.

Bibliografie:
'The Night of the Hunter' - 'Die Nacht des Jägers' (1953), 'Shadow of my Brother' - 'Meines Bruders Schatten' (1966), 'Fool's Parade' - 'Gaunerparade' (1969).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Gruber, Frank

(1904-1969; schrieb auch als Stephen Acre, Charles K. Boston und John K. Vedder)

Frank Gruber, geboren und aufgewachsen auf der elterlichen Farm in Elmer, Minnesota, verliess seine Familie mit sechzehn, um bei der Army anzuheuern. Nach dem Militärdienst verrichtete er verschiedene journalistische und andere Jobs, ehe er 1934, in der Zeit der Grossen Depression, als verheirateter Familienvater nach New York City zog, um hauptberuflich als Autor zu arbeiten - der Durchbruch liess nicht lange auf sich warten.

Grubers Werk besteht aus rund 300 - in über 40 Pulp-Magazinen publizierten - Kurzgeschichten, Dutzenden Western- und Kriminalromanen, einer Biografie des legendären Westernautors Zane Grey sowie zahlreichen Drehbüchern für Fernsehen und Film (etwa 'The Mask of Dimitrios', 'Dressed to Kill' und 'The Great Missouri Raid'). Mehrere seiner Romane und Kurzgeschichten wurden verfilmt.

In Grubers amüsanten Kriminalromanen steht zumeist ein Duo im Mittelpunkt. Am bekanntesten ist das herrlich schräge New Yorker Gespann Johnny Fletcher, das Gehirn, und Sam Cragg, der Muskelmann, zwei ausgekochte, zähe Burschen, die an Türen klopfen, um ein Buch über Krafttraining ('Every Man a Samson') zu verkaufen, in billigen Absteigen übernachten und immer wieder wegen Landstreicherei von der Polizei festgenommen werden - und die ständig über Mordfälle stolpern, die sie dann gleich selbst lösen, um nicht als Sündenböcke im Kittchen zu landen.

Grubers zweite Reihe dreht sich um Simon Lash, einen zynischen, impulsiven und zänkischen Ex-Soldaten und Ex-Anwalt, der mit seinem besonnenen Assistenten Eddie Slocum eine Privatdetektei auf dem Hollywood Boulevard in Los Angeles betreibt und in seiner Freizeit am liebsten in Büchern über den Wilden Westen schmökert. Der erste Titel des Vierteilers wurde unter dem Titel 'Accomplice' verfilmt.

In Los Angeles ist auch das gegensätzliche, sich jedoch vortrefflich ergänzende Ermittlerpaar Otis Beagle und Joe Peel von der "Beagle Detective Agency" auf der Piste, zwei schlaue Burschen mit beachtlichem kriminellem Potential, deren Abenteuer in drei Romanen aufgezeichnet sind.

Eine weitere Serienfigur ist der Lexikonverkäufer und Gelegenheitsdetektiv Oliver Quade, ein unscheinbarer Mann mit einem fotografischen Gedächtnis, der nur in Kurzgeschichten angetreten ist (eine Geschichtensammlung ist 1966 unter dem Titel 'Brass Knuckles' erschienen).

Frank Gruber starb 65-jährig in Santa Monica, Kalifornien und hinterliess seine Frau Lois, mit der er seit 1931 verheiratet war, und einen Sohn. Zwei Jahre vor seinem Tod ist der Memoirenband 'The Pulp Jungle' erschienen.

Bibliografie (nur Krimis):
Johnny Fletcher & Sam Cragg-Serie: 'The French Key' (auch unter dem Titel 'The French Key Mystery') - 'Der eiserne Bär' (auch unter dem Titel 'Goldraben', 1940), 'The Hungry Dog' (auch unter den Titel 'The Hungry Dog Murders' und 'Die Like a Dog', 1941), 'The Navy Colt' (1941), 'The Talking Clock' (1941), 'The Gift Horse' - 'Der geschenkte Gaul' (1942), 'The Mighty Blockhead' (auch unter dem Titel 'The Corpse Moved Upstairs') - 'Die Millionen-Idee' (auch unter dem Titel 'Die wandernde Leiche', 1942), 'The Silver Tombstone' (auch unter dem Titel 'The Silver Tombstone Mystery', 1945), 'The Honest Dealer' (auch unter dem Titel 'Double Dealer' (1947), 'The Wispering Master' - 'Die flüsternde Stimme' (1947), 'The Scarlet Feather' (auch unter dem Titel 'The Gamecock Murders' - 'Die rote Feder' (1948), 'The Leather Duke' (auch unter dem Titel 'A Job of Murder') - 'Das fehlende Messer' (1949), 'The Limping Goose' (auch unter dem Titel 'Murder One', 1954), 'Swing Low, Swing Dead' (1964);
Simon Lash & Eddie Slocum-Serie: 'Simon Lash, Private Detective' (auch unter dem Titel 'Simon Lash, Detective', 1941), 'The Buffalo Box' (auch unter dem Titel 'The Murder Box', 1942) - 'Die Trickschatulle' (1942), 'Murder ‚97 (auch unter dem Titel 'The Long Arm of Murder, 1948);
Otis Beagle & Joe Peel-Serie: 'The Silver Jackass' (ursprünglich als Charles K. Bronson) - 'Der silberne Esel' (1941), 'Beagle Scented Murder' (auch unter dem Titel 'Market for Murder') - 'Mord in Hollywood' (1946), 'The Lonesome Badger' (auch unter dem Titel 'Mood for Murder', 1954);
Einzelwerke: 'The Fourth Letter' (1947), 'The Lock and the Key' (auch unter den Titeln 'Too Tough to Die' und 'Run, Thief, Run', 1948) - 'Rufen Sie den Leichenwagen' (1948), 'Twenty Plus Two' - 'Gesucht wird D.D.' (1961), 'Brothers of Silence' (1962), Bridge of Sand' (1963), 'The Greek Affair' (1964), 'Little Hercules' (1965), 'Run, Fool, Run' (1966), 'The Twilight Man' - 'Das Begräbnis findet später statt' (1967), 'The Gold Gap' (1968), 'The Etruscan Bull' - 'Der etruskische Stier' (1969), 'The Spanish Prisoner' (1969).
Als John K. Vedder: 'The Last Doorbell' (auch unter dem Titel 'Kiss the Boss Goodbye' (1941).
Als Stephen Acre: 'The Yellow Overcoat' (auch unter dem Titel 'Fall Guy for a Killer') - 'Der gelbe Paletot' (1942).

++ Erstellt: Oktober 2012 ++  



 

Haddam, Jane

(Pseudonym für Orania Papazoglou, *1951; schreibt auch als Nicola Andrews und Ann Paris)

Jane Haddam wurde als Tochter des Rechtsanwalts George Sotirios und der Kunstmalerin Ann Papazoglou, beide griechischer Herkunft, in Bethel, Connecticut, geboren. Nach ihrem 1980 beendeten Anglistikstudium am Vassar College, an der University of Connecticut und der Michigan State University unterrichtete sie Anglistik an einem College, bis sie der Lehrertätigkeit überdrüssig wurde und nach New York City zog, um als Redakteurin für die Zeitschrift 'Greek Accent' zu arbeiten. Später schrieb sie als freie Journalistin für die Magazine 'Glamour', 'Mademoiselle', 'Working Woman' und 'First Things'. 1984 debütierte sie im Krimigenre. Im selben Jahr heiratete sie den ein Jahr jüngeren Krimiautor William L. DeAndrea und hatte mit ihm zwei Söhne, Matthew und Gregory.

Im Zentrum von Haddams Kriminalwerk steht die stimmungsvolle, mit feinen Charakterstudien glänzende Serie um Gregor Demarkian, lange Jahre Leiter der Abteilung für Verhaltensforschung beim FBI, der nach dem Tod seiner heiss geliebten Frau Elizabeth den Dienst quittiert, nach Philadelphia zurückkehrt, sich im armenischen Viertel niederlässt, in dem er aufgewachsen ist - an der fiktionalen Cavanaugh Street, wo jeder jeden kennt, und sich als Berater der Ermittlungsbehörden an der Auflösung besonders schwieriger Kriminalfälle beteiligt. Unterstützung findet er bei seiner Freundin, der Fantasy-Autorin und Millionenerbin Bennis Hannaford, und dem weisen armenischen Priester Tibor Kasparian, einem Überlebenden des sowjetischen Gulags. Jeder Roman spielt an einem Feiertag ("Holiday Mysteries").

Unter ihrem bürgerlichen Namen verfasste die Autorin von 1984 bis 1992 mit leichter Hand den Fünfteiler um die New Yorker Schriftstellerin und Hobbydetektivin Patience Campbell McKenna sowie zwei Psychothriller, unter den Pseudonymen Nicola Andrews und Ann Paris einige romantische Romane. Seit dem frühen Krebstod ihres Mannes im Jahr 1996 lebt sie zurückgezogen in der Kleinstadt Watertown, Connecticut.

Bibliografie:
Als Orania Papazoglou:
Patience Campbell McKenna-Serie: 'Sweet, Savage Death' - 'Süss wie der Tod' (1984), 'Wicked, Loving Murder' (1985), 'Death's Savage Passion' (1986), 'Rich, Radiant Slaughter' (1988), 'Once and Always Murder' (1990);
'Sanctity' - 'Das Gelübde' (1986), 'Charisma' (1992).
Als Jane Haddam:
Gregor Demarkian-Serie ("Holiday Mysteries"): 'Not a Creature Was Stirring' - 'Weihnächtlich glänzet der Wald' (1990), 'Precious Blood' - 'Ein mörderisches Osterwunder' (1991), 'Act of Darkness' (1991), 'Quoth the Raven' (1991), 'A Great Day for the Deadly' (1992), 'Feast of Murder' (1992), 'A Stillness in Betlehem' - 'All überall auf den Tannenspitzen' (1992), 'Murder Superior' - 'Mörderisch zum Muttertag' (1992), 'Festival of Deaths' (1993), 'Bleeding Hearts' - 'Tief ins Herz' (1994), 'Dear Old Dead' (1994), 'Fountain of Death' (1995), 'And One to Die On' (1996), 'Baptism in Blood' (1996), 'Deadly Beloved' (1997), 'Skeleton Key' (2000), 'True Belivers' (2001), 'Somebody Else's Music' (2002), 'Conspiracy Theory' (2003), 'The Headmaster's Wife' (2004), 'Hardscrabble Road' (2006), 'Glass Houses' (2007), 'Cheating at Solitaire' (2008), 'Living Withess' (2009), 'Wanting Sheila Dead' (2010), 'Flowering Judas' (2011), 'Blood in the Water' (2012), 'Hearts of Sand' (2013), 'Fighting Chance' (2014).

++ Erstellt: Februar 2016 ++  


Hall, Adam

(Pseudonym für Trevor Dudley-Smith, 1920-1995; schrieb auch als Elleston Trevor, Lesley Stone, Caesar Smith, Warwick Scott, Howard North, Simon Rattray, Roger Fitzalan, Mansell Black und Trevor Burgess)

Trevor Dudley-Smith wurde in Bromley, Kent, geboren. Er besuchte bis 1938 die Sevenoaks School in Kent und versuchte sich dann als Autorennfahrer. Im Zweiten Weltkrieg diente er als Flugingenieur bei der Royal Air Force. 1947 heiratete er die Kinderbuchautorin Jonquil Burgess, mit der er einen Sohn hatte. Von 1958 bis 1973 lebte er mit seiner Familie in den französischen Seealpen, danach liess er sich in der Wüste von Arizona nieder. Nach dem Tod seiner Frau 1986 vermählte er sich mit der Autorin Chaille Anne Groom. Er starb 75-jährig in Cave Creek, Arizona.

Dudley-Smith begann Anfang der 40er-Jahre mit der Schriftstellerei. Für seine Abenteuer- und Kriegsromane, Thriller, Kinderbücher, Theaterstücke, Erzählungen und Tiergeschichten benutzte er nicht weniger als zehn Pseudonyme, unter ihnen Adam Hall für die Quiller-Serie, Simon Rattray für die Hugo Bishop-Krimis sowie Elleston Trevor, später Dudley-Smiths offizieller Name, unter dem er von 1946 bis 1994 über dreissig Standalones herausgab. Der Durchbruch gelang ihm 1964 mit dem Drehbuch 'Woman of Straw' und dem abenteuerlichen Flugzeugabsturz-Roman 'Phönix aus dem Sand'.

Ein Jahr später schlug die Stunde des britischen Geheimagenten mit dem Decknamen Quiller (bürgerlicher Name unbekannt), der es bis 1994 auf neunzehn actiongeladene Auftritte brachte. Der nahkampfstarke, stets allein und ohne Waffe arbeitende Ich-Erzähler, eine scharf gezeichnete, recht vielschichtige Figur, verfügt über alle Voraussetzungen, um auch die schmutzigsten Jobs glanzvoll zu erledigen: Kaltblütigkeit, untrügliche Instinkte, Intelligenz, Paranoia, Härte mit sich selbst - wenn ihm (anders als etwa James Bond) nur nicht ständig Gefühle in die Quere kämen. Quiller, der für ein obskures Londoner Büro arbeitet, erledigt seine ihn durch die ganze Welt führende Aufträge letztlich trotzdem mit Bravour.

Die unter dem Pseudonym Simon Rattray veröffentlichten Krimis drehen sich um einen gewissen Hugo Bishop, der, assistiert von der Sekretärin Vera J. Corringe, hobbymässig Kriminalfällen auf den Grund geht - sein Brotberuf wird dem Leser vorenthalten.

Bibliografie:
Als Adam Hall:
Quiller-Serie: 'The Berlin Memorandum' (auch unter dem Titel 'The Quiller Memorandum') - 'Das Berlin Memorandum' (1965), 'The 9th Directive' - 'Der neunte Befehl' (1966), 'The Striker Portfolio' (1968), 'The Warsaw Document' (1970), 'The Tango Briefing' - 'Himmelfahrtstango' (1973), 'The Mandarin Cypher' - '555 ruft Mandarin' (1975), 'The Kobra Manifesto' - 'Das Kobra-Manifest' (1976), 'The Sinkiang Executive' - 'Mission in Sinkiang' (1978), 'The Scorpion Signam' (1979), 'The Peking Target' )1981), 'Northlight' (auch unter dem Titel 'Quiller') - 'Nordlicht' (1985), 'Quiller's Run' (1988) - 'Quiller steigt aus' (1988), 'Quiller KGB' - 'Unternehmen Gorbatschow' (1989), 'Tunesischer Tango' (auch unter dem Titel 'Quiller - tödliche Mission in der Wüste', 1991);
Einzelwerke: 'The Volcanoes of San Domingo' (1963), 'The Sibling' (1979), 'Pawn in Jeopardy' (1991).
Als Simon Rattray: Hugo Bishop-Serie: 'Knight Sinister' (1951), 'Queen in Danger' (1952), 'Bishop in Check' (1953), 'Death Silence' (1954), 'Dead Circuit' (1955), 'Dead Sequence' (1957).
Als Mansell Black: 'Dead on Course' - 'Duell mit dem Tod' (1951), 'Sinister Cargo' (1951), 'Shadow of Evil' (1953), 'Steps in the Dark' (1954).
Als Trevor Dudley-Smith: 'Over the Wall' (1943), 'Into the Happy Glade' (1943), 'Double Who Doulbe Crossed' (1944), 'By a Silver Stream' (1944), 'Escape to Fear' (1948), 'Now Trie the Moruge' (1948).
Als Elleston Trevor: 'The Immortal Error' (1946), 'Chorus of Echos' (1950), 'Refern's Miracle' (1951), 'Tiger Street' (1951), 'A Blaze of Roses' (auch unter dem Titel 'The Fire-Raiser', 1952), 'The Passion and the Pity' (1953), 'The Big Pick-Up (1955), 'Squadron Airborne' (1955), 'Gale Force' - 'Windstärke 10' (1956), 'The Killing Ground' (1956), 'The Pillars of Midnight' - 'Die nackten Seelen' (1957), 'Dream of Death' (1958), 'Silhouette' (1959), 'The V.I.P. (1959), 'The Mind of Max Duvine' (1960), 'The Billboard Madonna' (1960), 'The Burning Shore' (auch unter dem Titel 'The Pasang Rung') - 'Flammende Küste' (1961), 'Seven Witnesses' (1963), 'The Flight of the Phoenix' - 'Phönix aus dem Sand' (auch unter dem Titel 'Der Flug des Phönix', 1964), 'Weave a Rope of Sand' (1965), 'The Second Chance' (1965), 'The Shoot' (1966), 'The Freebooters' (1967), 'A Place for the Wicked' - 'Wo die Bösen sich verstecken' (1968), 'Bury Him Among Kings' (1970), 'The Paragon' (auch unter dem Titel 'Night Stop') - 'Agonie im Sandsturm' (1975), 'The Chipmunks of Willow Wood' (1975), 'Blue Jay Summer' - 'Der Sommer des Blauhähers' (1977), 'The Theta Syndrome' - 'Gehirntrauma' (1977), 'The Damocles Sword' (1981), 'The Penthouse' (1983), 'Deathwatch' - 'Todesviren' (1984), 'The Sister' (1993), 'The Flycatcher' (1994).
Als Trevor Burgess: 'A Spy at Monk's Court' (1949), 'The Mistery of thed Missing Book' (1950).
Als Warwick Sott: 'Image in the Dust' (1951), 'The Domesday Story' (auch unter dem Titel 'Doomsday', 1952), 'Naked Canvas' (1954).
Als Caesar Smith: 'Heat Wave' (1957).
Als Roger Fitzalan: 'A Blaze of Arms' (1967).
Als Howard North: 'Expressway' (1973).
Als Lesley Stone: 'Siren Song' (1985), 'Riviera Story' (1987).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Hall, James W.

(*1947)

James W. Halls Wurzeln liegen in der Kleinstadt Hopkinsville, Kentucky, und dort wuchs er auch auf. Er studierte Kunst am Eckard College in St. Petersburg, Florida, und Englisch an der John Hopkins University in Baltimore und der University of Utah in Salt Lake City. Danach liess er sich in Florida nieder, um Lyrik und Kreatives Schreiben an der Florida International University zu unterrichten. Er hatte bereits zahlreiche Gedichte und etliche Kurzgeschichten herausgegeben, als ihm 1987 mit seinem ersten Kriminalroman 'Im Schutz des hellichten Tages' der Durchbruch gelang. Hall lebt mit seiner Frau Evelyn in Key Largo, Süd-Florida, und in der Appalachen-Kleinstadt Boone, North Carolina.

Hauptfigur einer Serie von bisher vierzehn harten Florida-Romanen (Stand: Oktober 2015) ist der Aussteiger Thorn ("Dorn"), dessen richtigen Namen wir nicht erfahren, ein zäher Einzelgänger mit schwierigem Charakter und düsterer Vergangenheit. Er ist mit seiner Heimat tief verwurzelt und deshalb nicht wählerisch in den Mitteln, gegen ihre Zerstörung anzukämpfen. In Halls Meisterwerk 'Abgetaucht' verspricht sich der psychopathische Ex-CIA-Agent Harden Winchester mit der Züchtung einer besonders schnell wachsenden und gefrässigen Barsch-Art, die die Meere in ökologische Wüsten verwandeln könnte, ein höchst lukratives Geschäft. Als ihm die mutige Privatdetektivin Darcy Richards auf die Schliche kommt, muss sie sterben. Ihr Lebensgefährte Thorn schwört Rache.

Auch ausserhalb der Thorn-Serie ist Hall mit 'Finale in Key West' ein grosser Wurf gelungen. Shaw Chandler kehrt nach Key West zurück, um die Hintergründe des gewaltsamen Todes seines Vaters zu ermitteln und seiner alkoholkranken Mutter ein wenig behilflich zu sein. Er trifft dort auf seine Jugendliebe, die an Multipler Sklerose erkrankte Fernsehschauspielerin Trula Montoya. Die Schicksale der beiden verknüpfen sich, als sie den weit zurückreichenden Machenschaften des ehemaligen Marineoffiziers und skrupellosen Geschäftsmanns Douglas Barnes auf die Spur kommen, der mit der illegalen Entsorgung von Giftmüll ein Heidengeld gescheffelt hat.

Bibliografie:
Thorn-Serie: 'Under Cover of Daylight' - 'Im Schutz des hellichten Tages' (1987), 'Tropical Freeze' - 'Tropische Kälte' (1989), 'Mean Hight Tide' - 'Abgetaucht' (1994), 'Gone Wild' - 'Operation Arche Noah' (1995), 'Buzz Cut' (1996), 'Red Sky at Night' (1997), 'Blackwater Sound' (2002), 'Off the Chart' (2003), 'Magic City' (2007), 'Hell's Bay' (2008), 'Silencer' (2010), 'Dead Last' (2011), 'Going Dark' (2013), 'The Big Finish' (2014);
'Bones of Coral' - 'Finale in Key West' (1991), 'Hard Around' - 'Das Gold der Carmelita' (1993), 'Body Language' (1998), 'The Put at the End of the World' (Kettenroman, 2000), 'Rough Draft' (2000), 'Forests of the Night' (2005).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2013 ++
++ Update: April 2014 ++
++ Update: Oktober 2015 ++
 


Hamilton, Donald

(1916-2006)

Donald Hamilton, geboren in der südostschwedischen Stadt Uppsala als Sohn des renommierten Arztes und Dozenten Bengt L.K. Hamilton, lebte ab dem achten Lebensjahr mit seinen Eltern und seinen jüngeren Schwestern in den Vereinigten Staaten. 1938 schloss er sein Chemiestudium an der University of Chicago ab, drei Jahre später heiratete er Kathleen Stick und hatte mit ihr vier Kinder, Hugo, Elise, Gordon und Victoria. 1942 trat er der US-Navy bei, für die er in Annapolis chemische Forschung betrieb.

Nach dem Zweiten Weltkrieg liess sich Hamilton in Santa Fé, New Mexico, nieder und begann - inspiriert durch Ernest Hemingway, Raymond Chandler, Dashiell Hammett und, man höre und staune, Leslie Charteris - hauptberuflich zu schreiben, neben Krimis auch Sachbücher über das Leben in der freien Natur sowie Stories und Westernromane (mit 'The Big Country' als Höhepunkt). Berühmt wurde er jedoch vor allem mit seiner 27 Bände umfassenden, zwischen 1960 und 1993 erschienenen Serie um Matt Helm, die in den 60er- und 70er-Jahren fantastische Auflagen erzielte. Als seine Frau im Jahr 1989 verstarb, kehrte Hamilton in seine schwedische Heimat zurück, nach Visby, auf die Ostseeinsel Gotland. Er starb dort 90-jährig in einem Pflegeheim. In seinem Nachlass fand sich das Manuskript eines unvollendet gebliebenen Matt Helm-Romans.

Matt Helm - amerikanischer Geheimagent in Europa zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, danach glücklich verheirateter, seinen Lebensunterhalt in Santa Fé als Westernautor und Fotograf bestreitender Vater zweier Söhne und einer Tochter - wird nach fünfzehn Jahren "geweckt", um unter den Decknamen Eric, Jim Petroni usw. für einen anonymen, hoch geheimen, durch einen gewissen "Mac" (eine hagere, grauhaarige, mit allen Wassern gewaschene Gestalt, die eigentlich Arthur M. Borden heisst und eine erwachsene Tochter namens Martha hat) von Washington, D.C., aus geführten Nachrichtendienst "nasse" Aufträge zu erledigen, wozu er sich am liebsten des Gewehrs bedient. Seine sanftmütige Frau Beth verlässt ihn, als sie gegen Ende des ersten Bandes von seiner zweiten Existenz erfährt, und beginnt mit den Kindern ein neues Leben.

Helm ist ein gross gewachsener, charismatischer, hoch professionell arbeitender, ganz auf seinen Job fokussierter, unerhört kaltblütiger Geheimagent, der indes auch zu zärtlichen Gefühlen fähig ist, hin und wieder sogar Reue empfindet und sich zwei-, dreimal ernsthaft verliebt - eine amerikanische Antwort auf James Bond. Nachdem er sich in den 60er- und 70er-Jahren vor allem mit dem kommunistischen Feind herumschlägt, treten später auch westliche Terror-Organisationen als Gegenspieler in Erscheinung.

Die rasanten, in einem nüchternen, manchmal spöttischen Tonfall - stets aus Helms Blickwinkel - erzählten Romane leben von schnellen, schnörkellosen Plots und dem recht plastisch gezeichneten Protagonisten und berichten augenzwinkernd über geheimdienstliche Winkelzüge in der Zeit des Kalten Krieges. In der zweiten Hälfte der 60er-Jahre kamen vier (nicht besonders geglückte) Matt Helm-Streifen mit Dean Martin in der Hauptrolle auf die Leinwand. Heute ist Donald Hamilton, den namhafte Autoren wie Bill Crider, Loren Estleman und John Sallis einst etwas überschwänglich als wichtigen Einfluss bezeichnet haben, tief in der Versenkung verschwunden.

Bibliografie:
Matt Helm-Serie: 'Death of a Citizen' - 'Der Lockvogel' (1960), 'Wrecking Crew' - 'Die Zerstörer' (1960), 'The Removers' - 'Koks und Knallbonbons' (1961), 'The Silencers' - 'Die Vollstrecker' (1962), 'Murderer's Raw' - 'Der Verfolger' (auch unter dem Titel 'Nachts sind alle Killer grau', 1962), 'The Ambushers' (1963), 'The Shadowers' (1964), 'The Ravagers' - 'Die Unerbittliche' (auch unter dem Titel 'Manche lieben's eiskalt' (1964), 'The Devastators - 'Die Gefährlichen' (auch unter dem Titel 'Eine Braut für alle Fälle', 1965), 'The Betrayers' - 'Die Verräter' (1966), 'The Menacers' - 'Die Scharfmacher' (1968), 'The Interlopers' - 'Der Todeskurier' (auch unter dem Titel 'Der Mann am Drücker', 1969), 'The Poisoners' - 'Die Totmacher' (auch unter dem Titel 'Der zweite Mann ist eine Lady', 1971), 'The Intriguers' - 'Matt Helm im Netz' ('Fuchs im fremden Bau', 1973), ‚The Intimidators' - 'Eiskalt serviert' (1974), 'The Terminators' - 'Der Ausputzer' (1975), 'The Retaliators' (1976), 'The Terrorizers' - 'Mafia-Blut' (1977), 'The Revengers' (1982), 'The Annihilators' (1983), 'The Infiltrators' (1984), 'The Detonators' (1985), 'The Vanishers' (1986), 'The Demolishers' - 'Karibisches Inferno' (1987), 'The Frighteners' (1989), 'The Threateners' (1992), 'The Damagers' (1993);
Einzelwerke: 'Date With Darkness' (1947), 'The Steel Mirror' - 'Träume von einem Toten' (1948), 'Murder Twice Told' - 'Viele Katzen sind des Agenten Tod' (auch unter dem Titel 'Duell der Doppelmörder', Stories, 1947), 'Night Walker' - 'Wenn alle Stricke reissen' (1954), 'Line of Fire' - 'Ein Mann über Kimme und Korn' (1955), 'Assignment Murder' (auch unter dem Titel 'Assassins Have Starry Eyes' - 'Die letzte Wohnung ist ein Sarg' (auch unter dem Titel 'Verrat in den Augen', 1956), 'The Mona Intercept' (1980).

++ Erstellt: April 2013 ++  


Hamilton, Steve

(*1961)

Steve Hamilton, geboren und aufgewachsen in Detroit, Michigan, wurde an der University of Michigan in Ann Arbor ausgebildet. Er lebt mit seiner Frau Julia und seinen beiden Kindern im Norden des Bundesstaates New York, wo er seit vielen Jahren hauptberuflich für IBM tätig ist und (seit 1998) in der Freizeit Kriminalromane verfasst.

Hamiltons bedeutendste Figur ist der ehemalige Baseballspieler Alex McKnight, der in Detroit als Polizist arbeitete, bis er mit seinem Partner in einen Hinterhalt geriet und niedergeschossen wurde - die Kugel steckt noch in seiner Brust, knapp einen Zentimeter vom Herzen entfernt. Er musste den Polizeidienst aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und zog sich in seinen Geburtsort Paradise (Michigan) im unwirtlichen amerikanisch-kanadischen Grenzgebiet zurück, wo er das Blockhaus seines verstorbenen Vaters bewohnt, Jagdhütten vermietet und mit seinem ulkigen Sidecick Leon Prudell eine Art Privatdetektei betreibt. Dieser macht sich im Verlauf der Reihe als Schneemobilverkäufer selbständig, wird jedoch weiterhin in McKnights Fälle einbezogen.

In Hamiltons stimmungsvollem Roman 'Himmel voll Blut' hat Alex McKnight mit seinem Nebenberuf als Ermittler eigentlich bereits abgeschlossen, als er von seinem indianisch-stämmigen Nachbarn und Freund Vinnie LeBlanc um Hilfe gebeten wird: Vinnies vorbestrafter, unter Bewährungsauflagen stehender Bruder Tom ist als Führer einer Gruppe von zwielichtigen Jägern in der kanadischen Wildnis verschollen. Die beiden Kumpel machen sich auf die Suche nach dem Vermissten, durchdringen die einsamen nordamerikanischen Wälder und stossen schon bald auf Tom und seine fünf Jagdgefährten - ermordet und nicht tief genug begraben. Für Alex und Winnie beginnt ein erbitterter Kampf ums Überleben.

Was sich bereits in 'Himmel voll Blut' angebahnt hat, erfährt im sechsten McKnight-Roman 'Blind River' seine Fortsetzung: Der sympathische Held ist verliebt und möchte mit der Polizistin Natalie Reynaud von der Ontario Provincial Police, deren Partner kürzlich getötet wurde, ein neues Leben beginnen. Zuerst aber gilt es, düstere, weit zurückreichende, Natalies Familie betreffende Familiengeheimnisse zu enthüllen - ein Unterfangen, das die junge Liebe auf eine harte Probe stellt.

Bibliografie:
Alex McKnight-Serie: 'A Cold Day in Paradise' - 'Ein kalter Tag im Paradies' (1998), 'Winter of the Wolf Moon' - 'Unter dem Wolfsmond' (2000), 'The Hunting Wind' - 'Der Linkshänder' (2001), 'North of Nowhere' - 'Nördlich von Nirgendwo' (2002), 'Blood is the Sky' - 'Himmel voll Blut' (2003), 'Ice Sky' - 'Blind River' (2004), 'A Stolen Season' (2006), 'Mystery Bay' (2011), 'Die a Stranger' (2012), 'Let It Burn' (2013);
'Night Work' (2007), 'The Lock Artist' - 'Der Mann aus dem Safe' (2009).

++ Erstellt: August 2011 ++
++ Update: Juli 2012 ++
++ Update: April 2014++
 


Hansen, Joseph

(1923-2004, schrieb auch als James Colton und Rose Brock)

Joseph "Joe" Hansen wurde als drittes und letztes Kind eines norwegisch-stämmigen Vaters, der ein Schuhgeschäft besass, im ländlichen Ort Aberdeen, South Dakaota, geboren. 1936, nach drei äusserst schwierigen Jahren mit ständig wechselnden Wohnsitzen in Minneapolis, liess er sich mit seinen von der Wirtschaftskrise hart getroffenen Eltern in Pasadena, Südkalifornien, nieder. Nach dem Studium am Pasadena Junior College übersiedelte er 1943 nach Los Angeles, um in einer Buchhandlung zu arbeiten. Dort lernte er kurz danach die Lehrerin und Übersetzerin Jane Bancroft kennen, die er - im Bewusstsein seiner Homosexualität - noch im selben Jahr heiratete. Jane blieb ihm bis zu ihrem Tod 1994 eine treue Gefährtin und schenkte ihm 1944 eine Tochter, Barbara.

In den 40er- und 50er-Jahren hielt sich Hansen als Buchhändler, Maler, Folkmusiker und Lexikonvertreter sowie als Sekretär bei Technicolor über Wasser. Anfang der 50er begann er Gedichte, in den 60ern (zunächst unter den Pseudonymen James Colton und Rose Brock) Romane zu schreiben. 1970 erschien sein erster Krimi 'Fadeout', der Auftakt zur Dave Brandstetter-Serie.

Mit Dave Brandstetter hat Hansen den ersten glaubhaft gezeichneten schwulen Ermittler in die Kriminalliteratur gebracht, einen selbstsicheren, hartgesottenen, ausgesprochen kultivierten und intelligenten Detektiv mittleren Alters, der im ersten Roman 'Fadeout' den Krebstod seines langjährigen Lebenspartners Rod verkraften muss. Zuerst im Auftrag der von seinem Vater gegründeten "Medallion" Lebensversicherung, später, nach dem Tod des Vaters, auf eigene Rechnung geht Dave Brandstetter kniffligen Fällen von schief gelaufenen Versicherungsbetrügen nach. Prägnant und angenehm zurückhaltend schildert Hansen in seinen atmosphärisch dichten Romanen die alltäglichen Vorurteile und Repressalien, die der schwulen Minderheit in den bigotten amerikanischen Südstaaten-Kleinstädten zugemutet werden und wirft scharfe Blicke auf politische und soziale Themen. Nach zwölf Romanen und einem Erzählband stirbt der über 70-jährige Brandstetter eines natürlichen Todes.

Hansens unvollendet gebliebene Serie um Nathan Reed, einen jungen Schwulen, der im Los Angeles der frühen 40er-Jahre von einer Laufbahn als Schriftsteller träumt und zehn Jahre später, in der McCarthy-Zeit, mit seinem Lebenspartner, dem Lehrer Steve Schaffer, unter die Räder gerät, ist bisher nicht auf Deutsch erhältlich. Dies gilt auch für die drei Standalones, die zwei unter dem Pseudonym Rose Brock publizierte Schauergeschichten, einige autobiografisch gefärbte Romane, drei Bände mit Erzählungen um den kalifornischen Ex-Sheriff, Privatermittler und Rancher Hack Bohannon und die Gedichte.

Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit gab Hansen Schreibkurse an der UCLA und führte Workshops durch. Nach dem Tod seiner Frau 1994 lebte der schwer kranke und völlig verarmte Autor bei Freunden in Laguna Beach, Kalifornien, wo er 81-jährig einen tödlichen Herzinfarkt erlitt.

Bibliografie:
David Brandstetter-Serie: 'Fadeout' - 'Fadeout' (auch unter dem Titel 'Verbrannte Finger', 1970), 'Death Claims' - 'Totengeld' (auch unter dem Titel 'Keine Prämie für Mord', 1973), 'Troublemaker' - 'Feindschaftsdienst' (auch unter dem Titel 'Jeder hat einen Feind', 1975), 'The Man Everybody Was Afraid Of' - 'Tyrannenmord' (auch unter dem Titel 'Die logische Lösung', 1978), 'Skinflick' - 'Nabelschau' (auch unter dem Titel 'Verkaufte Haut', 1979), 'Gravedigger' - 'Drei Spaten tief' (auch unter dem Titel 'Schattenreich', 1982), 'Nightwork' - 'Nachtarbeit' (auch unter dem Titel 'Mondschein-Trucker', 1984), 'The Little Dog Laugehd' - 'Tote Hunde bellen nicht' (1986), 'Early Graves' - 'Frühe Gräber' (1987), 'Obedience' (1988), 'The Boy Who Was Buried this Morning' (1990), 'A County of Old Men' (1990);
Nathan Reed-Trilogie: 'Living Upstairs' (1993), 'The Jack of Hearts' (1995), 'The Cutbank Path' (2002);
Einzelwerke: 'Known Homosexual (auch unter den Titeln 'Stranger to Himself', 'Pretty Boy Dead' (1968) und 'Backtrack', 1982), 'Steps Going Down' - 'Abstieg' (1985).
Als Rose Brock: 'Tarn House' - 'Vermächtnis des Bösen' (1971), 'Longleaf' (1974).

++ Erstellt: August 2011 ++  


Hare, Cyril

(Pseudonym für Alfred Alexander Gordon Clark, 1900-1958)

Cyril Hare, geboren in Mickleham, Surrey, als Alfred Alexander Gordon Clark, studierte Geschichte und Jura am New College in Oxford und wurde 1924 Anwalt. Nach seiner Heirat mit Mary Barbara Lawrence 1933 liess er sich in Cyril Mansiong, Battersea, nieder. Neben seiner Tätigkeit als Jurist - er arbeitete in einem Londoner Anwaltsbüro und wurde später Richter in Zivilprozessen - verfasste er ein Kinderbuch, ein Theaterstück, einige Kriminalgeschichten und neun vergnügliche Whodunits.

Hares Krimihelden sind der vornamenlose Detective Inspector Mallett von Scotland Yard, ein gross gewachsener, schnauzbärtiger Witwer, und Francis Pettigrew, ein facettenreich geschilderter, auch detektivisch tätiger, jedoch nicht sehr erfolgreicher Rechtsanwalt um die sechzig; zwei recht gegensätzliche Figuren, die in 'Tragödie im Gerichtsaal', 'Mit einer Nadel bloss' und 'Er hätte später sterben sollen' gemeinsam auftreten.

In Hares bekanntestem, kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs spielendem Krimi 'Tragödie im Gerichtssaal' wird der exzentrische Strafrichter Sir William Barber, der, begleitet von seiner Entourage und seiner Ehefrau Hilda, in Südengland von Gericht zu Gericht zieht, mit seltsamen Geschehnissen konfrontiert, nachdem er in betrunkenem Zustand einen berühmten Pianisten mit dem Wagen angefahren und dessen linke Hand beschädigt hat: Drohbriefe und vergiftete Süssigkeiten werden ihm ins Haus geschickt, dann strömt plötzlich Gas ins Schlafzimmer, seine Frau wird im Dunkeln mit ihm verwechselt und niedergeschlagen - des Richters Leben scheint in Gefahr zu sein. Inspector Mallett und Francis Pettigrew, der früher mit Hilda eine Affäre hatte, bekleiden in diesem Roman nur Nebenrollen.

Bibliografie:
Inspector Mallett-Serie: 'Tenant for Death' - 'Ruhige Wohnung mit eigener Leiche' (1937), 'Death is no Sportsman' - 'Das Geheimnis des Anglers' (auch unter dem Titel 'Der Tod ist nicht fair', 1938), 'Suicide Excepted' - 'Der Fall Dickinson' (auch unter dem Titel 'Selbstmord ausgeschlossen', 1939);
Francis Pettigrew-Serie: 'Tragedy at Law' - 'Tragödie im Gerichtssaal' (auch unter den Titeln 'Tragödie vor Gericht' und 'Das Gericht zieht sich zur Ermordung zurück', 1942), 'With a Bare Bodkin' - 'Mit einer Nadel bloss' (auch unter dem Titel 'Spiel mit dem Tod', 1946), 'When the Wind Blows' (auch unter dem Titel 'The Wind Blows Death') - 'Solo für Lucy' (1949), 'That Yew Tree's Shade' (auch unter dem Titel 'Death Walks the Woods') - 'Erschlagen bei den Eiben' (auch unter dem Titel 'Das Geheimnis der Mary Rose', 1954), 'He Should Have Died Hereafter'- 'Er hätte später sterben sollen' (auch unter dem Titel 'Der Tote von Exmoor', 1958);
'An English Murder' (auch unter dem Titel 'The Christmas Murder') - 'Mord - made in England' (1951).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Harrington, Joseph

(1903-1980?)

Joseph Harringtons Lebenslauf ist nur fragmentarisch bekannt. Geboren in Newark, New Jersey, arbeitete er lange Jahre als Journalist in New York City, unter anderem auch als Polizeireporter, sodass er viele NYPD-Cops kennen lernte. Nachdem er bereits 1928 seine erste Kurzgeschichte veröffentlich hatte, verlegte er sich Mitte der 60er-Jahre ganz auf die Schriftstellerei. Er verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in Florida, wo er vermutlich 1980 starb.

Harringtons Werk ist schmal geblieben, es enthält drei Krimis und sechzehn in verschiedenen Magazinen abgedruckte Stories. Im Zentrum der Krimis steht Detective Lieutenant Francis X. Kerrigan, genannt Frank, vom NYPD. Er ist ein 32-jähriger irisch-stämmiger Katholik, bewohnt eine kleine Wohnung, doch über über seine Biografie und sein Privatleben, sofern er überhaupt eines hat, will er nichts preisgeben. Kerrigan ist ein umgänglicher, ehrlicher und geduldiger, ungemein gründlicher, für seine hartnäckigen, vorzugsweise nach Freierabend durchgeführten Befragungen bekannter Ermittler. Detective Jane Boardman, jung, unerfahren und attraktiv, ist seine Partnerin. In den drei mit nicht besonders spektakulären Verbrechen aufwartenden Romanen legt der Autor grossen Wert auf eine realistische, detailreiche Schilderung der Polizeiarbeit. Der erste Band 'Die lautlose Jagd' - er handelt von der Suche nach einem wichtigen Zeugen, der mit seiner kleinen Tochter untergetaucht ist - wurde von José Giovanni unter dem Titel 'Dernier domicile connu' mit Lino Ventura und Marlène Jobert in den Hauptrollen verfilmt.

Bibliografie:
Frank Kerrigan-Serie: 'The Last Known Address' - 'Die lautlose Jagd' (1965), 'Blind Spot' - 'Der dunkle Punkt' (1966), 'The Last Doorbell' - 'Hinter der letzten Tür' (1969).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2013 ++
 


Harris, Timothy Hyde

(*1946; schreibt auch als Hyde Harris)

Timothy "Tim" Harris wurde in Los Angeles als jüngerer von zwei Söhnen einer Künstlerin geboren. Die Ehe seiner Eltern wurde früh geschieden. Er lebte daraufhin bei der Mutter und ihrem zweiten Mann, einem international tätigen Architekten, und wurde in Marokko, Italien, Holland, England, den USA und schliesslich bis 1963 in Portugal, an der St. Julien's School, ausgebildet. Von 1963 bis 1965 besuchte er die noble Charterhouse School in Surrey.

Nach dem 1969 abgeschlossenen Anglistikstudium in Cambridge (im selben Jahr publizierte er seinen ersten Roman 'Kronski/McSmash', eine Satire auf das Hippieleben) und einem Zwischenhalt im nordkalifornischen Big Sur kehrte er 1972 nach Los Angeles zurück, wo er weitere Bücher schrieb - zuerst ein paar unveröffentlichte Romane, dann zwei durch Raymond Chandler beeinflusste Krimis - und anschliessend, nach der Heirat mit der Regisseurin Mary Bess Walker im Jahr 1980, höchst erfolgreich als Drehbuchautor, nebenbei aber auch als Haus-Anstreicher tätig war. Zwischendurch "novellisierte" er Filme wie 'Stellyard Blues', 'American Gigolo' und 'Heat Wave'. Heute ist Harris in zweiter Ehe mit der Engländerin Fiona verheiratet. Er hat zwei Söhne, Nicholas und Blake, und pendelt zwischen London und Los Angeles.

Im Mittelpunkt der beiden Krimis steht ein verwitweter, von seinen Kriegserlebnissen schwer traumatisierter Vietnamveteran mit einem Berkeley-Abschluss, der seit seiner Heimkehr aus Asien eine Karriere als Privatdetektiv verfolgt. Der gross gewachsene und abgebrannte Mann hat nicht genügend Schlaf, raucht Gauloises und trinkt zu viel Gin; und ist hart gesotten, desillusioniert, melancholisch und immer für eine sarkastische Bemerkung gut. Er heisst Thomas Kyd und betreibt im schäbigsten Teil Hollywoods eine Privatdetektei - Spezialgebiet: Hoffnungslose Fälle.

In 'Kyd in feiner Gesellschaft' beauftragt der Möbel-Tycoon Joe Elevel Thomas Kyd, seine Tochter Charlotte aufzuspüren, die vor zwei Tagen, in der Nacht, als ihre Mutter Selbstmord beging, das Weite suchte. Der Abschiedsbrief der Mutter ist ebenso kurz wie ominös: "Charlotte weiss es. Bald werden es alle wissen. Es ist unsagbar." Die Spuren führen weit zurück in die Vergangenheit der Familie Elevel, und jeder, der etwas über den Fall weiss, kommt gewaltsam ums Leben.

Zu Beginn von 'Kyd und die Dame in Weiss' wird Thomas Kyd Zeuge eines äusserst spektakulären, aber auch folgenschweren Zwischenfalls: Kurz vor Morgengrauen braust eine junge, betrunkene Frau mit einem splitternackten Mann auf der Kühlerhaube ihres roten Volkswagens aus einer Tiefgarage in die Strassen von Los Angeles - Kyd hilft ihr aus der Klemme. Die Frau heisst Laura Cassidy, und sie ist gespalten zwischen ihren Rollen als genusssüchtige femme fatale und trauriges, hilfloses Mädchen, das von seiner Vergangenheit erdrückt wird. Der Detektiv verliebt sich in Laura, obwohl er weiss, dass diese Beziehung kein gutes Ende nehmen wird. Als kurz danach Lauras frisch gebackener Gatte, ein widerlicher Drehbuchautor, um die Ecke gebracht wird und gleichzeitig ein bedeutendes Filmskript abhanden kommt, gerät Thomas Kyd bös unter die Räder, bevor er die Lösung des dreckigen Falls ans Licht bringt.

Harris' feines Gespür für Charakterzeichnung, direkte Rede und zwischenmenschliche Beziehungen, seine schonungslosen Schilderungen der verdorbenen Metropole Los Angeles, die lakonisch-schwarzhumorige Erzählweise und natürlich die facettenreiche Hauptfigur machen 'Kyd in feiner Gesellschaft' und erst recht 'Kyd und die Dame in Weiss' (im Original mit dem chandleresken Titel 'Goodnight and Goodbye', eine Hommage an Harris' grosses Vorbild) zu zwei herausragenden Privatdetektivromane der 70er-Jahre. Auf Deutsch sind sie 1986 in einem scheusslich gestalteten Doppelband bei Heyne erschienen.

2004, nach 25 Jahren Pause, ist ein gealterter, vom Schnaps gezeichneter Thomas Kyd in 'Unfaithful Servant' zu einem eindrucksvollen, jedoch kaum beachteten Comeback als immer noch im Süden Kaliforniens arbeitender Privatdetektiv gekommen - im Auftrag eines 14-jährigen Jungen geht er einer undurchsichtigen Familientragödie auf den Grund.

Bibliografie:
Thomas Kyd-Serie: 'Kyd For Hire' - 'Kyd in feiner Gesellschaft' (1977), 'Goodnight and Goodbye' - 'Kyd und die Dame in Weiss' (1979), 'Unfaithful Servant' (2004).

++ Erstellt: Oktober 2011 ++  


Hautman, Pete

(*1952)

Geboren im kalifornischen Berkeley, aufgewachsen dort und in St.Louis Park, Minnesota, an der Seite von vier Brüdern und zwei Schwestern, studierte Pete Hautman sieben Jahre am Minneapolis College of Art & Design und an der University of Minnesota, blieb jedoch ohne Abschluss. Danach arbeitete er unter anderem als Schildermaler, Ananas-Schneider, Grafiker und im Marketing, ehe er sich in den 90er-Jahren auf das Verfassen von Romanen für Erwachsene und Jugendliche verlegte. Er pendelt mit seiner Frau, der bekannten Krimiautorin und Lyrikerin Mary Logue, zwischen dem 100-Seelen-Ort Stockholm, Wisconsin, und dem Städtchen Golden Valley, Minnesota.

Sein literarisches Debüt gab Hautman im Jahr 1993 mit der hinterhältigen Gaunerkomödie 'Schüttelscheck', dem ersten Teil einer Trilogie (wobei der 1995er Titel 'Schnelle Kohle' chronologisch am Anfang steht). Die Hauptrolle bekleidet der leidenschaftliche Pokerspieler Joe Crow aus Minneapolis, dessen Leben aus den Fugen geraten ist: Seinen Job als Cop wurde er los, nachdem er sich mit einem Vorgesetzten angelegt hatte, die Ehe liegt im Trümmern, das Kokain besorgt den Rest. Joe Crow hat nichts mehr zu verlieren - und lässt sich bei seinen Versuchen, wieder auf die Beine zu kommen, immer wieder auf haarsträubende, äusserst gefährliche Abenteuer ein.

Hautmans Standalone 'Alte Säcke auf Abwegen' (Originaltitel: 'The Mortal Nuts' - der Begriff steht für eine unschlagbare Hand im Pokerspiel) ist eine leichtfüssig erzählte, von liebevoll gezeichneten Charakteren getragene Geschichte. Im Mittelpunkt steht der 73-jährige Weltkriegsveteran und Ex-Pokerspieler Axel Speeter, der in Minnesota zusammen mit seiner gelegentlichen Bettgefährtin Sophie Roman und deren sexy Tochter Carmen eine Taco-Bude betreibt. Axel Speeter (er war bereits in der Crow-Trilogie kurz zu Gast) haust seit vielen Jahren in einem schäbigen Motel, wo er sein gesamtes Vermögen von 260'000 Dollar in Kaffekannen bunkert, weil er den Banken nicht traut. Carmen hat indes einen fatalen Hang zu den falschen Männern, diesmal zu einem Skinhead namens James Dean, der wegen Drogendelikten 30 Monate im Gefängnis einsass und sich jetzt mit seinen Kumpanen hinter Axels Kohle her ist. Die Schmalspurgangster haben die Rechnung jedoch ohne Axel Speeter und dessen ausgekochte Freunde Tommy Fabian und Sam O'Gara (Joe Crows Vater!) gemacht.

Bibliografie (nur Krimis für Erwachsene):
Joe Crow-Trilogie: 'Drawing Dead' - 'Der Schüttelscheck' (1993), 'Short Money' - 'Schnelle Kohle' (1995), 'Ring Game' (1997);
Einzelwerke: 'The Mortal Nuts' - 'Alte Säcke auf Abwegen' (auch unter dem Titel 'Alte Säcke', 1996), 'Mrs. Million' - 'Alles Asche' (1999), 'Rag Man' (2001), 'Dookickey' (2002), 'The Prop' (2006).

++ Erstellt: Februar 2016 ++  


Haywood, Gar Anthony

(*1954; schreibt auch als Ray Shannon)

Geboren und aufgewachsen in Los Angeles als Sohn eines Architekten und einer Hausfrau, war Gar Anthony Haywood neunzehn Jahre als Computertechniker tätig, ehe er Ende der 80er-Jahre zum Schreiben kam und sich als Journalist ('Los Angeles Times', 'New York Times'), Fernsehdrehbuch- und Krimiautor etablierte. Daneben arbeitet er als Grafikdesigner.

Aaron Gunner, ein schwarzer Privatdetektiv in Los Angeles, ist Haywoods Hauptfigur von bisher sechs Romanen - ein siebter Band soll (nach zehnjährigem Unterbruch) demnächst erscheinen. Gunner absolvierte in Los Angeles die Polizeischule, doch diese Berufswahl erwies sich schon nach wenigen Dienstwochen als Fehlentscheid, und er wechselte den Beruf. Die Basis für seine Ermittlungen bildet ein kleiner, schäbiger Raum in einem Frisörladen, den sein Kumpel Mickey Moore betreibt.
'Angeschwärzt' aus dem Jahr 1993, der von den Kritikern am höchsten eingestufte Band der Reihe, nimmt Bezug auf die tragischen Rassenunruhen (L.A. Riots) im Frühjahr 1992. Aaron Gunner steckt wie fast immer in argen Geldnöten, als er einen ungeheuer schwierigen Auftrag erhält: Er soll beweisen, dass Jack McGovern, ein allseits verhasster, rassistisch denkender weisser Cop, der einen 12-jährigen schwarzen Jungen erschossen hat, daraufhin dem Opportunismus des Polizeichefs zum Opfer fallend den Dienst quittieren musste und acht Monate später überraschend Selbstmord beging, damals in Notwehr gehandelt hatte - ein komplexer, mit grimmigem Humor erzählter Roman aus dem schwarzen Ghetto von Los Angeles.

Darüber verfasste Haywood zwei leichtfüssige Krimis um das pensionierte, mit fünf Kindern gesegnete Ehepaar Joe (Ex-Cop) und Dottie (Englischlehrerin) Loudermilk, das mit einem riesigen Lastwagen in den USA unterwegs ist und dabei in Kriminalfälle verwickelt wird, sowie drei Standalones (zwei davon unter dem Pseudonym Ray Shannon). Er lebt mit seiner sechsköpfigen Familie in Los Angeles.

Bibliografie:
Aaron Gunner-Serie: 'Fear of the Dark' - 'Schwarz weiss tot' (1987), 'Not Long for This Workd' - 'Sie sterben jung' (1990), 'You Can Die Trying' - 'Angeschwärzt' (1993), 'It's Not a Pretty Site' (1996), 'When Last Seen Alive' (1997), 'All the Lucky Ones Are Dead' (2000);
Joe & Dottie Loudermilk-Romane: 'Going Nowhere Fast' (1994), 'Bad News Travels Fast' (1995);
'Cemetery Road' (2010).
Als Ray Shannon: 'Man Eater' (2003), 'Firecracker' (2004).

++ Erstellt: November 2010 ++
++ Update: April 2012 ++
 


Headley, Victor

(*1959)

Victor Headley wurde auf Jamaika geboren, wo er auch aufwuchs und eine Zeit lang im Gefängnis einsass. Später ging er nach London und machte dort als Musiker, Drehbuch- und Krimiautor von sich reden. Um die Jahrtausendwende liess er sich für einige Jahre in Pointe Noir, Republik Kongo, nieder, heute lebt er wieder in London. Seine faszinierende, von originellen Gestalten bevölkerte YaRDiE-Trilogie ist in der ersten Hälfte der 90er-Jahre entstanden - der erste, bekannteste Band in einer jamaikanischen Gefängniszelle.

Der Begriff "Yardie" steht für afro-karibische - hauptsächlich aus Jamaika stammende - Gangster, die ihr Unwesen in Grossbritannien treiben. Victor Headleys "Yardie" ist der clevere und abgebrühte Gettokämpfer D. aus Kingston, der mit gefälschten Papieren und einem Kilo erstklassigem Kokain in den Londoner Stadtteil Brixton geht, um dort endlich im grossen Stile abzusahnen. Er legt seine Gang aufs Kreuz, taucht mit dem Stoff unter, spinnt Fäden - und baut in kürzester Zeit ein höchst erfolgreiches Drogenimperium auf. Schon bald aber heften sich nicht nur die alten (um das Kokain geprellten) Kumpel, sondern auch die Londoner Polizei und die lokale Konkurrenz auf seine Fersen.

In den nachfolgenden Bänden der YaRDiE-Trilogie 'Excess' und 'Yush!' kämpft D. mit allen Mitteln darum, seine Vormachtstellung im Londoner Drogengeschäft zu behaupten.

Bibliografie:
YaRDiE-Trilogie: 'Yardie' - 'Yardie' (1992), 'Excess' - 'Excess' (1993), 'Yush' - 'Yush!' (1994); 'Fetish' (1995), 'Here Comes the Bride' (1996), 'Off Duty' (2001), 'Seven Seals' (2002).

++Erstellt: September 2010 ++  


Healy, Jeremiah

(Kürzel für Jeremiah Francis Healy III, 1948-2014; schrieb auch als Terry Devane)

Jeremiah "Jerry" Healy kam im New Yorker Vorort Teaneck, New Jersey, zur Welt. Nach Abschlüssen in Politischen Wissenschaften an der Rutgers University, New Jersey (1970), und in Jura an der Harvard Law School (1973) und dem Militärdienst bei der Armeepolizei arbeitete er fünf Jahre in einer angesehenen Bostoner Kanzlei. Frisch verheiratet mit Bonnie Tisler, verbrachte er anschliessend achtzehn Jahre als Jura-Professor an der New England School of Law in Boston, parallel dazu veröffentlichte er seine ersten Short Stories und Romane. 1995 machte er das Schreiben zu seinem Hauptberuf. Seine letzten Bücher - ein Roman und zwei Geschichtensammlungen - kamen 2003 heraus, im Jahr, in dem er mit der Diagnose Prostatakrebs konfrontiert wurde - nachzulesen auf seiner Website 'jeremiahhealy.com' unter der Ruprik 'Surviving Prostate Cancer'.

Healy veröffentlichte dreizehn Krimis und zwei Geschichtenbände um den Bostoner Privatdetektiv John Francis Cuddy, zwei Einzelwerke und (unter dem Pseudonym Terry Devane) drei ebenfalls in Boston angesiedelte Justizthriller mit der jungen Anwältin Mairead O'Clare, ihrem Chef Sheldon Gold und dem Privatermittler Pontifico Murizzi als Hauptpersonen. Auf Deutsch liegt einzig der dritte Band der John Francis Cuddy-Serie vor - erschienen im Rotbuch Verlag unter dem Titel 'Guten Abend, gute Nacht', vorzüglich übersetzt durch Jürgen Bürger.

John Cuddy, ein kluger, liebenswerter, mit Waffen und Kampfsport vertrauter Vietnamveteran und ehemaliger Militärpolizist, trägt seinen Revolver im Hüfthalfter und ist mit einem alten 124er Fiat auf der Piste. Er trauert noch immer seiner jung an Krebs gestorbenen Frau Beth nach, hat viel Sinn für Humor, aber auch eine kaum verborgene gewalttätige Ader. Sein engstes Umfeld besteht aus der Staatsanwältin Nancy Meagher, mit der er zarte Bande knüpft, aus Lieutenant Robert Murphy und Sergeant Bonnie Cross von der Bostoner Mordkommission, dem Zeitungsreporter Mo Katzen und Primo Zuppone, einer zwielichtigen, mit dem organisierten Verbrechen involvierten Gestalt.

In der geschickt gebauten Geschichte 'Guten Abend, gute Nacht' befasst sich Cuddy im Auftrag eines Freundes, dem er einen Gefallen schuldet, mit einem scheinbar hoffnungslosen Fall: Der hoch intelligente 20-jährige Schwarze William Daniels hat im Kreise einer fünfköpfigen Therapie- und Selbsthilfegruppe dem zuständigen Psychiater Dr. Marek, einem Fachmann für Hypnose, gestanden, soeben seine Freundin Jennifer Creasy, eine weisse Collegestudentin aus reichem Haus, erschossen zu haben - die Tatwaffe hält er in der Hand. Cuddy spricht mit den anderen Gruppenteilnehmern, mit Personen aus Daniels' nächstem Umfeld und Jennifers Eltern, stösst auf Ungereimtheiten, fördert eine Reihe von Liebhabern des Opfers zu Tage - und dann kommt ein weiteres Mitglied der Therapiegruppe gewaltsam ums Leben.

Im Alter von 66 Jahren schied Healy nach langjähriger Depression durch Suizid aus dem Leben. Er hinterliess seine zweite Frau, die Krimiautorin Sanra Balzo, mit der er in South Florida und North Carolina gelebt hatte.

Bibliografie: John Francis Cuddy-Serie: 'Blunt Darts' (1984), 'The Staked Goat' (auch unter dem Titel 'The Tethered Goat', 1986), 'So Like Sleep' - 'Guten Abend, gute Nacht' (1987), 'Swan Dive' (1988), 'Yesterday's News' (1989), 'Right to Die' (1991), 'Shallow Graves' (1992), 'Foursome' (1993), 'Act of God' (1994), 'Rescue' (1995), 'Invasion of Privacy' (1996), 'The Concise Cuddy' (Stories, 1998), 'The Only God Lawyer' (1998), 'Spiral' (1999), 'Cuddy Plus One' (Stories, 2003).
Einzelwerke: 'The Stalking of Sheilah Quinn' (1998), 'Turnabout' (2001), 'Off Season and Other Stories' (2003).
Als Terry Devane:
Justizthriller-Serie: 'Uncommon Justice' (2001), 'Juror Number' (2002), 'A Stain Upon the Robe' (2003).

++ Erstellt: Mai 2014 ++
++ Upate: August 2014 ++
 


Heffernan, William

(*1940)

William Heffernan, geboren und aufgewachsen in New Haven, Connecticut, hatte eine 14-jährige, höchst erfolgreiche Karriere als Journalist in New York City hinter sich (er war unter anderem Reporter der 'New York Daily News' und brachte es auf drei Nominierungen für den Pulitzer-Preis), als er Ende der 70er-Jahre zur Belletristik wechselte. 1980 liess er sich in Vermont nieder, zuerst auf einer Insel im Lake Champlain, danach im Städtchen Huntington. Seit 2005 lebt der verheiratete Vater von sechs Kindern als freier Schriftsteller in Palm Harbor, Florida.

Heffernans beletristisches Werk umfasst achtzehn Kriminalromane, darunter die 1989 gestartete siebenteilige Reihe um den New Yorker Police Detective Paul Devlin, einen jungen, feinfühligen Cop, der mit seiner Schwester Beth und seiner kleinen Tochter Philippa in einem heruntergekommenen Haus lebt, seitdem seine Frau vor einigen Jahren, kurze Zeit nach Philippas Geburt, bei einem Autounfall getötet wurde.

Der erste (und einzige in deutscher Sprache vorliegende) Band der Paul Devlin-Serie 'Das Ritual' gehört eigentlich Devlins direktem Vorgesetzten Lieutenant Stanislaus Rolk, einem charismatischen, unberechenbaren Cop mit polnischen Wurzeln, der vor fünfzehn Jahren von Frau und Tochter verlassen wurde - die beiden sind seither spurlos verschwunden. Die Erzählung dreht sich um einen Mörder, der junge Menschen der toltekischen Gottheit Quetzalcoatl opfert: Er enthauptet seine Opfer mit einer 700 Jahre alten Axt und verstümmelt sie dann mit einem Obsidianmesser, die Köpfe findet man später im Labor des Metropolitan Museums, das gerade eine umfassende Ausstellung über das Volk der Tolteken präsentiert. Nach einem hoch dramatischen, für Devlin äusserst traumatischen Finale, bei dem Rolk gewaltsam ums Leben kommt, verlässt der Detective die Grossstadt und arbeitet in zweiten Roman 'Blood Rose' als Polizeichef in einem verschlafenen Städtchen in Vermont, kehrt indes im folgenden Band 'Scarred' nach New York City zurück, um fortan eine Elitetruppe des NYPD in den Kampf zu führen.

Einer breiten Leserschaft bekannt wurde Heffernan bereits 1983 mit seinem dritten Roman, dem Einzelwerk 'Der Opium-Pate'. In dessen erstem Teil behandelt der Autor den Aufstieg des korsischen Patriarchen Bounaparte Sartane, der, protegiert durch den amerikanischen Geheimdienstoffizier Matt Bently, nach dem Zweiten Weltkrieg die Herrschaft über den südostasiatischen Opiumhandel erringt, indem er die Kommunisten auf rigorose Weise aus dem Geschäft drängt. Als Bounaparte seinen einzigen Sohn Jean bei einem Machtkampf mit konkurrierenden Gangstern verliert, bringt er seinen Enkel Pierre in den USA in Sicherheit - dieser wächst nun als Peter Bently bei Matt Bently auf. Im zweiten, in den 60er-Jahren vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs und des geheimen Kriegs in Laos spielenden Teil des umfangreichen Buches nimmt Pierre Rache an den Mördern seines Vaters. Der spannende, zwischen Polit- und Rachethriller oszillierende und mit amourösen Verwicklungen aufwartende Roman leidet unter der etwas holzschnittartigen Zeichnung der Haupt- und Nebenfiguren.

'Im Sog der Macht' sieht Tony Marco im Mittelpunkt, den aufstrebenden, den Slums von Brooklyn entstammenden Vorsitzenden der von Korruptionsskandalen erschütterten New Yorker Hafenarbeiter-Gewerkschaft, der seine Position als Sprungbrett für eine politische Karriere benutzen möchte. Seine Gegenspieler sind Paul Levine, der vierschrötige, gewalttätige Organisationsleiter der Gewerkschaft, und Marcos Jugendfreund Pete Moran von der Mordkommission des NYPD, der Marco eine weit zurückliegended Frauengeschichte nie verziehen hat. Eine zentrale Rolle spielt auch die junge Journalistin Jennifer Brady, die für einen Artikel über Marco in dessen Vergangenheit und im Dreck der Gewerkschaft herumwühlt - und dabei auf Moran als wichtigen Zeugen stösst. Im Verlauf des tempostarken, an Gewaltakten und Sexszenen reichen Thrillers blickt der Autor zurück auf Marcos Jugend- und Studentenzeit, auf dessen Anfang und Aufstieg bei der Gewerkschaft.

Heffernans am höchsten eingestufter Roman ist 'Beulah Hill' aus dem Jahr 2000 (keine deutsche Übersetzung). Angesiedelt in der Vermonter Kleinstadt Jerusalem's Landing in der Zeit der Grossen Depression, kreist er um den gewaltsamen Tod des weissen Grossgrundbesitzer-Sprösslings Royal Firman, dessen verstümmelte Leiche auf Beulah Hill, in der Nähe des Wohnsitzes des stolzen Schwarzen Jehiel Flood, aufgefunden wird. Zusammen mit Sheriff French Le May führt Constable Samuel Bradley die Ermittlungen durch - ausgerechnet er, der von schwarzen, seinerzeit im Dienste der Familie Firman stehenden Sklaven abstammt und seit seiner Jugendzeit Jehiels Tochter Elizabeth liebt.

Bibliografie:
'Broderick' (1980), 'Caging the Raven' (1981), 'The Corsican' - 'Der Opium-Pate' (1983), 'Acts of Contrition' - 'Im Sog der Macht' (1986), 'Corsican Honor' (1991), 'The Dinosaur Club' (1997), 'Cityside' (1997), 'Beulah Hill' (2000), 'A Time Gone by' (2003), 'The Dead Detective' (2010), 'When Johnny Came Marching Home' (2012);
Paul Devlin-Serie: 'Ritual' - 'Das Ritual' (1989), 'Blood Rose' (1991), 'Scarred' (1993), 'Tarnished Blue' (1995), 'Winter's Gold' (1996), 'Red Angel' (2000), 'Unholy Order' (2002).

++ Erstellt: Februar 2013 ++  


Heimann, Alexander

(1937-2003)

Alexander Heimann wurde als Sohn des Schriftstellerehepaars Erwin Heimann und Gertrud Heizmann im Berner Weiler Ferenberg am Fuss des Bantigers geboren. Er absolvierte die Berner Buchhändlerschule und übte seinen Beruf dann in London, Paris und Bern aus. Daneben arbeitete er als Publizist und Autor. Sein Werk enthält Romane, Erzählungen, Gedichte, Texte zu Sachbüchern, drei Hörspiele und das Kriminalstück 'Höhenkoller'. Heimann starb in seinem 66. Lebensjahr in Bern.

Geschult an Friedrich Glauser, Friedrich Dürrenmatt und vor allem Georges Simenon veröffentlichte Heimann von 1980 bis 2001 acht psychologisch ausgefeilte, in einer kraftvollen, mit Schweizer Idiomen durchsetzten Sprache erzählte und stets mit neuen Charakteren und Milieus aufwartende Kriminalromane, von denen 'Wolfszeit' am meisten Zuspruch erhielt und 'Dezemberföhn' (1997) und 'Muttertag' (2002) mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurden.

'Wolfszeit' erzählt die Geschichte des alten, gebrechlichen, in einem unwirtlichen Haus im Berner Mittelland wohnenden Witwers Rufer, der, ginge es nach seinen beiden Töchtern, längst in einem Altersheim untergebracht wäre. Doch Rufer wehrt sich dagegen, will selbständig bleiben und weiterhin in seiner Werkstatt Schaukelpferde zimmern. Eines Abends, kurz vor Weihnachten, entdeckt er auf seinem verschneiten Grundstück eine Blutspur, die in den Keller zieht.

'Dezemberföhn' spielt im Spätherbst 1955, unheimliche Geschehnisse verdüstern die Stimmung im (erdachten) Berner Dorf Hinterzünen: Ein Mann lauert nachts den Mädchen auf und versetzt sie in Angst und Schrecken, eine Katze wird auf grausame Weise getötet. Josi, ein geistig zurückgebliebener Hilfsarbeiter mit gewalttätigen Neigungen, gerät in den Fokus der aufgebrachten Bevölkerung, und auch dem Ostschweizer Künstler und Schriftsteller Josua Kniehorn, der im Dorf seine Ruhe finden und ein neues Leben anfangen will, traut man nicht über den Weg. Dann kommt der 17. Dezember, der Föhn hebt die Temperatur auf fast sommerliche Werte - und die aufgeheizte Stimmung entlädt sich in Akten sinnloser Gewalt.

'Muttertag' ist Heimanns letzter Krimi. Der geschiedene und vereinsamte, nach einem Herzinfarkt frühpensionierte Berner Kantonspolizist Hans Kammermann trifft an der Aare auf eine verstörte, etwas verwahrloste junge Frau, Silvia, deren kleiner Junge eben entführt worden ist, und nimmt sich contre coeur ihrer an. Einige Monate zuvor haben Margret und Roman Bühler ihren einzigen Sohn, den zweijährigen Kevin, durch einen tragischen Unfall verloren, und machen seither die Hölle durch. Margret, ausser Stande, den Schicksalsschlag zu verarbeiten, beschafft sich Ersatz. Die beiden Schmalspurganoven Max und Kurt beobachten Margrets Tat und planen jetzt eine Erpressung. Kunstvoll verknüpft Heimann diese drei Handlungsstränge zu einer stimmungsvollen, psychologisch einfühlsamen Geschichte.

Bibliografie:
'Lisi' (1980), 'Die Glätterin' (1982), 'Bellevue' (1984), 'Nachtquartier' (1987), 'Honolulu' (1990), 'Wolfszeit' (1993), 'Dezemberföhn' (1996), 'Muttertag' (2001).

++ Erstellt: Dezember 2011 ++  


Héléna, André

(1919-1972; schrieb auch als Noël Vexin, Buddy Wesson, Terry Crane, Mauren Sullivan, Kathy Woodfield, Andy Ellen, Andy Helen, Alex Cardourcy, Herbert Smally, Jean Zerbibe, Szonolock Laszlo, Robert Tachet, Clark Corrados, Peter Colombo, Trehall, Joseph Benoist, Lemmy West und C. Cailleaux)

André Héléna wurde als Sohn eines bekannten Archäologen im südfranzösischen Städtchen Narbonne geboren und wuchs dort und im nahe gelegenen Küstenort Leucate auf. 1936, im zarten Alter von siebzehn, zog er nach Paris und assistierte Henri Diamant-Berger bei der Verfilmung eines Arsène Lupin-Streifens. Im selben Jahr gab er seine erste Gedichtsammlung unter dem Titel 'Le bouclier d'or' heraus.

Héléna nahm am spanischen Bürgerkrieg teil und trat 1944 in Südfrankreich der Résistence bei. In diese wilde Zeit fiel seine Ehe, die jedoch von kurzer Dauer war. Nach dem Krieg liess er sich in Paris nieder, führte ein Bohèmeleben im Montparnasse und verrichtete Gelegenheitsjobs wie Buchhändler und Verkäufer von Insektiziden.

1947 gründete Héléna eine kleine Lyrikzeitschrift. Ein Jahr danach wurde er in diesem Zusammenhang wegen Betrügereien zu sechs Monaten Haft verurteilt. Nach seiner Freilassung begann er Romane zu schreiben, wobei er - schamlos ausgebeutet durch seine Verleger - ein horrendes Tempo einschlug: Unter zahlreichen, auch weiblichen Pseudonymen veröffentlichte er rund 200 Bücher (allein 1953 waren es 18 Stück) - vorwiegend Schund, aber auch einige Perlen wie etwa die sozialkritischen, den frühen Werken seines Freundes Léo Malet verpflichteten Noir-Romane 'Die Bullen haben immer recht' und 'Dem Lieben Gott ist es scheissegal', seine einzigen Schriften, die ins Deutsche übersetzt worden sind. Vereinsamt und vergessen, vom Alkohol gezeichnet, starb er 53-jährig in Leucate.

Hélénas Protagonisten sind verbitterte, grossmäulige Aussenseiter, die sich stets auf der Flucht befinden in einer trostlosen, einzig vom Geld gelenkten Welt, in der überall Verrat lauert, in der es keine Hoffnung gibt.

Etwa Félix Froment in 'Dem lieben Gott ist es scheissegal' - aufgewachsen als Spross eines Säufers und einer Nutte in einer unbenannten französischen Stadt -, der mit siebzehn nach Paris geht und seinen Lebensunterhalt fortan mit Einbrüchen bestreitet. Als er von seiner Freundin und seinem Partner betrogen und verraten wird, knallt er die beiden im Zorn ab und wird verhaftet. Viele Jahre später gelingt ihm die Flucht aus dem Straflager in Französisch-Guyana. Er kehrt zurück in das Quartier seiner Kindheit, verübt einen Juwelenraub, der ihm die Möglichkeit verschafft, mit einer neuen Identität unterzutauchen, doch die Bullen sind ihm dicht auf den Fersen. Kalter Regen und die traurigen Klänge eines Akkordeons begleiten Froment auf seinem Weg, der im Kugelhagel seiner Verfolger endet.

Oder Théophraste Renard, genannt Bob, in 'Die Bullen haben immer recht', der nach einem missglückten Juwelenraub drei Jahre hinter Gitter kam und jetzt ein neues Leben an der Seite eines netten Mädchens beginnen möchte. Doch daraus wird nichts - die Verhältnisse im Frankreich der Nachkriegszeit verhindern dies, treiben den "Tricard" (Slang-Ausdruck für "persona non grata", eine Person, die nach Verbüssung der Haftstrafe Aufenthaltsverbot hat, angeblich zum Schutz der Gesellschaft) immer mehr in die Illegalität. Im zweiten Teil der Erzählung setzt sich der Autor mit den menschenunwürdigen - von Hass, Unterwerfung und Denunziation, Gewalt und Folter geprägten - Haftbedingungen in dieser nicht weit zurückliegende Zeit auseinander.

Bibliografie (nur Noir-Romane):
'Les flics ont toujours raison' - 'Die Bullen haben immer recht' (1949), 'Le Bon Dieu s'en fout' - 'Dem lieben Gott ist es scheissegal' (1949), 'Les salauds ont la vie dure' (1949), 'Le goût du sang' (1953), 'Le baiser à la veuve' (1953), 'Les clients du Central Hôtel' (1959), 'Par mesure de silence' (1965).

++ Erstellt: April 2014 ++  


Hensley, Joe L.

(Kürzel für Joseph Louis Hensley, 1926-2007; schrieb - zusammen mit Alexei Panshin - auch als Louis J.A. Adams)

Joe L. Hensley, geboren in Bloomington, Indiana, beendete seine schulische Ausbildung 1944 an der Bloomington's University High School und ging dann zur Navy. 1950 machte er einen Bachelor-Abschluss an der Indiana University, im selben Jahr vermählte er sich mit Charlotte Ruth Berlinger. Im Koreakrieg diente er wiederum bei der Navy, diesmal als Journalist. 1955 schloss er sein Jurastudium an der Indiana University School of Law School ab. Er liess sich daraufhin in Madison, Indiana, nieder und arbeitete in den folgenden gut dreissig Jahren in der Jurisprudenz - als Staatsanwalt und selbständiger Jurist, einige Zeit auch als Richter. 2007, sieben Jahre nach seiner Frau, starb er 81-jährig in Madison. Er hinterliess einen Sohn namens John.

Nebenberuflich verfasste Hensley neunzehn Krimis sowie rund hundert Sciencefiction- und Kriminal-Stories. Seine bedeutendste literarische Figur ist der kluge, liberal gesinnte Anwalt Donald "Don" Robak, ein Veteran des Koreakriegs mit polnisch-irischen Wurzeln, der sich in der fiktiven Kleinstadt Bington, Indiana, in verschiedenen Funktionen der Jurisprudenz widmet. Im Fortgang der Serie vermählt sich Robak in zweiter Ehe mit Jo und wird Vater eines Sohnes.

Als beste Bände der gefühlvollen, in einer präzisen Sprache erzählten, mit Gerichtsszenen geizenden, dafür aber mit eindrucksvollen Charakterzeichnungen aufwartenden Reihe gelten 'Robak's Cross' und der die Serie beschliessende Titel 'Robak in Black', auf Deutsch ist allerdings nur der erste Roman unter dem Titel 'Exekution in sieben Tage' verfügbar.

Auch in Henleys erstem Krimi, dem Einzelwerk 'Stumme Zeugen', steht ein furchtloser Rechtsanwalt im Mittelpunkt: Sam April, der junge Pflichtverteidiger des vorbestraften Schwarzen Alphonse Jones, dem der brutale Mord an einer schönen weissen Frau zur Last gelegt wird (Rassenfragen kommen jedoch nur ganz peripher zur Sprache). Die Stimmung in der namenlosen Kleinstadt ist geladen, und April weiss, dass er den wahren Täter überführen muss, um seinen Klienten vor der Todesstrafe zu bewahren.

Bibliografie:
'The Color of Hate' (auch unter dem Titel 'Color Him Guilty') - 'Stumme Zeugen' (1960), 'The Poison Summer' - 'Giftiger Sommer' (1974), 'The Black Roads' (1976), 'Fort's Law' (1987), 'Grim City' (1994), 'Loose Coins (gemeinsam mit Guy M. Townsend, 1998), 'Snowbird's Blood' (2008);
Don Robak-Serie: 'Deliver Us to Evil' - 'Exekution in sieben Tagen' (1971), 'Legislative Body' (1972), 'Song of Corpus Juris' (1974), 'Rivertown Risk' (1977), 'A Killing in Gold' (1978), 'Minor Murders' (1979), 'Outcasts' (1981), 'Robak's Cross' (1985), 'Robak's Fire' (1986), 'Robak's Firm' (Short Stories, 1987), 'Robak's Run' (1990), 'Robak's Witch' (1997), 'Robak in Black' (2001).

++ Erstellt: Dezember 2012 ++  


Hentoff, Nat

(Kürzel für Nathan Irving Hentoff, *1925)

Nat Hentoff wurde als ältester Sohn einer russisch-jüdischen Einwanderer-Familie in Boston geboren. Er studierte an der Boston Latin School, der Northeastern University in Boston und an der Harvard University und verbrachte dann ein Jahr als Flubright-Stipendiat an der Pariser Sorbonne. 1953 zog er nach New York City, um eine journalistische und schriftstellerische Laufbahn zu verfolgen. Von 1953-57 war er Redakteur des Magazins 'Down Beat', von 1958-61 von 'The Jazz Review'. Später arbeitete er als Kolumnist für Printmedien wie 'The Village Voice', 'Wall Street Journal' 'Washington Times', 'Hustler', 'The New Yorker' und verfasste eine Reihe von Biografien, Jazz-, Kinder- und Jugendbüchern sowie unzählige Jazzkritiken. Im Jahr 2001 erschienen seine Jugenderinnerungen 'Boston Boy - growing up with jazz and other rebellious passions'. Nach zwei kurzen Ehen ist er seit 1959 mit Margot Goodman verheiratet, der Mutter seiner beiden Kinder.

Im Jahr 1982 veröffentlichte Hentoff, der nicht nur Count Basie und dessen Bigband auf Tourneen, sondern auch die Cops der New Yorker Mordkommission bei ihren Ermittlungen hautnah begleitet hatte, den Krimi 'Was zum Teufel wird aus dieser Stadt?'. Der harte, mit pointierten Dialogen aufwartende Polizeiroman dreht sich um Noah Green (jüdisch-stämmig) und Sam McKibbon (schwarz), zwei desillusionierte, eng miteinander befreundete Detectives von der Mordkommission des NYPD, die nichts mehr aus der Ruhe bringt. Doch jetzt ist die weisse Frau eines angesehenen Literaturprofessors ermordet aufgefunden worden, und ihr Vorgesetzter Lieutenant Fortunato Randazzo macht mächtig Druck.

Noah Green, seit einem Jahr in zweiter Ehe verheiratet mit einer zwanzig Jahre jüngeren Reporterin, die gerade ein Kind bekommen hat, bekleidet auch in Hentoffs zweitem (und letztem) Krimi 'Lass sie nicht aus den Augen!' die Hauptrolle, mit einem neuen Partner, denn Sam McKibbon ist in den Ferien. Sein neuer Fall konfrontiert ihn mit halbierten Leichen, die in Mülltonnen aufgefunden werden. Gleichzeitig gerät er ins Visier der polizeiinternen Überwachungsabteilung "Internal Affairs Division" - ein fast nicht zu ertragender Tiefschlag für den zur Melancholie neigenden Polizisten, der sich nie etwas zu Schulden kommen liess.

Hentoff erzählt seine schnellen, originellen, von kantigen Figuren bevölkerten Krimis mit viel schwarzem Humor und zeichnet ein ungemein farbiges und detailreiches Bild von "Alphabet City" (East Side, Manhattan), dieses multikulturellen, von Bohemians und Künstlern, aber auch von Zuhältern und Nutten, Dealern und Junkies bevölkerten Stadtteils der schillernden Metropole. Dabei ist 'Was zum Teufel wird aus dieser Stadt?' das bessere Buch: Sam McKibbon fehlt in 'Lass sie nicht aus den Augen' an allen Ecken und Enden.

Bibliografie:
Noah Green & Sam McKibbon-Romane: 'Blues For Charlie Darwin - 'Was zum Teufel wird aus dieser Stadt?' (auch unter dem Titel 'Die Bluthunde kommen', 1982), 'The Man From Internal Affairs' - 'Lass sie nicht aus den Augen!' (1985).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
++ Update: November 2013 ++
 


Hey, Richard

(1926-2004)

Richard Hey, geboren in Bonn als ältestes von drei Kindern des bekannten Rechtmediziniers Rolf Hey, aufgewachsen in Greifswald, Pommern, und Frankfurt/Main, studierte Musik, Geschichte und Germanistik, brach dann aber sein Studium ab, um als Regieassistent, Journalist und Musikkritiker zu arbeiten. Ab Anfang der 50er-Jahre schrieb er Bühnenstücke und -texte, Hörspiele, Kriminalerzählungen sowie Drehbücher für Film und Fernsehen, unter anderem den 'Tatort'. 1972 bis 1976 war er Mitherausgeber der AutorenEdition des Bertelsmann-Verlags, 1975/76 Schauspieldramaturg in Wuppertal. 1976 wurde er freischaffender Autor. Kurz nach der Publikation seiner Erinnerungen Die schlafende Schöne in Formalin' starb er 78-jährig in Berlin, wo er die meiste Zeit seines Erwachsenenlebens verbracht hatte.

Zwischen 1973 und 1980 veröffentlichte Richard Hey drei sozialkritische, um Probleme wie Jugendgewalt, Fremdenhass und Drogenhandel kreisende Kriminalromane mit der empathischen, politisch links stehenden Westberliner Oberkommissarin Katharina Ledermacher, genannt die Ledermacherin, in der Hauptrolle - intelligent und schnörkellos geschriebene, unprätentiöse Police-Procedural-Novels mit einer fein und glaubhaft skizzierten Protagonistin. Katharina Ledermacher, eine Frau mit traumatischer Kindheit, geschiedene Mutter einer heranwachsenden Tochter namens Kathinka, mit einem Lehrer im Konkubinat lebend, quittiert den Dienst am Ende des dritten Bandes, weil sie die Militarisierung des Polizeiapparats ablehnt.

Viel Raum gibt Richard Hey der vielschichtigen, überwiegend freundschaftlichen Beziehung zwischen Katharina und ihrer Tochter, die zunächst noch beim Vater in der Schweiz lebt, später, in ihrer rebellischen Phase, der Mutter manche schlaflose Nacht bereitet, gegen Ende der Trilogie einen Sohn zur Welt bringt und sich mit ihm in einer Wohngemeinschaft niederlässt.

In 'Feuer unter den Füssen', der 1981 erschienenen Romanversion des von Hey verfassten Drehbuchs zum Tatort-Krimi 'Der Mann auf dem Hochsitz', ermittelt mit der Mainzer Oberkommissarin Marianne Buchmüller eine neue (mit der Ledermacherin befreundete) Polizistin einen brisanten, bis in die Zeit der Nazi-Diktatur zurückreichenden Mordfall.

In den 80er-Jahren liess Hey zwei Bände mit Kriminalerzählungen und drei nicht dem Krimigenre zuzurechnende Romane folgen, unter ihnen die Sciencefiction-Geschichte 'Im Jahr 95 nach Hiroshima'. 1999 beendete er seine schriftstellerische Laufbahn.

Im Jahr 2008 veröffentlichte Uwe Friesel mit 'Goldaugenmusik' einen Krimi, der auf einem nachgelassenen Fragment eines Ledermacher-Romans beruht - mit Kathrin Ledermacher und Friesels Serienfigur Guido Blankenhorn als Privatermittler.

Bibliografie:
Kommissarin Katharina Ledermacher-Serie: 'Ein Mord am Lietzensee' (1973), 'Engelmacher und Co' (1975), 'Ohne Geld singt der Blinde nicht' (1980);
'Feuer unter den Füssen' (1981).

++ Erstellt: Januar 2016 ++  


Higgins, George V.

(1939-1999)

George V. Higgins, geboren in Brockton, Massachusetts, als Sohn irisch-amerikanischer Katholiken (beide Lehrer), wuchs dort und in der nahe gelegenen Stadt Rockland auf, wo er 1957 die High School abschloss. Er studierte Englisch und Jura am Boston College und an der Stanford University, Kalifornien, und arbeitete nebenbei als Journalist und Polizeireporter in Boston und Springfield. Daraufhin war er lange Jahre gleichzeitig als Kolumnist ('New York Times', 'Washington Post', 'Boston Globe', 'Wall Street Journal', 'Atlantic Monthly' u.a.) sowie - von 1967 bis 1973 als Staatsanwaltschaft, Spezialgebiet Organisiertes Verbrechen, danach bis 1982 in seiner eigenen Bostoner Kanzlei - als Jurist tätig (er verteidigte unter anderem den Watergate-Verschwörer G. Gordon Liddy und den Bürgerrechtler Eldridge Cleaver). Parallel dazu machte er sich einen Namen als Autor von kleinen schmutzigen Geschichten aus der Bostoner Unterwelt. 1987 wurde er Professor für Kreatives Schreiben an der State University of New York in Buffalo, später unterrichtete er dieses Fach an der Boston University. Neben seinen über zwanzig Romanen, von denen sechs auf Deutsch vorliegen, veröffentlichte er Sachbücher über Politik, Baseball und das Schreiben.

Higgins verstand sich vortrefflich auf schnelle, schnörkellose Handlungsführung - doch die Handlung macht nur einen verschwindend kleinen Teil seiner Geschichten aus. Denn Higgins' Domäne ist die direkte Rede: Ausufernde Monologe und Dialoge, in denen sich Berufliches (Geld, Einfluss, Verbrechen und Macht) mit Privatem (Frauen, Familie, Autos und Gebresten) ständig vermischen, unsinniges Gerede über Banalitäten, Schmieden und Verwerfen von Plänen, Andeuten und Zaudern, Einschüchtern und Schmeicheln - alles im Slang der Strasse, in der Fachsprache der Ganoven. Eine einzigartige, zwischen Hochkomik und Tragik hin und her springende Prosa um kleine Gauner, schmierige Geschäftsleute, grossspurige Gangster, fiese Cops und bestechliche Politiker.

Der literarische Durchbruch gelang Higgins gleich mit seinem ersten, 1971 erschienenen Krimi 'Die Freunde von Eddy Coyle', der wenig später von Peter Yates mit Robert Mitchum verfilmt wurde. In dieser lässig erzählten, zu 90% aus direkter Rede bestehenden Geschichte behandelt der Autor sämtliche Aspekte der Waffenschieberei. Ganoven und Terroristen jeder Couleur, aber auch Polizisten und ihre Spitzel sind in die undurchsichtigen Geschäfte verwickelt. Und der kleine Zwischenhändler Eddy "Fingers" Coyle hat nicht nur Freunde, wie er zu seinem Leidwesen feststellen muss.

In Higgins' nachfolgendem Krimi 'Ausgespielt' verspielt Jerry "Digger" Doherty - eloquenter Familienvater, Besitzer der Bar 'The Bright Red', jüngerer Bruder eines angesehenen Priesters - beim Black Jack in Las Vegas sein kleines Vermögen. Er steht nun mit achtzehn Riesen bei einem Kredithai in der Kreide, und dessen Eintreiber, "Der Grieche", zählt zu den rabiatesten Vertretern seiner Zunft. Doch Digger baut auf die Hilfe seiner alten Kumpel Mikey-Mike, Marty und Harrington. Gemeinsam planen sie ein paar kleine Coups, die ihnen das nötige Bargeld einbringen sollen.

Higgins' dritter Krimi 'Ich töte lieber sanft', im Original 'Cogan's Trade', kam 2012 mit Brad Pitt als Jackie Cogan in die Kinos ('Killing Them Softly'). Zwei nicht allzu schlaue Kleinkriminelle überfallen in Boston eine illegale Pokerrunde der Mafia und setzen sich mit üppiger Beute ab. Jackie Cogan, Troubleshooter des Syndikats, soll zum Rechten schauen und die beiden abservieren. Dies das karge Rohmaterial, doch was der Autor daraus macht...

Zu Higgins' herausragenden Werken zählt 'Heisser Abriss' (im Original: 'The Rat on Fire'), eine figurenreiche, ungemein zynische Geschichte, in der soziale Missstände wie beiläufig dargestellt sind und, wie immer bei diesem Autor, fast pausenlos geredet wird. Der schlaue Rechtsanwalt Jerry Fein und der ebenfalls mit allen Wassern gewaschene Feuerpolizist Bill Malatesta besitzen Wohnhäuser in einem Bostoner Bezirk, der zur Slumgegend geworden ist, keiner zahlt mehr die Miete. Was tun? Ihr Kumpan, der Gangster Leo Proctor, kommt auf die Lösung: Ein Dutzend Ratten einfangen (die Scheissviecher, die sich in den Häusern dick gefressen haben, kommen, so Jerry Fein, ja auch nicht für die Miete auf), mit Benzin übergiessen, freilassen, ein Zündholz anstreichen, und die brennenden Ratten werden versuchen, in die Schlitze zu fliehen, in denen sich die elektrischen Leitungen befinden - Kurzschluss, Grossbrand, Versicherungsgeld einstreichen. Ein perfekter Plan, wenn nicht beim ersten Anschlag ein junger Schwarzer ums Leben gekommen wäre.

Von Higgins' vergnüglichem (von 1980 bis 1996 erschienenem) Vierteiler um den ausgekochten, etwas heruntergekommenen Bostoner Strafverteidiger und Ich-Erzähler Jeremiah F. Kennedy, genannt Jerry, ist einzig der erste Band 'Der Anwalt' ins Deutsche übertragen worden - ein exquisiter Lesegenuss mit herrlichen, aus dem Leben gegriffenen Dialogen. Kennedy, zu Beginn der Reihe Anfang vierzig, lebt mit seiner Frau Joan, genannt Mack, die ihn als "besten schmierigen Strafverteidiger in Boston" bezeichnet, und ihrer Tochter Heather, genannt Saigon, in einem Haus mit vier Schlafzimmern in Braintree Highlands, Massachusetts, die Familie zerfällt jedoch nach dem zweiten Buch. Seine Klienten sind Typen wie Teddy Franklin, einer der besten Autodiebe der Ostküste (Spezialgebiet Cadillacs), dem leider der Führerschein abhandengekommen ist - ein Polizist soll ihn gegessen haben; Donald French, ein etwas einfältiger Drogenkurier; der schlagkräftige Zuhälter Captain Midnight; Nutten, Pusher und Junkies. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der für vorzügliche Unterhaltung sorgt.

Higgins war zweimal verheiratet, von 1965 bis 1979 mit Elizabeth Mulkerin, danach bis zu seinem Tod mit Loretta Lucas Cubberley, und hatte einen Sohn und eine Tochter aus erster Ehe. Eine Woche vor seinem 60. Geburtstag starb er in seinem Haus in Milton, Massachusetts, an einem Herzinfarkt.

Bibliografie:
The Friends of Eddie Coyle' - 'Die Freunde von Eddie Coyle' (auch unter dem Titel 'Hübscher Abend bis jetzt', 1971), 'The Digger's Game' - 'Ausgespielt' (1973), 'Cogan's Trade' (auch unter dem Titel 'Killing Them Softly') - 'Ich töte lieber sanft' (1974), 'A City on a Hill' (1975), 'The Judgement of Deke Hunter' (1976), 'Dreamland' (1977), 'A Year or So With Edgar' (1979), 'The Rat on Fire' - 'Heisser Abriss' (1981), 'The Patriot Game' (1982), 'A Choice of Enemies' (1983), 'Imposters' (1986), 'Outlaws' (1987), 'The Sins of the Fathers' (1988), 'Trust' (1989), 'Victories' (1990), 'The Mandeville Talent' - 'Der Fall Mandeville' (1991), 'Bomber's Law' (1993), Swan Boats at Four' (1995), 'A Change of Gravity' (1997), 'The Agent' (1999), 'At End of Day' (2000);
Jerry Kennedy-Serie: 'Kennedy for the Defense' - 'Der Anwalt' (1980), 'Penance for Jerry Kennedy' (1985), 'Defending Billy Ryan' (1992), 'Sandra Nichols Found Dead' (1996).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2013 ++
 


Higson, Charles

(*1958)

Charles Higson, geboren in Frome, Somerset, ausgebildet an der University of East Anglia, war unter anderem Sänger der nicht besonders erfolgreichen Rockband 'The Higsons', Tapezierer und TV-Komiker ('Saturday Live', 'Loadsamoney'), bevor er in der ersten Hälfte der 90er-Jahre drei Noir-Thriller und die humoristische Yuppie-Groteske 'Mein Höllentag mit Mr. Kitchen' zu Papier brachte. Heute arbeitet er als Filmproduzent, Drehbuchautor und Schauspieler beim britischen Fernsehen und verfasst Bücher für Kinder und Jugendliche (Young James Bond-Romane, Zombie-Reihe). Higson ist seit 1995 verheiratet, hat drei Kinder und lebt in London.

In Higsons erstem Krimi 'König der Ameisen' wurstelt sich der psychisch labile, unlängst von seiner Freundin verlassene Underdog Sean Crawley in London mit Gelegenheitsarbeiten, Biertrinken und Kiffen durchs Leben, bis er eines Tages auf den cleveren Ganoven Duke Wayne trifft, der ihm einen gut bezahlten, jedoch etwas undurchsichtigen Job als Privatdetektiv vermittelt: Er soll den Buchhalter Gatley beschatten, der drauf und dran ist, Schmiergeldtransaktionen zwischen einem Bauunternehmer und der Stadtverwaltung aufzudecken. Später wird der Auftrag jedoch leicht modifiziert: Sean soll den aufsässigen Buchhalter besser gleich umlegen. Er tut dies auch - und muss nun die bittere Pille schlucken, dass man ihn aufs Kreuz gelegt hat. Doch Sean lässt sich nicht so leicht ins Boxhorn jagen und schlägt gnadenlos zurück.

'Museum der geheimen Leidenschaften', Higsons bekanntester Roman, erzählt die traurigen Lebensgeschichten zweier gequälter Seelen: des Teenagers Will Summers, der seinen Sexualtrieb auslebt, indem er heimlich in Häuser eindringt ("Häuser fickt"), während deren Bewohner zugegen sind; und des eigenbrötlerischen Druckereibesitzers Tom Kendall, der ganz in seiner Arbeit aufgeht, bis er sich während einer Psychotherapie-Sitzung in eine unglücklich verheiratete Frau verliebt. Als Will und Tom sich zufällig über den Weg laufen, ist die Katastrophe unausweichlich.

'Das Alphabet der Gewalt' dreht sich um Dennis Pike, in seiner Jugend führendes Mitglied einer Gang, die dummerweise zwei Morde begangen hat. Heute, zehn Jahre nach seinem Fehlstart, versucht Pike, ein anständiges Leben zu führen, hat fünfundzwanzig Riesen auf der hohen Kante, träumt vage von einem Leben in Kanada, bis ihn die Vergangenheit in der Gestalt von Chas Bishop einholt, der ihn um seine Ersparnisse erleichtert. Gemeinsam mit Chas' Bruder Noel macht sich Pike auf die Verfolgung des Betrügers, dem auch zwei dumpfe Psychopathen namens Terry und Basil im Nacken sitzen - eine gewalttätige Jagd nimmt ihren Lauf.

Bibliografie:
'King of the Ants - 'König der Ameisen' (1992), 'Happy Now' - 'Museum der geheimen Leidenschaften' (1993), 'Full Whack' - 'Das Alphabet der Gewalt' (1994).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: September 2012 ++
 


Hightower, Lynn S.

(*1956)

Lynn S. Hightower kam in Chattanooga, Tennessee, zur Welt und wuchs in Georgia und Virginia auf, ehe sie sich mit ihren Eltern in Lexington, Kentucky, niederliess, wo sie auch heute noch lebt. Sie studierte Creative Writing an der University of Kentucky und machte einen Abschluss in Journalismus. In den 90er-Jahren wurde das Schreiben zu ihrem Hauptberuf. Für ihre Recherchen war sie mit Polizisten und Privatdetektiven unterwegs und nahm an Autopsien teil. Neben dem Schreiben unterrichtet Hightower - online - Schreiben am UCLA Extension Writher's Programm. Ihr letzter Krimi ist 2005 erschienen.

Hightowers bekannteste Krimiserie dreht sich um die Polizistin Sonora Blair, eine jung verwitwete, allein erziehende Mutter von zwei Kindern und Besitzerin eines fetten, dreibeinigen Hundes, die mit ihrem Partner Sam Delarosa beim Cincinnati Police Department tätig ist. 'Zahltag', ein gradlinig, mit feinem Humor erzählter Krimi, bildet den Höhepunkt der kleinen Reihe. Es geht um die Aufklärung eines Mordfalls, bei dem eine durchschnittliche Familie aus Cincinnati brutal ermordet wird - scheinbar ohne Grund. Die Geschichte bezieht ihre Spannung aus detailreichen Schilderungen der Polizeiarbeit, präzisen, aus dem Leben gegriffenen Dialogen und witzigen Beobachtungen über das Privatleben der sympathischen Protagonistin.

Die Autorin hat eine weitere Krimifigur zum Leben erweckt: Die Privatdetektivin Lena Padget aus Lexington, Kentucky, die mit Detective Joel Mendez von der Mordkommission liiert ist (drei Romane, keine deutsche Übersetzung).

Die vier Romane um den Cop David Silver, der bei der Lösung seiner Mordfälle durch einen Alien unterstützt wird, sind der Sciencefiction zuzurechnen.

Bibliografie:
Sonora Blair-Serie: 'Flashpoint' - 'Flashpoint Killer' (1995), 'Eyeshot' - 'Der blinde Fleck' (1996), 'No Good Deed' - 'Tödlicher Ritt' (1998), 'The Dept Collector' - 'Zahltag' (1999);
Lena Padgett-Serie: 'Satan's Lambs' (1992), 'Fortunes of the Dead' (2003), 'When Secrets Die' (2005);
'High Water' (2001).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Himes, Chester

(1909-1984)

Chester Himes kam als Sohn einer angesehenen schwarzen Mittelklassefamilie in Jefferson City, Missouri, zur Welt. Sein Vater unterrichtete Schmiedekunst und Metallhandwerk an einer Berufsschule, seine Mutter war eine Zeit lang ebenfalls als Lehrerin tätig gewesen. Die Familie liess sich Anfang der 20er-Jahre in Cleveland, Ohio, nieder, wo Himes die Highschool abschloss. Nach einem kurzes Gastspiel an der Ohio State University - Himes wollte eigentlich Medizin studieren, vertrieb sich die Zeit jedoch vornehmlich mit Glücksspiel, Alkoholkonsum und Bordellbesuchen - wurde er im Alter von neunzehn wegen bewaffneten Raubüberfalls zu 20 bis 25 Jahren Haft bei harter Arbeit in das Staatsgefängnis von Ohio eingewiesen. Beeinflusst von Dashiell Hammetts Werk verfasste er dort seine ersten Stories, die in verschiedenen Zeitschriften abgedruckt wurden. 1936 kam er auf freien Fuss.

Im Jahr 1937 vermählte sich Himes mit Jean Johnson und ging drei Jahre später nach Kalifornien, um dort in der kriegsbedingt blühenden Werftindustrie zu arbeiten. 1945 veröffentlichte er seinen ersten Kriminalroman 'Flieh, wenn du kannst', der von allen Seiten scharf kritisiert wurde. Himes, der sich in den USA immer weniger verstanden fühlte, Unmengen Alkohol trank und ständig in argen Geldnöten steckte, verliess 1953 seine Frau, zog fast fluchtartig nach Paris - und avancierte in Frankreich schon bald zum Kultautor. Die letzten fünfzehn Lebensjahre verbrachte er mit seiner zweiten Frau, der Engländerin Lesley Packard, im südspanischen Moraira, wo er 75-jährig starb. Seine Autobiografie ist in zwei Teilen unter den Titeln 'The Quality of Hurt' (1972) und 'My Life of Absurdity' (1976) erschienen.

Mit seinen absurd-realistischen Harlem-Romanen um die knochenharten schwarzen Cops Coffin Ed Johnson (sein Gesicht ist von einem Säureattentat schwer entstellt) und Grave Digger Jones ist es Himes wie kaum einem anderen gelungen, einen Mikrokosmos (das Getto von Harlem) detailreich, dicht und expressionistisch darzustellen, brutale Handlungen slapstickartig in Szene zu setzen und den alltäglichen Wahnsinn auf den Strassen einer amerikanischen Grossstadt zu dokumentieren. Darüber hinaus hat er mit seinen Antihelden Coffin Ed und Grave Digger zwei sehr originelle und komplexe Figuren erfunden; zwei Figuren, die Tag für Tag mit dem Widerspruch leben müssen, das Gesetz des weissen Mannes zu vertreten, ohne hierbei der diskriminierten, in den Slums von Harlem ums Überleben kämpfenden schwarzen Minderheit ein Mindestmass an Gerechtigkeit vorzuenthalten.

Von Krankheit bereits schwer gezeichnet, konnte Chester Himes sein letztes Werk nicht mehr ganz beenden: das wilde, apokalyptische Vermächtnis 'Plan B', auf dessen letzter Seite Coffin Ed Johnson und Grave Digger Jones von Kugeln durchlöchert in der Gosse liegen.

Bibliografie:
Harlem-Zyklus: 'A Rage in Harlem' (auch unter dem Titel 'For Love of Imabelle') - 'Die Geldmacher von Harlem' (1957), 'The Real Cool Killers' - 'Heisse Nacht für kühle Killer' (1958), 'The Crazy Kill' - 'Fenstersturz in Harlem' (1959), 'The Big Gold Dream' - 'Der Traum vom grossen Geld' (1959), 'Run, Man, Run' - 'Lauf Mann, lauf!' (auch unter dem Titel 'Lauf, Nigger, lauf', 1959) 'All Shot Up' - 'Harlem dreht durch' (auch unter dem Titel 'Rauhnacht in Harlem', 1960), 'The Heat's on' (auch unter dem Titel 'Come Back Charleston Blues') - 'Heroin für Harlem' (1961), 'Cotton Comes to Harlem' - 'Schwarzes Geld für weisse Gauner' (1964), 'Blind Man with a Pistole' (auch unter dem Titel 'Hot Day, Hot Night') - 'Blind, mit einer Pistole' (1969), 'Plan B' - 'Plan B' (1993; Erstausgabe unter dem französischen Titel 'Lieu Commun', 1983);
Einzelwerke: 'If He Hollers Let Him Go' - 'Flieh, wenn du kannst' (1945), 'Lonely Crusade' (1947), 'Yesterday Will Make You Cry' (auch unter dem Titel 'Cast the First Stone', 1952), 'The Third Generation' - 'Mrs. Taylor und ihre Söhne' (1954), 'The Ebd of a Primitive' (auch unter dem Titel 'The Primitive', 1955), 'Pinktoes' - 'Schwarze Glut' (auch unter dem Titel 'Schwarzer Samt in heissen Nächten', 1961), 'A Case of Rape' (1963).

++ Erstellt: November 2016 ++  


Hoch, Edward D.

(1930-2007; schrieb auch als Ellery Queen, Irvin Booth, Anthony Circus, Stephen Dentinger, Pat McMahon, R. E. Porter, R. L. Stevens und Mr. X.)

Geboren und aufgewachsen in Rochester, New York State, brach Edward Hoch sein Studium ab, um im Koreakrieg mitzukämpfen. Zurück in seiner Heimatstadt, arbeitete er vierzehn Jahre in einer Werbeagentur, bis er 1968 das Schreiben zum Hauptberuf machte. Er starb 77-jährig in seinem Haus in Rochester und hinterliess seine Frau, Patricia.

Seit Anfang der 70er-Jahre zählte Hoch, "The King of the Classical Whodunit" mit einer Vorliebe für "unmögliche Verbrechen", in den Vereinigten Staaten zu den beliebtesten Erfindern von Kriminalgeschichten. Verborgen hinter zahlreichen Pseudonymen (darunter Pat McMahon, der Name seiner Frau, und Ellery Queen), hat er gegen 900 Stories zu Papier gebracht, die vornehmlich im 'Ellery Queen's Mistery Magazine' erschienen sind - seit Mai 1973 soll keine einzige EQMM-Nummer herausgekommen sein, in der nicht mindestens eine Geschichte von Hoch abgedruckt war. Seine bedeutendsten Serienfiguren sind Nick Velvet, ein professioneller Auftragsdieb, Captain Leopold, ein Kriminalpolizist aus Connecticut, und Dr. Sam Hawthorne, ein pensionierter Arzt und Spezialist für "unmögliche Verbrechen".

Edward Hoch begab sich nur ganz sporadisch auf die lange Strecke, etwa 1969 mit dem pfiffigen Kriminalroman 'Schuss aus dem Mikrofon', in dem Barney Hamet - Ex-Privatdetektiv, Krimiautor und Vizepräsident der Mystery Writers of America - zu grosser Form aufläuft, als während der Edgar-Verleihungsgala in New York City ein Mord geschieht.

Bibliografie:
'The Shattered Raven' - 'Schuss aus dem Mikrofon' (1969), 'The Blue Movie Murders' - 'Mordfall saubere Leinwand' (als Ellery Queen, 1972).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Homes, Geoffrey

(Pseudonym für Daniel Mainwaring, 1902-1977)

Daniel Mainwaring wurde im kalifornischen Oakland geboren, wuchs auf einer Farm in der Sierra Nevada auf und studierte am Fresno State Teachers College. Er arbeitete kurze Zeit als Lehrer und hielt sich dann als Obstpflücker, Vertreter, Privatdetektiv und Reporter ('San Francisco Chronicle' und 'Los Angeles Examiner') über Wasser, ehe er in den 30er-Jahren zum Schreiben kam. Ab Mitte der 30er-Jahre arbeitete er zudem als Publicity-Mann für die Filmstudios von Warner, Paramount, RKO und Columbia in Hollywood. Nachdem er zwischen 1933 und 1946 dreizehn Krimis veröffentlicht hatte (den ersten unter seinem bürgerlichen Namen, die restlichen unter dem Pseudonym Geoffrey Homes), begann er eine erfolgreiche Laufbahn als Drehbuchautor ('Out of the Past', 'Invasion of the Body Snatchers', 'The Lawless' und viele andere Scripts), wobei er oft mit seinem Kumpel Don Siegel zusammenarbeitete. In den 50er-Jahren kam er auf Senator McCarthys Schwarze Liste. Er starb 74-jährig in Los Angeles.

Homes' erste Krimiserie dreht sich um Robin Bishop, einen scharfsinnigen Mann Ende zwanzig. Er arbeitet für die Agentur Oscar Morgan ("Morgan Missing Persons Bureau") in Los Angeles, die verschwundene bzw. vermisste Personen aufspürt. Nach der Heirat mit der schönen, warmherzigen Mary lässt er sich in einem kalifornischen Küstenstädtchen nieder und wird Reporter beim Lokalblatt. Nebenbei unterstützt er die örtliche Polizei beim Auflösen von Mordfällen.

Im letzten Band der Robin Bishop-Serie hat Humphrey Campbell, ein hühnenhafter, stämmiger ("kein Fett, nur Muskeln"), ungemein kaltblütiger Mann um die dreissig, der äusserlich nach Homes' langjährigem Freund Humphrey Bogart gestaltet ist, seinen ersten von fünf Auftritten als Bishops Nachfolger bei dem faulen und versoffenen, jedoch äusserst geschäftstüchtigen Fettsack Oscar Morgan, der seine Basis im Fortgang der Reihe in die (fiktive) kalifornische Kleinstadt Joaquin verlegt und sich dort später zum stellvertretenden Polizeichef emporschwingt. Campbell hat eine Vergangenheit als Schnapsschmuggler auf Kuba während der Prohibition und als Journalist, trägt einen .38er im Schulterhalfter, entspannt sich beim Akkordeonspiel und schluckt (als bekehrter Trinker) Milch statt Alkohol; und ist ein sehr begabter Ermittler. Im letzten (und gefälligsten), in der Zeit des Zweiten Weltkriegs spielenden Band 'Schrott' wird der Detektiv zum Militärdienst eingezogen - es bleiben ihm genau fünf Tage, um die Haut eines höchst wahrscheinlich zu Unrecht des Mordes an einem Schrotthändler bezichtigten Mannes zu retten. Humphrey Campbell, der dem Leser im Fortgang der Serie immer stärker ans Herz wächst, wird spitalreif zusammengeschlagen, doch er lässt sich fast nichts anmerken, löst den verzwickten Fall in brillanter Manier - und findet am Ende verdientes Liebesglück.

Homes' dritte (in zwei Romanen zum Zuge kommende) Figur ist der mexikanisch-indianische Sonderermittler Jose Manuel Madero, ein klein gewachsener, stets adrett gekleideter, sehr intelligenter, das Rampenlicht scheuender Familienvater mit einem ungewöhnlichen Hobby: Er strickt.

Als Homes' bester Roman gilt der erfolgreich verfilmte Standalone 'Goldenes Gift' ('Out of the Past' mit Robert Mitchum in der Hauptrolle gilt als Meilenstein des Noir-Films, Homes lieferte das Drehbuch dazu). Die düstere und hoffnungslose Geschichte dreht sich um Red Bailey (im Film: Jeff Bailey), der früher in New York City als Privatdetektiv arbeitete und dabei auf die schiefe Bahn geriet. Jetzt führt er ein geruhsames Leben als Tankstellenbesitzer in einer Kleinstadt und liebt die mutige, zwanzig Jahre jüngere Schönheit Ann, bis er von seiner Vergangenheit - verkörpert durch die skrupellose Femme fatale Mumsie McConigle (im Film: Kathie Moffat), der er einst verfallen war, für die er getötet hatte - eingeholt wird.

Bibliografie:
Als Daniel Mainwaring: 'One Against the Earth' (1933).
Als Geoffrey Homes: Robin Bishop-Serie: 'The Doctor Died at Dust' - 'Der Doktor starb zur Dämmerstunde' (1936), 'The Man Who Murdered Himself' - 'Der Selbstmord-Mann' (1936), 'The Man Who Didn't Exist' - 'Der Mann, den es nicht gab' (1937), 'The Man Who Murdered Goliath' - 'Ein Mörder für Goliath' (1938), 'Then There Were Three' - 'Aller bösen Dinge sind drei' (1938);
Humphrey Campbell-Serie: 'Then There Were Three' - 'Aller böser Dinge sind drei' (1938), 'No Hands on the Clock' - 'Dem Glücklichen schlägt auch die Stunde' (1939), 'Finders Keepers' - 'Ein blutiges Erbteil' (1940), 'Forty Whacks' (auch unter dem Titel 'Stiffs Don't Vote) - 'Der Tod der Schwiegermutter' (1941), 'The Six Silver Handles' (auch unter dem Titel 'The Case of the Unhappy Angels') - 'Schrott' (1944);
Jose Manuel Madero-Romane: 'The Street of the Crying Woman' (auch unter den Titeln 'Seven Died' und 'The Case of the Mexican Knife') - 'Mariachimelodie' (1942), 'The Hill of the Terrified Monk' (auch unter dem Titel 'Dead as a Dummy') - 'Der Mönchshügel' (1943);
Einzelwerk: 'Build My Gallows High' - 'Goldenes Gift' (1946).

++ Erstellt: Oktober 2010 ++  


Household, Geoffrey

(1900-1988)

Geoffrey Household, geboren in Bristol als Sohn eines Anwalts, ausgebildet am Clifton College in Bristol und am Magdalen College in Oxford, schloss 1922 in Anglistik ab. Danach führte er ein abwechslungsreiches Leben: Er war vier Jahre Bankangestellter in Bukarest, drei Jahre Bananenhändler in Spanien, Verfasser von Hörspielen für Kinder in den Vereinigten Staaten und, von 1933 bis 1939, Reisender für Druckfarben in Europa, Südamerika und dem Nahen Osten. Im Zweiten Weltkrieg machte er sich einen Namen als Geheimdienstoffizier in Osteuropa, Griechenland und dem Nahen Osten. Er war zweimal verheiratet und hatte mit seiner zweiten Frau, Ilona Zsoldos-Gutman, einen Sohn und zwei Töchter. Trotz all dem fand er immer wieder ein wenig Zeit für die Schriftstellerei. Er starb 87-jährig in Banbury, Oxfordshire.

In Households weitaus bekanntestem Werk, der 1939, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, erstmals erschienenen (und mehrmals verfilmten) Man-on-the-Run-Story 'Einzelgänger, männlich', handelt von einem namenlosen britischen Ich-Erzähler, einem Angehörigen der höheren Gesellschaft, der nach einem Attentatsversuch auf den "Grossen Mann" (gemeint ist Adolf Hitler) von seinen Gegnern erwischt, gefoltert und von einem Felsen gestürzt wird, dann jedoch schwer verletzt nach England flüchten kann und sich wie ein verwundetes Tier in einer Erdhöhle verkriecht. Gebannt folgt der Leser den nächtlichen Ausflügen des männlichen Einzelgängers aus seinem Bau - den Vorbereitungen zu dem faszinierenden Duell mit dem sadistischen Nazi-Agenten Major Quive-Smith; und erfährt im Verlauf der Geschichte, dass dem missglückten Attentat nicht etwa ein politisches Motiv zugrunde lag, sondern der Gedanke, eine einst geliebte Frau zu rächen, die von den Deutschen ermordet worden ist.

1960 kam 'Augen im Dunkeln' heraus, die Geschichte des Kampfes zwischen Charles Dennim, einem österreichischen Grafen, der im Zweiten Weltkrieg für den britischen Geheimdienst tätig war und jetzt gut getarnt als Zoologe in England lebt, und dem ebenfalls adeligen Saint Sabas, einem ehemaligen Résistance-Führer, der in der Nachkriegszeit einen Rachefeldzug gegen ehemalige Nazi-Offiziere führt - und irrtümlicherweise Dennim für einen solchen hält.

Geoffrey Household, ein sprachlich und stilistisch versierter, im deutschsprachigen Raum wenig bekannter Autor, der ab 1936 rund dreissig Romane (sechzehn allein in den 70er- und 80er-Jahren), mehrere Erzählbände, Abenteuerbücher für Kinder und Jugendliche und die Autobiografie 'Against the Wind' (1958) zu Papier brachte, gehört zu den einflussreichsten Schöpfern von Spannungsliteratur des 20.Jahrhunderts.

Bibliografie:
'The Third Hour' (1937), 'Rogue Male' - 'Einzelgänger, männlich' (auch unter dem Titel 'Der Gehetzte', 1939), 'Arabesque' (1948), 'The High Place' (1950), 'A Rough Shoot' (auch unter dem Titel 'Shoot First', 1951), 'A Time to Kill' (1951), 'Fellow Passenger' (auch unter dem Titel 'Hang the Moon High', 1955), 'Watcher in the Shadows' - 'Augen im Dunkeln' (1960), 'Thing to Love' (1963), 'Olura' (1965), 'The Courtesy of Death' (1967), 'Dance of the Dwarfs' - 'Tanz der Zwerge' (auch unter dem Titel 'Geh nicht hinaus bei Nacht', 1968), 'Doom's Caravan' (1971), 'The Three Sentinels' (1972), 'The Lives and Times of Bernardo Brown' (1975), 'Red Anger' (1975), 'Hostage London' (1977), 'The Last Two Weeks of Georges Rivac' (1978), 'The Sending' (1980), 'Summon the Bright Water' (1981), 'Rogue Justice' (1982), 'Arrows of Desire' (1985), 'Face to the Sun' (1988).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Hoyt, Richard

(*1941, schreibt auch als Nicholas van Pelt)

Richard Hoyt, geboren und aufgewachsen in Hermiston, Oregon, aufgewachsen auf einer kleinen Farm bei Umatilla in Oregon als Sohn eines Vaters, der sich sein Geld als Alkoholschmuggler und Rodeo-Cowboy verdiente, und einer Mutter, die die örtliche Schul-Cafeteria leitete, studierte Journalistik an der University of Oregon und Amerikanistik an der University of Hawaii. Nach dem Studium diente er drei Jahre bei der Spionageabwehr der US Army. Anschliessend war er am Washington Journalism Center tätig, schrieb Artikel für zwei Tageszeitungen in Honolulu und das Magazin 'Newsweek' und unterrichtete zehn Jahre Kommunikationswissenschaften an der University of Maryland, College Park, und am Lewis and Clark College in Portland. 1980 veröffentlichte er seinen ersten Krimi. Der reise- und experimentierfreudige Autor - er hat für seine Romane in mehr als zwei Dutzend europäischen Ländern, in Zentral- und Lateinamerika, Nordafrika und Asien recherchiert, die Sowjetunion per Eisenbahn durchquert und allerlei Drogen ausprobiert - ist seit 1992 zum dritten Mal verheiratet und hat zwei Töchter, Laura und Teresita. Er lebt auf den Philippinen.

John Denson, Ex-CIA-Agent, stolzer Besitzer von selbst geschnitzten Wildgänsen, Privatdetektiv mit einer Vorliebe für Dope, halluzinogene Pilze und gut gebaute Damen, ist Hoyts Hauptfigur einer witzigen, 2004 nach zehn Bänden beendeten Serie. Denson trägt keine Waffe, weil er niemanden töten könnte - der Grund für sein Ausscheiden aus dem Geheimdienst. Nach seiner CIA-Zeit war er Zeitungsreporter in Honolulu, bis er in Seattle, Washington State, als Ermittler begann. Densons gelegentlicher Partner ist der Indianer Willie Prettybird (alias Willie Sees the Night), ein Schamane, der mit toten Tieren kommunizieren kann. Denson entstammt einer hinterwäldlerischen Familie, die in Cayuse, Oregon ansässig ist - und hierhin führt ihn sein Kriminalfall im ersten Band 'Lockente', in dem der Held (ungewollt) die Rolle des Lockvogels spielt: für seine Auftraggeberin, die schöne, undurchschaubare Privatdetektivin Pamela Yew.

Hoyts zweite (1982 gestartete und 1996 abgeschlossene) Reihe besteht aus neun actiongeladenen, vornehmlich an exotischen Schauplätzen spielenden, mit galligem Humor erzählten Polit-Grotesken, in denen das ehemalige CIA-As James Burlane als freischaffender Agent durch die Kontinente hetzt, um bösen Buben und obskuren Organisationen das Handwerk zu legen.
Der vierte Band 'Der Affenfelsen' zählt zu den besten Werken des Autors. Unterstützt von britischen und russischen Söldnern, erobern palästinensische Terroristen Gibraltar, erklären es zur Volksrepublik Jebel Tarik, halten 30'000 Menschen als Geiseln fest - 28'000 Gibraltarianer und eine britischen Garnison von 2'000 Mann - und wollen alle Affen vernichten, denn die Legende besagt, dass die Briten so lange auf Gibraltar bleiben, als es dort Affen gibt. Die Engländer und die Amerikaner lassen sich dies natürlich nicht bieten und blasen zum Gegenangriff. Ihre schärfsten Waffen: der Überlebenskünstler James Burlane, die bauchtanzende Agentin Ella Nidech - und der bulimische Berberaffe Max, Chef des Affenrudels von Gibraltar, der dem Massaker in letzter Sekunde entkommen kann. Es kommt zu spektakuären Aktionen, und am Schluss dreht Hoyt eine verblüffende Pirouette.
'Spielen und töten' (im Original: 'Red Card') handelt von einem Killer, der 1994, kurz vor der in den USA stattfindenden Fussball-WM, die FIFA in Angst und Schrecken versetzt: er versendet gelbe Karten, tötet daraufhin Fussballspieler - und lässt rote Karten folgen. James Burlane soll die WM retten.

Bibliografie:
John Denson-Serie: 'Decoys' - 'Lockente' (1980), '30 for a Harry' - 'Schweigegeld für Harry' (1981), 'The Siskiyou Two-Step' (auch unter dem Titel 'Siskiyou') - 'Denson' (1983), 'Fish Story' - 'Fischzug' (1985), 'Whoo?' (1991), 'Bigfoot' (1993), 'Snake Eyes' (1995), 'The Weatherman's Daughter' (2003), 'Pony Girls' (2004);
James Burlane-Serie: 'Trotzky's Run' - 'Trotzkis Rückkehr' (1982), 'Head of Stone' (1985), 'The Dragon Portfolio' - 'Drachengold' (1986), 'Siege' - 'Der Affenfelsen' (1987), 'Marimba' - 'Marimba' (1992), 'Red Card' - 'Spielen und töten' (1994), 'Japanese Game' (1995), 'Blood of Patriots' (gemeinsam mit Neil Abercrombie', 1996), 'Tyger! Tyger!' (1996);
Einzelwerke: 'The Manna Enzyme' - 'Castros Coup' (1982), 'Cool Runnings' - 'Cool Runnings' (1984), 'Darwin's Secret' (1989), 'Vivienne' (2000), 'Old Soldiers Sometimes Lie' (2002), 'Sonjy's Run' (2005), 'Bad Faith' (2009), 'Crow's Mind' (2013).
Als Nicholas Van Pelt: 'The Mongoose Man' (1998), 'Stomp!' (1999).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2013 ++
++ Update: Januar 2015 ++
 


Hubbard, P.M.

(1910-1980)

Geboren in der südenglischen Stadt Reading, Berkshire, aufgewachsen auf der Kanalinsel Guernsey, besuchte Philip Maitland Hubbard das Elizabeth College in St. Peter Port (Guernsey), ehe er 1933 sein Studium am Jesus College in Oxford mit einem Master abschloss und dort im selben Jahr mit 'Ovid Among the Goths' den traditionsreichen 'Newdigate Prize' für Poesie gewann. Daraufhin gehörte er der britischen Verwaltung in Nordwestindien (dem heutigen Pakistan) an, bis Indien im Sommer 1947 seine Unabhängigkeit erlangte.

Nach seiner Heimkehr nach England verfasste Hubbard Verse, Reportagen und satirische Texte für das Magazin 'Punch' und stand der Gewerkschaft der englischen Handwerker vor, ehe er sich zu Beginn der 60er-Jahre für ein Leben als freier Schriftsteller entschloss. Von 1963 bis 1979 verfasste er sechzehn Spannungsromane, zwei Kinderbücher, ein Hörspiel sowie rund ein Dutzend Short Stories, die in den Zeitschriften 'The Magazine of Fantasy & Science Fiction' und 'Argosy' und in Anthologien abgedruckt wurden. Im Jahr 1973 verlegte er seinen Wohnsitz von Dorset in den Südwesten Schottlands. Dort starb er sieben Jahre später im Alter von 69 Jahren und hinterliess seine getrennt von ihm lebende Frau und seine drei Kinder, Jane, Caroline und Peter.

Hubbards Kriminalfälle sind unspektakulär. Seine stimmungsvoll geschilderten Schauplätze befinden sich in der englischen oder schottischen Provinz, oft direkt am Wasser, und der Autor richtet seinen Blick am liebsten auf Verhaltensweisen und emotionale Verstrickungen von Tätern und Opfern, auf einsame Menschen, die die Kontrolle über ihre Gefühle und Impulse verlieren, auf aussichtslose Liebesbeziehungen.

Im Mittelpunkt von 'Tödliches Glas' stehen der Junggeselle Johnnie Slade, ein leidenschaftlicher Sammler antiker Glasstücke, und sein derzeitiges Objekt der Begierde, eine unbezahlbare, der englischen Königin gewidmete "Tazza" des Venetianers Jacopo Verzelini aus dem 16. Jahrhundert, von deren Existenz auch die Fachwelt nichts geahnt hat, bis sie in Peter Sarretts angesehener Kunstzeitschrift 'Altes Glas' in Text und Bild zur Darstellung kommt - und Johnnie Slades Jagdtrieb weckt. Bei seinen Ermittlungen nach dem Verbleib der Vase trifft Slade die hochbetagte Lady Elizabeth Barton und deren Nichte Claudia James, eine geheimnisvolle junge Frau, in die er sich heftig verliebt. Und dann mehren sich die Hinweise, dass es eine weitere Person gibt, die der "Tazza" mit allen Mitteln habhaft werden will. Das atemberaubende Finale findet in einer verlassenen Mine statt.

'Hochwasser acht vor zehn' wird aus der Sicht von Peter Curtis erzählt, einem zwischen Sanftmut und Jähzorn schwankenden Mann Anfang dreissig mit einer Vorliebe für Bücher, Segeln und aparte Frauen, der für vier Jahre im Gefängnis sass, weil er im Affekt den Tod des zwielichtigen Briten Evan Maxwell verschuldet hatte. Endlich wieder auf freiem Fuss, sucht er die Einsamkeit an der südenglischen Küste, wird dann jedoch in eine gefährliche Affäre verwickelt, an deren Ausgangspunkt Maxwells im Sterben gemurmelte Worte "Hochwasser acht vor zehn" stehen.

In Hubbards drittletztem Roman 'Der Weg durchs Wasser' strandet Peter Grant, ein Vertreter für landwirtschaftliche Maschinen, mit seinem Segelboot an der ruppigen schottischen Westküste. Er findet Zuflucht bei dem Ehepaar Derek und Letty Barlow - er ein einzelgängerischer, wortkarger ehemaliger Seemann, den es immer wieder auf eine nahe gelegene (bei Ebbe mit dem Festland verbundene) Insel zieht, sie eine bezaubernde, jedoch vereinsamte und unglücklich wirkende Frau, die Grant sogleich in ihren Bann schlägt. Als Grant bei einer späteren Begegnung von Letty den Grund für das seltsame Verhalten ihres Mannes erfährt, begibt er sich selbst auf die Insel - dort kommt es zu einer schicksalsschweren Begegnung.

Bibliografie:
'Flush as May' (1963), 'Picture of Millie' (1964), 'A Hive of Glass' - 'Tödliches Glas' (1966), 'The Holm Oaks' (1966), 'The Tower' (1968), 'The Custom of the Country' (auch unter dem Titel 'The Country of Again', 1969), 'Cold Waters' - 'Killereiland' (1969), 'High Tide' - 'Hochwasser acht vor zehn' (1971), 'The Dancing Man' (1971), 'The Whisper in the Glen' (1972), 'A Rooted Sorrow' (1973), 'A Thirsty Evil' - 'Ihres Bruders Hüter' (1974), 'The Graveyard' - 'Blattschuss' (1975), 'The Causeway' - 'Der Weg durchs Wasser' (1976), 'The Quiet River' - 'Wenn das Wasser steigt' (1978), 'Kill Claudio' (1979).

++ Erstellt: November 2013 ++  


Huggins, Roy

(1914-2002; schrieb auch als Thomas Fitzroy, John Thomas James und John Francis O'Hara)

Roy Huggins wurde in Litelle, Washington State, geboren. Er studierte Politikwissenschaft an der University of California mit Abschluss 1941. Danach arbeitete er zwei Jahre im Staatsdienst und drei Jahre als Wirtschaftsingenieur, bis er sich (inspiriert durch Raymond Chandlers Werk) aufs Schreiben verlegte und im selben Jahr seinen ersten Krimi 'The Double Take' ('Der kalte Schlaf') herausgab. Nach zwei weiteren Romanen und drei Kurzgeschichten beschloss Huggins, sich fortan ganz dem Film zu widmen. Er produzierte TV-Serien wie 'Maverick', '77 Sunset Strip', 'The Fugitive' und 'The Rockford Files' und verfasste ungezählte Drehbücher für Film und Fernsehen.

Huggins erster, 1938 mit Bonnie Porter geschlossenen Ehe entsprangen zwei Kinder, Brett und Katherine. 1952 vermählte er sich mit der Schauspielerin Adele Mara, die drei Söhne, John, Thomas und James, zur Welt brachte (Huggins benutzte daraufhin gelegentlich das Pseudonym John Thomas James). 2001 beendete er seine erfolg- und einflussreiche TV-Laufbahn. Ein Jahr später, mit 87, starb er in seinem langjährigen Wohnort Santa Monica, Kalifornien.

'Der kalte Schlaf' wird aus der Sicht des Privatdetektivs Stuart "Stu" Bailey erzählt. Bailey, ein gross gewachsener, attraktiver Pfeifenraucher mit guten Umgangsformen, geht seinem Beruf in Los Angeles nach. Diesmal beauftragt ihn Ralph Johnson, Präsident einer erfolgreichen Werbeagentur, die Vergangenheit seiner jungen, bildschönen Frau Margaret zu durchleuchten - sie war vor einem Jahr, als er sie heiratete, aus dem Nichts aufgetaucht, und jetzt will man ihn offenbar erpressen. Ausgerüstet mit einem Foto von Margaret begibt sich der Detektiv auf Spurensuche und sticht dabei in ein Wespennest. Der Mord an einem wichtigen Zeugen und viele harte Schläge auf seinen Schädel hindern ihn jedoch nicht daran, den verwirrenden Fall auf trickreiche Art zu klären. Präzis gezeichnete Haupt- und Nebenfiguren, originelle Vergleiche, coole Sprüche und die spritzige Handlungsführung machen Huggins' ersten Krimi zu einer lohnenden, höchst kurzweiligen Lektüre.
Stuart Bailey kam auch in drei Kurzgeschichten zum Zuge und war (in leicht abewandelter Form) der Protagonist in Huggins' TV-Serie ‚77 Sunset Strip'.

Bibliografie:
'The Double Take' - 'Der kalte Schlaf' (1946), 'Too Late for Tears' (1947), 'Lovely Lady, Pity Me' (1949).

++ Erstellt: Juni 2016 ++  


Hughes, Dorothy B.

(1904-1993)

Dorothy Belle Hughes, geborene Flanagan, kam in Kansas City, Missouri, zur Welt und wuchs auch dort auf. Sie studierte Journalistik an der University of Missouri, Abschluss 1924, und arbeitete dann einige Jahre in diesem Beruf. 1931 erschien ihr erstes Buch, eine Lyriksammlung. 1932 vermählte sie sich mit Levi Allan Hughes und liess sich mit ihm in Santa Fé, New Mexico, nieder. 1940 veröffentlichte sie ihren ersten von vierzehn Krimis. 1952 unterbrach sie ihre schriftstellerische Laufbahn, weil sie sich um ihre erkrankte Mutter kümmern musste und nicht mehr Zeit und Ruhe zum Romanschreiben fand. In dieser Zeit verfasste sie ungezählte Literaturkritiken für Zeitungen wie die 'Los Angeles Times' und 'The New York Herald Tribune'. 1963 erschien ihr letzter Krimi, 1978 eine Biografie ihres Kollegen Erle Stanley Gardner, mit dem sie befreundet war. Dorothy Hughes hatte einen Sohn und zwei Töchter. Sie starb 88-jährig in Ashland, Oregon, an den Folgen eines Hirnschlags.

Hughes' Krimis drehen sich zumeist um soziale Aussenseiter. Mit ihrem bekanntesten Werk 'Einsamer Ort' hat sie 1947 einen der ersten Serienkillerromane der Weltliteratur zu Papier gebracht. Im Mittelpunkt steht der junge Amerikaner Dix Steele, ein strahlender, von den Frauen verehrter Held des Zweiten Weltkriegs und erfolgreicher Drehbuchautor in Hollywood, der das Töten auch nach Kriegsende nicht lassen kann und reihenweise Frauen umbringt. Die zeitkritische, aus der Sicht der eindringlich geschilderten Hauptfigur erzählte Geschichte ist von Nicholas Ray mit Humphrey Bogart als Dix Steele verfilmt worden.

Bibliografie:
'The So Blue Marble' (1940), 'The Bamboo Blonde' (1941), 'The Fallen Sparrow' (1942), 'The Blackburder' (1943), 'The Delicate Ape' (1944), 'Johnnie' (1944), 'Dread Journey' (1945), 'Ride the Pink Horse' - 'Der Tod tanzt auf den Strassen' (1946), 'The Scarlet Imperial' (auch unter dem Titel 'Kiss for a Killer', 1946), 'In a Lonely Place' - 'Einsamer Ort' (auch unter dem Titel 'Wo kein Zeuge lauscht', 1947), 'The Big Barbecue' (1949), 'The Candy Kid' (1950), 'The Davidian Report' (auch unter dem Titel 'The Body on the Bench', 1952), 'The Expendable Man' - 'Das Kainszeichen' (1963).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Hull, Richard

(Pseudonym für Richard Henry Sampson, 1896-1973)

Richard Henry Sampson, geboren in London, wurde an der Rugby School in Warwickshire ausgebildet. Sein eigentlich bereits feststehendes Studium in Cambridge fiel wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs ins Wasser, und Sampson verbrachte die folgenden drei Jahre auf französischen Schlachtfeldern. Zurück in England war er lange Jahre als Buchhalter tätig. Im Zweiten Weltkrieg wurde er noch einmal in den Militärdienst eingezogen, nach einem Jahr jedoch altershalber ausgemustert. Danach arbeitete er bis 1955 als Buchprüfer bei der britischen Marine.

Tief beeindruckt von Francis Iles' 'Aforethought', unter dem Pseudonym Richard Hull, verfasste Sampson in einer ersten, von 1934 bis 1941 dauernden Periode während seiner Freizeit neun vergnügliche, mit viel schwarzem Humor erzählte Krimis. Sie drehen sich jeweils um eine niederträchtige Figur, die es - getrieben von Profitsucht - darauf anlegt, einer anderen Person Schaden zuzufügen bzw. diese zu ermorden.

In Hulls erstem und bekanntesten Krimi 'Der Mord an meiner Tante' beschliesst der snobbistische Intellektuelle Edward Powell, ein fetter, fauler, nichtsnutziger Bengel, seine begüterte Tante Mildred, mit der er aus finanziellen Gründen in der Nähe des fiktiven walisischen Dorfes Llwll leben muss, aus purem Eigennutz um die Ecke zu bringen, begeht jedoch den fatalen Fehler, Mildreds Cleverness arg zu unterschätzen.

Eine besonders widerwärtige Gestalt spielt in 'My Own Murderer' den Bösewicht, sein Name lautet - Richard Henry Sampson. Und auch ein Buchprüfer findet sich unter Hulls Schurken.

Nach dem Zweiten Weltkrieg schlug der Autor einen weitaus ernsteren Tonfall an, was seinen sechs folgenden Krimis nicht besonders gut bekam. 1953, zwanzig Jahre vor seinem Tod, stellte der überzeugte Junggeselle die Schreibmaschine in die Ecke.

Bibliografie:
'The Murder of My Aunt' - 'Der Mord an meiner Tante' (auch unter dem Titel 'Ich grub eine tiefe Grube', 1934), 'Keep It Quiet' - 'Es bleibt unter uns' (1935), 'Murder Isn't Easy' (1936), 'The Ghost It Was' (1936), 'The Murders of Monty' (1937), 'Excellent Intentions' (auch unter dem Titel 'Beyond Reasonable Doubt', 1938), 'And Death Came, Too' (1939), 'My Own Murderer' (1940), 'The Unfortunate Murderer' (1941), 'Left Handed Death' (1946), 'Last First' (1947), 'Until She Was Dead' (1949), 'A Matter of Nerves' (1950), 'Invitation to an Inquest' (1950), 'The Martineau Murders' (1953).

++ Erstellt: Oktober 2011 ++  


Hunter, Jack D.

(1921-2009; schrieb auch als Lee Thompson)

Jack D. Hunter wurde in Hamilton, Ohio, geboren, besuchte verschiedene Schulen in New York und Pennsylvania und studierte bis 1943 Journalismus an der Pennsylvania State University. Das Studium finanzierte er zu grossen Teilen als Pianist eines professionellen Tanz-Orchesters. 1944 heiratete er Shirley Thompson, genannt Tommy, und hatte mit ihr drei Töchter und einen Sohn. Im Zweiten Weltkrieg zeichnete er sich als Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes aus.

Unmittelbar nach Kriegsende wurde der Deutsch sprechende Geheimagent Hunter nach Deutschland entsandt, wo er einer der Anführer der "Operation Nursery" war - diese nahm ihr höchst erfolgreiches Ende im Frühjahr 1946 mit der Verhaftung von rund 2000 Nazi-Schergen in einer einzigen Nacht. Anschliessend arbeitete er als Zeitungs- und Radioreporter, aber auch in der Werbung und als Redenschreiber für die amerikanische Regierung.

Hunter war bereits 43-jährig, als er den im Ersten Weltkrieg spielenden Roman 'The Blue Max' herausgab, den Auftakt zur Trilogie um den deutschen Kampfflieger und Antihelden Bruno Stachel - und gross einschlug. Bis 2003 folgten sechzehn weitere, im Zweiten Weltkrieg oder im Kalten Krieg angesiedelte Spannungsromane, von denen einzig der Spionagethriller 'Ein Fall für Dex' ins Deutsche übertragen wurde.

1980 liess sich Hunter mit seiner Frau in St. Augustine, Florida, nieder. Neben seiner Schriftstellerei war er als Schreib-Coach für Hunderte von Journalisten und, trotz seiner Farbenblindheit, als Maler von Flugzeug-, Boot- und Eisenbahnbildern tätig, während Tommy den Geschenkladen 'The Blue Max' führte. Drei Jahre nach seiner Frau, im Alter von 87 Jahren, starb er in St. Augustine.

'Ein Fall für Dex' dreht sich um den ehemaligen Geheimdienstagenten Paul "Dex" Dexter, der als Angestellter des Chemiekonzerns Hooten Plastic Corporation die Aufgabe übernommen hat, einen Fall von Werkspionage zu klären - ein etwas seltsamer Fall, betreiben doch Hootens Gegner einen riesigen Aufwand, um ein doch ziemlich unbedeutendes Geheimnis zu erkunden. Doch dann geschieht der erste Mord.

Bibliografie:
Bruno Stachel-Trilogie: 'The Blue Max' (1964), 'The Blood Order' (1979), 'The Tin Cravat' (1981);
Roger Wagner-Romane: 'The Terror Alliance' (1980), 'Florida is Closed Today' (1982);
'The Expendable Spy' (1965), 'One of Us Works for Them' (1967), 'Spies, Inc.' - 'Ein Fall für Dex' (1969), 'Judgement in Blood' (1986), 'The Flying Cross' (1987), 'Tailspin' (1990), 'The Potsdam Bluff' (1990), 'Sweeney's Run' (1992), 'Slingshot' (1995), 'The Cure' (2003), 'The Ace' (2008).
Als Lee Thompson: 'Addie' (2001).

++ Erstellt: Juni 2011 ++  


Hunter, Stephen

(*1946)

Stephen Hunter wurde in Kansas City, Missouri, geboren und wuchs in Evanston, Illinois, auf. Sein Vater, ein gewalttätiger Alkoholiker, arbeitete als Sprachprofessor und wurde 1975 ermordet. Seine Mutter war Kinderbuchautorin. Nach der Schulzeit studierte er an der Medill School of Journalism an der Northwestern University mit einem Abschluss in Journalismus 1968. Im folgenden Jahr heiratete er die Grundschullehrerin Lucy und hatte mit ihr einen Sohn und eine Tochter, Jake und Amy. Nach zwei Jahren bei der Armee begann er seine journalistische Laufbahn 1971 bei der 'Baltimore Sun'. 1997 wechselte er zur Washington Post', wo er leitender Filmkritiker wurde, und sechs Jahre später gewann er für seine Kritiken den Pulitzer Preis. 2008 trat er in den vorzeitigen Ruhestand. Seit 2005 in zweiter Ehe mit der Kolumnistin Jean Marbella verheiratet, lebt er in Baltimore, Maryland.

Hunter publizierte bislang neunzehn Spannungsromane, von denen nur vier auf Deutsch vorliegen. Seine Spezialitäten: Nervenkitzel, rasante Actionszenen und Waffenfetischismus. Klingt nach reisserischer Schundliteratur à la Tom Clancy, doch Hunters Bücher sind gut geschrieben, sauber konstruiert und extrem spannend; und der Autor setzt sich auf intelligente, gesellschaftskritische Weise mit seinem Kernthema, Gewalt, auseinander.

'Im Fadenkreuz der Angst' handelt von dem Scharfschützen und Waffenexperten Bob Lee Swagger, genannt "Bob the Nailer", der sein Handwerk im Vietnamkrieg perfektioniert hat und jetzt im Auftrag der zwielichtigen, durch den skrupellosen Colonel Shreck ins Leben gerufenen Sicherheitsorganisation RamDyne ein Attentat auf den US-amerikanischen Präsidenten verhindern soll. Zu spät erkennt Swagger, dass man ihn auf üble Weise reingelegt hat; denn als tatsächlich ein Schuss fällt, gerät er selbst unter Mordverdacht - und wird nun nicht nur von der Polizei, sondern auch von RamDyne gejagt.

Der Sniper Bob Lee Swagger - er heiratet nach dem ersten Krimi und wird Vater einer Tochter - ist in weiteren Bänden auf Achse, und auch Bobs Vater Earl, ein Ex-Marine, der nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Arkansas State Police tätig war und 1955 gewaltsam ums Leben kam, hatte in den Nuller-Jahren drei Auftritte.

In Hunters sechstem Einzelwerk 'Die Gejagten' versetzen drei aus dem Hochsicherheitstrakt der Vollzugsanstalt McAlester, Oklahoma, ausgebrochene, von Lamar Pye angeführte Schwerverbrecher den Mittleren Westen in Angst und Schrecken. Ihr gefährlichster Gegner ist Sergeant Russell "Bud" Pewtie von der Highway Patrol, eine düstere Gestalt und - nach 25 Dienstjahren - ein ausgezeichneter Polizist, der sich stets auf seine untrüglichen Instinkte verlassen kann. Die gewalttriefende Geschichte gipfelt in einem spekakulären Showdown. (Hübscher Gag: Lamar Pye ist Bob Swaggers Halbbruder, das Produkt eines Seitensprungs seines Vaters Earl.)

Bibliografie:
'The Master Sniper' (1980), 'The Second Saladin' (1982), 'Target' - 'Target' (1985), 'The Spanish Gambit' (auch unter dem Titel 'Tapestry of Spies', 1985), 'The Day Before Midnight' - 'Titan' (1989), 'Dirty White Boys' - 'Die Gejagten' (1994), 'Soft Target' (2011);
Bob Lee Swagger-Serie: 'Point of Impact' - 'Im Fadenkreuz der Angst' (auch unter dem Titel 'Shooter', 1993), 'Black Light' (1996), 'Time to Hunt' - 'Einsame Jäger' (1998), 'The 47th Samurai' (2007), 'Night of Thunder' (2008), 'I, Sniper' (2009), 'Dead Zero' (2010), 'The Third Bullet' (2013), 'Sniper's Honor' (2014);
Earl Swaggart-Trilogie: 'Hot Springs' (2000), 'Pale Horse Coming' (2001), 'Havana' (2003).

++ Erstellt: Mai 2012 ++
++ Update: März 2013 ++
++ Update: April 2014 ++
++ Update: September 2016 ++
 


Hyde, Christopher

(*1949; schreibt auch als A.J. Holt, Paul Christopher und Nicholas Chase)

Christopher Hyde wurde als Sohn der Jugendpsychologin Bettye Hyde und des Kinderbuchautors und Illustrators Laurence Hyde in der kanadischen Hauptstadt Ottawa geboren und wuchs auch dort auf. 1975 vermählte er sich mit Mariea Sparks und hatte mit ihr zwei Kinder, Noah und Chelsea. Er machte sich einen Namen als freiberuflicher Enthüllungsjournalist und Interviewer bei der CBC in Ottawa und Vancouver (Spezialgebiete: Technologie und Umwelt), bevor er 1977 das Romanschreiben zu seinem Hauptberuf machte. Hyde, über dessen Privatleben praktisch nichts bekannt ist, lebt in der Great Lakes Region im Osten Kanadas.

Hydes belletristisches Werk besteht aus achtzehn zwischen 1979 und 2005 unter bürgerlichem Namen veröffentlichten, zumeist in der näheren Vergangenheit angesiedelten Romanen, drei mit A.J. Holt gezeichneten Krimis und den beiden in den Nuller-Jahren gestarteten Reihen um die Archäologin Finn Ryan bzw. den Historiker und Army Ranger Lieutenant Colonel "Doc" John Holliday, die unter dem Pseudonym Paul Christopher erschienen und dem Genre des historischen Mystery-Thrillers zuzuordnen sind. Gemeinsam mit seinem Bruder Anthony, unter dem Pseudonym Nicholas Chase, veröffentlichte er überdies 1983 den Roman 'Locksley. Story of Robin Hood'.

'Internet Kill' ist der erste von zwei Büchern um die knapp 40-jährige Computerspezialistin Janet Louise "Jay" Fletcher, Special Agent beim FBI, die sich nicht immer streng an die Datenschutzregeln hält und deshalb vom Hauptquartier in die Provinz, nach Santa Fé, strafversetzt wird. Dort entdeckt sie bei ihren Hackereien einen "Chatklub der Serienmörder" - und nimmt das Gesetz dann gleich selbst in die Hand, indem sie vier "Klubmitglieder" und, zum Leidwesen des FBI, beinahe auch einen Unschuldigen hinrichtet. Da sie fürderhin aber vorzüglich mit den Behörden kooperiert und viel dazu beiträgt, dass mit John Reginald Christie einer der Drahtzieher des Chatklubs überführt wird, kommt sie in das staatliche Zeugenschutzprogramm, sie heisst von jetzt an Carrie Stone und bildet sich zur Glasbläserin aus. Dies die Ausgangslage des zweiten, nach einem ähnlichen Muster gestrickten und ebenfalls mit vielen unappetitlichen Szenen aufwartenden Bandes 'Ch@mäleon'. Als Christie nach kurzer Haft die Flucht gelingt, verwickelt er Jay Fletcher in ein Katz-und-Maus-Spiel, das nur einer der beiden Kontrahenten überleben kann.

'Die Weisheit des Todes', Hydes bester ins Deutsche übersetzter, auf Tatsachen basierender Krimi spielt in der texanischen Stadt Dallas zwischen dem 20. und 25. November 1963. Als Hauptperson fungiert der schwer herzkranke, todgeweihte Detective Sergeant Horatio "Ray" Duval von der Mordkommission Dallas, ein integrer und hart gesottener, nach einer verkorksten Ehe allein stehender Kriegsveteran (Omaha Beach, Korea), der nach 30 Dienstjahren noch einen letzten Fall (den scheusslichen Mord an einem schwulen Antiquar, Kunstdieb und Fälscher) zu lösen hat - derweil sich die Stadt wegen des unmittelbar bevorstehenden Wahlkampfaufritts John F. Kennedys (und erst recht nach dessen Ermordung am 22. November) im Ausnahmezustand befindet.
Bei seinen Recherchen stösst Duval mehr oder weniger zufällig auf eine Mordserie, die sich vor 25 Jahren im Norden von Texas zugetragen hat: Neun 10- bis 13-jährige der untersten Schicht entstammende Mädchen wurden damals innerhalb von neun Monaten auf exakt die gleiche Art getötet wie der Antiquar, der Täter wurde nie gefasst.
Glücklicherweise geht es Hyde jedoch weniger um das Kennedy-Attentat und den monströsen Serienmörder, als um das Leben, die Arbeit und das langsame Sterben des tapferen Cops Ray Duval, der nichts mehr zu verlieren hat - und der dem Leser im Verlauf der Erzählung immer stärker ans Herz wächst.

Bibliografie:
Als Christopher Hyde: 'The Wave' (1979), 'The Icarus Seal' (1982), 'Styx' (1982), 'The Tenth Crusade' - 'Der zehnte Kreuzzug' (1983), 'Maxwell's Train' - 'Terror im Zug' (1984), 'Whisperland' (1986), 'Jericho Falls' - 'Das Jericho-Virus' (1986), 'Crestwood Heights' (1988), 'Egypt Green' (1989), 'White Lies' (1990), 'Hard Target' (1990), 'Black Dragon' (1992), 'The Paranoid's Handbook' (1993), 'A Cathering of Saints' (1996), 'The Second Assassin' (2002), 'Wisdom of Bones' - ‚Die Weisheit des Todes' (2003), 'The House of Special Purpose' (2004), 'An American Spy' (2005).
Als A.J. Holt: Jay Fletcher-Romane: 'Watch Me' - 'Internet Kill' (1995), 'Catch Me' - 'Ch@mäleon' (1999);
Einzelwerk: 'Unforgiven' (1996).
Als Paul Christopher: Finn Ryan-Serie: 'Michelangelo's Notebook' - 'Michelangelos Notbook' (2005), 'The Lucifer Gospel' - 'Lucifers Testament' (2006), 'Rembrandt's Ghost' - 'Rembrandts Erbe' (2007), 'The Aztec Heresy' (2008);
John Holliday-Serie: 'The Sword of the Templars' (2009), 'The Templar Cross' (2010), 'The Templar Throne' (2010), 'The Templar Conspiracy' (2011).

++ Erstellt: Juni 2011 ++  



 

Ibargüengoitia, Jorge

(1928-1983)

Der Autor mit dem unaussprechlichen Namen Ibargüengoitia kam im mexikanischen Minenstädtchen Guanajuato zur Welt, wo seine Eltern eine Farm bewirtschafteten. Sein Studium der Ingenieurwissenschaften an der Universidad Nacional Autonoma in Mexico City (UNAM) brach er nach fünf Semestern ab, um drei Jahre lang im elterlichen Betrieb Hand anzulegen. Danach studierte er Dramatische Theorie und Komposition an der UNAM, sein Lehrer war der zu dieser Zeit bedeutendste mexikanische Bühnenautor Rodolfo Usigli.

1954 verfasste Ibargüengoitia sein erstes Theaterstück, Anfang der 60er-Jahre wandte er sich der Prosa zu. Nach der sarkastischen Groteske über die mexikanische Revolution 'Augustblitze' und der Akademikersatire 'Abendstunden in der Provinz' veröffentlichte der sprachgewandte Autor zwei satirisch gefärbte Krimis, 'Die toten Frauen' und 'Zwei Verbrechen'. Darüber hinaus war er als Übersetzer und Kritiker tätig, unterrichtete Drama und Spanische Literatur an verschiedenen Universitäten und schrieb von 1969 bis 1976 über 800 Kolumnen zu kulturellen Themen für die mexikanische Tageszeitung 'Excelsior'.

'Die toten Frauen' beruht auf einer schier unglaublichen Begebenheit, die sich zu Beginn der 60er-Jahre im Norden Mexikos tatsächlich zugetragen hat. Es ist die makabre, mit schwarzem Humor erzählte Geschichte der gegensätzlichen Schwestern Serafina und Arcangela Baladro, die sich bei ihren Bemühungen, in ihrer Heimat eine illegale Bordellkette aufzubauen, arg in die Nesseln setzen - und fortan mit dem Beseitigen von Leichen fast nicht mehr nachkommen.

'Zwei Verbrechen' handelt von Marcos Gonzales, genannt El Negro, der, wie auch seine Lebensgefährtin Chamuca, aus politischen Gründen in Mexiko-Stadt von der Polizei verfolgt wird. Er flüchtet deshalb zu seinem reichen, seit einem Hirnschlag an den Rollstuhl gefesselten Onkel Ramon in die mexikanische Provinz und gerät dort vom Regen in die Traufe - in die Schlingen seiner erbschleicherischen Verwandtschaft.

Ibargüengoitia verbrachte die letzte Zeit seines Lebens mit der britischen Malerin Joy Laville in Paris. Mit 55 Jahren kam er bei einem Flugzeugunglück in der Nähe von Madrid ums Leben.

Bibliografie:
'Las Muertas' - 'Die toten Frauen' (1977), 'Dos Crimenes' - 'Zwei Verbrechen' (1979).

++ Erstellt: Dezember 2012 ++  


Innes, Hammond

(Pseudonym für Ralph Hammond-Innes, 1913-1998; schrieb auch als Ralph Hammond)

Hammond Innes, der durch alle Meere gesegelt war und daher die Schauplätze seiner Geschichten aus eigener Erfahrung kannte, zählte in den 40er- und 50er-Jahren zu den bedeutendsten Exponenten des britischen Abenteuerromans. Sein zentrales Thema: Der Mensch im Kampf mit Naturkräften.

Geboren in Horsham, Sussex, als Spross schottischer Vorfahren, ausgebildet an der Cranbrook School in Kent, verliess Innes die Schule mit achtzehn, um Journalist zu werden. Von 1934 bis 1940 arbeitete er für die Zeitung 'Financial News'. 1937 heiratete er die Schauspielerin Dorothy Mary Lang. Kurz danach veröffentlichte er seinen ersten Roman 'The Doppelganger'. Im Zweiten Weltkrieg diente er bei der Royal Artillery. Er stieg zum Major auf und war darüber hinaus Redakteur bei britischen Armeezeitungen.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst machte Innes im Jahre 1946 das Schreiben zum Hauptberuf, der internationale Durchbruch folgte drei Jahre später mit 'Der weisse Süden'. Bis 1996 verfasste er über dreissig Romane für Erwachsene, aber auch Kinder-, Sach- und Reisebücher und Artikel für das amerikanische Reisemagazin 'Holiday'. 1978 wurde er zum "Commander of the British Empire" ernannt. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in Suffolk. Er starb 84-jährig in Kersey, Suffolk.

'Der weisse Süden' (Übersetzung ins Deutsche durch Arno Schmidt) erzählt von einer riesigen Walfangfahrt in die Antarktis, die von Beginn an unter keinem guten Stern steht. Zuerst fällt der Expeditionsleiter Bernt Nordahl unter seltsamen Umständen über Bord, worauf das Kommando an den blutigen Anfänger Erik Bland übergeht, den geltungssüchtigen und kalt berechnenden Sohn des Vorsitzenden des Aufsichtsrats der South Antarctic Whaling Company. Dann setzen sich die Wale in den Süden ab, wo Packeis und Eisberge eine flüssige Fahrt verunmöglichen. Schliesslich wird das von zahlreichen Fang- und Schleppbooten, einem Kühlschiff und einem Tanker begleitete Mutterschiff "Southern Cross" im Weddellmeer von Packeis eingeschlossen und langsam zermalmt, sodass sich die aus über 400 Mann bestehende Besatzung aufs Eis retten muss. Es kommt zu einem von Nahrungsknappheit und Stürmen geprägten Überlebenskampf, aber auch zu Meutereien und Intrigen - mit Erik Bland und dem Ich-Erzähler Duncan Craig, einem erfahrenen und charakterstarken Seemann, als wichtigste Kontrahenten. Als sich Craig und Blands ebenfalls an der Reise teilnehmende Frau Judie (Nordahls Tochter!), die für ihren Gatten längst nur noch tiefe Verachtung übrig hat, immer stärker zueinander hingezogen fühlen, wird die Stimmung explosiv - es kommt zu einem spektakulärem Showdown. 'Der weisse Süden' zählt zu Innes' herausragenden Werken. Der Rowohlt-Verlag legte es dem Leser seinerzeit mit folgenden haarsträubenden Worten ans Herz: "Wir fühlen uns zugleich an Jack London und an Edgar Wallace erinnert, wenn Hammond Innes Naturkatastrophen, Mord und Meuterei zu einer bewegten Handlung verbindet".

'Der Schiffbruch der Mary Deare' befasst sich mit einer mysteriösen Katastrophe auf hoher See. Während der Fahrt vom Fernen Osten nach Europa erleidet der Dampfer "Mary Deare" nach einer Reihe von Unglücksfällen - der Kapitän James Taggert erliegt überraschend seiner Trunksucht, der "Mary Deare"-Besitzer Dellimare, einer der Reeder der "Dellimare Gesellschaft", wird offenbar von Bord gespült, und im Funkraum bricht Feuer aus - Schiffbruch im Ärmelkanal. Die in Panik geratene 30-köpfige Crew versucht verweifelt, sich mit Booten zu retten, dabei kommen zwölf Mann ums Leben. Gideon Patch, ein hart gesottener Seemann mit obskurer Vergangenheit, verharrt allein auf der absaufenden "Mary Deare" - und überlebt, unterstützt durch John Sands, einen Fachmann für Bergungsarbeiten, der mit seiner Jacht zufällig auf den Dampfer getroffen ist. Als sich im Verlauf der folgenden Seegerichtsverhandlung die Zweifel an Patchs Version der Geschehnisse mehren, wird dem Seemann klar, dass er das Schiffswrack als Beweismittel braucht, um den von ihm vermuteten Versicherungsbetrug zu beweisen - zusammen mit Sands kehrt er zur "Mary Deare" zurück.

Den geschichtllichen Hintergrund des Spätwerks 'Isvik' - einer gut abgehangenen Mischung aus Abenteuerroman, Polit- und Psychothriller - bilden die Schreckensherrschaft der argentinischen Militärjunta sowie der Falklandkrieg, der dem mörderischen Treiben der Generäle ein Ende setzte. "Isvik" ist der Name eines Schoners, mit dem eine bunt zusammen gewürfelte Crew unter der Leitung des undurchsichtigen einarmigen Schotten Iain Ward in die Antarktis schippert, um die Anfang des 19. Jahrhunderts gebaute, im Weddellmeer von Packeis eingeschlossene Holz-Fregatte "Andros" zu bergen. Mit an Bord: Der Ich-Erzähler Peter Kettil, ein Fachmann für Holzpräservierung und passionierter Hobbysegler, die reizvolle Witwe Iris Sunderby, deren Mann, ein Eisforscher, mit seinem Flugzeug abstürzte, kurz nachdem er die Fregatte gesichtet hatte, und der charmant auftretende Argentinier Angel Borgalini, der auch als "Engel des Todes" bekannt ist. Was die Abenteurer dann auf dem Holzschiff entdecken, ist an Grauen fast nicht zu überbieten.

Bibliografie:
'The Doppelganger' (1937), 'Air Disaster' (1937), 'Sabotage Broadcast' (1938), 'All Roads Lead to Friday' (1939), 'The Trojan Horse' (1940), 'Wreckers Must Breathe' (auch unter dem Titel 'Trapped', 1940), 'Attack Alarm' (1941), 'Dead or Alive' (1946), 'Killer Mine' - 'Die Todes-Mine' (1947), 'The Loneley Skier' (auch unter dem Titel 'Fire in the Snow', 1947), 'The Blue Ice' - 'Das blaue Eis' (1948), 'Maddon's Rock' (auch unter dem Titel 'Gale Warning') - 'Das Schiff im Felsen' (1948), 'The White South' (auch unter dem Titel 'The Survivors') - 'Der weisse Süden' (1949), 'The Angry Mountain' - 'Der flammende Berg' (1950), 'Air Bridge' - 'Die Luftbrücke' (1951), 'Campbell's Kingdom' - 'Campbells Königreich' (auch unter dem Titel 'Öl in den Rocky Mountains', 1952), 'The Strange Land' (auch unter dem Titel 'The Naked Land') - 'Es begann in Tanger' (1954), 'The Wreck of the Mary Deare' - 'Der Schiffbruch der Mary Deare' (1956), 'The Land God Gave to Cain' - 'Labrador, das Land Kains' (1958), 'The Doomed Oasis' - 'Die verlorene Oase' (1960), 'Atlantic Fury' - 'Rasender Atlantik' (1962), 'The Strode Venturer' - 'Die weissen Wasser' (auch unter dem Titel 'Die verschwundene Insel', 1965), 'Levkas Man' - 'Tod auf Leukas' (1971), 'Golden Soak' - 'Das Gold der Wüste' (1973), 'North Star' - 'Nordstern' (1975), 'The Big Foodprints' - 'Die Fährte des Elefanten' (1977), 'The Last Voyage' - 'Captain Cooks letzte Reise' (1978), 'Solomon's Seal' - 'Zwei Penny für ein tolles Leben' (1980), 'The Black Tide' - 'Die schwarze Flut' (1982), 'High Stand' - 'Die Yukon-Affäre' (1985), 'Medusa' (1988), 'Isvik' - 'Isvik' (1991), 'Target Antarctica' (1993), 'Delta Connection' (1996).

++ Erstellt: März 2012 ++  


Izzi, Eugene

(1953-1996; schrieb auch als Nick Gaitano)

Eugene "Guy" Izzi kam in Hegewisch, einem heruntergekommenen Vorort Chicagos, zur Welt und wuchs dort als Sohn eines alkoholkranken, wiederholt im Gefängnis einsitzenden Vaters und einer gewalttätigen Mutter auf. Nach seinem Rausschmiss aus der High School heuerte er bei der US Army an, wo er später den Schulabschluss nachholen konnte. Zurück in Hegewich fand er einen Job in der Stahlindustrie. Er war jetzt ein verheirateter Familienvater, trieb sich jedoch oft in den Bars herum, trank zu viel Alkohol und wurde mehrmals wegen kleinerer Delikte inhaftiert. Ende der 70er-Jahre versuchte Izzi, auf die rechte Bahn zu finden, indem er zu schreiben begann. Er verliess Hegewisch und zog mit Frau und Kindern nach Chicago. In sechs Jahren verfasste er sechs Romane, die unveröffentlicht blieben. Sein siebtes Buch 'Das Ende der Strasse' schliesslich wurde 1987 veröffentlicht, Izzi erhielt einen Vorschuss von 20'000 Dollar, doch der grosse Durchbruch wollte ihm nicht gelingen. 1992 überwarf er sich mit seinem Verlag und wurde gezwungen, während drei Jahren unter einem Pseudonym (Nick Gaitano) zu schreiben.

Am 7. Dezember 1996 baumelte Izzis Leiche aus dem Fenster seiner (von innen verschlossenen) Arbeitsstätte vierzehn Stockwerke über der Michigan Avenue in Chicago. Izzi trug eine kugelsichere Weste, in seinen Taschen fand die Polizei ein wenig Bargeld, einen Schlagring, einen Reizspray und ein unveröffentlichtes, auf drei Disketten abgelegtes Manuskript, in dem sein Tod exakt beschrieben war, im Büro ferner eine .38er-Waffe, jedoch keinen Abschiedsbrief. Der spektakuläre, bis heute nicht geklärte Tod gab Anlass zu Spekulationen (Selbstmord? Mord? als Mord getarnter Selbstmord? fatales Experiment bei Recherchierarbeiten?); offiziell wurde er als Selbstmord deklariert.

Izzis Werk enthält achtzehn Romane: Harte, vielschichtige, mit zugespitzten Dialogen versehene Noir-Thriller aus dem Chicago der 80er- und frühen 90er-Jahre, die sich mit gescheiterten Existenzen jeder Couleur - korrupten Bullen, fiesen Bewährungshelfern, Polizeispitzeln, psychopathischen Killern, Zuhältern, Nutten und Vergewaltigern -, aber auch mit organisierter Kriminalität und Rassenhass befassen. In den drei mit Nick Gaitano gezeichneten Krimis steht der junge Cop Jake Phillips von der Chicagoer Special Victims Unit im Mittelpunkt.

'Das Ende der Strasse' erzählt von Jimmy Capone und Fabrizzio "Fabe" Faletti, beide italienischer Herkunft, die seit ihrer Jugendzeit eng miteinander befreundet sind und zusammen in Vietnam kämpften. Danach wurden sie Partner bei der Chicagoer Polizei, doch während der unbestechliche Jimmy beim Drogendezernat Karriere machte, liess sich Fabe, dessen Töchterchen an Krebs erkrankt war, korrumpieren, damit er die Rechnungen der Ärzte bezahlen konnte, und musste schliesslich für vier Jahre ins Gefängnis. Dort lernte er den smarten Schwarzen Doral Washington kennen, und die beiden avancierten nach ihrer Freilassung zu den besten Einbrechern Chicagos. Jetzt sind Fabe und Jimmy 38-jährig und weiterhin dicke Freunde - solange Fabe sich nicht auf Drogendeals einlässt. Einen letzten Coup will Fabe noch landen und dann, mit einer Million Dollar auf dem Konto, in den Ruhestand treten - doch der Einbruch ins Haus eines drogensüchtigen Arztes geht gründlich schief, denn die beiden stossen dabei nicht nur auf einen Haufen Geld, sondern auch auf Kokain im Wert von mindestens 10 Millionen Dollar, auf die Leiche einer jungen Schönheit und auf den übergeschnappten Arzt, der offenbar das Mädchen - die Schwester des puertoricanischen Killers Ortiz, der den Mob mit Drogen versorgt - auf dem Gewissen hat. Als Doral sich Geld und Kokain unter den Nagel reisst, bekommt er es mit dem Mafioso DiNardo und mit Ortiz zu tun - und Fabe steht zwischen den Fronten.

Bibliografie:
'The Take' - 'Das Ende der Strasse' (1987), 'Bad Guys' (1988), 'The Eighth Vivtim' (1988), 'Booster' (1989), 'King of the Hustlers'- 'Unerbittlich' (1989), 'The Prime Roll' - 'Ausgespielt' (1990), 'Invasions' - 'Eingekreist' (1990), 'Prowlers' - 'Eine dreckige Geschichte' (1991), 'Tribal Secrets' (1992), 'Tony's Justice' (1993), 'Bulletin from the Street' (1995), 'Safe Harbour' (1995), 'Players' (1996), 'A Matter of Honor' (1997), 'The Criminalist' (1998).
Als Nick Gaitano: Jake Phillips-Trilogie: 'Special Victims' - 'Organjäger' (1994), 'Mr. X' (1995), 'Jaded' (auch unter dem Titel 'Spent Force', 1996).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2011 ++
 



 

Jacobs, Nancy Baker

(*1944; schreibt auch als Nancy C. Baker)

Nancy Baker Jacobs wurde im Mittleren Westen der USA geboren. Sie machte einen Abschluss in Journalismus und Kommunikationswissenschaften an der University of Minnesota und in Schreiben an der University of Southern California. Danach arbeitete sie als Privatdetektivin, College-Lehrerin und Journalistin. Sie lebt mit ihrem Mann in Monterey, Kalifornien, wo sie sich seit 1992 hauptberuflich dem Schreiben widmet. Ihr Werk enthält sechs Sachbücher zu ganz verschiedenen Themen, die unter dem Pseudonym Nancy C. Baker erschienen sind, zwölf zwischen 1986 und 2004 publizierte Krimis und eine Kriminalnovelle.

Jacobs ist die Erfinderin der 33-jährigen Grundschullehrerin Devon MacDonald aus St. Paul, Minnesota, deren dreijähriger Sohn Danny von einem Betrunkenen überfahren wurde, worauf ihr Mann das Weite suchte. Sam Sherman, ein liebenswerter, wenn auch etwas verschrobener Privatermittler gesetzten Alters, der zwei Herzinfarkte überstanden hat, nimmt die gebeutelte Frau unter seine Fittiche und heuert sie als Assistentin an: Sie soll für ihn die Laufarbeit erledigen. Im ersten Roman 'Blutsbrüder' wird Devon MacDonald - nicht zuletzt wegen ihrer traurigen Biografie - von dem Arzt Benjamin Levy für eine höchst delikate Ermittlung engagiert: Levys einziger, achtjähriger Sohn David ist an Leukämie erkrankt, eine Knochenmarkstransplantation ist seine letzte Chance. Da Levy sein Studium mit Samenspenden finanzierte, gibt es möglicherweise Halbgeschwister, die als Organspender dienen könnten. Der Vater des, wie sich herausstellt, einzigen Spenderkandidaten, wusste bisher nicht, dass er nicht der biologische Vater ist. Er rastet aus, schlägt Levy zusammen - und kommt kurz danach gewaltsam ums Leben. Levy wird aufgrund von Indizien verhaftet, und Devon kommt zu ihrem ersten Mordfall. Die mit leichter Hand verfasste Whodunnit-Geschichte lebt von der (trotz ihres Gesundheitsfimmels) sehr sympathischen Hauptfigur und den zentralen Fragen: Wer ist der Mörder? und wird David überleben?

Jacobs' zweite Krimiheldin ist die die Star-Reporterin Quinn Collins aus Hollywood, die beiden Bände wurden jedoch nicht ins Deutsche übersetzt.

Von Jacobs' acht Einzelwerken ist nur 'Strasse der Angst' auf Deutsch erschienen. Allison, Ex-Frau des angesehenen Versicherungsanwalts Karl Warren, behauptet, dieser habe die gemeinsame vierjährige Tochter Stephanie sexuell missbraucht, doch niemand will ihr glauben. Als Karl vor Gericht freigesprochen wird und Stephanie weiterhin jedes Wochenende zu sich holen darf, sucht Allison mit ihrer Tochter das Weite. Unterstützt durch eine Frauenvereinigung kreiert sie sich eine neue Identität, doch Karl gibt nicht auf und heuert Detektive an - eine Verfolgungsjagd durch halb Amerika beginnt. 'Strasse der Angst' ist ein leicht lesbarer, durchaus spannender Krimi, selbst wenn die Autorin bisweilen zur Geschwätzigkeit und zum Psychologisieren neigt und ihre Figuren etwas eindimensional geraten sind.

Bibliografie:
Devon MacDonald-Trilogie: 'The Turquoise Tattoo' - 'Blutsbrüder' (1991), 'A Slash of Scarlet' - 'Ein scharlachroter Schnitt' (1992), 'The Silver Scalpel' - 'Das silberne Skalpell' (1993);
Quinn Collins-Romane: 'Star Struck' (2002), 'Star Search' (Novelle, 2004).
Einzelwerke: 'Deadley Companion' (1986), 'See Mommy Run' - 'Strasse der Angst' (auch unter dem Titel 'Flucht in die Nacht', 1992), 'Cradle and All' (1995), 'Daddy's Gone A-Hunting' (1996), 'Rocking the Cradle' (1996), 'Double or Noting' (2001), 'Flash Point' (2002), 'Ricochet' (2003).

++ Erstellt: August 2012 ++  


James, Bill

(Pseudonym für James Tucker, *1929; schreibt auch als David Craig und Judith Jones)

James Tucker (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Arzt und Medical-Thriller-Autor) kam in Grangeville, Südwales, zur Welt, wo er auch aufwuchs. Er besuchte das University College in Cardiff und arbeitete dann als Journalist für die 'Western Mail', das 'South Wales Echo', den 'Daily Mirror' und die 'Sunday Times'.

Unter dem Pseudonym David Craig veröffentlichte Tucker 1973 den einflussreichen Noir-Roman 'Jill und die Boys'. Im Mittelpunkt steht der versoffene Ex-Kriminalinspektor Jim Naboth, ein lässiger, irgendwie rührender Mann, der als allein erziehender Vater zweier halbwüchsiger Söhne von der Sozialhilfe lebt. Als seine von ihm getrennt lebende Frau Jill samt der Tochter ihres neuen Lebensgefährten, des begüterten Geschäftsmannes Robert Freeman, gekidnappt wird, legt sich Jim Naboth - zunächst noch recht zaghaft - mit der Londoner Unterwelt an. Die Geschichte besticht durch den lakonischen Tonfall, die knappen Dialoge und die herrlichen Selbstgespräche des Protagonisten.

Zehn Jahre später, unter dem Pseudonym Bill James, begann James Tucker die Reihe um die ausgekochten, zynischen, in einer fiktiven südenglischen Hafenstadt tätigen Ermittler Detective Chief Superintendent Colin Harpur und Assistant Chief Constable Desmond Iles (Harpurs direkter Vorgesetzter), die sich in juristischen Grauzonen am wohlsten fühlen. Die anspruchsvolle, mit bissigem Humor erzählte und mit schnellen Wortwechseln und umwerfenden inneren Monologen gewürzte (und wohl noch nicht abgechlossene) Serie enthält bisher 26 Romane: kongeniale Mixturen aus Gangster- und Polizeiroman, mit fliessenden Übergängen zwischen den beiden doch recht gegensätzlichen Berufen. Drei Titel liegen auf Deutsch vor.

'Auf Rosen gebettet' beginnt mit einem Paukenschlag: Colin Harpurs Frau Megan wird in einer kalten Nacht kurz vor Weihnachten erstochen, als sie von einem Schäferstündchen mit ihrem Liebhaber, dem hochrangigen Polizisten Tambo, aus London nach Hause kommt. Mit der Unterstützung seiner bereits erstaunlich abgebrühten halbwüchsigen Töchter Hazel und Jill, seines zuverlässigsten Spitzels Jack Lamb und der örtlichen Polizei ermittelt Harpur die Hintergründe der auf den ersten Blick sinnlosen, ihn persönlich herzlich kalt lassenden Tat und stösst auf kriminelle Machenschaften seines korrupten Nebenbuhlers, von denen auch Megan gewusst haben muss.

In 'Rivalen' ist die Ausgangslage ebenso einfach wie brisant: Nach dem gewaltsamen Tod des lokalen Drogenbarons Kenward Knapp herrscht in der Stadt ein Vakuum, das der Nachtclubbesitzer Ralph Ember, wegen seiner Angstattacken Panikralph genannt, nur allzu gerne füllen möchte. Er lässt sich auf einen Machtkampf mit den Verbrechern Keith Vine und Stanley Stanfield ein, und dazwischen steht Colin Harpur, der sich ebenfalls an der Neuaufteilung der Drogenpfründe zu beteiligen scheint.

Keith Vine und Ralph Ember sind auch in 'Tote schreien nicht' auf der Piste. Vine beherrscht den Kokainhandel in der Stadt, muss jedoch Acht geben, dass ihm die Londoner Syndikate nicht das Wasser abgraben, und Ember betreibt ein kleines Konkurrenzunternehmen. Zwischen den Fronten: Colin Harpur, der verdeckt in der lokalen Drogenszene ermittelt. Das vordringliche Ziel der Polizei ist jedoch nicht, die einheimischen Gangster hinter Gitter zu bringen, sondern ihnen gerade soviel Macht zu lassen, dass die auswärtigen - und weniger berechenbaren - Rivalen auf Distanz bleiben.

Tuckers weitere Serienfiguren: Simon Abelard, britischer Spion; Roy Rickman, Agent des britischen "Home Office"; Stephen Bellecroix und Sheila Roath, britische Geheimagenten; Dave Brade und Glyndwr Jenkins, Police Detectives in Cardiff; Sally Bithron, Detective Constable in Cardiff; Kerry Lake, Polizistin in Grossbritannien.

James Tucker, verheirateter Vater von vier erwachsenen Kindern, lebt in seiner südwalisischen Heimat in einem Haus in der Nähe von Cardiff, zeitweise auch in einem Wohnmobil an der Küste von Pembrokeshire. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit ist er Teilzeitdozent für Kreatives Schreiben an der University of Wales in Cardiff.

Bibliografie:
Als Bill James:
Colin Harpur & Desmond Iles-Serie: 'You'd Better Believe It' (1985), 'The Lolita Man' (1986), 'Halo Parade' (1987), 'Protection' (auch unter dem Titel 'Harper & Iles', 1988), 'Come Clean' (1989), 'Take' (1990), 'Club' (1991), 'Astride a Grave' (1991), 'Gospel' (1992), 'Roses, Roses' - 'Auf Rosen gebettet' (1993), 'In Good Hands' (1994), 'The Detecitve is Dead' (1995), 'Top Banana' (1996), 'Panicking Ralph' - 'Rivalen' (1997), 'Lovely Mover' - 'Tote schreien nicht' (1998), 'Eton Crop' (1999), 'Kill Me' (2000), 'Pay Days' (2001), 'Naked at the Window' (2002), 'The Girl with the Long Back' (2003), 'Easy Streets' (2004), 'Wolves of Memory' (2005), 'Girls' (2006), 'The Sixth Man an Other Stories' (2006), 'Pix' (2007), 'In the Absence of Iles' (2008), 'Hot Bed' (2009), 'I Am Gold' (2010), 'Vacuum' (2011), 'Undercover' (2012), 'Play Dead' (2013);
Simon Abelard-Romane: 'Split' (2001), 'A Man's Enemies' (2003);
Kerry Lake-Roman: 'Double Jeopardy' (2002);
'The Last Enemy' (1997), 'Middleman' (2002), 'Between Lives' (2003), 'Making Stuff Up' (2006), 'Letters from Carthage' (2007), 'Off-Street Parking' (2008), 'Full of Money' (2009), 'World War Two Will Not Take Place' (2011).
Als David Craig:
Roy-Rickman-Romane: 'The Alias Man' (1968), 'Message Ends' (1969), 'Contact Lost' (1970);
Stephen Bellecroix & Sheila Roath-Romane: 'Young Men May Die' (1970), 'A Walk at Night' (1971);
Dave Brade & Glyndwr Jenkins-Serie: 'Forget it' (1995), 'The Tattoed Detective' (1998), 'Torch' (1999), 'Bay City' (2000);
Sally Bithron-Romane: 'Hear me Talking to You' (2005), 'Tip Top' (2006);
'Up from the Grave' (1971), 'Double Take' (1972), 'Bolthole'('Auch unter dem Titel 'Knifeman') - 'Die Angst kehrt stets zurück' (1973), 'A Dead Liberty' (1974), 'Whose Little Girl are You?' (auch unter dem Titel 'The Squeeze') - 'Jill und die Boys' (1974), 'The Albion Case' (1975), 'Faith, Hope and Death' (1976).
Als Judith Jones:
Kerry Lake-Romane: 'Baby Talk' (1998), 'After Melissa' (1999).
Als James Tucker:
'Equal Partners' (1960), 'The Right Hand Man' (1961), 'Burster' (1966), 'Blaze of Riot' (1979), 'The King's Friends' (1982).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juli 2013 ++
 


James, Russell

(Pseudonym für Russell Logan, *1942)

Russell James, geboren in Gillingham, Kent, als Sohn eines Berufssoldaten, verbrachte eine recht unglückliche Kindheit - ständige Orts- und Schulwechsel und Einsamkeit machten ihm zu schaffen. Nachdem sein Vater Selbstmord begangen hatte, schickte man James auf eine Kadettenschule. Er weigerte sich jedoch standhaft, eine militärische Laufbahn einzuschlagen, und liess sich ohne feste Jobs in der Welt herumtreiben. Danach war er "Mädchen für Alles" - Lichtsetzer, Schauspieler, Regisseur - bei einer britischen Theatergruppe. Nach seiner Heirat arbeitete er von 1972 bis 1979 als Manager für IBM. Anschliessend machte er sich selbständig, indem er in Cheltenham eine Consulting Firma gründete.

Tief beeindruckt von Noir-Autoren wie David Goodis und Cornell Woolrich, begann James Ende der 80er-Jahre zu schreiben. Nach dem noch etwas holprigen und unausgegorenen Erstling 'Underground' veröffentlichte er 1991 den düsteren Gangsterroman 'Payback. Floyd Carters Rückkehr', der an Ted Lewis' Klassiker 'Jack Carters Heimkehr' anknüpft. Floyd Carter kehrt nach zehn Jahren in sein heruntergekommenes Viertel im Londoner Süden zurück, nachdem die Gangsterlaufbahn seines Bruders Albie gewaltsam beendet wurde. Er will Albies Tod aufklären, kämpft sich durch die Londoner Unterwelt, muss jedoch gleichzeitig seinen zweiten Bruder im Auge behalten, Ludo, einen gutmütigen Menschen mit harten Muskeln, aber weichem Hirn.

'Schlachtmusik', Russell James' letzter ins Deutsche übersetzter, im London der frühen 90er-Jahre spielender Roman, handelt von dem gut zwanzigjährigen Tim Hawks, der eine harte Jugendzeit hinter sich hat. Er ist der neue, aufstrebende Killer im Syndikat des ukrainisch-stämmigen Gangsterbosses Al Kazan von Südost-London und bekommt jetzt, als ein blutiger Bandenkrieg ausbricht, von Kazan den Auftrag, seiner neuen Braut, der jungen, schönen Lehrerin Irena, ein wenig zur Seite zu stehen - scheinbar ein einfacher Leibwächterjob. Doch Irena verliebt sich in ihren Beschützer, und für Tim beginnt ein Alptraum, an dem die Gesetzeshüter nur ganz am Rande teilhaben. Die in knappem Stil erzählte Geschichte lebt von einfühlsamen, plastischen Figurenschilderungen.

Bis 2009 folgten acht weitere (zum Teil historische) Krimis und zwei Sachbücher über fiktive britische Detektive bzw. Bösewichte ('Great British Fictional Detectives', 2008, und 'Great British Fictional Villains', 2009).

Bibliografie:
'Underground' - 'Underground' (1989), 'Daylight' (1990), 'Payback' - 'Payback. Floyd Carters Rückkehr' (1991), 'Slaughter Music' - 'Schlachtmusik' (1994), 'Count Me Out' (1996), 'Oh No, Not My Baby' (1999), 'Painting in the Dark' (2000), 'The Annex' (2001), 'Pick Any Title' (2002), 'No One Gets Hurt' (2003), 'The Maud Allan Affair' (2008).

++ Erstellt: Mai 2011 ++  


Janes, J. Robert

(*1935)

J. Robert Janes wurde in Toronto als mittlerer von drei Söhnen eines Werbefachmanns und einer Künstlerin geboren. Nach der Schulzeit studierte er an der University of Toronto und schloss 1958 als Mineningenieur ab. Es folgten sechs Jahre als Ingenieur, zuerst bei 'Mobil Oil', dann bei der 'Ontario Research Foundation'. Anschliessend kehrte er an die University of Toronto zurück, um Geologie zu studieren (Master-Abschluss 1967) und dieses Fach daraufhin an High Schools und der Brock University in St. Catharines zu unterrichten. 1970 leitete er eine geologische Feldstudie in Kanada. Noch im selben Jahr machte er das Schreiben zum Hauptberuf. Sein Werk enthält Sach- und Fachbücher über Geologie, Detektivgeschichten für Jugendliche (unter anderem die Rolly-Serie) und Kriminalromane für Erwachsene. Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit seiner Frau Gracia, einer Umweltaktivistin, in Niagara-on-the-Lake, Ontario.

Zwischen 1992 und 2002 veröffentlichte Janes die zwölfbändige Reihe um den Sureté-Oberinspektor Jean-Louis St.-Cyr und den Gestapo-Mann Hermann Kohler, dessen beiden Söhne an der russischen Front in Stalingrad kämpfen. Die liebevoll recherchierten, detailreich und mit schnellen Perspektivenwechseln erzählten, von einer düsteren Atmosphäre geprägten Romane spielen im besetzten Frankreich (vorwiegend in Paris, aber auch in der Provence und in Lyon, dem Sitz des SS-Verbrechers Klaus Barbie) des Winters 1942/43, einer finsteren Zeit, in der die kleinen Leute tagtäglich ums Überleben kämpfen und in der - neben den Nazi-Verbrechen - selbstverständlich auch "normale" Morde geschehen, denen das systemkritische, nur scheinbar gegensätzliche Gespann St.-Cyr/Kohler, das eine tiefe Freundschaft verbindet, mit grossem Geschick auf den Grund geht.

Nach zehnjähriger Absenz sind St.Cyr und Kohler in 'Bellringer' zurückgekehrt. Die Geschichte spielt im nordostfranzösischen Städtchen Vittel, wo die Nazis in zwei zu Internierungslagern umfunktionierten Luxushotels 2'600 amerikanische und britische Frauen eingepfercht haben. Und hier geschehen jetzt, im Winter 1942/43, eine Reihe seltsamer Todesfälle, die die Dienste der beiden unverwüstlichen Bullen erfordern. Und seither folgten bereits wieder drei weitere Bände.
Janes hat offenbar noch weitere St.Cyr & Kohler-Krimis in der Pipeline.

Bibliografie:
Jean-Louis St.-Cyr & Hermann Kohler-Serie: 'Mayhem' (auch unter dem Titel 'Mirage', 1992), 'Carousel' (1992), 'Kaleidosope' (1993), 'Salamander' - 'Salamander' (1994), 'Mannequin' (1994), 'Dollmaker' (1995), 'Stonekiller' - 'Stonekiller' (1995), 'Sandman' (1996), 'Gypsy' (1997), 'Madrigal' (1999), 'Beekeeper' (2001), 'Flykiller' (2002), 'Bellringer' (2012), 'Tapestry' (2013), 'Carnival' (2014), 'Clandestine' (2015).
'The Toy Shop' (1981), 'The Watcher' (1982), 'The Third Story' (1983), 'The Hiding Place' (1984), 'The Alice Factor' (1991), 'The Hunting Ground' (2013), 'Betrayal' (2014).

++ Erstellt: August 2011 ++
++ Update: Juni 2012 ++
++ Update: November 2013 ++
++ Update: Oktober 2015 ++
 


Jaouen, Hervé

(*1946; schreibt auch als Michael Cliffden, Michel Ennis und J.-M. Kérity)

Hervé Jaouen kam in der bretonischen Stadt Quimper zur Welt. Nach seinem Jura- und Wirtschaftsstudium leitete er dreizehn Jahre eine Bankfiliale, bis er sich in den 80ern immer stärker auf die Schriftstellerei konzentrierte und seine Bankstelle schliesslich ganz aufgab. Sein Werk umfasst zehn Jugendbücher, drei Reisebücher über Irland, sechzehn Krimis und rund zwanzig andere Romane sowie Erzählungen, Artikel und Drehbücher. Darüber hinaus übersetzte er Liam O'Flaherty und andere irische Autoren ins Französische. Er pendelt zwischen der Bretagne und seiner zweiten Heimat, Irland.

Auf Deutsch ist einzig der 1982 mit dem "Prix du Suspense" ausgezeichnete Noir-Roman 'Die Nacht der Rache' erschienen. In einer knappen, präzisen Sprache, mit beissender Ironie, erzählt Jaouen die hoffnungslose, tieftraurig endende Geschichte zweier (zumindest auf den ersten Blick) recht gegensätzlicher Paare, bestehend aus dem jungen, moralisch verkommenen, zu selbstzerstörerischem Verhalten neigenden, aber trotzdem sehr erfolgreichen Arzt Kévin und seiner sanftmütigen Frau Marianne, einer ehemaligem Krankenschwester, auf der einen, und dem schmierigen, auf Luxusgüter erpichten Zuhälter Eddy und seiner Partnerin Alexia, einer sentimentalen Ex-Hure mit tristem Lebenslauf, die in Nantes ein Stripteaselokal besitzt, auf der anderen Seite. Als Kévin in einem Eifersuchtsanfall wild um sich schiesst und dann seine Frau aus dem fahrenden Auto wirft, findet er Unterschlupf bei Alexia, mit der er vor etlichen Jahren eine Affäre hatte. Er geht mit ihr ins Bett, nützt sie skrupellos aus und bereitet seine Flucht vor, während die Ärzte um das Leben der schwer verletzten Marianne kämpfen. Und dann fliesst wieder Blut.

Innerhalb von Jaouens Prosawerk haben 'Connemara Queen', ein in Irland spielendes Drama um Eifersucht und Hass, und der in der Bretagne zur Zeit des Zweiten Weltkriegs angesiedelte Spannungsroman 'Au-dessous du calvaire' einen besonderen Stellenwert.

Bibliografie:
'La mariée rouge' (1979), 'La chasse au merle' (1979), 'La petite fille et le pêcheur' (1980), 'Quai de la fosse' - 'Die Nacht der Rache' (1981), 'Marée basse' (1983), 'Toilette des morts' (1983), 'Le crime du syndicat' (1984), 'Pleure pas sur ton biniou' (1985), 'Histoire d'ombres' (1986), 'Les chiens du sud' (1987), 'Coup de chaleur' (1987), 'Connemara queen' (1990), 'Hôpital souterrain' (1990), 'Flora des embruns' (1991), 'Les endetteurs' (1994), 'Le fossé' (1995), 'Au-dessous du calvaire' (2005).

++ Erstellt: August 2011 ++  


Jaun, Sam

(*1935)

Sam Jaun, geboren im Schweizer Dorf Wyssachen im Emmental, Kanton Bern, als Sohn eines protestantischen Pfarrers, wuchs in Unterlangenegg, Gstaad und Biel (alle im Kanton Bern) auf. Nachdem er die Matura auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt hatte, studierte er in Bern Germanistik und Altphilologie, brach das Studium jedoch bald wieder ab und war daraufhin kurze Zeit als Deutsch- und Lateinlehrer am Berner Abendgymnasium tätig, danach als Sekretär für kulturelle Fragen der Stadt Bern. Mit 42 Jahren kündigte er diese Stelle und wurde Autor von Romanen, Erzählungen, Gedichten, Theaterstücken und Hörspielen sowie Übersetzer. 1983 erschien sein erster Krimi 'Der Weg zum Glasbrunnen'.

In seinen unspektakulären und stimmungsvollen, ein facettenreiches Bild der Schweiz zeichnenden Krimis geht es Jaun (wie seinem Vorbild Friedrich Glauser) weniger um die Auflösung von Verbrechen als um die Psyche, die Lebensumstände und das soziale Umfeld der beteiligten Personen. Sein Protagonist, der Bieler Privatermittler Peter Keller, eine kantige, melancholische Figur, ist in vier Romanen und vier (im 2005 erschienenen Sammelband ‚Tagpfauenauge' abgedruckten) Erzählungen am Werk zu sehen.
Aus dem fiktionalen Emmentaler Dorf Schwant stammend, war er Milizoffizier der Grenadiere, Nahkampfexperte und Teilzeitinstruktor an der Berner Polizeirekrutenschule, aber auch Philosophie- und Kunststudent, Kunstmaler und aktiver Sozialdemokrat, bis er nach dem Selbstmord seiner Frau Selma einen seelischen Zusammenbruch erlitt und (im Anschluss an einen langen Klinikaufenthalt) ein neues Leben als Detektiv begann. Sein älterer Bruder Roger, mit dem ihn wenig verbindet, ist Kommissär bei der Berner Kantonspolizei.

In Jauns zweitem Roman 'Brandnacht' kehrt Keller in sein Heimatdorf zurück, um sich dem Mordfall Drechsel anzunehmen: Eva Drechsel ist die zweite junge Frau, die dort erwürgt wurde, und Otto Balsiger, den Keller von früher her kennt, sitzt als Hauptverdächtiger in Untersuchungshaft. Keller, der an Balsigers Schuld zweifelt, beginnt - gegen den Widerstand der Bevölkerung und der örtlichen Polizei - zu ermitteln und legt am Schluss einer mächtigen, vor Mord nicht zurückschreckenden Sekte auf spektakuläre Weise das Handwerk.

Vierzehn Jahre später folgte 'Fliegender Sommer', ein sperriger, figurenreicher, um Machtmissbrauch und Erpressung kreisender Krimi, der im Milieu des Militärischen Nachrichtendienstes der Schweiz angesiedelt ist - Jauns anspruchsvollstes Werk. Von Major Saibling, einem Militärkollegen aus alten Zeiten, erhält Keller einen höchst undurchsichtigen, als "Kriegsspiel" aufgezogenen Undercover-Auftrag: Er soll ermitteln, ob es stimmt, dass mehrere Soldaten mittleren Alters vor zwei Jahren ein 15-jähriges Mädchen sexuell missbraucht haben. Getarnt als Füsilier Langenegger nimmt er an einem militärischen Ergänzungskurs teil, in dem fiktiven jurassischen Kaff Bergues, dem Ort des mutmasslichen Verbrechens. Als Keller herausfindet, dass Sandor Jenner, verheirateter Famlienvater und Stiefsohn des streitbaren Divisionärs Peseu, zu den Tätern gehörte, wird ihm klar, dass weit mehr hinter dem Fall steckt als ein Sexualdelikt. Wenig später kommt Jenner auf unklare Weise ums Leben - und Keller findet sich in einem verschlossenen und fensterlosen Raum in einer psychiatrischen Klinik wieder.

Jauns vierter Krimi 'Die Zeit hat kein Rad' führt Keller von Biel nach Berlin, wo er vor vielen Jahren die Staatliche Hochschule für Bildenden Künste besucht hat. Sein Patenkind Lisbeth, eine lebhafte, einzelgängerische Frau Anfang zwanzig, lebt und studiert dort seit gut einem Jahr, um Schauspielerin zu werden, als sie sich im Bahnhof Tempelhof vor die U-Bahn wirft und ums Leben kommt. Doch ihr Grossvater, bei dem sie nach dem Tod der Eltern aufgewachsen ist, zweifelt an der Selbstmordtheorie und bittet Keller um Hilfe. Die Nachforschungen führen den Detektiv in die Berliner Kulturszene mit ihren Kneipen, in denen der Wein in Strömen fliesst; er spricht mit Lisbeths Kollegen und Lehreren, trifft auf alte Freunde aus seiner Studienzeit, verliebt sich in die aparte Serviererin Helle, sein Aufenthalt in Berlin zieht sich immer mehr in die Länge - bis er schliesslich eher zufällig auf die Lösung des sich als recht banal erweisenden Falles stösst.

Nach längeren Aufenthalten in Portugal, Frankreich und den Vereinigten Staaten lebt Sam Jaun heute in Bern und Berlin.

Bibliografie:
Peter Keller-Serie: 'Der Weg zum Glasbrunnen' (1983), 'Die Brandnacht' (1986), 'Fliegender Sommer' (2000), 'Die Zeit hat kein Rad' (2004).

++ Erstellt: September 2011 ++  


Jay, Charlotte

(Pseudonym für Geraldine Mary Halls, 1919-1996)

Geraldine Mary Halls, geborene Jay, kam in der Küstenstadt Adelaide, der Hauptstadt des Bundesstaates South Australia, zur Welt und wuchs auch dort auf. Sie studierte an der University of Adelaide und arbeitete danach als Sekretärin in Adelaide, Sydney, Melbourne und London sowie als Protokollführerin am australischen Gerichtshof von Papua-Neuguinea. In den 50er-Jahren lebte sie mit ihrem Mann Albert James Halls, der damals für die UNESCO arbeitete, in Pakistan, Thailand, Libanon, Indien und Frankreich. Von 1958 bis 1971 betrieben sie gemeinsam ein Geschäft für asiatische Kunst, zuerst in Sommerset, dann in Adelaide. Sie starb vierzehn Jahre nach ihrem Mann in ihrer Geburtsstadt.

Unter dem Pseudonym Charlotte Jay veröffentlichte Geraldine Halls ab 1951 neun an asiatischen, australischen und afrikanischen Schauplätzen angesiedelte Krimis, unter bürgerlichem Namen zwischen 1956 und 1982 sechs andere Romane. Ihr zweiter Krimi 'Beat Not the Bones' ('Bis auf die Knochen') erhielt 1954 den allerersten Edgar für den besten Roman.

'Bis auf die Knochen' ist Jays einziger ins Deutsche übersetzter Krimi. Die anti-kolonialistische, mit stimmungsvollen Schilderungen der bedrohlich wuchernden Pflanzenwelt gespickte Geschichte spielt auf der rückständigen Südwest-Pazifik-Insel Papua-Neuguinea, wo Stella Warwicks Gatte, ein Anthropologe, der zu Studienzwecken in der fiktiven Stadt Marapai weilte (Marapai steht für Port Moresby, die Hauptstadt Papua-Neuguineas), unter unklaren Umständen ums Leben gekommen ist. Die junge Witwe zweifelt an der offiziellen Version, nach der ihr Mann Suizid begangen haben soll. Sie reist auf die urwüchsige Insel, beginnt selbst zu ermitteln, unternimmt eine alptraumhafte Expedition in den Dschungel, in dem ihr Mann sein Leben verlor - aus der schüchternen Frau wird eine harte und furchtlose Kämpferin, die schliesslich ein ungeheures Verbrechen der skrupellosen und habgierigen Kolonialherren an den Tag bringt.

Bibliografie:
'The Knife Is Feminine' (1951), 'Beat Not the Bones' - 'Bis auf die Knochen' (auch unter dem Titel 'Das Gift der neuen Welt', 1952), 'The Fugitive Eye' (1953), 'The Yellow Turban' (1955), 'The Feast of the Dead' (auch unter dem Titel 'The Brink of Silence', 1956), 'The Man Who Walked Away' (auch unter dem Titel 'The Stepfather', 1958), 'Arms of Adonis' (1960), 'A Hank of Hair' (1964), 'The Voice of the Crab' (1974).

++ Erstellt: Juli 2014 ++  


Jobson, Hamilton

(1914-1981; schrieb auch als William Strathern)

Unterbrochen durch seinen Dienst bei der Royal Air Force im Zweiten Weltkrieg, arbeitete Hamilton Jobson dreissig Jahre als Polizist in England, ehe er von 1968 bis zu seinem Tod im Jahre 1981 sechzehn Krimis zu Papier brachte - spannungsgeladene, ehrliches Handwerk darstellende Geschichten, die in namenlosen oder fiktiven britischen Provinzorten angesiedelt sind. Im Fokus befinden sich oft unbescholtene Bürger, die ohne eigenes Verschulden ins Visier der Polizei oder krimineller Organisationen geraten und ihren Kopf erst in letzter Sekunde aus der Schlinge ziehen. Die Ermittler, unter ihnen als immer wieder auftretende Figur der charakterfeste, einfallsreiche Chief Inspector (und spätere Superintendent) Matt Anders, verharren derweil meistens etwas im Hintergrund.

Zu Jobsons besten Romanen gehört 'Werkzeug für Erpresser' mit Richard Hogard als Hauptperson. Hogard war Chief Inspector, bis er den Mann, den er für den Geliebten seiner biestigen Frau hielt, tödlich verletzte und daraufhin verhaftet wurde. Nach zwei Jahren wieder auf freiem Fuss, unterstützt durch seinen Anwalt Sam Bates und seinen früheren Berufskollegen Chief Inspector Matt Anders, seine beiden engsten Freunde, beginnt er ein neues Leben. Er verliebt sich in die junge, warmherzige Witwe Clementine Shearer, die eine kleine Tochter hat, und führt mit den beiden während einiger Wochen ein recht unbeschwertes Leben. Dann aber wird Hogard von seiner Vergangenheit eingeholt, verkörpert durch den sadistischen Gangsterboss George Vickers, dessen Sohn er vor Jahren hinter Gitter gebracht hat.

In 'Kontrakt mit dem Killer' steht für einmal ein Gangster im Mittelpunkt: Vic Prosser, ein skrupelloser, als Geschäftsmann getarnter Einzelgänger, der sich in der Unterwelt Respekt verschaffte, als er drei seiner Gegner umbrachte und die Frau eines Verräters vergewaltigte. An ihn wendet sich, wer einen unliebsamen Mitbürger einschüchtern, verunglimpfen, erpressen oder aus dem Weg räumen will - und bereit ist, dafür ein saftiges Honorar zu zahlen. Sein aktuelles Opfer ist George Fielding, ein netter, älterer Herr, der sein Restaurant partout nicht an den respektablen Geschäftsmann Clive Oates verkaufen will. Um Fielding endlich weich zu klopfen, spielt Prosser mit ihm ein derart gemeines Spiel, dass dieser, emotional aufgewühlt, einen Hirnschlag erleidet. Doch Prosser hat die Rechnung ohne Anne Dexter gemacht, eine junge, mutige Frau und gute Freundin Fieldings, die als Sekretärin für den Anwalt E.J. Ellis arbeitet, der wiederum das Bindeglied zwischen Oates und Prosser darstellt. Und Anne weiss Chief Inspector Anders an ihrer Seite.

'Der sicherste Beweis' ist eine lupenreine Police Procedural Novel, angesiedelt in einer namenlosen Gegend, in der in den letzten Monaten drei Kinder ermordet worden sind. Als ein kleines Mädchen nach der Schule nicht nach Hause kommt, deutet alles darauf hin, dass es das vierte Opfer des Kindermörders geworden ist. Der Verdacht fällt auf den Gelegenheitsarbeiter Peter Mellish, doch dieser hat für die Zeit der Entführung ein hieb- und stichfestes Alibi. Der Fall nimmt eine überraschende Wende, als Superintendent Matt Anders klar wird, dass er es mit zwei unabhängig voneinander operierenden Verbrechern zu tun hat. Und Mellish wird sein Alibi zum Verhängnis...

Bibliografie:
'Therefore I Killed Him' (1968), 'Smile and Be a Villain' (1969), 'Naked to my Enemy' - 'Werkzeug für Erpresser' (1970), 'The Silent Cry' - 'Der stumme Schrei' (1970), 'House with Blind Eyes' (1971), 'The Shadow that Caught Fire' - 'Der Schatten hat viele Augen' (1972), 'The Sand Pit' (1972), 'Contract with a Killer' - 'Kontrakt mit dem Killer' (1974), 'The Evidence You Will Hear' - 'Der sicherste Beweis' (1975), 'Waiting for Thursday' - 'Warten auf Donnerstag' (1977), 'Judge Me Tomorrow' - 'Richtet mich morgen' (1978), 'To Die a Little' - 'Ein bisschen sterben' (1978), 'Exit to Violence' (1979), 'Don't Tell the Press' (1981), 'Sleeping Tiger' (1982).
Als William Strathern: 'Don't Look for Me I'm Dead' (1981).

++ Erstellt: März 2012 ++
++ Update: August 2014 ++
 


Johnson, E. Richard

(1938-1997)

E. Richard Johnson kam als jüngstes von fünf Kindern eines einfachen Arbeiters in Printice, Wisconsin, zur Welt. Nachdem er von der High School geflogen war, trat er mit achtzehn der US Army bei. Den grössten Teil seiner Militärzeit verbrachte er bei einer Geheimdiensteinheit in Deutschland. Anfang der 60er-Jahre, kurz nach seinem Ausscheiden aus der Armee, geriet er auf die schiefe Bahn. Als bei einem bewaffneten Raubüberfall ein Mann ums Leben kam, wurde Johnson wegen Mord zu 57 Jahren Haft verurteilt.

Im Stillwater Staatsgefängnis von Minnesota begann Johnson Mitte der 60er-Jahre mit der Schriftstellerei, um, wie er sagte, als Individuum zu überleben und der Gesellschaft etwas zurückzuerstatten. Seine ersten Werke, vornehmlich Kurzgeschichten, Rätsel und Artikel, wurden durch einen Gefängnisbrand zerstört. 1968 konnte er seinen ersten Roman 'Der Tod auf Silver Street' (Teil 1 der Tony Lonto-Serie) veröffentlichen - und gewann dafür den "Edgar" für den besten Thriller des Jahres.

In den 70er-Jahren wurde Johnson drogen-, tabletten- und alkoholabhängig, kämpfte jedoch immer wieder hart gegen seine Sucht an und heiratete sogar. Nach seiner Freilassung im Jahr 1991 (seine Ehe war 1990 nach elf Jahren zerbrochen) ging er nach Ortoville, Minnesota, wo er einen Bonsai-Handel aufzog. Vom Alkohol schwer gezeichnet starb er 1997.

Mit Tony Lonto, einem hartgesottenen, anständig gebliebenen Cop aus einer namenlosen amerikanischen Stadt, hat Johnson eine vielschichtige Figur erfunden, die Ende der 60er-Jahre zu zwei eindrucksvollen Auftritten kam (und knapp zwanzig Jahre später für drei weitere, nicht ins Deutsche übersetzte Bücher reaktiviert wurde). Es folgten der autobiografisch gefärbte Gefängnisroman 'Es kocht im Käfig 5', der Drogenthriller 'Weisses Gift im Blut' sowie die Noir-Romane 'Gefügig mit Gewalt' und 'Der dreizehnte Kontrakt'.

'Gefügig mit Gewalt' dreht sich um den jungen, idealistischen, wenn auch etwas naiven Bewährungshelfer Chuck Rawls, der verbissen darum kämpft, die Unschuld seines Schützlings, des früheren Sexualtäters Frankie Trumper, zu beweisen, als die Sozialarbeiterin Mary Blair vergewaltigt und ermordet in der Gosse aufgefunden wird. Chucks Gegenspieler ist Mose Hamilton, nach neunzehn zermürbenden Dienstjahren ein hasserfüllter, gewalttätiger Bulle, für den ausser Frage steht, dass Frankie Trumper auf den elektrischen Stuhl gehört.

Johnsons finsterster Roman ist 'Der dreizehnte Kontrakt', der 1971 unter demselben Titel in die Kinos kam. Der sadistische Kontraktmörder Mongo Nash, der bereits zwölfmal für Geld getötet hat, kehrt nach sechs Jahren in seine (unbenannte) Heimatstadt zurück: Sein Bruder Mike, ein Gangsterboss, hat ihm den Auftrag erteilt, einem örtlichen Rivalen das Licht auszublasen - und mit Mike hat der Killer noch eine Rechnung offen. Mongos gefährlichster Gegner ist der FBI-Agent Pete Tolstad, der sich ganz dem Kampf gegen Bandenkriminalität verschrieben hat. Die Geschichte um Betrug, Hass und Gier spielt sich in der Weihnachtszeit ab.

Bibliografie:
Tony Lonto-Serie: 'Silver Street' (auch unter dem Titel 'The Silver Street Killer) - 'Der Tod auf Silver Street' (1968), 'The Inside Man' - 'Verrat auf Silver Street' (1969), 'Blind Man's Bluff' (1987), 'The Hands of Eddy Loyd' (1988), 'Dead Flowers' (1990);
'Mongo's Back in Town' - 'Der dreizehnte Kontrakt' (1969), 'Cage Five Is Going to Break' - 'Es kocht im Käfig 5' (1970), 'The God Keepers' - 'Weisses Gift im Blut' (1970), 'The Judas' - 'Die Firma dankt mit Kugeln' (1971), 'Case Load: Maximum' - 'Gefügig mit Gewalt' (1971), 'The Cardinalli Contract' - 'Geheimauftrag für einen Killer' (1975).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Johnston, Paul

(*1957; schreibt auch als Sam Alexander)

Paul Johnston wurde als Sohn des Thrillerautors Ronald Johnston in Edinburgh geboren und wuchs auch dort auf. Nach Abschluss der Schule war er sechs Monate als Reiseführer in Griechenland unterwegs. Er studierte Alt- und Neugriechisch an der Oxford University, um dann für verschiedene Schifffahrtsgesellschaften in London, Belgien und Griechenland zu arbeiten. 1989 liess er sich mit Frau und Tochter auf der kleinen griechischen Insel Antiparos nieder und arbeitete dort als Englischlehrer. Nebenbei begann er zu schreiben, konnte jedoch vorerst keinen Verleger für seine Prosa begeistern, weshalb er 1995 nach Edinburgh zurückkehrte und dort seinen Abschluss in Englisch nachholte. Wenig später machte er das Schreiben zum Hauptberuf. Er pendelt zwischen Griechenland und England.

Johnston gab sein belletristisches Debüt 1997 mit dem beklemmenden, im Edinburgh des Jahres 2020 angesiedelten Sciencefiction-Thriller 'Die kalte Stadt', dem ersten Band der Quint Dalrymple-Serie. Nach dem Zerfall Grossbritanniens ist Edinburgh ein totalitär regierter Stadtstaat, eine "perfekte Gesellschaft": Elektrizität, Trinkwasser und Nahrungsmittel sind rationiert, Privatautos, Fernsehen, Telefon und Zigaretten gibt es nicht, dafür existiert ein verlässliches Gesundheits- und Sozialsystem; Sex-Treffen mit jeweils wechselnden Partnern sind streng reglementiert, es wimmelt von Polizisten, genannt Ordnungshelfer, die für Sicherheit auf den Strassen sorgen. Doch dann geschieht in dieser leblosen, düsteren Gesellschaft der erste Mordfall seit fünf Jahren (mit einer Ordnungshelferin als Opfer), der Anfang einer Serie. Erinnerungen an den letzten Mörder Edinburghs werden wach: den so genannten Hals-Nasen-Ohren-Mann, der nach ähnlichem Muster tötete - eines der Opfer war Quints Geliebte Caro. Quint Dalrymple, einst ein hochrangiger Polizist und angesehener Autor eines Handbuchs über die Praxis der öffentlichen Ordnung, dann als Dissident ins Abseits geraten und deshalb als Privatermittler tätig, wird reaktiviert - und weiss mit Sicherheit, dass der HNO-Mann als Täter nicht in Frage kommt, hat er ihm doch damals eigenhändig das Licht ausgeblasen, eine Tat, die er bis heute geheim gehalten hat. Gegen kräftigen Widerstand seiner Gegner und Konkurrenten wühlt Quint sich in den Dreck des durch und durch korrupten Stadtstaats und bringt ungeheure Verbrechen ans Tageslicht.

Nach vier weiteren Dalrymple-Romanen erweckte Johnston im Jahr 2002 mit dem in Griechenland wirkenden Privatdetektiv Alex Mavros - Sohn einer Schottin und eines Griechen - einen neuen Serienhelden zum Leben. 2007 startete er die Reihe um den Londoner Krimiautor und Gelegenheitsdetektiv Matt Wells. Und 2015 kam Quint Dalrymple nach 14-jähriger Absenz wieder einmal zum Zug.

Bibliografie:
Quint Dalrymple-Serie: 'Body Politic' - 'Die kalte Stadt' (1997), 'The Bone Yard' - 'Der Totenacker' (1998), 'Water of Death' - 'Wasser des Todes' (1999), 'The Blood Tree' (2000), 'The House of Death' (2001), 'Head of Hearts' (2015);
Alex Mavros-Serie: 'A Deeper Shade of Blue' (auch unter dem Titel 'Crying Blue Murder', 2002), 'The Last Red Death' (2003), 'The Golden Silence' (2004), 'The Silver Stain' (2011), 'The Green Lady' (2012), 'The Black Life' (2013), 'The White Sea' (2014);
Matt Wells-Serie: 'The Death List' (2007), 'The Soul Collector' (2008), 'Maps of Hell' (2010), 'The Nameless Dead' (2011).
Als Sam Alexander: 'Carnal Acts' (2014).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: September 2013 ++
++ Update: Oktober 2015 ++
 


Jones, Stan

(*1947)

Stan Jones, geboren in Anchorage, der grössten Stadt des Bundesstaats Alaska, aufgewachsen auf einer Farm im Grenzgebiet Tennessee/Mississippi und in seiner Geburtsstadt, studierte Wirtschaftsjournalismus am California Institute of Technology und an der University of Alaska und arbeitete darauf als Zeitungs- und Radiojournalist mit dem Spezialgebiet Umweltzerstörung - unter anderem setzte er sich intensiv mit der Ölkatastrophe nach dem Untergang des Tankers 'Exxon Valdez' im Golf von Alaska im März 1989 auseinander -, ehe er 1999 als Krimiautor debütierte. Nach Aufenthalten im Inupiat-Dorf Kotzebue und in Fairbanks lebt der leidenschaftliche Fotograf, Buschpilot und Umweltschützer heute wieder in Anchorage. Er ist mit der Epidemiologin Susan Janes verheiratet und hat mit ihr zwei erwachsene Kinder.

Im nördlichen Alaska nennt man die Eskimos 'Inupiat', die Weissen 'Naluaqmiut', und man läuft im T-Shirt herum, wenn das Thermometer auf minus zehn Grad hochklettert. Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Rassismus und das garstige Klima prägen das Leben in dem trostlosen 2500-Seelen-Kaff Chukchi (ein fiktiver, nach Kotzebue gestalteter Ort) im Norden Alaskas, wo Jones' eigenwilliger Romanheld Nathan Active - als Inupiat geboren, aber von Weissen adoptiert und deshalb ein Aussenseiter - zuhause ist und als State Trooper arbeitet. Der Autor zeichnet in seiner vierteiligen Krimireihe ein höchst stimmungsvolles Bild dieser unwirtlichen Gegend und der Menschen, die sich in ihr durchs Leben kämpfen.

Jones' Krimierstling 'Weisser Himmel, schwarzes Eis' dreht sich um eine Serie von mutmasslichen Selbstmorden in Chukchi. Neugierig geworden geht Nathan Active den rätselhaften Todesfällen auf den Grund und stösst auf einen norwegischen Multi, der in der Nähe eine Kupfermine betreibt - und eine Menge Dreck am Stecken hat.

In Jones' zweitem (im Original erst sechs Jahre nach der deutschen Übersetzung erschienenem) Roman 'Gefrorene Sonne' begibt sich Nathan Active im Auftrag eines Pastors auf die Suche nach dessen strahlend schöner Tochter Grace Palmer, genannt Amazing Grace, die seit zehn Jahren verschwunden ist, Gerüchten zufolge im Sumpf von Anchorage. Die Spuren führen in zwielichtige Lokale, verlieren sich wieder, dann stösst Nathan auf eine nicht identifizierte Leiche - doch die Jagd nach Grace scheint Nathans Geist zu trüben.

In seinem dritten Krimi 'Schamanenpass' bringt Stan Jones dem Leser den Schamanenkult und dessen Niedergang näher. Die Geschichte handelt von der abhanden gekommenen Mumie eines vor achtzig Jahren gestorbenen Mannes, Onkelchen Frost genannt, die in einem Museum ausgestellt werden soll, und dem Mord am alten Viktor Salomon, dem Vorsitzenden des Stammesrates, in dessen Brust die Harpune steckt, die zur Mumie gehört.

Es gibt einen vierten, mit 'Village of the Ghost Bears' betitelten Nathan Active-Roman, auf dessen deutschsprachige Version wir wohl vergebens warten.

Bibliografie:
Nathan Active-Serie: 'White Sky, Black Ice' - 'Weisser Himmel, schwarzes Eis' (1999), 'Frozen Sun' (auch unter dem Titel 'Amazing Grace') - 'Gefrorene Sonne' (2002, im Original 2008), 'Shaman Pass' - 'Schamanenpass' (2003), 'Village of the Ghost Bears' (2009).

++ Erstellt: September 2014 ++  


Jonquet, Thierry

(1954-2009; schrieb auch als Phil Athur, Vince C. Aymin Pluzin, Martin Eden und Ramon Mercader)

Thierry Jonquet wurde als Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie in Paris geboren und wuchs, geprägt von Büchern und Filmen, auch dort auf. Bereits als Teenager sympathisierte er mit der politischen Linken: 1970 schrieb er sich bei der trotzkistischen 'Lutte ouvrière' ein, unter dem Pseudonym Daumier, der ein berühmter Karikaturist des 19. Jahrhunderts war; 1972 wurde er Mitglied der 'Ligne communiste révolutionnaire'. Nach abgebrochenem Philosophiestudium verrichtete er Gelegenheitsjobs wie Strassenmarkierer und Wäschehändler, bis er sich zum Ergotherapeuten ausbilden liess und diesen Beruf in ganz unterschiedlichen Krankenhäusern (psychiatrische Klinik, Geriatrie, Abteilung für Säuglinge mit angeborenen Krankheiten) ausübte. Darüber hinaus unterrichtete er jugendliche Straftäter. 1982 veröffentlichte er unter dem Pseudonym Ramon Mercader, dem Namen des Trotzki-Attentäters, den Roman 'Du passé faisons table rase' und konzentrierte sich fürderhin weitgehend auf die Schriftstellerei - Romane für Jugendliche und Erwachsene, Kurzgeschichten und Fernsehdrehbücher dominieren sein Werk. Er starb 55-jährig in einem Pariser Krankenhaus.

'Die Haut, in der ich lebe' kommt mit einer Handvoll Figuren aus. Der Abiturient Vincent wird seit mehreren Jahren von einem älteren Mann in einem Kerker gequält und erniedrigt und muss jeden Tag ein Medikament einnehmen, das seine Libido unterdrückt und zu Brustwachstum führt. Alex, etwas unterbelichtet, war früher ein Kumpel von Vincent. Jetzt befindet er sich nach einem völlig missglückten Banküberfall, bei dem ein Polizist ums Leben kam, auf der Flucht und braucht ein neues Gesicht. Die schöne Eve und der angesehene plastische Chirurg Richard Lafargue pflegen eine ungeheure Beziehung: Eve wird in seinem Haus gefangen gehalten, von ihm als Prostituierte eingesetzt und einmal pro Monat in eine psychiatrische Anstalt mitgenommen, um dort eine vegetierende Frau zu besuchen - Lafargues Tochter Viviane, das Bindeglied zwischen den Protagonisten, deren Schicksal dem Leser schrittweise offenbart wird. In seinem knappen, mit überraschenden Wendungen aufwartenden Noir-Roman scheint der Autor den jugendlichen Tätern mehr Sympathie entgegenzubringen als dem intellektuell und strategisch weit überlegenen, mit grosser Raffinesse handelnden Opfer Richard Lafargue.

In dem vielschichtigen, von einer düsteren Stimmung durchdrungenen Krimi 'Die Goldgräber' stellt Jonquet den erfahrenen Pariser Oberkommissar Rovère und die frisch von Tours nach Paris gekommene Ermittlungsrichterin Nadia Lintz in den Mittelpunkt, zwei plastisch skizzierte, mit privaten Sorgen belastete Figuren, die einer Serie von mysteriösen Ritualmorden auf den Grund gehen. Die Spuren führen zuerst ins polnische Immigrantenmilieu von Paris, schliesslich aber zurück in die nationalsozialistische Vergangenheit - nach Auschwitz.

Bibliografie:
'Du passé faisons table rase' (zuerst als Ramon Mercader, 1982), 'Mygale' - 'Die Haut, in der ich wohne' (1984; überarbeitete Neuasgabe 1998), 'Cours moins vite, camerade, le vieux monde est devant toi' (1984), 'URSS go home' (1985), 'Le manoir des immortelles' (1986), 'Le secret du rabin' (1986), 'Comedia' (1988), 'Le pauvre nouveau est arrivé' (1990), 'La vie de ma mère' (1994), 'Rouge c'est la vie' (1998), 'Ad vitam aeternam' - 'Die Unsterblichen' (2002), 'Mon vieux' (2004), 'Ils sont votre épuvante et vous êtes leur crainte' (2006);
Kommissar Gabelou-Romane: 'Mémoire en cage' (1982), 'La bête et la belle' (1985);
Kommissar David Lansky-Romane (zuerst als Martin Eden): 'L'enfant américain (1989), 'Le gang des limousines' (1989);
Nadia Lintz & Rovère-Romane: 'Les Orpailleurs' - 'Die Goldgräber' (1993), 'Moloch' (1998).

++ Erstellt: Februar 2011 ++  



 

Kakonis, Tom

(*1930; schreibt auch als Adam Barrow)

Tom Kakonis wurde als Spross einer amerikanischen Mutter und eines griechischen Immigranten in Kalifornien geboren. Er reiste viel und arbeitete unter anderem als Eisenbahnarbeiter, technischer Schreiber und Bademeister sowie als Collegeprofessor im Mittleren Westen, bevor er Ende der 80er-Jahre, mit 57, als Krimiautor debütierte. 1993, nach der Veröffentlichung des vierten Romans 'Shadow Counter', bestand sein Verlagshaus darauf, dass Kakonis seine Bücher fortan mit dem Pseudonym Adam Barrow zeichnete. 'Flawless' (1995) und 'Blind Spot' (1997) waren dann kommerziell dermassen erfolglos, dass der Autor von seinem Herausgeber fallen gelassen wurde und kurz danach dem Schreiben den Rücken kehrte - bis er 2014 mit der wilden, schwarzhumorigen Caper Novel 'Treasure Coast' zurückkam. Er lebt in Grand Rapids, Michigan.

Kakonis ist der Erfinder des ehemaligen Collegeprofessors Timothy Waverly, der sich nach sieben Jahren Gefängnis (er tötete im Affekt den Anwalt seiner Ex-Frau) als professioneller Kartenspieler in Florida durchschlägt. In 'Die Spur des Spielers' möchte Waverly in seiner Heimatstadt Traverse City, Michigan, ein wenig ausspannen und mit der Vergangenheit ins Reine kommen. Doch kaum dort angekommen, wird er in eine üble Drogenaffäre verwickelt, als er über die schöne Holly Clemmons stolpert, deren labiler Halbbruder Clay eben erst eine Gangsterbande um einen Haufen Kokain erleichtert hat. Kakonis besticht in seinem vielschichtigen Erstling mit Sprachwitz, schnellen Dialogen und einer plastischen Darstellung des melancholischen Protagonisten und seiner Gegenspieler, den psychopathischen Killern Shadow und Gleep.

Kakonis' zweiter (an Elmore Leonards frühe Bücher erinnernder und diesen in nichts nachstehender) Krimi 'Über Kreuz' erzählt die Geschichte von Mitch Morse, der sich wegen seiner Gewaltausbrüche seit geraumer Zeit auf dem absteigenden Ast befindet. Er war ein bejubelter Footballstar, bis er seinem Trainer mit der Faust das Jochbein zertrümmerte. Danach arbeitete er als Cop in Detroit, wurde jedoch nach zwölf Jahren gefeuert, weil er einen wehrlosen Verbrecher windelweich verprügelte. Auch seine Ehe hielt nicht lange: Sie zerbrach endgültig, als er den Liebhaber seiner Frau zusammenschlug. Es folgte eine Anstellung bei einem privaten Wachdienst in der trostlosen Stadt Grand Rapids, Michigan. Dies die Ausgangslage. Kann es noch schlimmer kommen? Ja, es kann: Wegen übertriebener Härte im Kampf gegen streikende Arbeiter verliert er auch diesen Job - und wird Beauftragter für Sicherheitsfragen bei einer Filiale der Kaufhauskette Fleets. Dort arbeiter auch die attraktive Starla Hudek, in die sich Mitch verliebt, doch sie ist die Ex-Frau des psychopathischen Gangsters Meat Pitts, der nach acht Jahren im Knast einen grossen Coup im Visier hat - er will Fleets um drei Millionen erleichtern -, für den er die Hilfe eines "Insiders" braucht.

Bibliografie:
Timothy Waverly-Serie: 'Michigan Roll' - 'Die Spur des Spielers' (1988), 'Double Down' - 'Abgezockt' (1991), 'Shadow Counter' - 'Joker' (1993);
'Criss-Cross' - 'Über Kreuz' (1990), 'Consultant' (1999), 'Treasure Coast' (2014).
Als Adam Barrow: 'Flawless' (1995), 'Blind Spot' (1997).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Mai 2013 ++
++ Update: Januar 2015 ++
 


Kaminsky, Stuart M.

(1934-2009)

Stuart Melvyn Kaminsky, geboren und aufgewachsen in der West Side Chicagos, war bereits als Teenager schriftstellerisch tätig. Während seiner Armeezeit diente er in Frankreich und Deutschland, anschliessend studierte er Journalistik, Englische Literatur und Kommunikation an der University of Illinois. Als leidenschaftlicher Film-Liebhaber stand er daraufhin während sechzehn Jahren der Filmabteilung der Northwestern's School of Radio, Television and Film vor. Danach, von 1989 bis 1994, war er leitender Professor am Florida State University Conservatory of Motion Picture, Television and Recording Arts in Sarasota, Florida. Darüber hinaus war Kaminsky für 'United Press International', die 'Hollister Press' und verschiedene Zeitungen tätig. Nebenberuflich trainierte er eine Basketball-Mannschaft. Stuart Kaminsky, der mit seiner zweiten Frau Enid Perll seit 1989 in Sarasota lebte, starb 75-jährig in St. Louis, wo er, schwer erkrankt, die letzten Monate seines Lebens verbracht hatte. Er hinterliess seine Frau Enid, zwei Söhne, Peter und Toby, und eine Tochter, Lucy, aus erster, sowie eine Tochter, Natasha, aus zweiter Ehe.

Nachdem Kaminsky in den 60er-Jahren einige Jugendbücher veröffentlicht hatte, kam seine schriftstellerische Laufbahn erst in den späten 70er-Jahren allmählich ins Rollen. Sein breit gefächertes Werk enthält neben mehr als sechzig Krimis auch bedeutende Biografien über Gary Cooper, Clint Eastwood, Don Siegel und John Huston, vier Sachbücher über Film, etliche Drehbücher für Film und Fernsehen (u.a. für Sergio Leones 'Es war einmal in Amerika' sowie für 'Rockford Files' und 'CSI'), zwei Theaterstücke und 35 Kurzgeschichten.

Das Herzstück seines Kriminalwerks ist die zehnteilige (nach Kaminskys Umzug von Chicago nach Florida entstandene), mit skurrilem Witz erzählte Serie um den nur 1.65 grossen, bereits über 60-jährigen jüdischen Police Detective Abe "Rabbi" Lieberman und seinen irisch-katholischen, einige Jahre jüngerer Partner Bill "Priest" Hanrahan (Spitzname: Father Brown) von der Chicagoer Polizei, zwei schräge, listenreiche Vögel, deren Alltag liebevoll und detailreich geschildert wird; zwei (nicht nur in religiöser Hinsicht) höchst gegensätzliche Bullen, die eine tiefe Freundschaft und ihre Passion für Baseball verbindet.
Abe, ein lebenskluger, abgeklärter, mit einem feinen Humor und ausgeprägten Familiensinn ausgestatteter, von allerlei Gebresten geplagter Mann mit (wie Kaminsky) ukranischen und litaurischen Wurzeln, der mit seinen Tränensäcken und dem müden Blick wie ein trauriger alter Hund aussieht, führt mit der aparten, einer Synagoge vorstehenden Bess eine gute Ehe. Ihre Tochter, die ernste, etwas spröde Biochemikerin Lisa, verlässt ihren Mann Todd im ersten Roman, quartiert sich mit ihren beiden Kindern, Barry und Melisa, bei den Eltern ein und setzt sich später (ohne Kinder) nach Kalifornien ab. Abes älterer Bruder Maish besitzt einen Deli in Chicago, sein Sohn ist kürzlich auf der Strasse ermordet worden.
Bill ist der Erzeuger von zwei erwachsenen Söhnen, Bill jr. und Michael, die in anderen Städten leben und mit ihrem Vater möglichst wenig zu tun haben wollen. Er ist arg vereinsamt, seit er vor vier Jahren von seiner Frau Maureen verlassen wurde, und ertränkt seinen Kummer im Alkohol. Bill gibt sich grosse Mühe, alles richtig zu machen, doch dies gelingt ihm nicht immer - schlimme Schuldgefühle machen ihm dann das Leben schwer. Im ersten Band kommt eine Frau ums Leben, weil er zu betrunken war, um sie zu retten, worauf er zu den AA geht und trocken wird. Exakt zur selben Zeit verliebt er sich in die schöne, ein paar Jahre ältere Chinesin Iris Huang, die er gegen grosse Widerstände im siebten Band heiratet.
In 'Lieberman's Gesetz', dem letzten auf Deutsch vorliegenden Roman der Reihe, werden die beiden Detectives mit einem Kriminalfall konfrontiert, der besonders Abe sehr nahe geht. Zuerst werden Synagogen geschändet, eine Thora kommt abhanden und drei Araber werden exekutiert. Dann gehen Neonazi-Skinheads und arabische Terroristen ein Zweckbündnis ein, indem sie einen Anschlag auf die (gemässigt antisemitische) African Muslim Church planen - eine Tat, die den Juden in die Schuhe geschoben werden soll. Gleichzeitig gerät das Familienleben der beiden Cops wieder einmal gehörig aus den Fugen: Lisa taucht mit ihrem neuen Mann, einem schwarzen Gerichtsmediziner, in Chicago auf, und Bills Sohn Michael sucht Hilfe bei seinem Vater, als er seine Alkoholabhängigkeit nicht mehr verbergen kann.

Auch mit Polizeiinspektor Porfiry Petrovich Rostnikov von der Moskauer Miliz hat Stuart Kaminsky, der wenige Monate vor dem Zusammenbruch des Ostblocks erstmals in der Sowjetunion war, einen originellen Protagonisten erfunden. (Kaminsky wollte ursprünglich einen mehrere Generationen übergreifenden Roman schreiben, als dessen Ausgangspunkt die Geschichte seiner eigenen - aus der Ukraine und Litauen stammenden - Familie dienen sollte. Im Zuge der Recherchen für dieses Werk entstand die Idee, eine Krimiserie um einen in Russland tätigen Polizisten zu kreieren.)
Porfiri Rostnikow wurde 1941 bei der Schlacht um Rostov verwundet (ein Granatsplitter erwischte sein linkes Bein), was ihn jedoch bei seiner Arbeit kaum behindert. Er ist mit der Jüdin Sarah verheiratet, ihr gemeinsamer Sohn, Jossif, nimmt zu Beginn der Serie am Afghanistan-Krieg teil. Rostnikov, ein integrer und intelligenter Polizist mit über dreissig Dienstjahren hinter sich, hält sich mit Krafttraining fit. Nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. Mit den Ränkespielen der Politiker, KGB-Agenten und hohen Polizeioffiziere ist er innig vertraut, und auch in der brüchigen Ordnung nach Beendigung des Kalten Krieges findet er sich gut zurecht. Der letzte Band der 16-bändigen Reihe, 'A Whisper to the Living', ist 2010, im Jahr nach Kaminskys Tod erschienen.

Ein weiterer Serienheld ist Toby Peters aus Hollywood (eigentlich heisst er Tobias Leo Pevsner), ein geschiedener und mittelloser Privatdetektiv Anfang vierzig mit mehrfach gebrochener Nase - zuvor Cop, dann Warner-Brothers-Sicherheitskraft, bis er den Arm eines Westernstars brach und gefeuert wurde -, der in den 40er-Jahren gemeinsam mit seiner Hilfstruppe (Raymond Chandler, Charlie Chaplin, Bertold Brecht und Ian Fleming zählen zu Tobys populärsten Assistenten) wilde Abenteuer erlebt und dabei immer wieder harte Schläge einstecken muss. Seine Auftraggeber sind Film- und Showgrössen wie Errol Flynn, Judy Garland, Gary Cooper, Clark Gable, Mae West, Bette Davis, John Wayne, die Marx Brothers und Fred Astaire, aber auch andere Berühmtheiten, etwa der Milliardär Howard Hughes, der Boxer Joe Louis, die First Lady Eleanor Roosevelt und Albert Einstein. Regelmässig kommt auch Tobys älterer Bruder - und Intimfeind - Phil zum Zug, ein hart gesottener Lieutenant vom Morddezernat Los Angeles. Toby Peters, der je nach Gefährlichkeit seines jeweiligen Falles eine geladene Waffe, mit der er jedoch nicht besonders geschickt umgeht, oder eine Spielzeugpistole von Woolworth trägt, ist einer der raren Detektive, die keinen Alkohol trinken. Die witzigen und charmanten Geschichten sind mit herrlichen Slapstick-Szenen gespickt.

Kaminskys jüngste, sechs Bände umfassende Serie dreht sich um Lew Fonseca, der als Ermittler der Staatsanwaltschaft in Cook County, Illinois, arbeitete, bis seine Frau Catherine, eine junge Anwältin, bei einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht ums Leben kam. Von schlimmen Depressionen schier erdrückt, zog er sich daraufhin nach Sarasota zurück, wo er jetzt als Gerichtsbote arbeitet und gelegentlich Ermittlungen durchführt, wenn ihn jemand, der in Schwierigkeiten steckt, um Hilfe bittet. Er ist ein eher klein gewachsener, dünner Mann Anfang vierzig mit schwindenden Haaren, einem dunklen Teint und traurigen Blick, wohnt und arbeitet in einem kleinen, verlotterten Büro und ist meist mit dem Fahrrad unterwegs. Seine Spezialität ist das Aufspüren von vermissten Personen. Weil er den Verlust seiner Frau nach vier Jahren noch immer nicht verarbeitet hat, kehrt er schliesslich auf Rat seiner betagten Therapeutin Ann Horowitz nach Chicago zurück, um endlich herauszufinden, wer Catherine auf dem Gewissen hat - dies geschieht in 'The Dead Don't Lie', dem letzten Band der Reihe.

In einem 2001 geführten Interview sagte Kaminsky von seinen (auf den ersten Blick recht ungleichen) Protagonisten, sie seien keine typischen Helden, sondern eher durchschnittliche Typen, jedoch grundanständig, mutig und loyal, und hätten eine realistische Einschätzung der eigenen Person und ihrer Fähigkeiten.

Bibliografie:
Toby Peters-Serie: 'Bullet for a Star' - 'Mord im Studio' (1977), 'Murder on the Yellow Brick Road' - 'Hinter Hollywoods Kulissen' (1977), 'You Bet your Life' - 'Nichts geht mehr' (1978), 'The Howard Hughes Affair' - 'Die Howard-Hughes-Affäre' (1979), 'Never Cross a Vampire' - 'Vorsicht vor dem Vampir' (1980), 'Hight Midnight' - '12 Uhr nachts' (1981), 'Catch a Falling Clown' - 'Die Tränen des Clowns' (1982), 'He Done Her Wrong' - 'Aus meinem Leben' (1983), 'The Fala Factor' - 'Der Fala-Faktor' (1984), 'Down fort he Count' - 'Ausgezählt' (1985), 'The Man Who Shot Lewis Vance' - 'Wer erschoss Lewis Vance?' (1986), 'Smart Moves' - 'Ein schlauer Kopf' (1986), 'Think Faster, Mr. Peters' - 'Der Doppelgänger' (1987), 'Buried Caesars' - 'Mein Freund Dash' (1989), 'Poor Butterfly'- 'Galavorstellung' (1990), 'The Melting Clock' - 'Rasputins Rache' (1991), 'The Devil Met a Lady' (1993), 'Tomorrow is Another Day' (1995), 'Dancing in the Dark' (1996), 'A Fatal Glass of Beer' (1997), 'A Few Minutes Past Midnight' (2001), 'To Catch a Spy' (2002), 'Mildred Pierced' (2003), 'Now You See it' (2004);
Inspector Rostnikov-Serie: 'Death of a Dissident' - 'Tod eines Dissidenten' (1981), 'Black Night in Red Square' - 'Nacht auf dem Roten Platz' (1983), 'Red Chameleon' - 'Rotes Chamäleon' (1985), 'A Fine Red Rain' - 'Roter Regen' (1987), 'A Cold Red Sunrise' - 'Kalte Sonne' (1988), 'The Man Who Walked Like a Bear' - 'Der Mann, der wie ein Bär ging' (1990), 'Rostnikov's Vacation' - 'Zwangsurlaub für Rostnikow' (1991), 'Death of a Russian Priest' - 'Tod eines russischen Priesters' (1992), 'Hard Currency' - 'Harte Währung' (1995), 'Blood and Rubles' - 'Blutige Rubel' (1996), 'Tarnished Icons' - 'Wie Wölfe im Winter' (1997), 'The Dog who Bit a Policeman' (1998), 'Fall of a Cosmonaut' (2000), 'Murder on the Trans-Siberian Express' (2001), 'People Who Walk in Darkness' (2008), 'A Whisper to the Living' (2010);
Abe Lieberman & Bill Hanrahan-Serie: 'Lieberman's Folly' - 'Liebermans Wahnsinn' (1991), 'Lieberman's Choice' - 'Liebermans Entscheidung' (1993), 'Lieberman's Day' (1994), 'Lieberman's Thief' - 'Liebermans Juwel' (1995), 'Lieberman's Law' - 'Liebermans Gesetz' (1996), 'The Big Silence' (2000), 'Not Quite Kosher' (2002), 'The Last Dark Place' (2994), 'Terror Town' (2006), 'The Dead don't Lie' (2007);
Lew Fonseca-Serie: 'Vengeance' - 'Spur nach Süden' (1999), 'Retribution' (2001), 'Midnight Pass' (2003), 'Denial' (2005), 'Always Say Goodbye' (2006), 'Bright Futures' (2009);
CSI-Romane: 'Dead of Winter' - 'Die Tote ohne Gesicht' (2005), 'Blood on the Sun' - 'Blutige Spur' (2006), 'Deluge' - 'Sintflut' (2007);
Rockford Files: 'The Green Bottle' 1996), 'Devil on My Doorstep' (1998);
Einzelwerke: 'When the Dark Man Calls' - 'Die Stimme des Mörders' (1983), 'Exercice in Terror' (1985).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2013 ++
 


Kane, Henry

(schrieb auch als Anthony McCall, Kenneth R. McKay, Ellery Queen, Mario J. Sagola und Katherine Stapleton)

Henry Kane kam (höchst wahrscheinlich schon 1908 und nicht, wie meistens angegeben, 1918) als Sprössling einer jüdischen Familie in New York City zur Welt. Nach dem Jurastudium arbeitete er kurze Zeit als Anwalt, ehe er sich seiner wahren Passion, dem Schreiben, zuwandte und zahlreiche Hörspiele, Fernsehskripts und Kurzgeschichten sowie gut sechzig Romane (fast ausschliesslich Krimis) verfasste.

Das Zentrum von Kanes Oeuvre bildet die 27 Romane, eine Handvoll Novellen und vier Geschichtenbände umfassende Reihe um den humorvollen, modebewussten Privatdetektiv und Frauenhelden Peter Chambers aus Manhattan, einen gross gewachsenen und schnauzbärtigen, ungemein gerissenen Knaben Mitte dreissig, der ganz zu Beginn noch mit einem älteren Partner, Phil Scoffol, zusammenarbeitet. Unterstützt wird Pete vor allem durch seine tüchtige Sekretärin Miranda Foxworth, aber auch mit Lieutenant Parker von der Mordkommission des NYPD versteht er sich nicht schlecht. Die schnelle und unterhaltsame, wenn auch nicht sehr tief gehende, gegen ihr Ende hin mit immer deftigeren Sexszenen aufgepeppte Serie erhielt namentlich in den 50er-Jahren regen Zuspruch und wurde ab 1954 für eine populäre Hörspielserie adaptiert.

Kanes übriges Kriminalwerk besteht aus der Trilogie um den New Yorker Ex-Bullen McGregor, zwei Bänden um die Privatdetektivin Marla Trent und über zwanzig, zum Teil unter diversen Pseudonymen publizierten Standalones.

Die drei McGregor-Romane gelten als Kanes grösste Würfe, nicht zuletzt aufgrund der eindrucksvollen Hauptfigur. McGregor, Anfang fünfzig, genannt "The Old Man", "Inspektor" oder "Maestro", gibt seinen Vornamen nicht preis. Er ist kürzlich nach 27 Jahren aus dem Polizeidienst bei der Mordkommission des NYPD ausgeschieden und arbeitet jetzt - in fruchtbarer Zusammenarbeit mit seinem Kumpel und früheren Untergebenen Detective Lieutenant Kevin Cohen - als Privatdetektiv. Hierbei baut der hünenhafte, 250 Pfund wiegende Liebhaber leckerer Mahlzeiten (dies vor allem, wenn er sie selbst zubereitet hat), klassischer Literatur (aus der er ständig zitiert) und schöner Frauen (die Nachtclub-Besitzerin Tilly Ulrich hat es ihm besonders angetan) weniger auf Fäuste und Waffen, als auf Scharfsinn und List.
Der erste Band 'Mister Mitternacht' behandelt zwei locker miteinander verknüpfte Kriminalfälle, die McGregor auf brillante Weise löst. Er zieht seinen langjährigen Intimfeind, den Mafioso Frank Dinelli, aus dem Verkehr, indem er dessen aufstrebenden Hitman Oliver Lyons unter seine Fittiche nimmt und zum Kronzeugen aufbaut; und enthüllt die Hintergründe eines als natürlicher Tod getarnten Mordes, in dem es um riesige Geldsummen geht - und in dem ein Röntgenapparat die entscheidende Rolle spielt.

Marla Trent, eine frühere Schönheitskönigin mit unglaublichem Männerverschleiss, ist Chefin des Büros "Marla Trent Enterprises" in New York City. Ihr loyaler Untergebener, einer der wenigen Männer, mit dem sie nie im Bett war, heisst Wee Willie Winkle, und auch ihr Ex-Mann Andrew King, ein Cop, geht ihr gerne zur Hand. Im zweiten Roman 'Kisses of Death' arbeitet Marla Trent mit Peter Chambers zusammen.

Henry Kane verbrachte die zweite Hälfte seines Lebens in Lido Beach auf Long Island, New York State. Er pflegte seinen Arbeitstag mit einer Amphetamin-Kapsel in Schwung zu bringen, schlürfte dann stundenlang Scotch und rauchte Kette, bis er seinen Schreibtisch gegen Abend räumte, um auswärts zu dinieren. Sein Todesjahr (1988) ist nicht über alle Zweifel erhaben. Er hinterliess eine Frau und eine Tochter.

Bibliografie:
Peter Chambers-Serie (nur Romane): 'A Halo for Nobody' (auch unter dem Titel 'Martinis and Murders', 1947), 'Armchair in Hell' - 'Ein Platz in der Hölle' (1948), 'Hang by Your Neck' - 'Die Schlinge um den Kopf' (1949), 'A Corpse for Christmas' (auch unter den Titeln 'The Deadly Doll' und 'Homicide at Yuletide', 1951), 'Until You Are Dead' - 'Lasst Leichen sprechen' (1951), 'Too French and Too Deadly' (auch unter dem Titel 'The Narrowing Lust') - 'Peter sieht rot' (1955), 'Who Killed Sweet Sue?' - 'Keiner killt dich so wie ich' (1956), 'Fistful of Death' (auch unter dem Titel 'The Dangling Man') - 'Der Mann am Seil' (1958), 'Death Is the Last Lover' (auch unter dem Titel 'Nirvana Can Also Mean Death') - 'Treffpunkt Nirwana' (auch unter dem Titel 'Augenzeugen werden nicht alt', 1959), 'Dead in Bed' - 'Kalt in den Kissen' (1961), 'Death of a Flack' - 'Tara des Todes' (1961), 'Death of a Hooker' - 'Auf der Abschussliste' (1961), 'Death of a Bastard' - 'Alte Liebe mordet nicht' (1962), 'Kisses of Death' (auch unter dem Titel 'Killer's Kiss', 1962), 'Never Give a Millionaire an Even Break' (auch unter dem Titel 'Murder for the Millions', 1963), 'Nobody Loves a Loser' (auch unter dem Titel 'Who Dies There?') - 'Mord im Sprechzimmer' (1963), 'Snatch an Eye' - 'Double für den Sarg' (1963), 'The Devil to Pay' (auch unter den Titeln 'Unholy Trio' und 'Better Wed Than Dead') - 'Der Tod war Trauzeuge' (1966), 'Don't Call Me Madame' - 'Eine Nacht mit dem Mörder' (1969), 'The Schack Job' (1969), 'The Bomb Job' - 'Ein Bombenjob für Carol' (1970), 'Don't Go Away Dead' - 'Die Kamera war Zeuge' (1970), 'The Glow Job' (1971), 'The Tail Job' - 'Stich für Stich' (1971), 'Come Kill with Me' (1972), 'The Escort Job' (1972), 'Kill for the Millions' (1972);
Inspector McGregor-Trilogie: 'The Midnight Man' (auch unter dem Titel 'Other Sins Only Speak') - 'Mister Mitternacht' (1965), 'Conceil and Disguise' - 'Diagnose Todesangst' (1966), 'Laughter in the Alehouse' (1968);
Marla Trent-Romane: 'Private Eyeful' - 'Schüsse im Gericht', 1959), 'Kisses of Death' (auch unter dem Titel 'Killer's Kiss', 1962);
Einzelwerke: 'Edge of Panic' - 'Kurzschluss' (1950), 'Laughter Came Screaming' (auch unter dem Titel 'A Mask for Murder', 1953), 'The Deadly Finger' (auch unter dem Titel 'The Finger') - 'Der tödliche Finger' (1957), 'Death for Sale' (auch unter dem Titel 'Sleep Without Dreams', 1957), 'Loose End' (1959), 'Peter Gunn' (1960), 'Run for Doom' - 'Flucht in die Sackgasse' (1960), 'The Crumpled Cup' - 'Es geschah am Strand' (1961), 'The Perfect Crime' (auch unter dem Titel 'My Darlin's Evangeline') - 'Saldo mortale' (1961), 'Two Must Die' (auch unter dem Titel 'Prey by Dawn') - 'Zwei müssen sterben' (1963), 'Dirtie Girtie' (auch unter dem Titel 'To Die or Not to Die') - 'Der Tod macht die Musik' (1963), 'Don't Just Die There' (1963), 'Frenzy of Evil' (1963), 'The Moonlighter' - 'Nachtvögel' (1971), 'The Virility Factor' (1972), 'Decision' - 'Der Konflikt' (auch unter dem Titel 'Die Wandlung der Vivian E.', 1973), 'The Violator' (1974), 'The Avenger' (1975), 'Lust of Power' (1975), 'The Tripoli Documents' - 'Die Tripolis-Akte' (1976), 'The Little Red Phone' - 'Das gelbe kleine Telefon' (1982).
Als Ellery Queen: 'Kill as Directed' - 'Hausarzt in der Hölle' (1963).
Als Anthony McCall: 'Operation Delta' - 'Ein Playboy wird gejagt', 1966), 'Holocaust' (1967).
Als Kenneth R. McKay: 'Shadow of the Knife' - 'Im Schatten der Klinge', 1978), 'Indecent (Relations' (1982).
Als Mario J. Sagola: 'The Manacle' - 'Paradies für einen Mörder' (1978), 'The Naked Bishop' (1980).

++ Erstellt: April 2011 ++
++ Update: November 2013 ++
 


Kantner, Rob

(Kürzel für T. Robin Kantner, *1952)

Geboren in Toledo, Ohio, aufgewachsen in Georgia, liess sich Rob Kantner mit zwanzig Jahren in der "Motor City" Detroit nieder. Nach dem Militärdienst, den er als Journalist bei der Navy absolvierte, schloss er sein Journalistik- und Englischstudium 1978 an der Eastern Michigan University in Ypsilanti ab. Danach bekleidete er verschiedene Stellen als Manager und Berater, ab Anfang der 80er-Jahre widmete er sich nebenbei dem Schreiben. Sein Werk enthält die zehnteilige Ben Perkins-Serie, von der drei Titel mit dem Shamus Award für den besten Original-Paperback-Roman ausgezeichnet wurden, und über fünfzig (hauptsächlich in Alfred Hitchcock's Mystery Magazine publizierte) Kurzgeschichten.

Kantner lebt mit seiner zweiten Frau Deanna auf einer Pferdefarm in der Nähe der Ortschaft Blanchard im ländlichen Michigan. Er hat drei Kinder, Meaghan, John und Robert, aus erster Ehe und zwei Stiefkinder, Jonathan und Adrienne, und arbeitet seit 1995 als freier Unternehmensberater (Kerngeschäft: Qualitätssicherung), ohne das Krimischreiben ganz bei Seite zu lassen.

Kantners Krimifigur Ben Perkins, ein kräftiger, furchtloser und gerissener Bursche, der immer für einen originellen Spruch gut ist, eine "clevere Strassenratte", wurde nach fünf langen Jahren Fliessbandmaloche in der Detroiter Autoindustrie von dem zwielichtigen Gewerkschaftsführer Emilio Mascara als Leibwächter und Muskelmann angeheuert und erledigte für ihn dann hin und wieder auch Aufträge, die mit Gewalt verbunden waren - bis Mascara wegen unlauterer Machenschaften ins Gefängnis wanderte. Daraufhin liess sich Perkins in Belleville nieder, einem Vorort von Detroit. Dort kümmert er sich seit zwölf Jahren als Hausmeister um Reparaturen und die Sicherheit in dem gediegenen Gebäudekomplex 'Norwegian Wood', bessert jedoch sein Einkommen gelegentlich mit Detektivarbeit auf, um seinen Passionen - 1971er Mustang Cabrio, ultraleichtes Flugzeug, Motorrad, Zigarren mit Korkmundstück und Strohbier in rauhen Mengen - frönen zu können.

Aufgrund seiner offenen und hilfsbereiten Art hat Perkins einen grossen Bekanntenkreis, bestehend aus Spiel- und Trinkkumpanen, Bewohnern der 'Norwegian Wood'-Anlage, dem schwarzen Cop Lieutenant Elvin Dance, Leiter der Detroiter Mordkommissionn, und Inspector Dick Dennehy von der Michigan State Police. Wichtige Rollen in Perkins' Leben spielen aber auch die feingliedrige Strafverteidigerin Carole Summers, allein erziehende Mutter des kleinen Will, mit der ihn eine auf-und-ab-Beziehung verbindet, die draufgängerische Polizistin Terry Lowe, seine gelegentliche Bettgefährtin im fernen Cincinnati, und sein alter, gehbehinderter Onkel Dan. Seine beiden Geschwister Bill und Libby hingegen sieht Perkins nur noch selten.

Auf Deutsch liegt einzig 'Der Jazz-Mann' vor, Teil Eins der Ben Perkins-Reihe, in dem die millionenschwere Witwe Joann Sturtevant den (noch) lizenzlosen Detektiv beauftragt, ihr die 150 Riesen zurückzubringen, um die der Buchhalter Arthur Barton sie vor sieben Jahren betrogen hat - dieser war dann lange Zeit verschwunden, bis er vor kurzem aus dem Nichts auftauchte, um seine Missetat zu büssen, ein Vorhaben, das durch einen Flugzeugabsturz zunichte gemacht wurde. Die Spuren führen über Cincinnati nach Ontario, und dort trifft Perkins auf den Kanadier Vince Wakefield, einen rauhbeinigen Bursche mit raubvogelartigem Gesicht, der, angeheuert durch Bartons Witwe, ebenfalls hinter den Scheinen her ist. Die beiden Schnüffler bilden eine Zweckgemeinschaft, doch dann erscheint eine weitere Person auf der Bildfläche, der unbekannte Dritte.

Bibliografie:
Ben Perkins-Serie: 'The Back Door Man' - 'Der Jazz-Mann' (1986), 'The Harder They Hit' (1987), 'Dirty Work' (1988), 'Hell's Only Half Full' (1989), 'Made in Detroit' (1990), 'The Thousand Yard Stare' (1991), 'The Quick and the Dead' (1992), 'The Red, White and Blues' (1993), 'Concrete Hero' (1994), 'Trouble Is What I Do' (Stories, 2005), 'Final Fling' (2007).

++ Erstellt: November 2013 ++  


Kavanagh, Dan

(Pseudonym für Julian Barnes, *1946)

Julian Barnes, geboren in der englischen Stadt Leicester als Sohn eines Französischlehrerpaars, jüngerer Bruder des Philosophen Jonathan Barnes, wuchs in West-London auf und besuchte die City of London School. Nach seinem Studium der modernen Sprachen, das er 1968 am Magdalen College in Oxford abschloss, arbeitete er zunächst drei Jahre als Lexikograf in der Abteilung "Sport und Obszönitäten" des 'Oxford English Dictionary' sowie - unter dem Namen Edward Pygge - als Klatschreporter. Später machte er als Literaturkritiker der 'Times', als Fernsehkritiker des 'New Statesmen' und des 'Observer', aber auch als Essayist und Übersetzer von sich reden. Anfang der 80er-Jahre etablierte er sich als Romanautor ('Flauberts Papagei'). Von 1990 bis 1995 war er London-Korrespondent der Wochenzeitschrift 'New Yorker'. Er lebt im Norden Londons. Seine Frau, die Literaturagentin Pat Kavanagh, ist 2008 verstorben.

Unter dem Pseudonym Dan Kavanagh verfasste Barnes in den 80er-Jahren vier kleine schmutzige Krimis mit dem bisexuellen Nick Duffy als Hauptperson. Duffy war ein erfolgreicher Polizist bei der Londoner Sitte im Soho, bis er seinen Job verlor, als man ihn nackt mit einem 19-Jährigen erwischte - es war eine Falle. Daraufhin gründete er in London die Firma "Duffy Security", ein Ein-Mann-Unternehmen, und begann als Privatdetektiv und Sicherheitsberater zu arbeiten. Duffy ist ein schrulliger, liebenswürdiger und illusionsloser Antiheld, der sich sogar zwischen die Fussballpfosten stellt, wenn es den Ermittlungen dienlich ist - so geschehen in 'Abblocken', dem dritten Titel der Serie. Die Reihe lebt in erster Linie von der originellen Hauptfigur, aber auch von der ironischen Erzählweise und den präzisen Schilderungen des Sohos, dem Arbeitsfeld Duffys.

Julian Barnes' Roman 'Arthur & George' aus dem Jahre 2005 erzählt die historisch belegte Geschichte eines über hundert Jahre zurückliegenden Justizskandals - mit dem Krimiautor Arthur Conan Doyle als Detektiv.

Bibliografie:
Duffy-Serie: 'Duffy' - 'Duffy' (1980), 'Fiddle City' - 'Schieber-City' (auch unter dem Titel 'Airport-Ratten', 1981), 'Putting the Boot in' - 'Abblocken' (auch unter dem Titel 'Grobes Foul', 1985), 'Going to the Dogs' - 'Vor die Hunde gehen' (1987).
Als Julian Barnes: 'Arthur & George' - 'Arthur & George' (2005).

++ Erstellt: Februar 2011 ++  


Keeler, Harry Stephen

(1890-1967)

Harry Stephen Keeler kam in Chicago zur Welt und wuchs dort in der Pension seiner verwitweten Mutter auf, eine Zeit lang auch in einer Nervenheilanstalt. Nach seiner Ausbildung zum Elektroingenieur am Armour Institute (dem heutigen Illinois Institute of Technology) arbeitete er in einem Stahlwerk. Nachts frönte er seiner Passion, dem Schreiben von Kurzgeschichten, die er an verschiedene Pulp-Gefässe verkaufte. Von 1919 bis 1940 gab er das Magazin '10-Story Book' heraus. Mitte der 20er-Jahre erschienen die ersten seiner über siebzig Romane.

Harry Keeler, der Mann mit dem rassigen Scheitel, erlebte seine Blütezeit in den 30er- und frühen 40er-Jahren, ehe er von seinem amerikanischen Verleger fallen gelassen wurde. Nach dem Tod seiner ersten Frau, der Pulp-Autorin Hazel Goodwin, im Jahr 1960 stellte er die Schreibmaschine vorerst in die Ecke. Drei Jahre später heiratete er seine ehemalige Sekretärin Thelma Rinaldo - und versuchte sich daraufhin noch einmal als Romanautor. Er starb 76-jährig in Chicago und hinterliess unzählige Manuskripte. 1997 gründete Richard Polt die "Harry Stephen Keeler Society", worauf der Autor im angloamerikanischen Raum ein Revival hatte.

Sein Werk ist breit gefächert. Es enthält Tüftelkrimis, Thriller, historische Romanzen, Sciencefiction sowie, Keelers Spezialität, "webwork novels". Der vom Autor kreierte Begriff steht für potpourri-artig gebaute, teilweise sehr umfangreiche und bizarre Erzählungen - bestehend aus scheinbar zusammenhanglosen Ereignissen, aber auch aus Dialogen, philosophischen Exkursen und ganzen (teilweise von Keelers erster Frau verfassten) Kurzgeschichten -, die dann zu einer verblüffenden, wenn auch nicht immer ganz plausiblen Lösung gebündelt wurden. Dem Vernehmen nach sammelte Keeler eifrig Zeitungsnachrichten über aussergewöhnliche Geschehnisse. Bevor er eine Geschichte schrieb, griff er sich eine Handvoll dieser Zettel und versuchte dann, ihre Inhalte unter einen Hut zu bringen.

'16 Bohnen' ist 2013 in einer einmaligen, auf 250 nummerierte Exemplare limierten Auflage in der "Edition Phantasia" des Joachim Körber Verlags erschienen. Der als Einstiegsdroge in Keelers Werk vorzüglich geeignete Krimi wurde durch Körber übersetzt und mit einem Nachwort abgerundet. Er besteht aus zwei lose miteinander verknüpften Strängen, zwischen denen Keeler hin- und herspringt, Boyce Barkstone und Gilbert Parradine sind ihre Hauptakteure.
Zu Beginn der Geschichte erbt Boyce Barkstone von seinem Grossvater statt der erwarteten 100'000 Dollar ein Säckchen mit 16 grundverschiedenen Bohnen und die kryptische Anweisung, wie er sie verwenden soll. Das Buch 'Der Weg hinaus', das die gesammelte Weisheit des alten China beinhaltet und von dem es nur noch ein einziges Exemplar gibt, kann ihm vielleicht den Weg weisen.
Auf Seite 89 wechselt Keeler zum sympathischen New Yorker Tycoon Gilbert Parradine, der ebenfalls hinter dem chinesischen Meisterwerk her ist. Dann wird Parradine Opfer einer Entführung - mit geringen Chancen, sie zu überleben.
Skurrile Figuren mit Namen wie Jonathan G. Wing, genannt John Hoi (beinloser Verkäufer von Schnürsenkeln, früher ein angesehener Rechtsanwalt chinesischer Herkunft), Sealwell Zack (Professor der "Bohnologie"), Ochiltree Zark (Antiquar), Hutchcock McDolphus (Tierhäutehändler und Besitzer des Buchs 'Der Weg hinaus'), aber auch originelle Weisheiten im Stil von "Der Frosch im Brunnen weiss nichts vom weiten Meer" und ausufernde Zwiegespräche sorgen für vergnügliche Lesestunden. Und als Surplus erzählt Keeler die "älteste Detektivgeschichte der Welt", verfasst 500 v.Chr. von keinem Geringeren als Konfuzius, die Boyce Barkstone schliesslich auf die richtige Spur führt.

Bibliografie:
'The Green Jade Hand' (1919), 'Amazing Web' (1921), 'Find the Clock' (1921), 'The Fourth King' (1921), 'The Voice of the Seven Sparros' - 'Die sieben Spatzen' (auch unter dem Titel 'Anwalt Crosby in der Klemme', 1924), 'The Search for XYZ' (1924), 'Find the Clock' (1925), 'The Spectacles of Mr Cagliostro' (auch unter dem Titel 'The Blue Spectacles') - 'Die Brille des Grafen Cagliostro' (1926), 'Sing Sing Nights' - 'Sing Sing Nächte' (1927), 'The Amazing Web' - 'Das geheimnisvolle Netz' (auch unter dem Titel 'Der Angeklagte schweigt', 1929), 'The Fourth King' (1929), 'Thieves' Nights' - 'Diebesnächte' (1929), 'The Green Jade Hand' (1930), 'The Tiger Snake' (auch unter dem Titel 'The Riddle of the Yellow Zuri', 1930), 'The Matilda Hunter Murder' (auch unter dem Titel 'The Black Satchel', 1931), 'The Box from Japan' (1932), 'Behind That Mask' (1933), 'The Face of the Man from Saturn' (auch unter dem Titel 'The Crilly Court Mystery', 1933), 'The Washington Square Enigma' (auch unter dem Titel 'Under Twelve Stars') - 'Im Zeichen der zwölf Sterne' (1933), 'The Mystery of the Fiddling Cracksman' - 'Der Mann mit der Geige' (1934), 'The Riddle of the Travelling Skull' - 'Ein Totenkopf auf Reisen' (1934), 'Ten Hours' (1934), 'The Five Silver Buddhas' - 'Fünf silberne Buddhas' (1935), 'The Skull of the Waltzing Clown' (1935), 'X Jones of Scotland Yard' (auch unter dem Titel 'X Jones', 1935), 'The Marceau Case' (1936), 'The Defrauded Yeggman' (1937), 'The Mysterious Mr I' (1937), 'The Wonderful Scheme of Mr Christopher Thorne' (auch unter dem Titel 'The Wonderful Scheme', 1937), 'Finger! Finger!' (1938), 'When Thief Meets Thief' (1938), 'Y. Cheung: Business Detective' (auch unter dem Titel 'Cheung, Detective, 1939), 'The Chameleon' (1939), 'The Man with the Magic Eardrums' (auch unter dem Titel 'The Magic Eardrums', 1939), 'Find Actor Hart' (auch unter dem Titel 'The Portrait of Jirjohn Cobb', 1939), 'Cleopatra's Tears' (1940), 'The Man with the Crimson Box' (auch unter dem Titel 'The Crimson Box', 1940), 'The Man with the Wooden Spectacles' (auch unter dem Titel 'The Wooden Spectacle', 1941), 'The Peacock Fan' (1941), 'The Sharkskin Book' (auch unter dem Titel 'By Third Degree', 1941), 'The Vanishing Gold Truck' (1941), ‚The Lavender Gripsack' (1941), ‚The Book with the Orange Leaves' (1942), ‚The Bottle with the Green Wax Seal' (1942), 'The Vase of the Two Strange Ladies' (1942), 'The Case of the Ivory Arrow' (1943), 'The Case of the 16 Beans' (auch unter dem Titel 'The 16 Beans') - '16 Bohnen' (1944), 'The Case of the Mysterious Moll' (auch unter dem Titel ‚The Iron Ring', 1944), 'The Case of the Canny Killer' (auch unter dem Titel 'Murder in the Mills', 1946), 'The Monocled Monster' (1947), 'The Case of the Barking Clock' (1947), 'The Case of the Jeweled Ragpicker' (auch unter dem Titel 'The Ace of Spades Murder', 1948), 'The Case of the Transposed Legs' (1948), 'The Murdered Mathematician' (1949), 'The Strange Will' (1949), 'The Steeltown Strangler' (1950), 'Hangman's Nights' (1951), 'The Murder of London Lew' (1952), 'Stand By - London Calling' (1953), 'The Gallows Waits, My Lord!' (1953), 'The Case of the Crazy Corpse' (1954), 'The Crimson Cube' (1954), 'The White Circle' (1954), 'The Circus Stealers' (1956), 'The Street of 1000 Eyes' (1956), 'The Trap' (1956), 'A Copy of Beowulf' (1957), 'The Mysterious Ivory Ball of Wong Shing Li' (1957), 'Report on Vanessa Hewstone' (1957), 'The Affair of the Bottled Deuce' (1958), The Case of the Transparent Nude' (1958), 'The Six from Nowhere' (1958), 'The Stolen Gravestone' (1958), 'The Straw Hat Murders' (1958), 'I Killed Lincoln at 10:13!' (1958), 'The Man Who Changed His Skin' (1959), 'The Mysterious Card' (1959), 'The Photo of Lady X' (1959), The Case of the 2 Headed Idiot' (1960), 'The Riddle of the Wooden Parrakeet' (1960), 'The Strange Journey' (1965), 'The Scarlett Mummy' (1965).

++ Erstellt: Mai 2016 ++  


Keene, Day

(Pseudonym für Gunard R. Hjerstedt, 1904-1969; schrieb auch als John Corbett, William Richards und Donald King)

Gunard R. Hjerstedt, alias Day Keene (das Pseudonym ist eine Kurzform des Namens seiner Mutter, Daisy Keeney), wurde im südlichen Teil Chicagos als Sohn eines schwedischen Strassenbauarbeiters und einer irischen Mutter geboren. Er verliess die Schule mit siebzehn, um sich einer Chautauqua-Truppe anzuschliessen (Chautauqua war eine 1874 gegründete Bewegung, die der Bevölkerung ländlicher nordamerikanischer Gegenden verschiedene Formen von Kultur näher brachte). Ende der 20er-Jahre liess er sich im New Yorker Künstlerviertel Greenvich Village nieder und setzte sich als Bühnenschauspieler und -autor in Szene. Anfang der 30er-Jahre zog er nach Chicago, wo er Kurzgeschichten für verschiedene Pulp-Magazine sowie Radioscripts (unter anderem Beiträge zum 'Little Orphan Annie'-Programm und zur Radiosoap 'Kitty Keene, Inc.') verfasste.

Nach Aufenthalten in Kalifornien und Mexiko bezog Day Keene in den späten 40ern Wohnsitz an der Westküste Floridas, in Tampa, freundete sich dort mit seinen Berufskollegen John D. MacDonald, Talmage Powell, Robert Turner, Jonathan Craig und Gil Brewer an und schrieb höchst erfolgreich Kriminalromane für die Paperbacks; später kamen Western und andere Romane hinzu. Er starb 64-jährig in North Hollywood und hinterliess seinen Sohn Albert James Hjerstedt (1924-2001), der unter dem Pseudonym Al James Kurzgeschichten und Kriminalromane veröffentlichte.

Keene war ein ungemein flinker Autor, der in seinen gut vierzig Krimis - abgesehen von zwei amüsanten Bänden um den hawaiisch-irischen Privatdetektiv und Korea-Veteranen Johnny Aloha - ohne Serienheld ausgekam. Seine Noir-Romane, in denen der Alkohol (vor allem Rum) stets in Strömen fliesst, zeichnen sich aus durch schnörkellose Plots, lakonische Dialoge und verdrehtem Witz, während die Figurenzeichnung nicht zu Keenes Stärken gehörte. Meistens geht es um einen zu Unrecht eines Verbrechens verdächtigten Mannes, der verzweifelt versucht, seine Unschuld zu beweisen, oder um einen durchschnittlichen Bürger, den eine "femme fatale" ins Verderben stürzt.

Besonders populär war Keene in Frankreich - mehrere seiner Romane sind zuerst dort erschienen, und 'La bête à l'affat' ist im Original vermutlich gar nicht herausgekommen. Überdies wurden vier Romane in den 50er- und 60er-Jahren durch französische Regisseure verfilmt. Herausragend: Der Psychothriller 'Joy House', Filmtitel 'Les félins', gedreht von René Clément mit Alain Delon und Jane Fonda in den Hauptrollen.

Zu Keenes besten Krimis gehört 'Mexikanische Serenade'. Ad Connors, ein leidlich erfolgreicher New Yorker Pulp-Autor Anfang dreissig, wird in Mexico City Zeuge eines Autounfalls, in den die hinreissende, kein Wort Spanisch sprechende Amerikanerin Eleana Hayes verwickelt ist. Nicht ganz selbstlos nimmt sich Connors seiner Landsfrau an - und wird in einen aufwühlenden Kriminalfall gezogen, mit einem lüsternen mexikanischen Ein-Stern-General, einer geheimnisvollen verschleierten Frau, einem ermordeten mexikanischen Anwalt, einem zwanzig Jahre zurückliegenden Verbrechen und allerlei amourösen Verwicklungen als wichtigsten Ingredienzien.

'Home Is the Sailor' (auf Deutsch: 'Der Teufel mit dem Papagei'), 2005 in der verdienstvollen Reihe 'Hard Case Crime' nach fast vierzig Jahren wieder aufgelegt, gilt manchen Kritikern als Keenes Meisterwerk. Swen "Swede" Nelson, 33-jährig, blond, gross gewachsen und muskelbepackt, ein rechtschaffener, nicht besonders smarter Bursche, hat nach achtzehn Jahren die Nase gestrichen voll von dem entbehrungsreichen Leben als Abenteurer und Matrose und sehnt sich nach einer Farm in Minnesota, einer lieben Frau und ein paar Kindern. Er hängt die Seefahrt an den Nagel und begibt sich mit 14'000 Dollar in der Tasche auf den Weg in den Norden. Bei einem Zwischenhalt in Laguna Beach, am Ende einer durchzechten Nacht, trifft er auf die junge Motelbesitzerin Corliss Mason, eine atemberaubende Schönheit mit obskurer Vergangenheit - und verstrickt sich heillos in eine verhängnisvolle "amour fou".

Bibliografie:
Johnny Aloha-Romane: 'Dead in Bed' - 'Die Cordovan-Millionen' (auch unter dem Titel 'Millionen für Gwen', 1959), 'Payola' - 'Einladung zum Mord' (1960);
'Framed in Guilt' (auch unter dem Titel 'Evidence Most Blind') - 'Blind ins Verderben' (1949), 'Farewell to Passion' (auch unter dem Titel 'The Passion Murders') - 'Es gibt kein Entrinnen' (1951), 'My Flesh Is Sweet' - 'Mexikanische Serenade' (auch unter dem Titel 'Nachts kam der Tod', 1951), 'Love Me and Die' - 'Lieb mich und stirb' (gemeinsam mit Gil Brewer, 1951), 'To Kiss or Kill - 'Tödliche Küsse' (auch unter dem Titel 'Küss mich oder stirb', 1951), 'Wake Up to Murder' - 'Ein Mordsdetektiv' (auch unter dem Titel 'Dies ist mein Tag', 1952), 'If the Coffin Fits' - 'Wenn der Sarg passt' (1952), 'Naked Fury' - 'Bis zum Hals in der Tinte' (auch unter dem Titel 'Die nackte Gewalt', 1952), 'Home Is the Sailor' - 'Der Teufel mit dem Papagei' (1952), 'Hunt the Killer' - 'Rücklings wie der Hai beisst' (1952), 'About Doctor Ferrel' - 'Orchidee im Sumpf' (1952), 'Mrs. Homicide' - 'Herzliches Beileid' (auch unter dem Titel 'Miss Mörderin', 1953), 'Strange Witness' - 'Die Gör muss weg' (auch unter dem Titel 'Gefährliche Zeugin', 1953), 'Death House Doll' - 'Das Mädchen in der Todeszelle' (1954), 'The Big Kiss-Off' - 'Willkommen zu Hause' (1954), 'His Father's Wife' - 'Die Frau seines Vaters' (1954), 'Homicidal Lady' - 'Gestehen Sie, Herr Staatsanwalt!' (1954), 'Sleep with the Devil' - 'Vom Scheitel bis zum Mord' (auch unter dem Titel 'Das teuflische Spiel', 1954), 'Joy House' - 'Die goldene Falle' (1954), 'Notorious' - 'Kopf in der Schlinge' (1954), 'The Dangling Carrot' - 'Tod in Blond' (1955), 'Flight by Night' - 'Flug in die Hölle' (1955), 'Who Has Wilma Lathrop?' - 'Wer hat Wilma Lathrop?' (auch unter dem Titel 'Asphaltdschungel', 1955), 'Bring Him Back Dead' - 'Mord unter Mördern' (1956), 'Murder on the Side' - 'Sarg mit fliessend Wasser' (1956), 'La bête à l'affat' (1956; im Original, Titel Forests of the Night', nicht erschienen) 'It's a Sin to Kill' - 'Mord unter Palmen' (auch unter dem Titel 'Tod unter Palmen', 1958), 'Passage to Samoa' - 'Von dieser Leiche weiss ich nichts' (1958), 'Dead Dolls Don't Talk' - 'Tote Zeugen reden nicht' (1959), 'Too Black for Heaven' - 'Zu schwarz für die Ewigkeit' (1959), 'Moran's Woman' - 'Eine Frau wie Wachs' (1959), 'Take a Step to Murder' - 'Anders küsst keine mehr' (1959), ‚So Dead My Lovely' - 'Hochzeitsnacht im Leichenhaus' (1959), ‚Miami 59' - 'Miami, Hotel International' (1959), 'Too Hot to hold' - 'Alles Gute aus Chicago' (1959), 'The Brimstone Bed' - 'Der Erpresser' (1960), 'Bye, Baby Burning' - 'Kein Alibi' (1963), 'L.A. 46' - Los Angeles, Paradies der Sünder' (1964), 'Carnival of Death' - 'Haltet die Clowns' (1965), 'Chicago 11' - 'Chicago, Appartmenthaus am See' (1966), 'Acapulco C.P.O. - 'Heisser Tag in Acapulco' (1967).
Als William Richards: 'Dead Man Tide' (1953).
Gemeinsam mit Dwight Vincent: 'Chautauqua' 1960).

++ Erstellt: Juli 2013 ++  


Keita, Modibo Sounkalo

(*1948)

Modibo Keita sollte nicht mit dem gleichnamigen ersten Präsidenten der Republik Mali verwechselt werden. Geboren in Mali, studierte er in der Sowjetunion und vermählte sich mit einer Japanerin. Von 1970 bis 1971 befasste er sich für Radio Mali mit der Trockenheit und den damit zusammenhängenden landwirtschaftlichen Problemen, danach studierte er Journalistik in der senegalischen Hauptstadt Dakar. Nach einem längeren Aufenthalt in Europa kehrte er nach Dakar zurück, um eine journalistische Laufbahn einzuschlagen. 1985 gründete er die Zeitung 'Vie meilleure', die sich hauptsächlich mit Themen zur Gesundheitsvorsorge auseinandersetzte.

Im Jahr 1984 veröffentlichte der frankophone Autor mit 'Bogenschütze' einen der ersten Kriminalromane Schwarzafrikas. Die zwischen Rachethriller und politischem Lehrstück oszillierende, vorwiegend in der fiktiven Grossstadt Kionda angesiedelte Geschichte dreht sich um einen mysteriösen Bogenschützen, der mit seinen raffiniert gebauten Bassari-Pfeilen (die Bassari sind ein kleines afrikanisches Volk im Südosten Senegals) eine Reihe von mächtigen, korrupten Männern ins Jenseits befördert, die eine Gemeinsamkeit aufweisen: Sie haben sich an den Hilfsgütern für die Dürre-Opfer ihres Landes bereichert. Kommissar Mbaye, ein integrer und hartnäckiger Polizist, und der junge Rundfunkjournalist Simon Dia ermitteln unabhängig voneinander - und finden die Lösung schliesslich in einem kleinen Dorf in der Sahelregion.
Keita erhielt für den (durch den Senegalesen Moussa Yoro Bathily verfilmten) Roman im Jahr 1984 den 'Grand prix du syndicat des journalistes et écrivains francais' und ein Jahr später den 'Grand prix littéraire d'Afrique noire'.

Bibliografie:
'L'archer bassari' - 'Bogenschütze' (1984).

++ Erstellt: Februar 2013 ++  


Kelly, Thomas

(*1963)

Thomas Kelly, geboren und aufgewachsen in der New Yorker Bronx als Sohn einer irisch-stämmigen Arbeiterfamilie, malochte als junger Mann (wie seine beiden Brüder) auf den Baustellen und in den Tunnels seiner Heimatstadt. Er studierte Volkswirtschaft an der Fordham University mit einem Master-Abschluss 1988 an der Harvard's John F. Kennedy School of Government, das Studium finanzierte er sich als "Sandhog" ("Sandhogs" sind gewerkschaftlich organisierte Tunnelarbeiter). Danach war er als Taxifahrer und Nachtwächter, aber auch als Wahlkampfhelfer des Demokraten David Dinkins, der für das Amt als Bürgermeister von New York kandidierte, und als Gewerkschaftsberater tätig. Parallel dazu begann er Ende der 80er-Jahre mit den Recherchen für seinen ersten Roman, der 1997 herauskam.

Kellys Romandebüt 'Boomtown Blues' behandelt den wahnwitzigen Immobilien-Boom im New York City der frühen und mittleren 80er-Jahre, in der Reagan-Zeit. Im Mittelpunkt der harten, aus vielen Perspektiven erzählten Geschichte steht das irisch-stämmige, in der Bronx aufgewachsene Brüderpaar Billy und Paddy Adare. Kellys Alter Ego Billy setzt sein Leben tagtäglich als Sandhog 260 Meter unter der Stadt aufs Spiel, um sein Jurastudium zu finanzieren, und verrichtet in der Freizeit Gewerkschaftsarbeit. Sein älterer Bruder Paddy, ein Vietnamveteran und gescheiterter Boxer, im Grunde ein guter Mensch, verdient sich sein Geld als Schläger und Killer einer irischen Gang, die von den psychopathischen Brüdern Tierney angeführt wird, und die (zusammen mit der Mafia und dem zwielichtigen Unternehmer Joe Harkness) das New Yorker Baugewerbe kontrolliert. Als ein Tunnelarbeiter ums Leben kommt, weil ein geldgieriger Unternehmer die Kosten zu Lasten der Sicherheit gesenkt hat, treten die Sandhogs in Streik - und lösen damit einen mörderischen Bandenkrieg aus. Mitten drin: Billy und Paddy Adare.

In seinen nachfolgenden, nicht auf Deutsch vorliegenden Romanen behandelt Kelly die Giuliani-Aera ('The Rackets', 90er-Jahre) bzw. den Bau des Empire State Buildings aus der Sicht einer Gruppe von irischen Einwanderern ('Empire Rising', frühe 30er-Jahre). Er lebt in New York City und arbeitet am vierten Band der Chronik seiner Stadt ('Metropolis', 50er-Jahre).

Bibliografie:
'Payback' - 'Boomtown Blues' (1997), 'The Rackets' (2002), 'Empire Rising' (2005).

++ Erstellt: Juli 2011 ++  


Kendrick, Baynard H.

(1894-1977, schrieb auch als Richard Hayward)

Baynard H. Kendrick, geboren und aufgewachsen in Philadelphia, Pennsylvania, als Spross einer wohlhabenden Familie, besuchte die Tome School in Port Deposit, Maryland, und danach die Episcopal Academy in Philadelphia, Abschluss 1912. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er für die kanadische Armee in England, Frankreich und Saloniki (er war offenbar der erste Amerikaner, der der kanadischen Armee beitrat. Als er wegen einer Kriegsverletzung in einem Krankenhaus das Bett hüten musste, lernte er einen blinden Soldaten kennen.

Nach seiner Heirat mit Edythe Stevens im Jahre 1919 liess sich Kendrick in Florida nieder. Er arbeitete dort rund zehn Jahre als Geschäftsmann und danach drei Jahre für eine New Yorker Hotelkette, bis er sich 1932 dem Schreiben zuwandte. In den 30er- und 40er-Jahren zählte er zu den angesehensten Krimiautoren der USA. Er war einer der Gründer der Vereinigung 'Mystery Writers of America' und, 1945, deren erster Präsident. Von 1961 bis 1964 veröffentlichte er eine wöchentliche Kolumne ('Florida's Fabulous Past') in der 'Tampa Sunday Tribune', darüber hinaus schrieb er zwei Sachbücher über die Geschichte Floridas. Neben seiner Schriftstellerei setzte er sich jahrelang intensiv mit dem Schicksal und den Möglichkeiten blinder Menschen auseinander.

Zwanzig Jahre nach der Begegnung mit dem blinden Soldaten, 1937, brachte Kendrick den ehemaligen Offizier Captain Duncan Maclain, seinen charismatischen Helden von dreizehn dem "Golden Age" verpflichteten Romanen und etlichen Kurzgeschichten, in die Kriminalliteratur. Maclain, im Ersten Weltkrieg erblindet, ist ein erstklassiger Privatermittler in New York City - er macht sein Handicap mit perfekt trainiertem Gehör, Tast-, Geruch- und Geschmacksinn und glänzender Kombinationsfähigkeit mehr als wett, denn "er kann im Dunkeln sehen". Unterstützt wird er von seinem langjährigen Freund Samuel "Spud" Savage und seiner Sekretärin Rena (Spuds Frau), mit denen er eine Dachwohnung in der 72. Strasse teilt, und den beiden speziell trainierten Deutschen Schäferhunden Schnucke und Dreist. Im Verlauf der Serie heiratet Maclain die reizende Innenarchitektin Sybella Ford, die an der Madison Avenue ein Antiquitätengeschäft besitzt. Seine wichtigsten Kontaktpersonen bei der Polizei sind Inspektor Davis und dessen Assistent Archer von der New Yorker Mordkommission, zwei ausgekochte Burschen.

'Der Trick des blinden Mannes' beginnt mit dem gewaltsamen Tod des ehemaligen Financiers Blake Hadfield, der vor sechs Jahren durch eine Schussverletzung sein Augenlicht verlor (nach offizieller Leseart versuchte damals sein Geschäftspartner James Sprague ihn zu ermorden und richtete sich dann selbst) und jetzt vom achten Stock des Gebäudes, in dem er damals tätig war, in die Tiefe gestürzt ist - als Unfall getarnter Mord oder Selbstmord? Maclain tippt auf Ersteres und vermutet, dass das Verbrechen mit der sechs Jahre zurückliegenden Schiesserei zusammenhängt, doch Beweise für seine These gibt es nicht. Dann geschehen weitere Morde, und Maclain riskiert sein Leben, um den raffinierten Täter zu überführen. 'Der Trick des blinden Mannes' - ein vertrackter, kurzweiliger Whodunit - ist höchst wahrscheinlich der einzige Krimi, in dem ein blinder Detektiv den Mord an einem blinden Menschen aufklärt. Die amourösen Verwicklungen (Hadfields Sohn Seth und Spragues Tochter Elise lieben sich, doch die dunkle Vergangenheit wirft lange Schatten auf ihr Glück) hätte Kendrick vielleicht besser auf der Seite gelassen. Riesengross ist indes die Freude des Lesers, als Maclain auf der letzten Zeile Sybella Ford, die er zu Beginn der Geschichte kennen gelernt hat, einen Heiratsantrag macht.

'Ausser Kontolle' ist der beste Band der Maclain-Serie. Er befasst sich mit dem Innenleben der schönen und gescheiten, mit allen Wassern gewaschenen und stets auf ihren Vorteil bedachten Millionärsgattin Marcia Fillmore. Vor drei Jahren hat sie ihren Geliebten Eddie Hassen auf perfekte Art um die Ecke gebracht, um an dringend benötigtes Geld zu kommen. Als jetzt ein Mann auftaucht, der alles über ihre Vergangenheit weiss und ihr mit Erpressung droht, ermordet Marcia ihn auf die gleiche Art wie damals Eddie - doch diesmal hat sie mit Duncan Maclain einen ihr überlegenen Gegenspieler, der mit ihr seine Spielchen treibt und sie in die Ecke drängt.

Kendricks zweite Serienfigur ist Deputy Sheriff Miles Stanley "Stan" Rice, ein ständig hungriger Schlaks, der im Süden Floridas für die Kontrolle des Glückssspiels und des Trinkwassers zuständig ist. Er kommt in der zweiten Hälfte der 30er-Jahre in drei Romanen und einigen Kurzgeschichten zum Einsatz (keine deutsche Übersetzung).

Kendrick hatte mit Edythe zwei Töchter und einen Sohn. Nach vierzig Jahren Ehe liess er sich scheiden und heiratete eine jüngere Frau, Jean Morris. Mitte der 60er-Jahre kehrte er zu Edythe zurück. Er starb 82-jährig in einem Krankenhaus in Ocala, Florida.

Bibliografie:
Duncan Maclain-Serie: 'The Last Express' (1937), 'The Whistling Hangman' - 'Der pfeifende Henker' (1937), 'The Odor of Violets' (1940), 'Blind Man's bluff' - 'Der Trick des blinden Mannes' (1943), 'Death Knell' (1945), 'Out of Control' - 'Ausser Kontrolle' (1945), 'Make Mine Maclain' (1947), 'You Die Today' (1952), 'Blind Allies' (1954), 'Reservations for Death' (1957), 'Clear and Present Danger' (1958), 'The Aluminium Turtle' (1960), 'Frankincense and Murder' (1961);
Deputy Sheriff Standish Rice-Serie: 'The Iron Spiders' (1936), 'The Eleven of Diamonds' (1936), 'Death Beyond the Go-Thru' (1938);
'Blood on Lake Louisa' (1947), 'The Tunnel' (1949), 'Red Hot Money' (1959), 'Flight from a Firing Wall' (1966).
Als Richard Hayward: 'Trapped' (1952), 'The Soft Arms of Death' (1955).

++ Erstellt: Juli 2012 ++  


Kennealy, Jerry

(Kürzel für Gerald P. Kennealy, *1938; schreibt auch als G.P. Kennealy, Paul Boray und James Brant)

Jerry Kennealy kam in San Francisco zur Welt. Nach der High School arbeitete er zunächst bei der Küstenwache, später vier Jahre bei der Polizei von San Francisco. Anschliessend war er über dreissig Jahre als Privatdetektiv für Versicherungsgesellschaften und Rechtsanwälte tätig. Seit Mitte der 80er-Jahre widmet er sich vorrangig dem Krimischreiben. Er lebt in San Bruno, Kalfornien.

1987 brachte Kennealy den Privatdetektiv Nick Polo in die Kriminalliteratur - eine Trouvaille. Zwei Titel des Zehnteilers (der erste und der fünfte) liegen auch auf Deutsch vor. Der Autor erzählt die schlakenfreien Geschichten in einem lakonisch-ironischen Stil, geizt nicht mit scharfen Hieben auf die amerikanische Politlandschaft und liefert erst noch nützliche Tipps für angehende Detektive.

Nick Polo, Spross einer sizilianisch-stämmigen Familie, geschiedener Vietnamveteran, kehrt dem Polizeidienst den Rücken, als seine betuchten Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen. Der Nachlass schmilzt dann aber aufgrund von Fehlinvestitionen dermassen schnell dahin, dass er sich schon bald nach einem neuen Job umsehen muss: er wird Privatdetektiv in San Francisco. Ein Zimmer seiner geerbten Wohnung verwandelt er in ein Büro und rüstet es mit allerlei nützlichen elektronischen Geräten (inkl. Computer) aus, denn "die Zeiten sind vorbei, in denen man nur einen guten Hut brauchte, einen zerknitterten Regenmantel, eine .45er-Automatik und eine halbvolle Flasche Bourbon in der untersten Schreibtischschublade" - es ist die zweite Hälfte der 80er-Jahre.
Wegen eines "blöden Fehlers" muss Nick kurz nach Beginn seiner Detektivkarriere für mehrere Monate ins Gefängnis, doch als er in 'Meer der Lügen' einen ungemein hässlichen und gefährlichen Fall auf unkonventionelle, aber brillante Weise auflöst - es geht um Wahlkampf, um Verunglimpfung und Erpressung, Opfer ist die mutige Bürgermeisterin von San Francisco -, gibt man ihm seine Lizenz zurück.

Unterstützung findet Nick bei seinem gewieften Onkel Pee Wee, einem ausgezeichnet vernetzten Buchmacher, und auch mit Inspektor Bob Tehaney von der örtlichen Mordkommission versteht er sich meistens gut. Nick ist nicht nur ein erstklassiger Ermittler, sondern auch ein ausgezeichneter Koch (gibt Extrapunkte bei den Frauen!); und ein routinierter, mit jedem Trick vertrauter Pokerspieler, was ihm in 'Schlechte Karten' zunächst zum Vorteil gereicht - doch schon bald bereut er zutiefst, sich jemals auf den Fall mit dem betrügerischen Kartenspieler Dettman, einem millionenschweren Industriellen, eingelassen zu haben.
Gegen Ende der Reihe verliebt sich der ungemein coole und sympathische Schnüffler, der stets für einen frechen Spruch gut ist, in die reizende Kolumnistin Jane Tobin.

Carroll Quint, Protagonist in bislang zwei Romanen, hart gesotten, von Beruf Unterhaltungskritiker beim 'San Francisco Bulletin', ist ein Filmfreak Mitte Dreissig, der mit einem Mini Cooper in San Francisco unterwegs ist. In 'Jigsaw' wird er mit einem Serienkiller, der sich Thanatos nennt, konfrontiert. Assistiert von seiner Freundin Terry Greco und seiner Mutter, einer ehemaligen Schauspielerin, nimmt er den Kampf mit dem Mörder auf, um nicht selbst dessen nächstes Opfer zu werden.

Bibliografie:
Nick Polo-Serie: 'Polo Solo' - 'Meer der Lügen' (1987), 'Polo Anyone?' (1988), 'Polo's Ponies' (1988), 'Polo in the Rough' (1989), 'Polo's Wild Card' - 'Schlechte Karten' (1990), 'Green With Envy' (1991), 'Special Delivery' (1992), 'Vintage Polo' (1993), 'Beggar's Joice' (1994), 'All That Glitters' (1997);
'The Conductor' (1995), 'The Forger' (1996), 'The Suspect' (1997), 'The Hunted' (1999), 'The Outer Eye' (2000);
Carroll Quint-Romane: 'Jigsaw' (2007), 'Still Shot' (2008).
Als G.P. Kennealy: 'Nobody Wins' (1979).
Als Paul Boray: 'Cash Out' (2002).
Als James Brant: 'The Vatican Connection' (2003), 'Chasing the Devil' (2004).

++ Erstellt: Oktober 2011 ++  


Kenrick, Tony

(*1935)

Anthony "Tony" Kenrick kam als Sohn eines Ingenieurs und einer Gedankenleserin in Sydney zur Welt, wo er auch aufwuchs. Mit achtzehn diente er in der Royal Australian Navy. In den folgenden Jahren kam er als Werbeleiter in der angloamerikanischen Welt herum, bis er sich 1972 aufs Schreiben von Krimis und Drehbüchern verlegte. Er lebte mit seiner Frau Joan May Wells, einer Kunstmalerin, und den beiden Kindern Melanie und Tim der Reihe nach in Weston (Connecticut), Toronto (Ontario) und auf Mallorca. Anfang der 90er-Jahre verlieren sich seine Spuren.

Kenricks Bibliografie umfasst vierzehn vorwiegend in den Vereinigten Staaten angesiedelte Romane, darunter ein paar vergnügliche Gaunergeschichten (Kenrick wurde, vielleicht etwas überschwänglich, als australische Antwort auf Donald Westlake bezeichnet), der mit Sciencefiction-Elementen gewürzte Krimi 'Mit den Augen der Nacht', das Drogendrama 'China White' und der Thriller 'Blast', Kenricks vielleicht grösster Wurf.

Zu Kenricks feinsten Werken gehört die Caper Novel 'Ein allzu grosser Coup', die ausgelassene Geschichte des bis anhin mustergültigen Familienvaters und Angestellten Barney Rivers, der in hoffnungsloser finanzieller Not sein Heil im Bankraub sucht. Unterstützt durch seine Kumpel Tom Loder und George Dourian, die sich in ähnlicher Lage befinden, und die junge Ladendiebin Amanda Atwill plündert er per Post ein Schweizer Nummernkonto. Die Beute beträgt satte 167 Millionen Dollar - der gesamte Staatsschatz einer kleinen Karibikinsel, mit dem sich deren Ex-Diktator Ripoll abgesetzt hat. Dieser setzt jetzt eine kleine, furchterregende Privatarmee ein, um sein Vermögen zurückzugewinnen, doch Barney und seine Freunde unterziehen sich einer militärischen Schnellbleiche - und halten furios dagegen.

Auch 'Kidnapping auf Wunsch' stellt eine unterhaltsame Lektüre dar. Bunny Calder, ein smarter, gut aussehender Hallodri Mitte dreissig, hat eine fast narrensichere Art entdeckt, sein Gehalt ein wenig aufzubessern: Als Angestellter in einem New Yorker Reisebüro weiss er genau über die freistehenden Wohnungen seiner Kunden Bescheid - und vermietet sie in der Zeit ihrer Abwesenheit an andere Leute weiter. Als er auffliegt, gerät sein Leben jäh aus den Fugen: Bunny sieht sich - an der Seite der schönen Ella Brown (seinem letzten Opfer), des schnoddrigen Waisenmädchens Lillian und des FBI - im Kampf gegen Terroristen. Eine hanebüchene, mit schrägem Witz erzählte Geschichte.

'China White' beginnt mit dem Mord an dem Polizisten George Chaska aus Atlanta, sein Partner, Billy Marcus, der die Waffe zu langsam gezogen hat, schwört Rache. Er perfektioniert seine Schiesskünste, infiltriert den Drogenring des Londoner Playboys Charles Bendroit, dessen ruppige Mitarbeiter Roy Hinkler und Alvin Boyle den Cop auf dem Gewissen haben - und der gerade eine schlagkräftige Truppe zusammenstellt, um im "Goldenen Dreieck" einen äusserst lukrativen Heroindeal abzuwickeln. Während des spannungsgeladenen Trips nach Südostasien verliebt sich Marcus heftig in Bendroits attraktive Anwältin Claire Tanner. Dies sind die wichtigsten - etwas blutarmen - Figuren, die die Handlung der nicht durchwegs plausiblen Geschichte vorantreiben.

In Kenricks prickelndem Krimi 'Blast' (keine deutsche Übersetzung) sorgt eine Reihe von Bombenexplosionen in New York City für Angst und Schrecken. Obwohl der Täter (nom de guerre: Alka Seltzer) jeweils Ort, Datum und Zeit der Anschläge bekannt gibt, gelingt es der Polizei nicht, die Bomben rechtzeitig zu entschärfen. Auf Druck des zwielichtigen, höchst einflussreichen Geschäftsmanns Freidman tritt jetzt Gene Charters auf den Plan, ein ehemaliger (unehrenhaft aus dem Polizeidienst ausgeschiedener) NYPD-Detective und derzeitiger Steuerberater, der sich rehabilitieren möchte. Seine Wege kreuzen sich mit der kühlen Schönheit Janice Stanley, deren Freundin beim ersten Anschlag ums Leben kam.

Bibliografie:
'The Only Good Body's a Dead One' (1970), 'A Tough One to Lose' (1972), 'Two for the Price of One' (1974), 'Stealing Lillian' (auch unter dem Titel 'The Kidnap Kid') - 'Kidnapping auf Wunsch' (1975), 'The Seven Day Soldiers' - 'Ein allzu grosser Coup' (1976), 'The Chicago Girl' (1976), 'Two Lucky People' (1978), 'The Nighttime Guy' - 'Mit den Augen der Nacht' (auch unter dem Titel 'Ein Blinder sieht zuviel', 1979), 'The 81st Site' (1980), 'Blast' (1983), 'Faraday's Flowers' (auch unter dem Titel 'Shanghai Surprise') - 'Shanghai Surprise' (1985), 'China White' - 'China White' (1986), 'Neon Tough' (1988), 'Glitterbug' (1991).

++ Erstellt: Februar 2015 ++  


Kersh, Gerald

(1911-1968; schrieb auch als Piers England, Waldo Kellar, Mr Chickery, Joe Twist und George Munday)

Gerald Kersh, geboren in Teddington-on-Thames, London, als Sohn jüdischer Eltern, wuchs im Londoner Viertel Soho auf. Nach der Schulzeit (und dem Tod des Vaters 1929) stellte er sich auf eigene Füsse und schlug sich mit verschiedenen Gelegenheitsjobs durchs Leben, unter anderem als Schuldeneintreiber, Kellner, Rausschmeisser, Französischlehrer und Ringkämpfer, die Nächte verbrachte er in den schäbigsten Unterkünften oder im Freien. Nebenbei begann er zu schreiben. 1940 wurde er zum Dienst bei der Infanterie eingezogen. Im Sommer 1944 beteiligte er sich an der Befreiung von Paris. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs liess er sich in New York nieder, 1959 nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an.

Gerald Kersh, ein ungemein fleissiger, ja besessener Autor, feierte seine grössten Erfolge mit seinen rund vierhundert Kurzgeschichten, die ein breites Spektrum - Horror, Fantasy, Romanze, Detektiv-Story, Sciencefiction, Humoreske - abdecken und in Periodika wie 'Argosy' und 'Lilliput' erstveröffentlicht wurden. Darüber hinaus verfasste er Gedichte, Radio- und Fernsehskripte, ungezählte Artikel und neunzehn Romane.

Ab Mitte der 50er-Jahre ging es nur noch bergab mit Kersh - Steuerschulden, Alkohol und Frauen (insbesondere die kanadische Journalistin Lee, die zweite seiner drei Ehefrauen), aber auch Krankheiten zogen ihn in den Abgrund. Verarmt und vergessen starb er 57-jährig in der Kleinstadt Kingston, New York State. Er hinterliess seine dritte Frau Florence "Flossie" Sochis.

Aufgrund seines dritten und weitaus bekanntesten Romans 'Nachts in der Stadt' aus dem Jahr 1938 zählt Kersh zu den Begründern des "Brit Noir". Im Mittelpunkt steht Harry Fabian, ein verlogener und schmieriger, an massloser Selbstüberschätzung leidender Zuhälter, der unbedingt zu Bargeld kommen muss, um seine Laufbahn als Ringkampf-Promoter in Gang zu bringen. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Er schickt seine naive Freundin Zoë auf den Strich, daneben gehören Erpressung und Betrug zu seinen bevorzugten Methoden der Geldbeschaffung - doch Fabians Pläne sind natürlich zum Scheitern verurteilt.
Die im winterlichen Soho spielende, erstaunlicherweise ohne Kapitalverbrechen auskommende Geschichte erzählt von Menschen, die sich ständig am Rande des Abgrunds bewegen, und zeichnet ein eindrucksvolles Bild der Londoner Unterwelt zur Zeit der Wirtschaftsdepression.
'Night and the City' wurde von Jules Dassin mit Richard Widmark in der Rolle des Harry Fabian verfilmt (deutscher Titel: 'Die Ratte von Soho') und kam 1950 in die Kinos.

Am 27. Mai 1942 wurde Reinhardt Heydrich bei einem Attentat in Prag so schwer verletzt, dass er acht Tage später starb, worauf Heinrich Himmler am 9. Juni das tschechische Dorf Lidice auslöschte. In Kershs ein Jahr danach veröffentlichtem Roman 'Die Toten schauen zu' heisst Heydrich Bertsch, Himmler Horner und Lidice Dudicka. Hier leben 405 liebevoll porträtierte Menschen in 90 Häusern, als die zynischen, mordlustigen Nazi-Offiziere einmarschieren, um ein Exempel zu statuieren. Die Männer werden erschossen und in ein Massengrab geworfen, die Frauen und Kinder verschleppt, die Häuser mit Kanonen vernichtet. In erschütternden Szenen schildert der Autor den Einbruch von gnadenloser Gewalt in eine unschuldige Dorfgemeinschaft und setzt so den Opfern ein Denkmal.

Bibliografie:
'Jews Without Jehovah' (1934), 'Men Are So Ardent' (1935), 'Night and the City' - 'Nachts in der Stadt' (1938), 'They Die with Their Boots Clean' (1941), 'The Nine Lives of Bill Nelson' (1942), 'The Dead Look On' - 'Die Toten schauen zu' (1943), 'Brain and Ten Fingers' (1943), 'Faces in a Dusty Picture' (1944), 'An Ape a Dog and a Serpent' (1945), 'The Weak and the Strong' - 'Die Schwachen und die Starken' (1945), 'Prelude to a Certain Midnight' - 'Ouvertüre um Mitternacht' (1947), 'The Song of the Flea' (1948), 'The Thousand Deaths of Mr Small' (1950), 'The Great Wash' (auch unter dem Titel 'The Secret Masters', 1953), 'Fowlers End' (1957), 'The Implacable Hunter' (1961), 'A Long Cool Day in Hell' (1965),' The Angel and the Cuckoo' (1966), 'Brock' (1969).

++ Erstellt: Januar 2014 ++
++ Update: November 2016 ++
 


King, Frank

(1892-1958; schrieb auch als Clive Conrad)

Frank King wurde als Sohn eines erfolgreichen Verlegers und Buchhändlers in Halifax, West Yorkshire, geboren und wuchs auch dort auf. Er studierte Medizin in Leeds mit einem Abschluss 1914, im folgenden Jahr vermählte er sich mit Annie Naylor. Nach dem Militärdienst im Nahen Osten eröffnete er eine ärztliche Praxis in Halifax. Parallel zu seiner medizinischen Tätigkeit begann er zu schreiben, sein erster Roman kam 1924 heraus. Einem breiteren Publikum erschloss er sich mit dem auf einem seiner Romane beruhenden Horrorfilm ‚The Ghoul', in dem Boris Karloff die Hauptrolle spielte.

Die belletristischen Erfolge erlaubten es King, seine Praxis 1936 zu schliessen und sich fürderhin ganz dem Schreiben von Kurzgeschichten und Krimis zu widmen. Er war ein flinker und fleissiger Autor, der in seinen besten Zeiten vier Sekretärinnen beschäftigte. Sein Werk enthält 42 Romane, mehrere Theaterstücke und weit über hundert Stories, die in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt wurden. Im Alter von 66 Jahren erlitt King zuhause in Norton Tower, Halifax, einen plötzlichen Herztod. Er hinterliess seine Frau, mit der er über vierzig Jahre kinderlos verheiratet war.

Kings bekanntester Krimiheld ist Clive Conrad, Übername "The Dormouse" (bzw. "der Siebenschläfer"), den er seinem verhangenen Blick und seiner Gewohnheit, in brenzligen Situationen zu gähnen, verdankt. Zusammen mit seiner schönen, rothaarigen Lebensgefährtin Alice Faversham (ab dem 14. Band 'Operation Honeymoon': Alice Conrad), einer äusserst treffsicheren Schützin, und dem korpulenten, fast kahlen Sidecick Reginald Fortescue Watt als "Mädchen für Alles" betreibt er in London an der Rupert Street, in der Nähe des Piccadilly Circus, die 'Conrad Detective Agency', eine kleine, von Robin Hood inspirierte Organisation, die zuerst weniger durch detektivischen Spürsinn, als durch verbrecherische Aktivitäten zu ihrem Geld kommt, später jedoch eng und erfolgreich mit Scotland Yard zusammenarbeitet. Die Serie besteht aus 21 unterhaltsamen, wenn auch nicht allzu tief schürfenden Romanen.

Bibliografie:
'Terro at Staups House' - 'Grauen in Staups Haus' (1927), 'The Ghoul' (1928), 'Greenface' (1929) 'The Owl' (1930), 'The Case of the Painted Girl' - 'Der Tiger' (1931), 'Night at Krumlin Castle' (1932), 'Green Gold' (1933), 'The House of Sleep' (1934), ‚Mr Balkram's Band' (1934), ‚Dictator of Death' (1935), ‚The Smiling Mask' (1936), ‚Molly on the Spot' (1940), ‚'The Midnight Sleep' (1941), 'Candidates for Murder' (1945), 'Death of a Cloven Hoof' - 'Ein Satan stirbt' (1951), 'Death Changes his Mind' (1953), 'Only Half the Doctor Died' (1954), 'Death Has a Double' (1955), 'The Case of the Vanishing Artist' - 'Die schöne Sonja' (1956);
Clive "The Dormouse" Conrad-Serie: 'Enter the Dormouse' (1936), 'The Dormouse Undertaker' (1937), 'The Dormouse Has Nine Lives' (1938), 'The Dormouse Peacemaker' (1938), 'Dough for the Dormouse' (1939), 'This Doll is Dangerous' (1940), 'They Vanish at Night' (1941), 'What Price Doubloons?' - 'Das versunkene Schiff' (1942), 'Crook's Cross' (1943), 'Gestapo Dormouse' (1944), 'Sinister Light' (1946), 'The Catastrophe Club' (1947), 'Operation Halter' (1948), 'Operation Honeymoon' (1950), 'The Case of the Strange Beauties' (1952), 'The Big Blackmail' - 'Sünden im Safe' (1954), 'Crook's Caravan' (1955), 'The Empty Flat' - 'Selbstmord ausgeschlossen' (1957), 'The Charming Crook' (1958), 'The Two Who Talked' (1958), 'The Case of the Frightened Brother' (1959).

++ Erstellt: April 2012 ++  


Kirst, Hans Hellmut

(1914-1989)

Geboren in Osterode, dem heutigen Ostroda (Polen), als Sohn eines ostpreussischen Polizeibeamten, aufgewachsen in verschiedenen Orten Ostpreussens, war Hans Hellmut Kirst von 1933 bis 1945 Berufssoldat bei der Reichswehr bzw. der Deutschen Wehrmacht, wo er zum Oberleutnant aufstieg. Er nahm am Frankreichfeldzug und am Überfall auf die Sowjetunion teil. Nach der deutschen Kapitulation verbrachte er neun Monate in einem amerikanischen Gefangenenlager in Garmisch. 1947 liess er sich in München nieder und wurde - nach Verrichtung einiger Gelegenheitsjobs - Filmkritiker beim 'Münchner Mittag' (heute: 'Münchner Merkur'), eine Tätigkeit, die er bis 1972 ausübte.

1950 veröffentlichte Kirst seinen ersten Roman 'Wir nannten ihn Galgenstrick'. Der grosse Durchbruch erfolgte vier Jahre später mit '08/15', dem ersten Teil einer Trilogie, in der eigene Kriegserlebnisse verarbeitet sind. In den 50er-Jahren trat er gegen die deutsche Wiederbewaffnung ein, was zu heftigen Angriffen seines langjähriges Intimfeindes, des neuen Verteidigungsministers Franz-Josef Strauss, führte. 1961 heiratete er die Schauspielerin Ruth Müller und lebte mit ihr und der gemeinsamen Tochter am Starnberger See. Gesundheitlich schwer angeschlagen, übersiedelte er 1987 mit seiner Familie nach Werdum in Ostfriesland, wo er 74-jährig starb.

Kirst schrieb drei Theaterstücke (unter ihnen das 1966 uraufgeführte 'Aufstand der Offiziere', in dem das Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler behandelt wird) und rund sechzig (von den meisten Kritikern der Populärliteratur zugeordnete) Romane, darunter mehrere autobiographisch gefärbte, um die Nazizeit und den Zweiten Weltkrieg kreisende Werke und drei in der Zeit des Wirtschaftswunders spielende Krimis mit dem Münchner Kommissar Keller als Hauptfigur (Münchner Kriminaltrilogie).

1962 ist 'Die Nacht der Generale' erschienen, Kirsts anspruchsvollster Roman. Die Geschichte beginnt im Warschau des Jahres 1942 mit einem Sexualmord an einer jungen polnischen Prostituierten; nach einer Zeugenaussage muss die Tat von einem deutschen General begangen worden sein. Major Grau von der deutschen Abwehr beginnt zu ermitteln, wird von seinen Gegenspielern indes schon bald nach Paris versetzt. Doch dann geschieht auch hier ein Mord, der jenem von Warschau in entscheidenden Details gleicht. Als Grau im Zusammenhang mit den turbulenten Ereignissen des 20. Juli 1944 (dem Tag des misslungenen Attentats auf Adolf Hitler) hingerichtet wird, verläuft die Suche nach dem Mörder vorerst im Sand, bis der französische Kriminalkommissar Prévert nach dem Krieg die Spuren wieder aufnimmt und 1956 einen hohen Wehrmachtsoffizier als Täter entlarvt.

Bibliografie:
'Die letzte Karte spielt der Tod' (1955), 'Die Nacht der Generale' (1962), 'Alles hat seinen Preis' (1974), 'Generalsaffären' (1977), 'Der unheimliche Freund' (1979), 'Eine Falle aus Papier' (1981), 'Bedenkliche Begegnung' (1982), 'Geld - Geld - Geld' (1982), 'Die gefährliche Wahrheit' (1984), 'Geschieden durch den Tod' (1987);
Münchner Kriminaltrilogie: 'Verurteilt zum Erfolg' (1972), 'Verurteilt zur Wahrheit' (1972), 'Verfolgt vom Schicksal' (1973).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Kirstilä, Pentti

(*1948; schreibt auch als Ursula Auer)

Geboren in der südwestfinnischen Stadt Turku, beendete Pentti Kirstilä sein Studium der Sozialwissenschaften im Jahre 1972 an der Universität Tampere. Von 1969 bis 1980 arbeitete er als Journalist bei der Zeitung Aamulehti. In dieser Zeit, 1977, veröffentlichte er seinen ersten Krimi 'Nachtschatten'. Er lebt mit seiner Frau Anja Angel in Helsinki.

Kirstiläs Werk enthält die elfbändige Serie um Lauri Hanhivaara, Hauptmeister bei der Kriminalpolizei Tampere, sowie sieben Einzelwerke, mehrere Sammlungen mit Kriminalnovellen und Kurzgeschichten, ein Hörspiel und ein Sachbuch über das Billardspiel. Unter dem Pseudonym Ursula Auer verfasste er drei weitere Krimis gemeinsam mit seiner Frau. Einige seiner Romane wurden fürs Fernsehen verfilmt. 1987 und 1993 erhielt er jeweils den Preis für den besten finnischen Kriminalroman.

Auf Deutsch sind die fünf ersten Titel der Lauri Hanhivaara-Reihe erschienen - und dies erst fast dreissig Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung. Danach war Schluss, und auch in Finnland hat man offenbar seit 2007 nichts mehr von diesem grossartigen Autor gehört.

Hauptmeister Lauri Hanhivaara arbeitet seit zwanzig Jahren bei der Kriminalpolizei Tampere, wird jedoch gegen Ende der Serie nach Helsinki versetzt. Er ist ein eigenwilliger, illusionsloser, scharfsinniger Ermittler mit viel Sinn für Humor und einer Neigung zur Selbstironie und (in seinen eigenen Worten) zum melancholischen Zynismus; ein brillanter Polizist, der das Katz-und-Maus-Spiel aus dem Effeff beherrscht und sich zum Verdruss seines Vorgesetzten Kairamo immer wieder auf gefährliche Alleingänge einlässt; ein kauziger, kinderlos geschiedener Einzelgänger, dessen Privatleben nur selten zur Darstellung kommt - etwa als seine Freundin Maija Takala an Schluss des zweiten Bandes gewaltsam ums Leben kommt. Seine engsten Mitarbeiter neben Kommissar Kairamo sind Huhtanen, dem kein überflüssiges Wort über die Lippen kommt (er eröffnet nach dem vierten Roman eine Detektei) und der junge Siika, der offenbar über einen unerschöpflichen Vorrat an mehr oder weniger kniffligen Ratespielen verfügt, mit denen er seinen Kollegen auf die Nerven fällt.

Kirstiläs erster Krimi 'Nachtschatten' beginnt spektakulär: Ein Mann, Antti Koski, schlitzt seiner schönen Exfrau die Kehle auf, wird dabei von einem Bekannten beobachtet, daraufhin von diesem mit Briefen bedroht - und endet mit einer Kugel im Bauch: Selbstmord. Lauri Hanhivaara verbeisst sich in den Fall, stösst schon bald auf erste Ungereimtheiten, Zweifel kommen auf - und am Ende dreht der Autor eine wilde Pirouette.

In 'Tage ohne Ende' verbringt Lauri Hanhivaara die Mittsommernacht mit seiner Freundin Maija im Sommerhaus ihres Bruders. Am nächsten Morgen stolpert das Paar bei einem Spaziergang über die Leiche des Buchhalters Antero Kartano, der von seinen Bekannten einhellig als skrupelloses, sexistisches Ekel geschildert wird. Der Hauptmeister beginnt zu ermitteln, bringt eine Menge Dreck zu Tage - und begeht dann einen verhängnisvollen Fehler.

'Klirrender Frost' fängt an mit dem detaillierten Porträt des harten, rücksichtslosen Druckereibesitzers und zweifachen Familienvaters Sakari Kaarto, der seine unterwürfige Frau Kirsti nicht mehr erträgt und beschliesst, sich ihr zu entledigen. Sein Plan ist einfach: Den Eindruck erwecken, er habe den Verstand verloren, Kirsti vor einem Zeugen mit einem Küchenmesser abschlachten, für unzurechnugsfähig erklärt und nach ein paar Monaten in einer psychiatrischen Klinik - eine Besonderheit der finnischen Jurispridenz - wieder freigelassen werden. Der Plan geht auf. Wenig später findet man Kaarto erschossen in seiner Villa, zu seinen Füssen liegt eine Pistole, auf der sich nur seine Fingerabdrücke befinden. Trotzdem glaubt Hanhivaara nicht an Selbstmord. Er vermutet den Täter im unmittelbaren Umfeld von Kaarto und löst den Fall in brillanter Manier. Doch ganz zum Schluss hat der Autor noch einen Pfeil im Köcher - und wir Leser wissen nun, dass sich Hanhivaara geirrt hat. Dafür hat er mit dem Rauchen aufgehört. Und ist frisch verliebt.

Kirstilä, ein Autor, der den Leser immer wieder geschickt in die Irre führt, besticht durch schnörkellose, ironisch-sarkastische Erzählweise, raffinierte Handlungsführung, feinfühlige Darstellung von Lebensläufen und zwischenmenschlichen Beziehungen, treffende Metaphern und pointierte Dialoge.

Bibliografie:
Kriminalhauptmeister Lauri Hanhivaara-Serie: 'Jäähyväiset rakkaimmalle' - 'Nachtschatten' (1977), 'Jäähyväiset ilman kyyneleitä' - 'Tage ohne Ende' (1978), 'Jäähyväiset presidentille' - 'Schwarzer Frühling' (1979), 'Jäähyväiset lasihevoselle' - 'Klirrender Frost' (1981), 'Jumalia ei uhmata' - 'Den Göttern trotzt man nicht' (1982), 'Isku vasten kasvoja' (1983), 'Jäähyväiset unelmille' (1996), 'Jäähyväiset menneisyydelle' (1997), 'Hanhivaara ja sateisen saaren tappaja' (2000), 'Hanhivaara ja saalistajat' (2001), 'Hanhivaara ja mies joka murhasi vaimonsa' (2002);
Einzelwerke: 'Isku suoneen' (1982), 'Munthe' (1984), 'Kirkkaankeltaiset jäähyväiset' (1985), 'Sinivalkoiset jäähyväiset' (1986), 'Klassinen happokylpy' (1990), 'Imelda' (1992), 'Elektra' (1993).
Als Ursula Auer: 'Murhia Maltalla' (2005), 'Murhia Maintenonissa' (2006), 'Murhia Mankalassa' (2007).

++ Erstellt: Juni 2014 ++  


Klein, Zachary

(*1948)

Zachary "Zach" Klein, Herkunft unbekannt, arbeitete als Sozialarbeiter in Chicago und Boston und engagierte sich ab 1976 ehrenamtlich als Psychotherapeut und Eheberater, später auch als Sachverständiger in rechtlichen Fragen. Von 1990 bis 1994 veröffentlichte er drei Krimis, denen der ehemalige Streetworker Matt Jacob aus Boston den Stempel aufdrückt.

Im ersten Krimi 'Die Lebenden und die Toten' ist Matt Jacob vier Jahre nach dem Unfalltod seiner Frau Chana, mit der er eine lausige Ehe führte, und seiner kleinen Tochter Becky noch immer am Boden zerstört. In seiner abgedunkelten Wohnung grübelt er über den Sinn des Lebens, hängt vor dem Fernseher rum und ernährt sich von Chips, Dope, Kokain, Zigaretten und Alkohol. Einmal die Woche geht er zu seiner Psychiaterin Gloria James. Daneben sammelt er alte Radios und verwaltet halbherzig einen Wohnkomplex, der seinem Schwiegervater Lou gehört. Ab und zu stellt Matt (er hat immerhin eine Detektivlizenz und eine .38er!) kleine Nachforschungen für seinen besten Freund an, den aufstrebenden Anwalt Simon Roth.
Eines Tages beauftragt ihn seine Therapeutin, eine mysteriöse Einbruchserie in dem Bürogebäude aufzuklären, in dem sich ihre Praxis befindet. Fast gleichzeitig hat auch Simon Roth ein dringendes Anliegen: Matt soll seine Ehefrau Fran beschatten, die unter Verfolgungswahn und Alpträumen leidet. Recht widerwillig nimmt der apathische Gelegenheits-Schnüffler die beiden Aufträge an. Was zunächst wie harmlose Beschäftigungstherapie aussieht, erweist sich jedoch schon bald als ein einziger, höchst gefährlicher Kriminalfall, für dessen Lösung der liebenswürdige Held alle Register seines beachtlichen detektivischen Könnens ziehen muss.
'Die Lebenden und die Toten' ist ein sauber konstruierter, mit prägnant und eindrucksvoll geschilderten Haupt- und Nebenfiguren bevölkerter Krimi, aber auch das rührende Porträt eines Aussenseiters, der sich vom haltlosen Drogenkonsumenten zum einfühlsamen und loyalen Ermittler entwickelt - und der sich eigentlich auf der Suche nach sich selbst befindet.

Auch im zweiten Roman 'Jenseits von Gut und Böse' wird dem atheistischen Juden Matt Jacob alles abverlangt. Simon Roth gibt ihm den Auftrag, Material zu sammeln, das seinen neuesten Klienten, den radikal-chassidischen Rabbi Yonah Saperstein, entlasten könnte: Der rabiate Geistliche tötete den Anführer der antisemitischen Truppe "Weisse Rächer", unmittelbar nachdem dieser offenbar dem besonnenen und hoch angesehenen Rabbi Dov Horowitz das Licht ausgeblasen hatte. Als Matt einen Anschlag nur knapp überlebt, wird ihm klar, dass weit mehr hinter den Morden steckt als eine Fehde zwischen den beiden gegensätzlichen fundamentalistischen Gruppierungen.

Zachary Klein ist Vater von zwei Söhnen. Auf seiner Website www.zacharykleinonline.com/ publiziert er kritische Artikel zu kontroversen sozialpolitischen Themen. Er lebt mit seiner Lebenspartnerin, der Kinderbuchautorin Susan Goodman, in Boston.

Bibliografie:
Matt Jacob-Trilogie: 'Still Among the Living' - 'Die Lebenden und die Toten' (1990), 'Two-Way Toll' - 'Jenseits von Gut und Böse' (1991), 'No Saving Grace' (1994).

++ Erstellt: April 2011 ++  


Koenig, Joseph

(*1946)

Joseph Koenig, geboren in Brooklyn, ausgebildet an der dortigen Erasmus Hall High School und der New York University, arbeitete nach dem Collegeabschluss zwanzig Jahre als Gerichtsreporter in unzähligen nordamerikanischen Städten und Regionen, bevor er zwischen 1987 und 1993 vier Krimis veröffentlichte und 2004 den Holocaust-Roman 'Osud' folgen liess. Nach längerer Pause kehrte er 2012 mit dem autobiografisch gefärbten, in den 50-Jahren spielenden Spannungsroman 'False Negative' zurück, in dem der junge True Crime-Reporter Adam Jordan aus Atlantic City in eine Serie von Morden an Schönheitsköniginnen verwickelt wird. Joseph Koenig lebt in Manhattan.

Koenigs weitaus bekanntester Krimi ist 'Little Odessa', die verwickelte, temporeiche, mit vielen witzigen Szenen aufgelockerte Geschichte der attraktiven russisch-stämmigen Jüdin Kate Piro, die als kleines Mädchen mit ihren Eltern nach New York gekommen ist, seither in Little Odessa, Brooklyn, lebt und sich ihr Brot als Bauchtänzerin in einem arabischen Restaurant und als Oben-ohne-Tänzerin in einem Lokal an der Times Sqaure verdient. Als sie einem zudringlichen nigerianischen UNO-Beamten eine Flasche über den Kopf zieht, gerät Kate in die Bredouille. Dann lernt sie den korrupten Cop Stan Bucyk kennen, der ihr - nicht ganz uneigennützig - aus der Patsche hilft. Kurz danach kommt Kates Liebhaber Nathan gewaltsam ums Leben, Kates Boss, der zwielichtige jüdische Restaurantbesitzer Ormont, landet in einem israelischen Gefängnis - und die sympathische, wenn auch arg blauäugige Heldin wird immer tiefer in eine lebensgefährlichen Intrige hineingezogen.

Bibliografie:
'Floater' - 'Die Wasserleiche' (1986), 'Little Odessa' - 'Little Odessa' (1988), 'Smuggler's Notch' (1989), 'Brides of Blood' (1993), 'False Negative' (2012).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Februar 2014 ++
 


Konop

(Pseudonym für Guy Konopnicki, *1948)

Guy Konopnicki wurde in Paris geboren als Sohn der hoch dekorierten, aus Deutschland eingewanderten Résistence-Kämpferin Rose Konopnicki, geborene Rosa Hoffnung, und des polnisch-stämmigen Juden Raphaël Konopnicki, auch er ein tragendes Résistence-Mitglied der ersten Stunde sowie einer der Gründer der Ligue internationale contre le racisme et l'antisémitisme (LICRA), und wuchs mit zwei älteren Schwestern auf.Bereits als Teenager wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs. Bis zum Bruch mit der Partei im Jahr 1978 schrieb er für das Kulturmagazin 'France-Nouvelle', danach für die Zeitschriften 'Libération', 'Matin de Paris' und 'Globe'. Überdies beteiligte er sich von 1980 bis 1999 an der durch ‚France Culture' ausgestrahlten Radiosendung 'Panorama'. Seit 1999 veröffentlicht er Artikel in dem links ausgerichteten Wochenmagazin 'Marianne'.

Konopnickis Werk besteht aus Essays zu politischen und kulturellen Themen, Pamphleten, zahlreichen Romanen, einzelnen Filmdrehbüchern und drei unter dem Pseudonym Konop publizierten Krimis um den Pariser Flic Samuel "Sam" Benamou, einen verheirateten, aus Algerien stammenden sephardischen Juden Anfang fünfzig, der in seiner Freizeit als Akkordeonspieler und Sänger bei Festen und Hochzeiten auftritt.

Auf Deutsch liegt nur der erste Band der Sam Benamou-Trilogie vor, 'Kein Kaddisch für Sylberstein', die Geschichte des jüdischen Witwers, Antiquitätenhändlers und Holocaust-Überlebenden Simon Sylberstein, der in Belleville, dem zwanzigsten Bezirk von Paris, den deutschen Touristen Rudolf Stoltz mit einem 1941 hergestellten Revolver erschiesst, weil er in ihm einen SS-Massenmörder wiederzuerkennen glaubt. Er stellt sich der Polizei und stirbt kurz danach in der Untersuchungshaft an einer Lungenerkrankung. Sam Benamou, der Sylberstein persönlich gekannt hat, lässt der Fall keine Ruhe. Er quittiert den Polizeidienst, reist auf eigene Faust in das Berlin der Wendezeit, um die Hintergründe der Tat zu recherchieren - und bringt verblüffende Zusammenhänge an den Tag.
Konop rundet den leichtfüssigen, mit feinem Witz und viel Selbstironie erzählten, nur 120 Seiten umfassenden Krimi - ein subtiles Spiel mit Identitäten - mit einem lehrreichen Glossar ab, Kaddisch ("kollektives Totengebet") ist einer der aufgeführten Begriffe. Alexandre Arcady hat die Erzählung unter dem Titel ‚K', mit Patrick Bruel als Sam Benamou verfilmt.

Sam Benamou kehrt später in den französischen Polizeidienst zurück und wird in den nachfolgenden Romanen 'Poulet casher' und 'Salades russes à l'ancienne' durch Inspektor Liou Pin flankiert, seinen loyalen, in Französisch-Indochina verwurzelten Partner.

Bibliografie:
Sam Benamou-Trilogie: 'Pas de Kaddish pour Sylberstein' - 'Kein Kaddisch für Sylberstein' (1993), 'Poulet casher' (1997), 'Salades russes à l'ancienne' (2002).

++ Erstellt: August 2013 ++  


Krasner, William

(1917-2003)

William Krasner kam als Spross russischer Immigranten in St. Louis, Missouri, zur Welt und wuchs an der gleichen Strasse wie Tennessee Williams auf. Als junger Mann arbeitete er in einem Krankenhaus, einem Kaufhaus, bei der Post und als Schuhverkäufer. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor meldete er sich bei der US Army und wurde in eine Einheit für Wetteraufklärung in den Pazifik entsandt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg absolvierte Krasner ein Psychologie- und Literaturstudium an der Washington University und der Columbia University. 1949 publizierte er seinen ersten Krimi 'Auf dunklen Strassen', der den Auftakt zur Serie um Detective Captain Sam Birge, Chef der Mordkommission einer namenlosen Grossstadt, und seinen Assistenten Detective Lieutenant Charley Hagen bildet. Nach dem zweiten Birge & Hagen-Titel legte Krasner seine schriftstellerische Laufbahn wieder aufs Eis, um seinen Lebensunterhalt (als mittlerweile verheirateter Familienvater) als freier Journalist, Redakteur medizinischer und meteorologischer Fachzeitschriften, Bühnenautor, Fernseh- und Radioproduzent zu bestreiten. Mitte der 80er-Jahre reaktivierte er seine beiden (um keinen Tag gealterten) Helden Birge und Hagen für drei weitere glanzvolle Auftritte - der letzte Roman ist im Original jedoch nicht erschienen.

Krasners von einer düsteren Stimmung durchdrungene Krimis leben von den einfühlsam beschriebenen, höchst gegensätzlichen, aufgrund von Personalmangel chronisch übermüdeten Hauptfiguren - Sam Birge, verheiratet mit Edna, Vater eines Sohnes, der in einer anderen Stadt studiert, gut befreundet mit Dr. Haskell Collender, dem Chef der Gerichtsmedizin, ist der besonnene, empfindsame, ständig zweifelnde Ermittler (er musste einst die Hinrichtung eines Unschluldigen miterleben!), Charley Hagen, einige Jahre jünger, stets adrett gekleideter Junggeselle, das ehrgeizige, drahtige, impulsiv agierende Gegenstück -, und von realistischen, detailreichen Milieuschilderungen, lebensnahen Dialogen und der ausgeklügelten Handlungsführung. Grossen Wert legt der Autor auch auf die Charakterisierung der Täter, deren Motive für ihre Verbrechen oft weit zurückliegen, der Opfer und Nebenfiguren. Der Einfluss von Georges Simenon auf Krasners Werke - eigentümliche Mixturen aus Polizeiroman und psychologischer Studie - ist unverkennbar.

Ausserhalb der Sam Birge & Charley Hagen-Serie verfasste Krasner zwei weitere Krimis sowie einen historischen Roman über amerikanische Pioniere ('Francis Parkman, Dakote Legend', 1982)). Er starb 86-jährig in Byrn Mawr, Pennsylvania, und geriet dann rasch in Vergessenheit.

Bibliografie:
Sam Birge & Charley Hagen-Serie: 'Walk the Dark Street - 'Auf dunklen Strassen' (1949), 'The Stag Party' - 'Blackout!' (1957), 'Death of a Minor Poet' - 'Tod eines Bohemien' (1984), 'Resort to Murder' - 'Die letzte Tat des Mr. Goodman' (1985), 'Death, the Dancer' - 'Opfer einer Razzia' (1990);
'The Gambler' (1950), 'North of Wellfare' (1954).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Kraus, Peter J.

(*1941)

Peter J. Kraus wurde als Sohn eines Kaufmanns in der niedersächsischen Kleinstadt Wolfenbüttel geboren. Im Dezember 1949 liess sich die Familie in Los Angeles nieder. Dort studierte Kraus contre coeur Betriebswissenschaft, um danach im elterlichen Betrieb zu arbeiten. Als ihn die Amerikaner für den Vietnamkrieg einziehen wollten, setzte er sich nach Deutschland ab, wo er 1965 Jenny heiratete. 1979 kehrte er mit seiner Frau und den beiden Söhnen nach Kalifornien zurück. Ab 1980 war er Moderator und Redakteur für verschiedene Rock-, Blues- und Reggae-Radiostationen in Santa Barbara, was fünf Jahre später zur freien Mitarbeit bei mehreren deutschen Rundfunksendern führte. In der zweiten Hälfte der 90er-Jahre veröffentlichte er drei hoch gelobte Musikbücher. Nach langem Aufenthalt im kalifornischen Santa Maria bewohnt er heute mit seiner Frau ein Haus an einem See in Hot Springs, Arkansas.

2003 ist Kraus' erster Krimi 'Geier' erschienen. Im Mittelpunkt steht Jon Gutman, ein knapp 40-jähriger Radiomacher, Surfer, Frauenheld und Biersäufer an der Pazifikküste Kaliforniens, der am Strand zufällig eine Leiche findet, danach, etwas aus dem Gleichgewicht geraten, einen unverzeihlichen Fehler begeht und fürderhin von den "Geiern", drei psychopathischen, hochkriminellen Drogencops, durch halb Kalifornien gejagt wird. Doch Jon ist nicht allein, seine Freunde - der Franziskanermönch Bruder Ignacio (ein ehemaliger Polizist mit mexikanischen Wurzeln), die ausgekochte Stripteasetänzerin und Puffmutter Misty, der Folkmusiker John McHugh und Jons alter Schulkollege Rick, der sich als erstklassiger Internetexperte erweist - setzen ihr Leben aufs Spiel, um ihm aus der Klamme zu helfen. Und so entkommt Jon seinen Verfolgern immer wieder um Haaresbreite, bis er mit seiner Truppe gnadenlos zurückschlägt.
'Geier' ist eine wilde, spannungsgeladene, mit originellen Sprüchen, scharfen Kommentaren zum gesellschaftspolitischen Klima in den USA und farbigen Landschaftsschilderungen geschmückte, mit einem schönen Happy End abgerundete Geschichte um eine Figur, der man gerne in weiteren Abenteuern zuschauen würde. (Seit 2012 ist der Nachfolgeroman 'Aasgeier' als E-Book verfügbar.)

Auch in 'Joint Adventure' steht ein schräger Vogel im Brennpunkt des Geschehens: Rasta Jimmy, ein früherer Radio-DJ und jetziger Marihuanahändler in Humboldt County im nordwestlichen Zipfel Kaliforniens, wo der (durch die mexikanischen Drogenkartelle beherrschte, aber auch von Tausenden Kleinunternehmern und Hippies betriebene) Cannabisanbau zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen zählt - mit fliessenden Grenzen zwischen legal und illegal. Als ein Toter in der Krone eines uralten Redwoodbaums hoch über seiner Plantage hängt und die Leiche ausgerechnet von einem Bundescop entdeckt wird, gerät Jimmy in arge Nöte, muss untertauchen, doch ein Rastamann lässt sich nicht so schnell ins Boxhorn jagen. Bis zu den Zähnen bewaffnet taucht er aus der Versenkung auf, ergaunert riesige Mengen erklassiges Marihuana, mutiert, um seine wertvolle Beute zu verteidigen, vom friedfertigen Kiffer zum kaltblütigen Killer und kann bereits von einem Neuanfang in New Mexico träumen - wenn ihn nur das schlechte Gewissen nicht quälen würde; und wenn er bloss seinem langjährigen Kumpel, dem verschlagenen Sheriff "Ollie" Oliphant, nicht ins Gehege gekommen wäre, denn auch der hat seine Hände tief im Drogengeschäft.

Bibliografie:
'Geier' (2003), 'Joint Adventure' (2010), 'Cattolini erbt' (2012).
Als E-Book: 'Aasgeier' (2012).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Dezember 2010 ++
++ Update: August 2012 ++
 


Krueger, William Kent

(*1950)

William Kent Krueger wurde in Torrington, Wyoming, als drittes von vier Kindern geboren und wuchs in acht verschiedenen Gemeinden in sechs verschiedenen Bundesstaaten auf; unter anderem in Oregon, das er als seine Heimat bezeichnet. Aufgrund seines Engagements gegen den Vietnamkrieg musste er die Stanford University im Frühling 1970 nach einem Jahr verlassen. Er verbrachte dann zwei weitere Jahre in einem College in Colorado, bis er das Studium endgültig hinschmiss und daraufhin als Holzfäller, im Strassen- und Pipelinebau und in der Verwaltung eines Forschungslabors arbeitete, während seine Frau Diane einen Jura-Abschluss machte. 1980 zog er mit seiner vierköpfigen Familie nach St. Paul, Minnesota. Von 1992 bis 1996, als er noch immer ganztags im Forschungslabor tätig war, schrieb er an seinem ersten Roman 'Indianischer Winter'. 1999 entschloss er sich zu einem Leben als freier Autor.

In zwölf von Kruegers bislang dreizehn Kriminalromanen (auf Deutsch ist einzig der erste erschienen) steht Corcoran "Cork" O'Connor im Mittelpunkt, ein scharf gezeichneter, kantiger Protagonist irisch-indianischer Herkunft. Er war Cop in Chicago, ehe er in seine Heimat zurückkehrte und in dem idyllisch am Iron Lake an der amerikanisch-kanadischen Grenze gelegenen, von Weissen und dem Stamm der Anishinaabe bewohnten Städtchen Aurora, Minnesota, als Sheriff zu walten begann. Doch dann ging alles schief für Cork: Er verlor seinen Job nach einer blutigen Auseinandersetzung zwischen Rot und Weiss, seine Frau Nancy Jo, eine Anwältin, verliess ihn kurz danach mit den drei Kindern Jenny, Anne und Stephen für einen anderen Mann (den zwielichtigen, politisch ambitionierten Bauunternehmer Sandy Parrant) - und Cork, geplagt von Schuldgefühlen, schlägt sich seither mit einem kleinen Imbiss- und Andenkenladen durchs Leben, zeitweise auch als Privatdetektiv.

'Indianischer Winter', glänzend gebaut, atmosphärisch dicht und geschmückt mit plastischen Schilderungen des von Schneestürmen und klirrender Kälte lahmgelegten Landstrichs und der indianischen Kultur, bescherte Krueger 1999 den "Anthony Award" für den besten Erstlingsroman eines Krimiautors. Die ganz ohne Schwarz-Weiss-Malerei erzählte Geschichte handelt von einer Mordserie in Aurora, mit dem mächtigen, unbeliebten Richter Robert Parrant (Sandy Parrants Vater) als erstem Opfer. Cork O'Connor unterstützt den arg überforderten (oder befangenen?) Sheriff Schanno bei den Ermittlungen. Der schmutzige Fall, in den die gesamte Prominenz Auroras verwickelt zu sein scheint, konfrontiert Cork mit Machthunger und Rachsucht, Erpressung und Korruption, mit indianischen Aktivisten und weissen Zivilbrigaden - aber auch mit scheusslichen indianischen Legenden, etwa jener des Windigo, eines riesenhaften Naturgeists mit einem Herz aus Eis, der aus dem Wäldern kommt, um das Fleisch von Männern, Frauen und Kindern zu fressen.

Cork O'Connor, der die Polizeiarbeit fast ebenso stark vermisst wie seine Familie, erwirbt im Fortgang der abwechslungsreichen Serie eine Lizenz als Privatdetektiv und versöhnt sich später mit seiner Frau, doch sie kommt in neunten Band 'Heaven's Keep' bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz ums Leben.

Bibliografie:
Cork O'Connor-Serie: 'Iron Lake' - 'Indianischer Winter' (1998), 'Boundary Waters' (1999), 'Purgatory Ridge' (2001), 'Blood Hollow' (2004), 'Mercy Falls' (2005), 'Copper River' (2006), 'Thunder Bay' (2007), 'Red Knife' (2008), 'Heaven's Keep' (2009), 'Vermillion Drift' (2010), 'Northwest Angle' (2011), 'Tricker's Point' (2012);
Einzelwerke: 'The Devil's Bed' (2003), 'Ordinary Grace' (2013).

++ Erstellt: März 2013 ++  



 

Lacy, Ed

(Pseudonym für Leonard S. Zinberg, 1911-1968; schrieb auch als Steve April)

Leonard 'Len' S. Zinberg, besser bekannt als Ed Lacy, kam in New York City zur Welt. Nach der Scheidung seiner Eltern wuchs er ab 1921 bei der Mutter und ihrem zweiten Mann, einem Juristen, in Manhattan auf, später besuchte er das College of the City of New York. In den 30er-Jahren zog er durch die Vereinigten Staaten und bestritt seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsjobs. Anfang der 40er-Jahre kehrte er in seine Geburtsstadt zurück und heiratete kurz danach. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er an der Invasion Italiens teilnahm, entschloss er sich für ein Leben als Autor. Wenn es die finanzielle Situation erlaubte, reiste er mit seiner Frau in die Karibik oder nach Europa. Im Alter von 56 Jahren erlitt Zinberg in der Nähe seines Hauses in Harlem einen plötzlichen Herztod. Er hinterliess seine Frau Esther und eine Tochter.

Zinberg schrieb bereits in den frühen 30er-Jahren seine ersten Texte, die in Magazinen abgedruckt wurden. Nachdem er sich lange Zeit weitgehend auf die kurze Strecke konzentriert hatte (Ausnahmen: 'Walk Hard, Talk Loud', die Geschichte des schwarzen Boxers Andy Whitman, und 'Welcome Home', ein satirischer Roman über einen GI, der nach dem Krieg in seine Heimat zurückkehrt - beide Titel sind in den frühen 40ern erschienen), veröffentlichte er 28 mit Ed Lacy gezeichnete Kriminalromane um verschiedene hartgesottene, meist afroamerianische Protagonisten. Daneben schrieb er Texte über seine zweite Passion, den Boxsport, und für Comic Strips. 1948 unterstützte er Henry Wallace, den Führer der 'Progressive Party', im Wahlkampf gegen Truman.

Zinbergs bekannteste Figur ist Toussaint "Touie" Marcus Moore aus Harlem, der erste glaubhaft skizzierte schwarze Privatdetektiv der Kriminalliteratur; er ist in 'Mord auf Kanal 12' und 'Der Tod des Matadors' im Einsatz, im ersten Buch in der Kleinstadt Bingston, Ohio, und in New York, im zweiten vorwiegend in Mexiko.
Die New Yorker Cops Lee Hayes und Dave Wintino haben ebenfalls je zwei Auftritte.

Touie Moore ist ein gross gewachsener und kräftiger Pfeifenraucher, der als Offizier im Zweiten Weltkrieg diente. Nach der Militärzeit arbeitete er für eine grössere Detektivagentur, bis er sich 1953 als Rausschmeisser und Gelegenheitsdetektiv selbständig machte. Er fährt einen alten Jaguar und ist stets gut gekleidet, lebt aber zunächst höchst bescheiden in einer kleinen Wohnung, die er sich mit zwei Kumpeln teilt, und die ihm auch als Büro dient. Im ersten Roman verliebt er sich in die mutige schwarze Verkäuferin Frances Davis, die er später heiratet, und die in 'Der Tod des Matadors' ein Kind von ihm erwartet. In diesem Krimi wird der hauptberuflich jetzt als Postbote tätige Protagonist von seinem früheren Arbeitgeber beauftragt, den populärsten Matador Mexikos als Betrüger, eventuell gar als Mörder zu entlarven - ein ungemein heikles Unterfangen für Touie Moore, der die spanische Sprache nicht beherrscht und auch nicht auf die gewohnte Infrastruktur zurückgreifen kann.

Zinberg, ein politisch links stehender Weisser, der mit einer jüdischen Afroamerikanerin verheiratet war, hat seine zentralen Themen - Rassenhass und Unterdrückung von Minderheiten in den 50er- und 60er-Jahren - stets auf unprätentiöse, realistische und feinfühlige Weise behandelt.

Bibliografie:
Einzelwerke: 'The Woman Aroused' (1951), 'Sin in Their Blood' (auch unter dem Titel 'Death in Passing') - 'Sünde im Blut' (auch unter dem Titel 'Der tödliche Hass', 1952), 'Strip for Violence' - 'Gefährliche Neugier' (1953), 'Enter Without Desire' - 'Zahlbar in Mord ' (auch unter dem Titel 'Telefon Sandyhook 776', 1954), 'Go for the Body' (1954), 'The Best That Ever Did It' (auch unter dem Titel 'Visa to Death') - 'Besondere Kennzeichen' (1955), 'The Men from the Boys' - 'Verdammter Polyp!' (auch unter dem Titel 'Verdammter Bulle!', 1956), 'Be Careful How You Live' (auch unter dem Titel 'Dead End') - 'Mit leeren Händen' (1958), 'Breathe No More My Lady' (1958), 'Shakedown for Murder' - 'Ein sanftes Ende' (1958), 'Blonde Bait' - 'Blonde Beute' (1959), 'The Big Fix' - 'Knockout für einen Killer' (1960), 'A Deadly Affair' (1960), 'Bugged for Murder' - 'Die Frau, die keiner kannte' (1961), 'The Freeloaders' (1961), 'South Pacific Affair' (1961), 'The Sex Castle' (auch unter dem Titel 'Shoot it Again' (1963), 'Sleep in Thunder' - 'Ein gutes Gewissen' (1964), 'Pity the Honest' (1965), 'The Hotel Dwellers' (1966), 'The Napalm Bugle' (1968), 'The Big Bust' (1969);
Tossaint Moore-Romane: 'Room to Swing' - 'Mord auf Kanal 12' (auch unter dem Titel 'Kein Spielraum', 1957), 'Moment of Untruth' - 'Der Tod des Matadors' (1964);
Dave Wintino-Romane: 'Lead with Your Left' - 'Gut Gezielt' (1957), 'Double Trouble' - 'Puppe im Brautkleid' (1965);
Lee Hayes-Romane: 'Harlem Underground' - 'Geheimauftrag Harlem' (1965), 'In Black & White' - 'Schwarz auf Weiss' (1967).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Lansdale, Joe R.

(*1951; schreibt auch als Jack Buchanan und Ray Slater, Brad Simmons)

Joe R. Lansdale wurde als Sohn eines (von ihm verehrten) analphabetischen Kirmesboxers und einer belesenen Mutter und als Bruder des 17 Jahre älteren John in der heruntergekommenen osttexanischen Stadt Gladewater geboren und wuchs dort und in Mount Enterprise in einfachsten Verhältnissen auf. Seine mit 18 Jahren geschlossene Ehe hatte nur kurz Bestand. Während und nach seinem Studium, das er an der University of Texas in Austin und der Stephen F. Austin State University in Nacogdoches, Texas, absolvierte, hielt er sich als Vietnam-Kriegsdienstverweigerer mit Gelegenheitsjobs - Müllmann, Feldarbeiter, Rausschmeisser, Handlanger, Ziegenzüchter, Teppichleger usw. - über Wasser und schrieb nebenbei ein paar Kurzgeschichten. 1973 heiratete er Karen, die damals als Disponentin beim Polizei- und Feuerwehr-Departement in Nacogdoches arbeitete.

Inspiriert durch seine faszinierende, wenn auch arg unter Rassismus leidende Heimat, machte Lansdale 1981 das Schreiben zu seinem Hauptberuf. Zunächst verfasste er vorwiegend Horror- und Westernstories, später erweiterte er sein Spektrum. Heute steht er mit über achtzig Veröffentlichungen (Krimis, Sciencefiction, Western, Comics, Graphic Novels, Kinderbücher und Drehbücher für Film und Fernsehen) zu Buche und zählt in den USA zu den literarischen Schwergewichten (ein Kritiker bezeichnete ihn sinngemäss als "berühmtesten unbekannten Autor der Gegenwart"). Neben der Schriftstellerei betreibt er ein Autokino und eine Kampfsportschule, in der er selbst unterrichtet (er ist Grossmeister des von ihm entwickelten Shen-Chuan-Stils). Darüber hinaus gibt er immer wieder Kurzgeschichtenanthologien heraus. Er lebt mit seiner zur Autorin und Redakteurin avancierten Frau Karen in Nacogdoches und hat zwei erwachsene Kinder, die als Journalist (Keith) bzw. Singer-Songwriter (Kasey) von sich reden machen.

Seit 1990 arbeitet Lansdale an seiner Reihe um die texanischen Tagelöhner und Amateurdetektive Hap Collins (weisser, heterosexueller Kriegsdienstverweigerer - Lansdales alter Ego) und Leonard Pine (schwarzer, schwuler Vietnamveteran). In hohem Tempo und mit viel schwarzem Humor beschreibt der Autor, ein Meister des schnellen, verdrehten Dialogs, die Abenteuer dieses schrägen, etwas kindsköpfigen Gespanns und seziert dabei wie beiläufig das Hinterwäldlertum, die sozialen Missstände und den Rassismus in den amerikanischen Südstaaten.

Lansdales wohl bedeutendste Prosawerke sind die beiden im Osttexas der 1930er-Jahre, einer von der Grossen Depression besonders schlimm getroffenen Region, angesiedelten Spannungsromane 'Die Wälder am Fluss' und 'Kahlschlag' - faszinierende, in einer knappen Sprache erzählte und mit eindrucksvollen Haupt- und Nebenfiguren bevölkerte Sittengemälde einer finsteren Zeit -, die auch als "East Texas noir" bezeichnet werden.

'Die Wälder am Fluss' ist die Geschichte des elfjährigen Ich-Erzählers Harry und seines idealistischen Vaters Jakob Crane, der in einem Dorf eine kleine Farm und einen Friseurladen besitzt und nebenbei als Polizist arbeitet. Als Harry und seine kleine Schwester im Wald die übel zugerichtete Leiche einer schwarzen Prostituierten finden, beginnt der Vater - gegen starken Widerstand der rassistischen Bevölkerung und des Ku Klux Klan - das Verbrechen zu ermitteln, tatkräftig unterstützt durch seinen frühreifen Sohn, dessen toughe Grandma June und den schwarzen Arzt Doc Tinn, der über beachtliche Forensik-Kenntnisse verfügt. Schon bald geschehen weitere Morde, ein Unschuldiger wird vom Klan gelyncht, und auch der sagenhafte Ziegenmann, den es möglicherweise wirklich gibt, sorgt für Aufregung. 'Die Wälder am Fluss': Ein facettenreicher, mit Schauerelementen angereicherter Krimi, aber auch eine einfühlsame Erzählung über das Erwachsenwerden in einer hasserfüllten Umgebung.

'Kahlschlag' ist in der fiktiven Kleinstadt Camp Rapture angesiedelt, wo die der Familie Jones gehörende Sägemühle der wichtigste Arbeitgeber der notleidenden Bevölkerung ist. Die Geschichte beginnt mit dem Aufschrei einer gequälten Frau: Sunset schiesst ihrem Mann, dem Constable Pete Jones, der sie seit Jahren verprügelt und vergewaltigt hat, eine Kugel in den Kopf, als er im Begriff ist, sie ein weiteres Mal zu besteigen - und wird dann von Petes einflussreicher Mutter Marilyn, die am Tag des Todes ihres Sohnes auch gleich ihr Ekelpaket von Ehemann abserviert, zur neuen Gesetzeshüterin des Ortes (und damit zum ersten weiblichen Sheriff von Texas) ernannt - ein anforderungsreiches Amt für die feingliedrige, rothaarige Mutter einer pubertierenden Tochter in der von Vorurteilen, Rassenhass, Frauenfeindlichkeit und purer Dummheit strotzenden Region. Sunsets erster Fall ist der Mord an einer Frau und ihrem ungeborenen Kind, deren Leichen seltsamerweise mit Öl bedeckt sind. Die Frau war Petes Geliebte, Pete möglicherweise der Erzeuger des toten Säuglings, und so gerät Sunset zuerst selbst unter Verdacht. Kurz danach bekommt sie es mit betrügerischen, vor nichts zurückschreckenden Spekulanten zu tun, deren Objekt der Begierde eine auf "schwarzem" Boden sprudelnde Ölquelle ist. Sunset hat viele Feinde, aber auch zwei (gegensätzliche) Helfer: den gutmütigen, zuverlässigen Clyde, der hoffnungslos in seine Chefin verliebt ist, und den smarten, adretten, eben erst zugewanderten Frauenverführer Hillbilly, der seinen richtigen Namen partout nicht preisgeben will - und sich auch über seine Vergangenheit ausschweigt. Sunset begehrt Hillbilly, hat Sex mit ihm, doch er schwängert ihre Tochter, die 14-jährige Karen, und setzt sich danach ab. Um Sunset das Leben noch komplizierter zu machen, kehrt ihr verschollener Vater Lee nach Camp Rapture zurück. Am Schluss entladen sich die schwelenden Konflikte in einer Orgie von urwüchsiger Gewalt.

Auch 'Gauklersommer' spielt in Camp Rapture, aber 60 Jahre später, in der Jetztzeit. Im Mittelpunkt steht Sunset Jones' Urenkel Cason Statler, ein Veteran des ersten Golf-Kriegs. Er war ein viel versprechender Journalist, bis er mit der Frau und der (erwachsenen) Stieftochter seines Chefs ins Bett ging und gefeuert wurde. Gezeichnet von Kriegserlebnissen, übermässigem Alkoholkonsum und einer zerbrochenen Beziehung mit einer Tierärztin, versucht er, sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen - als Kolumnist der örtlichen Tageszeitung. Doch bald schon kommt es knüppeldick für Cason: Sein glücklich verheirateter Bruder Jimmy, ein angesehener Geschichtslehrer in Camp Rapture, wird mit pornografischen Fotos erpresst; Caroline, eine unglaublich schöne, seit vielen Monaten vermisste und vermutlich nicht mehr unter den Lebenden weilende Studentin, über die Cason eine kleine Serie schreiben will, wird von ihren Bekannten als soziopathische, in ihrer Jugendzeit schwer misshandelte Frau geschildert - und sie ist Jimmys Sexpartnerin auf den Fotos; als dann auch noch Bilder von gehäuteten Frauen auftauchen, ist Cason heilfroh, dass sein Kriegskumpel Booger, Spezialist für Mord und Folter, auf der Bildfläche erscheint. 'Gauklersommer' ist eine feine Mischung aus Noir, Trash und Horror, getragen von eigenständigen Charakteren und erstklassigen Dialogen und abgerundet mit einem spektakulären Finale.

2007 ist Lansdales Frühwerk - der Roman 'Nightsrunner', zwanzig Jahre zuvor erstmals veröffentlicht, und sechs Kurzgeschichten - in einer mit einem umfangreichen Vorwort des Autors versehenen Jubiläumsausgabe erschienen ('The God of the Razor', auf Deutsch 'Der Gott der Klinge').

Bibliograpfie:
Einzelwerke: 'Act of Love' - 'Akt der Liebe' (1981), 'Dead in the West' (1986), 'The Magic Wagon' (1986), 'The Nightrunners' - 'Nightrunners' (1987), 'The Drive-In: A B-Movie with Blood and Popcorn, Made in Texas' - 'Drive-In' (1988), 'Cold in July' - 'Kalt brennt die Sonne über Texas' (1989), 'The Drive-In 2: Not Just one of Them Sequels' (1990), 'Batman: Captured by the Engines' - 'Batman - Tanz in den Tod' (1991), 'The Boar' - 'Der Teufelskeiler' (Novella, 1997), 'Freezer Burn' (1999), 'The Bottoms' - 'Die Wälder am Fluss' (2000), 'The Big Blow' - 'Sturmwarnung' (Novella, 2000), 'Zeppelins West' (2001), 'A Fine Dark Line' - 'Ein feiner dunkler Riss' (2003), 'Sunset and Sawdust' - Kahlschlag' (2004), 'Flaming London' (2005), 'The Drive-In: The Bus Tour' (2005), 'Lost Echoes' - 'Blutiges Echo' (2007), 'Leather Maiden' - 'Gauklersommer' (auch unter dem Titel 'Gluthitze', 2008), 'Edge of Dark Water' - 'Dunkle Gewässer' (2012), 'The Thicket' - 'Das Dickicht' (2013);
Hap Collins & Leonard Pine-Serie: 'Savage Season' - 'Wilder Winter' (1990), 'Mucho Mojo' - 'Texas Blues' (auch unter dem Titel 'Mucho Mojo', 1994), 'The Two-Bear-Mambo' - 'Mambo mit zwei Bären' (1995), 'Bad Chili' - 'Schlechtes Chili' (1997), 'Rumble Tumble' - 'Rumble Tumble' (1998), 'Captains Outrageous' - 'Machos und Macheten' (2001), 'Vanilla Ride' - 'Das Dixie-Desaster' (2009), 'Hyenas' (Kurzroman, 2011), 'Devil Red' (2011).
Als Ray Slater: 'Texas Night Riders' (1983).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Dezember 2010 ++
++ Update: Januar 2012 ++
++ Update: Februar 2013 ++
++ Update: März 2014 ++
++ Update: August 2014 ++
++ Update: März 2015 ++
 


Lanthaler, Kurt

(*1960)

Kurt Lanthaler, geboren in Bozen/Bolzano, aufgewachsen in St. Pauls an der Weinstrasse im Südtirol, ist ein vielseitiger und produktiver Mann: Mitarbeiter bei Printmedien und Radiostationen 1978 bis 1990; Beleuchter, Kameramann und Produktionleiter bei mehreren Fernseh- und Kinoproduktionen; zwei Jahre Studium an der Deutschen Film- und Fernseh-Akademie Berlin; Verfasser von Gedichten, Kurzgeschichten, Romanen, Drehbüchern, Theaterstücken, einem Hörspiel und einem Libretto; Übersetzer von Peppe Lanzetta und Roberto Alajmo aus dem Italienischen; Frontman der Blueskombo 'Bethlehem Revival Band'; Gründungsmitglied der 'Südtiroler Autorenvereinigung'. Er bezeichnet sich selbst als "Italienischen Autor, der deutsch schreibt", und lebt seit 1987 vornehmlich in Berlin.

Lanthalers Kriminalwerk enthält fünf sauber gebaute, in einem eigenwilligen Stil (einer Mischung aus Umgangssprache, italienischen Einsprengseln und Südtiroler Dialekt), mit feinem Humor und unaufdringlich zeitkritischem Blick erzählte, durch präzise Milieuschilderungen und viele kleine Beobachtungen abgerundete Romane, in denen die Südtiroler Hauptfigur Tschonnie Tschenett, Aussteiger und Gelegenheitsdetektiv, ihr Treiben unablässig kommentiert, mitunter auch in dialogartigen Selbstgesprächen. Die Geschichten sind jeweils mit einem umfangreichen, unterhaltsam-lehrreichen Glossar versehen.

Tschonnie Tschenett, Jahrgang 1952, arbeitete nach abgebrochenem Gymnasium in einem Bestattungsunternehmen, bis er frustriert das Weite suchte und als Seemann auf allen Meeren unterwegs war. Nach siebzehn abenteuerlichen Jahren zurück in seiner Heimat, lebt er seit 1987 zusammen mit Carabinieri, Polizisten und Zollbeamten im "Haus Waldfrieden" im beschaulichen Wallfahrtsort Maria Trens, einem Dorf südlich von Sterzing, und hält sich mit Jobs wie Aushilfs-LKW-Fahrer, Rausschmeisser und Disc Jockey über Wasser. Seine engsten Bezugspersonen sind die mütterliche Kneipenwirtin Berta und der von apulischen Kleinbauern abstammende Polizeibeamte Totò, zwei eigenständige Figuren. Tschenett hat eine Schwäche für alkoholische Getränke jeder Art, für junge Frauen - und für Dinge, die ihn eigentlich nichts angehen, sodass er immer wieder in Kriminalfälle reinstolpert.

Der erste Titel 'Der Tote im Fels', im Winter 1991/92 als Fortsetzungsgeschichte in der Bozener Tageszeitung 'Il mattino/EXTRA' erschienen, ist auf der (fiktiven) Basistunnel-Baustelle am Brenner angesiedelt, wo Tschenett darauf wartet, dass sein LKW mit Bauschrott beladen wird. Als bei Sprengarbeiten die nur wenige Tage alte Leiche eines Unbekannten ans Tageslicht kommt, schnappt sich Tschenett in der allgemeinen Aufregung den Aktenkoffer des Toten - ein verhängnisvoller Fehler, denn bald schon sind ihm korrupte Polizisten, ein rechtsradikaler Terrorist, der für ein freies Tirol kämpft, ein alter Nazi, Grundstückspekulanten und anderes Gelichter auf den Fersen.

'Grobes Foul', chronologisch der erste, 1989, zwei Jahre vor 'Der Tote im Fels', spielende Roman, dreht sich natürlich um Fussball. Und um Mord. Unterwegs nach Sterzing mit seinem LKW, trifft Tschonnie Tschenett in einer trostlosen Nacht zufällig auf Paolo Canaccia, den Stürmerstar der AS Roma mit einer Vergangenheit als Profi bei Hertha BSC, der sein Sommertraining zurzeit im Südtirol absolviert - und als Opfer einer Erpressung in einen Mord verwickelt wird. Tschenett übernimmt die Ermittlungen des unübersichtlichen Falls. Und bringt damit seine Karriere als Privatdetektiv ins Rollen.

In 'Herzsprung' steht der rastlose Amateurdetektiv auf der Fahndungsliste der italienischen Polizei, nachdem er einen von ihnen mit Handschellen an einen LKW gefesselt hat. Seine Flucht über die "grüne Grenze" führt ihn nach Österreich, Berlin und schliesslich nach Herzsprung bei Wittstock, wo ihm ein alter Kumpel einen lukrativen Job vermittelt - Zigarettenschmuggel im grossen Stil mit vietnamesischen Asylbewerbern als Kanonenfutter, wie Tschenett erst viel zu spät begreift.

'Azzurro' wirft einen Blick zurück auf Tschenetts dunkle Vergangenheit des Jahres 1977, als er - als Seemann an Bord eines Fischdampfers auf dem Nordmeer unterwegs - beschuldigt wurde, einen Kollegen über Bord geworfen und damit in den sicheren Tod im eisigen Wasser getrieben zu haben. Fast zwanzig Jahre später trifft er in Hamburg zufällig auf seinen damaligen Widersacher; er verprügelt ihn windelweich und muss dafür ins Gefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel. Nach sieben Monaten wieder auf freiem Fuss, zieht es Tschenett in den warmen Süden. Er landet in Albanien, im Frühjahr 1997 eine Hochburg der internationalen Geldwäscherei und Waffenschieberei, wo gerade heftige Aufstände (der so genannte Lotterieaufstand) stattfinden und das Land an den Rand eines Bürgerkriegs führen. Doch Tschenett übersteht auch dieses Abenteuer unbeschadet - und kommt nach einer scheusslichen Fahrt durch das Adriatische Meer in der apulischen Hafenstadt Brindisi halbwegs zur Ruhe.

Nach fünf Jahren in einer kleinen Wohnung am Hafen von Saloniki, wo er sich als Dolmetscher und Koch durchschlug, ist wieder einmal ein Tapetenwechsel fällig: Tschenett geht nach Neapel, begegnet dort seinem Freund Totò, der gerade an einem völlig absurden "Kongress der europäischen Polizisten" (eine Art Trainingskurs für den bevorstehenden G8-Gipfel in Genua) teilnimmt, und wird dann mit der Entführung eines 16-jährigen Mädchens konfrontiert. Lanthaler entwirft in diesem, seinem letzten, Tschonnie Tschenett-Krimi 'Napule' (neapolitanisch für Neapel) ein farbiges Sittengemälde der zerrütteten süditalienischen Stadt.

Bibliografie:
Tschonnie Tschenett-Serie: 'Der Tote im Fels' (1993), 'Grobes Foul' (1993), 'Herzsprung' (1995), 'Azzurro' (1998), 'Napule' (2002).

++ Erstellt: September 2013 ++  


Lapid, Shulamit

(*1934)

Shulamit Lapid, geboren in Tel Aviv als Tochter des berühmten Journalisten David Giladi, studierte von 1956 bis 1957 Orientalistik und Englische Literatur an der Hebräischen Universität Jerusalem und blieb ohne Abschluss. Sie heiratete den Zeitungsredakteur und späteren Spitzenpolitiker Joseph "Tommy" Lapid, mit dem sie zwei Töchter, Michal und Meirav, und einen Sohn, Yair, hatte - Michal wurde 1984 Opfer eines Verkehrsunfalls. Ende der 60er-Jahre begann Lapid zu schreiben. Von 1985 bis 1987 war sie als erste Frau Vorsitzende des israelischen Schriftstellerverbandes. Ihr Werk enthält historische und sozialkritische Romane, Kurzgeschichten, Theaterstücke, Bücher für Kinder und Jugendliche, einen Gedichtband und die sechsteilige Krimiserie um Lisi Badichi. Seit 2008 verwitwet, lebt Lapid in Tel Aviv.

Lisi Badichi, eine Frau um die dreissig, gross gewachsen, übergewichtig und tollpatschig, wird von ihrer Umgebung stets etwas unterschätzt (ihr Übername lautet "Lisi die Bekloppte"). Sie hat riesige Füsse, Pech in der Liebe und arbeitet als Lokalreporterin des Blattes 'Zeit im Süden' in der israelischen Kleinstadt Be'er Scheva, der Provinzhauptstadt der Wüste Negev, wenn sie nicht gerade suspendiert ist. Zwei ihrer Schwäger - der ständig rumbrüllende Benzion Koresch und der sanfte, bescheidene Ilan Bachut, die trotz ihres gegensätzlichen Wesens eng miteinander befreundet sind und vor geraumer Zeit sogar ihre Frauen getauscht haben - und ihre Tante Malka sind bei der örtlichen Polizei.

In 'Lokalausgabe', dem ersten Teil der Reihe, muss die eigenwillige und dickköpfige, mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und untrüglichen Jagdinstinkten ausgestattete Single-Frau erfahren, dass Korruption, Betrug, Bauspekulation, Intrigenspiel und Mord auch vor ihrer provinziellen Stadt nicht Halt machen.

'Die Geliebte auf dem Berg' ist Lapids stärkstes Garn. Für ihre Zeitung recherchiert Lisi Badichi den Lebenslauf des aalglatten Bauunternehmers Ehud Lion, der als Be'er Schevas neuer Bürgermeister gewählt werden soll - und erfährt von ihrem früheren Professor Moschik Bamberg, dass Lion vor vielen Jahren wegen Drogenhandels mit Beduinen aus der Grenzschutztruppe, der auch Bamberg angehörte, entlassen wurde. Um diese "Jugendsünde" zu vertuschen, ist dem mächtigen und korrupten Mann jedes Mittel recht, ein erster Mord geschieht. Lisi läuft jetzt zu grosser Form auf, immer tiefer dringt sie in die Vergangenheit der Beteiligten ein, riskiert ihren Job, ihr Leben - und kommt schliesslich einer alten, um ein Stück Boden kreisenden Familienfehde auf die Spur.

Bibliografie:
Lisi Badichi-Serie: 'Mekomon' - 'Lokalausgabe' (1989), 'Pitui' - 'Der Hühnerdieb' (1991), 'Hatakshit' - 'Goldstück' (1993), 'Hol ba-enayim' - 'Der tote Bräutigam' (1997), 'Ezel Babou' - 'Die Strandbar' (1998), 'Pilegesh ba-giv'ah' - 'Die Geliebte auf dem Berg' (2000);
'Ka-heres ha-nishbar' - 'Er begab sich in die Hand des Herrn' (1984).

++ Erstellt: Februar 2012 ++  


Lawrence, David

(Pseudonym für David Harsent, *1942; schreibt auch als Sam Lawrence, Jack Curtis und David Pascoe)

David Harsent, geboren in Devon als Sohn einer Arbeiterfamilie, verliess die Schule mit sechzehn, um Geld zu verdienen. Bereits als Teenager verfasste er seine ersten Gedichte, die in verschiedenen Magazinen abgedruckt wurden. Seinen Lebensunterhalt bestritt er zunächst als Buchhändler, später als Verleger und Kritiker. Ende der 80er-Jahre machte er das Schreiben zum Hauptberuf. Er lebt mit seiner zweiten Frau, der Schauspielerin Julia Watson, und ihrer gemeinsamen Tochter in London. Einen zweiten Wohnsitz hat er in einem abgeschiedenen Tal in der südenglischen Gegend West Country.

Harsent ist ein vielseitiger Autor. Unter bürgerlichem Namen hat er bislang neun Gedichtbände herausgegeben und an mehreren Opern mitgearbeitet, als Sam Lawrence ist er seit Jahren höchst erfolgreich für BBC und ITW auf dem Gebiet der Comedy tätig, und unter den Pseudonymen David Lawrence, Jack Curtis (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Westernautor!) und David Pascoe hat er seit 1987 elf Krimis zu Papier gebracht. Darüber hinaus wirkt er an der Royal Holloway University in London sowie, seit 2006, an der Hallam University in Sheffield.

Die mit David Lawrence gezeichneten Krimis drehen sich um Detective Sergeant Stella Mooney, Mitglied des Area Major Investigation Pool, einer Abteilung des CID, die sich ausschliesslich mit Schwerverbrechen befasst. Stella pflegt eine äusserst delikate Dreiecksbeziehung und sucht deshalb Hilfe bei einer Psychologin, gelegentlich auch beim Alkohol - ihr Privatleben wird indes zurückhaltend abgehandelt. Der erste Band der Reihe - 'Der Kreis der Toten' - handelt von organisierter Kriminalität, Menschen- und Drogenhandel, von Auftragsmord und Kriegsverbrechen in Bosnien. Im zweiten Roman 'Der Geruch des Todes' bekommt es Stella Mooney mit einem besonders scheusslichen Mordfall zu tun, der sie ins Nobelviertel Notting Hill führt - allerdings in dessen schmutzigen, vornehmlich von Nutten, Junkies und Drogenhändlern bevölkerten Norden, wo zwei Serientäter zur selben Zeit ihr Unwesen treiben: Ein Mann und eine Frau, die offenkundig im Team arbeiten. Der Autor erzählt die harten, düsteren Geschichten mit scharfen Schnitten und schnellen Szenenwechseln und verzichtet fast ganz auf reisserische Effekte.

'Beichtstunde', unter dem Pseudonym Jack Curtis herausgekommen, gilt als bestes Einzelwerk des Autors. Es beschreibt das Katz-und-Maus-Spiel eines Serienmörders (er tötet, weil er besessen ist von dem Augenblick, in dem das Leben den Körper verlässt) mit dem melancholischen Londoner Detective Inspector Joe Morgan, dessen Ehe mit der schönen Connie am zerbröckeln ist. Der Killer will den (zufällig ausgewählten) Polizisten an seinen blutigen Taten teilhaben lassen, dringt immer tiefer in dessen Leben ein, bringt ihn an den Rand des Wahnsinns.

Bibliografie:
Als Jack Curtis: 'Crows' Parliament' - 'Die Spur der Krähe' (1987), 'Glory' - 'Der Schrei der Schwalbe' (1988), 'Point of Impact' (auch unter dem Titel 'Sons of the Morning') - 'Ruchlos' (1991), 'Conjure Me' - 'Der Blick des Magiers' (1991), 'Mirror kills' (1995), 'The Confessor' - 'Beichtstunde' (1997).
Als David Pascoe: 'Fox on the Run' - 'Die Spur der Füchsin' (1999).
Als David Lawrence: Stella Mooney-Serie: 'The Dead Sit Round in a Ring' auch unter dem Titel 'Circle of the Dead') - 'Der Kreis der Toten' (2002), 'Nothing Like the Night' - 'Der Geruch des Todes' (2003), 'Cold Kill' (2005), 'Down into Darkness' (2007).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Lawrence, Hilda

(1906-1976)

Hilda Lawrence, geborene Kronmiller, kam als Tochter eines Kongressabgeordneten in Baltimore, Maryland, zur Welt und wuchs im Bundesstaat New York auf. Nach Abschluss ihrer Ausbildung an der Columbia School in Rochester, New York State, war sie als Journalistin, Radioautorin und im Verlagswesen, bei Macmillan, tätig. Sie war mit dem Bühnenautor Reginald Lawrence verheiratet, bis die Ehe zerbrach. Anfang der 40er-Jahre begann sie zu schreiben.

Lawrence galt Ende der 40er-Jahre, als sie (wie sich zeigen sollte) ihr Pulver bereits verschossen hatte, als eine der hoffnungsvollsten Krimiautorinnen der Vereinigten Staaten. Diesen Ruf hatte sie sich mit ihren drei in einem ansprechenden Stil verfassten Tüftelkrimis um den jungen, sympathischen, wenn auch etwas farblosen New Yorker Privatermittler Mark East ("ein grosser Mann mit warmen braunen Augen") erworben, der seine Kriminalfälle in enger Zusammenarbeit mit zwei reizenden und listenreichen älteren Jungfern aus New England (Beaulah Pond und Bess Petty, die ein kleines Alkoholproblem hat) auflöst. Daneben veröffentlichte sie das Einzelwerk 'Blutbande' und einen Band mit zwei Kriminalnovellen ('Duet of Death', 1949, bestehend aus 'Death Has Four Hands' und 'The Bleeding House'). Lawrence starb 70-jährig in Manhattan.

'Die Nacht der tanzenden Puppen', der letzte Band der Mark East-Trilogie, wird als Lawrences Meisterwerk eingestuft. Miss Monny Brady und Miss Angeline Small betreiben in New York City das "Hope House", ein sicheres Haus, in dem junge, berufstätige Frauen in heimeliger Atmosphäre fast gratis leben können. Die neue Hausbewohnerin Ruth Miller aber, eine 29-jährige Warenhausangestellte, wird gleich nach ihrer Ankunft im "Hope House" in Angst und Schrecken vesetzt. Sie plant bereits den Auszug aus ihrem neuen Zuhause - doch dann wird ihr zerschmetterter Körper im Hinterhof des Hauses aufgefunden. Ihr Tod wird von der Polizei als Selbstmord durch Sturz aus dem siebten Stockwerk deklariert. Eine gute Freundin von Ruth zweifelt jedoch an dieser Version. Sie beauftragt Marc East mit den Ermittlungen, auch Belulah und Bessy mischen munter mit, und dann wird im "Hope House" ein Mädchen mit eingeschlagenem Schädel aufgefunden.

Bibliografie:
Mark East-Trilogie: 'Blood upon the Sun' - 'Die Hasenjagd' (1944), 'A Time to Die' - 'Die verschwundenen Pfeile' (1945), 'Death of a Doll' - 'Die Nacht der tanzenden Puppen' (auch unter dem Titel 'Die Maske mit dem bösen Blick', 1947);
'The Pavillon' (auch unter dem Titel 'The Deadly Pavillon') - 'Blutbande' (auch unter dem Titel 'Hilferuf eines Toten', 1946).

++ Erstellt: Mai 2011 ++  


Lawrence, Martha C.

(*1956)

Martha C. Lawrence wuchs in einem "Spukhaus" in Rancho Santa Fe, Kalifornien, auf. Ihr Vater war ein angesehener Wissenschaftler, der starb, als sie dreizehn war. Sie arbeitete viele Jahre als Lektorin für die New Yorker Verlage 'Simon & Schuster' und 'Harcourt Brace' und als Buchkritikerin für das Blatt 'The San Diego Union-Tribune', ehe sie Krimis zu schreiben begann. Heute lebt sie in Escondido, Kalifornien.

Geprägt von eigenen Erlebnissen als Stalking-, Vergewaltigungs- und Entführungsopfer, veröffentlichte die (wie ihre Mutter) mit übersinnlichen Fähigkeiten begabte Autorin von 1995 bis 2001 fünf Romane um Elizabeth Chase, eine parapsychologisch geschulte, intuitiv arbeitende Privatermittlerin aus San Diego, Kalifornien. Chase, eine mit beiden Beinen im Leben stehende, intelligente Frau, pflegt eine Liebesbeziehung mit Tom McGowan, der zuerst als Polizist, dann als FBI-Agent tätig ist und am Ende des dritten Romans gewaltsam ums Leben kommt - ein schwer zu verkraftender Verlust für die Detektivin. Die wichtigste Nebenrolle spielt der indianische Schamane Sequola, Chases Lehrer und Berater.

Die gefühlsvolle, unter die Haut gehende, von einer faszinierenden Hauptfigur getragene Krimiserie ist zu Unrecht in Vergessenheit geraten.

Bibliografie:
Elizabeth Chase-Serie: 'Murder in Scorpio' - 'Mord im Zeichen des Skorpions' (1995), 'The Cold Heart of Capricorn' - 'Das kalte Herz des Steinbocks' (1997), 'Aquarius Desending' (auch unter dem Titel 'The Aquarius Murder' (1999), 'Pisces Rising' (2000), 'Ashes of Aries' (2001).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Lawton, John

(*1949)

John Lawton wurde in der Grafschaft Derbyshire in den East Midlands von England geboren. Er arbeitete zehn Jahre für englische Verlagshäuser, veröffentlichte 1992 das Sachbuch '1963: Five Hundred Days', eine Dokumentation dramatischer Geschehnisse in Grossbritannien und den USA zwischen Ende 1962 und Anfang 1964 (Spionage im Kalten Krieg, die Ermordung von John F. Kennedy und Martin Luther King, der Tod von Papst Johannes, Beatles-Tournee usw.), und produzierte mehr als vierzig Dokumentarfilme für die BBC, bevor er 1995 als Romanautor debütierte. Darüber hinaus gab er die Gedichte von D.H. Lawrence und die Kurzgeschichten von Joseph Conrad neu heraus. Nachdem Lawton den grössten Teil der 90er-Jahre in New York City verbracht hat, lebt er seit 2000 zurückgezogen in einem kleinen Bergdorf in Derbyshire, mit häufigen Abstechern nach Florenz und Arizona.

Lawtons intelligent gebauter und vielschichtiger Erstlingsroman 'Black out', sein einziges auf Deutsch vorliegendes Werk, spielt einerseits Anfang 1944 in London, wo spielende Kinder in den Ruinen Leichenteile auffinden - Opfer des deutschen Bombengewitters oder eines Verbrechens? -, andererseits 1948 (in der Zeit der "Berlin-Blockade") in dem von der Luftbrücke aus versorgten Berlin, einem Paradies für Schieber, Schmuggler und andere Spitzbuben. Und hier kommt Sergeant Frederick Troy von Scotland Yard den rätselhaften Londoner Todesfällen nach vier Jahren endlich doch noch auf die Spur.
Mit 'Black Out' befindet sich John Lawton etwas überraschend auf der Liste '50 Crime Writers to Read Before You Die', die die Londoner Tageszeitung 'The Daily Telegraph' im Jahre 2008 veröffentlicht hat.

Frederic "Freddie" Troy, jüngster Spross eines russischen Flüchtlings, der sich im England der Zwischenkriegszeit zum Medienmogul emporschwang, ist ein zäher, kantiger und scharfsinniger, intuitiv arbeitender Ermittler. Er figuriert als Hauptperson in sechs weiteren, einen Zeitraum von knapp dreissig Jahren - das sechste, chronologisch jedoch erste Buch spielt in den fünf Jahren vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, das dritte, chronologisch letzte, im Jahre 1963 - abdeckenden Romanen, in denen wir auch historischen Figuren wie Churchill, Atlee, Eisenhower, Chruschtschow, Oppenheimer und Rudolf Hess begegnen; sowie natürlich britischen, amerikanischen und russischen Geheimagenten und geheimnisvollen Frauen.
(Dass Polizeibeamte wichtige Rollen in internationalen Spionagefällen einnehmen, ist laut John Lawton in Grossbritannien nicht unüblich.)

Lawtons Standalone 'Sweet Sunday' dreht sich um einen New Yorker Privatdetektiv namens Tudor Raines und ist im Jahre 1969 angesiedelt.

'Then We Take Berlin', Lawtons jüngster, 2013 erschienener Roman, bildet den Auftakt zu einer neuen, in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg beginnenden, dann jedoch vor allem die ersten Jahre des Kalten Krieges behandelnden Serie mit Joe Wilderness als Hauptperson, einem abgebrühten Schnüffler mit einer Vergangenheit als Spion und Schwarzhändler im besetzten Berlin.

Bibliografie:
Frederick Troy-Serie: 'Black Out' - 'Black out' (1995), 'Old Flames' (1996), 'A Little White Death' (1998), 'Riptide' (auch unter dem Titel 'Bluffing Mr. Churchill', 2001), 'Blue Rondo' (auch unter dem Titel 'Flesh Wounds', 2005), 'Second Violin' (2007), 'A Lily of the Field' (2010);
Standalone: 'Sweet Sunday' (2002);
Joe Wilderness-Roman: 'Then We Take Berlin' (2013).

++ Erstellt: Januar 2014 ++  


Le Breton, Auguste

(Pseudonym für Auguste Monford, 1913-1999)

Auguste Monford kam im westbretonischen Städtchen Lesneven zur Welt. Sein Vater, ein Akrobat und Clown, starb im Ersten Weltkrieg, und die Mutter bekundete wenig Interesse an ihrem Kind, sodass Auguste in Waisenhäusern, Erziehungs- und Strafanstalten aufwuchs. Mit achtzehn Jahren zog er nach Paris, wo er sich im Montmartre mit Gelegenheitsjobs und Pokern durchschlug, stets an der Grenze zur Illegalität, und viele Nächte unter Brücken oder in den Eingängen zu Metrostationen verbrachte. Seinen aus dieser Zeit stammenden Spitznamen "Le Breton" diente ihm später als nom de plume. Während des Zweiten Weltkriegs half er Menschen, die sich auf der Flucht vor den Nazis oder der Vichy-Regierung befanden.

Nach der Geburt seiner Tochter Maryvonne im Jahre 1947 begann Monford zu schreiben: Krimis und Drehbücher, aber auch seine düsteren Jugenderinnerungen 'Les hauts murs' und 'La Loi des Rues'. Den Durchbruch als Noir-Autor schaffte er mit dem Roman 'Du rififi chez les hommes', der 1953 in der "Série Noire" des Gallimard-Verlags herauskam. Seine belletristischen Erfolge erlaubten es ihm dann, ein kleines Haus im bretonischen Städtchen Brignogan zu kaufen. Er pendelte fortan zwischen Paris und der Bretagne und starb 86-jährig in einem Krankenhaus in Saint-Germain-en Laye bei Paris.

Aus Auguste Le Bretons knapp achtzig Romane umfassendem Werk sind einzig sein bekanntester Krimi 'Rififi' (im Original 'Du rififi chez les hommes', grandios verfilmt durch Jules Dassin) und 'Die Nacht bricht an' ins Deutsche übersetzt worden. Zahlreiche Krimis (namentlich die Special Agent Coppolano-Serie) spielen an exotischen Schauplätzen, die der Autor jeweils ausgiebig bereist hatte. Darüber hinaus veröffentlichte Le Breton ein Wörterbuch mit den wichtigsten von ihm verwendeten Slang-Ausdrücken (so genannter Argot-Wortschatz) und den Gedichtband 'Du vent…et autres poèmes'.

Der Begriff "Rififi", den Le Breton erfunden hat, steht für "Rauferei", "Krach", "gewalttätige Auseinandersetzung" oder ganz allgemein für "Schwierigkeiten im Alltag von Gangstern". In 'Du rififi chez les hommes' geht es um einen minutiös geplanten und kaltblütig durchgezogenen Juwelenraub in Paris. Hauptakteure sind der gerade aus dem Knast entlassene Tony le Stéphanois, sein Jugendfreund Jo le Suédois (Vater des kleinen Tonio, dessen Pate Tony ist), Jos Kumpel Mario und der Tresorknacker César le Milanais. Der grosse Coup gelingt, doch in dem darauf folgenden "Rififi" mit einer rivalisierenden Gang kommen alle Protagonisten ums Leben.

Bibliografie:
'Du rififi chez les hommes' - 'Rififi' (1953), 'Le rouge est mis' - 'Die Nacht bricht an' (1954), 'Razzia sur le chnouf' (1954), 'Rafles sur la ville' (1956), 'Du rififi chez les femmes' (1957), 'Priez pour nous' (1961), 'Brigade anti-gangs' (1965), 'Le clan des siciliens' (1967), 'Les tricards' (1967), 'Les jeunes voyous' (1967), 'Les maq's' (1968), 'Rouges étaient les émeraudes' (1971), 'Le tueur de la lune' (1971), 'Les bourlingeurs' (1972), 'Les pégriots' (1973), 'Gentleman gangster' (1985), 'Les demoiselles du porno' (1985), 'Chambre forte' (1986), 'Le cogneur' (1986);
Special Agent Mike Coppolano-Serie: 'Du rififi au proche orient' (1962), 'Du rififi à Hambourg' (1963), 'Du rififi à New York' (1963), 'Du rififi au Mexique' (1963), 'Du rififi à Hongkong' (1964), 'Du rififi à Barcelone' (1964), 'Du rififi à Paname' (1964), 'Du rififi au Cambodge' (1965), 'Du Rififi derrière le rideau de fer' (1968), 'Du rififi au Brésil' (1968), 'Du rififi en Argentine' (1969), 'Du rififi au Canada' (1969);
Anti-Gangs-Serie (L'as): 'L'as des anti-gangs' (1976), 'L'as des "belles chaussures"' (1976), 'L'as et le casse du siècle' (1977), 'L'as et la marquise' (1977), 'L'as et l'ennemi public' (1977), 'L'as et les terroristes'(1978), 'L'as au Sénégal' (1978), 'L'as et les malfrats' (1978);
Paul Bontemps-Serie: 'Paul Bontemps super flic' (1979), 'Bontemps et le gang des postes' (1979), 'Bontemps aux Bahamas' (1979), 'Bontemps et la couronne de Russie' (1980), 'Bontemps et les braqueurs du Louvre' (1980), 'Paul Bontemps et le navajo' (1980), 'Bontemps et les loubards' (1980), 'Bontemps en Amazonie' (1981), 'Bontemps et le corrompu' (1981), 'Bontemps et l'officier perdu' (1981), 'Bontemps à New York' (1981), 'Bontemps et les cäids' (1982), 'Bontemps à Hongkong' (1982), 'Bontemps et le sadique' (1982), 'Bontemps et le jeune tueur' (1982), 'Bontemps et la mine d'El Papayo' (1983), 'Bontemps contre les anti-gangs' (1983), 'Bontemps, le juif et le criminel de guerre' (1983), 'Bontemps et la Chienne Rouge' (1983), 'Bontemps et les jackpots' (1984), 'Bontemps et les holdopeuses' (1984), 'Bontemps et las balancette' (1984), 'Bontemps et les indiens' (1984), 'Bontemps et l'homme chat' (1985).

++ Erstellt: August 2012 ++  


Lee, Anthony

(*1970)

Geboren in New York City, aufgewachsen dort, in Dublin und im spanischen Salamanca, studierte Anthony Lee Englische Literatur an der Binghamton University in Vestal, New York State, und schloss mit einem Doktortitel ab. Nebenbei arbeitete er als Barkeeper, Kunsthändler, Anstreicher, Polier und Imbissverkäufer. Seit Ende der 90er-Jahre unterrichtet er Literatur und Kreatives Schreiben an verschiedenen New Yorker Universitäten, zuletzt (und bis heute) am College of Mount Saint Vincent in der Bronx.

Lees erster Roman 'Der Deal', 2003 herausgekommen, erzählt in vielen Rückblenden und Zeitsprüngen die Geschichte von Martin Quinn aus New York City, eines klugen, ausgekochten Burschen mit irischen Wurzeln. Sein Vater war ein begabter Jazzmusiker, doch er verfiel den Drogen und schnitt sich die Pulsadern auf, als Martin neun war, worauf dieser mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder Frito in bescheidenen Verhältnissen in Brooklyn aufwuchs. Mit vierzehn lernt er Felix kennen, den wohl behüteten Sohn von Lexis Pasko, der die russische Mafia in Brighton Beach, Brooklyn, unter sich hat. Die beiden besuchen die gleiche High School, verbringen ihre Freizeit zusammen, verlieben sich in dasselbe Mädchen, Penny. Dann aber trennen sich ihre Wege: Martin geht zur Army, jobbt in Alaska - und kehrt zu Felix' Hochzeit mit Penny nach New York zurück.

Martin und Felix erneuern ihre Freundschaft und eröffnen in Brighton Beach einen gediegenen Nachtclub, der Felix' Vater gehört. Die beiden machen einen Haufen Geld, doch Martin beginnt ein Verhältnis mit seiner grossen Liebe, Penny. Und dann nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Martin drängt Felix, sich von seinem Vater zu lösen und in den Heroinhandel einzusteigen, es kommt zu blutigen Auseinandersetzungen mit rivalisierenden Banden, Felix wird erschossen, das FBI hängt Martin den Mord an und nimmt ihn ins Zeugenschutzprogramm auf - er soll gegen Lexis Pasko aussagen, mithelfen, ihn endgültig aus dem Verkehr zu ziehen.

'Der Deal' ist eine vielschichtige und anspruchsvolle, atmosphärisch dichte Geschichte mit sorgfältig gestalteten Haupt- und Nebenfiguren und geschickt konstruierten Komplotten - eine feine Mischung aus Entwicklungs- und Noir-Roman.

Zehn Jahre später liess Anthony Lee sein zweites Buch folgen: 'There in the Darkness', eine harte und schnörkellose, in den 70er-Jahren in New York City spielende Geschichte um Organisierte Kriminalität und Korruption mit drei Männern im Brennpunkt: Der junge Ire Tommy Kelly, eben aus dem Gefängnis entlassen und jetzt auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft, Billy Flynn, Gangsterboss in Hell's Kitchen, der Tommy unter seine Fittiche nimmt, und John Savarese, ein Staatsanwalt mit dunklen Flecken auf seiner weissen Weste, der Tommy seinerzeit hinter Gitter gebracht hat - eine explosive Mischung.

Bibliografie:
'Martin Quinn' (auch unter dem Titel 'The Fix') - 'Der Deal' (2003), 'There in the Darkness' (2013).

++ Erstellt: Oktober 2013 ++  


Lee, Stan

(Kürzel für Stanley R. Lee)

Stan Lee (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Erfinder der Comicfigur Spider-Man), aufgewachsen in New York City, absolvierte sein Studium an der Columbia University mit einem Abschluss als Elektronik-Ingenieur, arbeitete jedoch nur kurze Zeit in diesem Beruf, um sich stattdessen dem Schreiben zu widmen. Nachdem er eine Zeit lang technische Handbücher verfasst hatte, wechselte er 1966 in die Werbung, zu der berühmt-berüchtigten Agentur Doyle Dane Bernbach Inc., in der er zuerst als Creative Director, ab 1973 als Senior Vice President tätig war.

1985 publizierte Lee seinen ersten Roman 'Dunn's Dilemma', eine intelligente und witzige Parodie auf den Kalten Krieg und die Paranoia der Geheimagenten. Die BIBLIOTHEK, eine Erfindung des genialen Analytikers Harry Dunn, ist ein hochgeheimer, aus zwölf "Bibliothekaren" bestehender, allwissender Geheimdienst, von dessen Aktivitäten selbst die CIA keine Ahnung hat. Doch die BIBLIOTHEK gerät in Not: Der Mann, der bisher die übrigen "Bibliothekare" überwacht hat, ist tot, ein Nachfolger muss her, denn es mehren sich die Hinweise, dass sich in der Organisation ein faules Ei, genannt der "Doktor", befindet. Die Wahl des Nachfolgers fällt auf den "Müllmann" Coolidge, der sich bisher als Spezialist für Abfall-Auswertung hervortat. Indes: Wie jagt man einen Spion der alles weiss? Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma, der BIBLIOTHEK, die ja alles wissen muss, keine Erkenntnisse vorzuenthalten, ohne den "Doktor" Lunte riechen zu lassen? Harry Dunns Paradoxon...

Auch in Lees nachfolgendem Politthriller 'Der Flug der Taube' wird der Wahnsinn von Geheimdienstspielen - die CIA und die Falken unter den amerikanischen Politikern planen die Bildung einer Armee, die sich aus hochpatriotischen Roboter-Soldaten zusammensetzt - kenntnisreich aufs Korn genommen.

Stan Lee, verheiratet mit Bernice, arbeitete an einem Sachbuch über das Militär, als er 1997 an den Folgen eines Sturzes starb.

Bibliografie:
'Dunn's Conundrum' - 'Dunn's Dilemma' (1985), 'The GOD Project' - 'Der Flug der Taube' (1990).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Leuci, Bob

(1940-2015)

Bob Leuci kam in Brooklyn als Nachkomme einer italienisch-stämmigen Familie zur Welt um wuchs im New Yorker Stadtteil Queens auf, wo er die John Adams High School besuchte. Nach einem Jahr an der Baker University in Kansas kam er mit 21 Jahren zum NYPD, und bereits zwei Jahre später wurde er zum Detective befördert. 1964 heiratete er Regina, eine Deutsche, mit der er sich auf Long Island niederliess und zwei Kinder, Anthony und Santina, hatte. Eine Bilderbuchlaufbahn, bis hierhin.

Bob Leuci war dann aber auch der Cop aus Robert Daleys (1981 durch Sidney Lumet verfilmtem) semidokumentarischem Buch 'Prince of the City', der - hin- und hergerissen zwischen schlechtem Gewissen und Berufsethos - Anfang der 70er-Jahre im legendären NYPD-Korruptionsskandal eine Reihe von Anwälten, Kautionsagenten und Richtern sowie seine bestechlichen Arbeitskollegen auf spektakuläre Weise hochgehen liess. Nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst im Jahr 1981 musste er mit seiner Familie untertauchen. Er wechselte mehrmals den Wohnsitz - und begann zu schreiben. Um seine qualvollen Erlebnisse zu verarbeiten, verfasste er die Polizeiromane 'Doyles Jünger' und 'Captain Butterfly', letzterer mit Marjorie Butera als Hauptperson, einer erfahrenen NYPD-Polizistin, die alles daran setzt, den hoch korrupten Polizeiapparat in ihrer Stadt zu säubern.

Leucis bester Roman ist 'Abtrünnige', ein nostalgisches Epos über Freundschaft, Loyalität, gesellschaftlich-politische Sachzwänge und Verrat, in dem die drei früher fast unzertrennlichen Jugendkumpel Dante O'Donnell, Jimmy Burns und JoJo Paradiso im Mittelpunkt stehen, drei Freunde, deren Wege sich aufgrund von Familientraditionen fatal verzweigt haben. Dante und Jimmy sind dem NYPD beigetreten, JoJo hat Karriere als Mafioso gemacht - und steigt nun in den Drogenhandel ein. Dante und Jimmy werden auf JoJo angesetzt, doch Jimmy lässt sich von JoJo korrumpieren. In einem dramatischen Finale schliesst sich der Kreis: Jimmy ist tot, JoJo liegt schwer verletzt am Boden, und Dante trauert. Um seine alten Freunde, um seine Jugendzeit, um seine Illusionen.

Neben seinen sieben Krimis schrieb Leuci eine Reihe von Fernsehdrehbüchern, ein Hörspiel, mehrere Kurzgeschichten sowie Buchkritiken für das 'Providence Journal' und Artikel für das 'New York Daily News Magazine'. Und natürlich die 2004 publizierten Lebenserinnerungen 'All the Centurions', die seine zwanzig Jahre beim NYPD abdecken - und im Sommer 2013 als Einakter auf die Bühne kamen.

Im Jahr 1995 wurde Leuci an die University of Rhode Island berufen, wo er fürderhin vor allem Creative Writing unterrichtete. Darüber hinaus hielt er an ungezählten amerikanischen Hochschulen, Polizeidepartementen und der FBI-Akademie in Quantico Vorlesungen über Ethik und Moral. Er war seit 2003 in zweiter Ehe mit der Autorin Kathy Packard verheiratet und lebte mit ihr in einem Farmhaus im kleinen Ort Saunderstown, Rhode Island. Dort erlag er im Alter von 75 Jahren den Folgen einer Operation.

Bibliografie:
'Doyle's Disciples' - 'Doyles Jünger' (1984), 'Odessa Beach' (1985), 'Captain Butterfly' - 'Captain Butterfly' (1989), 'Sweet Baby James' - 'Auf der Kippe' (1991), 'Fence Jumpers' - 'Abtrünnige' (1995), 'The Snitch' - 'Der Spitzel' (1997), 'Blaze' (1999).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: März 2014 ++
++ Update: Oktober 2015 ++
 


Levitsky, Ronald

(*1949)

Ronald Levitsky kam als Spross einer jüdischen Familie in Chicago zur Welt und wuchs auch dort auf. Er studierte Geschichte mit Abschlüssen an der Northern Illinois University und der Concordia University in Montreal. In der ersten Hälfte der 90er-Jahre veröffentlichte er vier Krimis mit dem jüdischen Bürgerrechtsanwalt Nate Rosen als Hauptfigur. Heute lebt er mit seiner Familie in Northbrook, Illinois, wo er als Lehrer tätig ist.

Nate Rosen, aufgewachsen in Chicago, geschieden von Bess, Vater einer Tochter im Teenageralter namens Sarah, lebt in Washington, D.C. In 'Liebe tötet', dem ersten und besten Roman der stilistisch sehr ansprechenden Reihe, wird Nate Rosen vom Committee for the Defense of the Constitution in den tiefen Süden der Vereinigten Staaten geschickt: in die Kleinstadt Musket Shoals, Virginia, wo eine junge Vietnamesin von zweifelhaftem Ruf ermordet aufgefunden worden ist. Ein rassistisches Motiv scheint auf der Hand zu liegen, haben sich doch - zum grossen Ärger der lokalen Dumpfbeutel - in den letzten Jahren viel zu viele für ihre Geschäftstüchtigkeit und ihren Fleiss bekannte Vietnamesen in Musket Shoals niedergelassen. Doch Nate Rosen misstraut der einfachen Lösung und bringt die ganze Wahrheit an den Tag.

In den nachfolgenden Romanen verschlägt es den nachdenklichen und einfühlsamen, beharrlich ermittelnden Protagonisten ins ländliche Tennessee, nach South Dakota und schliesslich, in 'Tag der Unschuld', nach Chicago - die Stadt, in der seine Ex-Frau und seine Tochter leben.

Bibliografie:
Nate Rosen-Serie: 'The Love That Kills' - 'Liebe tötet' (1991), 'Wisdom of Serpents' (auch unter dem Titel 'The Truth That Kills') - 'Die Klugheit der Schlangen' (1992), 'Stone Boy' (auch unter dem Titel 'The Spirit That Kills') - 'Mit der Macht der Geister' (1993), 'The Innocence That Kills' - 'Tod der Unschuld' (1994).

Erstellt: September 2010 ++  


Lewin, Michael

(*1942)

Michael Z. Lewin, geboren in Springfield, Massachusetts, aufgewachsen in Indianapolis und Chicago, studierte Chemie und Physik in Harvard und am Churchill College in Cambridge, England. Nachdem er diese Fächer drei Jahre lang an High Schools in Bridgeport (Connecticut) und New York City unterrichtet hatte, übersiedelte er Anfang der 70er-Jahre mit seiner vierköpfigen Familie ins englische Somerset, um sich vornehmlich dem Schreiben von Kriminalromanen, aber auch von Jugendbüchern, Kurzgeschichten, Hörspielen, Bühnenwerken und Zeitungsartikeln zu widmen. Seit 2001 lebt er im südenglischen Kurort Bath.

Lewins acht Romane um den freundlichen, humorvollen, meist arg unterbeschäftigten Privatdetektiv Albert Samson aus Indianapolis ("Der billigste aller billigen Detektive"), erschienen zwischen 1971 und 2004, sind Lewins bedeutendster Beitrag zur Kriminalliteratur. In der vergnüglichen Geschichte 'Anruf vom Panther' soll der vom Leben gebeutelte Antiheld eine Bombe auftreiben, die der stümperhaften Ökoterroristen-Truppe "Scum Front" abhanden gekommen ist. Etwas widerwillig übernimmt Albert Samson den Auftrag, gerät in einen Schlamassel - und verliert am Schluss seine Detektivlizenz (zu Beginn des dreizehn Jahre später erschienenen Nachfolgebandes 'Eye Opener' gibt man sie ihm wieder zurück, doch das dort beschriebene Abenteuer nimmt für den sympathischen Helden ein böses Ende).

Lewins zweite Krimireihe dreht sich um Leroy Powder, einen Police Lieutenant aus Indianapolis, der bisweilen auch in den Albert Samson-Romanen kleinere Auftritte hat (umgekehrt ist Albert Samson gelegentlich in den Powder-Büchern zu Gast). 'And Baby Will Fall' sieht Samsons Freundin Adele Buffington, 'Underdog' den obdachlosen Schnüffler Jan Moro im Brennpunkt des Geschehens - mit Albert Samson in kleinen Nebenrollen.

Die weit verzweigte, drei Generationen umfassende anglo-italienische Familie Lunghi lebt in Bath und betreibt dort eine Privatdetektei. Ihre lustigen Abenteuer sind in acht Kurzgeschichten und bislang drei Romanen beschrieben.

Bibliografie:
Albert Samson-Serie: 'Ask the Right Question' - 'Wer zuviel fragt' (1971), 'The Way We Die Now' (1973), 'The Enemies Within' (1974), 'The Silent Salesman' - 'Der stumme Handlungsreisende' (1978), 'Missing Woman' - 'Ein Grabstein für den Playboy' (1981), 'Out of Season' (auch unter dem Titel 'Out of Time', 1984), 'Called by a Panther' - 'Anruf vom Panther' (1991), 'Eye Opener' (2004);
Leroy Powder-Serie: 'Night Cover' (1976), 'Hard Line' (1982), 'Late Payments' (1986);
Lunghi Family-Romane: 'Family Business' (1995), 'Family Planning' (1999), 'Family Way' (2011);
'Next Man' (1976), 'Outside in' (1980), 'And Baby Will Fall' (auch unter dem Titel 'Child Proof', 1988), 'Underdog' (1993), 'Cutting Loose' (1999), 'Oh Joe' (2008).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: März 2014 ++
 


Lewis, Ted

(1940-1982)

Ted Lewis, geboren in Manchester, aufgewachsen als Einzelkind in Barton-On-Humber, Lincolnshire, nie richtig verstanden von seinen Eltern, begann bereits mit 14 Jahren zu trinken. Er verbrachte vier Jahre an der Kunsthochschule von Hull, um sich zum Illustrator auszubilden, und machte in dieser Zeit mit seinen Kumpanen die Pubs unsicher. Nach seiner Heirat mit Jo White im Jahr 1966 liess er sich in einem Haus in Wicken Bonhunt, Essex, nieder. Er illustrierte Kinderbücher und Zeichentrickfilme, arbeitete kurze Zeit in einer Londoner Werbeagentur und war an der Animation für den Beatles-Film 'The Yellow Submarine' beteiligt. 1965 veröffentlichte er den Liebesroman 'All the Way Home and All the Night Through'.

Inspiriert von den amerikanischen Hard-boiled-Autoren, brach Ted Lewis 1970 mit der britischen Tradition des Häkel- und Teestubenkrimis, indem er in seinen schwarzen, brutalen Romanen den Mord auf die Strasse zurückholte: Mit der epochalen Trilogie um Jack Carter, dem rabiaten Troubleshooter eines von den Brüdern Gerald und Les Fletcher angeführten - auf Pornofilme, Prostitution und Glücksspiel spezialisierten - Londoner Gangstersyndikats, der mit Geralds Frau Audrey eine Liebesbeziehung unterhält.

'Jack rechnet ab', herausgekommen als erster, chronologisch aber der letzte Teil der Jack Carter-Trilogie, ist 2002 in überarbeiteter deutscher Übersetzung wieder aufgelegt und mit einem instruktiven Anhang versehen worden. Jack Carter, ein gnadenlos zynischer Mann ohne Moral und Skrupel, kehrt in seine düstere, von organisierter Kriminalität beherrschte Heimatstadt zurück, um den gewaltsamen Tod seines älteren, ein solides Leben führenden Bruders Frank aufzuklären und dessen 15-jährige Tochter Doreen, die seine eigene sein könnte, aus dem Porno-Dreck zu ziehen. Nach einer äusserst gewalttätigen Rachetour beisst Jack Carter ins Gras. Er wird jedoch später von seinem in argen Geldnöten steckenden Schöpfer für zwei weitere Romane reaktiviert.

Kurz vor seinem Tod veröffentlichte Ted Lewis sein Meisterwerk, den atemberaubenden Thriller 'Schwere Körperverletzung' (im Original: 'GBH', die Abkürzung für Grievous Bodily Harm), in dem zwei hochkriminelle Organisationen mit härtesten Bandagen um die Vormachtsstellung in der Londoner Pornobranche kämpfen.

Ted Lewis, der auch einige Drehbücher für die berühmte britische Fernsehkrimiserie 'Z Cars' beisteuerte, starb im Alter von 42 Jahren an den Folgen seines exzessiven Alkoholkonsums. Er hinterliess zwei Töchter, Nancy und Sally, die seiner Mitte der 70er-Jahre geschiedenen Ehe mit Jo entsprungen waren. Dass Ted Lewis nicht ganz in Vergessenheit geraten ist, hat er der Verfilmung von 'Jack's Return Home' ('Get Carter' mit Michael Caine in der Hauptrolle) zu verdanken.

Bibliografie:
Jack Carter-Trilogie: 'Jack's Return Home' (auch unter dem Titel 'Get Carter') - 'Jack rechnet ab' (auch unter dem Titel 'Jack Carters Heimkehr', 1970), 'Jack Carter's Law' - 'Jack Carters Gesetz' (1974), 'Jack Carter and the Mafia Pigeon' - 'Jack Carters Wut' (1977);
'All the Way Home and All the Night Through' (1965), 'Plender' (1971), 'Billy Rags' (1973), 'Boldt' (1976), 'GBH' - 'Schwere Körperverletzung' (1980).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Littell, Robert

(*1935)

Robert Littell wurde als zweiter Sohn einer jüdisch-litauischen Familie im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren und wuchs auch dort auf. Sein Studium der Anglistik, Philosophie und Politikwissenschaft schloss er 1956 an der New Yorker Alfred University ab. Daraufhin diente er vier Jahre als Navigator und Funkoffizier auf einem Zerstörer der US-Marine, ehe er in den 60er-Jahren als Osteuropa- und Russland-Korrespondent der Zeitschrift 'Newsweek' mit seinen intelligenten Analysen des Kalten Krieges, des Nahostkonfliktes und der amerikanischen Aussenpolitik von sich reden machte.

Nach acht höchst erfolgreichen Jahren verliess Littell den Journalistenberuf und bezog mit seiner Frau, einer Französin, und seinen beiden kleinen Söhnen Wohnsitz in der Nähe der südfranzösischen Ortschaft Martel im Departement Lot, um sich ganz auf die Schriftstellerei zu konzentrieren. Sein Werk enthält siebzehn Spannungsromane, aus denen 'Sein oder Nichtsein…' 'Tod und Nacht', 'Spion im Spiegel', 'Der Gastprofessor', 'Die Company' und 'Die kalte Legende' hervorstechen. Er ist der Vater des berühmten Autors Jonathan Littell und des in Prag ansässigen Malers Jesse Littell.

Littell betrat die Krimibühne im Jahr 1973 mit 'Moskau hin und zurück', einer verwickelten Geschichte aus der Blütezeit des Kalten Krieges. A.J. Lewinter, ein Spezialist für Raketenkeramik, präsentiert sich den Russen als Überläufer. Ist er dies wirklich, oder vielleicht doch ein Schwindler? Die russischen Geheimagenten sind sich schliesslich einig, dass ersteres der Fall sein muss. Damit aber Lewinter für sie erst richtig wertvoll ist, müssen die Amerikaner davon überzeugt werden, dass man ihn als Bluffer einstuft.

'Der falsche Spion' sucht und findet Antworten auf die Frage nach der besten Methode, dem Feind einen falschen Überläufer zu präsentieren, der von sich selber denkt, er sei echt (und deshalb natürlich ungemein echt wirkt): Man ruiniert sein Leben, schafft ihm eine günstige Gelegenheit zum Absprung und füttert ihn dann mit getürkten Informationen.

In 'Sein oder Nichtsein…' wirft Littell ein helles Licht auf die zynischen Machenschaften der Geheimdienste jeder Couleur. Der deutsche Spion Schiller steht auf der Lohnliste der CIA, seine Spezialität ist die Infiltration internationaler Terrororganisationen. Um bei seinen Gegnern glaubwürdig zu bleiben, leitet Schiller eine Aktion in die Wege, bei der zwei palästinensische Terroristen aus einem deutschen Gefängnis freigepresst werden sollen. Eine Geisel wird hierbei getötet - es ist die Verlobte von Charlie Heller, seines Zeichens Fachmann in der Dechiffrierabteilung der CIA. Heller schwört Rache.

Mit der Geheimdienst-Groteske 'Tod und Nacht' (Im Original 'The Sisters') ist Littell eine der einleuchtendsten Darstellungen des Kalten Krieges gelungen. Die CIA strebt nach der perfekten Lösung für das beliebte "Zwei-Fliegen-auf-einen-Streich"-Spiel: Wie stellt man es an, eine missliebige Persönlichkeit zu liquidieren und das Attentat dann dem politischen Gegner in die Schuhe zu schieben? Den "Schwestern" Francis und Carroll, zwei ausgekochten Spezialisten für "nasse Angelegenheiten", liegt die Lösung auf der Hand: Man diskreditiert den Leiter der "Schläfer"-Schule des KGB, den "Töpfer" Felix Turow, bis ihm kein anderer Ausweg bleibt, als zu den Amerikanern überzulaufen, zwingt ihn dann dazu, seinen besten "Schläfer" zu wecken, und dieser wird den Job erledigen. Der Plan gelingt vorzüglich - doch wer hat eigentlich die Fäden gezogen?

Zwei höchst unterschiedliche, im Jahr 1917 gemeinsam aus Amerika nach Russland emigrierte Jugendfreunde - Alexander Til, der Idealist, und Atticus Tuohy, der skrupellose Opportunist - stehen im Zentrum des historischen Romans 'Roter Nebel', in dem Littell eine Epoche der Hoffnung und Aufbruchstimmung (Oktoberrevolution), aber auch der Gewalt und Unterdrückung (stalinistische Schauprozesse, Deportationen) lebendig werden lässt: Eine geschickt zubereitete Mixtur aus Fabel und historischen Tatsachen, ein mitreissendes Melodrama.

'Spion im Spiegel' dreht sich um den genialen CIA-Analytiker Silas Sibley, genannt der Gärtner, der einem ungeheuerlichen Komplott seiner eigenen Firma auf die Spur kommt: Offenbar soll die Schurkenstadt Teheran samt dem ganzen antiamerikanischen Ajatollah-Gesocks in die Luft gejagt werden, und zwar auf eine dermassen stümperhafte Weise, dass die ganze Welt glauben wird, die Iraner hätten bei ihren Versuchen, eine Atombombe zu basteln, auf den falschen Knopf gedrückt. Daraufhin kämen die gemässigten iranischen Pragmatiker wieder ans Ruder, der Iran würde sich der westlichen Staatengemeinschaft annähern, die nahöstlichen Ölfelder wären nicht länger bedroht - die Russen hätten einen entscheidenden strategischen Rückschlag erlitten. Mit feiner Ironie entlarvt Littell die schamlose Gesinnung der (in diesem Fall westlichen) Geheimdienste.

'Moskau, mon amour' spielt in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre - zur Zeit des grossen russischen Umbruchs - in einem von Armut, geheimdienstlichen Mauscheleien und Korruption gebeutelten Moskau. Im Pentagon sitzt eine kleine Gruppe von durchgeknallten kalten Kriegern, die Glasnost verhindern wollen, um nicht ihre liebsten Feinde, die sowjetischen Kommunisten, zu verlieren. Der Plan: Die Russen glauben lassen, Präsident Gorbatschow habe jahrelang für die CIA gearbeitet. Das Werkzeug ist der amerikanische Agent Ben Bassett: Er soll sich in Moskau in eine Russin verlieben, um erpressbar zu werden. Die Russen werden versuchen, ihn umzudrehen. Und er wird ihnen über Gorbatschows verräterische Vergangenheit berichten.

'Der Gastprofessor', eine geniale Mischung aus Agententhriller, Campus-Roman, Liebesgeschichte und Krimi-Parodie, sieht den russisch-jüdischen Chaos- und Zufallsforscher Lemuel Falk in der Hauptrolle. Dieser erhält nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion endlich ein Ausreisevisum: Er darf als Gastprofessor in die USA. Der etwas trottelig wirkende Mittvierziger findet sich nach einigen Anlaufschwierigkeiten immer besser in der neuen - chaotischen - Welt zurecht, verliebt sich in die junge Coiffeuse Rain Morgan, spielt eine entscheidende Rolle bei der Auflösung einer rätselhaften Mordserie und muss sich mit der CIA, dem KGB, der Mafia, dem Mossad und zwei arabischen Geheimdiensten herumschlagen, die alle an seinem zufallsgesteuerten Verschlüsselungssystem interessiert sind.

Littells monumentales Epos 'Die Company' berichtet über die zweifelhaften Machenschaften der Geheimdienste in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Sicht der CIA, Schwerpunkt Kalter Krieg. Es beginnt mit der legendären "Berliner Basis", dem Koreakrieg und dem Ungarischen Volksaufstand, geht weiter mit der Kuba-Krise und dem Bürgerkrieg in Afghanistan und mündet in den gescheiterten Putsch gegen Gorbatschow und den Zerfall der Sowjetunion. Im Mittelpunkt stehen fünf erfundene Figuren, die sich in all diesen Jahren in den Krisengebieten des Kalten Krieges aufhalten: Jack McAuliffe und Leo Kritzky, zwei idealistische Agenten im Dienste der CIA, die sich von der Elite-Uni Yale her kennen, ihr damaliger Kommilitone und Wohngenosse Jewgeni Tsipin, den es nach dem Studium auf die Gegenseite, zum KGB, gezogen hat, der russische Meisterspion Starik, der die CIA von innen zerstören will, indem er ihre Paranoia schürt, sowie der abgebrühte amerikanische Agent Harvey Torriti, der Mann für "spezielle Fälle", der ausgezeichnete Verbindungen zu allen bedeutenden Geheimdiensten pflegt. Wichtige Rollen bekleiden auch James Angleton, langjähriger Leiter der Spionageabwehr der CIA, Kim Philby, britischer Doppelagent, und weitere historische Persönlichkeiten, und selbst Wladimir Putin hat einen kleinen Auftritt. Den roten Faden aber bildet die fieberhafte Suche der CIA nach dem KGB-"Maulwurf" mit dem Decknamen Sasha, der Zugang zu den Führungskreisen Langleys und des Weissen Hauses hat. In seinem ambitiösen, aufwendig recherchierten 800-Seiten-Schmöker zeichnet Robert Littell das Bild einer Welt, die von Misstrauen, Verfolgungswahn und zynischen Ränkespielen geprägt ist.

'Die kalte Legende' ist ein fein gesponnener, zwischen verschiedenen Zeitebenen hin- und herspringender Spionageroman, in dem keiner ist, wer er zu sein scheint. Er erzählt die Geschichte des Martin Odum, eines ehemaligen Undercover-Agenten und jetzigen Privatdetektivs und Bienenzüchters mit Wohnsitz in Brooklyn, der unter verschiedenen Legenden (IRA-Sprengstoffexperte Dante Pippen, Waffenhändler Lincoln Dittmann) in den letzten Jahren des Kalten Krieges und in den ersten Jahren danach für die CIA unterwegs war - und dem irgendwann (nach einem traumatischen Erlebnis?) entglitten ist, welche Identität seine wahre ist. Vielleicht jene des Spions Josef Kafkor, der auf einer russischen Strassenbaustelle bei lebendigem Leibe eingeteert wurde?

'Philby. Porträt des Spions als junger Mann' ist dem schillernden Spion Harold Adrian Russell Philby (Spitzname: Kim, nach Kiplings Romanfigur) gewidmet. Aus dem Blickwinkel mehrerer Zeitzeugen schildert der Autor das Leben des 1912 geborenen, der englischen Uperclass entsprungenen Cambridge-Absolventen, der 1933 in Wien die aufmüpfige ungarisch-stämmige Kommunistin Litzi Friedmann heiratet, kurz danach mit ihr vor den Faschisten nach England flüchtet, dort im Jahr 1934 durch den sowjetischen Geheimdienst rekrutiert und sechs Jahre später auch vom britischen Secret Service angeworben wird - und von dem man bis heute nicht sicher weiss, für welches Land er wirklich spioniert hat.

Bibliografie:
'The Defection of A.J. Lewinter' - 'Moskau hin und zurück' (auch unter dem Titel 'Der Springer' 1973), 'Sweat Reason' - 'Eine höllische Karriere' (1974), 'The October Circle' - 'In den Klauen des Bären' (1975), 'Mother Russia' - 'Mütterchen Russland' (1978), 'The Debriefing' - 'Der falsche Spion' (auch unter dem Titel 'Task Force 753', 1979), 'The Amateur' - 'Sein oder Nichtsein...' (1981), 'The Sisters' - 'Der Töpfer' (auch unter dem Titel 'Tod und Nacht', 1986), 'The Revolutionist' - 'Roter Winter' (1988), 'The Once and Future Spy' - 'Spion im Spiegel' (1990), 'An Agent in Place' - 'Moskau, mon amour' (1991), 'The Visiting Professor' - 'Der Gastprofessor' (auch unter dem Titel 'Zufallscode', 1993), 'The Company' - 'Die Company' (2002), 'Legends' - 'Die kalte Legende' (2005), 'Vicious Circle' - 'Die Söhne Abrahams' (2006), 'The Stalin Epigram' - 'Das Stalin-Epigramm' (2009), 'Young Philby' - 'Philby. Porträt des Spions als junger Mann' (2012), 'A Nasty Piece of Work' (2013).

++ Erstellt: Dezember 2014 ++  


Lochte, Dick

(*1944)

Geboren und aufgewachsen in New Orleans, Louisiana, erwarb Dick Lochte einen Bachelor of Arts Degree an der dortigen Tulane University. Er diente kurze Zeit bei der amerikanischen Küstenwache, bevor er zum Journalismus kam und zuerst für verschiedene Fernsehstationen und das Magazin 'Playboy' arbeitete. Nach einigen Jahren in Chicago ging er Mitte der 70er-Jahre als freier Journalist nach Südkalifornien, wo er Theaterkolumnen für das 'Los Angeles Magazine', Filmbesprechungen für die 'Los Angeles Free Press' und Buchkritiken für die 'Los Angeles Times' schrieb. Neben seiner journalistischen Tätigkeit veröffentlichte er ab 1985 bisher elf Krimis und einen Kurzgeschichtenband, ferner Drehbücher für Film und Fernsehen und Beiträge zur Web Site 'Thrilling Detective'. Er lebt mit seiner Frau und seinem halbwüchsigen Sohn an der kalifornischen Küste.

Lochtes Protagonisten von jeweils zwei Krimis sind der 50-jährige, dreimal kinderlos geschiedene Privatdetektiv und gefeuerte Ex-Polizist Leo G. Bloodworth aus Los Angeles und die smarte, 14-jährige, bei ihrer Grossmutter lebende (der Vater kehrte nicht aus Vietnam zurück, die Mutter hängt mit Männern rum) Serendipity "Sarah" Dahlquist, die abwechslungsweise als Ich-Erzähler auftreten; Terry Manion, Privatermittler in New Orleans, der eine bedeutende Rolle im zweiten Leo & Serendipity-Roman spielt; die junge, schwarze, mit einem Cop liierte Staatsanwältin Nicolette "Nikki" Hill aus Los Angeles; der junge Anwalt Mercer Early, der in einer angesehenen afroamerikanischen Kanzlei tätig ist; und der TV-Moderator und Hobyydetektiv Billy Blessing. Die Nikki Hill- und die Mercer Early-Romane sind einer Zusammenarbeit mit dem Rechtsanwalt Christopher Darden, einem der Ankläger im O.J. Simpson-Prozess, entsprungen, die beiden Billy Blessing-Krimis verfasste Lochte gemeinsam mit der Fernsehlegende Al Roker. In dem Einzelwerk 'Croaked!' verarbeitet Lochte seine Zeit beim 'Playboy' und verknüpft dies mit einer Reihe von Morden.

In Lochtes bekanntestem Krimi 'Schlafende Hunde', einer sauber konstruierten, mit trockenem Humor erzählten Geschichte, erhält Leo G. Bloodworth, genannt "Bluthund", von Sarah den unscheinbaren Auftrag, ihren alten Bullterrier Croucho aufzuspüren, der offenbar gestohlen worden ist. Kurz danach wird Leos etwas zwielichtiger Partner bei seinen Ermittlungen ermordet. Für Leo und Sarah beginnt eine gefährliche Reise kreuz und quer durch Kalifornien, mexikanische Mafiosi, die illegale Hundekämpfe organisieren, die unterbelichteten Gebrüder Soto, die ihr Glück in der Privatdetektivbranche versuchen, die schöne, ausgekochte Privatdetektivin Gwen Nolte sowie ein blutrünstiger, überaus aktiver Mörder kreuzen ihren Weg, und auch Sarahs Mutter scheint irgendwie in den weit in die Vergangenheit zurückreichenden Fall verwickelt zu sein.

Terry Manion, Spitzname T-Bone, ist ein melancholischer Einzelgänger mit Alkoholproblemen. Die Mutter ist bei seiner Geburt gestorben, der Vater, ein Bankier, viele Jahre später freiwillig aus dem Leben geschieden. Terry arbeitete früher beim militärischen Nachrichtendienst, dann als Sicherheitschef der Bank seines Vaters. Das Privatdetektiv-Handwerk erlernte er von seinem väterlichen Mentor J.J. Legrende. Der erste Roman 'Blue Bayou' beginnt mit einem Paukenschlag: Legrende kommt durch einen Schuss ins Hirn ums Leben, ein Abschiedsbrief liegt neben seiner Leiche. Doch Terry Manion, eben erst aus einer Entzugsklinik entlassen, glaubt nicht an Selbstmord, und erfährt bei seinen Recherchen, dass Legrende einem grossen Ding auf der Spur war.

Der zweite Terry Manion-Roman 'The Neon Smile', Lochtes anspruchsvollstes Werk, springt zwischen zwei Zeitebenen hin und her: den turbulenten, von Rassenunruhen erschütterten 1960er-Jahren und der Gegenwart des Jahres 1995. J.J. Legrende, in den 60ern ein junger, abgebrühter Detective der Mordkommission New Orleans, hat zwei Mordfälle am Hals: Tyrone Pano, ein charismatischer, militanter Führer der Bürgerrechtsbewegung, wird umgebracht, und gleichzeitig treibt ein Serienmörder sein Unwesen in der Stadt. Im Auftrag eines TV-Produzenten rollt Terry Manion die Geschehnisse dreissig Jahre später noch einmal auf - und bringt erstaunliche Verbindungen zwischen den beiden Fällen zu Tage.

Im Jahr 2000 veröffentlichte Lochte den Erzählband 'Lucky Dog and Other Tales of Murder', der drei Leo & Serendipity- und zwei Terry Manion-Stories und vier weitere Kriminalgeschichten enthält.

Bibliografie:
Leo Bloodworth & Serendipity-Romane: 'Sleeping Dog' - 'Schlafende Hunde' (1985), 'Laughing Dog' - 'Mord-Theater' (1988);
Terry Manion-Romane: 'The Blue Bayou' - 'Blue Bayou' (1992), 'The Neon Smile' (1995);
Nikki Hill-Romane (gemeinsam mit Christopher Darden): 'The Trials of Nikki Hill' (1998), 'L.A. Justice' (2001);
Mercer Early-Romane (gemeinsam mit Christopher Darden): 'The Last Defense' (2002), 'Lawless' (2004);
Billy Blessing-Romane (gemeinsam mit Al Roker): 'The Morning Show Murders' (2009), 'The Midnight Show Murders' (2010);
Einzelwerk: 'Blues in the Night' (2012).

++ Erstellt: April 2011 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Lovisi, Gary

(*1952)

Gary Lovisi kam in dem Städtchen New Hyde Park, New York State, als Sohn sizilianischer Einwanderer zur Welt und wurde am Kingsborough Community College in Brooklyn ausgebildet. Seine 1975 mit Pat Mastronardi geschlossene Ehe wurde nach sechs Jahren geschieden. Seit 1985 hauptberuflich als Verleger tätig ('Gryphon Books'), erwarb er sich auch als Autor von Kriminal-, Sciencefiction- und Westernliteratur sowie von ungezählten Artikeln und mehreren Sachbüchern (Schwerpunkt: Kriminalliteratur) einen guten Namen. Darüber hinaus gibt er seit vielen Jahren die beliebten Magazine 'Hardboiled' und 'Paperback Parade' heraus. Er lebt mit seiner zweiten Frau Lucille in Brooklyn.

Lovisis bedeutendste Krimifiguren sind die unbestechlichen und gefürchteten Cops Lieutenant Bill Griffin und Sergeant Herman "Fatty" Stubbs, genannt Griff & Fats (in der deutschen Übersetzung Griff & Klops) aus der fiktionalen Grossstadt Bay City, die das "Böser-Bulle-Netter-Bulle-Spiel" perfektioniert haben ('Freie Fahrt zur Hölle, mehrere Short Stories) und Vic Powers, ein gewalttätiger gefeuerter NYPD-Polizist, der als eine Art Privatermittler in Brooklyn für Furore sorgt ('Blood in Brooklyn' und der Kurzgeschichtenband 'Dirty Dogs', beide 1999 erschienen).

'Freie Fahrt zur Hölle', Lovisis einziges ins Deutsche übersetztes Buch, ist im Jahr 1962 angesiedelt. Der finstere und harte Krimi kreist um einen Mörder, der seine Opfer, junge Frauen, mit einem Rasiermesser zu Tode foltert - und ausgerechnet jetzt verschwindet Griffs Freundin Sara. Im Fortgang der Geschichte kommen Griff und Klops den kriminellen Machenschaften ihres Auftraggebers Angus Wilson, des Vaters des ersten Mordopfers, auf die Spur, weitere Morde geschehen, es fliesst viel Blut, und die beiden unzertrennlichen Bullen laufen zu ihrer Höchstform auf.

Bibliografie:
'Hellbent on Homicide' - 'Freie Fahrt zur Hölle' (1995), 'Blood in Brooklyn' (1999).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
 


Lowndes, Marie Belloc

(1868-1947; schrieb auch als Philip Curtin und Elizabeth Rayner)

Marie Adelaide Elizabeth Renée Julia Rayner Lowndes, geborene Belloc, kam im Londoner Viertel Marylebone als Tochter der einflussreichen englischen Frauenrechtlerin Bessie Raynor Parkes und des (1872 verstorbenen) französischen Anwalts Louis Marie Belloc zur Welt und wuchs zuerst vornehmlich in La Celle-Saint-Cloud bei Versailles auf, ab 1877 in Slindon, Grafschaft Sussex, wo sie zwei Jahre eine Klosterschule besuchte. Ihr zwei Jahre jüngerer Bruder war der berühmte (antifeministisch eingestellte) Lyriker und Romancier Hilaire Belloc.

Als Teenager schrieb Marie Belloc ihre ersten Sketches, die in Magazinen wie 'The Strand' abgedruckt wurden. Ab 1888 publizierte sie Artikel zu französischen Themen in der 'Pall Mall Gazette' und anderen Zeitschriften. Für ihre Recherchen reiste sie mehrmals nach Frankreich und lernte dabei Autoren wie Paul Verlaine, Edmond de Goncourt und Jules Verne kennen. 1896 heiratete sie den 'Times'-Journalisten und Autor Frederic Lowndes und hatte mit ihm zwei Töchter, Elizabeth und Susan, und einen Sohn, Charles. Ab Beginn des 20. Jahrhunderts bildete das Schreiben den Mittelpunkt ihres Lebens. 1913 trat sie in die Fussstapfen ihrer Mutter, indem sie Präsidentin der 'Women Writer's Suffrage League' wurde.

Lowndes begann ihre schriftstellerische Laufbahn mit satirischen Texten und Biografien, ab 1904 folgten zahlreiche - zum grössten Teil auf authentischen Fällen beruhende - Krimis, aber auch historische und romantische Romane, Kurzgeschichten, Theaterstücke, weitere biografische Schriften und die Autobiografien 'I, Too, Have Lived in Arcadia' (1941) und 'A Passing World' (1948).

Nach dem Tod ihre Mannes im Jahr 1940 pendelte Lowndes zwischen ihrem Londoner Wohnsitz und jenem ihrer älteren Tochter Countess Elizabeth Iddesleigh, dem Landhaus Eversley Cross in Hampshire, wo sie 79-jährig einer Krebserkrankung erlag.

Lowndes' weitaus bekanntestes Werk 'Der sanfte Untermieter' übt bis heute, hundert Jahre nach seiner Erstveröffentlichung, einen unwiderstehlichen Sog aus. Es gründet auf der ungeklärt gebliebenen, legendenumrankten "Jack the Ripper"-Mordserie, wurde mehrmals verfilmt (unter anderem von Alfred Hitchcock im Jahr 1927) und auch für die Bühne adaptiert. ("Jack the Ripper" hatte im Herbst 1888 fünf am äussersten Rand der viktorianischen Gesellschaft im Londoner East End darbende Frauen gemeuchelt.)

Ellen und Robert Bunting, ein schlichtes, ältliches, am Hungertuch nagendes Ehepaar aus Whitechapel, sind des Lobes voll über ihren neuen Untermieter, den unscheinbaren, höflichen Eigenbrötler Mr. Sleuth, der ihnen ja auch aus der ärgsten finanziellen Not verhilft - wenn da nur seine nächtlichen Ausflüge nicht wären. Die beiden wissen nämlich aus der Presse von einer Mordserie in ihrer unmittelbaren Umgebung. Und der Scotland Yard-Beamte Joe Chandler, der Freund ihrer Tochter Daisy, hält sie über die polizeilichen Ermittlungen stets auf dem Laufenden. Selbst wenn der Leser schon früh erfährt, dass es sich bei Mr. Sleuth tatsächlich um den Frauen-Aufschlitzer handelt, gelingt es der sprachlich und psychologisch versierten Autorin, die Spannung bis zur letzten Seite aufrechtzuerhalten, indem sie den Fokus auf Mrs. Bunting richtet, diese reizlose und einsilbige Frau mit ihren Vorurteilen und existentiellen Ängsten, die sie die Augen vor der Wahrheit verschliessen lassen.

Bibliografie:
'The Heart of Penelope' (1904), 'The Uttermost Farthing' (1908), 'When No Man Pursueth: An Everyday Story' (1910), 'The Chink in the Armour' (auch unter dem Titel 'The House of Peril', 1912), 'The End of Her Honeymoon' (1913), 'The Lodger' - 'Der sanfte Untermieter' (auch unter den Titeln 'Der Rächer' und 'Jack the Ripper oder Der Untermieter' (1913), 'Good Old Anna' (1915), 'Lilla: A Part of Her Life' (1916), 'Out of the War' (auch unter dem Titel 'The Gentleman Anonymous', 1918), 'The Loneley House' (1920), 'From the Vasty Deep' (auch unter dem Titel 'From Out the Vasty Deep', 1920), 'What Timmy Did' (1921), 'Why They MArried' (1922), 'The Terriford Mystery' (1924), 'Bread of Deceit' (auch unter dem Titel 'Afterwards', 1925) 'What Really Happened' (1926), 'The Story of Ivy' - 'Frau Ivys Geschichte' (1927), 'You Shalt Not Kill' (1927), 'Cressida: No Mystery' (1928), 'Duchess Laura' (auch unter dem Titel 'The Duchess Intervenes', 1929), 'Love's Revenge' (1929), 'One of Those Ways' - 'Spiel um hohen Einsatz' (1929), 'Letty Lynton' (1931), 'Vanderlyn's Adventure' (auch unter dem Titel 'The House by the Sea') - 'Vanderlyns Abenteuer' (1931), 'Jenny Newstead' (1932), 'Love is a Flame' (1932), 'The Reason Why' (1932), 'Duchess Laura: Further Day From Her Live' (1933), 'Another Man's Wife' (1934), 'The Cianti Flask' (1934), 'Who Rides on a Tiger' (1935), 'The Second Key' (auch unter dem Titel 'The Injured Lover', 1936), 'And Call it Accident' (1936), 'The House by the Sea' (1937), 'The Marriage Broker' (auch unter dem Titel 'The Fortune of Bridget Malone', 1937), 'Reckless Angel' (1939), 'Lizzie Borden' (1939), 'The Christine Diamond' (1940), 'Before the Storm' (1941), 'What oft he Night' (1943), 'A Labour of Hercules' (1943).

++ Erstellt: September 2013 ++  


Lupica, Mike

(*1952)

Michael Lupica wurde als Sohn eines Personal Managers in Oneida, New York State, geboren und verbrachte Kindheit und Schulzeit in Nashua, New Hampshire. Nach Beendigung der Bishop Guertin High School studierte er am Boston College mit einem Abschluss 1974. Sechs Jahre später liess er sich in New York City nieder. Bereits als Teenager im Journalismus tätig, zählt er heute zu den berühmtesten Sportkolumnisten der USA. Er begann als Korrespondent und Kolumnist bei verschiedenen Bostoner Blättern und arbeitete später für Printmedien wie 'Washington Star', 'New York Post', 'New York Daily News', 'World Tennis', 'Golf Digest' und 'Esquire'‚ aber auch für die Fernsehsender 'CBS' und 'The Sport Reporters' und für Radiostationen. Daneben war er Co-Autor bei Autobiografien (etwa der Baseball-Legende Reggie Jackson) und verfasste Sachbücher über verschiedene Sportarten, sowie Sportromane, Jugendbücher und drei Krimis, die Peter Finley-Trilogie. Er lebt mit seiner Frau Taylor, mit der er eine Tochter und drei Söhne hat, in New Canaan, Connecticut.

Ich-Erzähler Peter Finley, Sohn eines Cops im Ruhestand, hat seinen ersten Auftritt 1986 in 'Peggy ist verschwunden'. Finley war Polizeireporter in Boston, bevor er einen Reporterjob bei der New Yorker Fernsehstation 'Channel A' bekam und sich nebenbei, unterstützt durch seinen rüstigen Vater Jack und seinen besten Freund, den genialen Kameramann Marty Pearl, als Gelegenheitsdetektiv betätigt. Seine scharfzüngige Frau Jeannie, die er noch immer liebt, verliess ihn vor einigen Monaten, am Valentinstag, doch es gibt Hoffnung, dass die beiden wieder zusammenfinden. Pete ist ein grosser Baseball-Fan, erstellt ständig irgendwelche Listen und hat auch schriftstellerische Talente - er schrieb vor Jahren eine Biografie des zwielichtigen Jersey-Gewerkschafters Big Tony Altamero.

Finleys aktueller Kriminalfall dreht sich um Peggy Lynn, eine bezaubernde junge Frau aus der Provinz, die sich in New York in eine karrieresüchtige Intrigantin mit gewaltigem Männerverschliess verwandelt hat - auch Finley pflegte vor längere Zeit eine kurze Affäre mit ihr. Jetzt ist sie seit acht Tagen spurlos verschwunden und wahrscheinlich nicht mehr am Leben, an potentiellen Tätern herrscht kein Mangel. Die Geschichte hält den Leser indes weniger mit einem wohl durchdachten Plot als mit flapsigen Sprüchen (im Stile von "Ich wusste von Handfeuerwaffen ungefähr soviel wie vom Liebesleben der Wachteln"), schlagfertigen Antworten und unzähligen Verweisen auf Baseball und die Fernsehwelt bei der Stange.

Bibliografie:
Peter Finley-Trilogie: 'Dead Air' - ‚Peggy ist verschwunden' (1986), 'Extra Credits' (1988), 'Limited Partner' (1990).

++ Erstellt: Oktober 2011 ++  


Lustgarten, Edgar

(1907-1978)

Edgar Lustgarten kam als Spross eines jüdischen Anwalts in Manchester zur Welt und wuchs auch dort auf. 1932 heiratete er eine reiche Frau, was ihm einen luxuriösen Lebensstil ermöglichte. Nach dem Jurastudium am St. John's College in Oxford war er kurze Zeit als Anwalt tätig, bis er zu Radio und Fernsehen wechselte und in den 50er- und 60er-Jahren höchst erfolgreich mehrere Programme über wahre Verbrechen betreute. Seine populärsten Serien für das Fernsehen waren 'Scales of Justice' und 'Scotland Yard', für das Radio 'Advocate Extraordinary'. Darüber hinaus verfasste Lustgarten (Spitzname: Mr. Murder) Artikel und Bücher über berühmte Kriminalfälle und drei Kriminalromane. Nach dem Tod seiner Frau 1971 versank Lustgarten in Depressionen. Mit 71 Jahren erlitt er einen plötzlichen Herztod, als er sich für Recherchen in einer Londoner Bibliothek aufhielt.

Lustgartens bekannteste Werke sind die True-Crime-Bücher 'Verdict in Dispute' (1950), 'The Woman in the Case' (1955) und 'The Illustrated Story of Crime' (1976) und der Gerichtskrimi 'Nicht schuldig'.

'Nicht schuldig' spielt über weite Strecken im Gerichtssaal. Arthur Groome, ein angesehener Berufsmann und Familienvater, ist des Mordes an der Londoner Prostituierten Kate Haggerty angeklagt, deren verstümmelte Leiche im Soho aufgefunden worden ist. Er hatte mit ihr ein Verhältnis, sein Alibi ist lückenhaft, doch er beteuert seine Unschuld. Zwei brillante Juristen, der Staatsanwalt und der Verteidiger, ziehen alle Register ihres Könnens - bis zum verblüffenden Finale.

Bibliografie:
'A Case to Answer' (auch unter dem Titel 'One More Unfortunate') - 'Nicht schuldig' (1947), 'Game for three Losers' (1952), 'Turn the Light out as you Go' - 'Mach das Licht aus, wenn du gehst' (1978).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Lyall, Gavin

(1932-2003)

Gavin Lyall kam in Birmingham, in den West Midlands, zur Welt und besuchte dort von 1943 bis 1951 die King Edward VI School. Von 1951 bis 1953 diente er als Pilot bei der Royal Air Force. Anschliessend studierte er am Pembroke College in Cambridge, gab die College-Zeitung heraus und schloss 1956 in Englisch ab. Danach arbeitete er als Journalist bei verschiedenen Zeitungen (unter anderem als Reporter und Luftfahrt-Korrespondent für die 'Sunday Times') und der BBC sowie als Englischlehrer in Cambridge. 1958 heiratete er die Autorin und Journalistin Katharine Whitehorn, mit der er in Hampstead im Norden Londons lebte und zwei Söhne hatte.

In den 60er-Jahren konnte sich Lyall allmählich als Krimiautor etablieren. Als begeisterter Pilot schrieb er zunächst einige Spannungsromane rund um die Fliegerei, von denen der 1975er Titel 'Land der Verräter' am höchsten bewertet wird. Nach einer langen Schreibblockade veröffentlichte Lyall in den 80er-Jahren die vierbändige Reihe um den ehemaligen SAS-Offizier Harry Maxim, Bindeglied zwischen der britischen Armee und dem Premierminister, ein Mann fürs Grobe. In diesen Romanen zeigt sich Lyall als intelligenter Erfinder von geheimdienstlichen Komplotten, als Meister des ökonomischen Stils und der lebensnahen Darstellung seiner Haupt- und Nebenakteure.

'Die Ehre der Spione', Lyalls letztes ins Deutsche übertragenes Werk (der Auftakt zu einer vierteiligen historischen Serie), spielt in den Jahren unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg. Der britische Geheimdienst steckt noch in den Kinderschuhen, und Deutschland stellt Englands grösste Bedrohung dar. Nachdem unzählige britische Spione entlarvt worden sind, verlangt König George V. ultimativ, dass nun endlich eine anständige Geheimdienstorganisation aufgebaut wird: der Secret Service. Zu Recht, denn Captain Matthew Ranklin vom Secret Service, sein Partner Conall O'Gilroy und die amerikanische Abenteurerin Corinna Finn kommen schon bald einer gewaltigen Verschwörung auf die Spur, die Europas Zukunft nachhaltig verändert hätte.

Gavin Lyall, der neben seinen fünfzehn (zwischen 1961 und 1999 erschienenen) Krimis zwei Sachbücher über den Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg herausgegeben hatte, erlag 70-jährig einem Krebsleiden.

Bibliografie:
'The Wrong Side of the Sky' - 'Die harte Seite des Himmels' (1961), 'The Most Dangerous Game' - 'Das gefährlichste Gegenüber' (1963), 'Midnight Plus One' - 'Mitternacht plus eins' (1965), 'Shooting Script' - 'Juli! Pass auf!' (1966), 'Venus With Pistol' - 'Venus mit Pistole' (1969), 'Blame the Dead' - 'Schuldig sind die Toten' (1973), 'Judas Country' - 'Land der Verräter' (1975);
Major Harry Maxim-Serie: 'The Secret Servant' - 'Bis zum tödlichen Ende' (1980), 'Conduct for Major Maxim' - 'Auftrag für Major Maxim' (1982), 'The Krokus List' - 'Die Krokus-Liste' (1985), 'Uncle Target' - 'Über dem Jordan' (1988);
Historische Spionageromane: 'Spy's Honour' - 'Die Ehre der Spione' (1993), 'Flight from Honour' (1996), 'All Honourable Men' (1997), 'Honourable Intentions' (1999).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Dezember 2011 ++
 


Lynds, Dennis

(1924-2005; schrieb auch als William Arden, Nick Carter, Michael Collins, John Crowe, Walter Dallas, Robert Hart Davis, Carl Dekker, John Douglas, Maxwell Grant, Brett Halliday, Sheila Lynds, Sheila McErlean, Don Pendleton und Mark Sadler)

Dennis Lynds, geboren in St. Louis, Missouri, als Sohn eines britischen Schauspielerpaars, wuchs bis 1930 in einem Dorf bei Oxford und in London auf, danach in Los Angeles, Denver und New York City, wo er die Brooklyn Technical High School und die Cooper Union besuchte. Anschliessend ging er an das Texas A&M College, bis er 1943 in die US Army eingezogen wurde. Er verbrachte die letzte Phase des Zweiten Weltkriegs auf französischen Kriegsschauplätzen und wurde mehrmals wegen Tapferkeit ausgezeichnet. Nach dem Krieg arbeitete Lynds als Chemiker bei Pfizer & co. und als Journalist für Wissenschaftsmagazine. Parallel dazu schloss er 1949 ein Chemiestudium am Hofstra College in Hempstead, New York, mit einem Bachelor ab. Zwei Jahre Später liess er einen Master-Abschluss in Journalismus an der New Yorker Syracuse University folgen.

Anfang der 60er-Jahre begann Lynds zu schreiben, zunächst einen Roman über seine Kriegserlebnisse ('Combat Soldier', 1962), ein Dutzend Gedichte sowie zahlreiche Kurzgeschichten für das 'Mike Shayne Mystery Magazine' und andere Pulp-Gefässe, darunter dreizehn Stories über den einarmigen New Yorker Privatdetektiv Slot-Machine Kelly und einige Beiträge zu der von Brett Halliday herausgegebenen Mike Shayne-Serie.

Bis zu seinem Tod als Schriftsteller aktiv, verfasste Lynds über 80 Romane, etwa 200 Kurzgeschichten, zwei Sciencefiction-Romane und ein Buch über die Mondlandung. International bekannt wurde er mit seinen Beiträgen zu der unter der Marke Alfred Hitchcock erschienenen Drei-Fragezeichen-Jugendkrimireihe, die er mit dem Pseudonym William Arden zeichnete; und mit der schnörkellosen, unter dem Pseudonym Michael Collins veröffentlichten, aus 17 Romanen und zwei Story-Sammlungen bestehenden Dan Fortune-Serie.

Dan Fortune ist der Sohn polnisch-litauischer Einwanderer, deren richtiger Name Fortunowski lautete, von den Behörden jedoch etwas vereinfacht wurde. Die Familie lebte im West Side-Viertel Chelsea, der Vater, Cop beim NYPD, verliess seine Frau, als er sie mit einem andern Mann erwischte. Als 17-jähriger Schnösel verlor Dan seinen linken Arm, als er mit einer Jugendgang auf dem New Yorker Hafen ein Schiff ausplünderte (was ihm den Spitznamen "Danny der Pirat" eintrug). Dieses Malheur bewog ihn dazu, von einer kriminellen Laufbahn abzusehen und Chelsea zu verlassen. Er durchstreifte die Welt und verdiente sein Geld als Seemann, Kellner, Schauspieler, Knecht, Touristenführer usw., bis er in sein Viertel zurückkehrte, in der 28th Street ein kleines, schäbiges Büro bezog und als Privatdetektiv begann - schnelle Beine, Klugheit, Mut und Zähigkeit müssen fortan sein körperliches Handikap kompensieren.

Dan Fortune ist ein feinfühliger Ermittler mit einem Flair für die Schwachen, denen er gegen ein kleines Entgelt aus der Klemme hilft, und ein scharfer Beobachter seiner Umgebung. Er ist meist waffenlos unterwegs ist und muss immer wieder Prügel einstecken. Sein bester Freund ist Joe Harris, ein lebenskluger Bartender, der früher derselben Jugendgang wie Dan angehörte, und der ihn immer wieder mit wichtigen Informationen versorgt. Auch mit dem harten, unbestechlichen, kurz vor dem Ruhestand stehenden Cop Captain Gazzo, einem früheren Freund seiner Mutter, versteht er sich gut. Das Bett teilt Dan seit einigen Jahren mit der zwanzig Jahre jüngeren Marty Adair, einer begabten Bühnenschauspielerin, die ihren Lebensunterhalt als Showtänzerin bestreitet. Marty trennt sich zu Beginn des sechsten Bandes von Dan, um in der kalifornischen Westküstenstadt Santa Barbara mit einem anderen Mann zusammenzuleben - ein harter Schlag für den einarmigen Detektiv, der nun Trost beim Alkohol sucht, nach einigen Monaten jedoch wieder auf die Beine kommt. Gegen Ende der Reihe zieht auch Dan von New York nach Santa Barbara, zu seiner neuen Geliebten, dem Model Kay Michaels, und bringt dort noch ein paar Kriminalfälle zum Abschluss.

Der Autor hat zwei weitere Serienhelden zum Leben erweckt: Kane Jackson, einen hartgesottenen Privatdetektiv und Experten für Industriespionage aus Santa Barbara (fünf Titel, erschienen unter dem Pseudonym William Arden) sowie den Ermittler Paul Shaw aus New York City, einer von drei Mitarbeitern der in New York und Los Angeles ansässigen Agentur Thayer, Shaw & Delaney, der mit einer erfolgreichen Schauspielerin verheiratet ist (sechs Titel, erschienen unter dem Pseudonym Mark Sadler). Als John Crowe veröffentlichte Lynds überdies sechs Krimis, die im fiktiven südkalifornischen Buena Costa County angesiedelt sind, und in denen jedes Mal eine andere Person die Hauptrolle innehat.

Lynds war dreimal verheiratet: 1949 bis 1955 mit Doris Flood, 1961 bis 1985 mit Sheila McErlean, mit der er zwei Töchter, Katie und Deirdre, hatte und ab 1986 mit der Krimiautorin Gayle Stone (bzw. Gayle Lynds). Er lebte seit 1965 in Santa Barbara, Kalifornien und war mit seinem Schriftstellerkollegen Ross Macdonald eng befreundet. Gesundheitlich seit längerer Zeit angeschlagen, starb er 81-jährig in San Francisco, als er dort seine schwer verunfallte, im Koma liegende Tochter Katie besuchen wollte.

Bibliografie:
Als Michael Collins:
Dan Fortune-Serie: 'Act of Fear' - 'Letzter Ausweg Mord' (auch unter dem Titel 'Aus lauter Angst', 1967), 'The Brass Rainbow' - 'Ein Dolch für die Braut' (1969), 'Night of the Toads' - 'Lady, Sie sterben nur einmal' (auch unter dem Titel 'Die Nacht der Kröten', 1970), 'Walk a Black Wind' - 'Tochter des schwarzen Windes' (1971), 'Shadow of a Tiger' - 'Schach mit dem blauen Chinesen' (1972), 'The Silent Scream' - 'Der stille Schrei' (auch unter dem Titel 'Totale Gier', 1973), 'Blue Death' - 'Mord geht auf Spesen' (1975), 'The Blood-red Dream' - 'Blutzoll für falsche Träume' (auch unter dem Titel 'Der blutrote Alptraum', 1976), 'The Nightrunners' - 'Bittere Arznei' (auch unter dem Titel 'Pillen für schmutzige Geschäfte', 1978), 'The Slasher' - 'Der Schlächter' (1980), 'Freak' - 'Freak' (1983), 'Minnesota Strip - 'Minnesota Strip' (1987), 'Red Rosa - 'Die rote Rosa' (1988), 'Castrato' (1989), 'Chasing Eights' (1990), 'The Irishman's Horse' (1991), 'Cassandra in Red' (1992);
Einzelwerke: 'Lukan War' (1969), 'The Planets of Death', 'The Cadillac Cowboy' (1995).
Als William Arden:
Kane Jackson-Serie: 'A Dark Power' - 'Von Kranzspenden bitten wir abzusehen' (1968), 'Deal in Violence' - 'Drei Tote in dieser Woche' (1969), 'The Goliath Scheme' (1971), 'Die to a Distant Drum' (auch unter dem Titel 'Murder Underground', 1972), 'Deadley Legacy' (1973).
Als Dennis Lynds:
'Uptown, Downtown' (1963), 'Charlie Chan Returns' (1974), 'Crossfire' (1975).
Als John Crowe:
Buena Costa County-Serie: 'Another Way to Die' - 'Wie gelebt, so gestorben' (1972), 'A Touch of Darkness' (1972), 'Bloodwater' - 'Blutgeld' (1974), 'Crooked Shadows' - 'Schräge Schatten' (1975), 'When They Kill Your Wife' - 'Ein Weg von Mord zu Mord' (1977), 'Close to Death' (1979).
Als Carl Dekker:
'Woman in Marble' - 'Die Marmorfrau' (auch unter dem Titel 'Tod im Zoom', 1972).
Als Mark Sadler:
Paul Shaw-Serie: 'The Falling Man' - 'Der lange Schrei' (1970), 'Here To Die' - 'Zertretene Blüten' (1971), 'Mirror Image' - 'Das Spiegelbild' (1972), 'Circle of Fire' - 'Im Feuerkreis' (1973), 'Touch of Death' (1981), 'Deadly Innocents' - 'Der Tod der Schwalbe' (1986).
Einzelwerke: 'Mack Bolan: Moving Target' (gemeinsam mit Layle Lynds', 1989), 'Mack Bolan: Blood Fever' (gemeinsam mit Gayle Lynds, 1989), 'A Common Enemy' (gemeinsam mit Gayle Stone', 1989).
Als Sheila McErlean:
'Mask of Silence' (1968).
Als Nick Carter:
'The N3 Conspiracy' (1974), 'The Green Wolf Connection' - 'Attentat am Ölturm' (1976), 'Triple Cross' - 'Das Todesdreieck' (1976), 'Mercenary Mountain' (1986), 'The Samurai Kill' (1986).

++ Erstellt: Januar 2011 ++  


Lyons, Arthur

(1946-2008)

Arthur Lyons wurde in Los Angeles geboren und wuchs auch dort auf. 1957 zog die Familie Lyons nach Palm Springs, wo der Vater (Arthur senior) und Onkel David ein Restaurant führten. Arthur junior studierte Politische Wissenschaften an der University of California in Santa Barbara, Abschluss 1967, und arbeitete danach im Familienbetrieb, den er später selbst übernahm. Von 1992 bis 1996 war er Stadtrat in Palm Springs. 2001 gründete er mit Craig Prater das Palm Springs Film Noir Festival. Lyons war zweimal verheiratet und starb 62-jährig im Desert Regional Medical Center in Palm Springs an den Folgen von Kopfverletzungen, die er sich bei einem Sturz zugezogen hatte. Er hinterliess seine zweite Frau Barbara.

Arthur Lyons übte das Schreiben stets nebenberuflich aus. Zu Beginn der 70er-Jahre verfasste er einige Sciencefiction-Stories und zwei Sachbücher über Satanismus in Amerika. Von 1974 bis 1994 publizierte er elf Kriminalromane um den Privatermittler Jacob Asch aus Los Angeles. Seine weiteren Publikationen waren zwei gemeinsam mit dem Gerichtsmediziner Thomas Noguchi verfasste Medical Thriller, ein Buch über den Film Noir ('Death on the Cheap', 2000), ein Buch über die Rolle der Parapsychologie bei der Aufklärung von Verbrechen ('The Blue Sense', gemeinsam mit dem Soziologie-Professor Marcello Truzzi verfasst und 1991 herausgekommen) und sechs Jacob Asch-Stories.

Der allein stehende Halbjude Asch, ein abgebrühter, zum Zynismus neigender Ex-Reporter des 'L.A. Chronicle', der für sechs Monate ins Gefängnis musste, weil er sich weigerte,der Justiz eine Informationsquelle bekannt zu geben, und daraufhin den Beruf wechselte, ist ein origineller Nachfolger Philip Marlowes, dem man gerne bei der Arbeit zusieht. Im fünften Band 'Nicht immer schweigen Tote' bestreitet Asch ein Auswärtsspiel - in der Wahlheimat seines Erfinders. Der erfolgreiche Maler Gerry McMurtry beauftragt ihn, seine Ex-Frau Lainie und ihren gemeinsamen Sohn Brian aufzuspüren: Er hat die beiden vor acht Jahren verlassen und möchte jetzt unbedingt Brian wiedersehen und sich (frisch verliebt) vergewissern, ob die Ehe überhaupt geschieden wurde. Ein Routinejob für Asch, der die seit geraumer Zeit mit einem Unternehmer namens Simon Fleischer verheiratete Frau in Palm Springs findet und von ihr erfährt, dass der Junge vor fünf Jahren bei einem Autounfall umgekommen ist - die Mutter sass damals am Steuer. Kurz danach verschwinden Gerry und Fleischers labiler Sohn (Lainies Stiefsohn) Donnie am selben Tag - und der Detektiv kommt zu einem scheusslichen Kriminalfall mit Entführung, Kindsmissbrauch und Mord. 'Nicht immer schweigen Tote', einer von Lyons' besten Krimis, wurde mit Eric Roberts als Jacob Asch unter dem Titel 'Slow Burn' für das Fernsehen verfilmt.

Bibliografie:
Jacob Asch-Serie: 'The Dead Are Ciscreet' - 'Tote sind diskret' (1974), 'All God's Children' - 'Alle Kinder Gottes' (1975), 'The Killing Floor' - 'Rendezvous am Schlachthof' (auch unter dem Titel 'Judas & co.', 1976), 'Dead Ringer' - 'Die Freundin des Boxers' (1977), 'Castles Burning' - 'Nicht immer schweigen Tote' (1979), 'Hard Trade' - 'Schmutzige Ernte' (1981), 'At the Hands of Another' - 'Die falsche Stunde' (1983), 'Three With a Bullet' - 'Drei mit einer Kugel' (1984), 'Fast Fade' - 'Ein schneller Abgang' (1987), 'Other People's Money' (1989), 'False Pretenses' (1994). Gemeinsam mit Thomas Nogushi: 'Unnatural Causes' (1988), 'Physical Evidence' (1990).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Januar 2011 ++
 



 

Maas, Peter

(1929-2001)

Peter Maas wurde in New York City als Spross niederländisch-irischer Vorfahren geboren und wuchs in der Upper West Side in einer multikulturellen Umgebung auf. Sein Studium der Politischen Wissenschaften an der Duke University in Durham, North Carolina, schloss er 1949 mit einem Bachelor ab. Danach bildete er sich knapp ein Jahr an der Sorbonne weiter und berichtete nebenher für die Pariser Ausgabe des 'Herald Tribune', bevor er während des Koreakriegs von 1952 bis 1954 freiwillig bei der Navy diente, ohne direkt ins Kriegsgeschehen verwickelt zu werden. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt schrieb er zwei Jahre für das Unterhaltungsressort des Magazins 'Collier's'. Nachdem dessen Publikation im Januar 1957 eingestellt wurde, widmete er sich hauptberuflich dem Hummerfang, bis er 1959 zum Journalismus zurückkehrte. Er arbeitete der Reihe nach für das Magazin 'Look', das NBC-TV-Programm 'David Brinkley's Journal' und die New Yorker Zeitung 'Saturday Evening Post' und wurde weitherum bekannt für seine aufwändige und akribische Recherchearbeit und seinen literarisch anspruchsvollen Reportagestil - in den 60er- und 70er-Jahren gehörte er zu den angesehensten Enthüllungsjournalisten der Vereinigten Staaten.

Während seiner Zeit bei der 'Post' stiess Maas auf die Geschichte des Mafiakillers Joe Vallachi, der die Fronten gewechselt hatte, um für die amerikanische Regierung zu arbeiten bzw. seine Haut möglichst teuer zu verkaufen. Den dreiteiligen in der 'Saturday Evening Post' veröffentlichten Artikel brachte er schliesslich (gegen heftigen Widerstand der Regierung, die es sich mit den italienischen Einwanderern nicht verderben wollte) in Buchform - die 'Vallachi Papers' verkauften sich gegen 3 Millionen mal und wurden mit Charles Bronson in der Hauptrolle verfilmt. Vier Jahre später, 1973, erschien Maas' zweites und ebenso erfolgreiches Sachbuch 'Serpico' um den grundehrlichen NYPD-Cop Frank Serpico, der Kopf und Kragen riskierte, als er seine korrupten Kollegen hochgehen liess.

1994 brachte Maas den meisterhaft gebauten, figurenreichen Spannungsroman 'China White' zu Papier. Der mächtige Triadenboss Y.K. Deng, ein Mann mit gut getarnter verbrecherischer Vergangenheit, befürchtet zu Recht, dass die in wenigen Jahren bevorstehende Rückgabe Hongkongs an China seine Geschäfte empfindlich stören könnte, und sucht deshalb einen neuen Standort, vorzugsweise in New York City. Eine Grossladung reinen Heroins - das berüchtigte "China White" - soll ihm den Weg zu neuem Glanz und Vermögen ebnen. Seine härteste Gegnerin ist die abgebrühte FBI-Drogenfahnderin Shannon O'Shea, doch auch der Mafioso Big Frank Lucano, der um seine Pfründe bangt, ist nicht zu unterschätzen. Eine besonders heikle Aufgabe aber erwartet den New Yorker Anwalt Tom McLean, Sohn eines CIA-Agenten, der vor vielen Jahren bei Dengs Aufstieg eine wichtige Rolle gespielt hat, und seit kurzem Geliebter von Shannon O'Shea: Im Auftrag der Sozietät Needham & Lewis soll er Dengs Interessen vertreten - heftige Gewissenskonflikte sind die Folge.
'China White' ist - wie Nick Tosches' im selben Jahr erschienener Roman 'Die Meister des Bösen' - ein Meilenstein des Mafiathrillers moderner Prägung.

Maas war dreimal verheiratet: Von 1962 bis zu ihrem Unfalltod 1975 mit der Filmproduzentin und Autorin Audrey Gellen, danach mit der Immobilienmaklerin Laura Parkins, von der er sich nach ein paar Jahren scheiden liess, und schliesslich mit der Gastronomin Suzanne Jones. Der Vater zweier Söhne (John-Michael aus erster und Terrance aus dritter Ehe) starb 72-jährig in New York City, wo er den grössten Teil seines Lebens verbracht hatte.

Bibliografie:
Fiction: 'Made in America' - 'Alptraum vom Ruhm' (1979), 'Manhunt' - 'Verrat in Tripolis' (1986), 'China White' - 'China White' (1994);
Non-Fiction: 'The Valachi Papers' - 'Die Valachi-Papiere' (1969), 'Serpico' - 'Serpico' (1973), 'King of Gypsies' (1975), 'Marie: A True Story' (1983), 'In a Child's Name' (1900), 'Killer Spy' (1996), 'Underboss' (1997) ‚The Terrible Hours' - ‚Stunden der Angst' (1999).

++ Erstellt: Juli 2012 ++  


Macchiavelli, Loriano

(*1934; schreibt auch als Jules Quicher)

Loriano Macchiavelli kam in Vergato bei Bologna zur Welt. Er war Schauspieler und Bühnenautor, bevor er 1975 mit Antonio Sarti eine der populärsten Krimifiguren Italiens in die Kriminalliteratur einführte. Zusammen mit Marcello Fois, Carlo Lucarelli und anderen Krimiautoren gründete er 1991 die Autorenvereinigung "Gruppo 13". Er lebt in Bologna.

Antonio Sarti (bzw. Sarti Antonio: Er nennt seinen Namen stets vor dem Vornamen) ist ein etwas phlegmatischer, hoffnungslos altmodischer, von einer chronischen Darmentzündung geplagter und fast pausenlos Espresso schlürfender - vor Fehlern keineswegs gefeiter - Kauz. Unterstützt durch seinen besten Freund, den linken Intellektuellen Rosa, und den alten Grappa-Trinker Pellicano Marruocchi arbeitet er zuerst als Sergente, später als Commissario in Bologna. Die Beziehung zu seinem Vorgesetzten Hauptkommissar Cesare Raimondi ist irreparabel gestört. Sarti wird 1987 erschossen, von seinem Schöpfer auf Drängen des Publikums jedoch bald wieder zum Leben erweckt. Das Besondere an den mit leichter Feder und feiner Ironie erzählten, von liebevoll geschildertem Personal bevölkerten und mit politischen Seitenhieben angereicherten Romanen ist die Art, wie der Erzähler mit seinem Protagonisten umspringt: Ständig kommentiert er dessen Handlungen, ja, er mischt sich gar ins Geschehen, in die Ermittlungen ein.

Die Antonio Sarti-Serie enthält dreissig Romane (drei davon für Jugendliche) und zahlreiche Erzählungen. Im drittletzten Sarti-Krimi 'Unter den Mauern von Bologna' ermittelt der Protagonist einen verwickelten, in die unterirdischen Kanäle und Flüsse führenden und weit in die Vergangenheit zurückreichenden Fall, in dem einer seiner Kollegen gewaltsam ums Leben kommt: Der von Sizilien nach Bologna versetzte Mainardi Zodiaco, genannt Oroscopo, dem man Kontakte zur Mafia nachsagt - und in dessen Wohnung Drogen aufgefunden werden.

Gemeinsam mit Francesco Guccini, dem bekannten, 1940 in Modena geborenen, seit vielen Jahren in Bologna lebenden Cantautore, verfasste Macchiavelli die Benedetto Santovino-Serie - fünf intelligent gebaute Romane mit einer einfühlsam skizzierten Hauptfigur und dichten Schilderungen der kargen apenninischen Bergwelt. Die Reihe beginnt 1939 mit 'Tödliches Gedenken'. In einem kleinen apenninischen Dorf kommt zunächst der Pfarrer, etwas später der Carabinieri-Maresciallo unter unklaren Umständen ums Leben. Benedetto Santovino wird als neuer Maresciallo in die herbe Gegend berufen. Dank seiner hartnäckigen Recherchen gelingt ihm die Aufklärung der beiden Verbrechen, deren Wurzeln im 19. Jahrhundert liegen. 'Tod im Appenin' spielt zwanzig Jahre später: Santovino, mittlerweile in Süditalien tätig, kehrt ins Dorf zurück, um hier seinen Urlaub zu verbringen. Kurz zuvor sind zwei Knaben gestorben - von einer Mine zerfetzt der eine, ertrunken der andere. Die örtlichen Polizisten erweisen sich als Stümper, Santovino beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Zehn Jahre später, 'Die Teufelsgrube': Santovino hat sich nach seiner Pensionierung im Apennin niedergelassen, lebt zurückgezogen in einem kleinen Haus, als ein halbwüchsiger Junge ermordet wird und eine junge Frau verschwindet. Die Spuren führen zu einer Gruppe von Rechtsradikalen, die sich in der Abgeschiedenheit des Apennins im Trainingslager befindet.

Bibliografie:
Antonio Sarti-Serie: 'Le piste dell'attentato' (1974), 'Fiori alla memoria' - 'Tödliches Gedenken' (1975), 'Ombre sotto i portici' - 'Die Mörder von Sanleonardo' (1976), 'Sui colli all'alba' (1976), 'Sequenze di memoria' (1976), 'Passato, presente e chissà' (1978), 'Sarti Antonio, un questurino, una città' (1979), 'Sarti Antonio, un diavolo per capello' (1980), 'Sarti Antonio, caccia tragica' (1981), 'L'archivista' (1981), 'La strage die centauri' (1981), 'Sarti Antonio e l'amico americano' (1983), 'La Balla dalle scarpe di ferro' (1983), 'Rapiti si nasce' (1985), 'Stop per Sarti Antonio' (1987), 'La rosa e il suo doppio' - 'Die Wahrheit der Rose' (1987), 'Sarti Antonio e il malato immaginario' (1988), 'Un poliziotto, una Città' (1991), 'Un triangolo a quattro lati' (1992), 'Partita con il ladro' (1992), 'Sospiro, lamenti e ali di pipistrello' (1994), 'Cos'è accaduto alla signora perbene' (1994), 'La ghironda dagli occhi azzurri' (1994), 'Coscienza sporca' (1995), 'Sgumbéi, le porte della città nascosta' (1998), 'I sotterranei di Bologna' - 'Unter den Mauern von Bologna' (2002), 'Sarti Antonio e l'assassino (gemeinsam mit Sandro Toni, 2004);
Sarti-Kurzgeschichten: 'Sarti Antonio fra gente perbene' (2005), 'Sarti Antonio e i 47 colpi' (2006);
Sarti-Jugendbücher: 'Sarti Antonio e il diamante insanguinato' (1994), 'Sarti Antonio e la ballata per chitarra e coltello' (1994), 'Sarti Antonio e il mistero cinese' (1994).
Als Jules Quicher: 'Funerale dopo ustica' (1989), 'Strage' (1990).
Gemeinsam mit Francesco Guccini: Benedetto Santovino-Serie: 'Macaroni' - 'Der einsame Weg' (1997), 'Un disco die Platters' - 'Tod im Apennin' (1998), 'Questo sangue che impasta la terra' - 'Die Teufelsgrube' (2001), 'Lo spirito e altri briganti' (2002), 'Tango e gli altri' (2008);
'Malastagione' - 'Schlechte Saison' (2011).

++ Erstellt: März 2011 ++
++ Update: Juni 2013 ++
 


MacDonald, Philip

(schrieb auch als Martin Porlock, Anthony Lawless, Oliver Fleming, W.J. Stuart und Warren Stuart)

Philip MacDonald wurde als Sohn des Bühnenautors Ronald MacDonald und der Schauspielerin Constance Robertson in London geboren (wahlweise 1896, 1899, 1900 oder 1901; jedenfalls an einem 5. November); sein Grossvater war der berühmte schottische Dichter und Romancier George MacDonald. Nach der Schulzeit ging Philip zur britischen Armee. Er verbrachte das Ende des Ersten Weltkriegs bei einem Kavallerieregiment in Mesopotamien, später war er unter anderem als Pferdetrainer für die Armee tätig. Anfang der 20er-Jahre begann er zu schreiben. Die ersten beiden (von insgesamt knapp zwei Dutzend) Krimis verfasste er gemeinsam mit seinem Vater, der dafür das Pseudonym Oliver Fleming wählte. 1931, kurz nach seiner Heirat mit der Autorin F. Ruth Howard, ging Philip MacDonald nach Hollywood, um vorrangig (und sehr erfolgreich) als Drehbuchautor für Film und Fernsehen zu arbeiten. Ende der 50er-Jahre gab er das Schreiben endgültig auf. Er starb vermutlich im Dezember 1980 (vielleicht auch erst ein Jahr später) in Woodland Hills, einem Aussenbezirk von Los Angeles.

MacDonalds bedeutendste Krimifigur ist Colonel Anthony Ruthven Gethryn, vielseitig begabter Sohn eines englischen Spitzen-Mathematikers und einer spanischen Künstlerin, ehemaliger Agent des Secret Service und Held des Ersten Weltkriegs. Nach dem Krieg durch eine Erbschaft reich geworden, versucht er sich als Dichter und Maler, schreibt gelegentlich einen Zeitungsartikel und geniesst das Leben, bis er mehr oder weniger zufällig Detektiv wird und fortan heikle Aufträge für das CID (Criminal Investigation Department) von Scotland Yard erledigt. Im ersten Band 'Die Feile' lernt er seine zukünftige Frau Lucia kennen, mit der er sich später auf dem Lande niederlässt und einen Sohn, Allan, hat.

Sieben der elf (von 1924 bis 1959 publizierten, der letzte 21 Jahre nach dem zweitletzten) Gethryn-Krimis sind ins Deutsche übertragen worden. 'Die Totenliste' ist neben 'Die Feile' MacDonalds bekanntester (durch John Huston verfilmter) Roman. Er kreist um eine Liste mit zehn Namen, die der Bestsellerautor Adrian Messenger angefertigt hat - Namen von Männern, die mit ihm im Zweiten Weltkrieg in Indien und Burma gedient hatten und danach durch obskure Unfälle verstorben sind. Als bekannt wird, dass Messengers neuestes - von seinen Kriegserlebnissen handelndes! - Buch kurz vor der Veröffentlichung steht, kommt auch er gewaltsam ums Leben. Anthony Gethryn führt die Ermittlungen durch und kommt, unterstützt durch den pfiffigen Detective Sergeant Seymour von Scotland Yard und den französischen Journalisten Raoul St. Denis, in beharrlicher Kleinarbeit einem psychopathischen Mörder auf die Spur.

Bibliografie:
Anthony Gethryn-Serie: 'The Rasp' - 'Die Feile' (auch unter dem Titel 'Das Haus am Fluss', 1924), 'The White Crow' - 'Die weisse Krähe' (1928), 'The Link' (1929), 'The Noose' - 'Ein Galgen wartet' (1930), 'The Polferry Riddle' (auch unter den Titeln 'The Polferry Mystery' und 'The Choice') - 'Eine Hand stösst zu' (1931), 'The Wraith' (1931), 'The Crime Cunductor' - 'Herr über 100000 Seelen' (1931), 'The Maze' (auch unter dem Titel 'Persons Unknown', 1932), 'Rope to Spare' (1932), 'Warrant for X' (auch unter dem Titel 'A Nursemaid who Disapeared') - 'Haftbefehl für Unbekannt' (auch unter dem Titel 'Ein Amerikaner in London', 1938), 'The List of Adrian Messenger' - 'Die Totenliste' (1959);
Einzelwerke: 'Patrol' (auch unter dem Titel 'The Lost Patrol') - 'Der Tod in der Wüste' (1927), 'The Rynox Murder' - 'Mörder gesucht' (1930), 'Murder Gone Mad' - 'Der Schlächter' (1931), 'Death on my Left' - 'Der Tod steht links' (1933), 'R.I.P. (auch unter dem Titel 'A Menace', 1933), 'The Dark Wheel' (gemeinsam mit A. Boyd Correll, auch unter dem Titel 'Sweet and Deadly', 1948), 'Fingers of Fear' (auch unter dem Titel 'Something to Hide', 1953), 'Guest in the House' - 'Gefährliche Gäste' (1956), 'The Man out of the Rain' (1957), 'Death an Chicanery' (1963).
Als Martin Porlock: 'Mystery at Friar's Pardon' (auch unter dem Titel 'Escape', 1931), 'Mystery in Kensingron Gore' (1932), 'Mystery of the Dead Police' (auch unter den Titeln 'X v. Rex' und 'The Mystery of Mr. X') - 'Das Geheimnis der toten Polizisten' (1933).
Als Anthony Lawless: 'Harbour' (1931), 'Moonfisher' (1931).
Als Warren Stuart: 'The Sword and the Net' (1941).
Als W. J. Stuart: 'Forbidden Planet' (1956).
Als Oliver Fleming (Gemeinsam mit Ronald MacDonald): 'Ambrotox and Limping Dick' (1920), 'The Spandau Quid' (1923).

++ Erstellt: Juli 2012 ++  


Madrid, Juan

(*1947)

Juan Madrid kam in der andalusischen Stadt Malaga zur Welt und lebt seit 1959 in Madrid. Er schloss sein Geschichtsstudium an der Universität Salamanca ab und lehrte daraufhin zeitgenössische Geschichte an der Universität Madrid. In den 80er-Jahren veröffentlichte er vier Krimis, die auch ins Deutsche übertragen wurden. Ab 1995 liess er eine Handvoll weitere Spannuungsromane folgen. Darüber hinaus arbeitet er seit vielen Jahren als Filmemacher und Journalist - die Mehrzahl seiner Artikel über politische Skandale ist in der Wochenzeitung 'Cambio 16' erschienen. Aufgrund seiner kommunistischen Gesinnung sass Juan Madrid unter Franco im Gefängnis.

Acht der neun Krimis des früheren Boxers - "Ich war bestimmt der einzige Boxer, der Kafka gelesen hat" - Juan Madrid drehen sich um den lizenzlosen Gelegenheitsdetektiv, Ex-Boxchampion und Ex-Polizisten Antonio Carpintero, genannt Toni Romano, eine trotz ihrer Verwandtschaft mit Philip Marlowe eigenständige Figur, die sich im Sumpf des nächtlichen Madrids vorzüglich auskennt. Eine wichtige Rolle spielt die Madrider Altstadt mit ihren düsteren Treppenhäusern und trostlosen Spelunken, mit ihren Dealern, Nutten und linken Intellektuellen.

Juan Madrids schnörkelloser, actiongeladener Noir-Roman 'Nichts zu machen' ist die Geschichte des gealterten Ganoven Silverio Roca. Dieser war ein gefragter Fahrer (Banküberfälle, Transporte gefährlicher Ware), bis er in eine Falle gelockt wurde. Nach zwei Jahren Gefängnis wieder auf freiem Fuss, kehrt er in die spanische Hauptstadt zurück, um Rache zu üben an seinen einstigen Komplizen.

Bibliografie:
Toni Romano-Serie: 'Un beso de amigo' - 'Ein freundschaftlicher Kuss' (1980), 'Las aparencias no enganan' - 'Der Schein trügt nicht' (1981), 'Regalo de la casa' - 'Ein Geschenk des Hauses' (1986), 'Cuentas pendientes' (1995), 'Mujeres & mujeres' (1996), 'Grupo de noche' (2003), 'Adios princesa' (2008), 'Bares nocturnos' (2009);
'Nada que hacer' - 'Nichts zu machen' (1986).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: März 2014 ++
 


Magnan, Pierre

(1922-2012)

Pierre Magnan wurde in Manosque (Basses Alpes, Provence) geboren und wuchs auch dort auf. Mit zwölf verliess er die Schule und arbeitete dann acht Jahre als Typograf bei einer lokalen Druckerei. In dieser Zeit lernte er seinen Mentor und väterlichen Freund, den berühmten, ebenfalls aus Manosque stammenden Schriftsteller Jean Giono kennen. 1943 verweigerte er den Kriegsdienst, flüchtete in das Departement Isère und schloss sich dort der Résistence an. Kurz nach Kriegsende veröffentlichte Magnan seinen ersten Roman 'L'aube insolite'. Als es sich zeigte, dass er vom Schreiben nicht leben konnte, wurde er 1949 Angestellter eines Unternehmens für Kühltransporte. In seiner Freizeit verfasste er weitere Romane, die jedoch keinen Verleger fanden. Im Jahr 1976, nachdem er seine Stelle wegen Sparmassnahmen verloren hatte, unternahm Magnan einen zweiten ernsthaften Versuch als Romancier, diesmal im Krimigenre - und reüssierte bereits mit seinem ersten Titel 'Le sang des Artrides', dem ersten Titel der Kommissar Laviolette-Serie.

Magnans 1977 begonnene und 2010 beendete, neun Romane und den Erzählband 'Kommissar Laviolettes Geheimnis' (1992) umfassende, dem klassischen britischen Gruselkrimi verpflichtete Krimiserie dreht sich um den kauzigen Kommissar Laviolette ("Maigret des Südens"), einen hedonistischen, scharfsinnigen, kurz vor der Pensionierung stehenden (bzw. im Fortgang der Serie in den Ruhestand tretenden) Gemütsmenschen, der vor vielen Jahren aufgrund von linkspolitischen Aktivitäten in das Städtchen Digne in die Haute-Provence strafversetzt worden ist, wo es ihm ganz ausgezeichnet gefällt. Er löst seine Kriminalfälle in enger Zusammenarbeit mit dem ebenfalls nach Digne abgeschobenen Untersuchungsrichter Chabrand, mit dem er gut befreundet ist.

Ausserhalb der Laviolette-Serie veröffentlichte Magnan 1984 den düsteren Roman 'Das ermordete Haus' - ein Meilenstein der zeitgenössischen französischen Spannungsliteratur. Die Geschichte um eine viele Jahre zurückliegende Tragödie spielt in der Haute-Provence unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkriegs. Séraphin Monge, als Säugling einziger Überlebender eines Massakers, dem seine ganze Familie zum Opfer gefallen ist, im Waisenhaus aufgewachsen, den Schützengräben des Ersten Weltkrieges entronnen, kehrt in sein Heimatdorf zurück, reisst sein Elternhaus eigenhändig Stein um Stein nieder in der Hoffnung, endlich dahinter zu kommen, was vor 23 Jahren geschehen ist.

Magnans Spätwerke - die Memoiren 'Apprenti' (2003) und 'Un monstre Sacré' (2004) und der historische Spannungsroman 'Chronique d'un Chateau hanté' (2008), der zwischen der Zeit der grossen Pestepidemie 1348-1350 und dem Jahr 1910, dem Vorabend des Ersten Weltkriegs, spielt -, aber auch das Giono-Porträt 'Pour saluer Giono', die drei letzten Laviolette-Bände und der zweite Séraphin Monge-Roman 'Le mystere de Séraphin Monge' (in diesem Buch begegnet der Leser einem jungen Widerstandskämpfer namens Laviolette) sind nicht auf Deutsch erhältlich.

Pierre Magnan lebte fast immer in Forcalquier, in der Nähe seines Geburtsorts, und verbrachte dort seinen Lebensabend mit Lesen, Schreiben, Spaziergängen, der Pflege seiner schönen Homepage und dem Kosten von südfranzösischen Rotweinen. 2010 verliess er seine geliebte Heimat und bezog Wohnsitz in der Kleinstadt Voiron, Departement Isère, wo er 89-jährig starb. Er hinterliess seine zweite Frau, die er 2004, zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau, geheiratet hatte.

Bibliographie:
Kommissar Laviolette-Serie: 'Le sang des Atrides' - 'Das Zimmer hinter dem Spiegel' (1977), 'Le commissaire dans la truffière - 'Laviolette auf Trüffelsuche (1978), 'Le secret des Andrônes' - 'Tod unter der Glyzinie' (1979), 'Le tombeau d'Helios' - 'Tod in Bronze' (1980), 'Les charbonniers de la mort' (1982), 'Les courriers de la mort' - 'Der Mörder mit der schönen Handschrift' (1986), 'Les enquètes de commissaire Laviolette' (1991), 'Le parme convient à Laviolette' (1999), 'Elégie pour Laviolette' (2010);
Séraphin Monge-Romane: 'La maison assassinée - 'Das ermordete Haus' (1984), 'Le mystere de Séraphin Monge' (1990);
'Chronique d'un Château hanté' (2008).

++ Erstellt: März 2011 ++
++ Update: Juni 2012 ++
 


Maitland, Barry

(*1941)

Geboren in der südwestschottischen Stadt Paisley, aufgewachsen in London, studierte Barry Maitland Architektur an der Cambridge University und arbeitete danach in diesem Beruf. Später machte er einen Abschluss in Städteplanung an der University of Sheffield, wo er auch unterrichtete und Fachbücher schrieb. 1984 wanderte er nach Australien aus. Er wurde Leiter der Architekturschule an der University of Newcastle, New South Wales, eine Position, die er bis ins Jahr 2000 innehielt. Nachdem er bereits sechs Jahre zuvor als Krimiautor debütiert hatte, machte er nun das Schreiben zu seinem Hauptberuf. Er lebt im Hunter Valley, New South Wales.

Detective Chief Inspector David Brock und seine Kollegin Detective Sergeant Kathy Kolla bilden das Fundament in Maitlands 1994 begonnener Serie von bislang zwölf Romanen, die jedes Mal in einem anderen Winkel Londons angesiedelt sind. Zum Team gehören auch der unglückliche Familienvater Detective Inspector Bren Gurney, der attraktive Forensiker Leon Desai, mit dem Kathy eine kurze Affäre hat, und ein paar andere Polizisten.

David Brock, ein massiger Mann mit einem grauen Bart, geschieden, arg vereinsamt und Vater eines Sohnes, den er schon lange nicht mehr gesehen hat, ist Leiter einer Einheit zur Ermittlung von Schwerverbrechen bei Scotland Yard. Er verfügt über eine enorme Berufserfahrung und gilt als schwierig. Seine neue Mitarbeiterin ist Kathy Kolla, eine feinfühlige und instinktsichere, etliche Jahre jüngere Frau, die ihre Eltern als Teenager verloren hat: Der Vater, ein kaltherziger, geldgieriger Beamter in hoher Position, war in Betrügereien verstrickt und beging Selbstmord, als diese aufgedeckt zu werden drohten; die Mutter verlor daraufhin jeden Lebensmut, begann zu kränkeln und starb zwei Jahre nach ihrem Mann.

Zwischen den beiden gegensätzlichen Polizeibeamten, über deren Lebenslauf und Privatleben man wenig erfährt, entsteht eine starke, von gegenseitiger Wertschätzung geprägte - jedoch weitgehend aufs Berufsleben beschränkte - Beziehung, und Kathy, die im Fortgang der Reihe immer stärker in den Mittelpunkt rückt, entwickelt sich zu einer erstklassigen Ermittlerin und wird schliesslich zum Detective Inspector befördert.

Ausgeklügelte Handlungsführung, vielschichtige, mit städtebaulichen Ausführungen gespickte Milieuschilderungen und die detaillierte Beschreibung der Polizeiarbeit sind die Stärken des in Australien hoch angesehenen, im deutschsprachigen Raum (wo seine drei ersten Bücher als hässlich aufgemachte Taschenbücher erschienen sind) kaum wahrgenommenen Autors, der 2008 mit dem Einzelwerk 'Bright Air' erstmals einen in seiner Wahlheimat spielenden Roman herausgegeben hat.

Bibliografie:
David Brock & Kathy Kolla-Serie: 'The Marx Sisters' - 'Die Marx-Schwestern' (1994), 'The Malcontenta' - 'Ein Hauch von Angst' (1995), 'All My Enemies' - 'Madonna ohne Gesicht' (1996), 'The Chalon Heads' (1999), 'Silvermeadow' (2000), 'Babel' (2002), 'The Verge Practise' (2004), 'No Trace' (2006), 'Spider Trap' (2007), 'Dark Mirror' (2009), 'Chelsea Mansions' (2011), 'The Raven's Eye' (2013);
'Bright Air' (2008).

++ Erstellt: Januar 2011 ++
++ Update: Mai 2013 ++
++ Update Oktober 2013 ++
 


Maldonado, Pierre

(1948-2009)

Das Leben des 61-jährig in Frankreich verstorbenen Autors Pierre "Maldo" Maldonado liegt zu weiten Teilen im Dunkeln. 1948 in der westalgerischen Küstenstadt Oran geboren, in den 80er- und 90er-Jahren Lehrer für französische und ausländische Literatur am Lycée Albert Camus bei Nantes, veröffentlichte der verheiratete Familienvater von 1976 bis 2008 acht Spannungsromane, unter ihnen 'Le septième cercle', sein erstes und bekanntestes Werk, das - unter dem Titel 'Der siebte Kreis' - als einziges auch auf Deutsch vorliegt. In seinem zweiten Roman 'La lumière et la nuit', für den er lange Zeit vergebens einen Verleger suchte, befasst sich Maldonado auf 700 Seiten intensiv mit den sozialen und psychologischen Folgen des Algerienkriegs, ein Thema, das ihn jahrelang verfolgt hat.

'Der siebte Kreis', angesiedelt in der Atlantik-Provinzstadt Nantes und erzählt aus der Perspektive des algerisch-stämmigen Nachtclubbesitzers Roger Vargas, eines glücklich verheirateten, jedoch zerrissenen, immer wieder von wüsten Kriegserinnerungen heimgesuchten Mannes, dreht sich um den Selbstmord der vergnügungssüchtigen 23-jährigen Schönheit Katarin "Kate" Madec, der das Ehepaar Vargas seit vielen Jahren zugeneigt war. Wichtige Rollen spielen drei von Kates ungezählten Liebhabern - der Jazzpianist Vincent Farel, der seinen Beruf nach einem schweren, selbst verschuldeten Unfall aufgeben musste, sein Nebenbuhler Eric Sinclair, ein begüterter, mit der unheilbar krebskranken Liz verheirateter Anwalt und leidenschaftlicher Kunstsammler, und Vargas' Schwager, der berühmte Architekt Laurent Braun, der sich in der Mitte des Buches eine Kugel in die Schläfe jagt; sowie der integre Ex-Polizist und Privatermittler David Carles, ein Meister seines Fachs, der von Kates betagtem Vater Erwan Madec engagiert wird, damit er Licht ins Dunkel bringt.

Um diese scharf und einfühlsam gezeichneten Figuren entwickelt der Autor seine schnelle, schlakenfreie, der angloamerikanischen "hardboiled school" verpflichtete, von einer düster-melancholischen Stimmung durchdrungene Geschichte um Geldgier, Eifersucht und Sex. Der Titel bezieht sich auf ein wertvolles Gemälde, das seinem Besitzer abhanden gekommen ist - ein Diebstahl, der am Ursprung der tragischen Geschehnisse steht; und natürlich auch auf Dantes 'Divina Comedia', in der sich jene Sünder im siebten Kreis befinden, die sich gegen Gott aufgelehnt haben: Die Tyrannen, die Mörder - und die Selbstmörder.

Bibliografie:
'Le septième cercle' - 'Der siebte Kreis' (1976), 'La lumière et la nuit' (1987), 'Le petit flambeur' (1988), 'Un été espagnol' (1990), 'Tristezza' (1997), 'L'homme qui aimait Clélia' (1997), 'Une sale histoire' (2001), 'La dernière aube' (2008).

++ Erstellt: Dezember 2013 ++  


Maling, Arthur

(1923-2013)

Arthur Maling, geboren und aufgewachsen als einziges Kind von jüdisch-deutschen Immigranten in Chicago, Illinois, besuchte dort die Francis W. Parker School. Nach seinem 1944 an der Harvard University brillant abgeschlossenen Studium, der Militärdienstzeit bei der US Navy während des Zweiten Weltkriegs und einer knapp zweijährigen Reportertätigkeit beim 'San Diego Journal' arbeitete er über zwanzig Jahre als Geschäftsführer einer Schuhverkaufskette, die seine Eltern mitbegründet hatten. Ende der 60er-Jahre begann er zu schreiben. Nach der Publikation von 14 Krimis trat er 1988 in den Ruhestand. Er starb 90-jährig in seiner Wohnung im John Hancock Center, dem berühmten Chicagoer Wolkenkratzer, und hinterliess zwei Kinder, Michael und Gina, die seiner geschiedenen Ehe mit Beatrice Goldberg entsprungen waren.

Die Mehrzahl von Malings Kriminalromanen, unter ihnen die fünf Bände um den detektivisch tätigen Sicherheitsexperten Brock Potter von der New Yorker Anlageberatung 'Price, Potter & Petacque', sind in der amerikanischen Geschäfts- und Finanzwelt angesiedelt.

Der Standalone 'Die Rheingold-Route' gilt als Malings stärkstes Garn. Die Hauptrollen spielen John Cochran, ein Vietnamveteran und früherer Steuerfahnder im Finanzministerium mit tragischer Vergangenheit, der für eine kleine, obskure Organisation grosse Geldsummen von England nach Genf schmuggelt, und sein Gegenpart, der psychopathische Gangster Kenneth O'Rourke. Ihre Wege kreuzen sich, als Cochran von einem skrupellosen Rechtsanwalt engagiert wird, um das sich auf 350'000 Pfund belaufende Erbe eines Klienten über die legendäre Rheingold-Route illegal in die Schweiz zu transferieren - und O'Rourke im Auftrag desselben Anwalts Cochran um das Geld erleichtern soll. Die sauber gebaute, mit trockenem Humor erzählte und einer hübschen Liebesgeschichte geschmückte Geschichte wird abwechslungsweise aus der Sicht der beiden Protagonisten erzählt.

Bibliografie:
'Decoy' (1969), 'Go-Between' (auch unter dem Titel 'Lambert's Son', 1970), 'Loophole' - 'Mord ist nicht steuerfrei' (1971), 'The Snowman' (1973), 'Dingdong' (1974), 'Bent Man' - 'Die Komplizin' (1975), 'The Rheingold Route' - 'Die Rheingold-Route' (1979), 'From Thunder Bay' - 'Tod kennt keine Grenzen' (1981), 'Lover and Thief' (1988);
Brock Potter-Serie: 'Ripoff' - 'Wenn du redest, bist du tot' (1976), 'Schroeder's Game' - 'Eine Aktie auf den Tod' (1977), 'Lucky Devil' - 'Manipulationen' (1978), 'The Koberg Link' - 'Tiger im Keller' (1979)' 'A Taste of Treason' (1983).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Mansfield, Paul H.

(1922-?)

Paul H. Mansfield kam auf Trinidad, British West Indies, zur Welt und wuchs auch dort auf. Nach der Schulzeit engagierte er sich in ganz unterschiedlichen Berufen. Er war technischer Zeichner bei der amerikanischen Luftwaffe und Leiter des Gerätearchivs eines US Marinestützpunktes auf Trinidad, arbeitete als Gebrauchsgrafiker, Journalist, Presse- und Polizeifotograf, betätigte sich als Funker bei einer Fluggesellschaft, betreute eine Zweigstelle des Reiseunternehmens Thomas Cook & Son im englischen Southampton und wandte sich schliesslich der Hotellerie auf Trinidad zu. Mansfield war aber auch ein leidenschaftlicher Fotograf und erlangte mit seinen Bildern internationales Ansehen. Darüber hinaus veröffentlichte er technische Artikel und Zeichungen in verschiedenen britischen Magazinen - sowie, im Jahr 1957, den Krimi 'Gefährliches Dunkel'.

Im Mittelpunkt des figurenreichen, auf der fiktiven westindischen Insel San Rafael spielenden Romans steht der Gutsbesitzer George Burnley, der mit seiner Frau, der reichen, biestigen Vanessa, eine miese Ehe führt. Er hat sich vor kurzem in die verführerische Patricia Leighton verliebt und möchte jetzt mit ihr zusammenleben, doch Vanessa willigt nicht in die Scheidung ein. Dies ist die Ausgangslage, als Vanessa auf der kleinen Insel, wo jeder jeden kennt, eine grosse Sylvesterparty gibt. Seltsamerweise hat sie ihren Butler angewiesen, um fünf nach zwölf während fünf Minuten das Licht auszuschalten, damit ein befreundetet Fotograf in der Dunkelheit Aufnahmen machen kann - und in dieser Zeit wird sie erschlagen. Der örtliche Polizeichef Mark Caldwell, einer der Gäste der Getöteten, und der dunkelhäutige Lieutenant Arrow nehmen die Ermittlungen in die Hand. Die Zahl der Verdächtigen ist gross, Eifersucht, enttäuschte Liebe und Hass stehen als Motive im Vordergrund, doch am Schluss nimmt der Fall eine verblüffende Wendung. Mansfield zeichnet in der spannenden, psychologisch stimmigen Geschichte ein farbiges Bild der exotischen Insel und ihrer Bewohner.

Die Spuren des vielseitigen und weit gereisten Mannes, der offenbar keine weiteren Romane publiziert hat, verlieren sich Anfang der 60er-Jahre. Es ist nicht bekannt, ob er noch am Leben ist.

Bibliografie:
'Final Exposure' - 'Gefährliches Dunkel' (1957).

++ Erstellt: April 2011 ++  


Marks, Howard

(1945-2016)

Geboren in Kenfig Hill, einem kleinen Ort in Südwales, als Sohn einer Grundschullehrerin und eines Handelsmarine-Offiziers, ging Howard Marks an die Garw Grammar School im benachbarten Städtchen Pontycymer. Von 1964 bis 1967 studierte er Physik am Oxforder Balliol College und rauchte dort seine ersten Joints, anschliessend besuchte er Studienprogramme in Philosophie. Er verzichtete dann aber auf eine akademische Laufbahn, um sich hauptberuflich dem Cannabis-Schmuggel zu widmen.

Zwölf Jahre später besass Marks offenbar 43 Decknamen, 89 Telefonanschlüsse und 25 Tarnfirmen, in denen Drogengeld gewaschen wurde - Tonstudios, Nachtlokale, eine Privatbank -, versorgte die halbe Welt mit Haschisch und Marihuana und pflegte Kontakte mit der CIA, der IRA, dem MI6, der Mafia, der Yakuza usw. Nachdem er sich 1973 und 1980 in letzter Sekunde den Fängen der Justiz entziehen konnte, wurde er 1988 von American Drug Enforcement Administration (DEA) auf Mallorca verhaftet, an die USA ausgeliefert und dort zu 25 Jahren Haft verurteilt.

Nach sieben Jahren im berüchtigten Bundesgefängnis Terre Haute, Indiana, wurde Marks 1995 auf Bewährung freigelassen und nach Grossbritannien abgeschoben. Wenig später veröffentlichte er seine Autobiografie 'Mr. Nice', die sich mehr als eine Million Mal verkaufte. 1997 startete er seine legendäre Ein-Mann-Show 'An Audience with Mr Nice', mit der er die Welt bereiste, und auch in der Musikbranche und als Kolumnist für angesehene britische Printmedien machte er von sich reden. Darüber hinaus engagierte er sich für die Legalisierung von Cannabis und versuchte sich in der Politik. 2011 veröffentlichte er 'Teufelstanz', den ersten von zwei Kriminalromanen mit der walisischen Polizistin Catrin Price als Protagonistin.

Marks führte ab 1967 eine kurze Ehe mit der lettischen Lehrerin Ilze Kadegis. Seiner zweiten, 1980 geschlossenen und 2005 geschiedenen Ehe mit Judy Lane entsprangen zwei Töchter und ein Sohn, eine weitere (aussereheliche) Tochter hatte er aus einer früheren Beziehung. Er starb 70-jährig in Leeds, West Yorkshire, wo er seine letzten 15 Lebensjahre verbracht hatte. Kurz vor seinem Tod vertonte er mit drei Rockmusikern fünf Gedichte des grossen walisischen Autors Dylan Thomas, die 11 Tage posthum auf Vinyl veröffentlicht wurden.

'Teufelstanz' ist harte Kost. Im Mittelpunkt steht Detective Sergeant Catrin Price aus der walisischen Hauptstadt Cardiff, eine empfindsame, hochintelligente IT-Spezialistin mit stählernen Muskeln, die im Prolog von ihrem heroinabhängigen Lebensretter, Geliebten und Partner beim Drogendezernat Rhys Williams Hals über Kopf verlassen wird, nachdem er den Polizeidienst aufgrund seiner Sucht quittieren musste; damals, als Owen Face - Leadsänger der berühmtesten walisischen Indie Rockband - nach einem Liveact in Cardiff spurlos verschwand.
Nach zwölf Jahren Polizeidienst in London und Reading mit zahlreichen verdeckten Einsätzen in der Sadomaso- und Drogenszene kehrt Catrin nun nach Cardiff zurück - und gleich bei ihrem ersten Einsatz wird Rhys Williams an einem Treffpunkt für Junkies tot aufgefunden. Goldener Schuss oder Unfall, die Polizei legt den Fall zu den Akten. Doch dann erfährt Catrin, dass Rhys vor seinem Tod wie besessen an dem rätselhaften Fall Owen Face gearbeitet hat. Sie lässt sich vom Dienst beurlauben, um die Ermittlungen des Toten auf eigene Faust fortzusetzen - an ihrer Seite der charismatische Produzent von Reality Shows Huw Powell, ein ehemaliger Polizist. Die Spuren führen zu einer Gruppe von einflussreichen, gewalttätigen Okkultisten, mit denen Owen Face in Verbindung zu stehen scheint.
Marks schmückt die raffiniert gebaute, komplexe Geschichte mit plastischen Schilderungen der schillernden walisischen Hauptstadt und des heruntergekommenen Hinterlandes und versorgt den Leser immer wieder mit Insider-Informationen über Drogenhandel und -konsum.

Detective Sergeant Catrin Price-Romane:
'Sympathy for the Devil' - 'Teufelstanz' (2011), 'The Score' (2013).

++ Erstellt: August 2016 ++  


Markson, David

(1927-2010)

David Markson kam als Sohn eines Journalisten und einer Lehrerin in Albany, New York State, zur Welt. Nach dem zweijährigen Militärdienst und seinem Studium, das er am Union College in Schenectady, New York State, absolvierte und an der Columbia University mit einem Master-Titel abschloss, war er als Journalist und im Verlagswesen tätig. Später unterrichtete er Englisch an der Long Island University und der Columbia University.

1952 veröffentlichte Markson ein Sachbuch über Malcolm Lowry, mit dem er befreundet war. Es folgten drei Krimis, ein satirischer Westernroman, sechs weitere, zum Teil experimentelle Romane (der letzte, 'The Last Novel', im Jahr 2007), ein Gedichtband, zahlreiche Kurzgeschichten, Kritiken und Essays. Der Autor lebte kurze Zeit in Mexiko und Spanien, verbrachte jedoch die meiste Zeit seines Lebens in Greenwich Village, New York City, wo er 82-jährig starb. Er hinterliess seine Ex-Frau (und spätere Literaturagentin) Elaine, mit der er ab 1956 zwanzig Jahre verheiratet war, und zwei Kinder.

Harry Fannin, ein hartgesottener New Yorker Privatdetektiv und Kriegsveteran, dessen Körper durch unzählige von Schuss- und Messerverletzungen herrührende Narben verunstaltet ist, steht in zwei - mit zahlreichen literarischen und musikalischen Anspielungen und frechen Sprüchen gespickten - Romanen im Mittelpunkt, sein Viertel ist Greenwich Village. In 'Nachruf auf einen toten Tramp' wird Fannins Gemüt gleich zu Beginn arg durchgeschüttelt. In einer Sommernacht klingelt es bei ihm, eine Frau schleppt sich mit letzter Kraft zu seiner Wohnung hoch - und stirbt in seinen Armen an den Folgen eines Messerstichs. Es ist seine nymphomanische veranlagte Ex-Frau Cathy, die er noch immer liebt. Fannin macht sich auf die Suche nach dem Täter, erfährt, dass ein Schriftsteller, ein Musiker und ein schwuler Fotograf zu Cathys Freunden zählten und dass sie kürzlich in einen bewaffneten Raubüberfall verwickelt war, doch diese Spuren führen ins Leere. Die (nicht völlig überraschende und durchaus plausible) Lösung ist für Harry Fannin - zweifellos einer der eigenständigsten Philip Marlowe-Nachfolger - ein schwer zu verdauender Tiefschlag.

Bibliografie:
Harry Fannin-Romane: 'Epitaph for a Tramp' - 'Nachruf auf einen toten Tramp' (auch unter dem Titel 'Tod um 3 Uhr früh', 1959), 'Epitaph for a Deadbeat' - 'Nachruf auf einen toten Beatnick' (1961);
'Miss Doll, Go Home' (1965).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Marlowe, Dan J.

(1914-1986, schrieb auch als Albert Avellano, Jaime Sandaval und Gar Wilson)

Dan J. Marlowe, geboren in Lowell, Massachusetts, verlor früh seine Mutter und wuchs bei zwei Tanten auf. Er ging in Woburn, Massachusetts, und New London, Connecticut, zur Schule. 1934 machte er einen Abschluss als Buchprüfer an der Bentley School of Accounting and Finance in Boston. 1934 bis 1941 war er stellvertretender Leiter zweier Freizeitclubs in Connecticut, danach vier Jahre Aufseher bei United Aircraft Corp. in Strafort, ebenfalls Connecticut, und schliesslich zwölf Jahre Manager bei der Washington Tobacco Co. in Washington, D.C. Daneben verrichtete er verschiedene Gelegenheitsjobs und war sieben Jahre als professioneller Pokerspieler tätig.

1956, unmittelbar nach dem unerwarteten Tod seiner Frau, verliess er fluchtartig die amerikanische Hauptstadt. Er ging nach New York City, trank Unmengen Alkohol - und begann 1957 zu schreiben. Von 1962 bis 1978 lebte er in der Kleinstadt Harbor Beach, Michigan, wo er sich auch als Rotarier, Stadtrat (1967 bis 1970), Kolumnist, Buchkritiker - und Frauenheld - hervortat.

Der zynische, gewalttätige Berufsdieb und Bankräuber Earl Drake, genannt "The Man With Nobody's Face" (sein Gesicht wird am Ende des ersten Romans entstellt und daraufhin durch einen plastischen Chirurgen rekonstruiert), steht im Mittelpunkt einer rabenschwarzen Serie, die zwischen 1962 und 1976 in zwölf Teilen erschienen ist. Ab dem dritten Band der Reihe ('Operation Fireball', 1969) ist Drake als Sonderagent der amerikanischen Regierung tätig. Dan Marlowe liess sich für die Earl Drake-Serie von seinem kriminellen Freund Al Nussbaum beraten, der 1962 wegen Bankraub in ein Bundesgefängnis gesteckt worden war und Marlowe aus seiner Zelle mit Insiderwissen über Waffen und Alarmsysteme versorgte. Ab 1964 war ihm auch William C. Odell, ein früherer Luftwaffenoberst, beim Recherchieren und Schreiben behilflich.

Bereits vor der Earl Drake-Serie hat Dan Marlowe fünf actiongeladene Krimis um Johnny Killain, den bärenstarken, hart durchgreifenden, von den Frauen begehrten Chefportier und Troubleshooter des Hotels Duarte, New York City, herausgegeben. Von Marlowes Einzelwerken werden 'Geheime Dokumente', 'Den Toten gibt es nicht' und 'Tödliche Rache', alle aus den 60er-Jahren, am höchsten eingestuft.

Als Al Nussbaum nach vierzehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurde, half ihm Marlowe, seine Karriere als Kurzgeschichtenautor in Schwung zu bringen. Im Gegenzug kam Marlowe, nachdem er 1977 plötzlich das Gedächtnis verloren hatte (die Ärzte waren sich über die Ursache der Erkrankung nicht einig, man sprach von einem Hirnschlag, aber auch von einer psychischen Störung), während vier Jahren in den Genuss von Nussbaums Gastfreundschaft in dessen Wohnung in Los Angeles. Er starb 72-jährig in Tarzana, einem Vorort von Los Angeles, wo er die letzten vier Jahre seines Lebens allein in einer kleinen Wohnung verbracht hatte.

Bibliografie:
Johnny Killain-Serie: 'Doorway to Death' - 'Fünf müssen sterben' (1959), 'Killer with a Key' - 'Die Geliebte des Mörders' (1959), 'Doom Service' (1960), 'The Fatal Frails' - 'Johnny und die Rote' (1960), 'Shake a Crooked Town' - 'Johnny räumt auf' (1961);
Earl Drake-Serie: 'The Name of the Game Is Death' (auch unter dem Titel 'Operation Overkill') - 'Das Spiel heisst Tod (auch unter dem Titel 'Dem Abgrund entgegen', 1962), 'One Endless Hour' (auch unter dem Titel 'Operation Endless Hour') - 'Höllenbrut' (auch unter dem Titel 'Die endlose Stunde', 1969), 'Operation Fireball' (1969), 'Flashpoint' (auch unter dem Titel 'Operation Fireball') - 'Gejagt und geschnappt' (1970), 'Operation Breakthrough' - 'Wer hat die Mafiadokumente?' (1971), 'Operation Checkmate' (1972), 'Operation Drumfire' (1972), 'Operation Stranglehold' (1973), 'Operation Whiplash' (1973), 'Operation Hammerlock' (1974), 'Operation Deathmaker' (1975), 'Operation Counterpunch' (1975);
Einzelwerke: 'Backfire' - 'Der grosse Unbekannte' (1961), 'Strongarm' - 'Geheime Dokumente' (1963), 'Never Live Twice' - 'Den Toten gibt es nicht' (1964), 'Death Deep Down' - 'Tod tief unten' (1965), 'The Vengeance Man' - 'Tödliche Rache' (1966), 'Four for the Money' - 'Eine todsichere Sache' (1966), 'The Raven Is a Blood Red Bird' - 'Für Geld alles' (gemeinsam mit William Odell, 1967), 'Route of the Red Gold' - 'Gefährliches Gold' (1967), 'Janie' (1983), 'A Game for Fools' (1984), 'No Witnesses' (1985), 'Calire' (1985), 'The Comeback' (1985), 'Game Day' (1985), 'Redmond's shot' (1985), 'Turk' (1985), 'Small-Town Beat' (1986), 'The Devlin Affair' (1987), 'Double the Glory' (1987), 'The Hitter' (1987), 'Mudder' (1987), 'Sixth Man' (1987), 'Super Upset' (1987), 'Death in Any Language' (1987), 'Pension Plan' (1987), 'Winners and Losers' (1991), 'Cloak and Dagger' (1991), 'Big-Top Tragedy' (1998), 'Deadly Torrent' (1998), 'Quake 8.1' (1998). Als Gar Wilson: 'Guerilla Games' (1982).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Marlowe, Stephen

(geboren als Milton Lesser, 1928-2008; schrieb auch als Adam Chase, Andrew Frazer, Ellery Queen, Jason Ridgway und C. H. Thames)

Milton Lesser kam im New Yorker Stadtteil Brooklyn zur Welt und wollte bereits als kleiner Junge Schriftsteller werden. Während des 1949 abgeschlossenen Philosophiestudiums am College of William & Mary in Williamsburg, Virginia, veröffentlichte er seine erste Sciencefiction-Geschichte. Nach einem kurzen Praktikum bei der New Yorker Literaturagentur Scott Meredith und dem Militärdienst in Korea entschied er sich 1954 für ein Leben als Autor. Ende der 50er-Jahre änderte er seinen Namen und hiess nun offiziell Stephen Marlowe - eine Hommage an Raymond Chandler. Der weit gereiste Autor publizierte gut 50 Romane und gegen 200 Kurzgeschichten: Sciencefiction- und Fantasybücher als Adam Chase, Milton Lesser und C.H. Thames, das Kriminalwerk als Stephen Marlowe, Jason Ridgway, C.H. Thames und Andrew Frazer und fiktionale Biografien als Stephen Marlowe.

Marlowes bedeutendster Krimiheld ist der Ich-Erzähler Chester Drum, genannt Chet: ein ehemaliger Cop und FBI-Agent in seinen Dreissigern (er quittierte den Job bei den "Feds" nach dem ersten Auftrag, weil es ihm schwer fiel, Befehle entgegenzunehmen), ein einzelgängerischer, hartgesottener, intelligenter Privatdetektiv im urbanen Amerika - der nahezu perfekte Philip Marlowe-Klon. Indes: Chet Drum ist zwar wie Marlowe in einer Grossstadt stationiert (in Washington, später kommt ein Büro in Genf hinzu), arbeitet jedoch vornehmlich im Ausland. Lateinamerika, Mekka, Moskau, Rom (in der Zeit der 1960er Olympiade), Berlin (einmal vor und einmal nach der Mauer), Kanada, Island, Madrid usw. sind die Schauplätze, an denen Drum seinen Kriminalfällen (nicht selten geht es um Spionage - es ist die Zeit des Kalten Krieges) nachgeht. Im Roman 'Double in Trouble', den Marlowe zusammen mit Richard Prather verfasste, sind Chet Drum und Prathers Protagonist Shell Scott gemeinsam in Aktion zu sehen.

'Geheimakte: Spanisches Gold', der letzte Band der 20-teiligen Serie, dreht sich um die Goldreserve der spanischen Republikaner, die diese in Moskau in Sicherheit brachten, als klar war, dass Franco seine Revolution gewinnen würde - ihr Wert beläuft sich auf fast eine Milliarde Dollar. Chets alter Freund Axel Spade, ein mit allen Wassern gewaschenes Finanzgenie, ist hinter dem Goldschatz her, doch auch eine russische Geheimorganisation beteiligt sich an der Jagd auf das riesige Vermögen. Damit Chet den Russen bei der Suche nach dem Gold behilflich ist, entführen sie seine grosse Liebe Marianne. Chet heftet sich auf Spades Fährte, die Ermittlungen führen ihn über Jugoslawien in die Schweiz, nach Genf.

Die beiden Romane um den New Yorker Privatdetektiv Duncan Pride sind unter dem Pseudonym Andrew Frazer, die kleine Serie um Brian Guy, den leitenden Ermittler der Truppe "Ripley's Believe It Or Not!" (BION), unter dem Pseudonym Jason Ridgway herausgekommen. Nach Abschluss seiner Serien verfasste Marlowe einige komplexe Polit- und Spionagethriller, darunter 'The Valkyrie Encounter', der das Attentat auf Hitler im Juli 1944 zum Thema hat, anschliessend fiktionale Biografien von Christopher Columbus (1987), Miguel de Cervantes (1991) und Edgar Allan Poe (1995).

Marlowe war von 1950 bis 1962 mit der Psychologin Leigh Lang verheiratet und hatte mit ihr zwei Töchter. 1964 vermählte er sich mit der kanadischen Lektorin Ann Humbert. Er lebte mit ihr in Frankreich, Spanien, der Schweiz und in Williamsburg, wo er 79-jährig nach einer langwierigen Knochenmarkserkrankung starb. Seine Autobiografie konnte er kurz vor seinem Tod beenden.

Bibliografie (nur Krimis):
Chester Drum-Serie: 'The Second Longest Night' (1955), 'Mecca for Murder' (1956), 'Killers Are My Meat' - 'Comeback eines Killers' (1957), 'Murder is My Dish' (1957), 'Trouble is My Name' (1957), 'Violence is My Business' (1958), 'Terror is My Trade' (1958), 'Double Trouble' (gemeinsam mit Richard Prather, 1959), 'Homicide is My Game' (1959), 'Danger is My Line' (1960), 'Death is My Comrade' (1960), 'Peril is My Pay' (1960), 'Manhunt is My Mission' (1961), 'Jeopardy is My Job' - 'Leiche in bester Gesellschaft' (1962), 'Francesca' (1963), 'Drumbeat - Berlin' (1964), 'Drumbeat - Dominique' - 'Mord an einem Toten' (1965), 'Drumbeat - Madrid' - 'Abenteuer in Spanien' (1966), 'Drumbeat - Erica' - 'Mord gefällig?' (1967), 'Drumbeat - Marianne' - 'Geheimakte spanisches Gold' (1968);
'Catch the Brass Ring' (1954), 'Model For Murder' - 'In letzter Sekunde' (1955), 'Turn Left for Murder' (1955), 'Dead on Arrival' (1956), 'Blonde Bait' (1959), 'Passport to Peril' (1959), 'The Shining' (1961), 'The Search for Bruno Heidler' (1966), 'Come Over, Red Rover' (1968), 'The Summit' - 'Als Bogutin die Stadt verliess' (1970), 'Colossus' (1974), 'The Man with No Shadow' (1974), 'The Cawthorn Journals' (auch unter dem Titel 'Too Many Chiefs', 1975), 'Translation' - 'Die Stadt und der Fluch' (1976), 'The Valkyrie Encounter' (1978), 'Deborah's Legacy' (1983).
Als Andrew Frazer: Duncan Pride-Serie: 'Find Eileen Hardin - Alive!' (1959), 'The Fall of Marty Moon' - 'Der Fall Marty Moon' (1960).
Als Jason Ridgway: BION-Serie: 'Adam's Fall' - 'Adams Fall' (1960), 'People in Glass House' (1961), 'Hardly a Man Is Now Alive' - 'Das seltsame Sanatorium' (1961), 'The Treasure oft the Cosa Nostra' - 'Schweig oder stirb' (1966).
Als C.H. Thames: 'Violence Is Golden' - 'Verfluchtes Gold' (1956), 'Blood of My Brother' (1963).

++ Erstellt: August 2011 ++  


Marshall, William

(*1944, schreibt auch als Donald Lancaster)

William Leonard Marshall, geboren in Sydney, ausgebildet an der Australian National University in der australischen Hauptstadt Canberra, lebte Ende der 60er-Jahre in Hongkong, wo er heiratete - und sich für seine Yellowthread Street-Romane inspirieren liess. Nach längeren Aufenthalten auf den Philippinen, in der Schweiz, Australien und Irland verbrachte er die späten 80er- und einen grossen Teil der 90er-Jahre in den USA, New York City, Los Angeles, Philadelphia waren dort seine wichtigsten Stationen. Ende der 90er-Jahre kehrte er mit seiner Frau Mary nach Australien, in die Gegend von Brisbane, zurück. Über den derzeitigen Wohnsitz des Autors, der seit 1998 offenbar keine Bücher mehr veröffentlich hat, gibt es keine verlässlichen Angaben.

Marshall arbeitete unter anderem als Journalist, Lehrer, Korrekturleser, Bühnenautor und in einem Beerdigungsinstitut. Von 1975 bis 1998 veröffentlichte er die 16-teilige Yellowthread Street-Serie. Als Hauptakteure figurieren der kluge Detective Chief Inspector Harry Feiffer, ein Europäer, der in Hongkong aufwuchs, seine rechte Hand Senior Inspector Christopher O'Yee (er ist halb Ire, halb Chinese) und das nicht besonders helle Inspektoren-Gespann Bill Spencer und Phil Auden; sie sind Kriminalbeamte des Yellowthread Street-Reviers im fiktionalen Hong Bay District von Hongkong ("Hong Bay befindet sich an der Südspitze der Insel, und in den Touristenführern steht, dass es nicht ratsam ist, diese Gegend nach Einbruch der Dunkelheit zu betreten" - Zitat William Marshall) und müssen wahrlich viel Unbill erdulden bei ihrer Arbeit für die Royal Hong Kong Police: Bombenkrachen, einen Tierschlächter, kreischende Wände im Polizeirevier, Grossindustrielle, die sich selbst die Augäpfel ausreissen, mordende Riesentiere, einen Angriff von "untoten" japanischen Soldaten gar. Marshall erzählt seine raffiniert gebauten, an Slapstick- und Horrorszenen reichen Geschichten mit raschen Perspektivenwechseln und einem gerüttelt Mass rabenschwarzen Humors.

Von Marshalls weiteren acht Romanen, die in New York, Shanghai oder auf den Philippinen spielen, ist einzig 'Manila Bay' ins Deutsche übersetzt worden, ein Feuerwerk aus skurrilem Witz und alptraumhaften Szenen. Drei scheinbar unabhängig voneinander in der philippinischen Hauptstadt Manila operierende Polizisten (sowie der legendäre einbeinige Kampfhahn Battling Mendez) stehen im Brennpunkt des Geschehens: Lieutenant Felix Elizalde, der einer Mordserie in der Hahnenkampfszene auf den Grund geht; Detective Sergeant Babtiste Bontoc, Nachfahre von Angehörigen eines Kopfjägerstammes, der verdeckt in einem Dinosaurierpark arbeitet; und Detective Jesus-Vincente Ambrosio, auf der Jagd nach einem Dieb, der selbst gebastelte Stinkbomben in Taxis wirft, um reiche Touristen auszurauben. Und ganz am Schluss erst fügt sich alles wundersam zusammen.

Bibliografie:
Yellowthread Street-Serie: 'Yellowthread Street' (1975), 'The Hatchet Man' - 'Der Kino-Killer' (1976), 'Gelignite' - 'Bombengrüsse aus Hongkong' (1976), 'Thin Air' - 'Dünne Luft' (1977), 'Skulduggery' - 'Das Skelett auf dem Floss' (1979), 'Perfect End' - 'Die Katze frisst den Schmetterling' (1981), 'Sci Fi' - 'Feuerkiller' (1981), 'War Machine' - 'Die Ehre der Kämpfer' (1982), 'The Far Away Man' (1984), 'Roadshow' - 'Hongkong Roadshow' (1985), 'Head First' - 'Postlagernd Jenseits' (1986), 'Frogmouth' - 'Froschmaul' (1987), 'Out of Nowhere' (1988), 'Inches' - 'Last Exit: Hongkong' (1994), 'Nightmare Syndrome' - 'Hongkongcrash' (1997), 'To the End' (1998);
Manila Bay-Romane: 'Manila Bay' - 'Manila Bay' (1986), 'Whisper' (1988);
New York Detective-Romane: 'The New York Detective' (1989), 'Faces in the Crowd' (1991);
Twentieth Century-Romane: 'The Age of Death' (1970), 'The Middle Kingdom' (1971);
Einzelwerke: 'The Age of Death' (1969), 'Shanghai' (1971).
Als Donald Lancaster: 'The Sandbaggers' (1980).

++ Erstellt: Februar 2011 ++  


Martin, Andreu

(*1949)

Andreu Martin wurde in Barcelona geboren, wo er heute mit seiner Familie lebt. Nach dem Psychologiestudium an der Universität Barcelona begann er (teils auf Spanisch, teils auf Katalanisch) Comics, Fotoromane, Reportagen, Kurzgeschichten und Literaturkritiken zu schreiben. Daneben arbeitete er für Theater, Film und Fernsehen und als Übersetzer aus dem Französischen (unter anderem der Krimis von Jean-Patrick Manchette). Seit 1987 gibt er zusammen mit Jaume Ribera die erfolgreiche Jugendkrimireihe um den Schülerdetektiv Flanagan heraus.

International bekannt wurde Andreu Martin, der Meister der "Novela Negra", mit seinen anspruchsvollen, atmosphärisch dichten, in der katalanischen Hauptstadt Barcelona angesiedelten Spannungsromanen, in denen die Allgegenwart der Gewalttätigkeit in der modernen Gesellschaft das grosse Thema darstellt, am drastischsten behandelt in 'Aus Liebe zur Kunst', einem Roman über perverse Auswüchse von Konzept-Kunst.

'Isabels Clou' handelt von Isabel Corominas, einer jungen, idealistischen Anwältin, die als Pflichtverteidigerin des süchtigen Drogenkuriers Jaime Sayagues ihren ersten Fall übernimmt. Im Verlauf ihrer Ermittlungen verstrickt sie sich immer tiefer in die kriminellen Machenschaften ihres Mandanten. Sie legt sich mit Jaimes 'Arbeitgebern' an, fälscht Entlastungsmaterial - bis sich die Katastrophe nicht mehr abwenden lässt: Jaime beisst ins Gras.

'Hammerschläge' erzählt die düstere Geschichte des arbeitslosen Underdogs Benito Sanchez Muzas, der im Zahlenlotto 426 Millionen Peseten gewonnen hat. Wie geht Sanchez mit seinem neuen Reichtum, seiner neuen Identität um? Er erwirbt Statussymbole sonder Zahl, kauft Menschen, verfällt dem Wahnsinn, beginnt zu morden; und er bezahlt mit seinem Leben.

In 'Barcelona Connection' untersucht der junge Polizeiinspektor Francisco Huertas, ein unbestechlicher (bereits aus 'Hammerschläge' bekannter) Ermittler, der in seiner Freizeit mit seinem Sohn Oscar ein Raumschiff baut, den Mord an drei angesehenen Geschäftsleuten. Seine hartnäckigen Recherchen stossen jedoch nicht überall auf Gegenliebe - Huertas gerät in Lebensgefahr.

In 'Don Jesus in der Hölle' begibt sich Don Jesus Alguer, ein zurückgezogen in einem Pyrenäen-Kuhdorf lebender Landwirt auf die Suche nach seinem Schwager Pedro, der dummerweise einen Spielschuppen überfallen hat, und gerät in die Hölle: in Barcelonas von Dealern, korrupten Bullen, Huren, Spekulanten (Olympia 1992 steht unmittelbar bevor) bevölkerte Unterwelt.

Mit 'Die Stadt, das Messer und der Tod', Martins von manchen Kritikern am höchsten eingestuften Spannungsroman, führt der Autor das Genre des Serienkiller-Thrillers ad absurdum. Die alptraumhafte, in zwölf locker miteinander verknüpfte Kapitel gegliederte (aus zwölf Perspektiven erzählte) Geschichte, ein Potpourri aus blutrünstigen und komischen, beklemmenden und spöttischen Passagen, dreht sich vordergründig um einen Psychopathen, den so genannten Messermann, der durch die Gassen der katalanischen Metropole schleicht, um mit einem Rasiermesser scheinbar wahllos Frauen aufzuschlitzen. Vielleicht gibt es aber auch mehr als einen Mörder - oder vielleicht ist alles bloss eine wilde Phantasie.

Bibliografie:
'Aprende y calla' (1979), 'El senor Capone no esta en casa' (1980), 'A la vejez, novajodos' (1980), 'Prothesis' (1980), 'Por amor del arte' - 'Aus Liebe zur Kunst' (1982), 'Si es no es' - 'Bis dass der Mord euch scheidet' (1983), 'La camisa del reves' (1983), 'Hay amores que maten, y que?' (1984), 'El caballo y el mono' - 'Isabels Clou' (1984), 'Sucesos' (1984), 'Memento de difuntos' (1986), 'El dia Menos Pensado' (1986), 'A martillazos' - 'Hammerschläge' (1987), 'Barcelona Connection - 'Barcelona Connection' (1988), 'Jesus a l'infern' - 'Don Jesus in der Hölle' (1990), 'El Hombre de la Novaja - 'Die Stadt, das Messer und der Tod' (1992), 'E viejo que jugaba a matar indios' - 'Der Alte, der Indianertötem spielte' (1996).
Gemeinsam mit Jaume Ribera: 'El cartero siempre llama mil veces' - 'Wenn der Postmann tausendmal klingelt' (1991).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Martin, Hansjörg

(1920-1999)

Geboren und aufgewachsen in Leipzig, bildete sich Hansjörg Martin an der dortigen Kunstakademie in Gebrauchsgrafik und angewandter Kunst aus. 1941 wurde er als Soldat eingezogen und an der Ostfront eingesetzt; später kämpfte er in den Niederlanden, wo er in Gefangenschaft geriet. Nach dem Krieg gab er seinen Wunsch, Buchillustrator zu werden, auf und arbeitete stattdessen als Kunstmaler, Grafiker, Schaufensterdekorateur, Zirkusclown, Bühnenbildner und Werbeberater, aber auch als Lehrer auf der ostfriesischen Insel Langeoog. 1953 bis 1960 war er verantwortlicher Redakteur einer Mitarbeiterzeitschrift im Hamburg, anschliessend bis 1963 Dramaturg bei einem auf Industrie- und Schulungsfilme spezialisierten Hamburger Filmproduktions-Unternehmen. 1963 liess er sich in Wedel bei Hamburg nieder und wurde freier Autor. Er schrieb vornehmlich Kriminalromane und Jugendbücher, aber auch zahlreiche Hörspiele und Fernsehdrehbücher, unter anderem für den 'Tatort'. Darüber hinaus engagierte er sich für die SPD in der Kommunalpolitik.

Hansjörg Martin, Verfasser von knapp dreissig Krimis und mehreren Bänden mit Kriminalstories, gilt als Begründer des "Neuen Deutschen Kriminalromans" - sein Erstling 'Gefährliche Neugier', der zuerst als Fortsetzungsroman im Wochenblatt 'Stern' herauskam, verhalf ihm 1965 zu diesem Ruf. Mit einer Gesamtauflage von drei Millionen Exemplaren zählte er zu den erfolgreichsten Krimiautoren deutscher Zunge, eines seiner Bücher, 'Kein Schnaps für Tamara', erschien sogar im angloamerikanischen Raum, doch in den 90er-Jahren wurde Martin durch jüngere Autoren an den Rand gedrängt - und heute ist sein Werk vergriffen.

Martins beste Krimis sind in den 70er- und Anfang der 80er-Jahre erschienen. Präzise, wenn auch etwas schablonenhafte Zeichnung von Haupt- und Nebenfiguren und detailreiche Schilderungen seiner überblickbaren Schauplätze (Dörfer, Provinzstädtchen, Inseln) sind die Stärken des gesellschaftskritischen Autors. In den späteren Romanen verliert die (nicht immer nachvollziehbare) Krimihandlung zu Gunsten von Kalauern und müden Witzen an Gehalt - und kommt vermehrt auch "Kommissar Zufall" zum Einsatz.

'Der Kammgarn-Killer', vielleicht Martins wertvollster Beitrag zur Kriminalliteratur, erzählt die traurige Geschichte des gealterten Textilvertreters Ernst Voigt, dessen kleines Leben jäh aus den Fugen gerät, als er seine ganze Frustration an einem seiner wichtigsten Kunden, dem einflussreichen Handelsmann und Kommunalpolitiker Otto Zylian, auslässt.

Zehn Romane kreisen um den liebenswürdigen, einzelgängerischen Ich-Erzähler Oberkommissar Leo Klipp von der Hamburger Mordkommission, einen etwas konturlosen, nicht besonders brillanten, aber recht fortschrittlich denkenden, ständig Schiller zitierenden Polizeibeamten Mitte dreissig, der bisweilen auch ausserhalb seiner Stadt ermittelt, immer wieder Prügel einstecken muss, für seinen couragierten Einsatz aber jeweils mit hübschen Romanzen belohnt wird. Dabei ist Klipp als Figur die einzige Konstante - das übrige Personal, inklusive seine aparten weiblichen Eroberungen, wechselt von Buch zu Buch.

Zwei Krimis, 'Mallorca sehen und dann sterben' und 'Heisse Steine', spielen auf Mallorca, wo Martin mit seiner Frau während vielen Jahren die Wintermonate verbrachte - und 78-jährig verstarb.

Nach Hansjörg Martin ist ein seit 2000 jährlich verliehener Preis für den besten deutschsprachigen Kinder- und Jugendkrimi benannt.

Bibliografie:
'Gefährliche Neugier' (1965), 'Kein Schnaps für Tamara' (1966), 'Bilanz mit Blutflecken' (1968), 'Cordes ist nicht totzukriegen' (1968), 'Blut ist dunkler als rote Tinte' (1970), 'Einer flieht vor gestern nacht' (1971), 'Bei Westwind hört man keinen Schuss' (1973), 'Mallorca sehen und dann sterben' (1973), 'Schwarzlay und die Folgen' (1974), 'Geiselspiel' (1975), 'Dein Mord in Gottes Ohr' (1979), 'Der Kammgarn-Killer' (1979), 'Betriebsausflug ins Jenseits' (1980), 'Herzschlag' (1980), 'Das Zittern der Tenöre' (1981), 'Gegen den Wind' (1984), 'Heisse Steine' (1984), 'Mitgegangen, mitgefangen, mitgeh...' (1996);
Kommissar Leo Klipp-Krimis: 'Einer fehlt beim Kurkonzert' (1966), 'Meine schöne Mörderin' (1969), 'Rechts hinter dem Henker' (1969), 'Feuer auf mein Haupt' (1972), 'Wotan weint und weiss von nichts' (1976), 'Spiel ohne drei' (1977), 'Die grünen Witwen von Rothenfelde' (1982), 'Süsser Tod' (1987), 'Der Rest ist sterben' (1988), 'Apollonia muss sterben' (1992).

++ Erstellt: März 2011 ++  


Martin, Robert Lee

(1908-1976; schrieb auch als Lee Roberts)

Robert Martin wurde in Chula, Virginia, geboren und besuchte bis 1927 die High School in der Kleinstadt Tiffin bei Cleveland, Ohio. Danach arbeitete er sechs Jahre als Kassierer in der First National Bank of Tiffin, später, bis 1950, zuerst als Lagerverwalter, dann als Personalchef in der Sterling Grinding Wheel Company, ebenfalls Tiffin. Als die Firma in den 60ern von ITT aufgekauft wurde, trat er in den vorzeitigen Ruhestand.

Martins 1942 geschlossener Ehe entsprangen zwei Töchter und ein Sohn, seine Frau verschied 1970 nach langer Krankheit. Vereinsamt und vergessen (für seine letzten Manuskripte fand er keinen Verleger mehr) starb Martin 67-jährig in Tiffin, wo er den grössten Teil seines Lebens verbracht und auch kommunale Dienste geleistet hatte.

Martin begann seine recht erfolgreiche Pulp-Karriere in der zweiten Hälfte der 30er-Jahre, während seiner Tätigkeit als Lagerverwalter. 1951 wechselte er auf die lange Strecke; oder vielmehr: er "kannibalisierte" - wie Raymond Chandler - seine Kurzgeschichten. Bis 1965 veröffentlichte er vierzehn Romane unter angestammtem Namen und acht unter dem Pseudonym Lee Roberts.

Zu Martins bedeutendster Krimifigur entwickelte sich der Weltkriegsveteran Jim Bennett, der bereits in etlichen Stories in Erscheinung getreten war. Nach abgebrochenem Jurastudium und einer Ausbildung zum Detektiv hat Bennett die Leitung der Zweigstelle Cleveland einer grossen New Yorker Detektivagentur übernommen. Mit seiner Sekretärin Sandy Hollis pflegt er eine glückliche Liebesbeziehung, ohne auf andere Frauen ganz zu verzichten. Bennett ist ein liebenswürdiger, für seine Freunde durchs Feuer gehender Mann mit einem Faible für die Schwachen, aber auch ein kaltblütiger und hart gesottener - chandleresker - Ermittler um die vierzig, der im Verlauf der 14-teiligen Reihe nicht älter wird. Seine Fälle sind zumeist in ländlichen Regionen oder in kleinen, schäbigen Industriestädten angesiedelt. Alec Hammond und Red Drake sind (neben Sandy) Bennetts wichtigste Mitarbeiter. Jim Bennett, wie fast alle Detektive jener Zeit ein starker Trinker und Raucher, verbringt seine Freizeit am liebsten mit Pokern, Golfsport, Angeln und der Lektüre von Westernromanen.

Martins zweiter Krimiheld ist der Mediziner und Gelegenheitsermittler Clinton Shannon, verheirateter Vater eines kleinen Sohnes, eine Weiterentwicklung des aus mehreren Kurzgeschichten bekannten Arztes Clinton Colby (vier mit Lee Roberts gezeichnete Romane).

In seinen besten Werken (etwa 'Tränen für die Braut' und 'Männer um Marcia') überzeugt der Autor mit unaufgeregter Erzählweise, glaubwürdiger Figurenzeichnung und präzisen Milieuschilderungen, während die Handlungsführung nicht immer über alle Zweifel erhaben ist.

Bibliografie:
Jim Bennett-Serie: 'Dark Dream' - 'Dunkler Traum' (1951), 'Sleep My Love' - 'Küsse, die der Teufel gab' (1953), 'Tears for the Bride' - 'Tränen für die Braut' (1954), 'The Widow wand the Web' - 'Alle Männer sind schwach' (1954), 'The Echoing Shore' (auch unter dem Titel 'The Tough Die Hard') - 'Das Ende einer grossen Liebe' (1955), 'Just a Corpse at Twilight' - 'Die Katze war dabei' (1955), 'Catch a Killer' - 'Ein Mädchen brennt durch' (1956), 'Hand-Picked for Murder' - 'Das Mädchen Sandra' (1957), 'Killer Among Us' - 'Achtung - Sabotage!' (1958), 'A Key to the Morgue' - 'Sie hat es so gewollt' (1959), 'To Have and to Kill' - 'Keine Frau für meinen Sohn' (1960), 'A Coffin for Two' - 'Tod unter Glas' (1962), 'She, Me and Murder' - 'Die zweite Flasche Whisky' (1962), 'Bargain for Death' - ‚Frist bis Mitternacht' (1964).
Als Lee Roberts: Clinton Shannon-Serie: 'Once a Widow' - 'Verhängnisvoller Irrtum' (1957), 'If the Shoe Fits' - 'Ein Paar schwarze Schuhe' (1959), 'Death of a Ladies' Man' - 'Glück und Ende' (1960), 'Suspicion' - 'Sie ist zu eifersüchtig' (1964);
Einzelwerke: 'Little Murder' - 'Kleine Hexe' (1952), 'The Pale Door' - 'Meines Freundes Frau' (1955), 'Mahogany Murder' - 'Männer um Marcia' (1956), 'The Case of the Missing Lovers' - 'Gute Nacht und süsse Träume' (1957).

++ Erstellt: Juli 2011 ++  


Mason, A.E.W.

(Kürzel für Alfred Edward Woodley Mason, 1865-1948)

A.E.W. Mason, geboren in Camberwell, London, als Sohn eines Buchrevisors, besuchte dort das Dulwich College und studierte anschliessend von 1884 bis 1888 Altphilologie am Trinity College in Oxford. Zum Verdruss seiner spiessigen Eltern begann er darauf eine Karriere als Schauspieler. Er kam sechs Jahre in kleineren Rollen auf verschiedenen Londoner Bühnen zum Einsatz, bevor er 1894 zum Schreiben fand. In seinem Werk finden sich Theaterstücke, Abenteuerromane (z.B. den 1902 erschienenen und mehrmals verfilmten Bestseller 'Die vier Federn'), Krimis und Kurzgeschichten; ab Mitte der 30er-Jahre widmete er sich auch historischen Themen.

Mason war eine vielschichtige Persönlichkeit - leidenschaftlicher Weltenbummler und Bergsteiger, aber auch liberaler Parlamentsabgeordneter für die Stadt Coventry von 1906 bis 1910, und im Ersten Weltkrieg arbeitete er in leitender Funktion für den britischen Geheimdienst, unter anderem in Spanien, Mexiko und auf Gibraltar. Der sehr beliebte Autor (zu seinen Fans gehörte auch der englische König George V, mit dem er befreundet war) starb 83-jährig in London, als er an einem Buch über Admiral Robert Blake arbeitete.

Masons fünfbändige - zwischen 1910 und 1946 veröffentlichte - Romanserie um Kriminalinspektor Gabriel Hanaud von der Pariser Sûreté und dessen verwitweten und wohlhabenden, in London lebenden Freund und "Assistenten" Julius Ricardo, aus der nur die ersten beiden Titel auf Deutsch vorliegen, war zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts unerhört populär - nicht zuletzt aufgrund der beiden (für damalige Verhältnisse) recht originellen Hauptfiguren. Mit Gabriel Hanaud kreierte Mason ganz bewusst einen "Anti-Sherlock-Holmes": er ist kein arroganter Amateur, sondern ein professioneller, scharfsinniger, seiner Intuition vertrauender Ermittler mit einem freundlichen Wesen, Hängebacken und viel Sinn für Humor. Hanaud und Ricardo haben auch im Einzelwerk 'The Sapphire' einen kurzen Auftritt. 1931 ist ferner der Sammelband 'Inspector Hanaud Investigates' erschienen.

'Das Geheimnis der Sänfte' gilt als Masons bester Krimi. Angesiedelt in der burgundischen Stadt Dijon, kreist er um eine grosse Erbschaft, die zwielichtige, mit den Mitteln der Erpressung und der Intrige operierende Gestalten auf den Plan rufen, aber auch um romantische Verwicklungen - und natürlich um Mord. Kriminalinspektor Hanaud, der diesmal ohne Ricardos Hilfe auskommen muss, wird alles abverlangt, um die Ermittlungen dieses eigenartigen Kriminalfalls in die richtigen Bahnen zu lenken. Die formal und stilistisch durchaus ansprechende Erzählung hat indes mit den Jahren ein wenig Staub angesetzt - gespreizte Dialoge und die vielen Szenen mit jäh sich verzerrenden Gesichtern und Frauen, die heftig erröten oder erbleichen, geben ihr einen etwas antiquiert-theatralischen Touch.

Bibliografie:
Inspector Hanaud-Serie: 'At the Villa Rose' - 'Die Tote in der Villa Rosa' (1910), 'The House oft he Arrow' - 'Das Geheimnis der Sänfte' (1924), 'The Prisoner in the Opal' (1928), 'They Wouldn't Be Chessmen' (1935), 'The House in Lordship Lane' (1946).
'The Witness for the Defense' (1913), 'The Sapphire' (1933).

++ Erstellt: Oktober 2011 ++  


Matera, Lia

(*1952)

Lia Matera wurde als Tochter italienischer Einwanderer in Vancouver, Kanada, geboren und zog als Siebenjährige mit ihren Eltern in die nordkalifornische Kleinstadt Eureka. In den 70er-Jahren studierte sie Englische und Italienische Literatur an der University of California in Santa Cruz. Anschliessend ging sie an das Hastings College of Law in San Francisco, wo sie nebenbei die Fachzeitschrift 'Constitutional Law Quarterly' redaktionell betreute. Nach Abschluss des Jurastudiums 1981 unterrichtete sie Moot Court (Fiktives Gericht) und Legal Research (Juristische Recherche) an der Stanford Law School, bis sie sich Mitte der 80er-Jahre, nach der Geburt ihres Sohnes, gegen eine Laufbahn als Anwältin entschied und an ihrem Wohnort Santa Cruz zum Krimischreiben wechselte. 1987 bzw. 1988 startete sie ihre beiden Serien, in denen die erfolgreichen und selbstbewussten, sonst aber recht gegensätzlichen Anwältinnen Willa Jansson bzw. Laura Di Palma im Mittelpunkt stehen.

Willa Jansson, lebensfrohe Tochter von Hippies der ersten Stunde, spezialisiert auf Familien- und Wirtschaftsrecht, arbeitet in einer der renommiertesten Kanzleien von Los Angeles, lebt in einem luxuriösen Appartment, trägt teure Klamotten - doch sie kifft und sehnt sich im Grunde nach ihrem früheren, nonkonformistischen Leben als Politaktivistin. Im vierten Roman 'Altlasten' ist es soweit: Willa kehrt dem Yuppie-Dasein den Rücken und tritt in San Francisco eine Stelle als Schriftführerin bei dem liberalen Bundesrichter Michael J. Shanna an. Bald aber tauchen alte Weggefährten auf, Willa gerät in eine üble Intrige, weiss nicht mehr, wem sie vertrauen kann.

Laura Di Palma ist kinderlos geschieden. Sie machte sich einen Namen als kämpferische Pro-Bono-Anwältin bei einer angesehenen Kanzlei in San Francisco, verliert jedoch den Job im zweiten Band. Mit ihrem Liebhaber Hal, einem verbitterten, kriegsversehrten Vietnamveteranen, zieht sie sich in die Wälder Nordkaliforniens zurück, um ihre Batterien aufzuladen. Zu Beginn des dritten Bandes 'Harte Bandagen' erscheint indes ihr alter Freund Sandy Arkelett auf der Bildfläche, ein Privatdetektiv, mit dem sie früher in San Francisco zusammengearbeitet hat, und bittet sie um Hilfe bei der Aufklärung eines höchst merkwürdigen Falles von Selbstmord. Als am Ende der Erzählung ihre Beziehung zu Hal zerbricht, geht Laura zurück nach San Francisco, um eine eigene Kanzlei zu eröffnen.

In ihren zwölf sorgfältig gebauten Krimis fesselt die sprachlich versierte, politisch links stehende Autorin den Leser mit einfühlsamen Schilderungen der Haupt- und Nebenfiguren und der vielschichtigen Beziehungen zwischen ihnen, während die Darstellung der Rechtsfälle nur wenig Raum einnimmt.

Im Jahr 2000 veröffentlichte Lia Matera den Sammelband 'Counsel of the Defense and Other Stories' mit neun Kriminalerzählungen, unter ihnen 'Dream Lawyer', in der Willa Jansson und Laura Di Palma aufeinandertreffen. Seither hat man nichts mehr von ihr gehört.

Bibliografie:
Willa Jansson-Serie: 'Where Lawyers Fear to Tread' - 'Studentenfutter' (1987), 'A Radical Departure' - 'Facelifting' (1988), 'Hidden Agenda' - 'Mörderische Kanzlei' (1988), 'Prior Convictions' - 'Altlasten' (1991), 'Last Chants' - 'Dunkle Gesänge' (1996), 'Star Witness' - 'Geheime Zeugen' (1997), 'Havana Twist' - 'Havanna Twist' (1998);
Laura Di Palma-Serie: 'The Smart Money' - 'Lauras teuerster Fall' (1988), 'The Good Fight' - 'Der aufrechte Gang' (1990), 'Hard Bargain, - 'Harte Bandagen' (1992), 'Face Value' - 'Blindes Vertrauen' (1994), 'Designer Crimes' - 'Designermorde' (1995).

++ Erstellt: April 2016 ++  


Mather, Berkely

(Pseudonym für John Evan Weston-Davies, 1909-1996)

John Evan "Jasper" Weston-Davies kam als Sohn eines renommierten Möbelschreiners in Gloucester im Südwesten Englands zur Welt und wuchs auch dort auf, bis die Familie in Jahr 1913 nach Sydney auswanderte. Seine beiden älteren Brüder fielen an der Westfront des Ersten Weltkriegs, worauf der Vater ohne seine Frau und seinen verbliebenen Sohn nach England zurückging.

Nach seiner Ausbildung an der King's School in Parramatta bei Sydney und dem Militärdienst übersiedelte Weston-Davies mit zwanzig Jahren nach England, fand dort jedoch vorerst keine Arbeit und landete schliesslich bei der Royal Horse Artillery, für die er von 1934 bis 1947 in Indien diente, unterbrochen durch einen längeren Einsatz im Königreich Irak während des Zweiten Weltkriegs. Als Indien im August 1947 die Unabhängigkeit erlangte, wechselte er zur Royal Artillery und leistete seinen Militärdienst fortan in Hongkong, Ägypten und Zypern.

Weston-Davies, der unter dem Pseudonym Berkely Mather bereits in den 40er-Jahren ein paar Stories und ein Hörspiel verfasst hatte, trat 1959 in den Ruhestand, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Seit 1938 mit Kay Jones verheiratet, hatte er eine Tochter und zwei Söhne, unter ihnen Wynne Weston-Davies, der im Juni 2012 einige gewichtige Korrekturen am Lebenslauf seines Vaters vornahm (Ostara Publishing, 11 June 2012).

Mather schrieb mehrere Hörspiele, zahlreiche Drehbücher für das Fernsehen, den Erzählband 'Geth Straker' sowie fünfzehn Romane (Spionagethriller und historische Abenteuergeschichten), die mehrheitlich im Fernen Osten angesiedelt sind. Der Durchbruch gelang ihm 1960 mit seinem zweiten Roman 'The Pass Beyond Kashmir' ('Im Auftrag des Syndikats'). Er starb kurz nach seinem 87. Geburtstag - fünf Jahre nach seiner Frau - in dem kleinen Ort Brede, East Sussex.

Idwal Rees, die Hauptfigur des Krimis 'Im Auftrag des Syndikats' (und der beiden nicht auf Deutsch vorliegenden Romane 'The Terminators' und 'Snowline'), ist eine von Mathers faszinierendsten Figuren. Geboren als Sohn eines etwas zwielichtigen walisischen Fernost-Korrespondenten und einer ebenfalls aus Wales stammenden Mutter, verbringt er die Vorkriegszeit und den Zweiten Weltkrieg im Fernen Osten - Indien, Burma und China sind seine wichtigsten Stationen. Während des Koreakriegs dient er ein paar Monate als Kompaniechef in einem Infanteriebataillon in Indien, bis ihn der britische Geheimdienst unter die Fittiche nimmt. Zurück im Zivilleben, nach kurzer Tätigkeit als Versicherungsdetektiv in Shanghai, wird er "freischaffender Ermittler" (eine Mischung aus Geheimagent, Abenteurer und Privatdetektiv) mit Sitz in Bombay. Er beherrscht zahlreiche Sprachen und asiatische Dialekte, wohnt in einer hübschen Wohnung und geniesst das Leben, wenn er nicht gerade im Auftrag von Geheimdiensten oder anderen Organisationen unterwegs ist.

Mathers berühmtester Spannungsroman 'Im Auftrag des Syndikats', angesiedelt in der zweiten Hälfte der 50er-Jahre, führt Idwal Rees und seinen treuen Diener und ständigen Begleiter Samaraz, einen baumlangen, kampflustigen Pathan, von Bombay quer durch die krisengeschüttelten Länder Indien und Pakistan in den Norden, nach Kashmir, in die Vorgebirge des Himalayas, wo offenbar ein Paket mit wertvollen Dokumenten vergraben wurde - diese sollen Auskunft geben über eine noch nicht entdeckte Ölquelle in dieser ungastlichen Region. Auftraggeber ist ein Syndikat, das durch Smedley, einen australischen "Handelsreisenden", vertreten wird. Als härtester Gegner der beiden Schatzjäger erweist sich der skrupellose Berufsspion Kavronski alias Stewart, der ebenfalls hinter den Papieren her ist. Während der höchst gefährlichen, von Verhaftungen, wilden Fluchten und blutigen Gewalttaten überschatteten Reise treffen Rees, Samaraz und Smedley auf eine Reihe von unvergesslichen Figuren, etwa den schlitzohrigen Kaufmann Yev Shalom, der sich auf den Handel mit streng geheimen Informationen spezialisiert hat, den alten, versoffenen britischen Major George Polson, der das Versteck der Papiere zu kennen glaubt, den erblindeten Brigadegeneral Culverton, der Rees mit wichtigen Reisetipps versorgt, und dessen Tochter Claire, eine mutige, kratzbürstige Krankenschester im Dienste des Roten Kreuzes, deren Lächeln Idwal Rees in den Bann zieht.

Bibliografie:
Idwal Rees-Romane: 'The Pass beyond Kashmir' - 'Im Auftrag des Syndikats' (1960), 'The Terminators' (1971), 'Snowline' (1973);
'The Achilles Affair' (1959), 'Genghis Khan' - 'Dschingis Khan' (1965), 'The Road and the Star' - 'Gil, vergiss den Degen nicht' (1965), 'The Gold of Malabar' - 'Das Gold von Malabar' (1967), 'The Springers' (auch unter dem Titel 'A Spy for a Spy') - 'Tausch der Agenten' (1968), 'The Break in the Line' (auch unter dem Titel 'The Break', 1970), 'The White Dacoit' (1974), 'With Extreme Prejudice' (1975), 'The Memsahib' (1977);
Far Eastern Trilogy: 'The Pagoda Tree' (1979), 'The Midnight Gun' (1981), 'The Hour of the Dog' (1982).

++ Erstellt: November 2013 ++  


Mazarin, Jean

(Pseudonym für René-Charles Rey, *1934; schreibt auch als Emmanuel Errer und Charles Nécrorian)

René-Charles Rey wurde in Tunis geboren. Nach kurzer Lehrertätigkeit ging er 1961 nach Frankreich und arbeitete dort dann über zehn Jahre für eine Meinungsumfrage-Organisation, bis er 1974 unter drei Pseudonymen hauptberuflich zu schreiben begann - und seither Jahr für Jahr vier Bücher abliefert. Sein Werk enthält vor allem Krimis, aber auch einige Horror- und Sciencefiction-Romane. Ende der 80er-Jahre wandte er sich dem Verfassen von Skripts für das französische Fernsehen zu, später kehrte er zum Krimischreiben zurück. Rey lebt in Chilly-Mazarin, einer fünfzehn Kilometer nördlich von Paris gelegenen Kleinstadt, und hat zwei Kinder.

Unter dem Pseudonym Emmanuel Errer (es bezieht sich auf die Initialen R.R., phonetisch "errer") veröffentlichte Rey die Trilogie um den italienischen Gauner Esope Mazonetta, einen ehemaligen Bordellbesitzer, der seine Zelte an der Riviera aufgeschlagen hat, sowie zehn romans noirs, einen historischen Krimi über den Sezessionskrieg ('Dixie') und den Sciencefiction-Roman 'L'hiver en juillet'. Den Furcht einflössenden Namen Charles Nécrorian benutzte er in den 80er-Jahren für fünf zwischen Horror und Fantasy pendelnde Romane.

Mit seinem bekanntesten (auf seinen Wohnort verweisenden) nom de plume Jean Mazarin zeichnete Rey den Neunteiler um den unkonventionellen Flic Lucien Poirel, der im letzten Band nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst zum Journalismus wechselt, ferner die elfbändige Frankie Pat Puntacavallo-Serie, drei Krimis mit dem detektivisch tätigen Boulevard-Reporter Max Bichon, vier Romane um den Geheimagenten Julien Jendrejeski, weitere Spionageromane sowie Politthriller, Noir-Romane und Sciencefiction.

Deutsche Übersetzungen gibt es einzig von den fünf ersten Puntacavallo-Krimis, in denen Frankie Pat Puntacavallo (eigentlich Franklin, doch Frankie Pat klingt irgendwie besser, amerikanischer), "pied noir", schick gekleideter schräger Vogel mit weit verzweigter, exzentrischer Familie, als Privatdetektiv an der Côte d'Azur herumtaumelt und in haarsträubende Fälle verwickelt wird. In diesen sauber konstruierten, turbulenten Geschichten geizt der Autor nicht mit herrlichen Dialogen und Slapstick-Elementen - eine vergnügliche Lektüre.

Bibliografie:
Als Jean Mazarin: Kommissar Lucien Poirel-Serie: 'La mort du petit matin' (1976), 'La haine dans les veines' (1976), 'Sondages sur la mort' (1976), 'L'assassin des petits Mickeys' (1977), 'Les flammèches du Diable' (1977), 'Cadavre sur la chaîne' (1977), 'Comptes en retour' (1978), 'Un crime au cœur' (1978), 'Chaudes, les calanques' (1980);
Julien Jendrejeski-Serie: 'Après toi, la révolution' (1977), 'Du Côté de Sarajevo' (1977), 'Au-delà des dunes' (1978), 'Elections-choc' (1983);
Max Bichon-Trilogie: 'Sanglantes rotatives' (1980), 'La course au bahut' (1980), 'Halte aux crabes !' (1982);
Puntacavallo-Serie: 'Un privé au soleil' - 'Puntacavallo, ein sonniger Schnüffler' (1981), 'Adieu les vignes' - 'Saure Trauben für Puntacavallo' (1981), 'Monaco, morne plaine' - 'Monaco kann auch trostlos sein' (1981), 'Basta CIA' - 'Zur Hölle mit dem C.I.A. (1981), 'Catch à Cannes' - 'Puntacavallo auf der Ölspur' (1981), 'Un doigt de culture' (1983), 'Touchez pas la famille!' (1984), 'Camora mia' (1984), 'Sus aux pointus', 'Nocture je Jeudi' (1986), 'Canal septante' (1987);
Einzelwerke: 'Safari-tueurs' (1978), 'HLM Blue' (1979), 'Les crépuscules de Saint-Tropez' (1979), 'Chante disco' (1979), 'Code "Presidente"' (1980), 'Nucleo-party' (1980), 'Tellement gris…' (1981), 'Une arnaque coloniale' (1982), 'Collabo-song' (1982), 'Carnage' (1984), 'Creuse, ma taupe…' (1984), 'Résurgence' (1987), 'Le roman vrai du prétendant' (2006), 'Il va neiger sur Venice' (2011), 'Mutins légitimes' (2011).
Als Emmanuel Errer:
Esope Mazonetta-Trilogie: 'La came à nous autres' (1974), 'St-Tropez oil company' (1975), 'L'envoi des corneilles' (1976).
Einzelwerke: 'Descente en torche' (1974), 'La bombe et la sagaie' (1975), 'Les ombres de Judée' (1975), 'La fin de la piste' (1977), 'Diagnostic réservé' (1980), 'Le syndrome du P38' (1983), 'Gangrène' (1984), 'Dixie' (1987), 'Un détour par l'enfer' (1991), 'Le cercle d'argent' (1992), 'Odéon, dernière station' (2005).
Als Charles Nécrorian:
'Blood Sex' (1985), 'Impacts' (1986), 'Skin Killer' (1987), 'Inquisition' (1988), 'Blood Sex No 2' (1989).

++ Erstellt: Juli 2012 ++  


Mazzaro, Ed

(Pseudonym für Peter Leslie, 1922-2007; schrieb auch als Peter Buck und Catherine Reynolds)

Geboren in Lanceston, Cornwall, ausgebildet an der Queen's University in Belfast, verbrachte Peter Leslie einen grossen Teil seines Lebens in London. Er arbeitete u.a. als Journalist für Reuters, den 'Daily Mirror' und den 'Daily Herald', als Redakteur eines Jazz-Magazins, Interviewer für die BBC, Typograph, Designer von Plattenhüllen, Jazzmusiker, Tänzer und Schauspieler, ehe er 1965 seinen ersten Roman herausgab.

Leslies 1954 geschlossener Ehe mit der früh verstorbenen Helene Bond entsprang eine Tochter, die Übersetzerin Tanya Leslie. Ende der 70er-Jahre liess sich Leslie mit seiner zweiten Frau Nicolette Bernard, einer französischen Bühnenschauspielerin und Autorin, im südostfranzösischen Städtchen Tourrettes-sur-Loup nieder. Er starb dort im Jahr 2007.

Unter bürgerlichem Namen verfasste Leslie Beiträge zu verschiedenen Trivialreihen (U.N.C.L.E.-Serie, Don Pendletons Avenger- und Mack Bolan-Serien), gut zwei Dutzend weitere, vorwiegend im Zweiten Weltkrieg angesiedelte, zum Teil als Vorlagen für das Fernsehen dienende Unterhaltungsschmöker und zwei Bände der Jason Mettner-Trilogie, unter dem Pseudonym Peter Buck die neunteilige Mercenary-Serie um den amerikanischen Söldner Marc Dean und als Ed Mazzaro den ersten Band der Jason-Mettner-Trilogie sowie die so genannte Chicago-Trilogie. Auf Deutsch gibt es einzig zwei U.N.C.L.E.-Titel und die beiden Trilogien.

Die schnörkellos-schmutzigen Chicago-Thriller spielen in der Prohibitionszeit der mittleren 20er-Jahre. Im ersten Band 'Chicago' wird die Stadt von zwei rivalisierenden, mit Alkoholschmuggel reich gewordenen (fiktiven) Gangsterbossen - dem Iren Teddy McGrath und dem Sizilianer Salvatore Sanguinetti - beherrscht, Auftragsmorde gehören zur Tagesordnung, die Polizei ist korrupt bis in die Knochen. In dieser scheinbar ausgeweglosen Situation hat der FBI-Mann George Stevens eine brillante Idee: Bruno Farrell alias Farioli, ein hart gesottener, kaltblütiger, absolut unbestechlicher Überlebenskünstler und Frauenheld italienischer Herkunft mit einer Vergangenheit als RAF-Pilot im Ersten Weltkrieg und als Glücksritter, der seit dem Waffenstillstand für die amerikanische Regierung im Einsatz steht, soll (ausgestattet mit einem wasserdicht fingierten Lebenslauf) einen der Clans infiltieren und diesen danach auf dessen Gegner hetzen - ein Himmelfahrtkommando.

Im zweiten Roman 'Capone & Co.' wird's noch haariger für Farioli: Er soll sich von Al Capone anheuern lassen und einen Weg finden, an dessen höchst geheime Buchhaltung herankommen, damit man den vielfachen Mörder über eine Anklage auf Steuerbetrug endlich hinter Gitter bringt. Der Plan scheint aufzugehen, doch dann gerät Farioli zwischen die Fronten von Capones Vollstreckern, der Polizei und den Hitmen von Capones Erzrivalen Teddy McGrath.

In drei Kriminalromanen steht der bereits aus der Chicago-Trilogie bekannte Journalist Jason Mettner als Ich-Erzähler im Brennpunkt des Geschehens. Der ausgekochte und sprachgewandte Sonderkorrespondent der Zeitung 'Chicago Globe' erlebt in den 30er- und 40er-Jahren hanebüchene Abenteuer an verschiedenen europäischen Schauplätzen - etwa im Norden des europäischen Festlands zur Zeit des "Drôle de guerre" im dritten Band 'Der Diamanten-Deal', als er im Auftrag seines extravaganten Chefs Harry Michaelson die Deutschen daran hindern soll, im Tausch mit südafrikanischen Rohdiamanten kriegswichtige Materialien zu erwerben.

Der Herausgeber der Reihe 'rororo thriller', in der die deutschsprachigen Versionen erschienen sind, verpasste dem Autor seltsamerweise eine Biografie als 1923 in der korsischen Hauptstadt Ajaccio geborener Weltkriegpilot, Jazzmusiker, Rennfahrer und Drehbuchautor.

Bibliografie (keine Listung der Heftchen- und anderen Trivialserien und der Kriegsromane):
Chicago-Trilogie: 'One Death in the Bed' - 'Chicago' (1976), 'Bootleg Angel' - 'Capone & Co' (1977), 'Chicago Deadline' - 'Einer gegen Chicago' (1978);
Jason Mettner-Trilogie: 'Pawn to King's Cross' - 'Geigenkästen für Soho' (1978), 'The Melbourne Virus' - 'Melbourne-Virus' (1983, im Original 1992 als Peter Leslie), 'No Deal in Diamonds' - 'Der Diamanten-Deal' (1984, im Original 1992 als Peter Leslie).

++ Erstellt: Juni 2016 ++  


McBain, Ed

(Pseudonym für Salvatore Albert Lombino, 1926-2005; schrieb auch als Evan Hunter, Ezra Hannon, Richard Marsten, Curt Cannon, Hunt Collins, Matt Cordell, John Abbott)

Salvatore Albert Lombino, geboren in East Harlem als Sprössling einer einfachen süditalienischen Einwandererfamilie (Tante Jenny soll ihn auf dem Küchentisch des Elternhauses entbunden haben), aufgewachsen dort und ab 1938 in der North Bronx, absolvierte bis 1942 die Evander Childs High School. Danach studierte er Kunst an der Arts Student League und der Cooper Union, beide in Manhattan, und arbeitete nebenbei in einer Bibliothek, bis er 1944 kurz vor seinem 18. Geburtstag in die Navy einberufen wurde und dann im Pazifik - an Bord eines Zerstörers - zum Zeitvertreib ein paar Kurzgeschichten verfasste.

Nach dem Militärdienst, der ihn kurz nach Kriegsende als Angehöriger der Besatzungstruppe für mehrere Monate nach Japan führte, studierte Lombino von 1946 bis 1950 Englische Literatur und Drama am Hunter College in New York City. Dort lernte er seine erste Frau Anita Melnick kennen. Die beiden heirateten 1949 und hatten drei Söhne - Ted und die Zwillinge Mark und Richard. Nach seinem Abschluss am Hunter College unterrichtete Lombino exakt 17 Tage Englisch an einer High School in der Bronx. Dieses höchst frustrierende Intermezzo war gefolgt von Gelegenheitsjobs als Hummerverkäufer, Jazzpianist, Berufsschullehrer und einer knapp zwei Jahre dauernden Anstellung als Redakteur bei der angesehenen New Yorker Literaturagentur Scott Meredith. In seiner Freizeit schrieb er (unter mehreren Pseudonymen, damit es nicht so auffiel) unzählige Stories für die Pulp-Magazine.

Im Jahre 1952 brachte Lombino seinen ersten Krimi heraus, den er mit Evan Hunter zeichnete - fortan sein offizieller, von seinen wichtigsten Ausbildungsstätten Evander High School und Hunter College abgeleiteter Name, der für eine erfolgreiche literarische Laufbahn mehr versprach als Salvatore Lombino. Seinen ersten Erfolg feierte er 1954 mit 'Saat der Gewalt' ('The Blackboard Jungle'). Nachdem er verschiedene Polizisten monatelang hautnah bei der Arbeit begleitet hatte, veröffentlichte er 1956 unter seinem bekanntesten Pseudonym Ed McBain den Krimi 'Cop Hater', den ersten Band der 87. Revier-Serie, mit der er das Genre der Police-Procedural-Novel revolutionierte.

Im Jahr 1961 dislozierte Hunter mit seiner Familie von Long Island nach Kalifornien, wo ihm kurz danach mit dem Drehbuch zu Alfred Hitchcocks Erfolgsstreifen 'The Birds' ein grosser Coup gelang. 1973 heiratete er Mary Vann Finley, die eine Tochter, Amanda, in die Ehe brachte. In den folgenden zwanzig Jahren pendelte er zwischen Norwalk, Connecticut, und Sarasota, Florida. Evan Hunter starb 78-jährig in Weston, Connecticut, wo er die letzten Lebensjahre mit seiner dritten, in Jugoslawien geborenen Frau Dragica "Dana" Dimitrijevic verbracht hatte.

McBains/Hunters Werk enthält etwa 120 Romane, zahlreiche Kurzgeschichten und Drehbücher, einige Theaterstücke, Musicals, Kinderbücher und Anthologien sowie die beiden autobiografischen Bücher 'Me and Hitch' über seine Zusammenarbeit mit Alfred Hitchcock und 'Let's Talk: A Story of Cancer and Love' über seine Kehlkopfkrebs-Erkrankung, die ihn drei Jahre vor seinem Tod die Stimme kostete, und seine Beziehung zu seiner Frau (und Koautorin) Dragica. Eine Sonderstellung besitzt 'Candyland' aus dem Jahr - ein Roman, den Evan Hunter (erster Teil) und Ed McBain (zweiter Teil) gemeinsam zu Papier brachten…

In der 55 Bände umfassenden Serie um das 87. Polizeirevier der fiktiven Stadt Isola (Vorbild ist Manhattan) können wir dem liebenswürdigen, mitfühlenden, glücklich mit der reizvollen taubstummen Teddy und ihren halbwüchsigen Zwillingskindern Mark und April lebenden Detective Steve Carella (sein Vater Antonio, ein Bäckermeister, wird in ‚Schwarze Witwen' bei einem Raubüberfall erschossen) und seinen Kollegen - Detective Lieutenant Pete Byrnes, der umsichtige Leiter des Reviers, Bert Kling, ein grundanständiger, draufgängerischer, vom Pech mit Frauen verfolgter Rookie-Cop, der schlaue, kahlköpfige, humorvolle Routinier Meyer Meyer (sein Vater Max Meyer, ein orthodoxer Jude, hielt es für umwerfend komisch, ein Kind namens Meyer Meyer zu haben), Hal Willis, ein zierlicher, klein gewachsener Judoexperte, dessen Lebensgefährtin gegen Ende der Serie gewaltsam ums Leben kommt, Andy Parker, der faulste und schlampigste Cop des Reviers, vielleicht sogar der ganzen Stadt, Cotton Hawes, ein muskelbepackter Frauenheld mit feuerroter Mähne und scharfer, von einer Messerverletzung herrührender weisser Haarsträhne über der linken Schläfe, Artie "Big Bad Leroy" Brown, ein hünenhafter schwarzer "Bad Cop", Eileen Burke, rothaariger Lockvogel vom Dienst usw. - über einen Zeitraum von nicht weniger als einem halben Jahrhundert bei der Arbeit zusehen - die Polizisten sind im Verlauf der Serie ja auch kaum gealtert.

Weitere wiederkehrende Figuren der 87. Revier-Serie sind der geniale Forensiker Sam Grossman, das tumbe Gespann Monaghan und Monroe von der Mordkommission sowie "der Taube" ("The Deaf Man", der auch verschiedene auf seine Gehörschwäche anspielende Pseudonyme wie "L. Sordo", "Mort Orecchio", "D.R. Taubmann", "Sonny Sanson" benutzt), ein hoch intelligenter, diabolischer - an Batmans Erzfeind "The Joker" und Conan Doyles Professor Moriarty erinnernder - Meisterverbrecher mit gigantischem Ego, dem nichts grösseres Vergnügen bereitet, als seinen Intimfeind Steve Carella an der Nase herumzuführen. Seinen letzten Auftritt hat "The Deaf Man" in 'Hark!, danach taucht er unter.

McBains Stärken treten in der 87. Polizeirevier-Reihe besonders eindrucksvoll zu Tage: realistische, detailfreudige und ironische, oft umwerfend komische Schilderungen des Polizeialltags; schnelle Perspektivenwechsel; lakonische, aus dem Leben gegriffene Dialoge und kraftvolle Sprüche; köstliche Running Gags; die präzise, minimalistische Sprache; das aussergewöhnliche Geschick, zahlreiche Erzählstränge (nicht weniger als 14 Stück in 'Nackt aus dem Fenster') zu einem abgerundeten Ganzen zu fügen, in dem alle Facetten der amerikanischen Mentalität wie beiläufig beschrieben und seziert werden. Oder, in McBains Worten: "Es ist die Geschichte von Schuld und Sühne im Amerika der letzten fünfzig Jahre, jeder Roman ist ein Kapitel eines einzigen grossen Buchs".

Als Einstiegsdroge bietet sich der 24. Band 'Schnapp-Schuss' (Originaltitel: 'Jigsaw') aus dem Jahr 1970 an, eine herrliche Mischung aus Tüftelkrimi, Schatzsuche, Police Procedural und Sozialstudie mit hübschen Zeichnungen eines allmählich Gestalt annehmenden Puzzles. Oder der 32. Band mit dem ironischen Titel 'Long Time No See', auf Deutsch 'Lange nicht gesehen' (er dreht sich um den Mord an drei blinden Menschen), eine von falschen Fährten geprägte Erzählung, die mit besonders detailreichen Schilderungen der zermürbenden Polizeiarbeit in Isola aufwartet. Oder aber der 36. Band 'Eis' (Originaltitel: 'Ice'), in dem man viel über den Lebenslauf und die Innenwelt der Detektive erfährt.
Und wer einmal angebissen hat…

Im Jahr 1977 lancierte Ed McBain die 13-teilige Serie um den (bei 38 Lebensjahren verharrenden) Rechtsanwalt Matthew "Matt" Hope aus Chicago, Illinois, der seit ein paar Jahren an der Südwestküste Foridas, in dem erfundenen Touristenort Calusa, mit seinem etwas älteren Partner Frank Summerville eine Kanzlei betreibt - und grundsätzlich niemanden verteidigt, den er für schuldig hält. Als eine Mischung aus Strafverteidiger und Ermittler am Werk, wird er immer wieder mit scheusslichen, vornehmlich durch Ehebruch und andere Beziehungsdramen ausgelösten Verbrechen konfrontiert, die er und sein kleines Team dann oft gleich selbst aufklären. Zu Beginn der Reihe noch mit der zickigen Schönheit Susan verheiratet, wartet Matt Hope - Vater einer 14-jährigen Tochter namens Joanna und eigentlich kein besonders leichtlebiger Bursche - in jedem Buch mit einer neuen Freundin auf: Einfühlsam und vielschichtig gezeichnete Frauen, denen man jeweils weitere Auftritte gönnen würde. Seine wichtigste Kontaktperson bei der Polizei ist Detective Morris Bloom, mit dem er auch privat verkehrt.

Im elften Roman 'Es war einmal ein kleines Mädchen' liegt Matt Hope nach schweren Schussverletzungen, die ihm in Calusas Getto Newtown zugefügt wurden (was hatte er dort zu suchen?), bewusstlos im Krankenhaus - eine gute Gelegenheit für seinen Kompagnon Frank Summerville, seine Detektive Warren Chambers und Toots Kiley, den Cop Morris Bloom und natürlich auch seine derzeitige Flamme, die Staatsanwältin Patricia Demming, sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Sie wandeln in Hopes Fussstapfen - und stossen auf ein undurchsichtiges Grundstücksgeschäft, in das der Zirkus Steadman & Roeger verwickelt ist, auf den drei Jahre zurückliegenden, von der Polizei als Selbstmord eingestuften Tod einer zwergwüchsigen Artistin dieser Truppe, und ein verhängnisvolles, von Sex, Kokain und Geldgier inspiriertes Beziehungsgeflecht.

In seinem dreizehnten und letzten Fall 'The Last Best Hope' (keine deutschsprachige Übersetzung) wird Matt Hope - nach langem Krankenhausaufenthalt wieder auf den Beinen - durch Steve Carella vom 87. Polizeirevier tatkräftig unterstützt.

Hartnäckige Ermittlungsarbeit, schnelle, raffinierte Kreuzverhöre, ironische Exkurse über den Lebensstil in den Südstaaten, wo der Rassismus zum Alltag gehört, farbige Schilderungen der Wetterkapriolen am Golf von Mexiko und facettenreiche Liebesaffären sind die wichtigsten Ingredienzien der meisterhaft gestalteten Matthew Hope-Romane, die man als "Legal Procedural Novels" bezeichnen könnte.

Hunter/McBain war stets darum bemüht, seine beiden Identitäten voneinander abzugrenzen, und dies schlägt sich auch in den Romanen nieder - zwei grundverschiedene Individuen scheinen am Werk zu sein. Als Evan Hunter befasste sich der Autor vorzugsweise mit konfliktgeladenen Beziehungen zwischen den Generationen - besonders eindrucksvoll in 'Sons' (1969) mit Grossvater Betram Tyler als Telnehmer am Ersten Weltkrieg, Vater Will als Kampfpilot im Zweiten Weltkrieg und Sohn Wat als Opfer des Vietnamkriegs - und zwischen den Geschlechtern.

Zu Hunters bekanntesten Romanen gehört 'Die Saat der Gewalt', mit dem der Autor im Jahre 1954 den Durchbruch schaffte. Die auf eigenen Erlebnissen beruhende Geschichte erzählt von dem unerfahrenen, idealistischen Berufshochschullehrer Richard Dadier, der von seinen bunt zusammengewürfelten, zu jeder Gewalttat fähigen 13- bis 19-jährigen Schülern terrorisiert wird, an seiner scheinbar unlösbaren Aufgabe jedoch nicht zerbricht und Schritt für Schritt das Vertrauen der Jugendlichen gewinnt. Das Buch wurde kurz nach seinem Erscheinen durch Richard Brooks mit Glenn Ford und Sidney Poitier in den Hauptrollen verfilmt.

Aus Hunters Spätwerk sticht 'Fatale Beweise' hervor. Im Mittelpunkt steht der stellvertretende New Yorker Staatsanwalt und Mafiajäger Michael Welles, der die bittere Pille zu schlucken hat, dass sich seine über alles geliebte Ehefrau Sarah ausgerechnet in den charmanten Mobster Andrew Faviola verliebt; und auch nicht von ihm ablassen kann, als er ihr seine wahre Identität offenbart.

Gezeichnet mit dem nom de plume Richard Marsten publizierte der vielseitige Autor in den 50er-Jahren eine Handvoll kleine, schnelle, sauber gebaute Thriller. Unter ihnen 'Mörder an Bord', in dem ein Navy-Angehöriger an Bord eines Zerstörers im Affekt eine Krankenschwester ermordet, eine Tat für die drei Männer in Frage kommen. Als die Leiche eines der Verdächtigen aus dem Meer gefischt wird, ist der Fall für die beigezogenen FBI-Beamten geklärt (Selbstmord aufgrund von unerträglichen Schuldgefühlen). Nicht jedoch für den Nachrichtenoffizier Chuck Masters, der die Ermittlungen gegen den Willen seiner Vorgesetzten weiterführt.
Auf dem Cover der Originalausgabe ('Murder in the Navy') wirbt ein gewisser Evan Hunter mit den Worten "Superb Suspense!" für das Buch - ein feiner Gag.

Wie steht's im deutschsprachigen Raum mit der Perzeption dieses höchst einflussreichen, in den USA von Lesern, Kritikern und Berufskollegen gleichermassen verehrten Krimiautors, dessen Gesamtauflage die 100-Millionen-Grenze überschritten hat? Rund 80% seiner Romane wurden durch sechzehn (!) verschiedene (sich immer wieder abwechselnde) Verlagshäuser veröffentlicht, fast durchwegs als schäbig gestaltete Taschenbücher - mehrheitlich jedoch in erstaunlich gut lesbaren Übersetzungen. Ein grösseres Publikum konnte McBain indes bis heute nicht erreichen. Und mit Neuauflagen seiner (zum Teil selbst antiquarisch nicht mehr greifbaren) Bücher ist in absehbarer Zeit wohl kaum zu rechnen.

Bibliographie:
Als Ed McBain:
87. Revier-Serie: 'Cop Hater' - 'Polizisten leben gefährlich' (auch unter dem Titel 'Blutiger Asphalt', 1956), 'The Mugger' - 'Clifford dankt Ihnen' (1956), 'The Pusher' - 'Der Pusher' (auch unter den Titeln 'Weisser Schnee für Fixer' und 'Die weisse Hand des Todes', 1956), 'The Con Man' - 'Späte Mädchen sterben früher' (auch unter dem Titel 'Gift der späten Liebe' (1957), 'Killer's Choice' - 'Die zehn Gesichter der Annie Boone' (1957), 'Killer's Payoff' - 'Killers Lohn' (auch unter dem Titel 'Ich, der Erpresser', 1958), 'Killer's Wedge' - 'Nackt ist die beste Maske' (auch unter dem Titel 'Der anonyme Brief', 1958), 'Lady Killer' - 'Die lästige Witwe' (auch unter dem Titel 'Besuch aus der Hölle', 1959), 'til Death' - 'Schwarze Hochzeit' (auch unter dem Titel 'Bis dass der Tod euch scheidet', 1959), 'King's Ransom' - 'King's Lösegeld' (1959), 'Give the Boys a Great Big Hand' - 'Eine grosse Hand zum Gruss' (1960), 'The Heckler' - 'April, April!' (1960), 'See Them Die' - 'Heisser Sonntagmorgen' (1960), 'Lady, Lady, I Did It' - 'Ich war's, ich war's!' (1960), 'Like Love' - 'Selbstmord kommt vor dem Fall' (1962), 'Ten Plus One' - 'Neun im Fadenkreuz' (1963), 'Ax' - 'Die Axt' (1964), 'He Who Hesitates' - 'Das Unschuldslamm' (1965), 'Doll' - 'Puppe' (1965), 'Eighty Million Eyes' - 'Vor 80 Millionen Augen' (1966), 'Fuzz' - 'Die Greifer' (1968), 'Shotgun' - 'Schrot und Horn' (1969), 'Jigsaw' - 'Schnapp-Schuss' (1970), 'Hail, Hail, The Gangs All Here' - 'Nackt aus dem Fenster' (1971), 'Sadie, When She Died' - 'Sadie im letzten Moment' (1972), 'Lets Hear It for the Deaf Man' - 'Totes Ohr am Telefon' (1973), 'Hail to the Chief' - 'Fahr langsam übers Massengrab' (1973), 'Bread' - 'Alles für Geld' (1974), 'Blood Relatives' - 'Die Blutschwestern' (1975), 'So Long As You Both Shall Live' - 'So lang ihr zwei noch lebt' (1976), 'Long Time No See' - 'Lange nicht gesehen' (1977), 'Calypso' - 'Calypso' (auch unter dem Titel 'Schüsse im Regen', 1979), 'Ghosts' - 'Mordgespenster' (1980), 'Heat' - 'Hitze' (1981), 'Ice' - 'Eis' (auch unter dem Titel 'Kalt bis ans Herz', 1983), 'Lightning' - 'Der letzte Sprint' (auch unter dem Titel 'Der Blitz schlägt zweimal zu', 1984), 'Eight Black Horses' - 'Acht schwarze Pferde' (1985), 'Poison' - 'Reines Gift' (1987), 'Tricks' - 'Ausgetrickst' (1987), 'Lullaby' - 'Stirb, Kindchen, stirb' (1989), 'Vespers' - 'Priester, Tod und Teufel' (1990), 'Widows' - 'Schwarze Witwen' (1991), 'Kiss' - 'Todeskuss' (1992), 'Mischief' - 'Graffiti' (1993), 'And All Through the House' (1994), 'Romance' - 'Romanze' (1995), 'Nocturne' - 'Long Dark Night' (1997), 'The Big Bad City' - 'Big Bad City' (1999), 'The Last Dance' - 'Dead Man's Song' (2000), 'Money, Money, Money' (2001), 'Fat Ollie's Book' (2003), 'The Frumious Bandersnatch' (2004), 'Hark!' (2004), 'Fiddlers' (2005);
Matthew Hope-Serie: 'Goldilocks' - 'Es bleibt in der Familie' (1977), 'Rumpelstiltskin' - 'Rumpelstilzchen' (1981), 'Beauty and the Beast' - 'Die Schöne und das Scheusal' (1982), 'Jack and the Beanstalk' - 'Tod im Bohnenfeld' (1984), 'Snow White and Rose Red' - 'Schneeweisschen und Rose Tot' (1985), 'Cinderella' - 'Cinderella' (1986), 'Puss in Boots' - 'Die gestiefelte Katze' (1987), 'The House That Jack Built' - 'Dies ist das Haus, das Jack baute' (1988), 'Three Blind Mice' - 'Drei blinde Mäuse' (1990), 'Mary, Mary' - 'Mary, Mary' (1993), 'There Was a Little Girl' - 'Es war einmal ein kleines Mädchen' (1994), 'Gladly the Cross-Eyes Bear' - 'Der schielende Bär' (1996), 'The Last Best Hope' (1998);
Standalones: 'The April Robin Murders' - 'Der Fall April Robin' (auch unter den Titeln 'Das Geheimnis der April Robin' und 'Mord in der Traumfabrik', 1958), 'The Sentries' - 'Desperados der Freiheit' (1965), 'Where There's Smoke' - 'Attentat auf eine Leiche' (1975), 'Guns' - 'Grosse Kanonen für kleine Gangster' (1976), 'Another Part of the City' - 'Alarm in Chinatown' (1986), 'Downtown' - 'Schöne Bescherung' (1989), 'Driving Lessons' - 'Fahrstunde' (2000), 'Alice in Jeopardy' (2005), 'Learning to Kill' (2005).
Als Evan Hunter:
'The Evil Sleep!' - 'Schlaf des Vergessens' (1952), 'Don't Crowd Me' (auch unter dem Titel 'Paradise Party') - 'Der Tod macht nie Urlaub' (1953), 'The Blackboard Jungle' - 'Saat der Gewalt' (1954), 'Second Ending' - 'Aber wehe dem Einzelnen' (1956), 'Strangers When We Meet' - 'Fremde, wenn wir uns begegnen' (1958), 'A Matter of Conviction' (auch unter dem Titel 'The Young Savages') - 'Harlem-Fieber' (auch unter dem Titel 'Recht für Rafael Morrez', 1959), 'Mothers and Daughters' - 'Mütter und Töchter' (1961), 'Buddwing' - 'Schock' (1964), 'The Paper-Dragon' - 'Der Bestseller' (1966), 'A Horses' Head' - 'Das 500'000-Dollar-Ding' (1967), 'Last Summer' - 'Das war im letzten Sommer' (1968), 'Sons' - 'Söhne' (1969), 'Nobody Knew They Where There' - 'Von anonymer Hand' (1971), 'Every Little Crook and Nanny' - 'Zweimal ist einmal zuviel' (1972), 'Come Winter' (1973), 'Streets of Gold' (1974), 'The Chisholms' - 'Westwärts liegt die Freiheit' (1976), 'Walk Proud' (auch unter dem Titel 'Gangs!') - 'Gewalt und Stolz' (1979), 'Love, Dad' - 'Alles Liebe, Dein Daddy' (1981), 'Far From the Sea' - 'Weitab vom Meer' (1983), 'Criminal Conversation' - 'Fatale Beweise' (1994), 'Privileged Conversation' - 'Die Katzentänzerin' (1996), 'Candyland. A Two Part Novel' (Evan Hunter & Ed McBain, 2001), 'The Moment She Was Gone' (2002).
Als Hunt Collins:
'Cut Me In' (1954), 'Tomorrow's World' (auch unter dem Titel 'Tomorrow and Tomorrow', 1956).
Als Richard Marsten:
'Runaway Black - 'Lauf um dein Leben, Nigger!' (1954), 'Murder in the Navy' (auch unter dem Titel 'Death of a Nurse') - 'Würger an Bord' (auch unter den Titeln 'Das Schiff der toten Augen', 'Eine Tote an Bord' und 'Mord an Bord', 1955), 'Vanishing Ladies' - 'Versteckspiel mit Damen' (auch unter dem Titel 'Mein Girl ist weg, sagte Colby', 1957), 'The Spiked Heel' (1957), 'Even the Wicked' - 'Neugier macht Mörder' (auch unter dem Titel 'Warnung aus dem Nichts', 1958), 'Big Man' - 'Eiskalt über Leichen' (auch unter dem Titel 'Eine Katze lernt das Morden', 1959).
Als Curt Cannon:
'I'm Cannon, for Hire' (auch unter dem Titel 'The Gutter and the Grave', gezeichnet mit Ed McBain) - 'Tödliche Lügen' (auch unter dem Titel 'Die Gosse und das Grab', 1958).
Als Ezra Hannon:
'Doors' (1975).
Als John Abbott:
'Scimitar' (1992).

++ Erstellt: August 2014 ++  


McCarry, Charles

(*1930)

Charles McCarry, geboren und aufgewachsen auf einer Farm in Plainfield, Massachusetts, ging mit achtzehn zur Army und wurde im deutschen Bremershaven stationiert, wo er für die Armeezeitung schrieb. Danach arbeitete er als Redenschreiber für Präsident Eisenhower. Die folgenden zwei Jahrzehnte waren geprägt duch seine Tätigkeit als Reporter und Kolumnist für angesehene Printmedien wie 'Saturday Evening Post', 'National Geographics', 'Washington Post' und 'Esquire' und als CIA-Agent in Europa, Asien und Afrika. Darüber hinaus bekleidete er eine leitende Stellung bei einer Unterorganisation der Vereinten Nationen in Genf, und auch als politischer Berater mehrerer republikanischer Minister, Ghostwriter für die Politiker Donald Regan und Alexander Haig und Verfasser einer Biografie des politisch tätigen Anwalts Ralph Nader machte er von sich reden. McCarry hatte also bereits ein höchst abwechslungsreiches Leben hinter sich, als er 1973 seinen ersten Roman 'Das Miernik Dossier' herausgab.

'Das Miernik Dossier', eine anspruchsvolle, klug komponierte Collage aus Agentenberichten, abgehörten Telefongesprächen, Tagebucheinträgen und Dokumenten, spielt in den mittleren Jahren des Kalten Krieges, Ende der 50er-Jahre. Die Geschichte dreht sich um den undurchsichtigen polnischen Historiker Tadeusz Miernik (ist er wirklich bloss ein harmloser Angestellter der World Research Organization in Genf? Oder vielleicht doch ein KGB-Agent, der eine Revolution in einem afrikanischen Land anzetteln will?) und die Aktivitäten einer zusammengewürfelten Gruppe, bestehend aus zwei Geheimdienstleuten, einer zwielichtigen Frau und eben auch Tadeusz Miernik, die einen schwarzen Prinzen von Genf aus in sein Heimatland begleiten soll: in den Sudan, wo eine fanatische Organisation den Aufstand plant.

Ein Jahr danach ist McCarrys einziger Bestseller erschienen, ein Roman, in dem der brillante CIA-Agent, Journalist und Freizeitdichter Paul Christopher der bereits in McCarrys Erstling ein paar kleine Auftritte hatte, erstmals ganz im Mittelpunkt steht: 'Tränen des Herbst', eine höchst eigenwillige, aber durchaus einleuchtende Interpretation des Attentats auf John F. Kennedy (dieses geschah exakt drei Wochen nach der von der CIA in die Wege geleiteten Ermordung des südvietnamesischen Ministerpräsidenten Ngo Dinh Diem), abgeliefert von einem Autor, der Kennedys Mannschaft einst als einen Haufen blutiger Amateure bezeichnet hat. Gemäss McCarry handelte es sich schlicht um einen Racheakt der Südvietnamesen.

Es lohnt sich, Charles McCarrys siebenteilige - immer wieder auf reale politische Ereignisse Bezug nehmende - Serie um Paul Christopher chronologisch, d.h. den 1977 herausgekommenen und 1960 spielenden Titel 'Codewort Liebe' vor 'Tränen des Herbst' zu lesen. Die drei nachfolgenden Christopher-Romane ('The Last Supper', 'Second Sight' und 'Old Boys') sind nicht ins Deutsche übertragen worden. Dies gilt auch für den die Reihe beschliessenden Band 'Christopher's Ghosts', in dem Christophers Jugendzeit in einem von den Nazis beherrschten Berlin (1939) und seine Tätigkeit als CIA-Agent in Ost-Berlin zwanzig Jahre später miteinander verknüpft werden - den chronologisch ersten Teil der Reihe.

In jedem Buch wird ein Stück von Christophers Lebens- und Familiengeschichte offenbart - die turbulente Adoleszenz in Berlin, die unglücklich endende Ehe mit der schönen, psychisch labilen Cathy, die Beziehung zu seinen aristokratischen Eltern - dem CIA-Agenten Hubbard, der ermordet wird, und der mutigen deutschstämmigen Lori, die sich den Nazis widersetzt -, der steile Aufstieg zum Top-Agenten des amerikanischen Geheimdienstes, der von McCarry als "Outfit" bezeichnet wird. In 'Second Sight' taucht Pauls und Cathys gemeinsame - inzwischen erwachsene - Tochter Zarah auf, die unmittelbar nach der Geburt von ihrer Mutter in einem nordafrikanischen Land "versteckt" worden ist.

Der im 18. Jahrhundert spielende (nur sehr bedingt dem Krimigenre zuzurechnende) Roman 'Das ferne Glück' entführt den Leser in ein düsteres, von Schmutz, Krankheit, Intrigen, Aberglauben und skrupelloser Geschäftemacherei geprägtes London, aber auch in unberührte nordamerikanische Gegenden mit ihren alteingesessenen Indianerstämmen.

Charles McCarry lebt in den Berkshires, West-Massachusetts, verbringt jedoch die Wintermonate in Pompano Beach an der Westküste Floridas.

Bibliografie:
Paul Christopher-Serie: 'The Miernik Dossier' - 'Das Miernik Dossier' (1973), 'The Tears of Autumn' - 'Tränen des Herbst' (1974), 'The Secret Lovers' - 'Codewort Liebe' (1977), 'The Last Supper' (1983), 'Second Sight' (1991), 'The Old Boys' (2004), 'Christopher's Ghosts' (2007);
'Double Eagle' (1979), 'The Better Angels' - 'Die besseren Engel' (1979), 'The Bride of the Wilderness' - 'Das ferne Glück' (1988) 'Shelley's Heart' - 'Tödliches Labyrinth' (1995), 'Lucky Bastard' (1998), 'The Shanghai Factor' (2013).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
 


McCloy, Helen

(1904-1994, schrieb auch als Helen Clarkson)

Helen McCloy wurde in New York City als Tochter der Schriftstellerin Helen Worrell McCloy und des langjährigen Herausgebers der Zeitung 'New York Evening Sun' William C. McCloy geboren und besuchte in Brooklyn die von Quäkern geleitete Friend's School. Mit vierzehn publizierte sie einen literarischen Essay im Bostoner Blatt 'Transcript', mit fünfzehn einige Verse in der 'New York Times'. 1923 ging sie nach Frankreich und studierte zwei Jahre an der Sorbonne. Von 1927 bis 1931 war sie Pariser Korrespondentin für den 'Universal News Service', ab 1930 zudem für das Magazin 'International Studio'. Sie schrieb auch für die Londoner Zeitungen 'Morning Post' und 'Daily Mail'.

Nach ihrer Rückkehr in die USA im Jahr 1931 verfasste McCloy Zeitschriftenartikel und Kurzgeschichten, bis sie 1938 ihren ersten Krimi 'Dance of Death' herausgab. 1946 heiratete sie den Krimiautor Davis Dresser, besser bekannt als Brett Halliday (Schöpfer des Privatdetektivs Mike Shayne), mit dem sie die 'Torquil Publishing Company' und die Literaturagentur 'Halliday and McCloy' gründete. Die Ehe, der eine Tochter entsprang, wurde nach fünfzehn Jahren geschieden. 1950 wurde McCloy als erste Frau zur Präsidentin der Vereinigung 'Mystery Writers of America' ernannt. 1953 erhielt sie für ihre in verschiedenen Zeitungen veröffentlichten Krimikritiken einen "Edgar".

Helen McCloy, eine geschmeidige Stilistin und Meisterin der Handlungsführung ("Cliffhanger"!), ist die Erfinderin des gross gewachsenen, elegant gekleideten New Yorker Psychiaters Basil Willing. Der Sohn einer Russin und eines Amerikaners diente im Ersten Weltkrieg und studierte dann Psychiatrie an der John Hopkins University, Baltimore, in Paris und Wien (hier vertiefte er sich in die Freud'schen Psychoanalyse, und hier kam er zur Überzeugung, dass jeder Verbrecher "psychische Fingerabdrücke" hinterlässt). Später heiratete er die aus Österreich geflüchtete Gisela von Hohenems, die eine Tochter zur Welt brachte. Neben seiner Praxistätigkeit unterrichtet Willing an der Harvard University und berät die Staatsanwaltschaft des Bezirks Manhattan in forensischen Fragen - er ist damit einer der ersten "Profiler" der Weltliteratur. Im letzten Band der 14-teiligen, eine Zeit von über vierzig Jahren umspannenden Reihe (dreizehn Romane, eine Kurzgeschichtensammlung) lebt Willing als Witwer in Boston und ist als eine Art Privatermittler tätig. Die am höchsten gewerteten Willing-Titel sind 'Through a Glass Darkly' und vor allem 'Mr. Splitfoot', von denen es keine deutschsprachige Übersetzung gibt.

Neben der Basil Willing-Serie verfasste die Autorin bis 1979 sechzehn Standalones - hauptsächlich Psychothriller, aber auch "Locked-Room-Mysteries" bzw. Mixturen aus diesen beiden Gattungen - und einen weiteren Band mit Stories ('The Singing Diamonds').

McCloys berühmtestes Einzelwerk 'Sie ging allein' spielt vorwiegend an Bord der "Santa Christina", die von den Westindischen Inseln nach New York unterwegs ist. Unter den Passagieren befindet sich eine junge, intelligente Frau namens Nina Keyes - mit 100'000 Dollar im Gepäck, die sie für einen alten Freund, der wegen eines mysteriösen Unfalls in Lebensgefahr schwebt, in die USA bringen und dort einem Geschäftsmann übergeben soll - und ihr Begleiter Tony, ein recht naiver Mann, den sie seit ihrer Kindheit kennt; sowie mehrere Personen, denen scheinbar jedes Mittel recht ist, sich das Geld unter den Nagel zu reissen - der erste Mord lässt dann auch nicht lange auf sich warten. Bei einer Zwischenlandung begibt sich Kommissar Miguel Urizar, ein Freund des Kapitäns, aufs Schiff, um zu ermitteln. Er kann jedoch nicht verhindern, dass ein weiteres Opfer zu beklagen ist, bevor er die überraschende (nicht ganz plausible) Lösung aus dem Ärmel zaubert.

Bibliografie:
Dr. Basil Willing-Serie: 'Dance of Death' (auch unter dem Titel 'Design for Dying', 1938), 'The Man in the Moonlight' (1940), 'The Deadly Truth' - 'Lüg, wenn du kannst' (1941), 'Who's Calling' (1942), 'Cue for Murder' (1942), 'The Goblin Marker' (1943), 'The One That Got Away' (1945), 'Through a Glass Darkly' (1950), 'Alias Basil Willing' (1951), 'The Long Body' - 'Es begann in Mexiko' (1955), 'Two Thirds of a Ghost' - 'Drei in einem Sarg' (1956), 'Mr. Splitfoot' (1968), 'Burn This' (1980);
'Do Not Disturb' (1943), 'Panic'(1944), 'She Walks Alone' (auch unter dem Titel 'Wish You Were Dead') - 'Sie ging allein' (1948), 'Better off Dead' (1951), 'Unfinished Crime (auch unter dem Titel 'He Never Came Back') - 'Die andere Karriere' (1954), 'The Slayer and the Slain' (1957), 'Bevor I Die' (1963), 'The Further Side of Fear' (1967), 'A Question of Time' - 'Das Bild des Schreckens' (1971), 'A Change of Heart' (1973), 'The Sleepwalker' (1974), 'Minotaur Country' (1975), 'The Changeling Conspiracy' (auch unter dem Titel 'Cruel as the Grave', 1976), 'The Impostor' (1977), 'The Smoking Mirror' (1979).
Als Helen Clarkson: 'The Last Day' (1959).

++ Erstellt: Februar 2011 ++


McClure, James

(1939-2006)

James McClure wurde in Johannisburg, Südafrika, geboren und wuchs in der vorwiegend von Schwarzen bevölkerten Stadt Pietermaritzburg auf. Nach seinem Studium am Maritzburg College 1955 bis 1958 arbeitete er vier Jahre als Englisch- und Kunstlehrer am Cowan House in Pietermaritzburg, danach als Polizeireporter und Fotograf für lokale Zeitungen. Seine systemkritischen Reportagen führten dazu, dass er von der Polizei überwacht wurde. Nach der Geburt seines ersten Sohnes 1965 beschloss er deshalb, mit seiner Familie nach Grossbritannien auszuwandern. Dort arbeitete er zuerst für den 'Scottish Daily Mail' in Edinburgh, danach für den 'Oxford Mail' und die 'Oxford Times' in Oxford, dem Wohnsitz seiner zweiten Lebenshälfte.

Neben seiner journalistischen Tätigkeit kreierte McClure eine komplexe, im Südafrika der 60er- und 70er-Jahre spielende Krimiserie, in deren Mittelpunkt die Polizisten Lieutenant Tromp Kramer, ein gradliniger Weisser, der die Apartheid-Politik, mit der er aufgewachsen ist, verinnerlicht hat, und sein cleverer Bantu-Partner Detective Sergeant Mickey Zondi, stehen; zwei gegensätzliche Figuren aus der fiktiven Stadt Trekkersburg (gemeint ist wohl Pietermaritzburg), zwischen denen sich im Verlauf der chronologisch zu lesenden Reihe eine enge, hinter herben Sprüchen halbwegs versteckte Freundschaft entwickelt. Inhaltlich ist 'Die schwarze Hexe' aus dem Jahr 1991 der erste Titel der achtteiligen Serie.

In seinen Polizeiromanen ist McClure das Kunststück gelungen, den allgegenwärtigen Terror und Rassismus im totalitären System Apartheid derart subtil - mit beiläufig eingefügten Beobachtungen, ganz ohne polemische Statements - zu entlarven, dass seine Werke damals sogar in Südafrika erscheinen konnten.

Ende der 70er-Jahre begleitete McClure längere Zeit eine englische Polizeieinheit; daraus resultierte 1980 das Sachbuch 'Spike Island: Portrait of a British Police Division'. Vier Jahre später wiederholte er dieses Vorgehen in San Diego, Kalifornien, mit 'Cop World: Inside of an American Police Force'. Darüber hinaus verfasste er drei weitere Romane, unter ihnen der in Südafrika angesiedelte Spionagethriller 'Rogue Eagle'.

Anfang der 90er-Jahre beendete McClure seine schriftstellerische Laufbahn. 1994 wurde er Herausgeber der angesehenen 'Oxford Times', von 2000 bis Ende 2005 übte er dieselbe Funktion beim 'Oxford Mail' aus. Er starb 66-jährig in Oxford und hinterliess seine Frau Lorly, mit der er seit 1962 verheiratet war, sowie zwei Söhne und eine Tochter.

Bibliografie:
Tromp Kramer & Mickey Zondi-Serie: 'The Steam Pig' - 'Begräbnis inklusive' (auch unter dem Titel 'Ein Sarg mit falscher Adresse', 1971), 'The Caterpillar Cop' - 'Nachtspiele' (auch unter dem Titel 'Ein vorwitziges Kind' (1972), 'The Gooseberry Fool' - 'Beichtgeheimnisse' (auch unter dem Titel 'Geheime Sünden, bar bezahlt' (1974), 'Snake' - 'Im Bann der Schlange' (auch unter dem Titel 'Die Viper', 1975), 'The Sunday Hangman' - 'Ein Opfer für den Henker' (auch unter dem Titel 'Mord am Galgen' (1977), 'The Blood of an Englishman' - 'Die Jagd nach dem Schatten' (1980), 'The Artful Egg' - 'Kalte Revanche' (1984), 'The Song Dog' - 'Die schwarze Hexe' (auch unter dem Titel 'Song Dog', 1991);
'Four and Twenty Virgins' (1973), 'Rogue Eagle' (1976).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2016 ++
 


McCrumb, Sharyn

(*1948)

Sharyn McCrumb, geborene Arwwood, kam in Wilmington, North Carolina, zur Welt. Sie studierte Englisch an der University of North Carolina in Chapel Hill mit einem Abschluss am Virginia Tech. Danach nahm sie an dieser Uni einen Lehrauftrag an und brachte ihren Studenten Geschichte und Kultur der Appalachen näher. Anfang der 80er-Jahre wandte sie sich dem Schreiben zu.

Aus McCrumbs neunteiliger - 1984 gestarteter und 2000 beendeter - Serie mit der forensischen Anthropologin Elizabeth MacPherson aus Virginia in der Hauptrolle ist einzig der zweite Titel 'Lieblich bis auf die Knochen' ins Deutsche übertragen worden.

Überstrahlt wird McCrumbs Kriminalwerk durch die so genannte "Ballad Series". Sie dreht sich um den von den Appalachen abstammenden Sheriff Spencer Arrowood und seinen Deputy, den schwer traumatisierten Vietnamveteranen Joe LeDonne - zwei einfühlsam gezeichnete, kantige Figuren, die in Tennessees einsamer Bergwelt, wo jeder jeden kennt, brutalen Verbrechen auf den Grund gehen (im dritten Roman gesellt sich die junge Martha Ayers als Deputy hinzu). Die Autorin besticht in dieser düsteren Reihe mit atmosphärisch dichter Erzählweise und packender Handlungsführung. Auf Deutsch sind die vier ersten von bislang zehn Bänden erschienen.

Neben ihren Krimis veröffentlichte McCrumb fünf weitere Romane (zuletzt drei Romane über die NASCAR-Rennen: 'St. Dale', 'Once Around the Track' und 'Faster Pastor'), eine Kurzgeschichtensammlung und Texte über die Apalachen. Sie lebt mit ihrem Mann David und den beiden Kindern, Laura und Spencer, auf einer Farm in den Blue Ridge Mountains, Virginia.

Bibliografie:
Elizabeth MacPherson-Serie: 'Sick of Shadows' (1984), 'Lovely in Her Bones' - 'Lieblich bis auf die Knochen' (1985), 'Highland Laddie Gone' (1986), 'Paying the Piper' (1988), 'The Windsor Knot' (1990), 'Missing Susan' (1991), 'Macpherson's Lament' (1992), 'If I'd Killed Him When I Met Him' (1995), 'The PMS Outlaws' (2000);
Spencer Arrowood-Serie (Ballad Series): 'If Ever I Return' (auch unter dem Titel 'If Ever I Return, Pretty Peggy-O') - 'Und kehr ich je zurück' (1990), 'The Hangman's Beautiful Daughter' - 'Am Ufer des Todes' (1992), 'She Walks These Hills' - 'Schatten über den Bergen' (1994), 'The Rosewood Casket' - 'Ein Sarg aus Rosenholz' (1996), 'The Ballad of Frankie Silver' (1998), 'The Song Catcher' (2000), 'Ghost Riders' (2003), 'The Devil Amongst the Lawyers' (2010), 'The Ballad of Tom Dooley' (2011), 'King's Mountain' (2013);
'Bimbos of the Death Sun' (1987), 'Zombies of the Gene Pool' (1992).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Mai 2013 ++
++ Update: Oktober 2014 ++
 


Mcdonald, Gregory

(1937-2008)

Gregory Mcdonald wurde in Shrewsbury, Massachusetts, als Sohn eines Radioreporters geboren. Nach seinem Studium an der Harvard University, das er 1958 abschloss, segelte er durch die Weltmeere und arbeitete bei einer Schifffahrtsversicherung. Daraufhin verbrachte er ein Jahr als Freiwilliger bei den UNO-Friedenscorps in Puerto Rico. Es folgte eine Zeit als Spanisch-, Mathematik- und Geschichtslehrer an der Nashoba Regional High School in Bolton, Massachisetts. Ab 1966 arbeitete er als Redakteur, Kritiker und Kolumnist beim 'Boston Globe' und profilierte sich als Gegner des Vietnamkriegs und als Bürgerrechtler. 1973 machte er das Schreiben zum Hauptberuf. 1986 liess er sich auf einer Farm in Pulsaki, Giles County, Tennessee, nieder, wo er auch sozialpolitisch, unter anderem gegen den Ku Klux Klan, tätig war. Er erlag dort 71 Jahren einer Krebserkrankung.

Mcdonalds bedeutendste Figur ist Irwin Maurice Fletcher, genannt Fletch, der nach seinem Journalismus- und Kunststudium Reporter wurde. Zu Beginn der Serie erbt er ein hübsches Vermögen, das es ihm ermöglicht, ein Leben als Weltenbummler und Abenteurer zu führen. Bei seinen Reisen wird der zweimal geschiedene Frauenheld in Verbrechen verwickelt, als deren Urheber er oft verdächtigt wird und die er dann selbst auflöst. Daneben schreibt er fortwährend an einer Biografie des (fiktionalen) Kunstmalers Edgar Arthur Tharp Jr. Von den neun Fletch-Romanen gelten der Erstling 'Fletch' und der 1983er Titel 'Fletch und der Präsidentschaftskandidat' (mit Fletch als Pressesprecher von Gouverneur Claxton Wheeler, einem klugen und ehrlichen Mann, in dessen nächstem Umfeld drei junge Frauen ermordet werden) als die grössten Würfe: spöttische, intelligent gebaute, mit sparsamen Mitteln erzählte Geschichten, die von spritzigen Dialogen getragen werden.

Protagonist in Mcdonalds zweiter, im Original vier Titel umfassender Reihe ist der irisch-stämmige ehemalige Meisterspion und jetzige Bostoner Cop Francis Xavier Flynn, ein riesenhafter Familienvater mit einem auffallend kleinen Kopf, ein brillanter, wenn auch manchmal etwas zögerlicher Ermittler. In 'Gestehen Sie, Fletch' haben Fletch und Flynn ihren einzigen gemeinsamen Auftritt - als Gegenspieler.

In den 90er-Jahren hat Mcdonald zwei Thriller um Fletchs mutmasslichen Sohn Jack, eine kleine Krimireihe um Skylar Whitfield - Charmeur und Herzensbrecher aus Tennessee - sowie das (1997 mit Johnny Depp und Marlon Brando verfilmte) Einzelwerk 'The Brave' herausgegeben. Und 2003 ist Flynn nach zwanzig Jahren Pause zu einem überraschenden Comeback gekommen ('Flynn's World').

Bibliografie:
Fletch-Serie: 'Fletch' - 'Fletch' (auch unter dem Titel 'Opfer sucht passenden Mörder', 1974), 'Confess, Fletch' - 'Gestehen Sie, Fletch!' (auch unter dem Titel 'Mörder sucht passenden Sündenbock', 1976), 'Fletch's Fortune' - 'Fletch - Vermögen bringt Ärger' (auch unter dem Titel 'Vermögen bringt Ärger' (1978), 'Fletch and the Widow Bradley' - 'Fletch und die Witwe' (1981), 'Fletch's Moxie' - 'Fletch und Moxie' (1982), 'Fletch and the Man Who' - 'Fletch und der Präsidentschaftskandidat' (1983), 'Carioca Fletch' - 'Fletch in Braslien' (1984), 'Fletch Won' - 'Fletch siegt' (1985), 'Fletch, Too' - 'Safari für Fletch' (1986);
Flynn-Serie: 'Confess, Fletch' - 'Gestehen sie, Fletch!' (1976), 'Flynn' - 'Nur sterben ist schöner' (1977), 'The Buck Passes Flynn'- 'Flynn und der Dollarsegen' (1981), 'Flynn's In' (1984), 'Flynn's World' (2003);
Son of Fletch-Romane: 'Son of Fletch' (1993), 'Fletch Reflected' 1994);
Skylar-Romane: 'Skylar' (1995), 'Skylar in Yankeeland' (1997);
Einzelwerke: 'Who Took Toby Ronaldi?' (auch unter dem Titel 'Snatched') - 'Toby ist verschwunden' (1980), 'Safekeeping' - 'Bombensicher' (1985), 'The Brave' - 'The Brave' (1991).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Februar 2014 ++
 


McGivern, William P.

(1918-1982, schrieb auch als P.F. Costello, Bill Peters und Gerald Lance)

William P. McGivern kam in Chicago, Illinois, zur Welt und wuchs dort und in Mobile, Alabama, auf. Kurz nach Abschluss der High School schrieb er bereits seine ersten Stories, die in verschiedenen Magazinen veröffentlicht wurden. In seiner Dienstzeit bei der US Army zeichnete er sich als Held des Zweiten Weltkriegs aus. Nach dem Krieg studierte er an der University of Birmingham. Nach seiner Heirat mit der Journalistin und Kinderbuchautorin Maureen Daly debütierte er 1948 als Krimiautor. Daneben arbeitete er zunächst zwei Jahre als Polizeireporter für das 'Philadelphia Bulletin', anschliessend, von 1949 bis 1951, als Reporter und Redakteur des 'Evening Bulletin' in Philadelphia. Darüber hinaus unterrichtete er Kreatives Schreiben an der University of North Carolina.

Anfang der 60er-Jahre liess sich McGivern als Drehbuchautor (unter anderem für die Fernsehserien 'Kojak' und 'Banyon' und den John Wayne-Streifen 'Brannigan') in Hollywood nieder. 1979 veröffentlichte er den auf eigenen Kriegserlebnissen beruhenden Roman 'Soldiers of '44'. 1980 war er Präsident der Organisation 'Mystery Writers of America'. Er starb 63-jährig in Palm Desert, Kalifornien, und hinterliess seine Frau und die Kinder Megan und Patrick.

McGiverns Kriminalwerk enthält eine Kurzgeschichtensammlung ('Killer on the Turnpike', 1961) sowie 28 harte, düstere, mit kargen Mitteln erzählte Noir-Romane um einzelgängerische, nicht besonders gesetzestreue Männer, die nichts mehr zu verlieren haben und in einer verbrecherischen, von Korruption beherrschten Umgebung einen hoffnungslosen Kampf um ihre Ehre, oder vielmehr ums nackte Überleben führen. Etliche seiner Romane wurden verfilmt, unter anderem 'Ein Mann allein' durch Fritz Lang.

McGiverns bekanntestes Werk 'Ein Mann allein' sieht den von Hass und Rachsucht besessenen Polizisten Dave Bannion aus Philadelphia, dessen liebe Frau Kate einem Anschlag, der eigentlich ihm galt, zum Opfer gefallen ist, im Kampf gegen die mutmasslichen Mörder. Er hängt den Polizeidienst an den Nagel und stösst fast im Alleingang auf ein dichtes Netz von Korruption, in dem auch Richter und hohe Polizeibeamte gefangen sind.

Auch 'Der Falsche Weg' erzählt von einem Gesetzeshüter, der auf Abwege geraten ist: von dem harten, aber korrupt gewordenen Cop Mike Carmody aus Philadelphia, dessen jüngerer Bruder Eddie, auch er ein Polizist, aber ein ehrlicher, vom Mob (auf dessen Lohnliste Mike steht) ermordet wird. Mike schwört Rache.

'Von Angst gepeitscht' erzählt in hohem Tempo und aus ständig wechselnden Perspektiven von einem zum Scheitern verurteilten Banküberfall durch ein Trio, das sich aus dem mehrmals inhaftierten texanischen Weltkriegsveteranen Earle Slater, der sich nach dem Krieg nicht mehr zurechtfand, dem schwarzen, hoch verschuldeten Spieler John Ingram und dem korrupten Ex-Cop Dave Burke zusammensetzt. Burke wird erschossen, Slater schwer verwundet, doch mit Hilfe von Ingram, den er wie alle Schwarzen verachtet, gelingt ihm die Flucht, und zwischen den beiden keimt nun sogar etwas wie Freundschaft auf - während die Verfolger immer näher rücken.

Bibliografie:
'But Death Runs Faster' (auch unter dem Titel 'The Whispering Corpse' - 'Der sprechende Leichnam' (auch unter dem Titel 'Der Tod führt Regie', 1948), 'Heaven Ran Last' - 'Mord nach acht Uhr eins' (1949), 'Very Cold for May' (1950), 'Shield for Murder' - 'Der Cop' (auch unter dem Titel 'Schonzeit für den Mörder', 1951), 'Blondes Die Young' - 'Blonde Mädchen sterben früher' (ursprünglich als Bill Peters, 1952), 'The Crooked Frame' - 'Die schwarze Wespe' (auch unter dem Titel 'Mord im Pressehaus' (1952), 'The Big Heat' - 'Ein Mann allein' (1953), 'Margin of Terror' (1953), 'Rogue Cop' - 'Der falsche Weg' (1954), 'The Darkest Hour' (auch unter dem Titel 'Waterfront Cop' - 'Seine dunkelste Stunde' (1955), 'The Seven File' (auch unter dem Titel 'Chicago-7) - 'Wo ist dein Bruder, Kain?' (1956), 'Night Extra' - 'Story einer Nacht' (1957), 'Odds Against Tomorrow' - 'Von Angst gepeitscht' (1957), 'Mention My Name in Mombasa' (1958), 'Savage Streets' - 'Strasse der Gewalt' (auch unter dem Titel 'Wenn die Bürger schlafen', 1959), 'Seven Lies Soth' (1960), 'The Road to Snail' (1961), 'A Pride of Place' (1962), 'A Choice of Assassins', 'The Caper oft he Golden Bulls' - 'Der goldene Coup' (auch unter dem Titel 'Die Bankräuberbande' (1966), 'Lie Down, I Want to Talk to You' (1967), 'Caprifoil' - 'Die Entführung des Ministers' (1972), 'Reprisal' - 'Am Ende aller Träume' (1973), 'Night oft he Juggler' - 'Dunkle Nächte' (1975), 'The Seeing' (1980), 'Summitt' (1982), 'War Games' (1984) - 'Sein letzter Auftrag' (1984), 'A Matter of Honor' (1984).

++ Erstellt: September 2010 ++  


McIlvanney, William

(1936-2015)

William Angus McIlvanney kam in der schottischen Kleinstadt Kilmarnock, Ayrshire, als jüngstes von vier Kindern einer mittellosen, jeodch lebensfrohen Arbeiterfamilie zur Welt. Nach seiner Ausbildung an der Kilmarnock Academy studierte er Anglistik an der University of Glasgow mit einem Abschluss 1959, um danach fünfzehn Jahre an verschiedenen schottisches Schulen und Universitäten Englisch zu lehren. 1961 heiratete er Moira Watson, mit der er einen Sohn, Liam, und eine Tochter, Siobhan, hatte; die Ehe wurde 1982 geschieden. (Liam McIlvanney, ein heute in Neuseeland lebender und lehrender Schottisch-Professor, debütierte 2009 als Krimiautor.)

McIlvanney veröffentlichte seinen ersten Roman 'Remedy is None' im Jahr 1966, neun Jahre später machte er das Schreiben zu seinem Hauptberuf. Sein schmales Werk enthält Gedichte, Kurzgeschichten, Essays, einige nicht dem Krimigenre zuzurechnende Romane über die schottische Arbeiterklasse und vier Krimis um den Glasgower Polizisten Jack Laidlaw, von denen der erste, 'Laidlaw', am bekanntesten ist (im dritten Band, 'The Big Man', spielt Laidlaw nur eine periphere Rolle). Darüber hinaus arbeitete McIlvanney als Kolumnist bei der Zeitung 'The Herald' und beim Fernsehen und unterrichtete Kreatives Schreiben.

Nach mehrjährigem Aufenthalt in Edinburgh lebte McIllvanney mit seiner Lebensfährtin, der Grundschullehrerin Sibhan Lynch, wieder in Glasgow. Er arbeitete dem Vernehmen nach an einer Fortsetzung der Jack Laidlaw-Serie, als er kurz nach seinem 79. Geburtstag in seinem Haus verstarb. Er gilt als Gründervater des "Tartan noir" (Begriff für schottische Kriminalliteratur) und zählt zu den bedeutendsten Prosaautoren und Lyrikern seines Landes.

Detective Inspector Jack Laidlaw, unglücklich mit Ena verheirateter Familienvater um die vierzig, ist ein guter Polizist mit schwierigem Charakter - ein Querdenker mit einem tiefen Sinn für soziale Gerechtigkeit, ein (laut seinem Schöpfer) gewalttätiger Mann, der Gewalt eigentlich zutiefst verabscheut -, der sich immer wieder gegen seine Vorgesetzten auflehnt. Er weiss, dass der Grat zwischen Gesetzestreue und Kriminalität äusserst schmal ist, und kann deshalb für Verbrecher Mitgefühl aufbringen, auch wenn er ihre Taten missbilligt.

Mit dem jungen Detective Constable Brian Harkness und seinem Intimfeind Detective Inspector Ernie Milligan, der weit herum als harter Hund berüchtigt ist, ermittelt Jack Laidlaw in 'Laidlaw' den Fall eines Mädchenmordes, in dem Tommy Bryson, ein verwirrter 20-Jähriger, der beweisen wollte, dass er nicht homosexuell ist, für den Leser von Beginn weg als Täter feststeht und jetzt von dem rüpelhaften Vater des 18-jährigen Opfers Jennifer gejagt wird. Doch Tommy ist der Geliebte eines Vertreters der organisierten Kriminalität, weiss vielleicht zuviel über deren Geschäfte, eine Verhaftung des Jungen muss deshalb mit allen Mitteln verhindert werden - für Laidlaw beginnt ein Wettkampf mit der Zeit. McIllvanney erzählt die figurenreiche Geschichte in einer kräftigen, poetischen Sprache und zeichnet ein facetten- und detailreiches Bild seiner Stadt.

'Die Suche nach Tony Veitch' wartet mit einem bunten Ensemble von Glasgower Ganoven auf, die, sofern sie nicht alsbald ins Gras beissen, vor allem eines gemeinsam haben: Sie suchen fieberhaft nach dem aus bestem Haus stammenden Studienabbrecher Tony Veitch, der sich offenbar in gefährliche Gesellschaft begeben hat - und der höchst wahrscheinlich nicht mehr am Leben ist, als auch Laidlaw und Harkness seine Spur aufnehmen. Mit seinem schwarzen Humor, seinen originellen Vergleichen und trockenen Sprüche zieht McIllvanney den Leser auch in dieser Geschichte in den Bann.

Im letzten Band 'Fremde Treue' tritt Laidlaw erstmals als Ich-Erzähler auf. Der Roman kreist um Laidlaws künstlerisch begabten Bruder Scott, der betrunken auf die Strasse torkelt und überfahren wird - sein Tod wird als Unfall abgehakt. Doch Laidlaw zweifelt an dieser Erklärung und geht der Wahrheit auf den Grund. Ein rätselhaftes Gemälde von Scott und ein tragisches, sechzehn Jahre zurückliegendes Ereignis scheinen für den Todesfall bedeutsam zu sein.

Bibliografie:
Laidlaw-Serie: 'Laidlaw' - 'Laidlaw' (auch unter dem Titel 'Im Grunde ein ganz armer Hund', 1977), 'The Papers of Tony Veitch' - 'Die Suche nach Tony Veitch' (1983), 'The Big Man' (1985), 'Strange Loyalties' - 'Fremde Treue'(1991).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2013 +
++ Update: Mai 2015 +++
++ Update: Dezember 2015 ++
 


McKimmey, James

(1923-2011; schrieb auch als John Peter Drummond, Turkel Jones und Benjamon Swift)

James McKimmey, geboren in Holdrege, Nebraska, aufgewachsen im selben Bundesstaat in den Städten Red Cloud und Omaha, absolvierte die Omaha Central High School und studierte dann Architektur an der University of Nebraska. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den er als Infanterist der US Army vornehmlich in Europa verbrachte, studierte er Schreiben an der University of Indiana und der American University im südfranzösischen Biarritz. 1950 machte er seinen Abschluss in Englisch an der University of San Francisco. Er liess sich dann in East Palo Alto bei San Francisco nieder und verrichtete Gelegenheitsjobs als Verkäufer von Versicherungen, Kleidern und Chemikalien, nebenbei verfasste er Short Stories für Pulp-Magazine.

Der Erfolg seines ersten, 1958 veröffentlichten Krimis ermöglichte McKimmey ein Leben als freier Schriftsteller. 1961 liess er sich mit seiner (1994 verstorbenen) Frau Marty am Lake Tahoe in den Sierra Nevada Mountains nieder, wo er danach mit seiner zweiten Frau, der Autorin Starr McKimmey, seinen Lebensabend verbrachte. Das letzte Buch des 2011 verstorbenen Autors ist 1972 erschienen.

McKimmeys Werk enthält zahlreiche Kurzgeschichten sowie elf schnörkellose Noir-Thriller um Durchschnittspersonen, die mit Ausnahmesituationen konfrontiert werden; unter ihnen 'Nachtigall des Todes', sein bekanntester, über weite Strecken im Spielcasino von Lake Tahoe spielender Roman. Er kreist um vier prägnant beschriebene Personen - Jack Wade und seine labile Frau Binny, die ihren kleinen Sohn verloren haben und ihre Trauer mit Alkohol und Glücksspiel bekämpfen; Elaine Towne, ein skrupellose Femme fatale, die um jeden Preis ein neues Leben beginnen will, und ihren charakterschwachen Komplizen Frank Delli -, deren Wege sich auf fatale Weise kreuzen. Die Geschichte beginnt mit dem gewaltsamen Tod von Binny, Jack wird der Tat verdächtigt. Der Autor rollt nun die Geschehnisse der letzten acht Tage auf, die zu Binnys Ermordung geführt haben.

Bibliografie:
'The Perfect Victim' - 'Dann schlachten wir den Sündenbock' (1958), 'Winner Take All' (1959), 'Cornered!' (1960), 'The Wrong Ones' - 'Die jungen Wilden' (1961), 'The Long Ride' - 'Die unheimlichen Mitfahrer' (1961), '24 Hours to Kill' (1961), 'Squeeze Play' - 'Nachtigall des Todes' (1962), 'Blue Mascara Tears' - 'Tränen an getuschten Wimpern' (1965), 'A Circle in the Water' (1967), 'The Hot Fire' (1968), 'The Man With the Gloved Hand' (1972).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2012 ++
 


McLaren, John

(*1951)

John McLaren entstammt der schottischen Hauptstadt Edinburgh. Nach Abschluss seines Jurastudiums an der nordenglischen Durham University arbeite er mehrere Jahre im diplomatischen Dienst, zuerst in London, dann in Tokio, bevor er zum Banking wechselte und sich unter anderem als Direktor bei Barings, Morgan Grenfell und der Deutschen Bank in Szene setzte. Darüber hinaus gründete er "Masterprize", ein bedeutendes Gefäss für symfonische Komposition. Mitte der 90er-Jahre begann er sich nebenberuflich dem Krimischreiben zu widmen. Er lebt in London und ist Chairman der Barchester Group, einer angesehenen, international tätigen Beraterfirma in Fragen der Finanz- und Unternehmensstrategie.

Im Krimigenre debütierte McLaren mit 'Das Computer-Komplott', einem in den Vereinigten Staaten spielenden Computerroman mit Sciencefiction-Elementen. Zwei Jahre später folgte 'Der Hellseher', die Erzählung über den erfolglosen, von seiner geldgierigen Frau verlassenen Börsenmakler Calum Buchanan, der eines Tages seine hellseherischen Fähigkeiten entdeckt und sich daraufhin in gemeindienstliche Mauscheleien verstrickt.

McLarens dritter Streich 'Das Taxi-Komplott', eine wunderbare, märchenhafte Geschichte aus der Londoner Finanzwelt, erzählt von grossmäuligen Bankern und Brokern, die durch ihre - während der Fahrten brisantes Insiderwissen aufschnappenden - Taxichauffeure über den Tisch gezogen werden, dass es eine Art hat. Als Romanhelden fungieren Jacob, genannt Einstein, ein magerer Eigenbrötler mit riesigem Gehirn, Terry, ein zuletzt etwas vom Pech verfolgter Frauenheld, und Len, ein gutmütiger Familienvater, dessen aufgeweckte 13-jährige Tochter an Zystischer Fibrose leidet und dringend eine teure Behandlung benötigt, um vielleicht die nächsten Jahre zu überleben - drei alte Freunde, die ihr Brot auf den Strassen von London verdienen. Ihre destinierten Opfer sind die Topmanager der zwielichtigen Investmentbank Skidder Barton, die mit unsauberen Mitteln die "feindliche" Übernahme eines anderen Unternehmens plant - ein Milliardendeal, an dem das Underdog-Trio um jeden Preis teilhaben will. Doch dann kommt eine Skidder Barton-Bankerin in Terrys Taxi gewaltsam ums Leben.

Bibliografie:
'Renote Cobtrol' - 'Das Computer-Komplott' (1996), 'Seventh Sense' - 'Der Hellseher' (1998), 'Black Cabs' - 'Das Taxi-Komplott' (1999), 'Running Rings' (2002), 'Blind Eye' (2004).

++ Erstellt: Mai 2013 ++  


McNamee, Eoin

(*1961; schreibt auch als John Creed)

Eoin McNamee wurde im nordirischen Kilkeel, County Down, als Sohn eines Richters geboren. Er studierte Jura am Trinity College in Dublin, bevor er sich Anfang der 90er-Jahre der Schriftstellerei zuwandte und seither Gedichte, Erzählungen, Romane für Erwachsene und Jugendliche und Drehbücher verfasst. Nach längeren Aufenthalten in London, Dublin und New York City lebt er mit seiner Familie in Sligo County an der Westküste Irlands.

Mit seinem ersten Roman 'Belfaster Auferstehung' ist Eoin McNamee ein grosser Wurf gelungen. Der protestantische, aus einfachen Verhältnissen stammende Killer Victor Kelly (ein katholischer Name!) lebt in Belfast und hat, so glaubt er zumindest, eine Mission: Den Katholiken in der Stadt das Fürchten beizubringen. Als Anführer der berüchtigten paramilitärischen Organisation "Auferstehungsmänner" ('Resurrection Man' lautet der Titel des Originals) legt er, vermutlich mit Billigung des britischen Geheimdienstes, eine blutige Spur in der kaputten nordirischen Metropole, wo Terror und Gewaltexzesse zum Alltag gehören - stundenlange Folter, Ritualmorde und die Hinrichtung harmloser Passanten sind seine bevorzugten Methoden. Als sein irres Treiben unter Drogeneinfluss eines Tages ausser Kontrolle gerät (und nicht mehr ganz dem politischen Konzept entspricht), muss er abserviert werden.

McNamees zweiter Roman 'Blue Tango' beruht auf der wahren Geschichte eines Justizskandals: Am 12. November 1952 ist die lebenslustige 19-jährige Studentin Patricia Curran, Tochter des einflussreichen, auch politisch aktiven, jedoch auf Grund seiner Spielsucht schwer verschuldeten Juristen Lancelot Curran und der psychisch labilen Doris in einer nordirischen Kleinstadt gewaltsam ums Leben gekommen. Ein homosexueller Wehrpflichtiger bietet sich als Täter an; er wird verurteilt, auch wenn jeder weiss, dass er das Mädchen nicht ermordet haben kann. Gestützt auf äusserst lückenhaftes Material, rollt McNamee den Fall noch einmal auf - und zeichnet das eindringliche Bild einer bigotten, verlogenen und schwulenfeindlichen Gesellschaft. (Im Jahr 2000 wurde das Urteil schliesslich aufgehoben.)

Auch 'Requiem' (im Original 'Orchid Blue') ist eine Geschichte aus dem wirklichen Leben - und das Porträt eines, laut Eoin McNamee, bis ins Innerste verrotteten Landes. Das Buch greift zurück auf den Fall des letzten in Nordirland hingerichteten Mannes, des Schustergesellen Robert McGladdery, den man 1961 des Mordes an der 19-jährigen Verkäuferin Pearl Gamble für schuldig befunden hatte. Ein bis heute ungelöster Fall mit einem auf brüchigen Indizien beruhenden Urteil, verhängt durch einen Richter, dessen Tochter neun Jahre zuvor ermordet worden war - Patricia Curran im ersten Teil der "Blue"-Trilogie.

'Blau ist die Nacht' (im Original 'Blue Is the Night') bildet den Abschluss der "Blue"-Trilogie. McNamee greift hier die Fälle Patricia Curran und Pearl Gamble noch einmal auf und verknüpft sie mit einem anderen authentischen Mord - jenem an der Katholikin Mary McGowan, die am 17. April 1949 in Belfast ausgeraubt und tödlich verletzt wird. Der junge protestantische Nichtsnutz Robert Taylor ist der Hauptverdächtige, und Staatsanwalt Lancelot Curran will ihn hängen sehen, auch wenn dies zu Aufständen führen und seiner Karriere irreparablen Schaden zufügen würde in der von Hass auf die katholische Kirche zerfressenen Stadt. Currans rechte Hand Harry Ferguson versucht jedoch mit allen (auch illegalen) Mitteln, Taylors Verurteilung zu verhindern. Gleichzeitig ermittelt Ferguson noch einmal den Mord an Patricia, indem er deren seit damals im Irrenhaus untergebrachte Mutter befragt.

Unter dem Pseudonym John Creed veröffentlichte McNamee von 2002 bis 2006 die Trilogie um Jack Valentine, einen ausgebrannten irischen Agenten mittleren Alters, der seit fünfzehn Jahren undercover, getarnt als Reisereporter, für die ultrageheime britische Organisation MRU unterwegs ist und sich im zweiten Roman selbständig macht.

Bibliografie:
'Resurrection Man' - 'Belfaster Auferstehung' (1994), 'The Ultras' (2004), '12:23: Paris, 31st August 1997' (2007);
"Blue"-Trilogie: 'The Blue Tango' - 'Blue Tango' (2001), 'Orchid Blue' - 'Requiem' (2010), 'Blue Is the Night' - Blau ist die Nacht' (2014).
Als John Creed: Jack Valentine-Trilogie: 'The Sirius Crossing' (2002), 'The Day of the Dead' (2003), 'Black Cat Black Dog' (2006).

++ Erstellt: April 2013 ++
++ Update: November 2016 ++
 


Melo, Patricia

(*1962)

Patricia Melo wurde in Assis in der brasilianischen Provinz Sao Paulo geboren, über ihre Jugendzeit und berufliche Ausbildung ist nichts bekannt. In erster Ehe mit einem TV-Produzenten verheiratet, arbeitete sie in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren als Drehbuchautorin für Film und Fernsehen. Stark beeinflusst von ihrem grossen Vorbild und engen Freund Rubem Fonseca, debütierte sie 1994 im Krimigenre. Der Durchbruch folgte ein Jahr später mit 'O Matador', ihrem zweiten von bislang neun Noir-Romanen, in denen sie das Bild einer gewalttätigen urbanen Gesellschaft gestaltet.

Melos Krimierstling 'Ich töte, du stirbst' besteht aus zwei locker miteinander verbundenen Geschichten über den Zwang, zu morden: Rita, die vernachlässigte Frau des Fernsehproduzenten Rubem Marcondes, die den ganzen Tag amerikanische Actionfilme anschaut, sucht einen Kommissar auf, um ihren Mann zu denunzieren: Rubem Marcondes sei der berüchtigte Würger des Stadtteils Lapa. Der Kommissar zweifelt an Ritas Verstand, Rita stirbt. Die zweite Geschichte dreht sich um einen 50-jährigen Spiesser, der seine dicke Nachbarin Celia dermassen hasst, dass er sie einfach umbringen muss. Er schmiedet einen Plan, dreht langsam durch und ertränkt Celia (zumindest in Gedanken) in der Badewanne. Als er in der Zeitung von einem Serienmord in Lapa liest, geht er schnurstracks in die Polizeiwache und gesteht: Ich bin der Lapa-Würger…

Für ihren zweiten Roman 'O Matador' interviewte die Autorin zwei Jahre lang professionelle Killer im brasilianischen Gefängnis San Bernardo do Campo. Die rabenschwarze, an grotesken Szenen reiche Geschichte erzählt von dem Leben des 22-jährigen Fussballfans und Gebrauchtwarenhändlers Maiquel, eines einfältigen, der untersten sozialen Schicht Sao Paulos entstammenden Schwätzers, der (nach einer verlorenen Fussballwette) durch Zufall zu töten beginnt, daran Gefallen findet und daraufhin als Auftragskiller Karriere macht. Er bringt es zu Wohlstand und sozialem Ansehen, wird Chef einer kleinen, als Sicherheitsdienst getarnten Schutzgeldtruppe, bis er irgendwann den Falschen umbringt, von seinen Hintermännern fallen gelassen wird und hinter Gitter kommt. Als ihm dann die Flucht aus dem Knast gelingt, hat er nur noch eines im Kopf: Rache zu nehmen an den Männern, die ihn verraten haben.
'O Matador' wurde unter dem Titel 'O homem de ano' ('The Man of the Year', 2003) verfilmt und mehrfach ausgezeichnet; Rubem Fonseca verfasste das Drehbuch, sein Sohn José Henrique Fonseca führte Regie.
Melos sechster Krimi 'Mundo perdido', 2006 erschienen, ist die Fortsetzung von 'O Matador', in der Maiquel nach zehn Jahren auf der Flucht nach Sao Paulo zurückkehrt, um wiederum ein Blutbad anzurichten (keine deutsche Übersetzung).

'Inferno' ist das Porträt des Favela-Produkts José Luis Reis, genannt Reizinho, aus Rio de Janeiro, das vom schmächtigen, mit elf Jahren bereits cracksüchtigen Bürschchen zu einem der mächtigsten Drogenbosse der Stadt heranwächst und sich fürderhin mit konkurrierenden Kartellen bürgerkriegsähnliche Revierkämpfe liefert. Das vielschichtige, ganz ohne Sentimentalität erzählte Sozialdrama zeichnet ein schonungsloses Bild der von Gott und dem Staat verlassenen brasilianischen Slums, in denen Gewalt zum Alltag gehört.

In 'Leichendieb' steht (wie in fast allen Romanen der Autorin) eine abstossende Gestalt im Mittelpunkt: Der namenlose Ich-Erzähler mit dem Spitznamen "Porco", Geschäftsführer eines Callcenters in Sao Paulo, bis er sich vor Jahresfrist in die öde Kleinstadt Corumba an der Grenze zu Bolivien zurückgezogen hat und hier mit seiner Freundin Sulamita, der Leiterin des örtlichen Leichenschauhauses, eine nicht sehr erfüllende Beziehung führt. Sein Leben gewinnt jedoch an Fahrt, als ein Sportflugzeug vor seinen Augen in den Fluss stürzt. An Bord: Der sterbende Pilot - ein junger Mann aus wohlhabendem Haus - und ein Kilo Kokain. Der Namenlose schmeisst die Leiche ins Wasser, behändigt den Stoff, verschwindet, ohne den Unfall der Polizei zu melden, und verscherbelt dann die Beute - der Beginn einer kriminellen Laufbahn, in deren Verlauf "Porco", dieses opportunistische, ständig sich selbst betrügende und anlügende Ekelpaket, sich und Sulamita immer tiefer in den Schlamassel reitet.

Patricia Melo, die auch als Dramaturgin und sozialkritische Journalistin von sich reden macht, ist in zweiter Ehe mit dem brasilianischen Meisterdirigenten und Komponisten John Neschling verheiratet und lebt mit ihm seit 2011 am Luganer See in der Schweiz. Sie hat eine erwachsene Tochter aus erster Ehe.

Bibliografie:
'Aqua Toffana' - 'Ich töte, du stirbst' (1994), 'O Matador' - 'O Matador' (1995), 'Elogio da mentira' - 'Wer lügt, gewinnt' (1998), 'Inferno' - 'Inferno' (2000), 'Valsa negra' - 'Schwarzer Walzer' (2003), 'Mundo perdido' (2006), 'Jonas, o copromanta' (2008), 'Ladrado de Cadaveres' - 'Leichendieb' (2010), 'Escrevendo no escuro' (2011), 'Fogu-Fatuo' - 'Trügerisches Licht' (2014).

++ Erstellt: Oktober 2012 ++
++ Update: Mai 2013 ++
++ Update: August 2016 ++
 


Melville, James

(Pseudonym für Roy Peter Martin, 1931-2014; schrieb auch als Hampton Charles)

Roy Peter Martin, geboren und aufgewachsen in London als Spross eines Postangestellten und einer Schneiderin, ging von 1942 bis 1948 an die Highbury Grammar School und studierte danach Philosophie und Politikwissenschaft am Birkbeck College in London, wo er, unterbrochen durch seinen Militärdienst bei der Royal Air Force 1950/51, im Jahr 1956 mit dem Master abschloss. 1958/59 studierte er an der westdeutschen Universität Tübingen. Seine erste, 1951 mit Marjorie Peacock geschlossene Ehe wurde 1960 geschieden. Im selben Jahr heiratete er die Schauspielerin Joan Drumwright und hatte mit ihr zwei Söhne, James und Adam.

Ab den frühen 60er-Jahren arbeitete Martin während über zehn Jahren als Kultur- und Erziehungsberater für die britische Botschaft in verschiedenen Ländern, Japan (Kyoto, 1963-1970) und Ungarn (Budapest, 1972-1973) waren seine wichtigsten Stationen. 1973 kehrte er nach London zurück, 1977 wurde seine Ehe aufgelöst. Im folgenden Jahr heiratete er seine dritte Frau Catherine Sydee, eine Künstlerin. Von 1979 bis 1983 war Martin noch einmal als Kulturberater in Japan tätig (er hatte sich längst in das Land und seine Bevölkerung verliebt und sprach fliessend Japanisch), danach liess er sich endgültig in London nieder, um sich nun - vier Jahre nach seinem Debüt als Krimiautor - hauptberuflich dem Schreiben zu widmen. Sein Pseudonym James Melville setzt sich aus den Vornamen seiner Söhne Adam Melville und James Peter zusammen.

Das Herzstück von Melvilles Krimiwerk bildet die 13-teilige Serie um Superintendent Otani aus Kobe. Tetsuo Otani ist verheiratet mit der treuen und reizvollen Hausfrau Hanae, die ihn oft bei seinen Fällen berät, und Vater der aufmüpfigen, mit Akira Shimizu verheirateten Tochter Akiko, ein Paar mit linksradikaler Vergangenheit, zu dem er eine enge Beziehung pflegt, das jedoch später nach England übersiedelt. Er ist ein konservativer, den alten japanischen Werten verpflichteter, etwas steifer Mann mittleren Alters und ein scharfsinnier Ermittler. Seine Assistenten sind Jiro Kimura und Hachiro "Ninja" Noguchi, zwei am Rande der japanischen Gesellschaft stehende Männer: Der smarte, attraktive Junggeselle Kimura wurde in Chicago geboren und vergrämt Otani mit seinen sexuellen Abenteuern, und Noguchi gehört zu den Japanern koreanischer Herkunft, eine Population, die in Japan nicht anerkannt ist. Noghuchi hat überdies mit einer Koreanerin einen Sohn, der in Drogengeschäfte verwickelt ist, und pflegt Beziehungen zu Kobes Unterwelt. Die mit leichter Feder und viel Humor erzählten Romane vermitteln faszinierende Einblicke in die japanische Mentalität und Kultur, in die Gegensätze zwischen den Traditionen und der Moderne, aber auch in die düsteren Seiten des Landes.

Als Melvilles bestes Buch gilt 'Der Tod eines Daimyo' (der Begriff "Daimyo" steht für einflussreiche, oft untereinander zerstrittene japanische Grossgrundbesitzer, die nicht notwendigerweise eine blütenweisse Weste tragen - oder, einfacher ausgedrückt, für "Gangsterboss"), Teil sechs der Otani-Serie, eine in Japan und England spielende Geschichte. In Cambridge wird ein ehrenwertes Mitglied einer japanischen Handelsdelegation ausgerechnet vor den Augen des bei seiner Tochter und seinem Schwiegersohn weilenden Tesuo Otani erstochen wird, während in Kobe der betagte Yakuza-Führer Konnsuke Yamamoto seinen letzten Schnaufer tut - zwei Ereignisse, die eng miteiander verknüpft sind; und deren Hintergründe dank der ausgezeichneten Zusammenarbeit zwischen dem in England bleibenden Otani und seinen beiden von Kobe aus operierenden Mitarbeitern ans Tageslicht kommt.

Unter dem Pseudonym Hampton Charles erweiterte Martin die Miss Seeton-Serie (Miss Emily Seeton ist eine pensionierte Lehrerin und Hobbyschnüfflerin) des 1980 verstorbenen Heron Carvic um drei Bände. Zwei Krimis um den britischen Geheimagenten Ben Lazenby, ein gemeinsam mit seiner zweiten Frau verfasstes Buch über die japanische Küche (‚Japanese Cooking'), zwei historische Romane (Chrysantheme und Schwert' und ‚Der getarnte Phönix') und das Sachbuch ‚The Chrysanthenum Throne: A History of the Emperors of Japan' runden das Werk des Autors ab. Mitte der 90er-Jahre beendete er seine schriftstellerische Laufbahn nach einem Hirnschlag, von dem er sich gut erholte, und genoss nun das Leben in vollen Zügen.

Peter Martin verbrachte seinen Lebensabend an der Seite der Historikerin Carloe Rawcliffe in der ostenglischen Stadt Norwich, County Norfolk, und starb dort im Alter von 83 Jahren.

Bibliografie:
Superintendent Otani-Serie: 'The Wages of Zen' - 'Lohn des Zen' (1979), 'The Chrysanthenum Chain' - 'Die Chrysanthemen-Kette' (1980), 'A Sort of Samurai' - 'Ein alter Samurai' (1981), 'The Ninth Netsuke' - 'Das neunte Netsuke' (1982), 'Sayonara, Sweet Amaryllis' - 'Sayonara für eine Sängerin' (1983), 'Death of a Daimyo' - 'Der Tod eines Daimyo' (1984), 'The Death Ceremony' - 'Die Todeszeremonie' (1985), 'Go Gently, Gaijin' - 'Vorsicht Fremder' (1986), 'Kimono for a Corpse' - 'Kimono für eine Leiche' (1987), 'The Reluctant Ronin' - 'Ein Ronin spielt nicht mit' (1988), 'A Haiku for Hanae' - 'Ein Haiku für Hanae' (1989), 'The Bogus Buddha' - 'Der Falsche Buddha' (1990), 'The Body Wore Brocade' (1992);
Ben Lazenby-Romane: 'Diplomatic Baggage' (1995), 'The Reluctant Spy' (1995).
Als Hampton Charles: Miss Seeton-Serie: 'Advantage Miss Seeton' (1990), 'Miss Seeton at the Helm' (1990), 'Miss Seeton, by Appointment' (1990).

++ Erstellt: November 2011 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Michelet, Jon

(*1944)

Jon Michelet, geboren in der norwegischen Ortschaft Moss, ging nach Abschluss des Gymnasiums sieben Jahre zur See: zuerst als Matrose, später als Kapitän. Danach absolvierte er die Journalistenschule in Oslo und wurde Redakteur bei verschiedenen Zeitungen (z.B. dem unabhängigen kommunistischen Blatt 'Klassekampen', für das er von 1997 bis 2002 arbeitete), kurze Zeit auch bei einem norwegischen Verlag. Darüber hinaus ist er seit 1975 als Autor tätig. Sein umfangreiches Werk besteht aus Krimis, anderen Romanen, Kinderbüchern, Theaterstücken, politischen Texten und (gemeinsam mit Dag Solstad verfassten) Büchern über Fussball. Er lebt in Larkollen.

Mitte der 70er-Jahre hat Michelet den hartnäckigen, unbestechlichen, politisch linksgerichteten und nicht überall beliebten Ermittler Vilhelm Thygesen zum Leben erweckt. In den ersten Bänden noch als Kommissar in Oslo tätig, wird Thygesen nach seinem Scheitern bei der Polizei Privatdetektiv. Im Jahr 2001 kehrt er nach 12-jähriger Pause als gealterter, desillusionierter Mann zurück. Die ersten sieben Romane der bisher elfteiligen Reihe sind ins Deutsche übertragen worden.

Der dritte Thygesen-Krimi 'Der Anschlag', eines von Michelets bekanntesten Werken, kreist um das Thema Rechtsextremismus. Jörgen Iverson, Sohn eines berüchtigten, nach dem Zweiten Weltkrieg in Südamerika untergetauchten Nazis, schwingt sich nach seiner Rückkehr aus dem argentinischen Asyl zum Führer der neonazistischen Norsk Front empor. Bei einem Brandanschlag Iverssons auf einen linken Buchladen kommen zwei kleine Mädchen ums Leben. Kommissar Thygesen wird mit den Ermittlungen beauftragt. Er dringt in einen Filz zwischen Verwaltung, Politik und Wirtschaft ein - und steht schliesslich selbst unter Mordanklage.

Bibliografie:
Vilhelm Thygesen-Serie: 'Den drukner ei som henges skal' - 'Tod im Vorüberfahren' (1975), 'Mellom barken og veden' - 'Zwischen Hammer und Amboss' (1975), 'Jernkorset' - 'Der Anschlag' (1976), 'Hvit som snö' - 'Weiss wie Schnee' (1980), 'Den gule djevelens' - 'In letzter Sekunde' (1981), 'Panamaskipet' - 'Auf hartem Kurs' (1984), 'Mannen pa Motorsykkelen' - 'Mit tödlichem Auftrag' (1985), 'Thygesens terrorist' (1989), 'Den frosne kvinnen' (2001), 'Mordet pa Woldnes' (2008, 'Doden i Baugen' (2010);
'Aftensang i Alma Ata' - 'Abendlied in Alma Ata' (2003).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
 


Miehe Ulf

(1940-1989; schrieb auch als Robert Artner)

Ulf Miehe wurde in Wusterhausen/Dosse, Mark Brandenburg, geboren und wuchs in Berlin, Westfalen und an der Nordseeküste auf. Er machte eine Ausbildung als Buchhändler in Bielefeld und arbeitete danach als Verlagsvolontär und Lektor im Sigbert Mohn Verlag in Gütersloh, bis er 1965 nach Berlin zog und dort als Übersetzer, Statist, Regieassistent und Synchronsprecher tätig war. 1969 liess er sich in München nieder. Er übersetzte Songs von Bob Dylan, verfasste Gedichte, Liedtexte für Esther Ofarim, Erzählungen und (zusammen mit Walter Ernsting, alias Clark Darlton, unter dem Pseudonym Robert Artner) drei Sciencefiction-Romane, bevor er 1973 seinen ersten von drei Krimis 'Ich hab noch einen Toten in Berlin' veröffentlichte. Darüber hinaus machte er als Regisseur ('John Glückstadt') und Drehbuchautor (unter anderem für die Fernsehserien 'Tatort' und 'Der Fahnder') von sich reden. Der politisch links stehende Autor, der eine Zeit lang mit der bekannten Literaturprofessorin und Publizistin Gertrud Höhler liiert war, starb 49-jährig in München an einer Hirnblutung. Er hinterliess seine Frau Angelika.

'Ich hab noch einen Toten in Berlin' handelt von Benjamin (Drehbuchautor) und Gorski (Regisseur), die in Westberlin einen harten, authentischen Kriminalfilm über ein grosses Ding - einen Überfall auf einen Geldtransport der Amerikaner - drehen wollen, der Gangster Sparta soll sie mit Insidertipps versorgen. Die beiden beginnen zu recherchieren, arbeiten am Drehbuch, doch dann stellt sich der Filmproduzent quer, und sie kommen auf die Idee, den Coup gleich selbst zu landen. Der Krimi wurde in elf Sprachen übersetzt und erzielte in den USA eine Auflage von 200'000 Exemplaren.

Miehes zweiter Krimi, die Noir-Ballade 'Puma', ist 1976 erstmals erschienen und 1999 wieder aufgelegt und mit einem umfangreichen Anhang zu Leben und Werk des Autors abgerundet worden. Er dreht sich um den elsässischen Gangster Franz Morgenroth mit dem Nom de Guerre Puma, einen ehemaligen Résistence-Kämpfer, der nach dem Krieg auf die schiefe Bahn geriet und längere Zeit im Gefängnis war. Doch jetzt hat Puma den grossen Coup geplant. Mit zwei Kumpeln kidnappt er die junge Billie, Tochter eines schwerreichen Münchner Panzerfabrikanten, ohne zu wissen, dass die beiden heillos zerstritten sind. Papa zahlt nicht, die Entführer werden nervös, wollen Billie umlegen, doch die ist clever und macht mit ihnen gemeinsame Sache, nämlich Erpressung des Vaters, der einigen Dreck am Stecken hat.

Ulf Miehe besticht in seinen geschickt konstruierten, von einer trostlosen Stimmung durchwehten Krimis mit lakonischer, unsentimentaler Erzählweise, mit einprägsamen Schilderungen seiner zum Scheitern verurteilten Figuren und mit präzisen Dialogen.

Bibliografie:
'Ich hab noch einen Toten in Berlin' (1973), 'Puma' (1976), 'Lilli Berlin' (1981).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Dezember 2013 ++
 


Miller, Wade

(Pseudonym für H. Bill Miller, 1920-1961, und Robert Allison Wade, 1920-2012; schrieben auch als Will Daemer, Whit Masterson und Dale Wilmer)

Bill Miller und Robert "Bob" Wade, beide im Jahr 1920 in der südkalifornischen Metropole San Diego geboren, wurden enge Freunde, als sie dort dieselbe High School besuchten. Sie arbeiteten gemeinsam für Schülerzeitungen, schrieben Theaterstücke, Radioskripts und Sketches und gaben später, in ihrer Collegezeit, die Zeitung 'East San Diego Press' heraus. 1942 gingen sie zusammen zur Air Force und partizipierten unter anderem an den Invasionen Nordafrikas und Südfrankreichs.

Im Jahre 1946 veröffentlichten die seelenverwandten Autoren ihren ersten von 33 Krimis, oder, in ihren eigenen, oft zitierten Worten, "Wade schreibt die Substantive, Miller die Verben". Es folgte der erste Teil der sechsteiligen, von 1947 bis 1951 erschienenen, jedoch in der zweiten Hälfte der 50er-Jahre angesiedelten, in der dritten Person erzählten Max Thursday-Serie, die sich durch ausgeklügelten Plots und feinfühlige Charakterzeichnung auszeichnet.

Thursday hat einen langen, sehnigen Körper, kantige Gesichtszüge, dichtes schwarzes Haar und blaue Augen. Vor dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Ermittler bei der Agentur 'Consolidated'. Nach Pearl Harbor kämpfte er bei der Marineinfanterie gegen die Japaner, unter anderem nahm er an der blutigen Invasion der Insel Saipan teil. Diese Kriegserlebnisse lösten bei ihm Depressionen aus. Zurück in seiner Heimat fand er keine Arbeit, er begann zu trinken und seine Ehe mit Georgia zerbrach. Als er sich wieder etwas aufgerappelt hatte, wurde er für Kost und Logis als Detektiv in einem schäbigen Hotel in San Diego angeheuert. Er ist ein harter und unbestechlicher, jede Art von Waffen verabscheuender Einzelgänger mit einem Flair für die Underdogs. Sein bester Freund ist Austin Clapp, der zehn Jahre ältere Leiter der örtlichen Mordkommission, der bereits in Millers erstem Krimi 'Deadley Weapon' (ohne Thursday) auf der Piste war.

Im ersten Band 'Wer sich in Gefahr begibt' erhält Thursday, der noch immer als Hoteldetektiv tätig ist, Besuch von seiner Ex-Frau: Ihr gemeinsamer fünfjähriger Sohn Tommy ist entführt worden, und die Polizei muss selbstverständlich aussen vor bleiben. Fast gleichzeitig verschwindet Glorias neuer Ehemann Dr. Homer Mace, und als Thursday bei dessen Partner Dr. Elder aufkreuzt, wird er mit gezogener Pistole begrüsst - der Arzt erwartete offenbar einen anderen Besucher. Am nächsten Tag wird Elder ermordet aufgefunden, und Thursday ist zunächst der Hauptverdächtige. Doch Thursday lässt sich nicht einschüchtern, schwört dem Alkohol ab und löst den um die so genannten Manila-Perlen kreisenden Fall.

Max Thursday entwickelt sich im Fortgang der Serie zu einem angesehenen und sehr erfolgreichen Privatermittler, der eine Liaison mit der kratzbürstigen Polizeireporterin Merle Osborn eingeht und schliesslich vier Teilzeitermittler beschäftigt. Im vierten Thursday-Krimi 'Geschäft mit der Angst' kämpft der Detektiv gegen einen mächtigen Erpresserring, dessen Opfer einsame, wohlhabende Frauen sind. Dabei verliebt er sich heftig in eine bildschöne Frau, die er später als Kopf der Verbrecherbande entlarvt.

Zu Beginn des fünften Bandes 'Party auf dem Pulverfass' taucht ein aufstrebender Ostküstengangster namens Harry Blue in San Diego auf; ein einheimischer Hitman schiesst gleich auf ihn, doch Blue überlebt den Anschlag schwer verletzt und liegt im Krankenhaus. Clapp überredet nun Max Thursday, Blues Rolle zu spielen, denn die beiden gleichen sich ein wenig - und das Gesicht des Verbrechers kennt in San Diego vermutlich eh kein Mensch. Thursday erweist sich dann als glänzender Schauspieler. Er wartet immer wieder mit cleveren Schachzügen auf, kann jedoch nicht verhindern, dass er mehrmals in äusserst brenzlige Situationen gerät. Und dann stehen sich Thursday und der echte Harry Blue plötzlich gegenüber.

Thursdays Klient in 'Jagd auf den Würger' ist der verheiratete Frauenheld Bliss Weaver, Merle Osborn hat ihn ihrem Freund vermittelt. Was Thursday erst jetzt erfährt: Osborn und Weaver sind seit längerer Zeit ein Liebespaar und wollen heiraten. Zornerfüllt verfolgt der Detektiv seinen Nebenbuhler, um sich an ihm mit einer Tracht Prügel zu rächen. Es ist mitten in der Nacht, als Weaver seine getrennt von ihm lebende Frau Joyce aufsucht, und als er ihr Haus verlässt, scheint er unter Schock zu stehen. Neugierig geworden betritt nun auch Thursday das Haus - und findet Joyce ermordet vor. Weaver wird als Hauptverdächtiger verhaftet, doch ihm gelingt die Flucht aus dem Gefängnis - und kurz danach wird eine junge Frau auf exakt dieselbe Weise umgebracht.

Zu den bekanntesten Romanen der beiden Autoren zählt der mit Whit Masterson gezeichnete, von Orson Welles unter dem Titel 'Touch of Evil' verfilmte Roman noir 'Unfehlbarkeit kann tödlich sein'. Rudy Linneker, millionenschwer und einflussreich, wird mit Dynamit in die Luft gesprengt, die legendären Cops McCoy und Quinlan, die seit 30 Jahren ein unglaublich erfolgreiches Gespann bilden, und der integre, glücklich mit einer Mexikanerin verheiratete Assistant District Attorney Mitch Holt verbeissen sich in den brisanten Fall. Der Verdacht fällt zunächst auf den Verlobten von Linnekers Tochter (und Alleinerbin) Tara, doch sein Alibi ist wasserdicht - und dann gesteht ein verbitterter ehemaliger Angestellter Linnekers die Tat. Holt wird indes den Verdacht nicht los, dass McCoy und Quinlan Beweismaterial gefälscht haben. Gegen den Willen seines opportunistischen Vorgesetzten beginnt er in der Vergangenheit der beiden Cops zu wühlen - und gerät in Teufels Küche.

Die fruchtbare und höchst erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden Autoren endete im August 1961 mit Millers plötzlichem Herztod, ihr letztes gemeinsam verfasstes Buch ist 'Evil Come, Evil Go'. Wade setzte seine schriftstellerische Tätigkeit fort und veröffentlichte bis 1979 unter dem bereits zuvor verwendeten Pseudonym Whit Masterson elf und unter seinem bürgerlichen Namen zwei weitere Krimis. Danach, in den 80er-Jahren, schrieb Wade vornehmlich für Fernsehen und Kino. Von 1977 bis 2011 verfasste er die Krimikritik-Spalte "Spadework" für die Tageszeitung 'The San Diego Union-Tribune'. Überdies war er Redakteur der Kolumne 'Wild in the City: The Best of Zoonooz', einer Publikation des Zoos von San Diego. Mit 92 Jahren starb er in seinem Haus in San Carlos, Kalifornien. Er hinterliess seine Frau Jeanne, seine Töchter Winke und Sara und seine Söhne Robert und Timothy.

Bibliografie:
Max Thursday-Serie: 'Guilty Bystander' - 'Wer sich in Gefahr begibt' (1947), 'Fatal Step' - 'Mord unterm Karussell' (1948), ‚Uneasy Street' - 'Gefährliche Strasse' (auch unter dem Titel 'Blondine im Halbdunkel', 1948), 'Calamity Fair' - 'Geschäft mit der Angst' (1950), 'Murder Charge' - 'Party auf dem Pulverfass' (1950), 'Shoot to Kill' - 'Jagd auf den Würger' (1951);
'Deadly Weapon' (1946), 'Devil on Two Sticks' (auch unter dem Titel 'Killer's Joice' (1948), 'Devil May Care' (1950), 'The Killer' - 'Menschenjagd' (1950), 'The Tiger's Wife' - 'Die Frau des Tigers' (1951), 'The Big Guy' (1953), 'South of the Sun' (1953), 'Mad Baxter' (1955), 'Kiss Her Goodbye' - 'Gefährliche Umarmung' (auch unter dem Titel 'Todesursache Liebe', 1956), 'Kitten with a Whip' - 'Das sanfte Biest' (1959), 'Sinner Take All' - 'Tiefschlag' (auch unter dem Titel 'Falle mit Goldrand', 1960), 'Nightmare Cruise' (auch unter dem Titel 'The Sargasso People') - 'Die unheimliche Reise' (1961), 'The Girl from Midnight' (1962).
Als Whit Masterson (ab 1963 Robert Wade allein): 'All Through the Night' (auch unter dem Titel 'A Cry in the Night') - 'Schrei in der Nacht' (1955), 'Dead, She Was Beautiful' - 'Tod im Swimming-Pool' (1955), 'Badge of Evil' (auch unter dem Titel 'Touch of Evil') - 'Unfehlbarkeit kann tödlich sein' (1956), 'A Shadow in the Wild' - 'Jagd auf Janie' (1957), 'The Dark Fantastic' - 'Wettlauf mit dem schwarzen Tod' (1959), 'A Hammer in the Hand' (1960), 'Evil Come, Evil Go' - 'Kennwort Kanarienvogel' (1961), 'The Man on a Nylon String' (1963), '711 - Officer Needs Help' (auch unter den Titeln 'Killer with a Badge' und 'Warning Shot') - 'Der Killercop' (1965), 'Play Like You're Dead' - 'Mein Mann ist irr und lässt mich grüssen' (1967), 'The Last One Kills' - 'Die Zeugin soll sterben' (1969), 'The Death of Me Yet' (1970), 'The Gravy Train' (auch unter dem Titel 'The Great Train Hijack') - 'Ein Sarg für Colonel Heaston' (1971), 'Why She Cries, I Do Not Know' - 'Bomben fürs Establishment' (1972), 'The Undertaker Wind' - 'Notwehr' (1973), 'The Man with Two Clocks' - 'Die Zeit, die es nicht gab' (1974), 'Hunter of the Blood' - 'Eine Bombe Urbi et Orbi' (1977), 'The Slow Gallows' - 'Nicht mehr auf der Fahndungsliste' (1979).
Als Dale Wilmer: 'Memo for Murder' - 'Allein mit der Angst' (1951), 'Dead Fall' - 'Der Mörder mit der Glatze' (1954), 'Jungle Heat' (1954).
Als Will Daemer: 'The Case of the Lonely Lovers' (1951).
Als Robert Wade: 'The Stroke of Seven' (1965), 'Knave of Eagles' - 'Ein Hai an der Angel' (1969).

++ Erstellt: Januar 2012 ++
++ Update: Oktober 2012 ++
 


Milne, John

(*1952)

John Milne wurde im schäbigen Londoner Stadtteil Bermondsey geboren und wuchs auch dort auf. Mit sechzehn Jahren verliess er die Schule und arbeitete danach als Fabrikarbeiter, Busfahrer und Streifenpolizist, bevor er ein Malereistudium an der Ravensbourne Art School absolvierte. Später liess er sich als Krimiautor und als Verfasser von TV-Scripts für Serien wie 'Lovejoy', 'Wycliffe' und 'Silent Witness' in Bradwell on Sea, Essex, nieder.

1982 brachte Milne Jim Jenner als Hauptfigur einer vierteiligen Reihe in die Kriminalliteratur. Jim Jenner, dessen Polizeikarriere jäh zu Ende ging, als eine Bombe ihm ein Bein zerriss, wurstelt sich seit diesem Unglück als Privatdetektiv im Londoner Eastend durchs Leben. In 'Tote Vögel' bekommt er den Auftrag, auf die schöne Frau des Boxmanagers George Duncan aufzupassen, dessen Geschäfte in unheilsamer Weise mit der Mafia verstrickt sind. Als sein Schützling am nächsten Morgen tot aufgefunden wird, ist Jenner der Hauptverdächtige.

'Nicht tot zu kriegen' sieht einen Jim Jenner, der so tief gesunken ist, dass er sich - entgegen seinen Prinzipien - auf einen scheinbar banalen Scheidungsfall einlässt. Doch dann wird er Zeuge eines Mordanschlags, der möglicherweise ihm selbst gegolten hat. Als kurz danach der von Jim Jenner observierte Mann und der gealterte Gangster Mickey de Witt unfreiwillig aus dem Leben scheiden, werden Erinnerungen an alte Geschichten wach: Vor fast dreissig Jahren ist Jim Jenners grosser Bruder Joe als Mitglied der Gangsterbande um Tommy Slaughter und Mickey de Witt ums Leben gekommen. Bei Dauerregen kämpft sich Jim durch den schwierigen und aufwühlenden Fall - und macht am Schluss eine schier unglaubliche Entdeckung.

John Milne, einer der originellsten Autoren von Privatdetektivromanen der neueren Zeit, erzählt seine harten, schnellen und sprachlich brillanten Geschichten mit viel trockenem Humor.

Bibliografie:
Jim Jenner-Serie: 'Daddy's Girl' (1982), 'Dead Birds' - 'Tote Vögel' (1986), 'The Moody Man' - 'Schattenspiele' (1987), 'Alive and Kicking' - 'Nicht tot zu kriegen' (1998); 'Tyro' (1982), 'London Fields' (1984), 'Out of the Blue' (1985).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Mimmi, Franco

(*1942)

Franco Mimmi, ein berühmter, aus Bologna stammender Journalist und Essayist, schrieb für die renommiertesten italienischen Printmedien wie 'Il Resto del Carlino', 'La Stampa', 'Il Mondo', 'Italia Oggi', 'Il Correriere della Sera' und 'L'Espresso'. 1979 debütierte er als Prosaautor. 1991 liess er sich als Korrespondent des Magazins 'Il Sole - 24 Ore' in Madrid nieder. Später kehrte er nach Italien zurück, um Artikel für das Blatt 'L'Unità' zu verfassen.

Mimmis vierter Roman 'Unser Agent in Judäa' - sein einziger Krimi, aber was für einer! - spielt 33 n. Chr., 783 Jahre nach der Gründung Roms, in Judäa, einer römischen Provinz, deren aufmüpfige und zänkische Bevölkerung, namentlich die Bande der Zeloten, den für seine Grausamkeit berüchtigten Statthalter Pontius Pilatus schier zur Weissglut treibt. Und jetzt erscheint auch noch ein junger, bärtiger Mann als ungemein populärer Prediger, Pazifist und Naturheiler auf der Bildfläche - er nennt sich Jesus. Kaiser Tiberius, der seit Jahren zurückgezogen auf Capri lebt, zettelt in der Not eine clever ausgedachte Intrige an, die die zerstrittene Region endlich zur Ruhe bringen und gleichzeitig seinen wichtigsten politischen Gegnern das Wasser abgraben soll: Sein Spezi, der betagte Geheimdienstexperte Aduncus, und die Lichtgestalt Jesus sollen es richten. Doch Tiberius' Plan geht nicht auf - Jesus wird von Pontius Pilatus ans Kreuz genagelt.

Bibliografie:
'Il nostro agente in Giudea' - 'Unser Agent in Judäa' (2000)

+ Erstellt: 6. April 2012 +  


Mina, Denise

(*1966)

Denise Mina wurde in der fünfzehn Kilometer südlich von Glasgow gelegenen Stadt New Kilbride als Tochter eines international tätigen Erdöl-Experten geboren und besuchte zahlreiche Ausbildungsstätten in 22 verschiedenen europäischen Ländern. Mit sechzehn schmiss sie die Schule, um als Fleischfabrik-Arbeiterin, Barmaid, Hilfskraft in Pflegeheimen und Sterbebegleiterin zu arbeiten. Nachdem sie ein Jurastudium an der University of Strathclyde in Glasgow nachgeholt hatte, unterrichtete sie Kriminologie und Kriminalrecht, Spezialgebiet Geisteskrankheiten bei gewalttätigen Frauen, und war daneben für die schottische BBC tätig. Heute widmet sie sich hauptberuflich dem Schreiben von Krimis, Comics, Theaterstücken und Kurzgeschichten sowie von Beiträgen für Radio und Fernsehen. Sie lebt mit ihrem Mann Stephen Evans, einem forensischen Psychologen, und ihren beiden Söhnen in Glasgow.

Die Garnethill-Trilogie dreht sich um Maureen O'Donnell aus dem Glasgower Stadtteil Garnethill, eine glaubwürdig skizzierte, zerrissene Figur. Als Kind vom Vater missbraucht, von ihrer schwer alkoholabhängigen Mutter Winnie und ihren beiden älteren Schwestern im Stich gelassen, trinkt sie zu viel und steht seit Jahren in psychiatrischer Behandlung. Sie verbrachte mehrere Monate in einer Klinik, wo sie ihren Lover, den verheirateten Therapeuten Douglas Brady, kennen lernte.
Zu Beginn des ersten Romans 'Schrei lauter, Maureen' liegt Brady mit durchschnittener Kehle in ihrem Wohnzimmer. Unterstützt von ihrem Bruder Liam, einem liebenswürdigen Drogenhändler, und ihrer besten Freundin Leslie vom örtlichen Frauenhaus, beginnt die zunächst selbst der Tat verdächtigte Protagonistin zu ermitteln - und kommt einer Reihe von scheusslichen Verbrechen in Bradys beruflichem Umfeld auf die Spur.

2005 erweckte Denise Mina eine zweite Protagonistin zum Leben: Patricia "Paddy" Meehan, eine pummelige, der irischkatholischen Glasgower Arbeiterschicht entstammende Frau, die sich im ersten Roman 'Der Hintermann' als 18-jährige Zeitungspraktikantin mit dem Mord an einem dreijährigen Buben befasst. Die elfjährigen Jungen James und Callum (der Cousin von Paddys Verlobtem Sean) stehen als Täter fest, doch wer hat die Fäden gezogen? Im Verlauf der stimmungsvollen, auf fünf Bände angelegten Serie wird Paddy Meehan Mutter eines (der unglücklichen Liaison mit einem Cop entstammenden) Sohnes und avanciert zu einer angesehenen Journalistin bei einer fiktiven Glasgower Zeitung, ohne ihren Enthusiasmus für Detektivarbeit zu verlieren.

2009 kam Detective Alex Morrow von der Kriminalpolizei Glasgow zu ihrem ersten Auftritt als Hauptperson einer bislang fünfteiligen Reihe - auch sie eine facettenreiche Frau: Verheiratete Mutter von kleinen Zwillingen, Schwester des Gangsters Danny McGrath, eine intelligente, zähe und kratzbürstige Person mit einem ausgeprägtem Sinn für Gerechtigkeit, die mit Männern klarkommt und auch kein Alkoholproblem hat.
'Das Vergessen', der vierte Teil der Alex Morrow-Serie, zählt zu den herausragenden britischen Krimis der neueren Zeit. Die düstere, sozialkritische, um Schuld und Gerechtigkeit kreisende Geschichte springt hin und her zwischen der Nacht des 31. Augusts 1997, in der die 14-jährige Rose Wilson in Glasgow zwei junge Männer tötet, und fast gleichzeitig Prinzessin Diana in Paris ums Leben kommt (ein smarter Kniff der Autorin: Jeder Brite weiss auch heute noch, wo er war, als Lady Di starb - natürlich auch die Zeugen der Glasgower Taten) und der Gegenwart des Jahres 2012 mit Alex Morrow, die einem verzwickten - mit der Vergangenheit verwobenen - Mordfall auf den Grund geht. Verwahrloste und sexuell ausgebeutete Jugendliche, korrupte Polizisten und kriminelle Anwälte stehen im Mittelpunkt der Erzählung, in der niemand eine reine Weste hat.

Bibliografie:
Garnethill-Trilogie: 'Garnethill' - 'Schrei lauter, Maureen' (1998), 'Exile' - 'Die zweite Tote' (2000), 'Resolution' (2001);
Einzelwerk: 'Sanctum' (auch unter dem Titel 'Deception') - 'Refugium' (2002);
Paddy Meehan-Serie: 'The Field of Blood' - 'Der Hintermann' (2005), 'The Dead Hour' - 'Die tote Stunde (2006), 'The Last Breath' (auch unter dem Titel 'Slip of the Knife') - 'Der letzte Wille' (2007).
Alex Morrow-Serie: 'Still Midnight' - 'In der Stille der Nacht' (2009), 'The End of the Wasp Season' - 'Blinde Wut' (2010), 'Gods and Beasts' (2012), 'The Red Road' - 'Das Vergessen' (2013), 'Blood, Salt, Water' (2014).

++ Erstellt: November 2015 ++
++ Update: Juni 2016 ++  


Mitchell, Scott

(Pseudonym für Lionel Robert Holcombe Godfrey, 1932-1980; schrieb auch als Elliot Kennedy)

Die Biografie des in Mansfield, Nottinghamshire, geborenen, bis 1954 in Freiburg/Breisgau und Nottingham ausgebildeten Autors mit dem ungewöhnlichen Namen Lionel Robert Holcombe Godfrey liegt zu grossen Teilen im Dunkeln. Dass sich hinter ihm der englische Krimiautor John Harvey verbirgt, der neben seinen Charlie Resnick-Romanen ja auch vier Titel um einen Privatschnüffler namens Scott Mitchell veröffentlicht hat, ist hingegen aus der Luft gegriffen - dieses Gerücht wurde einst (wohl nicht ganz ernsthaft) von dem Internet-Magazin 'The Thrilling Detective' gestreut. Gesichert ist freilich, dass es sich bei Mitchell/Kennedy/Godfrey um den Schriftsteller handelt, der als Lionel Godfrey in den späten 70er-Jahren Biografien der Hollywood-Ikonen Errol Flynn, Paul Newman und Cary Grant zu Papier brachte und in dieser Zeit auch Features für das britische Magazin 'Films and Filming' beisteuerte. Godfrey wurde nur 48 Jahre alt.

Unter den Pseudonymen Scott Mitchell und Elliot Kennedy veröffentlichte Godfrey in den 60er- und 70er-Jahren 21 auf zwei Serien verteilte Krimis, in denen Brock Devlin, genannt Dev, bzw. Griff Dexter als smarte, trinkfeste und schlagkräftige (recht ähnlich strukturierte) Privatdetektive vom Typus "harte Schale, weicher Kern", die wüste Schläge auf ihren Schädel schulterzuckend wegstecken, mit ihren Partnern Al Brody bzw. Steve Hunter in Los Angeles auf der Piste sind. Sauber gebaute, ganz auf den Fall konzentrierte, durch gefällige Sprüchen aufgelockerte Romane, die den Leser gut unterhalten.

Brock Devlin ist gross gewachsen, blauäugig und hat eine altmodische Höflichkeit an sich. Er liebt Bourbon, Jazzmusik, Mozart und klassische Literatur - Cyrano de Bergerac hat es ihm besonders angetan -, lebt zunächst allein in einer kleinen Wohnung, führt jedoch später mit seiner Teilzeitsekretärin, der klugen und erfolgreichen Romanautorin Kay Stillman, eine recht vielschichtige Liebesbeziehung. Gelegentlich arbeitet er mit seinem Partner Al Brody zusammen, doch meistens sind die beiden mit getrennten Fällen beschäftigt. Lieutenant Cal O'Herlihy von der Mordkommission, ein unbestechlicher, harter, breitschultriger Ire, ist seit vielen Jahren sein bester Kontakt bei der Polizei und stets ein treuer Freund auch in brenzligen Situationen. Die 15-teilige Reihe gewinnt in ihrem Fortgang an Gehalt und Tiefe, bis zum letzten Roman 'Notfalls über Leichen', einer multiperspektivisch angelegten Geschichte um Eifersucht, Besessenheit und Mord.

Griff Dexter, ein einzelgängerischer Ex-Polizist, der vom Dienst suspendiert wurde, nachdem er seinem Vorgesetzten einen Hieb verpasst hatte, und sein lebensfreudiger Partner Steve Hunter bilden ein recht gegensätzliches Gespann in einer 1972 gestarteten, nach sechs Bänden 1975 abgeschlossenen - mit Elliot Kennedy gezeichneten - Serie. Unterstützt werden sie durch ihre attraktive Sekretärin Pat Hayward, die Griffs halbherzige Avancen jeweils souverän abblockt - und der Schnüffler fällt dann immer wieder auf die falschen Frauen herein.

Bibliografie:
Brock Devlin-Serie: 'Some Dames Play Rough' - 'Manche Frauen sind nicht sanft' (1963), 'The Lonely Shroud' - 'Schweigen kostet Geld' (1963), 'Deadly Persuasion' (1964), 'Come, Sweet Death' - 'Komm, süsser Tod' (1967), 'Double Bluff' - 'Doppelter Bluff' (1968), 'A Knife-Edged Thing' - 'Eine messerscharfe Sache' (1969), 'A Haven for the Damned' - 'Der Dolch mit dem Juwelengriff' (1970), 'You'll Never Get to Heaven' - 'Der Boss liebt keine Extratour' (1971), 'Rage in Babylon' - 'Schnee auf schwarzer Haut' (1972), 'The Girl in the Wet-Look Bikini' - 'Scheckbuch und Pistole' (1972), 'Dead on Arrival' - 'Hallo, Süsse' (1972), 'Nice Guys Don't Win' - 'Der Eisberg' (1972), 'Over My -dead Body' - 'Kopf im Sand' (1973), 'Death's Busy Crossroads' - 'Wo alle Strassen enden' (1974), 'Obsession' - 'Notfalls über Leichen' (1975).
'Sables Spell Trouble' - 'Mein Partner Eddie' (1963).
Als Elliot Kennedy: Griff Dexter-Serie: 'Bullets Are Final' - 'Gegen Kugeln ist kein Kraut gewachsen' (1972), 'That Fatal Feelig' - 'Ein gewisses Gefühl' (1972), 'The Big Loser' - 'Der grosse Verlierer' (1972), 'Never Say Dead' - 'Sag niemals tot' (1973), 'The Dead Sleep Late' - 'Roter Ocker' (1974), 'No Love in a Bullet' - 'Im Blei steckt keine Liebe' (1975).

++ Erstellt: Januar 2013 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Mock, Wolfgang

(*1949)

Wolfgang Mock wurde in der hessischen Stadt Kassel geboren. Er absolvierte ein Geschichts- und Germanstikstudium und doktorierte 1981 an der Universität Düsseldorf mit einer Arbeit über den britischen Imperialismus vor dem Ersten Weltkrieg. Anschliessend arbeitete er fünf Jahre als wissenschaftlicher Assistent am Deutschen Historischen Institut in London. Nach einem längeren Aufenthalt in Lissabon liess er sich als Journalist für den Bereich Industrie- und Wirtschaftspolitik, Schwerpunkte Luft- und Raumfahrt, und als Autor in Düsseldorf nieder. Mock ist Redakteur der Wochenzeitung 'VDI nachrichten', die sich mit Themen zu Technik, Wirtschaft und Gesellschaft befasst.

Mocks Werk enthält Fachbücher, erotische Kurzgeschichten, die Thriller 'Diesseits der Angst' und 'Der Flug des Seraphim' und den Roman 'Simplon', ein packendes Werk über den 1898 begonnenen und 1906 vollendeten Bau des Simplon-Tunnels zwischen der Schweiz und Italien, an dem Mocks Grossvater beteiligt war.

'Diesseits der Angst', schnörkellos erzählt und actiongeladen, handelt von dem ehemaligen RAF-Terroristen Maximilian Tenzer, der seit vielen Jahren mit neuer Identität in Hamburg als Journalist arbeitet und gelegentlich für die örtliche Mafia, die seine Vergangenheit kennt, einen "nassen Job" erledigt. Doch jetzt wird er von Unbekannten erpresst - um seinen Kopf zu retten, muss er für sie zwei rechtsradikale deutsche Spitzenpolitiker aus dem Verkehr ziehen. Eine Jagd durch Europa beginnt, die ihren Showdown bei einem Hundeschlittenrennen in Skandinavien findet.

Bibliografie:
'Diesseits der Angst' (1996), 'Der Flug des Seraphim' (2003).

++ Erstellt: Juli 2015 ++  


Montecino, Marcel

(*1945)

Marcel Montecino kam als Sohn eines unbekannten Vaters und einer Mutter, die starb, als er ein Baby war, in New Orleans auf die Welt. Danach kümmerte sich eine Tante um ihn, doch auch sie lebte nicht sehr lange - der Junge landete auf der berüchtigten Bourbon Street mit ihren Nutten, Nachtvögeln und Gaunern.

Nachdem Montecino schon früh seine Passion für Musik entdeckt hatte, tingelte er in den 70er-Jahren als Blues- und Jazzpianist durch die Vereinigten Staaten, bis er schliesslich mit 35 Cents in der Tasche in Los Angeles strandete. Dort hielt er sich mit Diebstählen über Wasser, klimperte in einer Brasserie am Sunset Boulevard, soff billigen Schnaps und konsumierte Drogen, bis aufstrebende Musiker wie Robin Williams und Jay Leno sein Talent erkannten und ihn als Begleitmusiker engagierten - ein schöner Aufstieg.

Montecino träumte indes schon lange davon, einen Roman zu verfassen. Er besuchte einen Schreib-Kurs an der UCLA und verfasste etliche Stories, auf die ein Professor begeistert reagierte. Nun gab es kein Halten mehr. Montecino gab 1988 seinen gross einschlagenden Roman 'The Crosskiller' heraus und liess zwei Jahre später 'Big Time' folgen, die Filmgesellschaften klopften an seine Tür.

Dann aber der grosse Absturz: Depressionen, Kokain und Alkohol, tiefe Einsamkeit. Ohne Kontakt zu seiner Umgebung vegetierte Montecino zwei Jahre in seiner Wohnung dahin - bis sein Lebenswille plötzlich wieder erwachte. Er machte einen Entzug, stürzte sich danach in die Arbeit, und veröffentlichte 1997 seinen dritten Roman 'Sacred Heart'.

In seinem wuchtigen, tief unter die Haut dringenden Erstling 'Kalt wie Gold' (verfilmt unter dem Titel 'Homicide') entwirft Montecino ein eindrucksvolles Porträt der von Rassismus, Hass, Kokain und Gewalt gezeichneten Grossstadt Los Angeles der 80er-Jahre. Jack Gold vom LAPD, ein 56-jähriger jüdischer Cop, ist nach 29 harten Dienstjahren eine gebrochene, zu Gewaltausbrüchen und Alkoholexzessen neigende Figur. Seine Ehe mit dem Miststück Evelyn ist längst kaputt; beruflich befindet er sich auf einem Abstellgleis; den 14 Jahre zurückliegenden Tod seiner Freundin Angelique, einer drogensüchtigen schwarzen Jazzsängerin, hat er nie verwunden; und seine heiss geliebte Tochter Wendy ist mit dem charakterschwachen Yuppie-Anwalt Howie, der mit Kokain handelt, verheiratet. Bei der Arbeit baut Gold auf Einschüchterung: Er macht Druck, d.h. er "treibt die Ratten aus ihren Löchern, nimmt Informanten in die Mangel, tritt ein paar Leuten in den Arsch" - und früher oder später taucht der Gesuchte auf. Diesmal aber jagt der strafversetzte Bulle ein Phantom: Einen offenbar einzelgängerischen Mann, der, nachdem er zuerst nur mit antisemitischen Wandschmierereien auf sich aufmerksam macht, eines Tages wahllos Schwarze und Juden zu ermorden beginnt und nach der Tat jeweils Kreuze neben die Opfer sprüht, was ihm den Spitznamen "Crosskiller" einträgt. Doch Gold hat noch einen zweiten, ihn sehr direkt betreffenden Fall am Hals: Weil Schwiegersohn Howie sich auf einen riskanten Kokaindeal eingelassen hat, wird Wendy von zwei Typen, die es auf den Stoff abgesehen haben, brutal vergewaltigt - Golds Zorn kennt jetzt keine Grenzen mehr. Und dann verschmelzen die beiden Fälle miteinander.

Bibliografie:
'The Cross Killer' - 'Kalt wie Gold' (1988), 'Big Time' - 'Riskantes Spiel' (1990), 'Secret Heart' (1997).

++ Erstellt: Juni 2011 ++  


Monteilhet, Hubert

(*1928)

Hubert Monteilhet wurde als Sohn einer Pariser Magistraten-Familie geboren und besuchte eine Jesuitenschule, bevor er an der Pariser Sorbonne Geschichte studierte und daraufhin während zehn Jahren am Lycée Carnot in Tunis Geschichte und Geographie unterrichtete. 1960 debütierte er als Krimiautor. Darüber hinaus machte er sich einen Namen als Verfasser von Sciencefiction, Kinderbüchern, polemischen Schriften zu religiösen Themen und von historischen Romanen ('Néropolis', angesiedelt im Römischen Reich unter Kaiser Nero, ist Monteilhets berühmtestes Prosawerk) sowie als Gastronomiekritiker für die Zeitung 'Sud-Ouest Dimanche'. Monteilhet ist auch heute noch als Schriftsteller aktiv - seit seinem 80. Geburtstag hat er bereits wieder vier Krimis herausgegeben. Er lebt in der kleinen Ortschaft Garlin im Département des Pyrénées-Atlantiques.

Monteilhet, ein kühler, eleganter Stilist, hat sich schon früh darauf spezialisiert, psychologische Studien mit Elementen des Polizeiromans zu kreuzen und theologische Fragen - oft auch kulinarische Entdeckungsreisen - in die Handlung einzufügen. Sein bekanntester Krimi 'Tödliche Ehen' (der erste, im Oktober 1961 erschienene Titel der legendären rororo thriller-Reihe) dreht sich um eine vertrackte, äusserst hinterhältig ausgedachte Erbschaftsintrige, deren Lösung sich aus Korrespondenzen, Berichten von Versicherungsinspektoren und Polizisten, Tagebucheintägen, Zeitungsartikeln und Tonbandaufnahmen ergibt. Paul Canova, ein verwitweter und seit knapp einem Jahr mit der schönen Russin Vera verheirateter Geschichtsprofessor an der Sorbonne, ein distinguierter Herr um die fünfzig, hat vor 25 Jahren eine Viertel Million Schweizer Franken bei einer Versicherungsgesellschaft als Altersfürsorge einbezahlt und schliesst nun zu Gunsten seines achtjährigen Sohnes eine weitere hoch dotierte Lebensversicherung ab. Einige Wochen später stirbt der kleine Xavier, nachdem er versehentlich Glassplitter verschluckt hat. Kurz danach begeht Canovas Sekretärin Selbstmord, weil sie von Vera des Diebstahls bezichtigt worden ist. Die blutjunge Studentin Béatrice, Schülerin von Canovas Assistenten (und Veras Liebhaber!) Christian Magny, wird auf dessen Empfehlung hin ihre Nachfolgerin, bald auch Canovas Bettgenossin - und Magnys Ehefrau. Als bald darauf Canova von Magny scheinbar im Affekt erschossen wird, fallen die riesigen Versicherungssummen natürlich Vera zu. Auf welch skrupellose Art Vera dies alles eingefädelt hat, und wie Béatrice, der moralisches Empfinden ebenfalls gänzlich fremd ist, zum Gegenschlag ausholt, schildert Monteilhet im zweiten Teil des beklemmenden Romans, in dem die beiden Männer nur Marionettenrollen einnehmen.

Bibliografie:
'Les mantes religieuses' - 'Tödliche Ehen' (1960), 'Le retour des cendres' - 'Der Asche entstiegen' (1961), 'Les pavés du diable' (1963), 'Le Forcat de l'amour' (1965), 'Les bourreaux de cupidon' (1966), 'Devoir de vacances' (1967), 'Le cupidiable' (1967), 'Andromac ou le meurtre par inadvertance' (1968), 'De quelques crimes parfaits: divertissement criminel' (1969), 'Meurtre à loisir' (1969), 'Non-sens' (1971), 'Requiem pour une noce' (1973), 'Pour deux sous de vertu' (1974), 'Mourir à Francfort' - 'Der Mord auf der Buchmesse' (1975), 'Esprit es-tu là?' (1977), 'Retour à zéro' (1978), 'Le procès Filippi' (1981), 'La perte de vue' (1986), 'La part des anges' - 'Der Anteil der Engel' (1990), 'Œdipe en Médoc' (1993), 'Etoiles filantes' (1994), 'Le taureau par les cornes' (1996), 'Une affaire honneur' (1997), 'Le ruban bleu' (1998), 'Mademoiselle le juge' (2001), 'Sans préméditation' (2005), 'Arnaques' (2006), 'Choc en retour' (2009), 'Les talons d'Achille' (2010), 'Les confessions du diable' (2011), 'Une vengeance d'hiver' (2012).

++ Erstellt: August 2012 ++
++Update: Dezember 2013 ++
 


Moody, Greg

Greg Moody präsentiert immer wieder neue, recht abenteuerliche Versionen seines Lebenslaufs. Einigermassen gesichert ist, dass er Anfang der 50er-Jahre in der Nähe von Kalamazoo, Michigan, geboren wurde und die Plainwell High School in Plainwell, Michigan, absolvierte. Sein Studium der Film- und Theaterwissenschaft schloss er an der Western Michigan University in Kalamazoo ab. Danach betätigte er sich kurze Zeit als Schauspieler und Komiker in New York City und als Krankenpfleger, bis er Mitte der 70er-Jahre zum Journalismus wechselte und zuerst in Grand Rapids, Michigan, anschliessend in Milwaukee, Wisconsin, als Film-, Theater-, Musik- und Literaturkritiker für Radio und Fernsehen arbeitete. Seit Ende der 80er-Jahre ist er Kolumnist und Kritiker bei CBS 4 (Denver). Darüber hinaus schreibt er für die internationale Zeitschrift ‚VeloNews', die sich mit dem Radrennsport auseinandersetzt. Er hat zwei Kinder und lebt in Denver, Colorado.

Als begeisterter Radfahrer hat Moody den abgehalfterten Strassenprofi Will Ross in den Mittelpunkt von fünf originellen, mit schnellen Perspektivenwechseln erzählten Krimis - den so genannten "Cycling Murder Novels" - gestellt. In 'Tödliche Tour' kommt Will zu einem überraschenden Comeback als Wasserträger in der Tour de France, nachdem der Star des Teams in die Luft gejagt worden ist, und entdeckt sein Flair fürs Schnüffeln. Im nachfolgenden, an den Erstling anknüpfenden Band 'Mörderische Saison' berichtet der Autor kenntnisreich über betrügerische Machenschaften im europäischen Radsportzirkus.

Im dritten Buch 'Der Millionen-Dollar-Downhill' beginnt Will ein neues Leben: Er folgt seiner Frau Cheryl, einem Mädchen für alles in der Radsportszene, das er seit seiner Jugendzeit kennt, in die USA, übernimmt dort die sportliche Leitung eines Mountainbike-Teams - und wird wiederum mit Betrug und Mord konfrontiert.

'Albtraum in Denver' ist Moodys bester Roman. Cheryl steht kurz vor der Niederkunft, als Will seinen gut dotierten Marketing-Job bei einem Fahrradhersteller verliert. In der Not versucht er sich als Sportreporter, berichtet für eine lokale Fernsehstation über ein legendäres Strassenrennen in den Bergen Colorados - und wird alsbald mit einem durchgedrehten Bombenleger konfrontiert, der die Publizität der Sportveranstaltung für seine eigenen Zwecke missbraucht. Für Will beginnt ein Alptraum.

'Eiskalt erwischt' sieht Will als frisch gebackenen Vater einer Tochter - und als Witwer, denn Cheryl ist am Schluss von 'Albtraum in Denver' ein Opfer des Bombenlegers geworden. Unterstützt durch seine Schwiegermutter Rose Cangliosi, deren Familie mit der Mafia verbandelt ist, gibt sich Will eine Heidenmühe, wieder auf die Beine zu kommen. Er nimmt seinen Job beim TV-Sender wieder auf, beginnt sich um seine kleine Tochter zu kümmern, doch der Sprengstoffattentäter gönnt ihm keine Ruhe. Zudem wird Will von einem Polizisten verdächtigt, Cheryl selbst um die Ecke gebracht zu haben; und gleichzeitig scheut das Fernsehen, angeführt von der attraktiven, skrupellosen Moderatorin Beth Freeman, keine Mittel, um aus seinem Schicksalsschlag Profit zu ziehen.

Bibliografie:
Will Ross-Serie (Cycling Murder Novels): 'Two Wheels' - 'Tödliche Tour' (1996), 'Perfect Circles' - 'Mörderische Saison' (1998), 'Desrailleur' - 'Der Millionen-Dollar-Downhill' (1999), 'Deadroll' - 'Albtraum in Denver' (2001), 'Dead Air' - 'Eiskalt erwischt' (2002).

++ Erstellt: Februar 2011 ++  


Morse, L.A.

(Kürzel für Larry Allan Morse, *1945; schrieb auch als Runa Fairleigh)

Geboren in Fort Wayne, Indiana, aufgewachsen in Los Angeles, studierte L.A. Morse Englische Literatur an der University of California in Berkeley und am San Francisco State College. Ende der 60er-Jahre ging er nach Toronto, wo er unter anderem als Produktionsassistent beim Kanadischen Fernsehen und als Programmchef für Erwachsenenbildung an der University of Toronto arbeitete. Nach ausgiebigen Reisen durch Südostasien begann Morse 1975 eine Karriere als Schriftsteller, die jedoch von kurzer Dauer war. Ende der 80er-Jahre wechselte er zur Bildhauerei, sein Brot verdient er jedoch als Börsenmakler.

1979 publizierte Morse seinen ersten Roman 'The Flesh Eaters', eine historisch verbürgte Erzählung über eine Familie, die sich im Schottland des 15. Jahrhunderts von durchreisenden Menschen ernährt.

Morses Krimiheld Sam Hunter aus Los Angeles, ein bulliger, testosterongesteuerter Privatdetektiv mit Vietnam-Vergangenheit, gehört zu den härtesten und kaltschnäuzigsten Helden der Kriminalliteratur. Er ist in zwei sex- und actiongeladenen, Spillanes Mike Hammer-Bücher auf die Schippe nehmenden Romanen am Werk zu sehen.

Der 78-jährige Ex-Privatdetektiv Jake Spanner, auch er ein ausgekochter Bursche, ist 1981 in 'The Old Dick' zu seinem einzigen Einsatz gekommen. Fünfzehn Jahre nachdem er sich aus dem Geschäft zurückgezogen hat, erhält er noch einmal einen Auftrag - ausgerechnet von dem fast gleichaltrigen Sal Piccolo, einem Mafiagangster, den er vor vierzig Jahren ins Kittchen gebracht hat. Seltsam nur, dass Sal dem Vernehmen nach vor zwei Jahren den Löffel abgegeben hat. Jake gerät denn auch schon bald in Teufels Küche, steckt Prügel ein, muss um sein Leben fürchten - und kriegt in letzter Minute gerade noch die Kurve.

Bibliografie:
'The Old Dick' - 'Alte Besen kehren gut' (1981);
Sam Hunter-Romane: 'The Big Enchilada' - 'Ein fetter Brocken' (1982), 'Sleaze' - 'Sleaze' (1985).
Als Runa Fairleigh: 'An Old Fashioned Mystery' (1983).

++ Erstellt: März 2011 ++  


Munger, Katy

(*1956; schreibt auch als Gallagher Gray und Chaz McGee)

Katy Munger wurde in Honolulu, Hawaii, geboren und wuchs mit ihren fünf Geschwistern in North Carolina auf, zuerst in Greensboro, dann in Raleigh, wo sie auch die High School absolvierte. Nach dem Studium an der University of North Carolina in Chapel Hill mit einem Abschluss in Creative Writing ging sie 1980 nach New York City, wo sie sich mit Gelegenheitsjobs durchschlug, einen Rockmusiker heiratete und Anfang der 90er-Jahre (unter dem Pseudonym Gallagher Gray) als Krimiautorin debütierte.

1996 kehrte Munger nach North Carolina zurück. Sie gründete in Durham eine PR-Firma und brachte eine Tochter, Zuzu, zur Welt. Darüber hinaus arbeitete sie als Kolumnistin und Krimikritikerin der 'Washington Post', engagierte sich als Demokratin in der Lokalpolitik und bildete mit ihren Kolleginnen Sparkle Hayter und Lauren Anderson die aufmüpfige Schriftstellerinnen-Vereinigung 'Tart Noir'. Später nahm die allein erziehende Mutter eine Teilzeitstelle als Kommunikations-Leiterin bei der Organisation 'Democracy North Carolina' an, um mehr Zeit für das Privatleben und das Schreiben zu haben.

Katy Mungers bedeutendste Krimiheldin ist die muskelbepackte, scharfzüngige, lizenz- und waffenschein-, aber nicht waffenlose Privatdetektivin Casey Jones, eine schillernde Figur mit Herz und Witz - und Knastvergangenheit. In 'Beinarbeit' enthüllt sie als Leibwächterin einer des Mordes verdächtigen Südstaaten-Politikerin die korrupten Machenschaften des Gouverneurs. 'Gnadenfrist' handelt von Gail Honeycutt, einer jungen Frau, die in der Todeszelle sitzt, weil sie ihren Mann, einen Polizeibeamten, umgelegt haben soll. Sie kann sich an nichts erinnern, die Zeit läuft davon, und Casey Jones ist ihre letzte Chance. 2009 hat Casey Jones nach achtjähriger Absenz ihr Comeback gegeben.

In Mungers vorangegangener, unter dem Pseudonym Gallagher Gray veröffentlichter vierteiliger Hubbert & Lil-Serie, in der ein ermittelndes Rentnerehepaar im Mittelpunkt steht, tritt Casey Jones in einer kleinen Nebenrolle auf. Mungers dritte, zunächst mit Chaz McGee gezeichnete Reihe dreht sich um Kevin Fahey - einen Cop, der nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Bibliografie:
Casey Jones-Serie: 'Leg Work' - 'Beinarbeit' (1997), 'Out of Time' - 'Gnadenfrist' (1998), 'Money to Burn' (1999), 'Bad to the Bone' - 'Miststück' (2000), 'Better off Dead' (2001), 'Bad Moon on the Rise' (2009).
Als Gallagher Gray: Hubbert & Lil-Serie: 'Hubbard and Lil: Partners in Crime' (1991), 'A Cast of Killer' - 'Tantchen hebt den Vorhang' (1992), 'Death of a Dream Maker' - 'Tantchen trifft die Haute Couture' (1995), 'Motive for Murder' - 'Tantchen lüftet das Bankgeheimnis' (1996).
Als Chaz McGee: Kevin Fahey-Serie: 'Desolate Angel' (2009), 'Angel Interrupted' (2010), 'Angel of Darkness' (als Katy Munger, 2011), 'Angel Among Us' (als Katy Munger, 2012).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Dezember 2013 ++
 


Munoz Molina, Antonio

(*1956)

Antonio Munoz Molina, geboren in der andalusischen Renaissancestadt Ubeda, Provinz Jaen, ging dort an eine Jesuitenschule. Er studierte Journalismus in Madrid und Kunstgeschichte in Granada, um danach eine journalistische und schriftstellerische Laufbahn einzuschlagen. In Spanien als einer der bedeutendsten Autoren der Gegenwart eingestuft, wurde er 1995 mit 39 Jahren - so früh wie noch keiner vor ihm - in die Königlich Spanische Akademie für Sprache und Dichtung aufgenommen. Von 2004 bis 2006 war er Leiter des Instituto Cervantes in New York City. Heute pendelt Munoz Molina mit seiner Frau, der Journalistin, Autorin und Schauspielerin Elvira Lindo, zwischen Madrid und New York City.

Munoz Molinas facettenreiches, vielfach preisgekröntes belletristisches Werk - es umfasst zwanzig Romane und Erzählbände - enthält auch eine Handvoll dem Krimigenre zuzurechnende Bücher. Der Autor hat zudem zahlreiche Essays und Artikel in namhaften Zeitungen wie 'El Pais' und 'Die Welt' veröffentlicht und betreibt seit einigen Jahren ein Blog.

In 'Der Winter in Lissabon', einem vornehmlich in verräucherten Lokalen spielenden Noir- und Künstlerroman, erschiesst der Jazzpianist Santiago Biralbo in Lissabon den auf Kunstraub spezialisierten Mann seiner schönen Geliebten Lucrezia. Unter neuem Namen taucht er in Madrid unter, trifft dort auf einen (anonym bleibenden) Kumpel aus früheren Zeiten und erzählt ihm seine Geschichte.

Der düstere Politthriller 'Deckname Beltenebros' dreht sich um Verrat und die langen Schatten der Franco-Diktatur. Der Ich-Erzähler Darman, ein im englischen Exil lebender Kommunist, wird von seiner Partei nach Madrid beordert: Er soll dort einen Verräter namens Andrade abservieren. Der Auftrag weckt Erinnerungen an die zwanzig Jahre zurückliegende Zeit, als Darman (ebenfalls in Madrid) einen Spitzel mit dem Decknamen Beltenebros hätte töten sollen - und dann vermischen sich Vergangenheit und Gegenwart in seinem Kopf.

'Die Augen eines Mörders' handelt von persönlicher Schuld und verzweifelten Versuchen, mit ihr zu leben. Ein älterer, namenloser Polizist mit alkoholischer Vergangenheit, der sich unter Franco einen Namen als ETA-Jäger gemacht hatte, und dessen unheilbar kranke Gattin in einer psychiatrischen Klinik vegetiert, begibt sich in einer andalusischen Kleinstadt wie ein Besessener auf die Jagd nach dem perversen Mörder eines zehnjährigen Mädchens, verliebt sich in dessen Lehrerin, Susana Grey, kann den Täter schliesslich überführen - und fällt kurz danach dem Anschlag eines rachsüchtigen ETA-Aktivisten zum Opfer.

Munoz Molina hat eine sinnliche, poetische und bildreiche, oft fast quälend angestrengte Art zu schreiben, und seine Geschichten kreisen um Gestalten, denen die Vergangenheit längst jede Hoffnung genommen hat - eine anspruchsvolle, hochliterarische Noir-Prosa; vorzüglich geeignet auch für Menschen, die eigentlich keine Krimis lesen.

Bibliografie:
'Beatus Ille' - 'Beatus Ille oder Tod und Leben eines Dichters' (1986), 'El invernio en Lisboa' - 'Der Winter in Lissabon' (1987), 'Beltenebros' - 'Deckname Beltenebros' (1989), 'Los misterios de Madrid' - ‚Die Geheimnisse von Madrid' (1992), 'Plenilunio' - 'Die Augen eines Mörders' (1997).

++ Erstellt: August 2015 ++  


Murphy, Warren B.

(1933-2015; schrieb auch als Dev Stryker)

Warren B. Murphy stammt aus Jersey City, New Jersey. Von 1952 bis 1956 diente er in Alaska bei der US Air Force. In dieser Zeit heiratete er Dawn Walters, mit der er vier Kinder hatte - die Ehe wurde 1973 geschieden. Nach dem Militärdienst war er als Reporter, Redenschreiber und politischer Berater in New Jersey tätig, bis er in den 70er-Jahren nach New York City zog und das Schreiben von Krimis und Drehbüchern zum Hauptberuf machte. Darüber hinaus unterrichtete er am Moravian College in Betlehem, Pennsylvania, und an anderen Schulen und Universitäten. 1984 vermählte er sich mit der bekannten Schriftstellerin Molly Cochran. Der Ehe entsprangen nicht nur ein Sohn, sondern auch sieben gemeinsam verfasste Bücher (je zwei Grandmaster- und Forever King-Romane und drei Einzelwerke).

Warren Murphy, bis kurz vor seinem Tod ein überaus aktiver, in den USA höchst erfolgreicher Autor, veröffentlichte weit über hundert Romane, von denen nur zehn in deutschen Übersetzungen vorliegen. Sein erster Serienheld ist Julian "Digger" Burroughs aus New Jersey, ein blonder, gross gewachsener, unverschämt hohe Honorare fordernder Ermittler, aber auch ein Schürzenjäger, der dauernd finnischen Wodka in seinen Magen schüttet. Nach seiner Scheidung zieht Digger nach New York um, verlässt die Stadt jedoch bereits nach drei Monaten fluchtartig und bezieht Wohnsitz in Las Vegas - seine beiden Kinder hat er seither nicht mehr gesehen.
Digger arbeitet in Las Vegas als freier Versicherungsdetektiv und wird dabei von seiner smarten, japanisch-italienisch-stämmigen, auch als Blackjack-Geberin in einem Kasino und als Teilzeit-Hure tätigen Freundin Tamiko "Koko" Fanucci unterstützt - bzw: er verrichtet die Laufarbeit, befragt Leute, nimmt die Interviews heimlich auf kleine Kassetten auf, und sie löst dann den Fall. Nach vier Digger-Titeln (alle 1982 herausgekommen, keine deutschen Übersetzungen) hat Murphy den Namen seiner Helden aus verlagsstrategischen Gründen geändert: Digger heisst von nun an Devlin "Trace" Tracy, und Kokos neuer Name lautet Michiko "Chico" Mangani.
Im Verlauf der temporeichen, mit witzigen Einfällen und trockenen Sprüchen getränkten und von originellen Figuren getragenen (in der dritten Person erzählten) Serie übersiedelt der wortgewandte Detektiv von Las Vegas nach New York City, um dort mit Chico und seinem Vater Sarge, einem pensionierten Cop, eine Privatdetektei zu betreiben.
Die Krimis wurden für das Fernsehen verfilmt und 1988-89 unter dem Titel 'Murphy's Law' von ABC ausgestrahlt - und hier heissen die Helden Daedulus Patrick Murphy und Kimiko "Kimmy" Fanucci.

Aus Warren Murphys sehr umfangreicher - vorwiegend gemeinsam mit Richard Sapir, teilweise aber auch mit anderen Autoren, unter anderem seiner Frau Molly Cochran, verfasster - Destroyer-Reihe ist nur ein einziger Band ('Remo, unbewaffnet und gefährlich') ins Deutsche übertragen worden; er basiert auf dem Streifen 'Remo: The Adventure Begins' aus dem Jahr 1985. Beim 'Destroyer' handelt es sich um den Cop Remo Williams, der, nachdem ihm ein Mord angehängt wurde, auf seine Hinrichtung wartet, jedoch kurz vor der Urteilsvollstreckung befreit und daraufhin zu einer Geheimwaffe der illegalen Geheimorganisation CURE geschmiedet wird. Die in horrendem Tempo niedergeschriebene, eigentlich dem Heftchenroman zuzurechnende (und deshalb für die Bibliografie nicht berücksichtigte) Reihe bewegt sich mit den Jahren immer mehr in Richtung satirische Krimi-Groteske. 2012 ersetzte Murphy den Destroyer Remo Williams durch dessen Kinder Stone Smith und Freya Williams, deren wilde Abenteuer in der fünfteiligen Legacy-Serie aufgezeichnet sind.

Murphys beiden ersten Krimis erzählen von den Abenteuern, die Ed Razoni und Tough Jackson, zwei Detectives bei der Polizei von Las Vegas, erleben. Das Gespann ist hin und wieder in der Trace-Serie zu Gast.

Warren Murphy, dessen Ehe mit Molly Cochran geschieden wurde, starb kurz vor seinem 82. Geburtstag nach langer Krankheit in seinem Haus in Virginia Beach, Virginia. Er hinterliess zwei Töchter und drei Söhne, Deirdre, Megan, Brian, Ardath und Devin. Sein letztes Buch, der Mafiathriller 'Bloodline', soll Ende 2015 in die Läden kommen.

Bibliografie:
Digger-Romane: 'Smoked Out' (1982), 'Fool's Flight' (1982), 'Dead Letter' (1982), 'Lucifer's Weekend' (1982);
Trace-Romane: 'Trace' - 'Trace und die toten Patienten' (1983), 'Trace and 47 Miles of Rope' - 'Trace schlägt zu' (1984), 'Trace: When Elephants Forget' - 'Trace in Manhattan' (1984), 'Trace: Once a Mutt' - 'Trace und der verschwundene Millionär' (1986), 'Trace: Pigs Get Fat' - 'Trace auf der Jagd' (1985), 'Trace: Too Old a Cat' - 'Trace und die Cops' (1986), 'Trace: Getting Up With Flees' - 'Trace und das tödliche Drehbuch' (1987), 'Caribbean Blues' (1988);
Razoni & Jackson-Romane : 'Dead End Street' (1973), 'Down and Dirty' (1974);
Einzelwerke: 'Leonardo's Law' (1978), 'Atlantic City' - 'Atlantic City' (gemeinsam mit Frank Stevens, 1979), 'The Red Moon' (1982), 'Inside Sinsnju' (gemeinsam mit Ben Sapir, 1985), 'The Ceiling of Hell' (1985), 'The Sure Thing' (1989), 'Scorpion Dance' (1990), 'Jericho Day' (1990), 'Destiny's Carnival' (gemeinsam mit Mark Brownwood, 1991), 'Honor Among Thieves' (1992), 'Bloodline' (2015);
Gemeinsam mit Molly Cochran: Grandmaster-Romane: 'Grandmaster' - 'Der Grossmeister' (1984), 'High Priest' (1987); Forever King-Romane: 'The Forever King' (1991), 'The Broken Sword' (1997); 'The Temple Dogs' (1989), 'The Hand of Lazarus' (1990), 'World without Ende' (1996).

++ Erstellt: Februar 2011 ++
++ Update: September 2015 ++
 


Mwangi, Meja

(Pseudonym für David Dominic Mwangi *1948)

Meja Mwangi kam in der kenianischen Stadt Nanyuki, Laikipia County, zur Welt und wuchs auch dort auf. Seine Heimatprovinz war in den 1950er-Jahren Schauplatz des Mau-Mau-Aufstands gegen die britische Kolonialmacht. Nach der Schulzeit und abgebrochenem Studium am Kenyatta University College arbeitete er als technischer Angestellter beim französischen Fernsehstudio in Nairobi und beim British Council, ehe er in den frühen 70er-Jahren das Schreiben zum Hauptberuf machte. 1975/76 war er Fellow in Writing an der University of Iowa. Viel später liess er ein Studium an der Leeds University folgen, blieb indes ohne Abschluss.

Sein Werk enthält Kinderbücher, Romane (darunter der Erstling 'Kill Me Quick' sowie 'Nairobi, River Road', ein Roman über das Leben in den afrikanischen Slums, und 'Big Chiefs' über den Völkermord in Ruanda), Drehbücher, Theaterstücke und Sachbücher. Überdies war er Regieassistent bei Sidney Pollacks Film 'Out of Africa' und wirkte auch bei anderen internationalen Filmen mit. Der sein Privatleben verborgen haltende Autor lebt in seiner Geburtsstadt - es ist nicht bekannt ob allein oder mit Familie.

In Mwangis einzigen Kriminalroman 'Die Wilderer' führen die Ranger Johnny Kimathi (schwarz) und Frank Burkell (weiss), beide Anfang dreissig, einen zermürbenden und lebensgefährlichen Kampf gegen die Wilderer, die im kenianischen Nationalpark Jagd auf Elfenbein und Rhinozeroshorn machen und hierbei offensichtlich von der Mafia finanziert werden - die Globalisierung des organisierten Verbrechens, das stets auch Drogenhandel, Schutzgelderpressung und Korruption mit sich bringt. Als Kimathis junge, schwangere Frau durch einen Mobster ermordet wird, schlägt das furiose Gespann mit voller Wucht zurück. Die düstere Geschichte lebt von den beiden plastisch skizzierten, eng miteinander befreundeten Wildhütern, intelligenter Handlungsführung und eindrucksvollen Schilderungen des zerrissenen afrikanischen Landes.

Bibliographie:
'The Bushtrackers - 'Die Wilderer' (1979).

++ Erstellt: Oktober 2014 ++  



 

Nadelson, Reggie

Regina "Reggie" Nadelson, geboren im New Yorker Viertel Greenwich Village als Tochter einer jüdischen Familie, wuchs in den 50er- und 60er-Jahren dort auf. Sie studierte Englisch am Vassar College, New York State, und Journalistik an der Stanford University. Danach reiste sie durch die Welt, bestritt ihren Lebensunterhalt mit journalistischen Jobs (unter anderem verbrachte sie während der Gorbatschow-Ära längere Zeit in der Sowjetunion und dokumentierte deren Zusammenbruch) und blieb schliesslich in London hängen, wo sie Kolumnen für 'The Guardian' und 'The Independent' verfasste. Seit Anfang der 90er-Jahre arbeitet sie als freie Autorin, Journalistin und Dokumentarfilmerin. Sie pendelt zwischen London und Manhattan.

Im Jahr 1995 startete Nadelson ihre düstere, ein facettenreiches Bild von New York zeichnende Krimiserie um Artie Cohen, der als Sohn eines hochrangigen jüdischen KGB-Agenten geboren wurde und ursprünglich Artemy Maximovich Ostalsky hiess. Artie verliess die Sowjetunion mit sechzehn, verbrachte die folgenden drei Jahre mit seiner Familie in Israel und machte dort seinen Schulabschluss, ehe er nach New York City übersiedelte, Amerikaner wurde und zum NYPD kam (nach dem ersten Roman arbeitet er vorübergehend als Privatdetektiv). Sein bester Freund ist Anatoli Swerdlow, genannt Tolja, ein grossherziger und steinreicher Mann, auch er ein russischer Emigrant.

'Russische Verwandte', der fünfte Band der (im Original bisher neunteiligen) Artie Cohen-Serie, spielt wenige Monate nach "Ground Zero", in New York herrscht ein Klima von Verunsicherung, Angst, Fremdenhass und Paranoia. Artie Cohen ist seit kurzem Mitglied einer Spezialeinheit, die sich mit Verbrechen an Kindern befasst, als eine Joggerin in Brighton Beach, Brooklyn, wo die Einwanderer aus Russland leben, auf ein Bündel von blutigen Kinderkleidern stösst. Kurz danach wird eine Leiche gefunden, die nicht zu den Kleidern passt, ein Mädchen verschwindet, und dann wird auch Arties 12-jähriger Patensohn Billy vermisst. Die Ermittlungen führen Artie in die Kreise der russischen Einwanderer, ins Umfeld seiner eigenen Verwandtschaft.

Die Anschläge vom 11. September 2001 sind auch im folgenden Roman 'Rote Wasser' allgegenwärtig - Angst vor Krebserkrankungen nach der massiven Asbestexposition und vor neuerlichen Terrorakten lähmt die Stadt. Ausgerechnet am Tage seiner Hochzeit erhält Artie Cohen einen neuen Mordfall, in den selbstredend auch Russen - darunter Arties Freund Tolja - verwickelt sind. Die Spuren führen zurück ins Jahr 1953, als vor Brooklyn ein russisches Schiff auf Grund gelaufen ist.

Neben der Artie Cohen-Serie verfasste Nadelson die beiden Standalones 'Somebody Else' und 'Manhattan 62' sowie Biografien über die amerikanische Bürgerrechtlerin und Autorin Angela Davis ('Who Is Angela Davis?', 1972) und den Amerikaner Dean Reed, der in der Zeit des Kalten Krieges in die Sowjetunion überlief und dort als Rockstar riesige Erfolge feierte, bis er 1986 Selbstmord beging ('Comrade Rockstar', 1991).

Bibliografie:
Artie Cohen-Serie: 'Red Mercury Blues' - 'Red Mercury Blues' (1995), 'Hot Poppies' - 'Heisser Mohn' (1997), 'Bloody London' (1999), 'Sex Dolls' (auch unter dem Titel 'Skin Trade', 2002), 'Disturbed Earth' - 'Russische Verwandte' (2004), 'Red Hook' - 'Rote Wasser' (2005), 'Fresh Kills' - 'Kalter Verrat' (2006), 'Londongrad' (2009), 'Blood Count' (2010);
Einzelwerke: 'Somebody Else' - 'Das andere Gesicht' (2003), 'Manhattan 62' (2014).

++ Erstellt: Juli 2014 ++  


Nava, Michael

(*1954)

Michael Nava kam in der Kleinstadt Stockton in der Nähe von San Francisco zur Welt und wuchs in der kalifornischen Hauptstadt Sacramento auf. 1981 machte er seinen Abschluss als Jurist an der Stanford University in Palo Alto, Kalifornien. Anschliessend führte er mit seinem Lebenspartner Bill Weinberger in dieser Stadt eine gemeinsame Kanzlei, 1984 verlegten sie ihren Sitz nach Los Angeles. Die beiden trennten sich im Jahr 1989. Seit 1995 lebt Nava mit seinem neuen Gefährten Andrew Ferrero in San Francisco und arbeitet als Anwalt am Obersten Bundesgericht.

Nava ist der Autor des siebenbändigen, vorwiegend in Los Angeles angesiedelten Zyklus um den schwulen, mexikanisch-stämmigen Rechtsanwalt Henry Rios aus Kalifornien. Im zweiten Krimi lernt Henry Rios Josh Mandel kennen, die beiden werden ein Paar, doch Josh verlässt Henry für einen anderen Mann und stirbt im Fortgang der Reihe an Aids. Die Serie lebt von der feingliedrig gezeichneten Hauptfigur - Rios ist ein abgebrühter, vor Gericht höchst erfolgreicher Anwalt mit idealistischer Ader, aber auch eine von Schuldgefühlen, Familienkonflikten und sexuellen Obsessionen geplagte, zu Alkoholexzessen neigende, im letzten Roman einen Herzinfarkt erleidende Persönlichkeit -, sowie von Navas intelligenter, unsentimentaler Erzählweise, den plastischen Schilderungen der multikulturellen Grossstadt Los Angeles mit ihrer riesigen Kluft zwischen arm und reich und den ausgeklügelten Plots.

Nach dem siebten Krimi wurde Nava die Doppelbelastung zuviel: Er beendete seine schriftstellerische Laufbahn und konzentrierte sich fürderhin auf die Jurisprudenz. Michael Nava, der sich seit vielen Jahren für die Gleichberechtigung der homosexuellen Bevölkerung engagiert und eine Reihe von Essays und Texten zur rechtlichen Situation von Schwulen und Lesben in den Vereinigten Staaten herausgegeben hat, ist ein würdiger Nachfolger des grossen homosexuellen (2005 verstorbenen) Krimiautors Joseph Hansen, mit dem er befreundet war.

Bibliografie:
Henry Rios-Serie: 'The Little Death' - 'Der kleine Tod' (1986), 'Goldenboy' - 'Goldjunge' (1988), 'How Town' - 'In einer Stadt so nett' (auch unter dem Titel 'Stadt der Ehre', 1990), 'The Hidden Law' - 'Das innere Gesetz' (1992), 'The Death of Friends' - 'Todes Nähe' (1996), 'The Burning Plain' - 'Verbrannte Erde' (1999), 'Rag and Bone' - 'Die lange Nacht' (2001).

++ Erstellt: Februar 2011 ++  


Nebenzal, Harold

(*1922)

Harold Nebenzal wurde als Sohn des berühmten jüdischen Filmproduzenten Seymour Nebenzal in Berlin-Tiergarten geboren und spielte als Kind in dessen Filmen mit. Im Jahr 1931 besuchte er ein Internat in der Schweiz. Am 31. März 1933, zwei Monate nach der Machtübernahme durch Hitlers Nationalsozialisten, emigrierte er mit seinen Eltern in die USA. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er fast fünf Jahre lang mit der Marineinfanterie im Pazifik, zuletzt als Hauptmann. 1947 heiratete er die Schauspielerin Rita Cordey und hatte mit ihr zwei Kinder, Daniel und Deborah. Er liess sich mit ihr in Los Angeles nieder und machte als Drehbuchautor und Filmproduzent von sich reden. Nebenzal arbeitete unter anderem mit Grössen wie Carlo Ponti, Ingmar Bergmann, John Huston, Marcello Mastroianni und Billy Wilder. Mit siebzig Jahren veröffentliche er seinen ersten Roman 'Café Berlin'. Der in zweiter Ehe mit der Koreanerin Dorothy verheiratete Autor lebt in Berverly Hills, Los Angeles.

'Café Berlin', ein Politroman in der Tradition Eric Amblers, dreht sich um den schlitzohrigen Kosmopoliten Daniel Saporta (mit dem spanisch klingenden Decknamen Salazar), einen aus Damaskus stammenden sephardischen Juden, der in den 30er-Jahren das berühmt-berüchtigte Berliner Nachtlokal 'Kaukasus Klub' betreibt, einen beliebten Treffpunkt von NSDAP-Bonzen, SS- und Wehrmachtsoffizieren.
Zeitsprung ins Jahr 1943: Daniel Saporta musste untertauchen, um vielleicht überleben zu können. Er hält sich in einer kleinen, unbeheizten Dachkammer versteckt und blickt zurück auf sein faszinierendes Leben: die fiebrigen Nächte im 'Kaukasus Klub', die Reisen in den Nahen Osten - und seine Liebe zu der Tänzerin Samira, die sich von den Briten in eine äusserst gefährliche Spionageaffäre verwickeln liess.

Mit 'Hafen der Düfte oder Die letzten Tage von Hongkong', 'Der Löwenkult' und 'Peking-Express' verfasste Nebenzal drei weitere - gegenüber dem Erstling arg abfallende, dafür mit zahlreichen Sexszenen gewürzte - Spannungsromane, die im amerikanischen Original vermutlich nicht erschienen sind.

Bibliografie:
'Cafe Berlin' - 'Café Berlin' (1992), 'Fragrant Harbour' - 'Hafen der Düfte oder Die letzten Tage von Hongkong' (1995), 'The Lion Cult' - 'Der Löwenkult' (1999), 'Celestial Express' - 'Peking-Express' (2006).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Februar 2013 ++
 


Newman, G.F.

(Kürzel für Gordon Frank Newman, *1946)

G.F. Newman wurde als Sohn eines Ingenieurs in Kent, England, geboren, und wuchs auch dort auf. Mit sechzehn ging er an die Stanislavsky Acting School in Chislehurst, Kent, um Schauspieler zu werden, doch daraus wurde nichts. Er verrichtete verschiedene Jobs, bis er Ende der 60er-Jahre nach London zog und zu schreiben begann. Anfang der 70er-Jahre lernte er seine Lebenspartnerin Rebecca Hunt kennen, eine Sachbuchautorin (Kernthema: Rechte der Tiere) und zweifache Mutter, liess sich mit ihr auf einer kleinen Farm in Irland nieder und wurde ein militanter Veganer. Später bezog die Familie Wohnsitze in London und Hereford.

In den frühen 70er-Jahren verfasste Newman die legendäre Terry Sneed-Trilogie. Danach machte er Karriere als Drehbuchautor und Produzent beim britischen Fernsehen, indem er die englische Polizei ('Law and Order', 1978) und Gesundheitsbehörde ('The Nation's Health', 1983) schonungslosen Untersuchungen unterzog. Später sorgte er mit Filmen wie 'Here is the News' (über Journalismus), 'Black an Blues' (über Rassismus bei der Polizei) und die Serie 'Judge John Dead' für Aufsehen. Hin und wieder veröffentlichte er auch einen Roman, zuletzt, im Jahr 2009, den ersten Teil des Londoner Gangster-Epos 'Crime and Punishment', der die 1950er-, 60er- und 70er-Jahre abdeckt. 1992 gründete er mit dem Autor Matthew Hall die TV-Produktionsfirma 'One Eyed Dog Ltd', für die er auch heute noch eine wichtige Funktion als Drehbuchautor innehat.

Detective Inspector Terry Sneed, genannt der Bastard, ein skrupelloser, bis in die Haarspitzen korrupter, mit allen Wassern gewaschener Senkrechtstarter im Criminal Investigation Department des Scotland Yard, ein hochintelligenter Manipulator Mitte zwanzig, ist vermutlich der niederträchtigste Bulle der Kriminalliteratur. Im ersten Roman 'Der Bastard' berichtet Newman über Terry Sneeds rasanten Aufstieg vom uniformierten Streifenpolizisten zum betuchten Detective Inspector bei der Londoner Kriminalpolizei. 'Der Bastard kehrt zurück' dreht sich um Jack Manso, der sich vom einfachen Ganoven zum Boss der Londoner Unterwelt aufschwingt, schliesslich jedoch von Terry Sneed grandios hereingelegt und zu dreissig Jahren Knast verdonnert wird. In 'Verdammter Bastard' bekommt es Terry Sneed mit einem besonders harten Gegner zu tun: dem scheinbar ehrenwerten Amerikaner Peter Rosi, der bereits in 'Der Bastard kehrt zurück' an ein paar Fäden gezogen hatte, und der sich in Sachen Bestechlichkeit, Cleverness und Hinterhältigkeit selbst vor dem Bastard nicht verstecken muss. Terry Sneed überlebt mit knapper Not - und nimmt sich vor, zukünftig noch gerissener und wachsamer zu agieren.

Bibliografie:
Terry Sneed-Trilogie: 'Sir, You Bastard' (auch unter dem Titel 'Rogue Cop') - 'Der Bastard' (1970), 'You Flash Bastard'- 'Der Bastard kehrt zurück' (1972), 'The Price' (auch unter dem Titel 'You Flash Bastard') - 'Verdammter Bastard' (1974);
'The Abduction' (1972), 'The Player and the Guest' (1972), 'Billy' (1972), 'The Spit' (1973), 'Three Professional Ladies' (1973), 'The Streetfighter' (1975), 'The Guv'nor' (auch unter dem Titel 'Trade-off', 1978), 'The List' (1979), 'The Obsession' (1980), 'Charlie and Joanna' (1981), 'The Men With the Guns' (1982), 'Set a Thief' (1986), 'The Testing Ground' (1987), 'Circle of Poison' (1995), 'Crime and Punishment' (2009).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2013 ++
 


Nielsen, Torben

(1918-1985)

Torben Nielsen kam in Vedslet Sogn, auf der dänischen Insel Jütland, zur Welt. Er hatte fast dreissig Jahre Erfahrung bei der Kopenhagener Polizei (zuerst als Angehöriger der berittenen Truppe, dann der Kriminalpolizei), als er Ende der 60er-Jahre zu schreiben begann. Sein literarisches Werk enthält zehn Krimis für Erwachsene, vier Krimis für Jugendliche (Nold-Serie), mehrere Hörspiele und autobiografische Schriften. Drei seiner Krimis wurden verfilmt. Im Alter von 66 Jahren starb er an den Folgen eines Verkehrsunfalls.

International bekannt wurde Nielsen mit seinen einzigen auf Deutsch vorliegenden Büchern 'Neunzehn rote Rosen' und 'Das Galgenlied', beide aus dem Jahr 1973, in denen der Kopenhagener Kriminalkommissar Ancher, ein 62-jähriger verheirateter Vater zweier erwachsener Kinder, mit seinem kleinen Team am Werk ist. Ancher ist ein hartnäckiger, mit der menschlichen Seele und allen Schichten der skandinavischen Gesellschaft vertrauter Fahnder - ein dänischer Maigret. Und seine Aufklärungsquote beim Morddezernat beläuft sich auf sagenhafte 98%.

'Neunzehn rote Rosen' ist die Geschichte eines jungen Mannes, dessen Geliebte vor einem Jahr von einem Auto überfahren wurde - im Fahrzeug sassen zwei verheiratete Männer und zwei Frauen, aber nicht ihre eigenen, und alle waren sturzbetrunken. Nach einem schlimmen seelischen Zusammenbruch wieder Herr seiner Sinne, hat der junge Mann nur noch ein Ziel vor Augen: Blutige Rache an den vier Personen, die sein Leben zerstört haben. Doch nicht die Schuldigen sollen daran glauben, sondern die Menschen, die ihnen am nächsten stehen. Zwischen dem raffinierten, immer wieder in neue Rollen schlüpfenden Mörder und Kommissar Ancher entspannt sich ein atemloser Wettkampf gegen die Zeit.

'Das Galgenlied' beginnt mit dem Tod des bildhübschen, von den Frauen begehrten Sängers und Laienschauspielers Kent Berner: Dem Anschein nach hat er sich wegen Liebeskummer in seiner kleinen Wohnung erhängt, doch laut seinen Bekannten war Kent ein lebensfroher junger Mann, frisch verliebt und voller Tatendrang. Kurz danach wird ein 14-jähriges Mädchen, das eine wichtige Aussage zu diesem Todesfall machen wollte, mit zertrümmertem Schädel aufgefunden - für Ancher ist jetzt klar, dass Kent nicht durch eigene Hand ums Leben kam. Als wenig später die 8-jährige Lisbeth vergewaltigt und ermordet wird, gerät die Stadt in Aufruhr, und dem Kommissar stellt sich die Frage, ob es zwischen den drei Verbrechen ein Bindeglied gibt.

Bibliografie:
Kriminalkommissar Ancher-Romane: 'Tilfoeldet Lisa Kjeldsen' (1971), 'N'tten rode roser' - 'Neunzehn rote Rosen' (1973), 'Galgesangen' - 'Das Galgenlied' (1973), 'At elske er at do' (1976), 'Terror' (1976), 'Truet pa livet' (1984);
'Taendstikleg' (1972), 'Tredive meter ned' (1973), 'Enkejagt' (1975), 'Voldtaegt' (1979).

++ Erstellt: September 2011 ++  


Nisbet, Jim

(*1947)

Jim Nisbet kam in Schenectady, Bundesstaat New York, zur Welt und absolvierte ein Literaturstudium an der University of North Carolina in Chapel Hill. Danach verrichtete er verschiedene Berufe, bis er nach San Francisco zog und sich dort vorrangig dem Schreiben widmete. Er verfasste bisher dreizehn Romane, fünf Lyrikbände, zahlreiche Essays, Artikel und Kurzgeschichten, eine Handvoll Einakter und Monologe sowie ein Sachbuch über Design und Bau retro-futuristischer Möbel - eine Tätigkeit, die er selbst ausübt. Jim Nisbet, der im angloamerikanischen Raum lange Zeit nicht Fuss fassen konnte (einige seiner Krimis sind zuerst in französischen Übersetzungen erschienen), lebt mit seiner Frau in San Francisco.

Nisbets wohl bekanntestes Werk ist 'Tödliche Injektion', ein temporeicher, ungemein dichter Noir-Thriller. Der alkoholabhängige Arzt Dr. Franklin Royce hat die Hinrichtung des wegen Mord verurteilten jungen Schwarzen Bobby Mencken in einem texanischen Gefängnis zu überwachen. Royce zweifelt jedoch an Bobbys Schuld. Als er sich aufmacht, die Herkunft des exekutierten Mannes zu recherchieren, trifft er auf dessen Kumpane, den Psychopathen Eddie Lamark und die heroinabhängige Schlampe Colleen Valdez, der er sexuell verfällt. Für den beruflich und privat längst gescheiterten Arzt beginnt ein Alptraum.

'Dunkler Gefährte' berichtet von den unerhörten Ereignissen, die dem liebenswerten indisch-stämmigen Akademiker Banerjhee Rolf mit Abschlüssen in Chemie, Mathematik und Pharmakologie widerfahren. Seit dreissig Jahren glücklich verheiratet, Vater eines Chemie studierenden Sohnes, hat er ein hübsches Haus in Kalifornien und eine hochdotierte Stelle in der Biotech-Branche. Als seine Firma von einer anderen übernommen wird, verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen derart, dass er den Job hinschmeisst, um nicht in Depressionen zu versinken - Rolf wird arbeitslos, ohne Aussicht auf eine neue Stelle, und hat viel Zeit für sein Hobby, die Astronomie. Eines Abends wird er in einen Streit seiner Nachbarn Toby Pride, dem Anschein nach ein mit Drogen handelnder Nichtsnutz, und dessen schöner Freundin Esma verwickelt, dann tauchen drei schwer bewaffnete Männer auf, es kommt zu einer wilden Schiesserei, an der sich auch Rolf beteiligt - und die er als einziger überlebt. In dem überwiegend aus Dialogen bestehenden, mit unerwarteten Wendungen aufwartenden Noir-Roman übt Nisbet scharfe Kritik am kapitalistischen System der Vereinigten Staaten.

Zwei (nicht auf Deutsch vorliegende) Romane sehen den früheren Cop und jetzigen Privatdetektiv Martin Windrow aus San Francisco in der Hauptrolle.

Bibliografie:
Martin Windrow-Romane: 'The Gourmet' (auch unter dem Titel 'The Damned Don't Die', 1981), 'Ulysses' Dog' (1993);
'Lethal Injection' - 'Tödliche Injektion' (1987), 'Death Puppet' (1989), 'Prelude to a Sream' (1997), 'The Price of the Ticket' (2003), 'The Syracus Codex' (2005), 'Dark Companion' - 'Dunkler Gefährte' (2006), 'The Octopus on My Head' - 'Der Krake auf meinem Kopf' (2007), 'Winward Passage' (2010), 'A Moment of Doubt' (2010), 'Old & Cold' (2012), 'Snitch World' (2013).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2013 ++
++ Update: Juli 2014 ++
 


Nunn, Kem

(*1948)

Kem Nunn (Kem ist die Kurzform von Kemp, dem Vornamen seines Grossvaters) wurde im kalifornischen Ponoma Valley geboren, wo er als Einzelkind aufwuchs. Nach der High School ging er an die südkalifornische Küste und tauchte dort tief in die Surfszene ein. Später holte er ein Studium in Kreativem Schreiben an der University of California in Irvine nach. Es folgten Jobs wie Hafenarbeiter in Newport und Mandolinenspieler bei einer Bluegrass-Band. Anfang der 80er-Jahre kam Nunn zum Schreiben. Neben sechs Romanen verfasste er Artikel für das 'Surf Magazine' und einige Drehbücher für TV-Serien ('Sons of Anarchy', die Surf-Serie 'John from Cincinnati'). Nach längerem Aufenhalt in der nordkalifornischen Pazifikküstenstadt Bodega lebt er heute in dem ebenfalls am Pazifik gelegenen Städtchen South Laguna, Orange County, Kalifornien. Er ist geschieden und hat eine erwachsene Tochter.

Kem Nunn, in den USA als Kultfigur verehrt, wird als Erfinder des "Surf Noir" bezeichnet. Sein bekanntestes Werk 'Wo Legenden sterben', eine feine Mischung aus Thriller, Fantasy- und Abenteuerroman, gewürzt mit poetischen Landschaftsschilderungen, spielt im sagenumwobenen Ort "Heart Attacks" an der Küste Nordkaliforniens, dem Brutgebiet der weissen Haie, wo vier die höchste Welle suchende Männer - die exzentrische, seit Jahren verschollen geglaubte Surf-Legende Drew Harmon, der abgehalfterte Fotograf Jack Fletcher, früher Garant für spektakuläre Surf-Aufnahmen, und zwei junge Profisurfer - und die in ihren Reservaten vegetierenden Indianer heftig aufeinander prallen. Zwischen den Fronten: Kendra Harmon, Drews schöne, psychisch labile Frau, die nach einem tödlichen Zwischenfall von drei Indianern entführt, gequält und vergewaltigt wird - und sich daraufhin zur Hexe entwickelt; und Travis McCabe, Leiter des Büros für Indianer-Angelegenheiten, der eine Art Vermittlerrolle einnimmt und dafür beinahe mit seinem Leben bezahlt.

Bibliografie:
'Tapping the Source' - 'Wellenjagd. Nacht über Surf City' (1984), 'Unassigned Territory' (1986), 'Ponoma Queen' (1992), 'The Dogs of Winter' - 'Wo Legenden sterben' (auch unter dem Titel 'Giganten. Wo Legenden sterben', 1997), 'Tijuana Straits' (2004), 'Chance' (2014).

++ Erstellt: Juni 2011 ++
++ Update: März 2014 ++
 



 

O'Brian, Patrick

(ursprünglich Richard Patrick Russ, 1914-2000)

Richard Patrick Russ wurde als zweitjüngstes von neun Kindern eines deutsch-stämmigen Arztes in Chalfont St. Peter, Buckinghamshire, geboren und verbrachte eine recht mühselige, von dem frühen Tod seiner irischen Mutter und von Krankheit überschattete Jugendzeit. 1935 liess er sich in London nieder, wo er 1936 seine erste Frau, Elizabeth, heiratete. Sie hatten einen Sohn und eine Tochter, die mit drei Jahren verstarb. In den 30er-Jahren veröffentlichte Russ einige Kurzgeschichten und zwei Romane. Seine schriftstellerische Laufbahn wurde durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unterbrochen - in den Kriegsjahren arbeitete er vermutlich für den englischen Geheimdienst.

Und dann, im Sommer 1945, begann Russ ein zweites Leben: Er nannte sich von jetzt an offiziell Patrick O'Brian, verliess endgültig Frau und Kind und zog mit seiner zweiten Frau Mary Tolstoy zuerst in das abgelegene nordwalisische Tal Cwm Croesor, später, 1949, in das südfranzösische Städtchen Collioure, wo er die folgenden vierzig Jahre verbrachte und als Autor und Übersetzer arbeitete. Er schrieb eine Biografie von Pablo Picasso, mit dem ihn eine Freundschaft verband, und übersetzte unter anderem Henri Charrières 'Papillon' und Simone de Beauvoirs Spätwerke ins Englische.

Ende der 60er-Jahre nahm Patrick O'Brian seine Reihe um Captain Jack Aubrey, Offizier der Royal Navy, und den irisch-katalanischen Schiffsarzt und Spion Stephen Maturin in Angriff - und wurde ein Bestsellerautor. Die 20-bändige, chronologisch zu lesende, mit viel trockenem Humor erzählte Reihe spielt zwischen 1801 und 1816, zur Zeit der Koalitionskriege gegen Napoleon Bonaparte. Sie lebt von den zwei gegensätzlichen, höchst komplexen Hauptfiguren und unzertrennlichen Freunden - Jack Aubrey, Spitzname "Lucky Jack", ein übergewichtiger, extrovertierter Hüne mit unseriösem Lebenswandel, ein taktisch brillanter Seemann, der im letzten Roman doch noch zum Admiral befördert wird, und Stephen Maturin, ein hochgebildeter, kaltblütiger, zum Grübeln neigender Internist irisch-katalanischer Abstammung, die für den britischen Geheimdienst auf den Meeren unterwegs sind (und in ihrer spärlichen Freizeit zusammen musizieren) -, aber auch von O'Brians sprachlicher Ausdruckskraft und der detailreichen Darstellung des Lebens in der Zeit der Napoleonkriege, des Lebens auf der See.

Der Autor starb zwei Jahre nach seiner Frau während eines Aufenthalts in Dublin. Der 21. Band der Aubrey & Maturin-Serie blieb unvollendet und wurde 2004 als Fragment publiziert. Im selben Jahr veröffentlichte O'Brians Stiefsohn, der Historiker Nikolai Tolstoy, die Biografie 'Patrick O'Brian: The Making of the Novelist'.

Bibliografie:
Jack Aubrey & Stephen Maturin-Serie: 'Master and Commander' - 'Kurs auf Spaniens Küste' (1969), 'Post Captain' - 'Feindliche Segel' (1972), 'H.M.S. Surprise' - 'Duell vor Sumatra' (1973), 'The Mauritius Command' - 'Geheimauftrag Mauritius' (1977), 'Desolation Island' - 'Sturm in der Antarktis' (1978), 'The Fortune of War' - 'Kanonen auf hoher See' (1979), 'The Surgeon's Mate' - 'Verfolgung im Nebel' (1980), 'The Ionian Mission' - 'Die Inseln der Paschas' (1981), 'Treason's Harbour' - 'Gefahr im Roten Meer' (1983), 'The Far Side of the World' - 'Master and Commander. Bis ans Ende der Welt' (auch unter dem Titel 'Manöver um Feuerland', 1984), 'The Reverse of the Medal' - 'Hafen des Unglücks' (1986), 'The Letter of Marque' - 'Sieg der Freibeuter' (1988), 'The Thirteen-Gun Salute' - 'Tödliches Riff' (1989), 'The Mutmeg of Consolation' - 'Anker vor Australien' (1991), 'Clarissa Oakes' - 'Inseln der Vulkane' (1992), 'The Wine-Dark Sea' - 'Gefährliche See vor Kap Horn' (1993), 'The Commodore' - 'Der Triumph des Kommodore' (1995), 'The Yellow Admiral' - 'Der gelbe Admiral' (1996), 'The Hundred Days' - 'Mission im Mittelmeer' (1998), 'Blue at the Mizzen' - 'Der Lohn der Navy' (1999), 'The Unfinished Journey of Jack Aubrey' (Fragment, 2004).

++ Erstellt: September 2010 ++  


O'Connell, Carol

(*1947)

Carol O'Connell, geboren in New York City, studierte Kunst am California Institute of Arts/Chouinard und an der Arizona State University. Sie bestritt ihren Lebensunterhalt lange Zeit mit dem Verkauf ihrer surrealistischen Bilder, war aber auch als freie Lektorin und Korrekturlesern und in verschiedenen Gelegenheitsjobs tätig, bevor sie mit 46 Jahren höchst erfolgreich als Krimiautorin debütierte. Sie lebt als freie Schriftstellerin in ihrer Heimatstadt.

Mit Kathleen Mallory hat Carol O'Connell eine starke, zerrissene Persönlichkeit in die Kriminalliteratur gebracht. Als kleines Mädchen verwaist, schlägt sich Kathy mehrere Jahre als Strassenkind in New York City durch, bis sie mit etwa zehn Jahren von dem legendären Polizisten Louis Markowitz und seiner liebevollen und sanften, viel zu früh an Krebs verstorbenen Frau Helen adoptiert wird. Kathy, furchtlos, abgebrüht, schön und hoch intelligent, von ihrer schlimmen Kindheit jedoch arg gezeichnet und scheinbar ohne Unrechtsbewusstsein und Gefühle, geht später ebenfalls zur New Yorker Polizei und erweist sich dort als exzellente Computerspezialistin - und Hackerin; wobei sie ihre Raubzüge auf das beschränkt, was Markowitz braucht, um seine Fälle zu lösen. Die Serie lebt von den vielschichtigen Plots, von Kathys auch nach seinem Tod omnipräsenten Pflegevater und natürlich von der wuchtigen Protagonistin, aber auch von einfühlsam gezeichneten Nebenfiguren wie Charles Butler, dem sympathischen, unsterblich in Kathy verliebten, mit einem eidetischen Gedächtnis und einer riesigen Nase ausgestatteten Leiter einer kleinen Consulting-Firma mit einem Abschluss in Psychologie, und Mallorys Schutzengel Sergeant Riker, dem schmuddelig gekleideten, stark dem Alkohol zusprechenden Ex-Partner und langjährigen Freund von Kathys Ziehvater.

Kathys erster Kriminalfall beginnt für sie mit einem Schock: Louis Markowitz, als Leiter der Sonderkommission für Gewaltverbrechen auf einen Serienkiller angesetzt, der es auf ältere, betuchte Frauen abgesehen hat, kommt gewaltsam ums Leben - ein fast nicht zu verkraftender Verlust für Kathy, die sich davon jedoch nicht viel anmerken lässt. Sie beginnt auf eigene Faust zu ermitteln, setzt ihr Leben aufs Spiel und bringt weit in die Vergangenheit reichende Zusammenhänge ans Tageslicht.

O'Connells vierter Krimi 'Der steinerne Engel' erzählt von Kathy Mallorys vielleicht schwierigster Ermittlung: Die allseits gefürchtete und wieder einmal vom Dienst suspendierte Einzelgängerin mit dem kalten Blick will das ungeklärt gebliebene Verbrechen an ihrer leiblichen Mutter Cassandra Shelley - einer Ärztin, die vor siebzehn Jahren in der hinterwäldlerischen Kleinstadt Dayborn in Louisiana von über zwanzig Einwohnern zu Tode gesteinigt worden ist - aufklären bzw. rächen, um endlich ihre innere Ruhe zu finden. Die Spuren führen zu der katholischen Sekte "Neue Kirche". Am Ende des Buches erfährt man, warum Kathy als Sechsjährige den Namen Mallory angenommen hat: Es ist der (leicht modifizierte) Name des Mörders ihrer Mutter, den sie sich so ins Gedächtnis gebrannt hat.

Im neunten Band der Reihe (Such mich!') verwebt O'Connell Mallorys Suche nach ihrem (ihr unbekannten) leiblichen Vater mit der grauenvoll-grotesken Fahndung nach einem Psychopathen, der in den letzten vierzig (!) Jahren das Leben von über hundert Kindern ausgelöscht hat, und der Geschichte der legendenumrankten "Route 66", in den 1950er- und 60er-Jahren die wichtigste Ost-West-Verbindung der USA, an der der Täter seine Opfer vergräbt; mit einem bitter-süssem Ende für Kathleen Mallory und ihre loyalen Freunde Riker und Butler.

Bibliografie:
Kathleen Mallory-Serie: 'Mallory's Oracle' - 'Mallorys Orakel' (1994), 'The Man who lied to Women' - 'Der Mann, der die Frauen belog' (1995), 'Killing Critics' - 'Tödliche Kritiken' (1996), 'Stone Angel' - 'Der steinerne Engel' (1997), 'Shell Game' - 'Falscher Zauber' (1999), 'Crime School' - 'Schule des Verbrechens' (2002), 'Dead Famous' (auch unter dem Titel 'The Jury Must Die', 2003), 'Winter House' (2004), 'Find Me' (auch unter dem Titel 'Shark Music') - 'Such mich!' (2006), 'The Chalk Girl' - 'Kreidemädchen' (2012), 'It Happens in the Dark' (2013);
'Judas Child' (1998) - 'Das Judaskind' (1999), 'Bone by Bone' - 'Tödliche Geschenke' (2008).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: April 2012 ++
++ Update: April 2014 ++
++ Update: Januar 2015 ++
 


O'Connell, Jack

*1959

Jack O'Connell kam als Spross einer Schaustellerdynastie in Worcester, Massachusetts, zur Welt, verbrachte dort auch seine Kindheit und führte bis in die frühen 80er-Jahre den berühmten elterlichen Wanderzirkus 'Castlebar' weiter. Danach gründete er mit seinem Bruder Abbie die Filmproduktionsfirma 'Mill City Pictures'. Nachdem sich O'Connell bereits als Teenager der Schriftstellerei zugewandt und nicht nur unzählige Tagebuchseiten gefüllt, sondern auch einen 600-Seiten-Roman zu Papier gebracht hatte, musste er seinen Lebensunterhalt lange Zeit mit Gelegenheitsjobs bestreiten, etwa als Taucher, Tellerwäscher, Parkwärter, Magaziner, Buchbinder, Immobilienmakler, Redakteur, Fast-Food-Koch und Fremdenführer. Ab Anfang der 90er-Jahre konzentrierte er sich vermehrt aufs Schreiben. Er lebt mit seiner vierköpfigen Familie in Worcester.

Jack O'Connells Werk enthält fünf in der fiktionalen, von Gangstern, Killern, Fanatikern und Dealern beherrschten Nordostküstenstadt Quinsigamond (Q-Town) angesiedelte Romane, faszinierende Mixturen aus Noir-Thriller, Sciencefiction und Horror. Auf Deutsch ist einzig der erste Roman 'Nirgendwo in keiner Stadt' erhältlich, eine actionreiche, raffiniert gebaute Geschichte, in der die impulsive Polizistin Lenore Thomas vom örtlichen Rauschgiftdezernat - sie ist dauernd auf Speed und hat ein Faible für schrille Kleidung, schwere Waffen und laute Musik -, ihr introvertierter Zwillingsbruder Ike, mit dem sie sich eine Wohnung teilt, Ikes Vorgesetzte Eva Barnes, der undurchsichtige Wissenschaftler Dr. Freddy Woo und der kultivierte Rauschgiftdealer Cortez die Hauptrollen innehaben. Als in Quinsigamond eine neue Designerdroge, genannt Lingo, in Umlauf kommt - eine kleine rote Pille, die das Sprachzentrum beeinflusst und Aggressionen schürt -, erhält Lenore den Auftrag, die Herkunft des gefährlichen Stoffs herauszufinden. Getarnt als Prostituierte, begibt sie sich in die Unterwelt von Bangkok-Park, dem Sitz der lokalen Drogenbarone - ein Himmelfahrtskommando.

Bibliografie:
Quinsigamond-Serie: 'Box Nine' - 'Nirgendwo in keiner Stadt' (1992), 'Wireless' (1993), 'The Skin Palace' (1996), 'World Made Flesh' (1999), 'The Resurrectionist' (2008).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Örum, Poul

(1919-1997)

Poul Örum kam im dänischen Städtchen Nykobing auf der Insel Mors zur Welt. Er arbeitete von 1944 bis 1957 als Journalist und widmete sich ab Anfang der 50er-Jahre der Schriftstellerei, ab 1957, als er sich auf der Nordseeinsel Fanö niedergelassen hatte, hauptberuflich. Sein Werk enthält 35 Bücher: Kurzgeschichten, Novellen, Krimis, andere Romane, Gedichte, Essays und Erinnerungen. Er starb 78-jährig in seiner Wahlheimat Fanö.

Örum gehörte in den 60er- und 70er-Jahren zu den bekanntesten Krimiautoren Skandinaviens, danach ist er in der Versenkung verschwunden. Seine zehn schlanken, zum Teil von realen Fällen inspirierten Krimis sind ins Deutsche übertragen worden. (Skandinavische Krimiautoren haben offenbar eine Vorliebe für Zehnteiler.)

Der Autor deckt ein breites Spektrum ab: Neben psychologischen Romanen wie 'Der Schatten neben dir' und 'Das elfte Gebot' stehen drei Krimis mit den gegensätzlichen Kopenhagener Kriminalpolizisten Jonas Morck (er war bereits in 'Nach Einbruch der Nacht' als Ermittler am Werk) und Knut Ejnarsen in den Hauptrollen, neben gesellschaftskritischen Werken (namentlich 'Am kritischen Punkt', die Geschichte eines durchschnittliche Bürgers, der in seiner sozialen Not zum Verbrecher wird) der Gangsterroman 'Wissen ist Mord'.

Poul Örum, ein scharfer Beobachter seiner zumeist kleinbürgerlichen Milieus und ein einfühlsamer Psychologe, besass ein feines Gespür für spannende Handlungsführung.

Bibliografie:
'Sidste flugt' - 'Die letzte Flucht' (1955), 'Skyggen ved din höjre' - 'Der Schatten neben dir' (1959), 'Ukendt offer' - 'Blinde Fenster' (1967), 'Hjemkomst til drab' - 'Nach Einbruch der Dunkelheit' (1970), 'Det 11. Bud' - 'Das elfte Gebot' (1972), 'De uforsonlige' - 'Wissen ist Mord' (1975), 'Bristepunktet' - 'Am kritischen Punkt' (1978);
Jonas Mörck & Knut Ejnarsen-Serie: 'Synderbuk' - 'Einer soll geopfert werden' (1972), 'Kun sandheden' - 'Was ist Wahrheit?' (1975), 'Tavse Vidner' - 'Stumme Zeugen' (1976).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Olivieri, Renato

(1925-2013)

Geboren in Sanguinetto, Provinz Verona, als Sohn einer Hausfrau und eines Zuckerfabrikanten, aufgewachsen in Turin, lebte Renato Olivieri seit 1939 in Mailand. Er arbeitete als Journalist und Redaktor für verschiedene Zeitungen und leitete Mondadori-Periodika wie 'Millelibri', 'Arianna', 'Arte', 'Casaviva', 'Antiquariato' und 'Grazia', bevor er 1978 zum Krimischreiben wechselte und Commissario Giulio Ambrosio von der Mailänder Mordkommission als Hauptperson einer 14-teiligen Reihe zum Leben erweckte. In seiner Heimat zählte Olivieri in den 80er- und 90er-Jahren zu den bedeutendsten Krimiautoren der neueren Zeit ("italienischer Simenon"). Nach langer Krankheit starb er 87-jährig in Mailand und hinterliess zwei Töchter.

Oivieris alter Ego Commissario Giulio Ambrosio, Sohn eines Richters, kinderlos geschieden, ist ein melancholischer, empathischer, jede Art von Gewalt verabscheuender Ermittler mittleren Alters, ein Feinschmecker und grosser Liebhaber der schönen Künste, der (wie sein Schöpfer) jeden Winkel, jede Facette Mailands kennt. An seiner Seite hat er die junge, intelligente Inspektorin Nadia Schiro, die ihm einmal das Leben gerettet hat. Seine langjährige Gefährtin Emanuela Quadri, eine Krankenschwester, tritt in den Romanen kaum je leibhaftig in Erscheinung.

Die drei letzten Ambrosio-Bände liegen in deutschen Übersetzungen vor. Der Mord an Alma Luraghi alias Madame Strauss, einer lebensfrohen verwitweten Klavierlehrerin um die sechzig, bildet den Kern von 'Madame Strauss' - ein Verbrechen, für das es kein Motiv zu geben scheint. Ambrosio und Schiro sprechen mit den Menschen, die dem Opfer nahe standen; unter ihnen ihre Nichte Sara, mit der Alma eine liebevolle Beziehung pflegte, Dora, ihre etwas verbitterte Schwester, Elena Valsecchi, die erste Frau von Almas verstorbenem Gatten Oscar, ihre Schüler, ihr langjähriger Freund Professor Usseglio, ihr Anwalt und viele andere; und peu à peu erschliesst sich ihnen Almas vielschichtige Persönlichkeit - der Schlüssel zu ihrem gewaltsamen Tod.

Olivieris Casanova heisst Valerio Biraghi. Der charmante, begüterte Möbelhändler lebt getrennt von seiner Frau und verlustiert sich abwechslungsweise mit fünf Frauen, von denen drei verheiratet sind. Doch jetzt liegt Biraghi tot in seinem Bett, ermordet durch einen Nadelstich ins Herz - Eifersucht als Tatmotiv liegt auf der Hand. Anhand von ausufernden Polizeibefragungen zeichnet Oliveri in seinem zweitletzten Ambrosio-Krimi 'Casanovas Ende' ein präzises Sittenbild der Mailänder Gesellschaft des ausgehenden 20. Jahrhunderts.

'Der Dämon des Geldes' spielt sich wie fast immer bei Olivieri in den oberen sozialen Schichten Mailands ab. Andrea Olcese, verwitweter Vermögensberater von hohem Ansehen, einer der reichsten Männer der Stadt, wird tot im Garten seines Palazzos aufgefunden. Augenscheinlich ist er aus dem Fenster seines Arbeitszimmers im dritten Stock gefallen, das Fenster war jedoch von innen verriegelt. Ambrosio durchleuchtet das Verhältnis zwischen dem Mordopfer und seinem vor einigen Jahren unter dubiosen Umständen umgekommenen Sohn, Olceses Beziehungern zu Frauen nach dem Tod der Gattin, das Leben der beiden Geschäftspartner des Toten, die Welt der Mailänder Hochfinanz, fügt viele kleine Informationen zusammen, bis sich ihm die Lösung erschliesst.

1988 kam der misslungene Ambrosio-Streifen 'I giorni del commissario Ambrosio' in die Kinos; Regie führte Sergio Corbucci, Ugo Tognazzi (und nicht, wie von Olivieri ersehnt, Lino Ventura) verkörperte den Kommissar.

Bibliografie:
Commissario Ambrosio-Serie: 'Il Caso Kodra' (1978), 'Maledetto Ferragosto' (1980), 'Dunque Morranno' (1981), 'L'indagine interrotta' (1983), 'Villa Liberty' (1984), 'Le inchieste del commissario Ambrosio' (1985), 'Largo Richini' (1987), 'Ambrosio Indaga' (1988), 'Hotel Mozart' (1990), 'Piazza pulita' (1991), 'Ambrosio ricorda' (1992), 'Madame Strauss' - 'Madame Strauss' (1993), 'La fine di Casanova' - 'Casanovas Ende' (1994), 'Il Dio Danaro' - 'Der Dämon des Geldes' (1996);
Einzelwerk: 'Albergo a due stelle' (1998).

++ Erstellt: Januar 2016 ++  


Orczy, Emma

(1865-1947)

Baroness Emma "Emmuska" Orczy, geboren im ungarischen Tarnaörs als Tochter der Gräfin Emma Wass und des recht bekannten, mit Richard Wagner und Franz Liszt befreundeten Komponisten und Dirigenten Baron Felix Orczy, der das Land 1868 wegen eines drohenden Bauernaufstandes verliess, wuchs in Brüssel und Paris auf. 1880 ging sie mit ihrer Familie nach London, wo sie an der West London School of Art und am Heaterley's School of Fine Art Kunst studierte. In dieser Zeit lernte sie ihren zukünftigen Mann, den Illustrator Montague MacLean Barstow, kennen, den sie 1894 heiratete. Fünf Jahre später kam ihr einziges Kind John zur Welt. Um das Einkommen der recht armen Familie etwas aufzubessern, begann sie Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Schreiben von Bühnenwerken, Liebes-, Abenteuer-, Historien- und Kriminalromanen. Darüber hinaus war sie - gemeinsam mit ihrem Mann - als Übersetzerin und Illustratorin tätig. Der literarische Durchbruch gelang ihr 1905 mit dem (ebenfalls zusammen mit ihrem Mann verfassten) Bühnenwerk 'The Scarlet Pimpernel' (s.u.). Nach dem Ersten Weltkrieg liess sie sich mit ihrem Mann in einem kleinen Anwesen in Monte Carlo nieder, wo dieser 1943 starb. Sie selbst starb 82-jährig in Henley-on-Thames, Oxfordshire.

Der weitaus bekannteste Roman der mit sechs Vornamen (Emma, Magdalena, Rosalia, Maria, Josefa, Barbara) ausgestatteten Autorin ist 'Das scharlachrote Siegel' aus dem Jahr 1905, der Auftakt zu einer 15-teiligen, erst 1940 abgeschlossenen Serie - eine wunderbare Mischung aus Liebes-, Abenteuer- und Spionageroman. Die auch als (sehr erfolgreiches) Theaterstück konzipierte Geschichte handelt von dem kühnen, kaltblütigen Verkleidungskünstler Sir Percy Blakeney, alias Scarlet Pimpernel, der mit seinen Männern in den blutigen Wirren der Französischen Revolution unzählige Aristokraten und Royalisten vor der Guillotine rettet, indem er sie über den Ärmelkanal nach England schmuggelt.

Die meisten Bücher aus Emmuska Orczys umfangreichem Werk, das auch etliche Detektivgeschichten (unter anderem Kollektionen von Stories um Lady Molly Robertson-Kirk von Scotland Yard, eine der ersten weiblichen Detektive der Kriminalliteratur, um einen "The Old Man in the Corner" genannten, aristokratischen Lehnstuhldetektiv, für den ein junger Reporter die Laufarbeit erledigt, und um einen irischen Anwalt namens Patrick Mulligan) sowie die 1947 publizierte Autobiographie 'Links in the Chain of Life' enthält, harren der Übertragung ins Deutsche.

Bibliografie:
'The Emperor's Candlesticks - 'Die Leuchter des Kaisers' (1899), 'In Mary's Reign' (auch unter dem Titel 'The Tangled Skin', 1901), 'The Case of Miss Elliott' ("The Old Man"-Stories, 1905), 'A Son of the People' (1906), 'By the Gods Beloved' (Stories, 1906), 'Old Man in the Corner' (Stories, 1909), 'The Nest of the Sparrowhawk' (1909), 'Lady Molly of Scotland Yard' (Stories, 1910), 'Petticoat Government' (1910), 'A True Woman' (auch unter dem Titel 'The Heart of a Woman', 1911), 'The Traitor' (1912), 'The Good Patriots' (1912), 'Meadowsweet' (1912), 'Fire in the Stubble' (1912), 'Unto Ceasar' (1914), 'The Laughing Cavalier' (1914), 'The Bronze Eagle' (1915), 'A Bride of the Plains' (1915), 'Leatherface' (1916), 'Old Scarecrow' (1916), 'A Sheaf of Bluebells' (1917), 'The Man in Grey' (Stories, 1918), 'His Majesty's Well-beloved' (1919), 'Castles in the Air' (Stories, 1921), 'Nicolette' (1922), 'The Honourable Jim' (1924), 'Unravelled Knots' (Stories, 1925), 'The Miser of Maida Vale' (1925), 'A Question of Temptation' (1925), 'The Celestial City' (1926),'Skin O' My Tooth' (Patrick Mulligan-Stories, 1928), 'Blue Eyes and Grey' (1929), 'Marivosa' (1931), 'In the Rue Morgue' (1931), 'A Child of the Revolution' (1932), 'A Joyous Adventure' (1932), 'A Spy of Napoleon' (1934), 'The Uncrowned King' (1935), 'The Turbulent Duchess' (1936), 'Divine Folly' (1937), 'No Greater Love' (1938), 'Price of Race' (1942), 'Will-O'the-Wisp' (1947);
Scarlet Pimpernel-Serie: 'The Scarlet Pimpernel' - 'Das scharlachrote Siegel' (auch unter dem Titel 'Der rote Pimpernel', 1905), 'I Will Repay' (1906), 'The Elusive Pimpernel' (1908), 'Eldorado' (1913), 'Lord Tony's Wife' - 'Die Frau des Lords. Ein neues Abenteuer von Scarlet Pimpernel' (1917), 'The League of the Scarlet Pimpernel' (Stories, 1919), 'The First Sir Percy' (1920), 'The Triumph of the Scarlet Pimperlel' (1922), 'Pimpernel and Rosemary' (1924), 'Sir Percy Hits Back' (1927), 'Adventures of the Scarlet Pimpernel' (Stories, 1929), 'The Scarlet Pimpernel Looks at the World' (1933), 'The Way of the Scarlet Pimpernel' (1934), 'Sir Percy Leads the Band' (1936), 'Mam'zelle Guillotine' (1940).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Oriano, Janine

(*1937)

Janine Oriano, geborene Boissard, wurde als Tochter eines Steuerinspektors in Paris geboren und wuchs dort mit vier Schwestern und einem Bruder auf. Als Teenager schon hatte sie nur eines im Kopf: Sie wollte Schriftstellerin werden. Darunter litten ihre schulischen Leistungen, worauf ihre Eltern sie an eine Haushaltsschule schickten, damit aus ihr wenigstens eine brauchbare Ehefrau würde. Doch Janine schrieb im Geheimen - und veröffentlichte mit 22 Jahren, kurz nach ihrer Heirat, ihren ersten Roman 'Driss'.

Es folgten über vierzig weitere Bücher (darunter mehrere Krimis und ihre Jugenderinnerungen 'Vous verrez…Vous m'aimerez' und 'Je serai la princesse de château'), die sie ab 1977, nach ihrer Scheidung, nur noch mit Janine Boissard zeichnete. Der grosse Durchbruch gelang ihr wenig später mit der sechsteiligen, von 1978 bis 1984 erschienenen Familiensaga 'L'esprit de famille'. Die vierfache Mutter und leidenschaftliche Pianistin machte aber auch als Journalistin und Drehbuchautorin für Film und Fernsehen von sich reden. Sie lebt in Paris und gibt auch heute noch Jahr für Jahr ein Buch heraus.

Oriano war die erste Frau, die einen Krimi in der berühmten "Série Noire" des Verlagshauses Gallimard unterbringen konnte: 'B wie Baptiste', eine spritzige Geschichte um Liebe und Erpressung, Hass und Mord, erzählt aus der Sicht des jungen Familienvaters und Schallplattenverkäufers Yves Marie Préjan, der, als ihn eine umwerfend schöne Frau, die sich Sandrine nennt, mit den Worten anspricht "Na Baptiste, willst Du Deiner alten Freundin nicht guten Tag sagen", sofort bereit ist zu vergessen, dass er gar nicht Baptiste heisst und die Frau noch nie gesehen hat. Klar, dass er mit ihr im Bett landet, doch als er aufwacht, liegt Sandrine tot neben ihm, mit seinem Schuhbändel erwürgt. Yves gerät in Panik, versucht verzweifelt, seine Haut zu retten und herauszufinden, wer, zum Teufel, Baptiste ist.

Bibliografie:
'B comme Baptiste' - 'B wie Baptiste' (1971), 'Au veuf hilaire' (1971), 'O.K. Léon!' - 'Okay, Léon!' (1972), 'Miss' - 'Madame greift ein' (1978), 'Les miroirs de l'ombre' (1982).

++ Erstellt: September 2012 ++  


Oriol, Laurence

(Pseudonym für Noëlle Loriot, 1925-2009)

Noëlle Loriot kam in Paris zur Welt und besuchte dort der Reihe nach das Collège Jeanne d'Arc, das Lycée Lamartine und das Institut des hautes études cinématographiques (heute: Fémis, die bekannteste Filmhochschule Frankreichs). Nach einem langen Aufenthalt in Südamerika mit ihrem Mann, einem Filmemacher, arbeitete sie als Journalistin beim Wochenblatt 'Nouveau Candide', anschliessend als Redakteurin beim Verlagshaus 'Editions Grasset'. Danach machte sie als Krimikritikerin beim Magazin 'L'Express' von sich reden. Parallel dazu, ab 1959, verfolgte sie eine Karriere als freie Autorin: Sie verfasste ein Dutzend Krimis unter dem Pseudonym Laurence Oriol sowie, unter bürgerlichem Namen, acht andere Romane und eine Biografie der Chemie-Nobelpreisträgerin Irène Jolio-Curie, der älteren Tochter von Marie und Pierre Curie. Darüber hinaus leitete sie von 1982 bis 1983 die Krimireihe 'Sueurs froides' des 'Denoël' Verlags, und Anfang der 90er-Jahre kreierte sie die höchst erfolgreiche Fernsehserie 'Le juge est une femme'.

In ihren sozialkritischen, mit fein-ironischem Unterton erzählten Krimis behandelt Oriol auf sensible und facettenreiche Art die Themen Rassismus, Gewalt und Sexualität.

'Kurzschluss', Oriols bekanntester Krimi, für den sie 1966 mit dem 'Grand prix de littérature policière' ausgezeichnet wurde, kreist um vier gegensätzliche Charaktere - Vincent Debosse, ein etwas naiver Arzt in Ausbildung; sein Vorgesetzter Guillaume Brassart, genannt der "Grosse B", ein glänzender Chirurg und skrupelloser Karrierist; die schöne, von ihrem Mann arg vernachlässigte Louise Brassart; und Brassarts derzeitige Liebhaberin Danielle Fellegrini, schön, ehrgeizig und nicht mehr ganz jung -, die einander hoffnungslos ausgeliefert sind, sich gegenseitig quälen, ihre hässlichen Spielchen miteinander treiben - bis zum tödlichen Ende.

Bibliografie:
'A cœur ouvert' (1963), 'La chasse aux innocents' (1965), 'L'interne de service' - 'Kurzschluss' (1966), 'Un meutre, ca fait grandir' - 'Die schweigende Zeugin' (1967), 'On tue pour moins que cela' - 'Meine Kinder, die Mörder' (1968), 'Le cas de Renaud Ball-Henstin' - 'Besondere Kennzeichen: Keine' (1970), 'Un crime par jour' - 'Hysterie' (1971), 'Mieux valait tuer' (1972), 'Trop jeune pour mourir' (1973), 'Ma jeunesse assassinée' - 'Ausgeflippt' (1981), 'Le tueur est parmis nous' (1983), 'Le domaine du prince' (1990).

++ Erstellt: Juli 2012 ++  


Osawa, Arimasa

(*1956)

Geboren in der japanischen Hafenstadt Nagoya, Präfektur Aichi, brach Arimasa Osawa sein Studium an der Elite-Universität Keio ab, als er 1979 mit dem begehrten Eiji-Preis für den besten Debütroman ausgezeichnet wurde, und begann eine Laufbahn als Krimiautor mit Dashiell Hammett und Raymond Chandler als wichtigsten Bezugspunkten. Nach über zwei Dutzend von den Lesern verschmähten Romanen gelang ihm erst zehn Jahre später der Durchbruch: Mit 'Der Hai von Shinjuku - Sodom und Gomorrha', dem ersten Band einer inzwischen auf zehn Bände angewachsenen Serie, die für das Fernsehen verfilmt wurde und einem "Manga" als Vorlage diente, und deren beiden ersten Bände in vorzüglichen Übersetzungen auf Deutsch vorliegen.

Im Mittelpunkt der Reihe stehen der 36-jährige Oberkommissar Takashi Samejima, genannt der "Hai von Shinjuku" ("japanische Antwort auf Sam Spade, Philip Marlowe und Dirty Harry"), ein harter, kompromissloser Einzelgänger mit ausgezeichneten Kontakten zur Unterwelt, der sich immer wieder erbitterte Kämpfe mit der Yakuza (japanisches Pendant zur Mafia), aber auch mit bestechlichen Kollegen liefert; und das schillernde, berühmt-berüchtigte Viertel Shinjuku, in dem auf engstem Raum über 300'000 Menschen leben, darunter rund 10% Ausländer, und wo sich nicht nur der Verwaltungssitz der japanischen Präfektur, ein gigantischer Bahnhof, der Konzern 'Mitsui Group', Grossbanken, riesige Kaufhäuser, mehrere bedeutende Universitäten und der Kaiserliche Shinjuku Park, sondern eben auch ungezählte von der Yakuza beherrschte Rotlicht- und Amüsierlokale befinden - das Tokioter Problemrevier, in das der Hai von seinen Vorgesetzten abgeschoben wurde.

'Sodom und Gomorrha' ist eine harte und realistische, in einem schnörkellosen Stil erzählte Police-Procedural-Novel, in der Samejima mit Beharrlichkeit und gesunder Härte, mit List und Tücke einem nicht unsympathischen, offenbar mit selbst gebauten Waffen operierenden Polizistenmörder zu Leibe rückt. Der Roman wurde 1993 mit Hiroyuki Sanada als Samejima verfilmt, Regie führte Yojiro Takita.

Im zweiten Krimi 'Rache auf Chinesisch' gerät Samejima zwischen die Fronten einer unübersichtlichen japanisch-chinesischen Racheangelegenheit, in der sich drei taiwanesische Männer auf fremdem Boden, in Shinjuku, gegenüberstehen - Kommissar Guo Rongmin aus Taipeh vom Dezernat für Organisiertes Verbrechen, Je Wie, ein mächtiger Gangsterboss, der in Shinjuku untergetaucht ist, und das Bindeglied, der Berufskiller Liu Zhensheng alias Duyuan ("Giftaffe"), vor vielen Jahren Rongmins Armeekamerad und bester Freund, der von Je Wie auf übelste Art hintergangen wurde. In einer bedeutenden Nebenrolle: Die junge Prostituierte Nami, Tochter eines Chinesen und einer Japanerin, die in Tokio Tag für Tag Demütigungen und Rassismus erdulden muss, sich ausgerechnet in "Giftaffe" verliebt - und der blutrünstigen Geschichte (36 Tote und sieben Verletzte!) eine ganz besondere Note gibt.

Osawas belletristisches Werk enthält über achtzig Romane - Krimis, Sciencefiction, Horror, Liebeskomödien und Romanzen. Internationale Anerkennung ist dem vielseitigen und stilsicheren, seit vielen Jahren in der japanischen Hauptstadt lebenden Autor bis heute verwehrt geblieben.

Bibliografie (nur ins Deutsche übersetzte Titel):
Oberkommissar Samejima-Serie: 'Shinjuku-zame - 'Der Hai von Shinjuku. Sodom und Gomorrha' (1990), 'Shinjuku-zame. Doku Zaru' - 'Der Hai von Shinjuku. Rache auf Chinesisch' (auch unter dem Titel 'Giftaffe', 1991).

++ Erstellt: Juli 2013 ++  


Osborn, David

(*1923)

David D. Osborn wurde als Sohn begüterter Eltern in New York City geboren. Unmittelbar nach der Schulzeit, die er in New Mexico verbrachte, liess er sich bei der US Army zum Piloten ausbilden. Im Zweiten Weltkrieg kam er im Südpazifik zum Einsatz. Nach dem Krieg absolvierte er ein Studium an der Columbia University, das er sich mit PR-Arbeiten für Off Broadway-Theater verdiente. 1951 wurde er Leiter der Presseabteilung einer Werbefilm-Produktionsfirma. Vier Jahre später geriet er wegen "antiamerikanischen Aktivitäten" ins Visier des McCarthy-Ausschusses. Er emigrierte deshalb nach Frankreich, in das Provence-Städtchen Le Bar-sur-Loup, arbeitete dort tagsüber in einem Steinbruch - und schrieb nachts erfolgreiche Drehbücher für britische Film- und Fernsehproduktionen. Es folgte eine Zeit in London und Paris mit verschiedenen Tätigkeiten in der Filmindustrie. Anfang der 70er-Jahre liess er sich in einem kleinen Alpendorf in der französischen Schweiz nieder, wo er viele Jahre zurückgezogen lebte und sich vor allem dem Romanschreiben widmete. Heute lebt er in Connecticut.

Osborns belletristisches Werk enthält zehn Spannungsromane: Sieben Einzelwerke und den leichtfüssigen Dreiteiler um die freischaffende Fotojournalistin und Gelegenheitsdetektivin Margaret Barlow aus New York City, eine beherzte, athletische, jung gebliebene Witwe Ende fünfzig, die sich in ihrer Freizeit am liebsten dem Drachenfliegen hingibt.

'Jagdzeit', Osborns bekanntestes, 1975 nach dem Drehbuch des Autors verfilmtes Buch ist eine schockierende Studie über die finstersten Seiten der Spezies Mensch. Es handelt von den drei recht durchschnittlich wirkenden, seit ihrer Jugendzeit eng befreundeten (bzw. durch ein gemeinsam begangenes Verbrechen aneinander gefesselten) amerikanischen Geschäftsmännern Ken, Greg und Art, die sich wie jeden Sommer von ihren Liebsten verabschieden, um in den abgelegenen Wäldern Nordamerikas der Jagd zu frönen - der Jagd auf Menschen. Sie entführen ein Liebespaar (diesmal sind es Nancy und Martin, beide verheiratet, aber nicht miteinander), demütigen und misshandeln es, bis sie es schliesslich zum Abschuss freigeben; ein vergnügliches Spiel, eine verdiente Ablenkung vom harten Berufsalltag. Doch dieses Jahr läuft's nicht wie gewohnt - die Jäger werden jetzt selbst zu Gejagten. 'Jagdzeit' wurde 2011 in einer neuen Übersetzung wieder veröffentlicht, abgerundet mit einem informativen Nachwort des Krimiautors Frank Göhre.

'Der Maulwurf' spielt Ende der 70er-Jahre, in der Zeit der Ölkrise, die der US Regierung jetzt zum Verhängnis werden könnte. Mit dem "Unternehmen Trikolore", ausgeheckt von dem frei schaffenden Finanzgenie Henry Jedder, gesponsert durch die Regierung, die Hochfinanz und die grossen Erdölgesellschaften, will man die europäischen Ölreserven unter Kontrolle bringen und die dadurch gewonnene Macht benutzen, Europa die Senkung seiner Exporte und die gleichzeitige Erhöhung seiner Importe amerikanischer Produkte aufzuzwingen - die Wirtschaft der USA wäre gerettet (und damit auch die Regierung). Verantwortlich für die Operation ist die "Dallas Research Foundation". Sie operiert mit Bestechung und Erpressung hochrangiger Politiker, wer nicht spurt, wird liquidiert. Frankreich soll als Versuchskaninchen dienen, die anderen Mächte Europas würden im Erfolgsfall folgen, später auch Japan.
Die wichtigsten Rollen in dem undurchsichtigen Ränkespiel bekleiden (neben Jedder) Richard Ender, Chef der "Dallas Research Foundation", sein unmittelbarer Untergebener Aaron Zeismann, ein zerrissener französisch-amerikanischer Doppelagent, der mit der Europäischen Gemeinschaft eng vertraut ist, Aarons väterlicher Mentor Paul Henry Bejerec, Leiter der französischen Geheimdienst-Organisation SDECE, Senator Julian Strachey, ein liberaler Politiker, der seit Jahren einen Kreuzzug gegen das "Big Business" führt und Präsident der USA werden möchte, Ryan Collins, der über Leichen gehende US Botschafter in Frankreich, Arnheimer Larsen, ein ehemaliger FBI-Agent, der sich auf Folter und Mord spezialisiert hat, und Aarons Freund Louis Tattel, ein französischer Ex-Geheimagent der in Paris ein Hotel besitzt und noch immer ausgezeichnet vernetzt ist. Um diese Figuren (sowie Aarons Frau Juliet und Ex-Geliebte Margita) hat Osborn eine anspruchsvolle und ungemein spannende Geschichte geschaffen - einzig die Schilderungen der Liebesbeziehungen fallen etwas ab.

Bibliografie:
'The Glass Tower' (1971), 'Open Season' - 'Jagdzeit' (1974), 'French Decision' - 'Der Maulwurf' (1980), 'Love and Treason' - 'Schach der Dame' (1982), 'Jessica and the Crocodile Knight' (1984), 'Heads' - 'Köpfe' (auch unter dem Titel 'Tödliches Experiment', 1985), 'The Last Pope' (2004);
Margaret Barlow-Trilogie: 'Murder on Martha's Vineyard' - 'Mord auf Martha's Vineyard' (1988), 'Murder on the Chesapeake' - 'Mord an der Chesapeake Bay' (1992), 'Murder in the Napa Valley' - 'Mord in Napa Valley' (1993).

++ Erstellt: Juni 2012 ++
++ Update: März 2013 ++
 


Oster, Jerry

(*1943; schreibt auch als Max Perry)

Jerry Oster, geboren in Carlsbad, New Mexico, ging mit vier Jahren nach Kalifornien und mit zehn nach New York City, wo er die High School besuchte und 1964 sein Anglistik-Studium an der Columbia University mit einem Bachelor abschloss. Nachdem er von 1965 bis 1977 als Reporter für verschiedene Medien - die Nachrichten-Agenturen 'United Press International' und 'Reuters', das Boulevardblatt 'New York Daily News' und den Radiosender WOR - gearbeitet hatte, entschloss er sich für ein Leben als freier Schriftsteller - als wichtigsten literarischen Einfluss gibt er Raymond Chandler an. 1993, nach fast vierzig Jahren in "seiner" Stadt New York, liess er sich mit seiner Frau Trisha und der kurz zuvor geborenen Tochter aus Sicherheitsgründen in Chapel Hill, North Carolina, nieder, nachdem in seiner Nachbarschaft ein junges Mädchen vergewaltigt worden war.

Nach dem Tod seiner Agentin im Jahr 1997 fand Oster in den Vereinigten Staaten keinen Verleger mehr - seine Krimis sind seither nur noch auf Deutsch und Französisch und im Internet erschienen. Um finanziell trotzdem über die Runden zu kommen, wurde er hauptberuflich Geldbeschaffer für das Duke University's Trinity College of Arts & Sciences und Herausgeber der akademischen Zeitschrift 'Academy of Management Executiv'.
Sein Werk enthält 18 Krimis, eine romantische Komödie, ein Hörspiel, fünf Drehbücher und vier Theaterstücke.

Osters anspruchsvolle, in einem schrill-expressionistischen Stil erzählte, mit kraftvollen Dialogen und Metaphern, surrealen Szenen und unzähligen Bezügen zur modernen Musik angereicherte Romane spielen fast ausnahmslos in New York City. Sie handeln von dem komplizierten Verhältnis zwischen Männern und Frauen, von dem alltäglichen Wahnsinn und der wachsenden Gewaltbereitschaft in der modernen Grossstadt.

Neben einer Handvoll Standalones verfasste Oster zwei kleine Serien, in denen die New Yorker Cops Lieutenant Jacob "Jake" Neuman von der Mordkommission, ein stark übergewichtiger, schlecht gekleideter Bulle mit über dreissig Dienstjahren auf dem Buckel, bzw. der einzelgängerische, melancholische Sergeant Joe Cullen von der Internal Affairs Unit (dies ist die NYPD-Abteilung, die Vergehen und Verbrechen von Cops ans Tageslicht bringt), ein geschiedener Mann um die fünfzig und Vater von zwei Kindern, Ex-Alkoholiker und AA-Mitglied, die Hauptrollen bekleiden. Die beiden Polizisten, denen immer wieder die Partner wegsterben, sind bisweilen auch gemeinsam in Aktion zu sehen.

Bibliografie:
'Port Wine Stein' - 'New York Babylon' (1980), 'Municipal Bonds' (1981), 'Rancho Maria' (auch unter dem Titel 'California Dead', 1986), 'Saint Mike' - 'Saint Mike' (1987), 'Experience Blues' - 'True Love' (im Original nicht erschienen, 1995), 'Nightfall' - 'Sturz ins Dunkel' (im Original nicht erschienen, 1997), 'Lust' - 'Wollust' (im Original nicht erschienen, 1999);
Lieutenant Jake Neuman-Serie: 'Sweet Justice' (auch unter dem Titel 'Rough Justice') - 'Dschungelkampf' (1985), 'Nowhere Man' - 'Nowhere Man' (1987), 'Club Dead' - 'Kältesturz' (1988);
Sergeant Joe Cullen-Serie: 'Internal Affairs' - 'Death Story' (1990), 'Violent Love' - 'Violent Love' (1991), 'Fixin to Die' - 'Dirty Cops' (1992), 'When the Night Comes' - 'Wenn die Nacht kommt' (im Original nicht erschienen, 1993), 'Kiss Di Foxx Good Night' - 'Versuchung in Rot' (im Original nicht erschienen, 1999).
Als Max Perry: 'Final Cut' (1980).

++ Erstellt: Februar 2011 ++



 

Padgett, Abigail

(*1942)

Abigail Padgett kam in der Kleinstadt Vincennnes, Indiana, als Tochter einer Lehrerin und eines im Baugewerbe tätigen Vaters zur Welt und wuchs auch dort auf. Nach Abschluss des Englischstudiums an der Indiana University in Bloomington 1964 unterrichtete sie Englisch an einer Highschool in St. Louis. 1969 machte sie einen Master-Abschluss in Bildungs- und Berufsberatung an der University of Missouri in St. Louis. Anschliessend arbeitete sie unter anderem als Fachfrau für berufliche Wiedereingliederung und bei der American Civil Liberties Union of Texas. Es folgten zwei Jahre als Gerichtsermittlerin für den Kinderschutz in San Diego, ehe sie sich 1988 aufs Schreiben verlegte.

Barbara "Bo" Bradley, geschieden, manisch-depressiv und stets von ihren Gefühlen geleitet, ist Padgetts bedeutendste Krimifigur. Liiert mit dem engagierten Kinderarzt Andrew LaMarche und eng befreundet mit ihrer Arbeitskollegin Estrella, setzt sie sich als Ermittlerin des Jugendamts San Diego leidenschaftlich, mutig und unbürokratisch für ihre misshandelten, im Stich gelassenen Schützlinge ein. Für den kleinen Jungen Weppo, der halbtot an eine Matratze gefesselt in einem Indianerreservat aufgefunden wird, scheinbar mit krankem Hirn, in Wirklichkeit hochintelligent, aber taub - und der offenbar aus dem Weg geräumt werden soll ('Der schweigsame Zeuge'). Für die gepeinigte dreijährige Samantha, die ihre schweren Verletzungen nicht überlebt, worauf Bo den Täter ins Visier nimmt ('Bo Bradley und das Strohmädchen'). Oder für den sechsjährigen Moonbird, dessen liebenswerter, schizophrener Vater zu Beginn der Erzählung erschossen wir, und dessen Leben nun ebenfalls bedroht ist ('Bo Bradley und der Indianerjunge'). In ihrem düsteren, unter die Haut gehenden Fünfteiler überzeugt die Autorin mit dichter Erzählweise und einfühlsamer Schilderung der Figuren.

Ganz anders die beiden Blue McCarron-Romane - weitschweifig erzählte und durch unzählige populärpsychologische Exkurse verwässerte Geschichten, die auf Padgetts Homepage keine Erwähnung finden. Zu Beginn des ersten Bandes 'Blue' lebt die lesbische, feministische Sozialpsychologin, deren Zwillingsbruder wegen bewaffneten Raubüberfalls im Gefängnis sitzt, mit ihrem Dobermann Brontë in einem nicht fertig gebauten Motel in der Wüste unweit von San Diego und trauert um ihre grosse Liebe Misha, die sie vor zwei Jahren Hals über Kopf verliess. Als bei einem Stromausfall in einem Kühlhaus eine eingefrorene Leiche auftaut und eine schwer krebskranke Witwe, die behauptet, sie vor fünf Jahren dort versteckt zu haben, kurz nach ihrem höchst unglaubwürdigen Geständnis ermordet wird, hat Blue McCarron ihren ersten Fall. Bei ihren Recherchen trifft sie auf die dunkelhäutige Gefängnispsychiaterin Roxie Bouchie. Die beiden spannen zusammen, verlieben sich ineinander, begeben sich auf Spurensuche. Dann taucht Misha wieder auf - ist auch sie in den scheusslichen Fall verwickelt?

Padgetts 1965 mit dem Mathematiker Robert Dolgin geschlossene Ehe, der ein Sohn entsprang, wurde nach siebzehn Jahren geschieden. Die Autorin lebt in San Diego, verbringt jedoch auch viel Zeit an der amerikanischen Ostküste und in Frankreich. Neben dem Schreiben engagiert sie sich für Umweltschutz und soziale Minderheiten.

Bibliografie:
Bo Bradley-Serie: 'Child of Silence' - 'Der schweigsame Zeuge' (1993), 'Strawgirl' - 'Bo Bradley und das Strohmädchen' (1994), 'Turtle Baby' - 'Bo Bradley und das Schattenkind' (1995), 'Moonbird Boy' - 'Bo Bradley und der Indianerjunge' (1996), 'The Dollmaker's Daughters' - 'Die Tochter des Puppenmachers' (1997);
Blue McCarron-Romane: 'Blue' - 'Kalt ist der Tod' (1998), 'The Last Blue Plate Special' - 'Blues Dämonen' (auch unter dem Titel 'Ein heisser Fall', 2001);
Einzelwerke: 'Bone Blind' (2011), 'The Paper Doll Museum' (2015), 'An Unremembered Grave' (2015).

++ Erstellt: Dezember 2016 ++  


Paoli, Paul

(Pseudonym für Philippe Daudy, 1925-1994)

Philippe Daudy kam in Paris zur Welt und wuchs in Äthiopien auf, wo sein Vater in ärztlicher Funktion für die damals unter französischer Herrschaft stehende Eisenbahngesellschaft arbeitete, jedoch früh an einem Schlangenbiss starb. Die Mutter heiratete daraufhin den bekannten Historiker und Soziologen Hubert Deschamps, der später das Amt des Generalgouverneurs der französischen Kolonien in Afrika innehielt. Im Zweiten Weltkrieg schloss sich Daudy in Lyon der Résistence an und wurde bei einem Angriff auf ein Gestapo-Transportdepot in Villeurbanne verwundet.

Nach dem Krieg berichtete Daudy als Korrespondent der Agentur 'France-Presse' über den griechischen Bürgerkrieg, den Koreakrieg und aus dem Fernen Osten und Titos Jugoslawien. Daneben machte er sich einen Namen als Herausgeber von Geschichtsbüchern und Verfasser von historischen Romanen sowie, unter dem Pseudonym Paul Paoli, von Kriminalliteratur. Daudys bekanntestes Werk ist indes 'Les Anglais', ein (unter diesem Titel) zuerst auf Englisch erschienenes Buch, in dem der anglophile und längere Zeit in Grossbritannien weilende Autor auf liebevolle Weise den englischen Nationalcharakter analysiert. Daudy engagierte sich auch sonst mit Herzblut für die anglo-französischen Beziehungen.

Philippe Daudy war dreimal verheiratet, zuerst mit Janine Sommer (zwei Töchter, Martine und Florence), dann mit Barbara Guidotti (eine Tochter, Isabelle) und schliesslich mit Marie-Christine Goüin (ein Sohn und eine Tochter, Clément und Mathilde). Er starb 68-jährig in Peking und hinterliess seine dritte Frau und seine fünf Kinder.

'Schnee auf Capri' ist der erste von zwei Krimis um den hochrangigen neapolitanischen Polizeibeamten Giuseppe de Santis, genannt Don Peppe, einen grossgewachsenen, blonden und blauäugigen, elegant gekleideten Mann Ende vierzig, der stets mit einem Ebenholz-Spazierstock unterwegs ist und sich in seiner Freizeit mit wertvollem Porzellan und klassischer deutscher Philosophie befasst, wenn er nicht gerade die schöne Mathilde umgarnt. Die Geschichte kreist um den Mord an Winnie Corbino, dem 76-jährigen, mit der ein halbes Jahrhundert jüngeren Britin Clarissa verheirateten Patriarchen von Capri, einem angesehenen Wissenschaftler, der in seinem Bett mit einem tief im Auge steckenden Dolch aufgefunden wird und in dessen Pyjamatasche die Polizei Heroin entdeckt. Vier mit dem Ehepaar Corbino befreundete Personen hielten sich zur Tatzeit in Corbinos Villa auf, unter ihnen der offenkundig drogenabhängige Amerikaner William Weissberg, doch auch der Lebenslauf der anderen Gäste - die Deutsche Lisa Helmuth, der Schotte Jack Dougall und der Franzose Robert Mairefiel - weist dunkle Flecken auf, und über Clarissa erfährt man, dass sie als Jugendliche ihre Tante mit einem Messer attackiert hat. Mit stoischer Ruhe befragt Don Peppe die fünf potentiellen Mörder, drängt sie in die Ecke - bis der Täter (fast erleichtert) seine Schuld gesteht.
Paoli besticht in diesem originellen Roman mit schlackenfreier Erzählweise, Stilsicherheit, feinsinnigem Humor und eindrucksvollen Schilderungen der milliardenreichen Mittelmeerinsel, auf der wohl kaum je Schnee fällt (der Titel bezieht sich natürlich auf Heroin, doch dies ist eine falsche Fährte), und der kauzige Don Peppe wächst dem Leser rasch ans Herz.

Bibliografie:
Don Peppe-Romane: 'Neige à Capri' - 'Schnee auf Capri' (1960), 'Les pigeons de Naples' - 'Die Tauben von Neapel' (1961);
'Bal à Bàle' (1962).

++ Erstellt: Januar 2012 ++  


Paprotta, Astrid

(*1967)

Astrid Paprotta, geboren in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Düren bei Köln, aufgewachsen ab 1973 in Frankfurt/Main, studierte zuerst Germanistik, dann Psychologie sowie Sonder- und Heilpädagogik an der dortigen Universität und arbeitete in dieser Zeit in einer psychiatrischen Einrichtung. Danach war sie Journalistin bei der 'Frankfurter Rundschau' und dem 'Journal Frankfurt', bevor sie sich in den 90er-Jahren dem Verfassen von Belletristik zuwandte. 1996 erschien ihr erster Roman 'Melitta-Mann jagt Dr. Best', eine Groteske aus der Warenwelt, gefolgt von der Milieustudie 'Der Mond fing an zu tanzen', dem Aldi-Feldforschungsbuch 'Aldidente' - und ihrem ersten Krimi 'Mimikry'.

Paprotta lebt als freie Autorin in Frankfurt/Main, wo auch ihr vierteiliger Kriminalromanzyklus 'Spiegelungen' (das Ina Henkel-Quartett) und ihr Einzelwerk 'Feuerprobe' angesiedelt sind. Zuletzt arbeitete sie als Drehbuchautorin für das Deutsche Fernsehen ('Tatort', 'Soko Wismar') und führte von Februar 2007 bis Oktober 2011 ein lesenwertes Blog.

'Mimikry', eine eigenständige Mixtur aus Psychodrama und Polizeiroman, sieht zwei weibliche Hauptpersonen im Mittelpunkt: die schnoddrige, etwas verhuschte, mit dem coolen, wegen Cannabishandel und Diebstahl vorbestraften Exil-Polen Tom zusammen lebende Frankfurter Kriminaloberkommissarin Ina Henkel, die kürzlich von der Sitte zur Mordkommission stiess, und die Fernsehfrau Birgit "Biggi" Benz, die graumäusige Assistentin des schmierigen Talkshow-Moderators Gabriel Mosbach, in dessen Umfeld mehrere Morde geschehen - die Opfer sind einsame, psychisch angeschlagene Menschen, die in der Nachmittagssendung 'Real Life Entertainment' über ihr Innenleben berichten durften. An der Seite ihres Vorgesetzten Kriminalhauptkommissar Ralf Stocker - ein kultivierter, etwas zwanghaft wirkender End-Dreissiger, der sich von niemandem ausser vielleicht seiner Frau und seinem kleinen Sohn duzen lässt - verbeisst sich Ina Henkel in den Fall und bemerkt erst ganz am Schluss, dass sie selbst ins Visier des Täters geraten ist.

Zu Beginn des zweiten Krimis 'Sterntaucher' muss der junge Streifenpolizist Dorian Kammer, ein von seiner Jugendzeit gezeichneter, gespaltener Mann, auf einem Friedhof die Leiche seines brutal ermordeten 18-jährigen Bruders Robin identifizieren, Ina Henkel und ihr ruppiger Kollege Hauptkommissar Alexander Kissel übernehmen den Fall. Bei ihren nur schleppend vorankommenden Recherchen eröffnet sich ihnen allmählich eine unfassbar traurige und abscheuliche Familiengeschichte, in der das Brüderpaar von einer künstlerisch begabten, als allein erziehende Mutter jedoch total überforderten Frau - der charismatischen Sängerin Katja Kammer, die im Drogenmilieu versank, ihre Jungs bei Pflegeeltern deponierte und danach scheinbar spurlos verschwand - im Stich gelassen worden war.

'Die ungeschminkte Wahrheit' konfrontiert Ina Henkel mit einer Serie von Morden an sozialen Aussenseitern, die niemand zu vermissen scheint und deren Leichen grell geschminkt sind. Die Kommissarin - von Alpträumen und Schuldgefühlen gepeinigt, seit sie in 'Sterntaucher' einen Menschen, den Täter, erschossen hat, getrennt von ihrem Lebensgefährten Tom, den sie danach nicht mehr ertragen konnte - trifft im Laufe ihrer Ermittlungen auf die TV-Moderatorin Denise Berninger, die sich in ihrer 'Aktenzeichen-XY'-ähnlichen Sendung 'Fadenkreuz, das Kriminalmagazin' für eine kompromisslose Verbrechensverfolgung stark macht, eine populäre, durch einen Stalker bedrängte Frau um die dreissig, die zwei der Opfer gekannt hatte. Ina Henkel - mit neuem Liebhaber, Benny, einem netten, aus der ehemaligen DDR stammender Hähnchengriller - verbeisst sich in den Fall und kommt nach vielen Umwegen den Machenschaften eines Pharmakonzerns auf die Schliche, der Obdachlose für schauderhafte Experimente missbraucht. Dann aber nimmt Denise Berninger, die mit einem der gewinnsüchtigen Konzern-Manager seit zehn Jahren liiert ist, das Gesetz in die eigene Hand - und wird wegen Totschlags zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.

'Die Höhle der Löwin' (2006 als bester deutscher Krimi des Jahres 2005 ausgezeichnet) knüpft hier an: Während ihrer Haftzeit erkrankt Denise Berninger ("der blonde Racheengel") an Tuberkulose und wird in ein Krankenhaus verlegt, wo ihr ein Krankenpfleger zur Flucht verhilft. Ina haftet sich an ihre Fersen, findet sie in Bukarest und lockt sie - unwissentlich - in eine Falle der Polizei, ein deutscher Fahnder kommt dabei ums Leben. Denise kann indes ein zweites Mal entkommen, taucht unter.
Eingebettet in diese Ereignisse schildert Paprotta die Fixpunkte der Lebensgeschichte der Flüchtigen - mit neunzehn Jahren Mutter eines Sohnes, Andrei, den sie kurz nach der Geburt auf Druck ihrer Eltern bei der Familie des rumänischen Vaters, Dan Bancu, zurücklassen muss, zorn- und schmerzerfüllte Attacke mit einem Messer gegen die selbstherrlichen Eltern, deshalb langer Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik, wo sie einen Zivildienst-Leistenden (und zukünftigen Pharma-Manager) kennen lernt - der Beginn einer langjährigen, unheilvollen, von Abhängigkeit und Unterordnung geprägten Beziehung, der sie mit einer blutigen Gewalttat ein Ende setzt.
Ina Henkel, die immer mehr Zuneigung für Denise Berninger entwickelt und, von Schuldgefühlen geplagt, ihren Beruf kaum mehr aushält, wechselt nun die Seiten - und setzt alles daran, den Jungen aufzuspüren, der offenbar (wie viele Bukarester Strassenkinder) als billige Arbeitskraft in den Westen verschleppt worden ist.

In ihren vier eng miteinander verknüpften, in einer kunstvoll-knappen, sehr eigenwilligen Sprache erzählten Romanen zeigt Astrid Paprotta - mit viel Einfühlungsvermögen und ganz ohne moralische Einstellung - die Mechanismen, die aus Menschen Mörder machen, und zeichnet wie beiläufig, anhand von raffinierten Inneren Monologen, die Entwicklungsgeschichte einer jede Art von Gewalt zu tiefst verabscheuenden, den Anblick und Geruch der Mordopfer fast nicht ertragenden Polizistin, die bei ihren Ermittlungen in die Seelen von Tätern und Opfern eindringt, ihr eigenes Leben jedoch nie ganz in den Griff bekommt - und am Ende den Dienst bei der Mordkommission quittiert: Sie verschwindet in irgend einem Büro der Verwaltung.

Das Einzelwerk 'Feuertod', Paprottas zuletzt, 2007, erschienener Krimi zählt in kompositorischer und stilistischer Hinsicht zu den herausragenden deutschsprachigen Spannungsromanen der Gegenwart. Eine Serie von mörderischen Brandanschlägen verbreitet Angst und Schrecken in der Frankfurter Innenstadt. Die beiden Ermittler Hauptkommissar Niklas und der LKA-Beamte Potofski stossen auf einen Sumpf von Versicherungsbetrug, Korruption, Erpressung und skrupelloser Immobilienspekulation. Doch dann schlägt die Autorin eine waghalsige Pirouette - und entwirft das Psychogramm einer jungen Frau, Anna Kohler, deren Leben zehn Jahre zuvor durch einen Brand zerstört worden ist.
Wichtige Rollen in dem sich verästelnden Fall spielen die Wirtschaftsanwältin und Lokalpolitikerin Ellen Rupp, Vorsitzende einer Law-and-Order-Bürgerinitiative, die mit ihrem jungen Liebhaber beim ersten Brand ums Leben kommt, der mittellose, sich als wichtiger Zeuge entpuppende Friseur Claude Czerny, sein Hausgenosse Moritz Blume, der als Privatdetektiv für Ellen Rupp tätig war, und der Unternehmensberater Florian Westheim, der vor vielen Jahren eine gewisse Anna Kohler geheiratet und danach in Rupps Kanzlei untergebracht hatte.

Bibliografie:
Ina Henkel-Serie ("Spiegelungen"): 'Mimikry' (1999), 'Sterntaucher' (2002), 'Die ungeschminkte Wahrheit' (2004), 'Die Höhle der Löwin' (2005);
'Feuertod' (2007).

++ Erstellt: Mai 2014 ++  


Parker, T. Jefferson

(*1953)

T. Jefferson Parker, geboren in Los Angeles, aufgewachsen in Orange County, Südkalifornien, beendete sein Anglistikstudium 1976 an der University of California in Irvine. Ab 1978 arbeitete er vornehmlich als Polizeireporter bei lokalen Blättern wie 'The Newport Ensign' und 'Daily Pilot'. In dieser Zeit debütierte er mit dem in seiner Freizeit verfassten Krimi 'Feuerkiller' erfolgreich als Autor. Jeff Parker lebt mit seiner Familie in Fallbrook, im Süden Kaliforniens, und widmet sich seit Ende der 80er-Jahre hauptberuflich dem Krimischreiben.

'Feuerkiller' dreht sich um den Zweikampf zwischen einem Brandstifter, der im kalifornischen Städtchen Laguna Beach sein Unwesen treibt, und dem 30-jährigen Ermittler Tom Shepard von der örtlichen Mordkommission. Tom Shepard, eine vielschichtige, gebrochene Figur, findet die Lösung schliesslich in Ereignissen, die weit in der Vergangenheit liegen.

Nach drei etwas weniger hoch eingestuften Romanen liess Parker 1996 mit 'Weinsteins Mission' aufhorchen. Vann Holt, ein reaktionär gesinnter, verbitterter Millionär um die fünfzig, früher eine Spitzenkraft beim FBI, heute Besitzer eines erfolgreichen Sicherheitsunternehmens, will sich an einer Journalistin rächen, die für seinen Geschmack dem Mörder seines Sohnes etwas gar viel Sympathie entgegenbringt - mit Rebecca Harris erwischt er indes die falsche Frau. Rebecca ist von zwei Männern geliebt worden: von ihrem Verlobten, dem hartgesottenen FBI-Agenten Joshua Weinstein, und von ihrem heimlichen Liebhaber, dem Zeitungsreporter John Menden. Die beiden Männer verbünden sich, Menden wird undercover bei Holt eingeschleust, doch dieser scheint die Fäden fest in der Hand zu halten.

'Der stille Mann', 2001 mit dem "Edgar" für den besten Roman ausgezeichnet, sticht aus Parkers Krimiwerk hervor. Der 24-jährige Polizist Joe Trona erscheint zunächst als recht schlichtes Gemüt - ein halbes Kind und ein stahlharter Kampfsport- und Waffenfreak -, hat aber vorzügliche Manieren und ein fotografisches Gedächtnis. Von seinem (mutmasslichen) Vater mit Säure misshandelt, als er ein Baby war, von seiner promiskuitiven Mutter kurz danach im Stich gelassen, verbringt er vier Jahre im Waisenhaus, bis er von Chief Deputy Will Trona und dessen Frau Mary Ann aufgenommen, adoptiert und liebevoll gross gezogen wird. Nach der Schul- und Collegezeit avanciert er zum Fahrer, Leibwächter und engsten Vertrauten seines Ziehvaters, der es unterdessen zum mächtigen Verwaltungschef von Orange County gebracht hat. Doch Will hat keine weisse Weste, ist offenbar in krumme Geschäfte verwickelt - und wird eines Nachts im Zusammenhang mit einer mysteriösen Kindsentführung vor Joes Augen erschossen. Joe gibt sich die Schuld an Will Tronas Tod. Auf eigene Faust jagt er die Mörder - und wächst an seiner Aufgabe. 'Der stille Mann' ist ein tempostarker, von eindrucksvoll gezeichneten Charakteren getragener Thriller, aber auch ein dramatischer Entwicklungsroman mit einem bittersüssen Schluss. Und Joe Trona gehört zu den berührendsten Figuren der modernen Spannungsliteratur.

Die junge, ehrgeizige Polizistin Merci Rayborn aus dem kalifornischen Orange County, Tochter eines pensionierten Cops, ist eine starke Persönlichkeit, die ihre anfängliche Unsicherheit hinter einem etwas arroganten Auftreten verbirgt. Im ersten Roman 'Blaue Stunde' stellt man ihr den routinierten, schwer krebskranken Cop Tim Hess zur Seite, der sie bei der Jagd nach einem Serienmörder unterstützen (und überwachen) soll. Die beiden gegensätzlichen Kriminalisten kommen sich im Laufe des Geschehens sehr nahe - doch Tim wird sterben und nicht mehr erfahren, dass Merci einen Sohn von ihm im Leibe trägt.

2008 veröffentlichte Parker den ersten Band der Serie um Charlie Hood, der 2005 mit kleineren Blessuren aus dem Irakkrieg heimgekehrt und kurz danach dem Los Angeles Sheriff Department beigetreten ist (keine deutsche Übersetzung).

Bibliografie:
'Laguna Jeat' - 'Feuerkiller' (1985), 'Little Saigon' - 'Die Saat des Drachen' (1988), 'Pacific Beat' - 'Todesrosen' (1991), 'Summer of Fear' - 'Sommer der Angst' (1993),'‚The Tiggerman's Dance' - 'Weinsteins Mission' (1996), 'Where Serpents Lie' (1998), 'Silent Joe' - 'Der stille Mann' (2001), 'Cold Puruit' - 'Die kalte Gier' (2003), 'California Girl' (2004), 'The Fallen' (2006), 'Storm Runners' (2007), 'Full Measure' (2014);
Merci Rayborn-Serie: 'The Blue Hour' - 'Blaue Stunde' (1999), 'Red Light' - 'Rote Schatten' (2000), 'Black Water' - 'Schwarze Wasser' (2002);
Charlie Wood-Serie: 'L.A. Outlaws' (2008), 'The Renegades' (2009), 'Iron River' (2010), 'The Border Lords' (2011), 'The Jaguar' (2012), 'The Famous and the Dead' (2013).

++ Erstellt: März 2011 ++
++ Update: Juni 2013 ++
++ Update: Oktober 2015 ++
 


Parrish, Frank

(Pseudonym für Roger Erskine Longrigg, 1929-2000; schrieb auch als Megan Barker, Grania Beckford, Laura Black, Ivor Drummond, Rosalind Erskine und Domini Taylor)

Roger Longrigg, geboren in der schottischen Hauptstadt Edinburgh als Spross einer Offiziersfamilie (sein Vater, ein Brigadier, diente damals im Nahen Osten, der kleine Roger wuchs jedoch in England auf) war von 1947 bis 1949 Mitglied der britischen Armee und studierte daraufhin Geschichte am Oxforder Magdalen College. Anschliessend war er kurze Zeit kreativer Leiter einer Werbeagentur, ehe er nach seiner Heirat im Jahr 1959 das Schreiben als Hauptberuf wählte. In seiner Freizeit widmete er sich dem Fliegenfischen, später bewies er überdies beachtliches Talent als Kunstmaler.

Zwei in der Welt der Werbebranche spielende (in der Bibliografie nicht aufgeführte) Romane publizierte Longrigg Mitte der 50er-Jahre unter seinem angestammten Namen, neun Horrorbücher als Domini Taylor, neun humoristische Abenteuergeschichten als Ivor Drummond (mit dem steinreichen Trio Lady Jenny Norrington aus England, Count Sandro Di Ganzarello aus Italien und Colly Tucker III aus den USA im Mittelpunkt), sechs romantische Thriller als Laura Black und acht Detektivgeschichten unter seinem bekanntesten Pseudonym Frank Parrish - und in all diesen Genres war er (auch kommerziell) sehr erfolgreich.

Aufgrund seiner stilistischen Vielseitigkeit sorgte Longrigg zweimal für etwas Verwirrung: Als 1962 sein mit Rosalind Erskine gezeichnetes Buch 'The Passion Flower Hotel' erschien, in dem eine Gruppe von 15-jährigen Schülerinnen den Turnsaal in ein Bordell umwandeln, um endlich erste sexuelle Erfahrungen zu sammeln, dachte man zunächst, es würde sich um einen Tatsachenbericht eines der involvierten Mädchen handeln; und 15 Jahre später wurde Longrigg/Parrish für seinen ersten Dan Mallett-Krimi mit einem Preis für den besten Thriller-Erstling des Jahres 1977 ausgezeichnet - die Jury machte lange Gesichter, als sie erfuhr, dass dies bereits die zwanzigste Veröffentlichung des Autors war.
Neben seinen 55 Romanen schrieb Longrigg je ein Buch über Pferderennen und die Fuchsjagd.

Das Herz von Longriggs Krimiwerk bildet die mit verwickelten Plots und hübschen Schilderungen des ländlichen Englands aufwartende Reihe um den smarten Ex-Bankangestellten Dan Mallett aus der fiktiven Ortschaft Medwell. Mallett, ein kleiner, drahtiger Naturmensch Mitte dreissig mit grossen, blauen Augen, der von den Frauen heiss begehrt wird, kümmert sich recht liebevoll um seine cholerische, von manchen Gebresten geplagte Mutter, um seine Hunde und seine Vögel und erledigt hin und wieder eine Aushilfsarbeit. Hauptberuflich ist er jedoch als Wilderer und Dieb tätig (er stiehlt, um seiner Mutter eine dringend notwendige Gelenksoperation zu ermöglichen), hin und wieder - vor allem dann, wenn seine Kreise durch einen Verbrecher bzw. durch die von dessen Tat aufgescheuchte Polizei gestört werden - auch als Ermittler.

Longrigg starb 70-jährig in einem Krankenhaus in Farnham, Surrey, und hinterliess seine Frau, die populäre Romanautorin Jane Chichester, mit der er über vierzig Jahre verheirat war, und drei Anfang der 60er-Jahre geborene, den Namen Longrigg tragende Töchter - die bekannte Musikerin und Schauspielerin Francesca, die Redakteurin und Literaturagentin Laura und die Journalistin Clare, die zwei Bücher über die italienische Mafia publiziert hat.

Bibliografie:
Als Roger Longrigg: 'The Desperate Criminals' (1971);
Als Ivor Drummond: Jenny Norrington, Sandro Di Ganzarello & Colly Tucker-Serie: 'The Man with the Tiny Head' - 'Der Mann mit dem kleinen Kopf' (1969), 'The Priests oft he Abomination' (1970), 'The Frog in the Moonflower' (1972), 'The Jaws oft the Watchdog' (1973), 'The Power of the Bug' (1974), 'A Tank of Sacred Eels' (1976), 'The Necklace of Skulls' - 'Die Schergen der Göttin' (1977), 'A Stench of Poppies' - 'Durch die Blume getötet' (1978), 'The Diamonds of Loreta' - 'Rififi in Prag' (1980).
Als Frank Parrish: Dan Mallett-Serie: 'Fire in the Barley' - 'Feuer im Kornfeld' (1977), 'Sting of the Honeybee' - 'Der Stachel der Honigbiene' (1978), 'Snare in the Dark' - 'Der Mann im Dunkeln' (1981), 'Bait on the Hook' - 'Der Köder am Haken' (1983), 'Face at the Windows' (auch unter dem Titel 'Death in the Rain') - 'Schatten am Fenster' (1984), 'Fly in the Cobweb' - 'Auf den Leim gegangen' (1986), 'Caught in the Birdlime' (auch unter dem Titel 'Bird in the Net', 1987), 'Voices in the Dark' (1993).
Als Laura Black: 'Glendraco' - 'Das Geheimnis von Schloss Glendraco' (auch unter dem Titel 'An ihrer Stirn geschrieben ein Geheimnis', 1977), 'Castle Raven' (auch unter dem Titel ‚Ravenburn') - 'Rabenschloss' (1978), 'Wild Cat' - 'Die Tochter des Grafen' (1979), 'Strathgallant' - 'Das tödliche Erbe' (1981), 'Albany' - 'Die geheimnisvolle Lady' (1984), 'Falls of Gard' - 'Die Wasserfälle von Gard' (1986).
Als Domini Taylor: 'Mother Love' (1983), 'Gemini' (1984), 'Suffer Little Children' (auch unter dem Titel 'Teacher's Pet', 1987), 'Praying Mantis' (1988), 'Siege' (1989), 'Not Fair' (1992), 'The Eye Behind the Curtain' (1993), 'The Tiffany Lamp' (1994), 'Pig in the Middle' (1996).

++ Erstellt: Juli 2011 ++  


Paul, Elliot

(1891-1958; schrieb auch als Brett Rutledge)

Geboren, aufgewachsen und ausgebildet in Malden, Massachusetts, brach Elliot Paul sein Studium nach zwei Semestern ab, um in Boston für verschiedene Zeitungen zu arbeiten. 1917 ging er zur amerikanischen Artillerie und kämpfte im Ersten Weltkrieg auf französischen Schlachtfeldern. Nach dem Krieg kehrte er in die USA zurück, arbeitete wieder als Journalist und schrieb seine ersten Bücher, die Anfang der 20er-Jahre veröffentlicht wurden. 1925 bezog er Wohnsitz im Pariser Montparnasse, wo er vorwiegend journalistisch tätig war. Später verlagerte der mit James Joyce und Gertrude Stein befreundete Elliot Paul seinen Schwerpunkt auf das Romanschreiben. Ein Nervenzusammenbruch führte zu seinem Rückzug in ein kleines Dorf auf Ibizia. Als dieses im spanischen Bürgerkrieg zerstört wurde, kehrte er nach Paris zurück und verfasste dort seinen ersten Krimi. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges musste er die französische Hauptstadt verlassen - es folgten über zehn Jahre als recht erfolgreicher Drehbuchautor in Hollywood. Elliot Paul, ein begabter Pianist, der oft in kleineren Lokalen in der Gegend von Los Angeles auftrat, war fünfmal verheiratet (und geschieden) und hatte einen Sohn. Er starb 67-jährig in einem Militärspital in Providence, Rhode Island.

Elliot Paul war ein vielseitiger Autor. Er verfasste Kurzgeschichten, Romane, Memoiren ('The Last Time I Saw Paris' aus dem Jahr 1942, sein bekanntestes Werk), Dokumentarberichte, ein mit 'The Life and Death of a Spanish Town' betiteltes, 1937 publiziertes Sachbuch über den spanischen Bürgerkrieg, Drehbücher (unter anderem zu 'Rhapsody in Blue'), Filmkritiken, ein Buch über die Geschichte des Jazz und - von 1939 bis 1956 - eine witzige, neunteilige Krimireihe, in welcher der in Paris lebende Amerikaner Homer Evans im Zentrum steht. Homer Evans, ein Lebenskünstler, der hin und wieder ein paar Zeilen schreibt oder ein Bild malt, die meiste Zeit jedoch im Montparnasse rumhängt, bis er eines Tages sein Flair für Detektivarbeit entdeckt und sich fortan bei Gelegenheit mit fantastischen Kriminalfällen befasst. Im deutschsprachigen Raum ist einzig der erste Band 'Mickey Finn' erschienen.

Bibliografie:
Homer Evans-Serie: 'The Mysterious Mickey Finn' - 'Mickey Finn' (1939), 'Hugger Mugger in the Louvre' (1940), 'Mayhem in B-Flat' (1940), 'Fracas in the Foothills' (1940), 'I'll Hate Myself in the Morning' (1945), 'Murder on the Left Bank' (1951), 'The Black Gardenia' (1952), 'Waylaid in Boston' (1953), 'The Black and the Red' (1956).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Pelecanos, George

(*1957)

George Pelecanos, geboren und aufgewachsen in Washington, D.C., als Nachkomme griechischer Einwanderer, ein Kind der Arbeiterklasse, unterstützte bereits mit zehn Jahren als Ausläufer seinen Vater, der in der Stadt ein kleines Lokal betrieb. Mit siebzehn schoss er seinem besten Freund mit einer .38er versehentlich ins Gesicht, wenig später erlitt sein Vater einen Herzinfarkt - für Pelecanos war die Jugendzeit jetzt endgültig vorbei, er musste die Kneipe seines Vaters übernehmen und für die Familie sorgen.

Neben und nach seinem Kunststudium, das er an der University of Maryland absolvierte und 1980 mit einem Bachelor abschloss, arbeitete Pelecanos als Tellerwäscher, Koch, Barkeeper, Bauarbeiter und Schuhverkäufer, später, bis 1989, als Manager einer Kette, die Küchengeräte verkaufte. Daraufhin machte er sich einen Namen als Drehbuchautor (unter anderem für die TV-Serien 'The Wire' und 'Treme'), Journalist ('New York Times', 'Washington Post'), Essayist, Produzent von Independent-Filmen, sowie - ab 1992, als er den ersten Teil der (nicht auf Deutsch vorliegenden) Trilogie um den griechisch-stämmigen Washingtoner Privatdetektiv Nick Stefanos verfasste - als Krimiautor.

In seiner zweiten Reihe, dem fünf Jahrzehnte umgreifenden "Washington Quartet", widmet sich Pelecanos den Mythen Amerikas aus dem Blickwinkel von Arbeitern und Underdogs jeder Couleur. Die Tetralogie beginnt mit 'Das grosse Umlegen', einem atmosphärisch ungemein dichten, in der zweiten Hälfte der 40er-Jahre angesiedelten Gangsterroman. Im Mittelpunkt steht der verheiratete griechische Immigrant Peter Karras, ein Held des Pazifikkriegs, der, obwohl auf der Lohnliste des brutalen Kredithais Burke stehend, seine Herkunft und seine Freunde nicht verleugnet und immer wieder versucht, in einer gewalttätigen, vom organisierten Verbrechen beherrschten Umgebung integer zu bleiben, selbst wenn er dazu einen Mord begehen muss - und der dafür mit dem Leben bezahlt.

Den historischen Hintergrund zu 'King Suckerman' bildet die Woche der grossen Zweihundertjahrsfeiern 1976. Dimitri Karras (der Sohn von Peter Karras) und sein schwarzer Freund Marcus Clay, Vietnamveteran und stolzer Besitzer eines Plattenladens, führen ein recht lockeres Leben, hören gute Musik, rauchen ab und zu einen Joint - doch Karras beginnt mit Cannabis zu handeln, kommt dabei dem Gangsterboss Wilton Cooper in die Quere und gerät in die Bredouille.

'Eine süsse Ewigkeit' spielt zehn Jahre nach 'King Suckerman'. Dimitri Karras und Marcus Clay sind enge Freunde geblieben. Clay führt in Washington mittlerweile vier Plattenläden, Karras, sein Geschäftsführer, ist ergraut - und hat sich härterem Stoff zugewandt: dem Kokain. Als ein Drogenkurier ausgerechnet vor Clays Laden tödlich verunfallt, wird das Freundespaar in einen wilden Kampf mit dem Grossdealer Tyrell und zwei auf dessen Lohnliste stehenden Cops verwickelt. Die wahren Helden sind indes die an den Rand der Gesellschaft gedrängten, als Drogenkuriere eingesetzten, vorzeitig vergreisten schwarzen Kids der Kokainmetropole Washington.

In dem das "Washington Quartet" abschliessenden - die 90er-Jahre abdeckenden - Roman 'Shame the Devil' treten Dimitri Karras und Nick Stefanos gemeinsam auf - bisher leider nur im Original. Die finstere Geschichte erzählt von den Folgen eines arg missglückten Raubüberfalls mit mehreren Toten, unter ihnen der Bruder des psychopathischen Gangsters Frank Farrow - und Karras' fünfjähriger Sohn. Als Farrow drei Jahre später wieder auftaucht, um den Tod seines Bruders zu rächen, stehen ihm zwei zu allem entschlossene Männer gegenüber: Der Privatdetektiv Nick Stefanos und dessen Freund Dimitri Karras, der nach einer langen Phase der Trauer wieder im Leben steht.

'Schuss ins Schwarze' bildet den Auftakt zur Derek Strange & Terry Quinn-Serie. Derek Strange, ein cooler und abgebrühter Schwarzer Mitte fünfzig, hat vor dreissig Jahren den Polizeidienst quittiert, um in Washington eine Privatdetektei zu betreiben. Als er von der Mutter eines vor Jahresfrist erschossenen schwarzen Polizisten beauftragt wird, dessen angeschlagenen Ruf wiederherzustellen, trifft er auf den irisch-stämmigen Heisssporn Terry Quinn, der damals als Cop den Todesschuss abgegeben und daraufhin seinem Beruf den Rücken gekehrt hat. Das ungleiche Paar rauft sich zusammen, kommt einer Drogen-, Prostitutions- und Korruptionsaffäre auf die Spur, räumt in grossem Stile auf und rehabilitiert nebenbei den getöteten Polizisten - der Beginn einer schönen Freundschaft.

'Ein schmutziges Geschäft', erschienen 2011, sieht einen neuen Protagonisten am Werk: Den Irakveteranen Spero Lucas aus Washington, D.C., der als lizenzloser Detektiv für einen Anwalt, gelegentlich auch auf eigene Rechnung ermittelt. Lucas ist Spezialist für die Wiederbeschaffung abhanden gekommener Dinge. Diesmal ist es eine Lieferung Marihuana, die dem gerade im Gefängnis einsitzenden Grossdealer Anwan Hawkins gestohlen wurden. Doch Hawkins spielt mit falschen Karten.

George Pelecanos, ein einflussreicher, von amerikanischen Kritikern und Berufskollegen hoch verehrter Autor, der im deutschsprachigen Raum bisher nicht richtig Fuss fassen konnte, lebt mit seiner Frau und seinen drei Adoptivkindern in Silver Springs, Maryland, und widmet sich vorrangig dem Verfassen von Spannungsromanen.

Bibliografie:
Nick Stefanos-Trilogie: 'A Firing Offense' (1992), 'Nick's Trip' (1993), 'Down by the River Where the Dead Men Go' (1995);
Washington Quartet: 'The Big Blowdown' - 'Das grosse Umlegen' (auch unter dem Titel 'The Big Blowdown', 1996), 'King Suckerman' - 'King Suckerman' (1997), 'The Sweet Forever' - 'Eine süsse Ewigkeit' (1998), 'Shame the Devil' (2000);
Derek Strange & Terry Quinn-Serie: 'Right as Rain' - 'Schuss ins Schwarze' (2001), 'Hell to Pay' - 'Wut im Bauch' (2002), 'Soul Circus' (2003), 'Hard Revolution' (2004), 'What it Was' (2012);
Spero Lucas-Romane: 'The Cut' - 'Ein schmutziges Geschäft' (2011), 'The Double' (2013);
Einzelwerke: 'Shoedog' (1994), 'Drama City' (2005), 'The Night Gardener' - ,Der Totengarten' (2006), 'The Turnaround' (2008), 'The Way Home' - 'Kein Weg zurück' (2009).

++ Erstellt: September 2014 ++  


Pelletier, Chantal

(*1949)

Chantal Pelletier, geboren und aufgewachsen in Lyon, lebte später der Reihe nach in Nizza, Lille und Brüssel. Sie studierte Psychologie und stand mit 19 Jahren in Nizza erstmals auf der Bühne. Von 1976 bis 1986 kam sie als Teil der feministischen Theatergruppe 'Les Trois Jeanne' zu Auftritten in der ganzen Welt. Parallel dazu begann sie zu schreiben. Ihr breit gefächertes Werk besteht aus Romanen, Erzählungen, Gedichten, Humoresken, Essays, einem Sachbuch über Paris, einer Biografie des französischen Sängers und Schauspielers Eddy Mitchell, zwei Jugendromanen, dem Vierteiler um Kommissar Maurice Laice und drei weiteren Krimis. Darüber hinaus machte Pelletier als Drehbuchautorin und Regisseurin von sich reden. Sie lebt im Pariser Stadtteil Belleville und in der Drôme im Südosten Frankreichs.

Pelletiers Krimiheld, der farbenblinde Kommissar Maurice Laice ("More is less"), genannt Momo, ist ein Melancholiker mittleren Alters mit Übergewicht, Erektionsproblemen, Krampfadern, Rückenschmerzen und, wie er zu seinem Leidwesen feststellen muss, nekrophilen Neigungen (im dritten Band kommt Hodenkrebs hinzu). Nachdem Momo in 'Eros und Thalasso' noch in Granville, im normannischen Exil, am Werk war, ermittelt er in den folgenden Romanen wieder in Paris - und wird hier gleich mit einem Mordfall konfrontiert, der denkbar ungeeignet ist, seine Lebensgeister neu zu erwecken: Er dreht sich um die Zerstörung des Montmartre-Viertels durch Grundstückspekulanten, um Drogenhandel und Pornographie und nicht zuletzt um späte Folgen des Algerienkriegs ('Bocksgesang').

'More ist less' sieht Kommissar Momo im 19. Arrondissement in Aktion, einem vorwiegend von Asiaten, aber auch von gewalttätigen Jugendbanden bevölkerten Viertel, wohin er von seiner zynischen, lesbischen Vorgesetzten Aline Lefèvre versetzt worden ist - er soll den Mord an einem alten Vietnamesen aufklären, der bei seinen morgendlichen Tai-Chi-Übungen im Park Buttes-Chaumonts durch einen Schuss in den Kopf getötet wurde. Die Ermittlungen führen ihn zu der reichen asiatischen Bildhauerin Kyn-Lee, die ein gefährliches Doppelleben zu führen scheint, und decken Waffenschmuggel im grossen Stile auf.

'Mont des martyrs', chronologisch der erste Band der Reihe, spielt in der ersten Hälfte der 80er-Jahre, einer unruhigen, desillusionierenden Zeit, in der der Sozialist Francois Mitterrand am Ruder ist - und der aufmüpfige, mit einer linken Künstlerin und Hausbesetzerin liierte 24-jährige Maurice Laice als Flic seine ersten Runden am Montmartre dreht (keine deutschsprachige Übersetzung).

Die tempofesten, unzimperlichen, mit einer guten Portion schwarzen Humors gewürzten Maurice Laice-Geschichten leben von der originellen Hauptperson und präzisen Schilderungen der Nebenfiguren, aber auch von Sprachwitz, pointierten Dialogen und überraschenden Bildern, und zeichnen sich durch Milieukenntnis und subtile Handlungsführung aus.

Bibliografie:
Kommissar Maurice Laice-Tetralogie: 'Eros et Thalasso' - 'Eros und Thalasso' (1998), 'Le chant du bouc' - 'Bocksgesang' (2000), 'More is less' - 'More is less' (2002), 'Montmartre, mont des martyrs' (2008);
'Lavande tuera' (1997), 'L'enfer des anges' (2005), 'Tirez sur le caviste' - 'Schiessen Sie auf den Weinhändler' (2007).

++ Erstellt: März 2013 ++  


Perry, Thomas

(*1947)

Thomas Perry kam als Sohn eines Lehrer-Ehepaars in Tonawanda, New York State, zur Welt. Er studierte Englische Literatur an der Cornell University, Abschluss 1969, und erwarb 1974 einen Doktortitel an der University of Rochester. Danach war er unter anderem als Fabrikarbeiter, Fischer, Waffenmechaniker, Verwaltungsbeamter an einer Universität und Professor für Englische Literatur tätig, bis er als Drehbuchautor und Produzent zum Fernsehen kam. 1982 debütierte er als Krimiautor. Er hat zwei Töchter und lebt mit seiner Frau in Südkalifornien.

Perrys Erstling 'Abrechnung in Las Vegas' dreht sich um die junge, im Dienst des Justizministerium stehende Datenanalytikerin Elizabeth Waring, die jetzt ihre Feuerprobe im Aussendienst erlebt: Sie wird beauftragt, dem trickreichen für die Mafia arbeitenden Berufskiller mit dem Kampfnamen "Sohn des Schlächters" ("Butcher's Son") das Handwerk zu legen. Als der nicht unsympathische Killer wegen schweren Gesichtsverletzungen auf die Abschussliste seiner Arbeitgeber gerät, bahnt sich für ihn ein Zweifrontenkrieg an. Zehn Jahre später, in 'Schlafende Hunde', kommt der "Sohn des Schlächters", der die letzten Jahre unter neuer Identität an einem abgeschiedenen Ort in England verbracht hat, zu einem überraschenden Comeback, als er von der Mafia enttarnt wird. Er taucht in den USA unter, doch auch das FBI und Elizabeth Waring sind ihm auf den Fersen.

Der grosse Durchbruch gelang Perry 1994 mit 'Die Hüterin der Spuren', dem ersten Band der Jane Whitefield-Serie. Jane Whitefield, Tochter eines Indianers und einer irisch-stämmigen Amerikanerin, die beide vor geraumer Zeit gestorben sind, gehört dem Stamm der Seneca-Indianer an und lebt allein in einem alten Haus im kleinen fiktiven Ort Deganawida im Norden des Staates New York. Sie ist jung, schön und gross gewachsen, verfügt über blitzschnelle Reflexe, kann gut mit Waffen umgehen und hat einen ganz besonderen Job - Leute, die untertauchen wollen, mit neuen Identitäten versorgen und lehren, ein anderes Leben zu führen: Frauen und Kinder, die von gewalttätigen Familienvätern bedroht sind, aber auch kleine Gauner, die den Unterweltbossen im Wege stehen. Sie will dafür kein Honorar, doch manchmal schickt man ihr später ein Geschenk. Jane Whitefield, hochintelligent, mit allen Wassern gewaschen und ungemein mutig, legt falsche Fährten, verwischt Spuren und weiss am Ende selbst nicht, wohin ihr jeweiliger Kunde verschwunden ist. Bei all ihren Talenten ist sie aber doch ständig von Angst begeleitet: Angst, einen Fehler zu begehen, Angst vor dem Gefängnis, vor ihren scheinbar übermächtigen Gegnern. Als sie im ersten Roman von einem Klienten reingelegt wird, dreht sie den Spiess um und wird selbst zur Jägerin.

Der fünfte Band 'Auf der Spur des Wolfs', vielleicht der vielschichtigste Titel der Reihe, erzählt vom Kampf zwischen Jane und der gesamten amerikanischen Mafia. Die junge Rita Shelford arbeitet in Florida als Haushälterin bei Bernie "der Elefant" Lupus, der seit fünfzig Jahren die Konten aller bedeutenden Mafiafamilien verwaltet, ohne Unterlagen, denn alle Daten sind in seinem phänomenalen Gedächtnis gespeichert. Dass seine mnestischen Fähigkeiten im Alter etwas nachzulassen beginnen, macht ihn zum Sicherheitsrisiko - er wird auf dem Flughafen in Detroit erschossen. Rita gerät nun in den Fokus der Mafiafamilien. Sie sucht Hilfe bei Jane, kurz darauf taucht überraschend Bernie Lupus auf - sein Tod in Detroit war getürkt -, und die drei schlitzohrigen Helden planen einen grossen Coup: Das ganze Geld der Mafia - mindestens zehn Milliarden Dollar - soll an wohltätige Organisationen gespendet werden. Als die ersten Millionen zu fliessen beginnen, argwöhnen die Mafiosi, jemand (aber wer?) verschiebe das Geld, um es zu waschen - eine wilde Jagd beginnt.

Nach diesem grandiosen Roman legte Perry die Serie vorerst aufs Eis. Er veröffentlichte mehrere Einzelwerke, bis er Jane Whitefield nach neun Jahren aus ihrem geruhsamen Leben in Amherst an der Seite des grossherzigen Chirurgen Carey McKinnon (die beiden haben in 'Die Jagd der Schattenfrau' geheiratet) reisst, damit sie sich in 'Runner' einer jungen, schwangeren Frau annimmt, die ihrem psychopathischen Freund davonläuft.

Jack Till, Vater einer erwachsenen Tochter mit Down-Syndrom, ist die Hauptfigur in Perrys Krimis 'Silence' und 'The Boyfriend'. Er war 23 Jahre bei der Mordkommission des LAPD, bevor er sich in Los Angeles als Privatdetektiv selbständig machte, um mehr Zeit für seine Tochter zu haben.

Bibliografie:
'The Butcher's Boy' - 'Abrechnung in Las Vegas' (1982), 'Metzger's Dog' - 'Der Tag der Katze' (1983), 'Big Fish' - 'Blutgeld' (auch unter dem Titel 'Big Fish', 1985), 'Island' - 'Im Treibsand' (1987), 'Sleeping Dogs' - 'Schlafende Hunde' (1992), 'Death Benefits' - 'Sicher ist nur der Tod' (2001), 'Pursuit' (2001), 'Dead Aim' - 'Der finale Schuss' (2002), 'Nightlife' (2006), 'Fidelity' (2008), 'Strip' (2010), 'The Informant' (2011), 'Forty Thieves' (2016);
Jane Whitefield-Serie: 'Vanishing Act' - 'Die Hüterin der Spuren' (1994), 'Dance for the Dead' - 'Der Tanz der Kriegerin' (1995), 'Shadow Woman' - 'Die Jagd der Schattenfrau' (1997), 'The Face-Changers' - 'Das zweite Gesicht' (1998), 'Blood Money' - 'Auf der Spur des Wolfs' (2000), 'Runner' (2009), 'Poison Flower' (2012), 'A String of Beads' (2014);
Jack Till-Romane: 'Silence' (2007), 'The Boyfriend' (2013).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Februar 2013 ++
++ Update: Februar 2015 ++
++ Update: Juli 2016 ++
 


Petievich, Gerald

(*1944)

Gerald Petievich wuchs als Sohn eins LAPD-Cops in Los Angeles auf. Nach Abschluss des Studiums an der UCLA und einer mehrjährigen Tätigkeit beim amerikanischen Geheimdienst (Petievich war zur Zeit des Kalten Krieges in Deutschland stationiert und erlebte 1968 hautnah die Invasion der CSSR durch die UDSSR mit) arbeitete er ab 1970 fünfzehn Jahre als Special Agent für das Amerikanische Finanzministerium. Nachdem er während eines längeren berufsbedingten Aufenthaltes in Paris auf das Romanwerk von Graham Greene und John le Carré gestossen war, beschloss er, sein Glück als Autor versuchen. Zunächst, als er noch für die Regierung tätig war, schrieb er nur in den frühen Morgenstunden, doch 1985 verliess er den Geheimdienst, um sich ausschliesslich der Schriftstellerei zu widmen.

In der Reihe um Charles Carr und Jack Kelly, zwei abgebrühte Special Agents des Schatzamtes zur Aufklärung von Falschgeldverbrechen, überzeugt Petievich mit temporeicher, dichter Erzählweise und realistischer Darstellung von Polizeiarbeit. 'Sumpfblüten', der erste Titel der im Original vier Bände umfassenden Serie, beruht auf dem wahren Fall eines Undercover-Cops namens Rico de Fiore, der erschossen wird, als er im Begriff ist, einem Geldfälscherring das Handwerk zu legen.

Der 1988er Standalone 'Entscheidung in Las Vegas' gilt als Petievichs bislang grösster Wurf. Eddie Sands, ein ehemaliger Detective von der Polizei in Las Vegas, sitzt wegen Korruption im Knast, darf jedoch als Freigänger gelegentlich das Gefängnis verlassen. Bei einem seiner Ausflüge fädelt er zusammen mit dem Gangster Parisi eine raffinierte Erpressung ein, die ihm die vorzeitige Entlassung einbringt. Doch kaum auf freiem Fuss, setzt sich Sands gewaltig in die Nesseln, indem er Parisi bei einem neuerlichen Erpressungscoup übers Ohr haut. Dieser Anthony Salvatore Parisi, genannt Tough Tony, ein führendes, auf Schutzgeld-Erpressung von Spielcasinos spezialisiertes Mitglied der Cosa Nostra, steht indes schon lange Zeit im Visier des FBI-Agenten John Novak, der zurzeit einer Spezialeinheit des Justizministeriums für die Bekämpfung des organisierten Verbrechens zugeteilt ist. Als ein wichtiger Zeuge in die Luft gesprengt wird, gerät Novak in Zugzwang. Die drei Protagonisten liefern sich fürderhin einen Kampf auf Biegen und Brechen, den Petievich schnörkellos dokumentiert.

Nach zwölfjähriger Schreibpause veröffentliche Petievich 2003 seinen neunten (bislang letzten) Krimi 'The Sentinel', von dem es keine deutsche Übersetzung, dafür aber eine erfolgreiche Verfilmung (mit Michael Douglas und Kiefer Sutherland in den Hauptrollen) gibt. Er ist Vater einer Tochter, Emma, und lebt mit seiner Frau Pamela, einer bekannten Gourmetköchin, in der westkalifornischen Kleinstadt San Gabriel.

Bibliografie:
Charlie Carr & Jack Kelly-Serie: 'Money Man' - 'Sumpfblüten' (auch unter dem Titel 'Boiling Point', 1981), 'One-Shot Deal' - 'Der Todesengel' (1981), 'To Die in Berverly Hills' (1983), 'The Quality of the Informant' - 'Die Informantin' (1985);
'To Live and Die in LA' - 'Leben und Sterben in L.A.' (1984), 'Shakedown' - 'Entscheidung in Las Vegas' (1988), 'Earth Angels' (1989), 'Paramour' (1991), 'The Sentinel' (2003).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2014 ++
 


Phillips, Scott

(*1961)

Scott Phillips, geboren und aufgewachsen in Wichita, Kansas, besuchte Creative Writing-Kurse an der Wichita State University mit dem Krimiautor James Lee Burke als einem seiner Dozenten. Von 1988 bis 1992 lebte er im 11. Arrondissement von Paris, wo er seinen Lebensunterhalt als Englischlehrer und Übersetzer bestritt. Anschliessend arbeitete er zuerst als Buchhändler für eine amerikanische Kette, danach mehrere Jahre als Drehbuchautor in Hollywood. Ende der 90er-Jahre bezog er mit seiner Frau Anne und seiner Tochter Claire Wohnsitz in St. Louis, Missouri, und widmete sich fortan vorrangig dem Verfassen von Romanen und Kurzgeschichten. Sein erster Krimi 'Alles in einer Nacht' beförderte ihn in die vorderste Reihe der amerikanischen Noir-Autoren.

'Alles in einer Nacht' spielt am 24. Dezember 1979 in Wichita. Im Mittelpunkt steht Charlie Arglist, ein abgehalfteter Anwalt, der seiner Familie den Rücken gekehrt und seinen Brotberuf aufgegeben hat. Er ist die rechte Hand von Bill Gerard, dem örtlichen Mafiaboss und Besitzer des Striplokals "Sweet Cage", trinkt zu viel und kokst - und will mit seinem Kumpel Vic Cavanaugh noch einen letzten Coup landen, um dann Wichita endgültig zu verlassen. Bevor es soweit ist, schlägt er die Zeit tot, streift durch die verschneiten, verlassenen Strassen, nimmt Abschied von seinen Kindern, seinen Lieblingskneipen, seiner trostlosen Heimatstadt. Und dann geht alles grandios den Bach runter. Der wuchtige, schwarzhumorige Krimi wurde von Harold Ramis mit John Cusack und Billy Bob Thornton erfolgreich verfilmt.

'Der Irrgänger', ein figurenreicher und vielschichtiger, zwischen den Jahren 1952 und 1989 hin- und herspringender Roman, ist auf seine Art gleichzeitig Vorgeschichte und Fortsetzung von 'Alles in einer Nacht'. Gunther Fahnstiel, ein 77-jähriger Ex-Cop mit aufgeweichtem Hirn, ist aus dem Pflegeheim entwichen und irrt nun durch Wichita, getrieben von vagen Erinnerungen an weit zurückliegende Geschehnisse und einen möglicherweise irgendwo vergrabenen Geldschatz, während seine Frau Dorothy, sein Stiefsohn Sidney und sein ehemaliger Polizeikolleger Ed Dieterle sich auf die Suche nach ihm begeben. Bei seinen Streifzügen begegnet Fahnstiel einer jungen Frau namens Loretta - der Tochter von Sally Ogden, die in den 50ern seine Geliebte war; Sally, die Gattin des rücksichtslosen, bis auf das Mark verkommenen Betrügers Wayne Ogden, der sich während und nach dem Zweiten Weltkrieg einen Haufen Geld ergaunerte und später mit einer Kugel im Kopf den Löffel abgab; eine üble Geschichte, in die auch Fahnstiel, Dieterle und Sally verwickelt waren.

Phillips' vierter Roman 'The Adjustment' (keine deutschsprachige Übersetzung) gehört dem psychopathischen Ich-Erzähler Wayne Ogden, den man ja bereits in 'Der Irrgänger' und kurz auch in 'Alles in einer Nacht' angetroffen hat (und dessen Grossvater Phillips' drittem Roman 'Cottonwood', einem Western, den Stempel aufdrückt). Wayne Ogden verbrachte den Zweiten Weltkrieg in London und Rom und verdiente sich als raffinierter Mittelsmann im Schwarzmarkt eine goldene Nase. Zurück in seiner Ursprungsstadt Wichita, gerät er dann endgültig auf die schiefe Bahn, derweil seine Gattin Sally der Geburt ihres ersten Kindes entgegensieht. Er verrichtet zwielichtige Jobs für seinen faulen, verkommenen Boss Everett Collins, dem Inhaber einer kleinen Fluggesellschaft, legt reihenweise Frauen flach - doch seine Kriegsvergangenheit wirft lange Schatten.

In diesen drei locker miteinander verbundenen Kriminalromanen (und der unter dem Titel 'Rum, Sodomy, and False Eyelashes' im Jahr 2010 erschienenen Geschichtensammlung) zeichnet Scott Phillips das düstere Bild einer kaltherzigen Zivilisation, in der Habgier und Egoismus die stärksten Triebfedern sind. Einen Kontrapunkt dazu setzt der Autor mit seinem jüngsten Werk 'Rake', einer leichtfüssigen, in Paris spielenden Erzählung.

Bibliografie:
'The Ice Harvest' - 'Alles in einer Nacht' (2000), 'The Walkaway' - 'Der Irrgänger' (2002), 'Cottonwood' (2004), 'The Adjustment' (2010), 'Rake' (2013).

++ Erstellt: Mai 2013 ++
++ Update: Mai 2014 ++
 


Picouly, Daniel

(*1948)

Daniel Picouly kam als elftes von dreizehn Kindern einer französischen Mutter und eines schwarzen, der Karibikinsel Martinique entstammenden Flugzeugschlossers im Pariser Vorort Villemomble zur Welt und wuchs dort und in Orly in bescheidenen Verhältnissen auf. Nach der Schulzeit studierte er Rechnungswesen, Betriebsführung und Recht in Paris. Anschliessend unterrichtete er fünfzehn Jahre an verschiedenen kleineren Schulen im Norden Frankreichs. 1988 wurde er Lehrer in Wirtschaft, Verkauf und Kommunikation an einem Pariser Gymnasium. Anfang der 90er-Jahre begann er zu schreiben.

Sein Werk enthält Romane für Erwachsene und Jugendliche, Bilderbücher (hervorstechend: die verfilmten Abenteuer der "schnellen" Schildkröte Lulu), autobiografische Schriften und ein Theaterstück. Darüber hinaus startete Picouly im Jahr 2002 eine Karriere beim fanzösischen Fernsehen. Unterer anderem präsentierte er während sechs Jahren die Kultursendung 'Café Picouly' auf France 5, bis sie im Juni 2011 aus dem Programm gestrichen wurde. Im November 2011 lancierte er die Sendung 'Le monde vu par…', in der er sich jeweils während 26 Minuten mit politisch bedeutenden Personen unterhält. Picouly lebt mit seiner Frau Agnès und ihrer gemeinsamen kleinen Tochter Marie zurückgezogen in einem Haus in der abgeschiedenen zentralfranzösischen Region Sologne.

Picoulys zweiter Krimi 'Nach mir die Sintflut', erschienen 1992, ist eine hoch dramatische, in einem expressionistischen Stil erzählte Geschichte mit einprägsamen Figuren. Im Mittelpunkt steht der Schwarzafrikaner Nec, der nach zweijährigem Exil in das 19. Arrondissement von Paris zurückkehrt, um seiner Jugendliebe Menga zum Tage ihrer Hochzeit (allerdings mit einem anderen Mann!) ein grosses Geschenk zu machen: Die Ermordung des südafrikanischen Kulturattachés in Paris, Breyton Van Moeurs, den er für den gewaltsamen Tod der Antiapartheid-Aktivistin Dulcie September verantwortlich macht. Das apokalyptische florentinische Fresko 'Die Sintflut' von Paolo Uccello aus dem 15. Jahrhundert dient ihm als Vorlage für die Tat. Necs Widersacher sind der psychopathische Schwager des Getöteten und der algeriengeschädigte Kommissar Lomron. Die aufgeheizte Stimmung im Viertel entlädt sich in einer Reihe von Gewaltakten.

Auf Deutsch übersetzt wurden auch der American Football-Thriller 'Die Saat der Tränen' und 'Das Licht der Irren', eine drastische, blutrünstige Rachegeschichte mit dem Zwillingspaar Ivan und Héra im Mittelpunkt (der Roman war selbst der "Série noire" zu schwarz, um ins Programm genommen zu werden!), ferner der historische Roman 'Der Leopardenjunge' aus der Zeit der Französischen Revolution sowie die zweiteiligen Jugenderinnerungen 'Fängt ja gut an, das Leben!' und 'Schwimmstunde mit Marilyn'.

Bibliografie:
'La lumière des fous' - 'Das Licht der Irren' (1991), 'Nec' - 'Nach mir die Sintflut' (1992), 'Les larmes du chef' - 'Die Saat der Tränen' (1994), 'La treizième mort du chevalier' (2003), 'La Donzelle' (2004).

++ Erstellt: April 2013 ++  


Pierce, David M.

(1932-2016)

David M. Pierce kam in Montreal zur Welt. Er arbeitete unter anderem als Möbelhändler, Zeitungsreporter, Lastwagenchauffeur, Schauspieler und Barkeeper sowie als Textschreiber für die Rockmusiker Alice Cooper, Chad & Jeremy und John Entwistle. Nachdem er einige Jahre in London und Los Angeles verbracht hatte, wurde er in Paris sesshaft und begann zu schreiben.

Pierces Hauptfigur in sechs Romanen und zwei Geschichtensammlungen ist der zwei Meter lange "Discount-Detektiv" Vic Daniel aus Los Angeles - sein Büro liegt am schäbigen Ende des Hollywood Boulevard, sein Stundensatz ist niedrig. Der coole Hawaiihemdenträger und Besitzer eines Nash Metropolitan erledigt vorzugsweise kleine, alltägliche Ermittlungsaufträge (pro Roman jeweils mehrere), die praktisch ohne Blutfluss und Gewalt ablaufen, und wird hierbei von der punkigen Teilzeitsekretärin und Möchtegern-Poetin Sara Silvetti sowie dem milchgesichtigen Gelegenheitsgauner Benny the Boy unterstützt. Die Serie lebt von schrägem Witz, dem originellen Personal und spritzigen Dialogen.

David M. Pierce, genannt "Big Dave" oder "Big D", starb im Januar 2016 in Paris, nachdem er etliche Jahre zuvor einen schweren Hirnschlag erlitten hatte.

Bibliografie:
Vic Daniel-Serie: 'Down in the Valley' - 'Down in the Valley' (1989), 'Roses Love Sunshine' - 'Rosen lieben Sonne' (1989), 'Hear the Wind Blow' - 'Hear the Wind blow' (1989), 'Angels in Heaven' - 'Angels in Heaven' (1992), 'Write Me a Letter' - 'Schreib mal wieder' (1993), 'Plane Common Sense' (Stories, 1993), 'As She Rides By' - 'Lob der Treue' (1996), 'P.I. to the Stars' (Stories, 1996).

++ Erstellt: Februar 2016 ++  


Pincus, Elizabeth

(*1957)

Elizabeth Pincus, lesbisch und früh politisiert, war Pinkerton-Detektivin in San Francisco und Filmkritikerin für das Magazin 'Haper's Bazaar' und die Wochenblätter 'LA Weekley' und 'San Francisco Weekly', bevor sie, inspiriert durch Dashiell Hammetts Kriminalwerk, in den frühen 90er-Jahren ihr alter Ego Nell Fury als Hauptfigur einer dreiteiligen - der "Hardboiled School" verpflichteten, diese aber auch parodierenden - Serie kreierte. Etwas später, im Jahr 1996, verfasste sie einige Literaturkritiken für das Internet-Magazin 'www.salon.com', danach ist sie von der Bildfläche verschwunden.

Nell Fury ist eine sympathische und humorvolle, sexuell sehr aktive Frau Mitte dreissig. Zuerst drei Jahre für eine Detektei unterwegs, verdient sie ihr Brot jetzt als waffenlose, aber schlagkräftige Privatschnüfflerin in San Francisco. Dabei machen ihr nicht nur knifflige in der Homosexuellenszene angesiedelte Fälle und ein Dauerstreit mit der örtlichen Polizei, sondern auch Liebeskummer, ständiges Magenknurren und Konflikte mit ihrer pubertierenden Tochter Madeline, genannt Pinky, einer erfrischend natürlichen Nachwuchsdichterin, die sich zeitweise bei ihrer zweiten Mutter in London aufenthält, das Leben schwer.

In Furys letztem Fall kommen im Abstand von acht Wochen zwei Männer ums Leben, die dem Anschein nach einem Umweltskandal auf der Spur waren: Zuerst der junge Schwule Kent Kishida - die Polizei hat den Fall nach halbherzigen Ermittlungen längst zu den Akten gelegt -, und jetzt der verdeckt arbeitende, jedoch nicht besonders talentierte Privatdetektiv Peko Muncie. Nell Fury geht der Sache auf den Grund, bekommt gleich eins auf die Rübe - und läuft jetzt erst recht zu grosser Form auf. Erzählt in 'Katerwalzer', dem würdigen Abschluss der gefühlsvollen Trilogie.

Bibliografie:
Nell Fury-Trilogie: 'The Two-Bit Tango' - 'Schleppertango' (1992), 'The Solitary Twist' - 'Einsamer Twist' (1993), 'The Hangdog Hustle' - 'Katerwalzer' (1995).

++ Erstellt: Januar 2012 ++  


Postgate, Raymond W.

(1886-1971)

Raymond Postgate, geboren in Cambridge als Sohn eines Lehrers, wurde am Liverpool College und am St. John's College in Oxford ausgebildet. Der Vater seiner Frau Daisy war der berühmte Pazifist und Labourpolitiker George Lansbury. Postgate selbst schug einen ähnlichen Weg wie sein Schwiegervater ein - weil er lautstark gegen den Ersten Weltkrieg opponierte, musste er 1916 für zwei Wochen ins Gefängnis, später war er Mitbegründer der Kommunistischen Partei Grossbritanniens, bevor er der Labourpartei beitrat. 1918 begann er als Journalist; er arbeitete unter anderem für den 'Daily Herald' und als Redakteur der 'Encyclopedia Britannica'. Von 1929 bis 1949 war das Verlagshaus Alfred A. Knopf sein Arbeitgeber. Darüber hinaus machte sich Postgate einen Namen als Übersetzer aus dem Griechischen, Lateinischen und Französischen und als Herausgeber von Texten zur Gastronomie. Er starb am 29. März 1971. Sein Sohn Oliver ist ein bekannter Autor und Filmemacher.

Neben Kurzgeschichten, dem Roman 'No Epitaph', Sachbüchern über die britische Arbeiterklasse und einer Biografie seines Schwiegervaters veröffentlichte Postgate drei Kriminalromane, von denen der erste (und einzige ins Deutsche übertragene) 'Das Urteil der Zwölf' bis heute überlebt hat - die den Titel 'Die 12 Geschworenen' tragende Verfilmung durch Sidney Lumet mit Henry Fonda in der Hauptrolle hat wenig bis nichts mit dem Buch zu tun.

'Das Urteil der Zwölf' ist eine originelle, stilistisch sehr ansprechende, mit feinem Humor erzählte Justizerzählung. Im ersten Teil werden die Lebensläufe, Gefühle und Vorurteile der zwölf Geschworenen (zehn Männer und zwei Frauen) detailliert beschrieben. Der zweite Teil befasst sich mit dem Kriminalfall selbst. Im Mittelpunkt steht hier Rosalie van Beer, eine abgetakelte, zu viel billigen Portwein kippende Witwe, die des Mordes an ihrem verwaisten elfjährigen Neffen Philipp angeklagt ist - Geldgier scheint das Motiv zu sein. Gerichtsverhandlung und Urteilsfindung beschliessen den dreiteiligen Roman. Nach zähen Diskussionen einigen sich die Geschworenen schliesslich auf Freispruch; eingeschlossen Victoria Mary Atkins, die als junges Mädchen einen im Dunkeln gebliebenen Mord begangenen hat - und für die klar feststeht: Die Angeklagte ist eine Mörderin. Und ganz am Schluss verblüfft Postgate den Leser mit einer hübschen Pirouette.

Bibliografie:
'Verdict of Twelve' - 'Das Urteil der Zwölf' (1940), 'Somebody at the Door' (1943), 'The Ledger Is Kept' (1953).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Pouy, Jean-Bernard

(*1946, schreibt aus als J.-B. Nacray und Arthur Keelt)

Jean-Bernard Pouy kam als Sohn eines Bahnhofvorstands und Hobbymalers und einer Hausfrau in Paris zur Welt und verbrachte seine Kindheit im Pariser Vorort Vitry-sur-Seine. Nach dem Studium der Kunstgeschichte (Schwerpunkt: Film) war er unter anderem als Lehrer für Kunst und Zeichnen, Drehbuchschreiben und szenarische Gestaltung sowie als Drehbuchautor, Journalist und Lektor tätig, bevor er 1983 seinen ersten Roman mit dem provokativen Titel 'Spinoza encule Hegel' veröffentlichte und sich bald danach in die vorderste Reihe der französischen Néo-Polar-Autoren schrieb. Seine Markenzeichen: ausgefallene Ideen, präzise Sprache, bissiger Humor, einfühlsame Figurenzeichnung und Schaffung grotesker Situationen.

Neben seinen mehr als 40 Krimis veröffentlichte Pouy zahlreiche Erzählungen, Gedichte, Essays und zwei Theaterstücke. 1995 erweckte er die berühmte Reihe 'Le Poulpe' mit dem Detektiv Gabriel Lecouvreur und dessen Freundin Chéril zum Leben. Die Serie enthält über 200 kurze, billig aufgemachte, von politisch links stehenden AutorInnen verfasste Bände und richtet sich gegen Rassismus, Machtmissbrauch, Korruption und soziale Ungleichheit.

In Pouys Romanen stehen zumeist Alt-Linke im Mittelpunkt. 'Die Schöne von Fontenay' handelt von Enric, einem taubstummen Anarchisten und Ex-Journalisten um die sechzig, der in seinem vor den Toren von Paris gelegenen Gärtchen seine Lieblingskartoffelsorte "Schöne von Fontenay" kultiviert. Er führt ein zurückgezogenes Leben, bis eines Tages die mit ihm befreundete Gymnasiastin Laura ermordet in seiner Regentonne aufgefunden wird. Mit unkonventionellen Methoden geht Enric, der zunächst selbst unter Mordverdacht gerät, dem Verbrechen auf den Grund.

'Larchmütz 5632' ist Pouys bekanntester Roman. Er dreht sich um das telepathische Rind Momone, die Nr. 5632 vom bretonischen Hof Larchmütz, der von den abgehalfterten 60er-Terroristen Benno und Adrien bewirtschaftet wird. Nach 25 Jahren werden die alten Revoluzzer nun von ihrer Dachorganisation reaktiviert, entführen auftragsgemäss einen in Cannes ansässigen Amerikaner, es kommt zu wilden Verfolgungsjagden durch halb Europa. Fast zu spät - Momone hat es längst gespürt - realisieren Benno und Adrien, dass sie hereingelegt worden sind. 'Larchmütz 5632' - ein witziger, skurriler, zeitweilig auch bitter-melancholischer, mit vielen Abenteuerelementen angereicherter Politthriller.

Jean-Bernard Pouy gründete im Jahr 2000 die 'Série grise' und betreut seit 2006 die Krimireihe 'Suite Noire' des Verlags 'éditions la branche'. Er lebt in seiner Geburtsstadt.

Bibliografie:
'Spinoza encule Hegel' (1983), 'Nous avons brûlé une sainte' - 'Feuer für Jeanne' (1984), 'Suzanne et les ringards' - 'Volle Dröhnung' (1985), 'La pèche aux anges' - 'Engelfänger' (auch unter dem Titel 'Geld für kleine Engel', 1986), 'L'homme a l'oreille croquée' - 'Verdammte Ferien!' (1987), 'Les Cles des mensonges' - 'Der Schlüssel zur Affäre' (1988), 'Le cinéma de papa' - 'Papas Kino' (auch unter dem Titel 'Sprengsatz aus der Vergangenheit', 1989), 'Cinq nazes' (1990), 'La Belle de Fonteney' - 'Die Schöne von Fontenay' (1992), 'RN 86' (1992), 'La chasse au tatou dans la pampa argentine' (1993), 'Le Bienheureux' (1994), 'La petite écuyère à cafté' - 'Pulp und die Petze' (1995), '54 x 13' (1996), 'A sec!: Spinoza encule Hegel, le retour' (1998), 'Catalogue' (1998), 'Cendres chaudes' (1998), 'Les Gros Culs' (1998), 'Larchmütz 5632' - 'Larchmütz 5632' (1999), '94' (1999), 'Démons et vermeils' (2000), '1280 âmes' (2000), 'Chasse à l'homme' (gemeinsam mit Patrick Raynal, 2000), 'Comme jeu, des sentiers…' (2000), 'L'angoisse du bancde touche au moment du coup d'envoi' (2001), 'Les roubignoles du destin' (2001), 'Prolongation' (2003), 'H4Blues' - 'H4Blues' (2003), 'Nycthémère' (2003), 'Train perdu wagon mort' (2003), 'La grand-mère à roulette' (2004), 'La farce du destin' (Gemeinsam mit Patrick Raynal, 2004), 'Le rouge et le vert' (2005), 'Avec une poignée de sable: Spionza encule Hegel 3' (2006), 'Le petit bluff de l'alcootest' (2006), 'Nus' - 'Mord im Paradies der Nackten' (2007), 'Feuque !' (2008), 'Le mur et au-delà' (2008), 'La récup'' (2008), 'Cinq bières, deux rhums' (2009), 'Zigzag' (2010).
Als J.-B. Nacray (gemeinsam mit Daniel Pennac und Patrick Raynal): 'La vie duraille' - 'Machtspiele' (1985).
Als Arthur Keelt: 'La Merle' (2002).

++ Erstellt: Dezember 2013 ++  


Powell, Richard

(1908-1999; schrieb auch als Jeremy Kirk)

Richard Pitts Powell, geboren und aufgewachsen in Philadelphia, Pennsylvania, studierte Geschichte an der Princeton University, Abschluss 1930. Anschliessend arbeitete er als Reporter der Zeitung 'Philadelphia Evening Public Ledger'. Im Zweiten Weltkrieg war er General MacArthurs leitender Nachrichtenzensor im Pazifik. Nach dem Krieg stieg er zum Vizepräsidenten des Informationsdienstes der traditionsreichen Anzeigenagentur 'N.W. Ayer & Son' in Philadelphia auf, für die er bereits 1940/41 tätig gewesen war. 1958, fünfzehn Jahre nach seinem Debüt als Krimiautor, liess er sich mit seiner vierköpfigen Familie in Florida nieder, um fortan das Schreiben im Hauptberuf zu betreiben.

Powell veröffentlichte insgesamt neunzehn Romane - Komödien, historische Romane, den Bridge-Roman 'Teuflische Spiele' und zehn Krimis -, von denen vier verfilmt wurden. Seine ersten fünf Krimis sehen das Detektivehepaar Arabella "Arab" und Andy Blake aus Philadelphia als Hauptpersonen. Der Durchbruch gelang Powell 1957 mit seinem (auch heute noch am höchsten eingestuften) Roman 'Der Mann aus Philadelphia' (im Original: 'The Philadelphian'), der Geschichte von vier Generationen einer irischen Einwandererfamilie in Philadelphia 1857 bis 1956. Powell pendelte zwischen Brant Beach, New Jersey, und Fort Myers, Florida, wo er 91-jährig starb.

Der Kriegsheimkehrer Bill Wayne steht im Mittelpunkt des Einzelwerks 'Lasst Kugeln sprechen', dessen Vorlage 'Say it with Bullets' kürzlich in der berühmten Reihe 'Hard Case Crime' wieder aufgelegt worden ist. Bill bleibt nach dem Zweiten Weltkrieg in China hängen und gründet dort mit seinen fünf Kumpanen Russ, Ken, Frankie, Cappy und Domenic eine Fluglinie. Dann kommen die Kommunisten ans Ruder, eine Massenflucht beginnt, und die Jungs um Bill geraten arg in Bedrängnis. Mit ein paar ergaunerten Kisten Gold an Bord soll's in die USA gehen, doch kurz vor der Abreise liegt Bill mit einer Kugel im Rücken auf dem Flugfeld. Er überlebt die Verletzung, kann nach Amerika fliehen, wo gleich wieder auf ihn geschossen wird. Bill macht sich nun auf die Suche nach dem Täter, den er unter seinen fünf ehemaligen Kameraden vermutet. Als diese aber reihenweise umgenietet werden, ist ihm klar, dass ein unbekannter Sechster an der Schatzsuche teilnimmt (das Gold ist damals in einem See gelandet).

Bibliografie:
Arab & Andy Blake-Serie: 'Don't Catch Me' (auch unter dem Titel 'The Case of the Curious Chair, 1943), 'All Over But the Shooting' (1944), 'Lay that Pistol Down' (1945), 'Shoot if You Must' (1946), 'And Hope to Die' - 'Auf Ehre und Gewissen' (1947);
'Shark River' - 'Der Haifisch-Fluss' (1949), 'Shell Game' - 'Das Muschelspiel' (1950), 'A Shot in the Dark' (auch unter dem Titel 'Leave Murder to me' - 'Hilf mir Johnny!' (1952), 'Say it with Bullets' - 'Lasst Kugeln sprechen' (1953), 'False Colours' (auch unter dem Titel 'Masterpiece in Murder') - 'Falsche Farben' (1954).

++ Erstellt: Juni 2011 ++  


Powell, Talmage

(1920-2000; schrieb auch als Robert Hart Davis, Robert Henry, Milton T. Lamb, Milton T. Land, Jack McCready, Dave Sands und Anne Talmage)

Talmage Powell, geboren in Hendersonville, North Carolina, aufgewachsen dort und in den Bundesstaaten Tennessee, New York und Kalifornien, wollte schon als Jugendlicher Schriftsteller werden. Er studierte Schreiben an der University of North Carolina und debütierte kurz danach, im Jahr 1942, als Autor. Unter verschiedenen Psudonymen veröffentlichte er über 500 Kurzgeschichten (neben Kriminalgeschichten auch Romanzen, Western- und Horrorstories), die in verschiedenen Pulp-Magazinen, später auch in 'Ellery Queen's Mystery Magazine', 'Mike Shayne', 'Manhunt', 'Suspense' und 'Alfred Hitchcock's Mystery Magazine' abgedruckt wurden, sowie sechzehn Romane. Darüber hinaus arbeitete er als Ghostwriter für Ellery Queen (Kurzgeschichten und zwei Beiträge zur Reihe um den einäugigen New Yorker Cop Tim Corrigan) und als Drehbuchautor für 'Alfred Hitchcock Presents'.

Von 1959 bis 1964 publizierte Powell die fünfbändige (damals sehr erfolgreiche) Ed Rivers-Serie - eine unterhaltsame Lektüre. Ed Rivers, ein ehemaliger Cop aus New Jersey, ist ein gross gewachsener, bärenstarker, ungemein hässlicher Einzelgänger. Als seine heiss geliebte Freundin mit einem Gangster, dem er auf der Spur war, durchbrannte und dabei tödlich verunfallte, schied er freiwillig aus dem Polizeidienst aus und begann zu trinken. Er hing herum und verrichtete Gelegenheitsjobs, bis er sich in der Küstenstadt Tampa, Florida, niederliess, dort die Leitung des Büros der 'Nationwide Detective Agency' übernahm und seither - stets mit einer .38er und einem im Kragen versteckten Messer bewaffnet - den bösen Buben das Fürchten lehrt. Wie fast alle guten Privatdetektive hat auch er einen guten Draht zu einem örtlichen Polizisten - zu Lieutenant Steve Ivey, einem stillen, integren und hart arbeitenden Ermittler. Rivers' beste Freunde sind Nick Martin und dessen Frau Helen.
Im zweiten Band 'Tod im Bungalow' wird Nick Martin - er leidet noch immer unter den Nachwirkungen schwerer Verletzungen, die ihm die Japaner im Zweiten Weltkrieg zugefügt haben, und greift deshalb hin und wieder zur Schnapsflasche - des Mordes an seinen japanischen (!) Nachbarn angeklagt. Ed Rivers aber ist sich sicher, dass sein Freund unschuldig ist, und macht sich auf die Suche nach dem wahren Täter, der offenbar jeden aus dem Weg räumt, der ihm gefährlich werden könnte.
(Seinen ersten Auftritt hatte Ed Rivers bereits zehn Jahre zuvor in der in 'Black Mask' publizierten Kurzgeschichte 'Her Dagger Before Me', allerdings unter dem Namen Lloyd Carter.)

Talmage Powell war verheiratet und Vater eines Sohnes. Er starb 79-jährig in Asheville, North Carolina, wo er seinen Lebensabend verbracht hatte.

Bibliografie:
Ed Rivers-Serie: 'The Killer Is Mine' (1959), 'The Girl's Number Doesn't Answer' - 'Tod im Bungalow' (1960), 'Start Screaming Murder' (1962), 'With a Madman Behind Me' - 'Der Mörder steht hinter uns' (1962), 'Corpus Delectable' - 'Man lebt nicht zweimal' (1964);
Tim Corrigan-Romane: 'Where is Bianca' (1966), 'Who Spies, Who Kills' (1966);
'The Smasher' - 'Fahrerflucht' (1959), 'The Girl Who Killed Things' (1960), 'Man-Killer' (1960), 'The Girl from Big Pine' (1961), 'The Thing in B-3' (1969).
Als Jack McCready: 'The Raper' (1962).
Als Anne Talmage: 'Dark Over Acadia' (1971).

++ Erstellt: August 2011 ++  


Prather, Richard S.

(1921-2007; schrieb auch als David Knight und Douglas Ring)

Richard Scott Prather wurde in Santa Ana, Kalifornien, geboren und verbrachte dort seine ersten sechs Lebensjahre. Die Eltern trennten sich kurz nach seiner Geburt, und Richard wuchs bei der Mutter und den Grosseltern in verschiedenen kalifornischen Städten auf, zuletzt in Riverside, wo er die High School absolvierte. Von 1940 bis 1941 studierte er ein Jahr am Riverside Junior College, den Rest des Zweiten Weltkrieges verbrachte er bei der Handelsmarine. Von 1945 bis 1949 arbeitete er bei der zivilen Luftwaffe in Riverside. Anschliessend liess er sich mit seiner Frau in Laguna Beach nieder, machte das Schreiben zum Hauptberuf und wurde - mit einer Gesamtauflage von rund 40 Millionen - einer der erfolgreichsten Autoren der Nachkriegszeit. Dem Vernehmen nach schrieb er mindestens sechzehn Stunden pro Tag, und dies an sieben Tagen pro Woche. In dieser Zeit wechselten Prather und seine Frau ein Dutzend Male den Wohnsitz - verschiedene kalifornische Orte, aber auch Arizona und Mexico City waren die Stationen.

Prathers Serienheld ist der Ex-Marine Sheldon Scott, genannt Shell, ein mutiger, in Los Angeles arbeitender Privatdetektiv mit einem sonnigen Gemüt, der seine Fälle lieber mit den Fäusten und der Waffe als mit Scharfsinn löst - eine humoristische Variante von Mickey Spillanes Mike Hammer. Shell Scott, ein gross gewachsener Ex-Marine mit fast weissen Augenbrauen, gebrochener Nase und einem von einer Kugel zerfetzten linken Ohr, kurvt mit seinem alten, kanariengelben Cadillac durch Hollywood, geniesst das Leben und liebt die Frauen.

In seinen schnellen, actionreichen, nicht sehr tief gehenden, stramm pro-amerikanischen (und anti-kommunistischen) Krimis, die im Verlauf der 39-teiligen Serie immer mehr satirische Elemente erhalten, besticht Prather mit geschickter Handlungsführung und scharf geschliffenen Dialogen. 'Double in Trouble', von Prather gemeinsam mit Stephen Marlowe verfasst, sieht Shell Scott Seite an Seite mit Marlowes Held Chet Drum im Kampf gegen eine korrupte Gewerkschaft.

Nachdem sich Prather Mitte der 70er-Jahre mit seinem Verleger überworfen hatte, stellte er die Schreibmaschine in die Ecke, zog auf eine kalifornische Ranch und war zehn Jahre als Avocadofarmer tätig. Ende der 80er-Jahre kehrte er mit zwei (nicht ins Deutsche übertragenen) Shell Scott-Titeln zurück, ohne jedoch an die früheren Erfolge anknüpfen zu können.

Knapp drei Jahre nach seiner Frau Tina, mit der er 58 Jahre verheiratet war, starb Prather 85-jährig in seinem Haus in Sedona, Arizona, wo das Ehepaar den Lebensabend verbracht hatte.

Bibliografie:
Shell Scott-Serie: 'Case of the Vanishing beauty' - 'Die Galgenvöglein' (auch unter dem Titel 'Mexico-Bar', 1950), 'Bodies in Bedlam' - 'Einer tanzte aus der Reihe' (auch unter dem Titel 'Maskiert', 1951), 'Everybody Had a Gun' - 'Keiner war waffenlos' (auch unter dem Titel 'Blaue Bohnen zum Frühstück', 1951), 'Find this Woman' - 'Schräge Vögel in Las Vegas' (auch unter den Titeln 'Karneval in Las Vegas' und 'Gefährliche Schönheit', 1951), 'Way of a Wanton' - 'Teilhaber des Todes' (auch unter dem Titel 'Dollarkätzchen' 1952), 'The Scrambled Yeggs' (zuerst als Douglas Ring unter dem Titel 'Pattern for Murder') - 'Die Gangster-Molly' (1952), 'Lie Down Killer' - 'Das schmutzige Spiel' (auch unter dem Titel 'Nächtliche Begegnung' (1952), 'Darling, It's Death' - 'Der Gorilla schickte seine Puppe' (auch unter den Titeln 'Sein gefährlichster Auftrag' und 'Sicherheit war nirgendwo', 1952), 'Ride a High Horse' (auch unter dem Titel 'Too Many Crooks' - 'Das Netz zerriss' (auch unter den Titeln 'Korruption' und 'Das Luxusweibchen', 1953), 'Always Leave 'em Dying' - 'Lasst alle tot zurück' (auch unter dem Titel 'Mord im verschlossenen Haus', 1954), 'Pattern for Panic' - 'Kleines Luder Juanita' (1954), 'Strip for Murder' - 'Mörder-Striptease' (auch unter dem Titel 'Shell Scott ist unbestechlich' 1955), 'The Wailing Frail' - 'Des Killers Töchterlein' (auch unter dem Titel 'Gangster unter sich', 1956), 'Slab Happy' - 'Ruhe sanft, Darling' (auch unter dem Titel 'Verlorenes Spiel', 1958), 'Take a Murder, Darling' - 'Der Wolf und die sieben Mädchen' (auch unter Titel 'Vulkane der Leidenschaft', 1958), 'Over her Dead Body' - 'Wenn die Puppen singen' (1959), 'Dance with the Dead' - 'Mörder, Mädchen und Pistolen' (1960), 'Dig That Crazy Grave' - 'Drei frische Gräber' (1961), 'Kill the Clown' - 'Die Mafia bittet zum Tanz' (1962), 'Dead Heat' - 'Mord auf der Rennbahn' (1963), 'The Trojan Hearse' - 'Alice im Mörderland' (1964), 'Joker in the Deck' - 'Striptease-Poker' (1964), 'The Crockeyed Corpse' - 'Cowgirls küssen kesser' (1964), 'Dead Man's Walk' - 'Die Hexe mit den heissen Höschen' (1965), 'Kill him Twice - 'Die Bienen aus dem Monsterfilm' (1965), 'The Meandering Corpse' - 'Das heisse Mädchen' (1965), 'The Kubla Kahn Caper' - 'Das Schätzchen aus dem Show-Hotel' (1966), 'Gat Heat' - 'Mord im Sexclub' (1967), 'The Cheim Manuscript' - 'Zieh dich aus, sonst knallt's' (1969), 'Kill Me Tomorrow' - 'Lulu und die Mafia' (1969), 'Dead-Bang' - 'Auf Wiedersehen im Himmelbett' (1971), 'The Sweet Ride' (1972), 'The Sure Thing' (1975), 'The Amber Effect' (1986), 'Shellshock' (1987);
'Dagger of Flesh' - 'Phoenix-Hotel, Zimmer 511' (1952).
Als David Knight: 'Dragnet: Case No. 561' (1956)
Als Douglas Ring: 'The Peddler' - 'Syndikat der Sünde' (1952).
Gemeinsam mit Stephen Marlowe: 'Double in Trouble' (1959).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Price, Anthony

(*1928)

Anthony Price wurde in der südostenglischen Grafschaft Hertfordshire geboren und besuchte die King's School in Canterbury, Kent. Von 1947 bis 1949 diente er bei der britischen Armee, zuletzt als Captain. 1952 schloss er sein Geschichtsstudium am Oxforder Merton College ab. Daraufhin arbeitete er bis 1988 als Journalist für die 'Westminster Press' sowie, ab 1972, auch als Redakteur der 'Oxford Times', wobei er vor allem die Bereiche Geschichte, Militärgeschichte und Archäologie abdeckte. Parallel dazu begann er 1970 seine (zumindest in Grossbritannien) höchst erfolgreiche, zwei Jahrzehnte dauernde Laufbahn als Verfasser von Spionageromanen. Der seit 1953 mit Ann Stone verheiratete Vater zweier Söhne und einer Tochter lebt auf dem Land in der Nähe von Oxford.

In (mit einer Ausnahme) jedem von Prices neunzehn raffiniert gebauten Romanen ist Dr. David Longsdon Audley in Aktion zu sehen, wenn auch nicht immer als Hauptfigur. David Audley, ein angesehener Autor und Historiker (Spezialgebiet: Mittelalter), wurde bereits als blutjunger Offizier, als er nach dem D-Day in Frankreich diente, vom britischen Geheimdienst rekrutiert. Seine Abenteuer bestreitet er jedoch vornehmlich im Kalten Krieg der 70er- und 80er-Jahre (Ausnahmen: 'Die Chandos-Falle', und 'Auf blutigem Boden', die während oder unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg spielen, und 'Kein Platz für Krieger' aus dem Kalten Krieg des Jahres 1957), die Geschichten werden aber jeweils mit zurückliegenden historischen Ereignissen wie dem Krieg von Troja, dem Amerikanischen Bürgerkrieg, dem Ersten oder Zweiten Weltkrieg in Beziehung gebracht - ein origineller Kunstgriff, den Price perfektioniert hat.

Weitere tragende Rollen bekleiden Jack Butler, Audleys etwa gleichaltriger Berufskollege, Paul Mitchell, ein junger Historiker, der in 'Umwege zum Ruhm' von Audley und Butler angeworben wird, der KGB-Agent Nikolaj Panin sowie die reizvolle Chemielehrerin Faith Steerforth, die Audley im ersten Roman 'Labyrinth' kennen lernt, als er dem 24 Jahre zurückliegenden Tod ihres zwielichtigen Vaters auf den Grund geht. (David und Faith heiraten später und haben eine Tochter.)

Im chronologisch ersten Band 'Aufmarsch der Esel' behandelt Price das "Wunder von Dünkirchen" - die merkwürdigen Geschehnisse in der nordfranzösischen Hafenstadt im Frühjahr 1940, die es den Alliierten ermöglicht haben, 338'000 von der Wehrmacht eingekesselte Soldaten nach England zu evakuieren. Einen wichtigen Part besetzt Major Audley, während Sohn David noch die Schulbank drückt. Als Appetizer eignen sich indes vor allem der fünfte ('Umwege zum Ruhm') und der achte ('Die Chandos-Falle') Teil der Reihe.

Paul Mitchell, dessen Grossvater als hoher Offizier in den Schützengräben der Hindenburglinie den Heldentod erlitt, recherchiert in 'Umwege zum Ruhm' für eine Arbeit über den Ersten Weltkrieg, als ein Anschlag auf sein Leben verübt wird. Fast gleichzeitig kommt sein Mentor Professor Charles Emerson gewaltsam ums Leben, nachdem er eben erst von einem Besuch der Somme-Schlachtfelder zurückkehrt ist. Im Auftrag von David Audley, getarnt als englischer Offizier, begibt sich Mitchell ins ehemalige Kampfgebiet - und stellt fest, dass dort kürzlich auch ein Veteran des Krieges 1914-18 und zwei weitere Männer ermordet wurden. Was hat sich 1916 an der Somme zugetragen, dass man noch heute, fast sechzig Jahre nach dem Krieg, Menschen skrupellos beseitigt?

'Die Chandos-Falle' spielt in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs. Verfolgt von den alliierten Truppen weichen die Deutschen im Norden Frankreichs zurück, doch der britische Major O'Conor kocht sein eigenes Süppchen. In einem Schloss an der Loire sollen nämlich wertvolle Güter versteckt sein, die der Offizier mit seiner Spezialeinheit "Chandos", der auch David Audley und Jack Butler angehören, den Franzosen wegschnappen will. Doch bald schon überstürzen sich die Ereignisse - die Grenzen zwischen Freund und Feind zerfliessen in dem Krieg, der sich in seiner Auflösungsphase befindet.

Bibliografie:
Dr. David Audley-Serie: 'The Labyrinth Makers' - 'Labyrinth' (1970), 'The Alamut Ambush' - 'Hinterhalt' (auch unter dem Titel 'Die Bombe', 1971), 'Colonel Butler's Wolf' - 'Colonel Butlers Wolf' (1972), 'October Men' - 'Oktobermänner' (1973), 'Other Paths to Glory' - 'Umwege zum Ruhm' (1974), 'Our Man in Cemelot' - 'Unser Mann in Camelot' (auch unter dem Titel 'Agent für König Artus', 1975), 'War Game' - 'Ein Spiel für Profis' (1976), 'The '44 Vintage' - 'Die Chandos-Falle' (1978), 'Tomorrow's Ghost' - 'Geister von morgen' (1979), 'The Hour of the Donkey' - 'Aufmarsch der Esel' (1980), 'Soldier No More' - 'Kein Platz für Krieger' (1981), 'The Old Vengeful' - 'Das Vengeful-Komplott' (1982), 'Gunner Kelly' - 'Gunner Kelly' (1983), 'Sion Crossing' - 'Spione am Kreuzweg' (1984), 'Here Be Monsters' - 'Unter Ungeheuern' (1985), 'For the Good of the State' - 'Im Namen der Nation' (1986), 'A New Kind of War' - 'Auf blutigem Boden' (1987), 'A Prospect of Vengeance' - 'Wer zuletzt rächt...' (1988), 'The Memory Trap' (1989).

++ Erstellt: September 2015 ++  


Price, Richard

(*1949; schreibt auch als Harry Brandt)

Richard Price, geboren und aufgewachsen als älterer von zwei Söhnen einer russisch-jüdischen Einwandererfamilie in einer multikulturellen Sozialsiedlung in der New Yorker Bronx (der Vater betrieb einen kleinen Strumpfladen, die Mutter war Hausfrau), studierte Arbeitsbeziehungen am Cornell College und Schreiben an der Columbia University in New York City. Als 24-Jähriger veröffentlichte er sein erstes Buch 'Scharfe Zeiten', die stark autobiografisch gefärbte Geschichte einer Teenager-Gang in der Bronx. Rund zwanzig Jahre später, als er sich als Drehbuchautor in Hollywood bereits bestens etabliert hatte, verfasste Price die literarisch anspruchsvollen Spannungsromane 'Söhne der Nacht' und 'Das Gesicht der Wahrheit', die beide in der fiktiven Stadt Dempsy (gemeint ist Jersey City) angesiedelt sind - eine schwere Kost: Je 600 Seiten düsterer, depressiver Stoff aus den nordamerikanischen Slums der 1990er-Jahre mit ihren Junkies, Nutten, kleinen Dealern, verzweifelten Frauen und zynischen Cops.

'Söhne der Nacht' (im Original treffender 'Clockers', sinngemäss: Strassendealer) sieht zwei auf den ersten Blick höchst gegensätzliche Figuren im Mittelpunkt: Ronald Dunham, genannt Strike, der schwarze, erst 20-jährige Anführer einer kleinen Gruppe von Kokain-Dealern, ein magerer, stotternder, vage von einer besseren Zukunft im benachbarten Manhattan träumender Kleingangster auf der einen, Rocco Klein, mit der jungen Journalistin Patty verheirateter Vater einer kleinen Tochter, ein abgebrühter, nach zwanzig harten Dienstjahren den Ruhestand herbeisehnender Detective der Mordkommission ("Ist schon ein komischer Job. Der Piepser geht los, und es könnte ein Doppelmord sein oder deine Frau, die dich daran erinnert, Bananen mit nach Hause zu bringen") auf der anderen Seite. Die beiden Kontrahenten treffen aufeinander, als Strikes Bruder Victor gesteht, im Drogenmilieu einen Mord verübt zu haben - eine Tat, die überhaupt nicht zu ihm, aber vielleicht zu Strike passt. Rocco bezweifelt denn auch, dass Victor ein Verbrecher ist, und geht dem Fall mit erstaunlichem - an Besessenheit grenzendem - Engagement auf den Grund.

In dem zweiten Dempsy-Roman 'Das Gesicht der Wahrheit', zu dessen erfolgreicher Verfilmung Price das Drehbuch schrieb, gerät das schwarze Getto in Aufruhr, als die weisshäutige Brenda Martin, allein erziehende Mutter Anfang dreissig, behauptet, ein Schwarzer habe sie aus dem Auto gezerrt und sei mit ihrem auf dem Rücksitz schlafenden vierjährigen Sohn Cody davongefahren. Lorenzo Council, ein desillusionierter schwarzer Cop mit Drogenvergangenheit (er ist 47-jährig, führt mit seiner Frau eine schwierige Ehe und hat zwei Söhne - Jason, der jüngere, sitzt wegen bewaffneten Raubüberfalls im Gefängnis, Reggie, der ältere, ein Mathematiklehrer, spricht schon lange nicht mehr mit seinem Vater), begibt sich, begleitet von der jungen, ehrgeizigen Reporterin Jesse Haus, auf die Suche nach dem Jungen. Schon bald stösst er auf erste Ungereimtheiten, und allmählich enthüllt sich ihm Brendas tieftraurige Lebensgeschichte. Price, ein Meister der direkten Rede, erzählt die (von einem authentischen Fall inspirierte) Geschichte der zerrissenen Frau, die mit ihrer Lüge ungewollt grosses Unheil anrichtet, wirklichkeitsnah und ohne Sentimentalität.

Mit seinem achten Roman 'Cash' konte Pierce endlich auch im deutschsprachigen Raum Fuss fassen. Angesiedelt in der Lower East Side, einem kleinen New Yorker Stadtteil im Südosten Manhattans, der sich im Umbruch befindet, zeichnet der Autor das präzise, facettenreiche Bild einer Gesellschaft, in der alt eingesessene Künstler, afroamerikanische und hispanische, in Sozialwohungen hausende Underdogs und illegale asiatische Einwanderer auf der einen, die das Viertel überschwemmende weisse Mittelklasse und skrupellose Spekulanten und Stadtplaner auf der anderen Seite wuchtig aufeinanderprallen. In diesem heikel strukturierten Soziotop passiert bei einem aus dem Ruder gelaufenen Raubüberfall ein Mord, dessen Urheber, zwei dunkelhäutige Jugendliche, dem Leser von Anfang an bekannt sind. Detective Sergeant Matty Clark vom NYPD - geschiedener Vater von zwei nichtsnutzigen Söhnen, die er den Grossen und den Anderen nennt (der Grosse ist ein krimineller Kleinstadtbulle, der Andere geht noch zur Schule), ein bulliger, bärbeissiger und sturer Ire - und sein Team werden mit dem recht alltäglichen Fall betraut. In weiteren Hauptrollen: Eric Cash, Geschäftsführer einer Bar und Möchtegernautor Mitte dreissig, eines der drei Opfer des Raubüberfalls, der zunächst selbst des Mordes verdächtigt wird, Billy Marcus, der Vater des Getöteten, der, arg aus dem seelischen Gleichgewicht geraten, sich immer wieder in die polizeilichen Ermittlungen einmischt, und Matty Clarks Partnerin, die clevere und toughe Latina Yolonda Bello. Der Kriminalfall spielt indes nur eine marginale Rolle - Atmospäre, komplexe Charaktere und umwerfende Slang- und Cop-Dialoge ziehen den Leser in den Bann.

Price machte sich überdies einen Namen als Verfasser von literarischen Beiträgen für verschiedene namhafte Zeitschriften wie 'New York Times', 'Rolling Stone', 'New Yorker' und 'Esquire' sowie als Drehbuchautor für die grossartige Fernsehserie 'The Wire'.

Richard Price lebte mit seiner ersten Frau, der Künstlerin Judith Hudson, mit der er zwei erwachsene Töchter (Annie und Genevieve) hat, in einem grossen Haus in Manhattan. Nach seiner Scheidung liess er sich mit seiner neuen Lebensgefährtin, der Autorin und Journalistin Lorraine Adams, in Harlem nieder.

Bibliografie:
'The Wanderers' - 'Scharfe Zeiten' (1974), 'Bloodbrothers' (1976), 'Ladies' Man' (1978), 'Clockers' - 'Söhne der Nacht' (auch unter dem Titel 'Clockers', 1992), 'Freedomland' - 'Das Gesicht der Wahrheit' (1998), 'Samaritan' (2003), 'Lush Life' - 'Cash' (2008).
Als Harry Brandt: 'The Whites' - 'Die Unantastbaren' (auf Deutsch als Richard Price, 2015)

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2015 ++

++ Update: Mai 2011 ++
++ Update: November 2015 ++
 


Prior, Allan

(1922-2006)

Allan Prior kam in Newcastle upon Tyne, Northumberland, auf die Welt und verbrachte die meiste Zeit seiner Kindheit und Jugendzeit in Blackpool. Sein Vater, ein Offizier im Ersten Weltkrieg, fand sich im Zivilleben nicht zurecht und verrichtete Vertreterjobs, seine Mutter betrieb einen Fischhandel. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er bei der RAF diente und seine ersten Stories schrieb, arbeitete Prior als Beamter, Journalist und Werbetexter, ehe er Schriftsteller wurde und von 1951 bis 1986 zehn Kriminalromane herausgab. Darüber hinaus schrieb er rund dreihundert TV-Scripts, siebzig Hörspiele, die Soap Opera 'Howard's Way', die zwischen 1985 und 1990 rund 14 Millionen Zuschauer anzog, und zehn nicht dem Krimigenre zuzurechnende Bücher, zuletzt, 1994 und 1996, die autobiografisch gefärbten Romane 'The Old Man and Me' und 'The Old Man an Me Again'. Er war einer der Begründer der höchst erfolgreichen, von 1962 bis 1978 ausgestrahlten BBC-Polizeiserie 'Z Cars', zu der er über achtzig Scripts beitrug.

Zwei Jahre nach seiner ersten Frau Edith starb Allan Prior 84-jährig in St. Albans, Hertfordshire, wo er die zweite Hälfte seines Lebens ansässig war. Er hinterliess seine zweite Frau Norma, die er 2005 geheiratet hatte, einen Sohn und zwei Töchter. Eine seiner Töchter ist die bekannte Folk-Sängerin Maddy Prior.

Priors bekanntestes Prosawerk ist 'Verhör im Zwielicht', ein komplexer und realistischer, mit mehr oder weniger glücklichen Liebesgeschichten lose verknüpfter Polizeiroman aus der nordenglischen Provinz, in dem zwei höchst ungleiche Polizisten - Inspektor Sid Savage, der alte Fuchs mit dem legendären sechsten Sinn, ein Spezialist für knallharte Verhöre, der kurz vor der Pensionierung steht, und sein intelligenter, gründliche Arbeit verrichtender Untergebener Sergeant Jack Eaves - den Mord an der vierzehnjährigen Vera Small ermitteln. Der Verdächtige ist schnell zur Hand: Stanley Norris, vorbestraft wegen Notzucht an einem jungen Mädchen. Savage nimmt ihn in die Mangel, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der eingeschüchterte Angeklagte gesteht - doch Norris ist der falsche Mann und muss laufen gelassen werden. Als kurz danach die Meldung von einem weiteren Sexualdelikt eintrifft, beginnt es zu brodeln in der engstirnigen, von Vorurteilen geleiteten Bevölkerung.

'Flieh, wenn du kannst' erzählt die Geschichte der drei gegensätzlichen Roma-Brüder Bass, Ruben, Pete und Tam. Ruben, der Älteste, hat ein gut gehendes Geschäft aufgebaut, Pete ist als verheirateter Familienvater sesshaft geworden, hat sich vom Zigeunerleben distanziert - doch Tam tanzt aus der Reihe: Er tötet (vielleicht in Notwehr) einen Bauern und muss ins Zuchthaus. Dem uralten Gesetz der Sippe folgend, setzen Ruben und Pete ihr Existenz aufs Spiel, indem sie ihrem Bruder bei der Flucht aus dem Gefängnis helfen. Doch Tam verirrt sich im gefährlichen Moor, und dann schwirrt ein Polizeihelikopter über ihm.

Bibliografie:
'A Flame in the Air' (1951), 'The Joy Ride' (1952), 'One Away' - 'Flieh, wenn du kannst' (1961), 'Z Cars Again' (1963), 'The Interrogators' - 'Verhör im Zwielicht' (1965), 'The Operators' (1966), 'The Loving Cup' (1968), 'The Contract' (1970), 'Paradiso' (1972), 'Her Majesty's Hit Man' (1986).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Procter, Maurice

(1906-1973)

Geboren und aufgewachsen in Nelson, einer Kleinstadt in der englischen Grafschaft Lancashire, riss Maurice Procter mit fünfzehn von zu Hause aus, weil er der britischen Armee beitreten wollte, er wurde jedoch auf später vertröstet. In den folgenden Jahren verrichtete er verschiedene Gelegenheitsjobs, bis er 1927 zur Halifax Borough Police in Yorkshire kam, für die er dann fast zwanzig Jahre auf Streife ging. In seiner Freizeit schrieb er damals mehrere Romane, die jedoch unveröffentlicht blieben. 1947 quittierte er den Dienst, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Mit seiner Frau Winifred, mit der er seit 1933 verheiratet war und einen Sohn, Noel, hatte, pendelte er zwischen Halifax, Spanien und Gibraltar. Er starb 67-jährig in der Royal Halifax Infirmary.

Procter ist der Begründer der britischen Police-Procedural-Novel. Sein Werk enthält zehn Standalones, zwei Krimis um Chief Inspector Philip Hunter von Scotland Yard sowie die 14-bändige Serie um Detective Chief Inspector Harry Martineau aus der fiktiven englischen Stadt Granchester (Vorbild ist Manchester), die als Procters bedeutendster Beitrag zur Kriminalliteratur eingestuft wird. Realistische, ja trockene Darstellung von Polizeiarbeit und präzise Figurenzeichnung sind die Markenzeichen des etwas unscheinbaren Autors.

Harry Martineau, mit der zickig-spröden Julia verheirateter, zum Grübeln neigender, seine Gegner mit erbarmungslosem, grauem Blick fixierender Polizist, gilt zwar als härtester Schläger der Granchester Police, ist jedoch ein durchaus liebenswerter Zeitgenosse mit einem für seinen Berufsstand ungewöhnlichen Hobby: Er spielt Klavier. Im ersten Band 'Irgendwie in dieser Stadt' kommt es zum Duell mit seinem langjährigen Intimfeind Don Starling, als dieser aus dem Gefängnis ausbricht, danach ein Mädchen überfällt, das Geld in eine Bank abliefern soll - und es tötet. Der spektakuläre Showdown findet auf dem Dach eines mehrstöckigen Hauses statt.

Bibliografie:
Chief Inspector Philip Hunter-Serie: 'The Chief Inspector's Statement' (auch unter dem Titel 'The Pennycross Murders') - 'Spuren ins Nichts' (auch unter dem Titel 'Mord im Kuckuckswald', 1951), 'I Will Speak Daggers' (auch unter den Titeln 'The Ripper' und 'Ripper Murders') - 'Mord im Auto' (1966);
Detective Chief Inspector Harry Martineau-Serie: 'Hell Is a City' (auch unter dem Titel 'Somewhere in this City') - 'Irgendwo in dieser Stadt' (1954), 'The Midnight Plumber' (1957), 'Man in the Ambush' - 'Die Entlarvung' (1958), 'Killer at Large' - 'Gesucht wird...' (1959), 'Devil's Due' - 'Des Teufels Rechnung' (1960), 'The Devil Was Handsome' (1961), 'A Body to Spare' (1962), 'Moonlight Flitting' (auch unter dem Titel 'The Graveyard Rolls', 1963), 'Two Men in Twenty' - 'Zwei von zwanzig' (1964), 'Death Has a Shadow' (auch unter dem Titel 'Homicide Blonde') - 'Blond sein ist gefährlich' (1965), 'His Weight in Gold' - 'In Gold gewogen' (1966), 'Rogue Running' - 'Jagt den Mörder' (1966), 'Exercice Hoodwink' - 'Unternehmen Spinnennetz' (1967), 'Hideaway' - 'Wer ist der Doppelgänger?' (1968);
'No Proud Chivalry' (1947), 'Each Man's Destiny' (1947), 'The End of the Street' (1949), 'Hurry the Darkness' (1952), 'Rich Ist he Treasure' (auch unter dem Titel 'Diamond Wizard') - 'Was ist Tomaszow' (1952), 'The Pub Crawler' - 'In dunklen Gassen' (1956), 'Three at the Angel' - 'Verdammte Juwelen' (1958), 'The Spearhead Death' - 'Ungeschliffene Diamanten' (1960), 'Devil in the Moonlight' - 'Bei Mondlicht kam der Teufel' (1962), 'The Dog Man' (1969).

++ Erstellt: November 2010 ++  



 

Quentin, Patrick

(gemeinsames Pseudonym für Hugh Callingham Wheeler, 1912-1987, und Richard Wilson Webb, 1901-1970; sie schrieben auch unter den Pseudonymen Q. Patrick und Jonathan Stagge)

Das Pseudonym Q. Patrick entstand Anfang der 30er-Jahre, als Richard "Ricky" Webb - der in Burnham-On-Sea, Somerset, geborene Brite emigrierte 1926 in die USA, forschte dann für ein Chemieunternehmen in Philadelphia und wurde 1942 amerikanischer Staatsangehöriger - und seine Kollegin Martha "Patsy" Kelly ihre Spitznamen zusammenlegten und den Buchstaben Q voranstellten. Gemeinsam schrieben sie zwei Romane, die auf Deutsch nicht erschienen sind. Unter dem gleichen Pseudonym verfasste Webb vier weitere Bücher: die zwei ersten allein, die nachfolgenden gemeinsam mit einer gewissen Mary Louise Aswell. Mitte der 30er-Jahre begann Ricky Webbs fruchtbare Zusammenarbeit mit Hugh Callingham Wheeler - auch er ein gebürtiger Engländer: er stammte aus Hampstead und schloss sein Studium 1933 an der University of London ab -, der eben erst in die USA ausgewandert war und, wie Webb, im Jahr 1942 die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm. Webb und Wheeler gaben ihre Bücher unter den Pseudonymen Q. Patrick, Patrick Quentin und Jonathan Stagge heraus. Nachdem Webb 1952 krankheitshalber ausstieg, verfasste Wheeler noch einige Kriminalromane allein, nun ausschliesslich unter dem Pseudonym Patrick Quentin, bevor er sich 1960 auf das Schreiben von Libretti für Musicals verlegte, 1965 aber doch noch einen letzten Krimi zu Papier brachte. Soviel zu der etwas verworrenen Webb-Kelly-Wheeler-Stagge-Quentin-Angelegenheit.

Der gemeinsamen Tätigkeit des Autorengespanns Ricky Webb & Hugh Wheeler entsprangen drei Krimiserien und etliche Standalones. Die bedeutendste Reihe dreht sich um den New Yorker Theaterproduzenten Peter Duluth, der nach dem tragischen Unfalltod seiner Frau Magdalen zu trinken beginnt, zum Entzug in eine Klinik eintritt und sich dort von seinem Kummer ablenkt, indem er auf Anraten seines Psychiaters einem höchst merkwürdigen Kriminalfall auf den Grund geht - der Beginn seiner erfolgreichen Laufbahn als Amateurerdetektiv. Darüber hinaus lernt Duluth im Sanatorium die Mit-Patientin Iris Pattison kennen, eine junge, nach dem Selbstmord ihres Vaters an Depressionen leidende Bühnen- und Filmschauspielerin, die er später heiraten wird. Die Reihe enthält acht vergnügliche Tüftelkrimis mit vielen Wendungen und Haken.

Lieutenant Timothy Trant von der New Yorker Mordkommission, ein in Princeton ausgebildeter, stets elegant gekleideter Cop, der sein gerissenes Naturell hinter nonchalantem Auftreten verbirgt, kommt in sieben Romanen und etlichen Kurzgeschichten zum Zuge und ist überdies in dem Duluth-Titel 'Fatal Widow' zu Gast (Peter Duluth revanchiert sich dafür in 'Das Ungeheuer' mit einem kleinen Besuch).

In Quentins letztem (von manchen Kritikern am höchsten eingestuftem) Krimi 'Familienschande' nimmt Trant nur eine Nebenrolle ein. Ich-erzählende Hauptperson ist Lew Denham, Anfang dreissig, dessen erste Frau Beth vor eineinhalb Jahren bei einem Bootsunfall ums Leben kam. Jetzt heiratet er die sinnenfrohe, kürzlich in einen Skandal verwickelte Britin Virginia Harwood und bringt damit Schande über seine dünkelhafte Bankiersfamilie, bestehend aus Onkel Gene, Tante Peggy, Cousin Hugo und dessen Frau Tanya. Wenig später stolpert er in seiner Wohnung über die Leiche von Virginias zwielichtigem Exmann. Hat jemand aus dem Denham-Clan Olsen umgebracht und dann den Verdacht auf Virginia gelenkt? Lew beginnt auf eigene Faust zu ermitteln - und stösst auf dunkle Familiengeheimnisse.

Für die neunteilige Serie um Doktor Hugh Cavendish Westlake und seine halbwüchsige Tochter Dawn nahmen Webb und Wheeler das Pseudonym Jonathan Stagge an. Hugh Westlake, der mit 31 Jahren (fünf Jahre vor Beginn der Reihe) seine Frau Paula verlor, praktiziert als Landarzt in der fiktiven Ortschaft Kenmore in Pennsylvania. Zu seinen Freunden gehört Inspektor Cobb, der Polizeichef der nahe gelegenen Stadt Grovestown - Westlake brachte seinerzeit Cobbs fünf Kinder zur Welt -, der ihn regelmässig für die Ermittlungen in Mordfällen beizieht. Melodramatische Szenen und eine unheimliche, ja gruselige Atmosphäre kennzeichnen die Geschichten, die sich vor ihren britischen Golden-Age-Vorbildern nicht verstecken müssen.

Bibliografie:
Peter und Iris Duluth-Serie (aka Puzzle-Serie): 'A Puzzle for Fools' - 'Puzzle für Spinner (auch unter den Titeln 'Geisterstimmen' und 'Mordgeflüster', 1936), 'A Puzzle for Players' - 'Puzzle für Spieler' (auch unter dem Titel 'Trübes Wasser', 1938), 'Puzzle for Puppets' - 'Puzzle für Puppen' (auch unter dem Titel 'Marionetten', 1944), 'Puzzle for Wantons' (auch unter dem Titel 'Slay the Loose Ladies') - 'Puzzle für Schwindler' (auch unter dem Titel 'Liebe und Mord in Reno', 1945), 'Puzzle for Fiends' (auch unter dem Titel 'Love is a Deadley Weapon') - 'Puzzle für Söhnchen' (auch unter dem Titel 'Der Mann ohne Gedächtnis', 1946), 'Puzzle for Pilgrims' (auch unter dem Titel 'The Fate of the Immodest Blonde') - 'Puzzle für Sünder' (auch unter dem Titel 'Blutige Rache', 1947), 'Run to Death' - 'Das Mädchenopfer' (auch unter dem Titel 'Wettlauf mit dem Tod', 1948), 'Black Widow' (auch unter dem Titel 'Fatal Woman') - 'Fatal Woman' (auch unter dem Titel 'Die Spinne', 1952);
Lieutenant Timothy Trant-Serie: 'Death and the Maiden' - 'Die verschwundenen Briefe' (1937, ursprünglich als Q. Patrick), 'Death for Dear Clara' - 'Die liebe Clara' (1937, ursprünglich als Q. Patrick), 'File on Claudia Cragge' (ursprünglich als Q. Patrick, 1938), 'My Son, the Murderer' (auch unter dem Titel ‚The Wife of Donald Sheldon') - 'Das Ungeheuer' (1954), 'The Man with Two Wives' - 'Bill Hardings Frauen' (1955), 'Shadow of Guilt' (1959), 'Family Skeletons' - 'Familienschande' (1965);
Einzelwerke: 'The Follower' - 'In der Falle' (1950), 'The Man in the Net' - 'Der Mann im Netz' (1956), 'Suspicious Circumstances' - 'Einer schlägt zu' (1957), 'Shadow of Guilt' - 'Im Schatten des Verbrechens' (1959), 'The Green-Eyed Monster' - 'Die Wahrheit über Maureen' (1960).
Einzelwerke als Q. Patrick: 'Cottage Sinister' (1931), 'Murder at the Women's City Club' (auch unter dem Titel 'Death in the Dovecot', 1932), 'S.S. Murder' - 'Der vierte Mann' (auch unter dem Titel 'Keiner spielt Treff-Dame', 1933), 'Murder at Cambridge' - 'Mord in Cambridge' (1933), 'The Grindle Nightmare' - 'Grauen im Grindle-Tal' (1935), 'Death Goes to School' - 'Der raschelnde Rock' (1936), 'Crimefile Number 3: The File on Fenton & Farr' (1937), 'Crimefile Number 4: File on Claudia Cragge' (1938), 'Return to the Scene' - 'Das grüne Tagebuch' (1941), 'Danger Next Door' - 'Die schöne Nachbarin' (1951), 'The Girl on the Gallows' (1954).
Als Jonathan Stagge: Dr. Hugh Westlake-Serie: 'Murder Gone to Earth' (auch unter dem Titel 'The Dogs Do Bark') - 'Die bellenden Hunde' (1936), 'Murder or Mercy' (auch unter dem Titel 'Murder by Prescription') - 'Barmherziger Tod' (1937), 'The Stars Spell Death' (auch unter dem Titel 'Murder in the Stars', 1939), 'Turn oft he Table' (auch unter dem Titel 'Funeral for Five') - 'Die unheimliche Tafelrunde' (1940), 'The Yellow Cab' (auch unter dem Titel 'Call a Hearse') - 'Das gelbe Taxi' (1942), 'The Scarlet Circle' (auch unter dem Titel 'Light from a Lantern') - 'Der rote Kreis' (1943), 'Death, My Darling Daughters' (auch unter dem Titel 'Death and the Dear Girls') - 'Frau Hiltons schöne Töchter' (1945), 'Death's Old Sweet Song' - 'Das Lied des Todes' (1946), 'The Three Fears' - 'Angst um Daphne' (1949).

++ Erstellt: August 2013 ++  


Quinnell, A.J.

(Pseudonym für Philip Nicholson, 1940-2005)

Eine schöne Szene aus den 90er-Jahren: Philip Nicholson sitzt in seinem Stammlokal 'Gleneagles' im Küstenstädtchen Mgarr auf Gozo und schaut vergnügt den Touristen zu, die den Spuren des Bestsellerautors A.J. Quinnell folgen, der auf dieser kleinen Mittelmeerinsel ansässig ist.

Philip Nicholson kam in Nuneaton, Warwickshire, während eines Angriffs der deutschen Luftwaffe zur Welt und wuchs in West Yorkshire auf. Nach der Schulzeit, die er vor allem an der Queen Elizabeth's Grammar School in Wakefield verbrachte, arbeitete er kurze Zeit für eine Schifffahrtsgesellschaft in Liverpool. Mit 20 Jahren wurde er Textilwarenhändler in Hongkong.

Nicholson verbrachte dann fast 20 Jahre als Kaufmann in verschiedenen Ländern des Fernen Ostens, hielt sich jedoch auch immer wieder in Schwarzafrika auf, bevor er Ende der 70er-Jahre Wohnsitz auf der maltesischen Insel Gozo bezog und unter dem Pseudonym A.J. Quinnell (es setzt sich zusammen aus den Initialen des Sohnes eines maltesischen Barmanns und dem Namen des walisischen Rugbyspielers Derek Quinnell und wurde erst posthum gelüftet) zu schreiben begann. Den grossen literarischen Durchbruch schaffte er 1980 mit seinem ersten (zweimal verfilmten) Roman 'Mann unter Feuer', der den Auftakt zur Reihe um den Söldner Creasy bildet.

Nicholson war in dritter Ehe mit der bekannten dänischen Krimiautorin Elsebeth Egholm verheiratet, die beiden pendelten zwischen Gozo und Dänemark und unternahmen viele Reisen. Er starb 65-jährig in seiner Wahlheimat Gozo. Den sechsten Creasy-Roman, der sich mit den frühen Jahren des Legionärs befassen sollte, konnte er nicht mehr beenden.

Quinnells bekannteste Figur ist besagter Creasy, ein aus Tennessee stammender, mit 14 Jahren Vollwaise gewordener Einzelgänger mit einer Vergangenheit als Marine (er wurde entlassen, nachdem er einen unfähigen Offizier verprügelt hatte), als Angehöriger der französischen Fremdenlegion, für die er im Fernen Osten und in Afrika ins Gefecht zog, sowie als Kriegsgefangener und Folteropfer. (Die Creasy-Serie war vor allem in Japan äusserst populär, offenbar betrachteten die Japaner Creasy als eine Art "Ronin" - einen entehrten Samurai-Krieger, der sich mit guten Taten rehabilitieren möchte).

Seitdem Creasy vor kurzem dem Söldnerleben desillusioniert den Rücken gekehrt hat, sieht der hünenhafte Mann, dessen Körper von Narben übersät ist, nicht mehr viel Sinn in seinem Leben - er widmet sich vor allem dem Rumhängen und Saufen, festen Frauenbeziehungen geht er tunlichst aus dem Weg. Und jetzt ist er fast 50-jährig und vom Alkohol arg gezeichnet, als ihm sein bester Freund Guido Arrelia in 'Mann unter Feuer' einen Job als Bodyguard vermittelt - es ist die Zeit, in der auf den Strassen Italiens reihenweise Kinder reicher Familien entführt werden. Creasys Auftraggeber ist der Stofffabrikant Ettore Balletto, der mit seiner extravaganten Frau Rika und der aufgeweckten 11-jährigen Tochter Pinta in Norditalien lebt. Obwohl Creasy sich zunächst dagegen wehrt, entsteht zwischen ihm und Pinta eine tiefe Freundschaft, die jäh endet, als das Mädchen bei einem Entführungsversuch ums Leben kommt. Creasy schwört blutige Rache. Er begibt sich auf die Insel Gozo, um für seinen Feldzug zu trainieren - und verliebt sich dort zum ersten Mal in seinem Leben ernsthaft in eine Frau.
Rasante Handlungsführung, farbig gezeichnete Charaktere und die rührende Beziehung zwischen dem schroffen, verschlossenen Krieger und dem ungemein charmanten kleinen Mädchen, aber auch eindrucksvolle Schilderungen der Inseln Malta und Gozo machen 'Mann unter Feuer' zu einem ganz besonderen Leseerlebnis.

Bibliografie:
Creasy-Serie: 'Man on Fire' - 'Der Söldner' (auch unter dem Titel 'Mann unter Feuer', 1980), 'The Perfect Kill' - 'Die Spur des Söldners' (1992), 'The Blue Ring' - 'Der blaue Ring' (1993), 'Black Horn' (1994), 'Message From Hell' (1996);
'The Mahdi' - 'Der falsche Mahdi' (1981), 'Snap Shot' (auch unter dem Titel 'The Snap') - 'Der Treffer' (1982), 'Blood Ties' - 'Blutzoll' (1984), 'Siege of Silence' - 'Operation COBRA' (1986), 'In the Name oft he Father' - 'Im Namen des Vaters' (1987), 'The Shadow' (1992), 'The Trail of Tears' (1999).

++ Erstellt: August 2011 ++  



 

Rabe, Peter

(Kürzel für Peter Rabinowitsch, 1921-1990; schrieb auch als Marco Malaponte und J. T. MacCARGO)

Peter Rabe kam in der deutschen Stadt Halle zur Welt. Mit siebzehn Jahren übersiedelte er mit seinem Vater, einem Arzt, nach New York City, um den Nazis zu entfliehen. Er studierte Psychologie an der Ohio State University, wurde an der Western Reserve in Cleveland, Ohio, mit einer Arbeit zum Thema Frustration promoviert, arbeitete danach kurze Zeit als Psychologe und veröffentlichte mehrere bedeutende Aufsätze über Verhaltensforschung.

In den 50er- und 60er-Jahren, die er im Bundesstaat Maine, später in Süddeutschland, auf Sizilien und in Spanien verbrachte, konzentrierte Rabe sich ganz aufs Schreiben. Zusammen mit John D. MacDonald und Charles Williams zählte er damals zu den Säulenheiligen der legendären 'Gold Medal Paperbacks'. Als er vom Schreiben nicht mehr leben konnte, kehrte er Ende der 60er-Jahre in die USA zurück und leitete einen Psychologiekurs an der California State University. Rabe war dreimal verheiratet (und geschieden) und hatte zwei Kinder. Er starb in seinem Haus in Atascadero, Kalifornien.

Peter Rabe, ein Meister der nüchtern-knappen Erzählweise und des lakonischen Dialogs, veröffentlichte von 1955 bis 1974 einundzwanzig Noir- und drei Spionage-Romane - sechzehn Einzelwerke, die fünfteilige Serie um Daniel Port, der im ersten Roman seine Gangsterlaufbahn beendet, fürderhin als freischaffender Troubleshooter tätig ist und sich schliesslich nach Mexiko zurückzieht, sowie die Trilogie über den Spion Manny DeWitt.

Neben den Krimis verfasste Rabe 'From Here to Maternity', eine humoristische Geschichte über die Geburt seines ersten Sohnes (1965), drei sexlastige Unterhaltungsromane und je zwei Beiträge zu den TV-Serien 'Batman' und 'Mannix' (letztere unter dem Verlagsnamen J. T. MacCARGO).

Zu Rabes bekanntesten Werken zählt 'Anatomie eines Mörders', die Geschichte des kaltblütigen, seine Arbeit perfekt ausübenden Profikillers Sam Jordan, dessen einsames und ganz durch den Beruf geprägtes Leben aus dem Ruder läuft, als eines Tages - nach der Begegnung mit der schlichten Kellnerin Betty - zum ersten Mal Gefühle und Sehnsüchte in ihm aufkeimen. Sam vermasselt seinen nächsten Job, wird für seine Arbeitgeber zum Sicherheitsrisiko und versucht jetzt verzweifelt, seine Haut zu retten.

Bibliografie:
'Stop This Man! - 'Haltet diesen Mann' (auch unter dem Titel 'Und wenn ich vor die Hunde gehe' (1955), 'Benny Muscles In' (1955), 'A Shroud for Jesso' (1955), 'A House in Naples' (1956), 'Kill the Boss Good-By' (1956), 'Agreement to Kill' (1957), 'Journey Into Terror' - 'Lockvogel Linda' (1957), 'The Cut of the Whip' (1958), 'Mission for Vengeance' (1958), 'Blood oh the Desert' (1958), 'Anatomy of a Killer' - 'Anatomie eines Mörders' (1960), 'My Lovely Executioner' (1960), 'Murder Me for Nickels' (1960), 'The Box' (1962), 'War of the Dons' (1972), 'Black Mafia' (1974);
Daniel Port-Serie: 'Dig My Grave Deep' - 'Leben in Vakuum' (1956), 'It's My Funeral' (1956), 'The Out Is Death' - 'Das tödliche Telefon' (1957), 'Bring Me Another Corpse' (1959), 'Time Enough to Die' (1959); Manny DeWitt-Serie: 'Girld in a Big Brass Bed' (1965), 'The Spy Who Was Three Feet Tall' (1966), 'Code Name Gadget' (1967).
Als J. T. MacCARGO: Mannix-Novellisationen: 'A Fine Day for Dying' (1975), 'Round Trip to Nowhere' (1975).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Raine, Jerry

(*1955)

Geboren in Yorkshire als Sohn eines britischen Polizeibeamten, aufgewachsen in Somalia und, ab 1961, in Surrey, ging Jerry Raine mit sechzehn Jahren nach Australien, um sich dort zuerst mit Gelegenheitsarbeiten, später als Folksänger in den schäbigsten Bars Sydneys durchzuschlagen. Zurück in England belegte er mit zwanzig Jahren einen Creative-Writing-Kurs, um seine Songtexte zu verbessern. 1983 landete er im Buchhandel. Er arbeitete drei Jahre im Verlagshaus Sherrat & Hughes, zwei Jahre bei 'Books Etc' und dann neun Jahre in der Krimibuchhandlung 'Murder One'. Nebenbei war er weiterhin als Folkmusiker unterwegs, etwa mit Iris DeMent, Christy Moore und Gretchen Peters. In den Nullerjahren war er erfolgreicher Geschäftsführer des Glückspiel-Buchladens 'High Stakes' in London. In seiner Freizeit verfasste er Ende der 90er seine ersten Kriminalromane. Heute lebt er an der englischen Südküste, spielt Gitarre, schreibt Songs und Krimis und steht gelegentlich auf der Bühne.

Raines zweiter Krimi 'Frankie Bosser kommt heim', eine Verbeugung vor Ted Lewis' legendärem Roman 'Jack Carters Heimkehr' (und vor Elmore Leonards Kriminalwerk), beginnt harmlos: Der psychopathische, eben aus dem unfreiwilligen Spanien-Exil nach England zurückgekehrte Gangster Phil Gator will dem alten Bosser, der ihn, mit seinem Kleinlaster durch eine Pfütze brausend, ungewollt mit Wasser bespritzt hat, bloss ein wenig verprügeln, doch dieser stirbt kurz danach an einem Herzinfarkt. Bossers hartgesottener Sohn Frankie, der sich vor einiger Zeit (nach der versehentlichen Tötung eines Polizisten) aus England absetzen musste, kehrt nun ebenfalls in seine Heimat zurück, will Abschied von seinem Vater nehmen - und sich an dessen Mörder rächen. Es folgt ein nagelharter Zweikampf, in dessen Verlauf den beiden Kontrahenten, aber auch dem mitgerissenen Leser Hören und Sehen vergeht. Die Geschichte lebt von rasanter Handlungsführung, schwarzhumoriger Erzählweise und lakonischen, aus dem Leben gegriffenen Dialogen.

Im Jahr 2006 wurde Raine von seinem Verleger abserviert. Er veröffentlicht seine Romane seither bei Kindle und als Paperbacks in der Amazon-Tochtergesellschaft mit dem wohlklingenden Namen 'Create Space Independent Publishing Platform', einem BoD verwandten Gefäss.

Bibliografie:
'Frankie Bosser Comes Home' - 'Frankie Bosser kommt heim' (1999), 'Slaphead Chameleon' (2000), 'Cowboy Dreams' (2015), 'Missing in Acton' (2015), 'No Company Allowed' (2015);
Brooklyn Rhodes-Trilogie: 'Some Like it Cold' (2006), 'Camden Calling' (2012), 'Shilo' (2015);
Chris Small-Trilogie: 'Smalltime' (1997), 'Small Change' (2002), 'Small Faces' (2016).

++ Erstellt: Oktober 2011 ++
++ Update: Oktober 2016 ++
 


Ransome, Stephen

(Pseudonym für Frederick Clyde Davis, 1902-1977; schrieb auch als Art Buckley, Murdo Coombs, Steve Ransome, Dana Sage und unter dem Verlagspseudonym Curtis Steele)

Geboren in St. Joseph, Missouri, ausgebildet am Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, machte Frederick C. Davis mit 22 Jahren das Schreiben zu seinem Hauptberuf. Unter mehreren Pseudonymen verfasste er über tausend Stories für die Pulps (u.a. Dutzende Beiträge zu den damals sehr beliebten Serien 'Secret Operator 5' und 'The Moon Man') und vierzig Kriminalromane. Mitte der 60er-Jahre stellte er die Schreibmaschine in die Ecke. Er war verheiratet und starb 75-jährig in St. Petersburg, Florida.

Seine bekanntesten Romanfiguren sind der Kriminologieprofessor und Hobbyermittler Cyrus "Cy" Hatch, der von einem Ex-Boxer namens Danny Delvan begleitet wird, Detective Lieutenant Leopoldo "Lee" Barcello sowie das Privatdetektivgespann Sidney Cole und Larry Spears (im Original heissen die beiden Detektive Schyler Cole und Luke Speare). Die Geschichten spielen in Pennsylvania, Florida und New York City, Schauplätze, an denen der Autor einige Zeit verbracht hat, und bieten gepflegte, unprätentiöse Unterhaltung; nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Lee Barcello, ein fabelhaft gut aussehender, hochintelligenter Mann hispanischer Abstammung, arbeitet als Sonderbeauftragter der Staatsanwaltschaft in einem unbenannten Ort in Florida. Er ist ein erstklassiger, stets etwas im Hintergrund agierender Ermittler mit ausgezeichneten Manieren, zudem glücklich mit einer Frau aus dem spanischen Adel verheiratet und Vater von sechs Kindern, doch sein Privatleben wird ausgeklammert. Zu Barcellos wichtigsten Bezugspersonen auf beruflicher Ebene gehört der integre Staatsanwalt Ross Quarent, der sich in 'Schweigen Sie, Herr Staatsanwalt!' in eine äusserst ungemütliche Situation manövriert und zeitweilig gar unter Mordverdacht steht. Auch in den anderen, jeweils ganz auf den Kriminalfall fokussierten Romanen steht oft eine zu Unrecht eines Verbrechens beschuldigte Person im Mittelpunkt.

Sid Cole und sein Assistent Larry Spears - einst ein viel versprechender Anwalt, der seinem Beruf dann desillusioniert den Rücken kehrte - sind in Manhattan als Privatdetektive tätig. Sie lernten sich im Zweiten Weltkrieg kennen, als sie in derselben Abteilung der Spionageabwehr Dienst leisteten, und bilden jetzt ein harmonisches, sich perfekt ergänzendes Ermittlergespann. Sid Cole ist ein übergewichtiger, phlegmatischer Pragmatiker, Larry Spears ein hagerer, ungemein eifriger Fahnder mit wachem Verstand und scharfen Sinnen - und, wie Sid neidlos zugeben muss, das eigentliche Gehirn der Agentur, die auch ein paar untergeordnete Chargen beschäftigt. Die beiden eingefleischten Junggesellen, deren Lebenslauf, Gefühlswelt und sozialpolitische Haltung dem Leser verborgen bleiben, bewohnen zusammen ein Appartment, haben jedoch neben der Arbeit dem Anschein nach keine gemeinsamen Interessen.

Bibliografie:
Als Stephen Ransome:
Standalones: 'Death Checks In' (auch unter dem Titel 'Whose Corpse?', 1939), 'A Shroud for Shylock' (1939), 'Hearses Don't Hurry' (1941), 'False Bounty' (auch unter dem Titel 'I, the Executioner') - 'Lydia soll sterben' (1948), 'The Frazier Acquittal' (1955), 'The Men in her Death' - 'Sie alle kannten Jackie' (1956), 'So Deadly my Love' - 'Kidnappers Leitmotiv' (1957), 'I'll Die for You' - 'Der Mann mit meinem Namen' (auch unter dem Titel 'Kabale', 1959), 'The Unspeakable' - 'Rivalen' (1960), 'Warning Bell' - 'Die Warnung' (1960), 'Some Must Watch' - 'In dieser Nacht' (1961), 'Without a Trace' - 'Die Spur' (1962), 'Meet in Darkness' - 'Lösegeld nur nachts' (1964), 'Crucibles of the Damned' (1976), 'Calling Car 13' (1977);
Lieutenant Lee Barcello-Serie: 'The Night, the Woman' (1963), 'One-Man Jury' - 'Tod eines Schürzenjägers' (1964), 'Alias his Wife' - 'Schweigen Sie, Herr Staatsanwalt!' (1965), 'The Sin File' (1965), 'The Hidden Hour' (1966), 'Trap No. 6' - 'Das Ende eines Blutsaugers' (1971).
Als Frederick C. Davis:
Standalones: 'Deep Lay the Dead' (1942), 'High Heel Homicide' (1961);
Professor Cyrus Hutch-Serie: 'Coffins for Three' (auch unter dem Titel 'One Murder too Many', 1938), 'He Wouldn't Stay Dead' (1939), 'Poor, Poor Yorick' (auch unter dem Titel 'Murder Doesn't Always Out', 1939), 'The Graveyard Never Closes' (1940), 'Let the Skelettons Rattle' (1944), 'Detour to Oblivion' (1947), 'Thursday's Blade' (1947), 'Gone Tomorrow' (1948);
Sid Cole & Larry Spears-Serie: 'The Deadly Miss Ashley' - 'Es begann mit einem Schlüssel' (1950), 'Lilies in her Garden Grew' (1951), 'Tread Lightly, Angel' (1952), 'Drag the Dark' - 'Suchen Sie meine Tochter!' (1953), 'Another Morgue Heard From' (auch unter dem Titel 'Deadly Bedfellow') - 'Bestellt und nicht abgeholt' (1954), 'Night Drop' - 'Erbitte dringend Hilfe' (1955).
Als Steve Ransome: 'Hear no Evil' (1953), 'The Shroud off her Back' (1953).
Als Murdo Coombs: 'A Moment of Need' (1947).

++ Erstellt: Januar 2013 ++  


Rathbone, Julian

(1935-2008)

Julian Rathbone wurde im Londoner Stadtteil Blackheath als Sohn eines (nicht verheirateten) Lehrerpaars geboren, wuchs in Liverpool auf, und ging in Dorset zur Schule. Nach seinem 1958 abgeschlossenen Englischstudium am Magdalen College in Cambridge verbrachte er drei Jahre als Englischlehrer in der türkischen Hauptstadt Ankara, wo er mit grosser Armut konfrontiert wurde. 1962, nach dem Unfalltod seines Vaters, kehrte er nach England zurück, um zuerst in London, später in Bognor Regis, West Sussex, in der Nähe seiner Mutter, zu unterrichten. 1973 heiratete er die 20-jährige Alayne Pullen, eine seiner ehemaligen Schülerinnen, mit der er einen Sohn und eine Tochter hatte. Nach längeren Aufenthalten in Spanien und Frankreich liess sich die Familie im New Forest an der englischen Südküste nieder.

Julian Rathbone, ein glänzender Stilist, der stark von Graham Greene beeinflusst wurde, war ab 1973 hauptberuflich als Schriftsteller tätig. Bis 2007 veröffentlichte der politisch links stehende Autor knapp vierzig, ein breites Spektrum abdeckende Romane, eine Handvoll Kurzgeschichten, eine Monografie über General Wellington und unzählige Beiträge für Zeitungen und Magazine. Nach langer Krankheit starb er 73-jährig in Thorney Hill, Hampshire.

In Rathbones erstem Roman 'Für eine Handvoll Diamanten', der den Auftakt zum so genannten Türkei-Quartett bildet, wird Jonathan Smollett, Englischlehrer in Ankara mit harten Fäusten, durch puren Zufall in eine Intrige verwickelt, die offenbar den Sturz der türkischen Regierung zum Ziel hat. Als seine Freundin bei einem Attentat beinahe getötet wird, sinnt Smollett auf Rache. 'Der Messerwerfer', Teil 3 des Quartetts, dreht sich um den Messerwerfer Aziz aus Aserbeidschan, den verschiedene Geheimdienste im Visier haben, weil sie ihn mit seinem Zwillingsbruder Akim verwechseln. Doch der schlaue und beherzte Aziz legt sie alle rein - und kann sich schliesslich seinen Traum erfüllen: Er wird Bauer in der Türkei, dem Land seiner Väter.

'iCarnival' gilt als Rathbones stärkstes Frühwerk. Verbotene Liebesspiele, Vogelgezwitscher, Karneval; die Idylle an der spanisch-portugiesischen Grenze wird durch die Ermordung des Führers einer Landarbeitergewerkschaft jäh gestört. Der junge Kriegshistoriker Shed, der hier mit seinen Kumpeln einen Film über Wellingtons Spanienfeldzug drehen will, kommt (kurz nach Portugals sozialistischer Revolution) den düsteren Machenschaften eines internationalen Agrarkonzerns in die Quere.

Drei kühl und nüchtern erzählte, in der fiktiven Nordseeprovinz Brabt spielende Politkrimis drehen sich um den integren und pedantischen Polizeibeamten Jan Argand, dessen verrückte Frau in einer psychiatrischen Klinik vegetiert. 'Die Umwelt-Gangster' handelt von dem multinationalen Chemiekonzern EUREAC, der gegen den Widerstand von Umweltschützern expandieren will. Doch dann verschwindet der EUREAC-Direktor spurlos. Entführung? Freiwilliges Untertauchen? Argand stösst bei seinen Ermittlungen auf eine unglaubliche Verschwörung, an der auch die Polizei beteiligt ist. In 'Vorsicht, Polizei!' plant eine mächtige faschistische Sekte den politischen Umsturz in Brabt, es kommt zu undurchsichtigen rot-braunen Verwicklungen. Teil 2 der Argand-Trilogie, 'Base Case', ist nicht ins Deutsche übersetzt worden.

'Grünfinger' ist eine ausgefeilte Geschichte um den Lebensmittel-Multi AFI, dessen Umsätze durch die besonders ertragreiche, in Zentralamerika wild wachsende Maissorte Zdt akut gefährdet sind. Eine von einem Nazi-Typen angeführte Schlägertruppe und ein ehemaliger SAS-Killer sollen das Problem für AFI definitiv lösen. Doch da gibt es noch das mutige Ehepaar Kid und Esther Carter'. Als Kid stirbt, rächt sich seine Frau auf ihre Weise an den Verantwortlichen.

'Gefährliche Spiele' kreist um den ehemaligen Soldaten und SAS-Mann Tom Cranmer, der im Auftrag eines Schweizer Multis jeden umlegt, der die lukrative Giftmüll-Entsorgung in die Ukraine behindern könnte.

Rathbones letzte auf Deutsch erschienene Werke sind die historischen Romane 'Der letzte englische König' (Rathbones kommerziell erfolgreichstes Buch), eine Geschichte über die normannische Invasion Englands im Jahr 1066 (Schlacht von Hastings); 'Die Könige von Albion', ein turbulenter Abenteuerroman aus der Zeit der englischen Rosenkriege; und der im 19. Jahrhundert angesiedelte Roman 'Der Spitzel von Waterloo'.

Die Öko-Cop-Thriller 'Accidents Will Happen' und 'Brandenburg Concerto' mit Renate Fechter als Leiterin einer norddeutschen Polizeieinheit gegen Umweltkriminalität und die Krimis 'Homage' und 'As Bad as it Gets' um den Privatdetektiv Chris Shovelin aus Bournemouth, dessen Fälle ihn in die USA bzw. nach Kenia führen, gibt es nicht in deutscher Sprache. 2007 beendete Rathbone seine literarische Laufbahn mit dem Roman 'The Mutiny' über den grossen indischen Aufstand gegen die britischen Herrscher im Jahre 1857.

2003 ist die Anthologie 'The Indispensable Julian Rathbone', eine Sammlung von Kurzgeschichten, Gedichten, Essays, Erinnerungen und Romanausschnitten, herausgekommen.

Bibliografie:
Türkei-Quartett: 'Diamond Bid' - 'Für eine Handvoll Diamanten' (1967), 'Hand Out' - 'Die Geheim-Order' (1968), 'With My Knives I Know I'm Good' - 'Der Messerwerfer' (1969), 'Trip Trap' - 'Das Geheimnis der Bronzestatuen' (1972);
Jan Argand-Trilogie: 'The Euro-Killers' - 'Die Umwelt-Gangster' (1979), 'Base Case' (1981), 'Watching the Detectives' - 'Vorsicht, Polizei!' (1983);
Renate Fechter-Romane: 'Accidents Will Happen' (1995), 'Brandenburg Concerto' (1998);
Chris Shovelin-Romane: 'Homage' (2001), 'As Bad as it Gets' (2003);
'Kill Cure' - 'Tödliches Serum' (1975), 'Bloody Marvellous' (1975), 'King Fisher Lives' (1976), 'iCarnival' - 'iCarnival!' (1976), 'A Raving Monarchist' (1977), 'Joseph' (1979), 'A Last Resort' (1980), 'A Spy of the Old School' (1982), 'Nasty, Very' (1984), 'Lying in State' - 'Der Katafalk' (1985), 'ZDT' - 'Grünfinger' (1986), 'The Crystal Contract' (1988), 'The Pandora Option' (1990), 'Dangerous Games' - 'Gefährliche Spiele' (1991), 'Sand Blind' (1993), , 'Intimacy' - 'Querubin oder der letzte Kastrat' (1995), 'Blame Hitler' (1997), 'The Last English King' - 'Der letzte englische König' (1999), 'Trajectories' (1998), 'Kings of Albion' - 'Die Könige von Albion oder die abenteuerliche Reise eines indischen Prinzen nach England zur Zeit der Rosenkriege' (2000), 'A Very English Agent' - 'Der Spitzel von Waterloo' (2002), 'Birth of a Nation' (2004), 'The Mutiny' (2007).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Raymond, Derek

(Pseudonym für Robert William Arthur Cook, 1931-1994)

Robert William Arthur "Robin" Cook, geboren in London, aufgewachsen dort und, ab 1937, in einem Landhaus in Kent als Sohn gutbürgerlicher Eltern (der Vater war ein millionenschwerer Textilfabrikant und besass mehrere Geschäfte), hatte drei ältere Halbbrüder und einen jüngeren Bruder. 1944 wurde er in Eton eingeschult, verliess die Eliteschule jedoch fluchtartig im Alter von sechzehn, um, nach Ableisten des Militärdienstes und einem kurzen, scheusslichen Intermezzo im väterlichen Betrieb, Erfahrungen auf der Strasse zu sammeln - der rebellische junge Mann empfand das Elternhaus, Eton und die Armee als Einrichtungen zur Gehirnwäsche und verabscheute das britische Klassensystem zutiefst.

Cook verbrachte die erste Hälfte der 50er-Jahre in Paris, lebte dort im überaus ärmlichen "Beat Hotel" und traf auf Allen Ginsberg, William S. Burroughs und andere Beatniks. Danach hing er vier Jahre im faschistischen Spanien herum. Er schuggelte Bilder, Autos und Tonbänder und landete im Knast, weil er sich in einer Bar lautstark über General Franco ausgelassen hatte. Ende der 50er-Jahre, während eines Aufenthalts in New York City, heiratete er ein erstes Mal, doch die Ehe hielt nur zwei Monate. Zurück in England trieb er sich zunächst in der Londoner Halbwelt rum, wo er unter anderem für Charlie Da Silva arbeitete, einen Gangster aus dem Dunstkreis der Brüder Kray, und als Organistor von illegalem Glücksspiel in Erscheinung trat. In dieser Zeit lernte er nicht nur die Methoden der organisierten Kriminalität, sondern auch jene der Polizei am eigenen Leibe kennen, Erfahrungen, die er in seinen ersten Romanen verarbeitete.

Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in der Toskana - er lebte dort in einer anarchistischen Kommune - kehrte Cook 1970 nach London zurück. Weil er von seinen Büchern nicht leben konnte (auch ein kurzer Versuch als Pornoproduzent brachte nicht den erhofften Ertrag), musste der zum dritten Mal verheiratete Vater zweier Kinder sein Brot als Nachttaxifahrer verdienen. 1974 liess er sich im südfranzösischen Städtchen Aveyron in einem baufälligen Turm aus dem 15. Jahrhundert nieder und legte die Schriftstellerei fünf Jahre aufs Eis, um sich als Dachdecker, Fahrer und Weinbauer durchzuschlagen. 1979 begann er wieder zu schreiben, und 1984 veröffentlichte er seinen ersten Noir-Roman (Teil 1 der Factory-Serie) unter dem Nom de plume Derek Raymond, der ihm in in seiner Wahlheimat, nicht jedoch im angloamerikanischen Raum zum Durchbruch verhalf und recht erfolgreich verfilmt wurde. Das Pseudonym nahm er an, um nicht mit zwei gleichnamigen Männern - dem amerikanischen Medical-Thriller Autor und dem englischen Politiker - verwechselt zu werden, in Frankreich zeichnete er seine Werke jedoch weiterhin mit Robin Cook.

Im Zentrum von Cooks/Raymonds literarischem Werk steht die grandiose fünfbändige Serie um einen namenlosen Detective Sergeant des Dezernats "ungeklärte Todesfälle A14" der "Factory", einer von Korruption geprägten fiktiven Polizeiabteilung im Londoner West End, die sich mit Morden befasst, die die untersten Schichten (Huren, Junkies usw.) betreffen. Der ich-erzählende Sergeant, ein einzelgängerischer, unbestechlicher Polizist Anfang vierzig, dessen psychopathische Frau Edie vor einigen Jahren die gemeinsame Tochter, die neunjährige Dahlia, in geistiger Umnachtung ermordete und seither in einer geschlossenen Anstalt lebt, wurde eine Zeit lang vom Dienst suspendiert, nachdem er einen Vorgesetzten verprügelt hatte, doch später reaktiviert man ihn, weil er wie kein Zweiter in Opfer einfühlen kann und den Verbrechern mit einer ungeheuren Besessenheit zu Leibe rückt, was natürlich mit dem Tod seiner Tochter zusammenhängt. Er bewegt sich stets am Rande des Abgrunds in einer von Hass und Irrsinn, Verzweiflung und Gewalt geprägten Umgebung.

Hervorstechend: Der vierte Band 'Ich war Dora Suarez', eine verstörende, ultrabrutale, an abstossenden Details reiche Geschichte um die Ermordung der jungen Aids-kranken Prostituierten Dora Suarez, die auf drei getrennten authentischen Fällen beruht; eine höchst realistische Darstellung einer trostlosen und verrotteten Welt, einer verfallenden grossstädtischen, durch Margaret Thatchers Sozialdarwinismus gelenkten Gesellschaft. Zusammen mit James Johnston und Terry Edwards von der Rockgruppe 'Gallon Drunk' spielte Cook 1993 die Platte 'I Was Dora Suarez' ein, auf der der Autor, instrumental begleitet von den beiden Musikern, aus seinem Roman vorliest.

'Wie die Toten leben', Teil 3 der Factory-Serie, handelt von der grossen, tragischen, jedoch fehl geleiteten Liebe des älteren Arztes William Mardy zu seiner schwer erkrankten Frau Marianne, einer Liebe, aus der ein übles, parasitäres Pack Profit zu schlagen versucht.

Das Einzelwerk 'Alptraum in den Strassen. Ein Paris-Thriller' ist vielleicht das hoffnungsloseste und traurigste Prosastück der gesamten Spannungsliteratur. Es handelt von Kleber, einem charakterfesten Zivilpolizisten in Paris, dessen Leben aus den Fugen gerät, als er einem alten Kumpel, der auf die schiefe Bahn geraten ist, einen Gefallen erweist. Er gerät ins Visier einer kriminellen Organisation, die sich an ihm rächt, indem sie seine heissgeliebte Ehefrau ermordet.

Kurz vor seinem Tod konnte der Autor noch seinen letzten Roman beenden: 'Roter Nebel', ein düsteres und zorniges Epos um den Schwerverbrecher Gust, der nach zehn Jahren Knast noch einmal gross absahnen will und dabei, ohne es zu merken, in eine undurchsichtige Geheimdienstaffäre gerät. Als seine Freundin von einer Killertruppe tot geprügelt wird, hat Gust nur noch den Gedanken an Rache im Kopf. Rasche szenische Schnitte, scharfe, authentische Dialoge und ergreifende innere Monologe kennzeichnen das posthum erschienene Werk.

Robin Cook - "the Godfather of British Noir" - war dem Vernehmen nach ein durchaus lebensfroher, humorvoller und optimistischer Mensch. Seine fünf Ehen - die letzte mit der französischen Filmemacherin Agnès Bert - wurden geschieden. 1992 publizierte er seine Memoiren 'Die Verdeckten Dateien' ('The Hidden Files'), eine bunte Mischung aus Autobiografie und Betrachtungen zum roman noir, die eine äusserst lohnende Lektüre bedeutet. Knapp zwei Jahre später, mit 63 Jahren, erlag er in London einer Krebserkrankung. Er hinterliess einen Sohn und eine Tochter, Sebastian und Zoe.

Bibliografie:
Als Derek Raymond: Factory-Serie: 'He Died with His Eyes Open' - 'Er starb mit offenen Augen' (1984), 'The Devil's Home on Leave' - 'Der Teufel hat Heimaturlaub' (1985), 'How the Dead Live' - 'Wie die Toten leben' (1986), 'I Was Dora Suarez' - 'Ich war Dora Suarez' (1990), 'Dead Man Upright' - 'Profil eines Serienmörders' (im deutschen Sprachraum als Robin Cook, 1993);
'Nightmares in the Street' - 'Alptraum in den Strassen' (1989), 'Not Till the Red Fog Rises' - 'Roter Nebel' (1994).
Als Robin Cook: 'The Crust in Its Uppers' (1962), 'Bombe Surprise' (1963), 'A State of Denmark' (1964), 'The Legacy of the Stiff Upper Lip' (1966), 'Public Parts and Private Places' (auch unter dem Titel 'Private Parts in Public Places', 1967), 'The Tenants of Dirt Street' (1971), 'Le Soleil qui s'éteint' (französische Übersetzung des im Original nicht veröffentlichten Romans 'Sick Transit', 1982).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Oktober 2011 ++
++ Update: Juli 2012 ++
++ Update: März 2013 ++
 


Raynal, Patrick

(*1946, schreibt auch als J.-B. Nacray)

Patrick Raynal wurde in Paris geboren und wuchs im Südwesten Frankreichs auf, zuerst bei seiner Mutter, ab 1960 bei seinem damals in Saint-Paul-de-Vence lebenden Vater. Er studierte Französische Literatur an der Universität Nizza mit einem Abschluss 1969. In dieser Zeit wurde er aufgrund von linksradikalen Aktivitäten zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Nach dem Militärdienst bei den Gebirgsjägern verrichtete er Gelegenheitsjobs in der Bretagne, kehrte dann an die Côte-d'Azur zurück und arbeitete dort kurze Zeit als Versicherungsagent.

Anfang der 80er-Jahre begann der glühende Raymond Chandler-Verehrer seine Laufbahn als Krimiautor. Daneben arbeitete er als Literaturkritiker für die Tageszeitungen 'Nice Matin' (1982-88) und 'Le Monde des Livres' (1990-95), als Übersetzer aus dem Englischen, Verfasser von zahlreichen Vorworten zu Romanen sowie als Kinder- und Drehbuchautor. Von 1991 bis 2004 war er Herausgeber der 'Série Noire' im Pariser Verlagshaus Gallimard. Danach wechselte er zum Fayard-Verlag, wo er bis 2009 die Sammlung 'Fayard Noir' betreute.

Der seit 1970 mit der Übersetzerin und Autorin Arlette Lauterbach verheiratete Vater dreier erwachsener Kinder lebt heute in seiner Geburtsstadt und unterrichtet seit 2010 Kreatives Schreiben am Institut des Sciences Politiques.

Aus Raynals umfangreichem Werk sind nur wenige Titel ins Deutsche übertragen worden: Die Krimis 'Halbmond über Nizza', 'Pulp und der Riss im Beton' aus der Reihe 'Le Poulpe' und 'In der Hitze von Nizza' sowie der Kurzroman 'Landungsbrücke für Engel' und die Erzählung 'Ein Fisch namens Le Capitaine' aus dem Sammelband 'Corbucci', beide mit Privatdetektiv Giuseppe Corbucci als Hauptfigur.

In 'Pulp und der Riss im Beton' ermittelt Gabriel Lecouvreur alias "Le Poulpe" in dem bretonischen Kaff Kerletu, als dort Schiffe versenkt werden und dubiose Immobilien-Spekulanten ein Grundstück nach dem andern aufkaufen, obgleich das Militär einen grossen Teil der Küste gesperrt hat - und kommt nach manchen Rückschlägen, amourösen Verwicklungen und Alkoholexzessen einer grossen Sache auf die Spur.

'Landungsbrücke für Engel' dreht sich um den frisch gebackenen Privatschnüffler Giuseppe Corbucci aus Nizza, einen allein stehenden, versoffenen, meistens blanken Ex-Journalisten mit linksradikaler Vergangenheit, der sich das Rüstzeug für seinen neuen Beruf mit der Lektüre von Chandlers Büchers erwarb und jetzt, in seinem ersten Fall, kriminelle Maschenschaften der höchsten Kreise seiner Stadt ans Licht zu bringen droht. In den im Sammelband 'Corbucci' aufgezeichneten Fällen verschlägt es den hart gesottenen Detektiv unter anderem nach Tijuana, Sarajevo und Bamako, die Hauptstadt Malis.

Raymond Matas, Protagonist des vorzüglich ins Deutsche übertragenen Krimis 'In der Hitze von Nizza' - in den 70er-Jahren als linksradikaler Studentenführer auf Achse, jetzt Kripokommissar in Nizza - ist ein einsamer, desillusionierter Säufer und Misanthrop Anfang vierzig mit riesiger Wampe. Sein aktueller Fall kreist um einen vermummten Motorradfahrer, der ein kleines Juweliergeschäft ausgeraubt und dabei das alte Inhaberpaar erschossen hat. Fast gleichzeitig erfährt Matas, dass er einen 23-jährigen Sohn namens Emmanuel hat, der seit kurzem spurlos verschwunden ist - ist er der gesuchte Verbrecher? In Matas erwachen Vatergefühle, er versucht mit allen Mitteln, seinen Sohn aufzuspüren, ihn aus dem Dreck zu ziehen - und findet dabei vor allem sich selbst, seine Vergangenheit, sein wahres Gesicht. In einer wichtigen und vielschichtigen Rolle: Matas' (und Raynals) Stadt Nizza: "Das Bild einer alten Stadt - arm und grimmig, doch fest entschlossen, allein das geschminkte Gesicht einer hartnäckigen Verführerin von sich sehen zu lassen".

Die im Jahr 2008 veröffentlichte autobiografische Erzählung 'Lettre à ma grand-mère' widmete Raynal seiner Grossmutter Marie Pfister, die als Mitglied der Résistence im März 1944 von den Nazis verhaftet und nach Ravensbrück deportiert worden war - und überlebte.

Bibliografie:
'Un tueur dans les arbres' (1982), 'La clef de seize' (1982), 'Ombres blanches' (1982), 'Nice, 42. Rue' (1985), 'Nostalgia in Times Square' (1987), 'Fenêtre sur femmes' (1988), 'Nice-Est' - 'Halbmond über Nizza' (1988), 'Arrêt d'urgence' (1990), 'Le Poulpe - arrêtez le carrelage' - 'Pulp und der Riss im Beton' (1995), 'Né de fils inconnu' - 'In der Hitze von Nizza' (1995), 'Un tueur dans les arbres' (1996), 'Un ornithorynque dans le tiroir' (1996), 'Blue movie' (1997), 'En cherchant Sam' (1998), 'Le marionnettiste' (1999), 'Le ténor hongrois' (1999), 'Chasse à l'homme' (gemeinsam mit Jean-Bernard Pouy, 2000), 'La poignée dans le coin' (2001), 'La farce du destin' (gemeinsam mit Jean-Bernard Pouy, 2004), 'Ex' (2009), 'Au service secret de Sa Sainteté' (2012);
Giuseppe Corbucci-Serie: 'Corbucci' (sechs Kriminalerzählungen, darunter 'Ein Fisch namens Le Capitaine', 2001), 'Le débarcadère des anges' - 'Landungsbrücke für Engel' (2006), 'Retour au noir' (2006).
Als J.-B. Nacray (gemeinsam mit Daniel Pennac und Jean-Bernard Pouy): 'La vie duraille' - 'Machtspiele' (1985).

++ Erstellt: Juli 2013 ++  


Reaves, Sam

(Pseudonym für Samuel Allen Salter, *1954; schreibt auch als Dominic Martell)

Sam Reaves wurde als Samuel Allen Salter in einer kleinen Stadt in Indiana geboren und wuchs in Chicago auf. Er absolvierte ein Philosophie- und Linguistikstudium am Knox College im Bundesstaat Illinois und an der University of Jordan in der jordanischen Hauptstadt Amman, bereiste die Welt und arbeitete einige Zeit als Englischlehrer und Übersetzer, ehe er zu schreiben begann. Heute lebt er als freier Autor mit seiner Frau und den beiden Kindern in Evanston, Illinois.

In Reaves' frühen Krimis steht der hartgesottene Chicagoer Taxifahrer und Vietnam-Veteran Cooper MacLeish im Mittelpunkt. 'Ein herbstlicher Fall' dreht sich um den Tod von Vivian Horstman, Coopers Flamme aus fernen Collegezeiten: Selbstmord oder Mord? Cooper macht sich auf die Suche nach Vivians 14-jährigem Sohn Dominic, der nach dem Tod seiner Mutter untergetaucht ist, und dessen Vater er sein könnte. Reaves überzeugt in seinem ersten Roman mit realistischer, unaufgeregter Erzählweise, detailreichen Schilderungen der gewalttätigen Grossstadt Chicago und wartet immer wieder mit verblüffenden Wendungen auf.

'Dooley's Back' erzählt die harte Geschichte des Chicagoer Cops Frank Dooley. Als seine Frau Consuelo vergewaltigt und ermordet wird und der Täter wegen eines "technischen Fehlers" auf freien Fuss kommt, bläst Dooley ihm den Kopf weg. Er quittiert den Polizeidienst und setzt sich nach Mexiko ab. Acht Jahre später kehrt er in seine Heimatstadt zurück und lässt sich bei seinem früheren Partner und besten Freund Roy Ferguson nieder, dessen Ehe nach dem Ertrinkungstod ihres kleinen Sohns zerbrochen ist. Doch Ferguson hat Spielschulden bei einem aufstrebenden Gangster namens Johnny Spano und gerät immer tiefer in den Sumpf der organisierten Kriminalität, aus dem ihn einzig Dooley ziehen kann.

Der zweite, viele Jahre früher, im Sommer 1969 spielende Dooley-Roman 'Homicide 69' kreist um Franks Vater Mike, Detective bei der Mordkommission Chicago mit zwanzig Dienstjahren auf dem Buckel, der dem sadistischen Mord an der jungen Sally Kotowski, der Ex-Freundin eines Gangster, auf den Grund geht. Reaves erzählt die fast 500 Seiten umfassende Geschichte in recht gemächlichem Tempo und wirft immer wieder Seitenblicke auf wichtige Ereignisse jener Zeit - auf den Vietnamkrieg, an dem Franks ältester Sohn Kevin teilnimmt, die Manson-Morde, das Woodstock-Festival, die erste Mondlandung und die "Black Panther"-Bewegung.

Unter dem Pseudonym Dominic Martell publizierte der Autor von 1998 bis 2001 drei Politthriller, in denen Pascual Rose aus Barcelona die Fäden zieht. Pascual war Terrorist der Palästinensischen Befreiungsfront und hatte unzählige Menschen auf dem Gewissen, als er ausstieg und seine Mitkämpfer an den Mossad und die CIA verriet. Mit einer neuen Identität ausgestattet, hält er sich in seiner Heimatstadt Barcelona mit Gelegenheitsjobs über Wasser, hängt in den Bars herum, verlustiert sich hin und wieder mit der Witwe Vidal - bis er von der Vergangenheit, verkörpert durch die schöne baskische Terroristin Katixa, eingeholt wird.

Bibliograpfie:
Cooper MacLeish-Serie: 'A Long Cold Fall' - 'Ein herbstlicher Fall' (1991), 'Fear Will Do It' - 'Die Angst wird dafür sorgen' (1992), 'Bury it Deep' (1993), 'Get What's Coming' (1995);
Dooley-Romane: 'Dooley's Back' (2002), 'Homicide 69' (2006);
'Mean Town Blues' (2008).
Als Dominic Martell: Pascual Rose-Serie: 'Lying, Crying, Dying' - 'Pascuals zweites Leben' (1998), 'The Republic of Night' (1999), 'Gitana' (2001).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Reverte, Jorge M.

(*1948)

Jorge Martinez Reverte - jüngerer Bruder des berühmten Reisebuchautors Javier Reverte - arbeitet in seiner Geburtsstadt Madrid als Journalist für verschiedene Zeitungen und einen Radiosender. Daneben verfasste er Bücher über den spanischen Bürgerkrieg, eine Kurzgeschichtensammlung und neun Kriminalromane, darunter die sechs Bände umfassende, äusserst langlebige Reihe um den Wirtschaftsjournalisten Julio Galvez, einen liebenswerten, etwas trotteligen und nicht besonders mutigen, jedoch zur Selbstironie fähigen Helden aus Fleisch und Blut, der immer wieder in wilde Abenteuer verwickelt wird.

In der vergnüglichen Erzählung 'Baskisches Wechselgeld' soll Galvez in Auftrag eines schwedischen Multis Lösegeld für einen entführten Direktor einer baskischen Filiale an die ETA überbringen. Die Entführung erweist sich indes als trostlose Betrugs- und Liebesgeschichte, in der Madrilenen und Basken gleichermassen ihr Fett abkriegen.

'Galvez stösst an Grenzen' spielt im Madrid kurz vor Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, auf dem Höhepunkt des New-Economy-Irrsinns. Jugendliche marokkanische Sans-papiers nehmen japanischen Touristen Wertgegenstände jeglicher Art ab, um ihr trostloses Leben zu finanzieren. Dummerweise geraten ihnen diesmal vertrauliche Dokumente über das multinationale Dotcom-Unternehmen "Matador" in die Hände: Die Dokumente kommen einer japanischen Berufskollegin des Protagonisten abhanden, während dieser ihr die Stadt zeigt. Als kurz danach die verkohlten Leichen von zwei marokkanischen Kindern aufgefunden werden, beginnt Galvez zu recherchieren - und kommt den krummen Machenschaften des Konzerns auf die Spur.

Bibliografie:
Julio Galvez-Serie: 'Demasiado para Galvez' (1979), 'Galvez en Euskadi' - 'Baskisches Wechselgeld' (1983), 'Galvez y el cambio del cambio' (1995), 'Galvez en la frontera' - 'Galvez stösst an Grenzen' (2001), 'Gudari Galvez' (2005), 'Galvez entre los leones' (2013).
Einzelwerke: 'Terrorista. El mansejero' (1980), 'Una vida de heroe' (1991), 'Triple agente' (2007).

++ Erstellt: Juni 2015 ++  


Rice, Craig

(Ursprünglich Georgiana Ann Randolph Craig, 1908-1957; schrieb auch als Daphne Sanders und Michael Venning)

Georgiana Craig kam 1908 in Chicago auf die Welt. Ihre äusserst reisefreudigen Eltern Mary und Harry "Bosco" Craig waren verhinderte Künstler, und Georgiana wuchs vorwiegend bei Boscos Halbschwester und deren Mann auf, bei Nan und Elton Rice, die sie 1921 adoptierten - daher der Name Georgiana Craig Rice (den Vornamen liess sie später weg). Das kinderlose Ehepaar Rice lebte damals in Fort Atkinson, Wisconsin, später auf einer Ranch in Okanagon County, Washington, und in San Diego, Kalifornien, und kümmerte sich liebevoll um seine Adoptivtochter. Früh schon weckte Onkel Elton Georgianas Interesse für Kriminalliteratur, indem er ihr Geschichten von Edgar Allan Poe vorlas. Nach dem Abschluss der Orowille High School, Washington State, im Jahr 1924 studierte Georgina kurz am State Teacher's College in San Diego. Anschliessend, von 1926 bis 1930, hielt sie sich in Chicago auf, schrieb Lyrik und Prosa, spielte Klavier und arbeitete als Journalistin. Ihrer 1927 mit dem 16 Jahre älteren britischen Journalisten Arthur Follows geschlossenen Ehe entsprangen zwei Töchter, Nancy und Iris.

Nach der Scheidung 1931 lebte sie (höchst wahrscheinlich unverheiratet) mit dem 20 Jahre älteren Journalisten Bertie Ferguson in Evanston bei Chicago und hatte mit ihm einen Sohn, David. Ihr Brot verdiente sie bei einer Radiostation. 1939, im Jahr, in dem ihr erster Krimi erschien, erlag Ferguson einem Herzanfall, wenig später heiratete Rice den Beat-Poeten Lawrence "Larry" Lipton, einen gewalttätigen Säufer, mit dem sie 1942 ins kalifornische Santa Monica zog. Die Scheidung folgte 1947, die nächste Heirat 1948, diesmal mit dem elf Jahre jüngeren Drehbuchautor Henry "Hank" DeMott, doch nach einem Jahr war Schluss. Während eines längeren Aufenthalts in einer psychiatrischen Klinik (Rice litt vermutlich an einer bipolaren Störung, trank Unmengen Alkohol und beging mehrere Suizidversuche) lernte sie den Mit-Patienten Paul Bishop kennen, einen äusserst labilen Möchtegernautor und Schläger, mit dem sie sich 1950 in Chihuahua, Mexiko, vermählte, die Ehe wurde aber bald wieder aufgelöst.

1952 zog Rice nach New York City, um ihrer schriftstellerischen Laufbahn neuen Schwung zu verleihen - ein hoffnungsloses Unterfangen, denn der Alkohol und ihre unseligen Männergeschichten hatten Geist und Körper bereits zerstört. Fünf Jahre später starb sie 49-jährig in ihrer Wohnung in Los Angeles. Sie hinterliess ihre drei Kinder, um die sie sich - nach dem Vorbild ihrer eigenen Eltern - nie gross gekümmert hatte. Eine umfassende Biografie der Autorin samt Würdigung ihres Werks kann im Internet abgerufen werden (Jeffrey A. Marks: 'Who Was That Lady? Craig Rice: The Queen of the Screwball Mysteries', 2011).

In den 40er- und 50er-Jahren galt Rice als Königin der, Kriminalkomödie, als "The Queen of the Screwball Mystery". Ihr Bekanntheitsgrad erreichte damals beinahe jenen von Agatha Christie, und sie war die erste Krimiautorin, deren Konterfei (am 28. Januar 1946) auf dem Cover des 'Times Magazine' prangte. Rices gefälligste, mit raffinierten Plots, verblüffenden Wendungen und wilden Szenen aufwartende Bücher kamen zwischen 1942 und 1944 heraus. Bekannt wurde die Autorin vor allem mit ihrer elfteiligen Serie um den kleinen und dicklichen, überaus trinkfreudigen, aber auch mutigen, das Gesetz recht eigenwillig auslegenden Chicagoer Strafverteidiger bzw. Privatermittler John J. Malone, dessen Anzüge aussehen, als ob er damit seit sechs Wochen unter einer Brücke genächtigt hätte, und seinen jungen Trinkkumpanen und Sidecicks - der grosse, dünne, rothaarige Ex-Reporter und aktuelle Presseagent Jake Justus und die schöne, etwas überspannte, durch eine Erbschaft reich gewordene Helene Brand, die im dritten Roman heiraten. Mit von der Partie sind oft auch Captain Daniel von Flanagan von der Mordkommission Chicago, Malones leidgeprüfte Sekretärin Maggie und Malones gut ausgelasteter Barkeeper Joe the Angel.

Von Rices Trilogie um die quer durch die USA reisenden Fotografen Bingo Riggs und Handsome Kusak, die immer wieder in Verbrechen verwickelt werden, liegen der erste und dritte (von Ed McBain zu Ende geschriebene) Titel auf Deutsch vor. Eine weitere Serienfigur ist der unscheinbare Privatdetektiv Melville Fairr aus New York City, Antiheld einer vergleichsweise düsteren Trilogie, die unter dem Pseudonym Michael Venning erschienen ist.

Als Rices bestes Buch gilt der Standalone 'To Catch a Thief' (1943 unter dem Pseudonym Daphne Sanders erschienen), von dem es keine deutsche Übersetzung gibt. Darüber hinaus verfasste die ungemein fleissige, ja besessene Autorin Erzählbände (etwa 'The Name is Malone' sowie 'People vs. Withers and Malone', den sie gemeinsam mit ihrem Freund Stuart Palmer verfasste), Texte zu wahren Verbrechen und Filmdrehbücher. Zudem hatte sie Ende der 40er-Jahre ein eigenes Radioprogramm ('Murder and Mr. Malone') und betätigte sich auch noch als Ghostwriter für die berühmte Stripperin Gypsy Rose Lee, mit der sie befreundet war, und den Schauspieler George Sanders.

In jedem ihrer Romane kommen Waisen vor oder Kinder, die von ihren Eltern verlassen worden sind...

Bibliografie:
John J. Malone-Serie: 'Eight Faces at Three' (auch unter den Titeln 'Death at Three' und 'Murder Stops the Clock') - 'Drei Stunden nach Mitternacht' (1939), 'The Corpse Steps Out' (1940), 'The Wrong Murder' (1940), 'The Right Murder' (1941), 'Trial by Fury' - 'Mord im Gerichtshof' (auch unter dem Titel 'Mr. Malone greift ein', 1941), 'The Big Midget Murders' (1942), 'Having a Wonderful Crime' - 'Die vertauschten Köpfe' (1943), 'The Lucky Stiff' (1945), 'The Fourth Postman' - 'Der Tod kam mit den Briefen' (1948), 'My Kingdom for a Hearse' - 'Die schöne Delora' (1956), 'Knock for a Loop' (auch unter dem Titel 'The Double Frame') - 'Die Schlinge um Malone' (1957), 'But the Doctor Died' (1967);
Riggs & Kusak-Trilogie: 'The Sunday Pigeon Murders' - 'Ein Mann namens Tauber' (auch unter dem Titel 'Die grosse Verwirrung', 1942), 'The Thursday Turkey Murders' (1943), 'The April Robin Murders' - 'Der Fall April Robin' (auch unter dem Titel 'Mord in der Traumfabrik', 1958, beendet von Ed McBain);
'Telefair' (auch unter dem Titel 'Yesterday's Murder' (1942), 'Home Sweet Homicide' - 'Mutti hasst die Polizei', 1944), 'Innocent Bystander' - 'Sarg mit schöner Aussicht' (auch unter dem Titel 'Zeugen gesucht', 1949), 'Mrs. Schultz is Dead' (1955).
Unter dem Pseudonym Michael Venning: Melville Fairr-Trilogie: 'The Man Who Slept All Day' (1942), 'Murder Through the Looking Glass' (1943), 'Jethro Hammer' (1944).
Unter dem Pseudonym Daphne Sanders: 'To Catch a Thief' (1943).

++ Erstellt: August 2011 ++  


Richardson, Robert

Robert Richardsons Biografie ist nur lückenhaft bekannt. Er kam höchst wahrscheinlich 1940 in Manchester zur Welt und war von 1960 bis 1987 für verschiedene Zeitungen (unter anderem den 'Observer' und die 'Daily Mail') und die BBC tätig. Anschliessend arbeitete er freiberuflich für 'The Times' und 'The Independent'. Richardson ist Vater zweier Söhne und lebt mit seiner zweiten Frau Sheila in Old Hatfield nördlich von London.

Von 1985 bis 1992 veröffentlichte Richardson sechs vergnügliche, mit Schauerelementen angereicherte Krimis, in denen der Londoner Bühnenautor und Amateurdetektiv Augustus "Gus" Maltravers und seine impulsive Lebensgefährtin, die Schauspielerin Tess Davy, im Rampenlicht stehen. Der erste Band 'Bretter, die den Tod bedeuten' spielt in einer kleinen Stadt bei London, wo das 'Arts Festival' seine Premiere erlebt - mit Beteiligung Maltravers', dessen jüngstes Bühnenwerk hier uraufgeführt werden soll. Drei Geschehnisse überschatten jedoch die Festspiele: Zuerst kommt eine wertvolle Bibel aus dem 16. Jahrhundert abhanden, dann verschwindet kurz nach ihrem spektakulären Gastauftritt die beliebte Londoner Schauspielerin Diana Porter, und wenig später wird eine weibliche Hand an die Tür des Domherrn Michael Cowan, Maltravers' Schwager, genagelt - der kriminalistische Spürsinn des Detektivs wird einer harten Prüfung unterzogen. Lange Zeit tappt Gus im Dunkeln, der Zusammenhang zwischen dem Diebstahl und dem andern Verbrechen erschliesst sich ihm erst, als es schon fast zu spät ist.

Anfang der 90er-Jahre wandte sich Richardson dem psychologischen Krimi zu. 'Von fremder Kinder Hand' beleuchtet eine Familientragödie, deren Ursprung mehr als dreissig Jahre zurückliegt. Harold Barlow, ein hartherziger Mann Ende fünfzig, wurde damals von seinen drei Kindern - der 18-jährigen Naomi und den 14-jährigen Zwillingen Richard und Timothy - getötet, als er mit einer unheilbaren Gehirnerkrankung bewusstlos im Krankenhaus lag - eine Tat, die nie ans Licht kam. Sprung in die Gegenwart der frühen 90er-Jahre: Harolds reizende Witwe Florence, ihre drei Sprösslinge, deren Lebenspartner und Naomis erwachsene Kinder Roberta und David feiern wie jedes Jahr gemeinsam Weihnachten im ländlichen Wohnsitz von Naomis Gatten Charles Stansfield, einem wohlhabenden Banker. Doch diesmal kommen keine festlichen Gefühle auf: Alte Geschichten werden aufgewärmt, in einem der Geschenkpakete ist eine Schrotflinte, es kommt zu einem Seitensprung - und dann entlädt sich die aufgeheizte Stimmung in Gewalt. In diesem eigenwillig gebauten, stilistisch vielfältigen Roman lässt der Autor jedes Familienmitglied in mindestens einem Kapitel als Ich-Erzähler zu Wort kommen.

'Schlagzeilen' erzählt die aufwühlende Lebensgeschichte der Kolumnistin und Schundautorin Katrina Darcy, die vom zerrissenen Mädchen zum gefeierten Medienstar aufgestiegen ist - von ihrer gescheiterten Ehe und der delikaten Beziehung zu ihrer Tochter, von ihren Affären und Freundschaften. Doch jetzt ist die 46-Jährige spurlos verschwunden und wird fieberhaft gesucht, nicht nur von besorgten Kollegen, sondern auch von Klatschreportern der Konkurrenzblätter, die eine sensationelle Story wittern - während der Leser von Anfang an weiss, dass Katrina in ihrem Cottage in Cornwall nach einer Kopfverletzung im Sterben liegt. Richardson erweist sich in dem vorwiegend aus der Sicht der Protagonistin erzählten, mit scharfen, auch satirischen Seitenhieben auf die Welt des Boulevardjournalismus aufwartenden Roman als ausgezeichneter Kenner der menschlichen Seele.

Bibliografie:
Gus Maltravers-Serie: 'The Latimer Mercy' - 'Bretter, die den Tod bedeuten' (1985), 'Bellringer Street' - 'Sherlock Holmes im Tresor' (1989), 'The Book of the Dead' (1989), 'The Dying of the Light' (1990), 'Sleeping in the Blood' (1991), 'The Lazaraus Tree' (1992);
'The Hand of Strange Children' - 'Von fremder Kinder Hand' (1993), 'Significant Others' - 'Schlagzeilen' (1995), 'Victims' (1997).

++ Erstellt: März 2012 ++  


Ridley, John

(*1965)

John Ridley kam in einem Vorort von Milwaukee, Wisconsin, als Sohn einer Lehrerin und eines Arztes zur Welt und wuchs auch dort auf. Nach der High School ging er nach New York, studierte dort ostasiatische Kultur und lebte anschliessend ein Jahr in Japan. Zurück in New York begann er eine Karriere als Stand-up-Comedian.

1990 zog es Ridley nach Hollywood. Er schrieb Drehbücher, führte Regie, produzierte die höchst erfolgreiche TV-Serie 'Third Watch' und schrieb Zeitungsartikel über seine Erfahrungen als schwarzer Hollywood-Autor, aber auch über Politik, Rassenfragen und die Medienindustrie. 1997 debütierte er im Krimigenre. Sein belletristisches Werk enthält (neben zwei Sciencefiction-Thrillern, einem Roman über den Showbizz und drei Graphic Novels) vier bitterböse Noir-Romane, von denen die ersten zwei auf Deutsch vorliegen. Rasante Handlungsführung, sprachliche Ausdruckskraft, ein feines Gespür für komische Szenen und flüssige Dialoge sind die ins Auge stechenden Stärken des Elmore Leonard verpflichteten Autors und Los-Angeles-Hassers, der seit 1998 mit Gayle Yoshida verheiratet ist, einer Berufsspielerin japanischer Herkunft.

'U-Turn. Kein Weg zurück' (im Original 'Stray Dogs', in den Kinos unter dem Titel 'U-Turn' mit Ridley als Drehbuchautor, Oliver Stone als Regisseur und Sean Penn in der Hauptrolle) handelt von dem abgebrannten Berufsspieler John Stewart, der bei einem brutalen Mafioso in der Kreide steht und dessen klappriger Mustang am heissesten Tag des Jahres ausgerechnet in dem heruntergekommenen, offenbar ausschliesslich mit durchgedrehten Typen bevölkerten Wüstenkaff Sierra liegen bleibt. Als er sich dann auch noch auf die finsteren Pläne der Femme fatale Grace einlässt, beginnt für ihn ein Alptraum.

In 'L.A. Blues' steht ebenfalls ein Verlierertyp im Mittelpunkt. Jeffty Kittridge, ein versoffener ehemaliger Drehbuchautor aus Hollywood, der sich mit faulen Tricks und kleinen Betrügereien durchschlägt, schuldet einem lokalen Kredithai fünfzehn Riesen. Dieser unterstreicht seine Forderung, indem er Jeffty die Finger brechen lässt. Bei seinen verzweifelten Bemühungen, die Kohle aufzutreiben, stösst Jeffty auf die ebenso attraktive wie ausgekochte Obdachlose Mona und tut sich mit ihr zusammen. Die beiden Schlaumeier schmieden einen Plan, der sie um 100'000 reicher machen soll...

Bibliografie:
'Stray Dogs' - 'U-Turn. Kein Weg zurück' (1997), 'Love is a Racket' - 'L.A. Blues' (1998), 'Everybody Smokes in Hell' (1999), 'The Drift' (2002).

++ Erstellt: September 2011 ++  


Rifkin, Shepard

(1918-2011)

Über den New Yorker Autor Shepard Rifkin, dessen Lebenslauf im Dunkeln liegt, werden stets dieselben spektakulären Anekdoten kolportiert. Während des Zweiten Weltkriegs war er im Nordatlantik Opfer eines Torpedoangriffs, den er nur ganz knapp überlebte. Und kurz danach, im März 1947, gehörte er zum Personal des legendären Schiffes "S.S. Ben Hecht", das beim Versuch, die britische Blockade Palästinas zu durchbrechen und Hunderte Holocaust-Überlebende in ihre Heimat zu überführen, gekapert wurde - die gesamte Crew kam dann in Israel hinter Gitter. Nach seiner Freilassung stand Rifkin im Jahr 1948 den Amerikanischen Freunden der "Fighters for the Freedom of Israel" vor, einer radikal-zionistischen, sehr umstrittenen Organisation.

Von 1956 bis 1979 veröffentlichte Rifkin fünf Krimis, zwei Western, einen weiteren Roman, eine Sammlung mit Texten und Kurzgeschichten ('The Savage Years') und ein Memoirenbuch über das "S.S Ben Hecht"-Abenteuer ('What Ship? Where Bound?').

Rifkins Kriminalwerk besteht aus der Trilogie um Detective Lieutenant Damian McQuaid, einen hart gesottenen, allein stehenden, irisch-stämmigen Senkrechtstarter des New Yorker Morddezernats, der immer für einen sarkastischen Spruch gut ist, und zwei Standalones: Dem ebenfalls in New York angesiedelten Polizeiroman 'Ladyfingers' und dem 2008 in der Reihe 'Hard Case Crime' wieder aufgelegten Thriller 'The Murderer Vine'.

In 'Ladyfinger' steht ein junger spanisch-stämmiger Cop im Mittelpunkt: Pablo Sanchez vom Rauschgiftdezernat des NYPD, ein gebildeter, selbstbewusster, aber bescheiden gebliebener Detective ersten Grades, der sich aus einfachsten Verhältnissen hochgearbeitet hat und seinen Beruf gewissenhaft ausübt. Er ist ohne Partner in einem alten Oldsmobile unterwegs und kann sich gut in andere Menschen einfühlen. Über sein notorisches Pech mit Frauen berichtet er mit viel Selbstironie.
Sein aktueller Fall hat es in sich: Im New Yorker Polizeipräsidium taucht ein Paket mit einem sorgfältig amputierten weiblichen Zeigefinger auf, kurz danach folgt der Ringfinger samt Goldring. Während man die nächste Post abwartet, begibt sich Sanchez auf die Suche nach einer Dame, der zwei Finger abhanden gekommen sind, und von der man annimmt, dass sie 30- bis 40-jährig, wohlhabend und verheiratet ist; dass sie einen ihrer Finger in Japan tätowieren liess, und dann erfolglos versuchte, die Tätowierung zu entfernen; und dass die beiden Finger höchst wahrscheinlich von einem Arzt amputiert worden sind. Eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen, doch Sanchez hat einen Geistesblitz.

'Der Kelch der Mörder' beruht auf einem authentischen Fall, der sich 1964 in Mississippi zugetragen hat. In dem rasanten, mit prägnant skizziertem Personal bevölkerten Noir-Roman wird der New Yorker Ex-Cop und jetzige Privatdetektiv Joe Dunne, ein 42-jähriger Koreaveteran, beauftragt, in einem rassistischen Südstaatenkaff dem Mord an drei jungen, idealistischen Bürgerrechtlern - dem weissen Harvard-Studenten David Parrish und seinen zwei schwarzen Kollegen - auf den Grund zu gehen. Sein Klient ist Davids Vater, ein millionenschwerer Unternehmer. Das Honorar beläuft sich auf 25'000 Dollar für das Auffinden der drei Leichen und eine halbe Million für die Hinrichtung der fünf Mörder (bei einem von ihnen soll es sich um den örtlichen Sheriff handeln). Getarnt als kanadischer Doktorand, der eine Arbeit über den Dialekt der Südstaaten schreibt, begibt sich Joe Dunne mit seiner smarten und attraktiven Assistentin Kirby auf die gefährliche Mission.

Bibliografie:
'Ladyfingers' - 'Ladyfinger' (1969), 'The Murderer Vine' - 'Der Kelch der Mörder' (1970);
Damian McQuaid-Trilogie: 'McQuaid' - 'Mord geteilt durch zwei' (1974), 'The Snow Rattlers' - 'Die Schneeschlange' (1977), 'McQuaid in August' - 'Heisse Nacht über der Stadt' (1979).

++ Erstellt: September 2011 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Rippen, Chris

(*1940)

Chris Rippen wurde in der nordholländischen Stadt Haarlem geboren, als sie von den Deutschen besetzt war, und wuchs auch dort auf. Er studierte Niederländische Philologie an der Universität Amsterdam und erwarb einen Doktortitel in mittelalterlicher Literatur, um daraufhin lange Jahre an verschiedenen Universitäten zu unterrichten. Mit knapp fünfzig Jahren veröffentlichte er seinen ersten Krimi 'Tödliche Spuren'. Heute zählt der dreifache Vater in seiner Heimat zu den populärsten Krimiautoren.

Neben zwei Kurzgeschichtenbänden und zahlreichen Kurzkrimis gab Chris Rippen, der 1994-99 der niederländischen Kriminalschriftsteller-Vereinigung vorstand, bislang sieben Kriminalromane heraus, von denen die ersten drei auch auf Deutsch erschienen sind.

'Tödliche Spuren', angesiedelt in der Gegenwart der 80er-Jahre, blickt zurück auf die deutsche Okkupation der Niederlande 1940-45. Die Studentin Anja Warnaar recherchiert für ihre Arbeit über "Poesie und Prosa in nationalsozialistischen Jugendblättern der niederländischen Vorkriegszeit" und befasst sich dabei auch mit dem Lebenslauf ihres 1943 gewaltsam ums Leben gekommenen Grossvaters, der Gerüchten zufolge im Krieg auf der falschen Seite gestanden hat. Sie spricht mit Zeitzeugen, unter ihnen die damals mit ihrem Grossvater befreundete Lehrerin Til Vredevoort, die kurz danach einem als Unfall getarnten Mord zum Opfer fällt. Zwei Tage später wird Anja mit schweren Kopfverletzungen am Strand von Zandvoort aufgefunden. Der Ich-Erzähler Tim van Laarschot, ein verheirateter Amsterdamer Dozent Anfang vierzig, wird zufällig in den Fall verwickelt. Er beginnt auf eigene Faust zu ermitteln, entwickelt ungeahnte kriminalistische Fähigkeiten - und enthüllt die dunkle Vergangenheit eines mächtigen, allseits geachteten Mannes, der keine Skrupel kennt.

'Stimme aus dem Off' wird aus dem Blickwinkel von Len Overgouw erzählt, dem Teilhaber einer kleinen PR-Agentur in Amsterdam und Herausgeber der Kulturzeitschrift 'Goldstaub'. Seine Detektivlaufbahn beginnt bei einem Nachtessen mit seinem früheren Militärkollegen Barry Kaufmann, einem erfolgreichen Fernsehproduzenten, den er vor zwanzig Jahren aus den Augen verloren hat. Es ist bereits viel Alkohol geflossen, als Kaufmann von anonymen Drohbriefen berichtet, die er in den letzten Monaten bekommen hat. Kurz danach wird er ermordet aufgefunden. Len unterhält sich mit der Ehefrau und den engsten Mitarbeitern des facettenreichen Opfers, bis sich ihm ein erschütterndes Beziehungsdrama offenbart.

'Plattgemacht' ist eine komplexe, mit farbigen Schilderungen von Figuren und Landstrichen geschmückte Geschichte einer Giftmüllaffäre, die sich vor elf Jahren in dem gemütlichen Provinzstädtchen Barwoude zugetragen hat und jetzt noch einmal aufgerollt wird. Der knapp 40-jährige Familienvater Bruno, Sohn des früheren - dem Anschein nach damals in den Skandal verwickelten - Stadtrats Anton Halbertsma, geht der Sache auf den Grund. Doch was mit harmlosen Aufklebern an den Hauswänden beginnt ("Barwoude ist eine Stadt mit grünem Profil. Giftgrün" usw.) und einer Ladung Klärschlamm, die man Halbertsma mitten in der Nacht in den Garten kippt, weitergeht, erweist sich als tödliches Spiel um Machtmissbrauch, Habgier und Korruption.

Bibliografie:
'Sporen' - 'Tödliche Spuren' (1988), 'Playback'- 'Stimme aus dem Off' (1991), 'Met de grond gelijk - 'Plattgemacht' (1993), 'Baltische Connecties' (1999), 'Een enkel woord' (2002), 'Eeuwige Stranden' (2005), 'Hier gebeurt niets' (2011).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: September 2012 ++
++ Update: August 2013 ++
 


Roberts, Les

(Pseudonym für Lesley Roubert, *1937)

Les Roberts, geboren in Chicago als Sohn einer Amerikanerin und eines englischen Zahnarztes, sprach offenbar bereits als Sechsjähriger davon, einmal Schriftsteller zu werden. Mit neunzehn verliess er seine Familie und ging nach New York City, um als Theaterschauspieler aufzutreten und zu schreiben. Zehn Jahre später beschloss Roberts, eine Laufbahn als Skriptautor in Hollywood einzuschlagen. Er produzierte die Serie 'The Hollywood Squares' und schrieb unzählige Folgen für humoristische TV-Shows wie 'The Lucy Show' und 'The Andy Griffith Show'. Darüber hinaus trat er als Jazzpianist und Sänger auf. Nach über zwanzig sehr erfolgreichen Jahren in Hollywood bezog Roberts 1987 Wohnsitz in Cleveland, Ohio, und widmete sich von nun an hauptberuflich dem Krimischreiben. Seiner ersten, 1978 geschiedenen Ehe entsprossen ein Sohn und eine Tochter, Warren und Valerie. Seit 2000 ist er mit Holly Albin zusammen.

Roberts' erste Krimifigur Saxon, ein recht eigenständiger, wenn auch überlebensgrosser Held mit riesiger Klappe und romantischer Ader, ist in Los Angeles je nach Auftragslage als Schauspieler oder Privatdetektiv am Werk. Die sechsteilige, 1994 abgeschlossene Serie lebt von kernigen Sprüchen, scharf geschliffenen Dialogen und locker eingestreuten Seitenhieben gegen den American Way of Life.

Im Jahre 1988 startete Roberts die bis 2015 auf achtzehn Bände angewachsene Milan Jacovich-Serie, aus der auf Deutsch einzig der erste Band 'Volltreffer' vorliegt. Milan Jacovich, unglücklich geschieden von der Serbin Lila, mit der er zwei Söhne hat, ist ein gutmütiger, der Arbeiterklasse entstammender Ex-Footballspieler und Ex-Cop mit slowenischen Wurzeln, ein einfacher, etwas eigenbrötlerischer, durch nichts aus der Ruhe zu bringender Mann Mitte vierzig, der in Cleveland als Privatdetektiv ('Milan Security') tätig ist - und den unspektakulären, mit präzisen Personen- und Milieuschilderungen geschmückten Krimis eine ganz besondere Note gibt.

Bibliografie:
Saxon-Serie: 'An Infinite Number of Monkeys' - 'Kunst oder Leben' (1987), 'Not Enough Horses' - 'In den Strassen Hollywoods' (1988), 'A Carrot for the Donkey' - 'Mexikanisches Roulette' (1989), 'Snake Oil' - 'Schlangenöl' (1990), 'Seeing the Elephant' (1992), ‚The Lemon Chicken Jones' (1994);
Milan Jacovich-Serie: 'Pepper Pike' - 'Volltreffer' (1988), 'Full Cleveland' (1989), 'Deep Shaker' (1991), 'The Cleveland Connection' (1993), 'The Lake Effect' (1994), 'The Duke of Cleveland' (1995), 'Collision Bend' (1996), 'The Cleveland Local' (1997), 'A Shoot in Cleveland' (1998), 'The Best Kept Secret' (1999), 'The Indian Sign' (2000), 'The Dutch' (2001), 'The Irish Sports Pages' (2002), 'King of the Holly Hop' (2008), 'The Cleveland Creep' (2011), 'Whiskey Island' (2012), 'Win, Place, Or Die' (gemeinsam mit Dan S. Kennedy, 2013), 'The Ashtabula Hat Trick' (2015); Einzelwerke: 'A Carol for Cleveland' (1991), 'The Chinese Fire Drill' (2001), 'The Strange Death of Father Candy' (2011).

++ Erstellt: Dezember 2010 ++
++ Update: November 2015)
 


Robinson, Robert

(1927-2011)

Robert Robinson wurde in Liverpool geboren und wuchs im Londoner Stadtteil Malden auf. Nach Abschluss seines Anglistikstudiums am Exeter College in Oxford und dem Militärdienst mit dem West African Army Corps schrieb er TV-, Film- und Theaterkolumnen sowie Radio- und Filmkritiken für die Blätter 'Sunday Chronicle', 'Sunday Graphic', 'Sunday Times' und 'Sunday Telegraph'. In dieser Zeit verfasste er den Krimi 'Die toten Professoren', der Kultstatus hat.

Später schwang sich Robinson zu einem der bekanntesten Rundfunk- und Fernsehmoderatoren Grossbritanniens empor ('Call My Bluff', 'Ask the Family' und 'Brain of Britain' waren seine populärsten Gefässe). Nebenbei veröffentlichte er drei Essay-Sammlungen und die Romane 'The Conspiracy' (1968) und 'Bad Dreams' (1989). 1996 kam seine Autobiografie 'Skip All That' heraus.

Mit seinen Unterhaltungssendungen verdiente Robinson einen Haufen Geld, das ihm die Anschaffung mehrerer teurer Autos, eines kleines Landhauses in Somerset und einer Villa im Londoner Nobelviertel Chelsea ermöglichte. Er starb 83-jährig in einem Krankenhaus in Paddington, London, und hinterliess seine Frau Josee Richard, mit der er seit 1958 verheiratet war und drei Kinder hatte, Nicholas, Lucy und Susie.

Robinsons einziger - von Michael Innes und Edmund Crispin inspirierter - Krimi 'Die toten Professoren', eine witzige, sauber konstruierte und mit originellen Figuren bevölkerte Tüftelgeschichte, sieht den vom einfachen Bobby zum Scotland-Yard-Beamten aufgestiegenen Inspektor Autumn im Brennpunkt des Geschehens. Ausgerechnet er, der von Universitäten keine Ahnung hat, wird nach Oxford entsandt, um die Zerstörung einer wertvollen Milton-Ausgabe und andere Fälle von Kultur-Vandalismus zu untersuchen. Kurz nach Autumns Ankunft wird Professor Manchip, der verhasste Rektor des Warlock Colleges, auf skurrile Art gemeuchelt, bald folgt ein zweiter Mord auf dem Campus, doch der wackere Polizist lässt sich auch von missgünstigen Akademikern, eifersüchtigen Liebhabern und raffinierten Intriganten nicht beirren und löst den Fall auf seine Art. Unvergesslich die Szene, in der eine Horde von nackten Professoren Jagd auf den Täter macht.

Bibliografie:
'Landscape with Dead Dons' - 'Die toten Professoren' (1956).

++ Erstellt: April 2013 ++  


Roeburt, John

(1909-1972)

John Roeburt (Geburtsort und Lebenslauf unbekannt) verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in New York City. Er verfasste Drehbücher, Theaterstücke, Radiodramen, Kurzgeschichten und Sachbücher zu kriminalistischen Themen sowie rund zwanzig Krimis, die zum Teil verfilmt wurden. Darüber hinaus war er in kleineren Rollen als Filmschauspieler tätig.

Roeburts bekannteste Werke sind die drei Romane um den smarten, irisch-stämmigen, höchst wahrscheinlich zu Unrecht aus der Anwaltskammer des Staates Illinois ausgeschlossenen Rechtsanwalt J. Howard Moran mit dem Spitzname "Jigger", der seinen Lebensunterhalt in New York als Taxifahrer, Spieler und lizenzloser Privatdetektiv bestreitet - er übernimmt Fälle, die sonst keiner will; die beiden Romane um Johnny Devereaux, den härtesten Bullen von New York City mit zwanzig Dienstjahren auf dem Buckel; sowie die literarische Umsetzung des semifiktiven Films 'Al Capone' (mit Rod Steiger als Capone), der 1959 in die Kinos kam.

Für eine Episode der ungemein populären, vom 7. Januar 1941 bis am 5. Oktober 1952 ausgestrahlten Radioserie 'Inner Sanctum Mysteries', einer eigentümlichen Mischung aus Horror, Krimi und Humoreske (insgesamt 526, von sieben Autoren verfasste Episoden, denen Grössen wie Orson Welles ihre Stimme verliehen), erhielt Roeburt 1949 einen "Edgar" in der Sparte "bestes Hörspiel".

'Tough Cop' (der originale Titel des ersten Devereaux-Krimis) ist Roeburts stärkstes Garn. Johnny Devereaux, elternlos in den Slums von Chicago gross geworden, 43-jährig, ist ein harter, ehrlicher und unbestechlicher, ja legendärer Bulle, dessen Pensionierung von allen Gangstern herbeigesehnt wird. Und jetzt tritt Devereaux tatsächlich in den Ruhestand, doch einen letzten Fall muss er noch lösen: Die 20-jährige Tänzerin Jennifer Phillips, ein schönes, den alten Cop rührendes Mädchen, das Klarheit über seine Herkunft gewinnen möchte, ist seine Auftraggeberin. Zwischen den beiden Protagonisten keimen zärtliche Gefühle, doch Devereaux behält die Übersicht. In den Fokus seiner Ermittlungen rücken drei Männer ohne überprüfbare Vergangenheit: Der frühere Boxweltmeister Thomas Latimer, der Verleger Frederick Castle - und der berühmte Theaterkritiker Martin Phillips, der sich als Jennifers Vater ausgibt.

Bibliografie:
Jigger Moran-Romane: 'Jigger Moran' (auch unter den Titeln 'The Case of the Tearless Widow' und 'Wine, Women and Murder', 1944), 'Triple Cross' (auch unter den Titeln 'Murder in Manhattan' und 'There Are Dead Men in Manhattan') - 'New York Jigger' (1946), 'Corpse on the Town' (1950);
Johnny Devereaux-Romane: 'Tough Cop' - 'Wer sucht, der findet' (1949), 'The Hollow Man' (1954);
'Seneca'(1947), 'Case of the Hypnotized Virgin' - 'Die Frau mit den drei Gesichtern' (1950), 'The Lunatic Time' (1956), 'The Unholy Wife' (1957), 'Die You Kill Mona Leeds' (1958), 'Al Capone' (1959), 'The Long Nightmare' (auch unter dem Titel 'The Climate of Hell') - 'Der endlose Albtraum' (1958), 'Sing Out Sweet Homicide' (1961), 'Get Me Geisler' (1962), 'The Wicked and the Banned' (1963), 'Ruby Maccaine' (1964), 'The Mobster' (1972).

++ Erstellt: Februar 2011 ++  


Roueché, Berton

(1910-1994)

Geboren und aufgewachsen in Kansas City, Missouri, als Sohn eines Geschäftsmanns, studierte Berton Roueché bis 1933 Journalistik an der University of Missouri. Danach schrieb er für verschiedene kleinere Zeitungen, ehe er 1944 zum 'New Yorker' kam und während fast fünfzig Jahren dessen medizinisches Ressort (die 'Annals of Medicine') betreute. Ab 1956 lebte er mit seiner Frau Katherine Eisenhower, der Nichte des späteren amerikanischen Präsidenten Dwight Eisenhower, die er 1936 geheiratet hatte, und dem 1942 geborenen Sohn Arthur in der Künstlerkolonie Amagansett auf Long Island, wo er 84-jährig freiwillig aus dem Leben schied.

Roueché, ein renommierter Autor von Artikeln und Büchern zu medizinischen Themen, veröffentlichte zwischen 1945 und 1977 vier Spannungsromane. Unter ihnen findet sich der unter die Haut gehende, in einer einsamen Gegend Long Islands spielende Thriller 'Die Katzen', in dem sich von Feriengästen ausgesetzte Katzen zu Rudeln zusammenschliessen, um zu überleben. Sie machen Jagd auf kleine Tiere (Kaninchen, Ratten, Wachteln und Opossums) - und dann auch auf Menschen. Jack und Amy Bishop, die den Winter in ihrem kürzlich erworbenen Haus auf der Insel verbringen, und ihr zugelaufener Hund erleben einen Alptraum.

Bibliografie:
'Black Weather' (1945), 'The Last Enemy' - 'Der letzte Feind' (1956), 'Feral' - 'Die Katzen' (1974), 'Fago' - 'Das Double' (1977).

++ Erstellt: November 2010 ++  


Rozan, S.J.

(Pseudonym für Shira Judith Rosan, *1950; schreibt auch als Sam Cabot)

S.J. Rozan, geboren in der New Yorker Bronx, wuchs dort mit zwei Schwestern und einem Bruder auf. Sie studierte chinesische Dichtung am Oberlin College in Ohio und Architektur an der State University of New York in Buffalo. Nebenbei war sie als Schmuckverkäuferin, Hausmeisterin, Selbstverteidigungsinstruktorin und Fotografin tätig, bevor sie sich als Architektin für eine New Yorker Firma (Schwerpunkte: Polizeistationen, Feuerwachen, Krankenhäuser und Zoogebäude)und ab 1994, nach einem Kurs in Schreiben an der Pratt School, auch als Autorin in Szene setzte. Sie lebt in Greenwich Village, Manhattan, und führt jeweils im August einen Schreib-Workshop im italienischen Ort Assisi durch.

Rozans Werk enthält zwei Kurzgeschichten-Bände, die bisher elfteilige Serie um die New Yorker Privatdetektive Lydia Chin und Bill Smith, zwei Standalones und zwei gemeinsam mit dem texanischen Autor Carlos Dews unter dem Pseudonym Sam Cabot veröffentlichte historische Kriminalromane.

Lydia Chin, Anfang dreissig, ist eine draufgängerische und scharfzüngige, noch immer bei ihrer erzkonservativen, kein Wort Englisch sprechenden Mutter in Chinatown lebende und mit drei älteren Brüdern gut bediente Amerikanerin chinesischer Abstammung; der dreizehn Jahre ältere, in der Welt herumgekommene Eigenbrötler Bill Smith war früher Maurer, Buchmacher und Polizist und hat eine traurige Familiengeschichte. Die beiden scharf gezeichneten, recht gegensätzlichen (insgeheim ineinander verliebten) Protagonisten - sie sind keine festen Partner, arbeiten aber oft zusammen - wechseln sich von Band zu Band als Ich-Erzähler ab.

Auf Deutsch ist einzig der erste Chin & Smith-Roman 'China Trade' erschienen. Die verwickelte, von kriminellen Machenschaften der Mafia und des New Yorker Museumsbetriebes handelnde Geschichte, in der es vornehmlich um organisierten Porzellandiebstahl geht, zeigt die Stärken der Autorin auf: Ausgeklügelte Handlungsführung, präzise Milieuschilderungen und herzerfrischende Zwiegespräche.
S.J. Rozan, in ihrer Heimat eine respektierte und recht populäre Autorin, ist im deutschen Sprachraum bis heute ein Geheimtyp geblieben.

Bibliografie:
Lydia Chin & Bill Smith-Serie: 'China Trade' - 'China Trade' (1994), 'Concourse' (1995), 'Mandarin Plaid' (1996), 'No Colder Place' (1997), 'A Bitter Feast' (1998), 'Stone Quarry' (1999), 'Reflecting the Sky' (2001), 'Winter and Night' (2002), 'The Shanghai Moon' (auch unter dem Titel 'Trail of Blood', 2009), 'On the Line' (2010), 'Ghost Hero' (2011);
'Absent Friends' (2004), 'In This Rain' (2006).
Als Sam Cabot (gemeinsam mit Carlos Dews): 'Blood of the Lamb' (2013), 'Skin of the Wolf' (2014).

++ Erstellt: Mai 2011 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Runyon, Charles West

(1928^-2015; schrieb auch als Ellery Queen und Mark West)

Geboren und aufgewachsen auf einer Farm in Sheridan, Missouri, als Sohn eines Lehrerehepaars, verliess Charles Runyon mit sechzehn das Elternhaus, um auf einer Ranch in Texas Hand anzulegen. Nach seiner Militärzeit, die er in Korea, Deutschland und den USA verbrachte, studierte er von 1948 bis 1955 Journalismus in Missouri, München und Indiana. Anschliessend war er fünf Jahre als Redakteur für die Ölgesellschaften 'Sinclair Pipeline' und 'Standard Oil' in New York City tätig, unterbrochen durch einen längeren Aufenthalt in der Karibik mit seiner zweiten Frau Ruth, einer Krankenschwester.

Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten (in die Ortschaft Farmingon, Montana) widmete sich Runyon hauptberuflich dem Verfassen von Prosa. Er schrieb Kurzgeschichten, Essays, Sciencefiction, Softpornos und zeitkritische Noir-Romane und bereiste nebenbei die Welt, um sich für seine Bücher inspirieren zu lassen. 1980 beendete er seine schriftstellerische Laufbahn. Er ging an die University of Missouri in Columbia, wo er einen master's degree in Kreativem Schreiben erwarb. Anfang der 90er-Jahre zog er von Farmington nach Albuquerque, New Mexico, dann nach Austin, Texas. Dort schloss er sich als Freiwilliger dem Friedenskorps an. Um die Jahrtausendwende, mit bereits über siebzig, liess er sich als Englischlehrer in Lampasas, Texas, nieder. Runyon starb einen Tag vor seinem 87. Geburtstag (und zwei Jahre nach Ruth) in Cedar Park, Texas. Er hinterliess drei Söhne - Charles aus der früh geschiedenen Ehe mit Juanita, Mark und Matthew aus der Ehe mit Ruth.

'Mord nach allen Regeln der Kunst' gilt als Runyons stärkster Krimi. Er spielt in dem beschaulichen Städtchen Sherman, Missouri, wo die attraktive, mit dem hoch angesehenen Bauunternehmer Lou Bayrd verheiratete Velda einen kleinen Laden betreibt. Die Ruhe hat jedoch ein Ende, als Carl Friedland mit seiner Frau Gabrielle nach Sherman zurückkehrt, um zu beweisen, dass sein Bruder vor fünfzehn Jahren zu Unrecht wegen Mordes an Veldas Schwester verurteilt worden ist. Carl hat nämlich in Erfahrung gebracht, dass sich in Sherman zahlreiche mysteriöse, jeweils als Suizid oder Unfall deklarierte Todesfälle zugetragen haben, und ist davon überzeugt, dass hier seit vielen Jahren ein Serienmörder am Werk ist, der auch Veldas Schwester auf dem Gewissen hat. Unterstützt durch Velda, die sich in ihn verliebt, schmiedet Carl einen raffinierten Plan, um dem Killer endlich das Handwerk zu legen.

'Johnny, hol das Geld zurück' ist die tempostarke Geschichte des 22-jährigen Überlebenskünstlers Johnny Quill, der auf der Strasse gross wurde und im zarten Alter von sechzehn als Killer bei einer Unterweltorganisation begann. Sein aktueller Auftrag scheint besonders einfach zu sein: Howard Bartlett alias Tony Pirello aufsuchen, der das Syndikat um einen Haufen Geld erleichtert hat und danach als Hotelier in der Karibik untergetaucht ist, ihn umbringen und die Knete in die Staaten zurückbringen. Doch dann trifft Johnny auf Howards heissblütige Gattin Norma, der Job geht schief - und der Hitman wird nun selbst zum Gejagten. Sein Widersacher aber ist der fette Riese Fabius Cantrell, der ihm einst das Handwerk des Tötens beigebracht hat.

Bibliografie:
'The Anatomy of Violence' (1960), 'The Death Cycle' (1963), 'Color Him Dead' (auch unter dem Titel 'The Incarnate', 1963), 'The Prettiest Girl I Ever Killed' - 'Mord nach allen Regeln der Kunst' (auch unter dem Titel 'Tote Mädchen lieben nicht', 1965), 'Bloody Jungle' (1966), 'The Black Moth' - 'Die schwarze Motte' (1967), 'No Place to Hide' - 'Ein schöner Platz zum Sterben' (1970), 'Power Kill' (1972), 'To Kill a Dead Man' - 'Johnny, hol das Geld zurück' (1976), 'Kiss the Girls and Make Them Die' (1977).
Als Ellery Queen: 'The Last Score' (1964), 'The Killer Touch' (1965), 'Kiss and Kill' (1969).
Als Mark West: 'Office Affair' (1961), 'His Boss' Wife' (1962), 'Object of Lust' (1962).

++ Erstellt: März 2012 ++  


Ryck, Francis

(Pseudonym für Yves Delville, 1920-2007; schrieb auch als Yves Dieryck)

Yves Delville kam als Sohn einer russisch-französischen Mutter und eines französischen Vaters in Paris zur Welt. Er studierte kurze Zeit in Belgien und Frankreich, blieb jedoch ohne Abschluss. Als Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg geriet er in deutsche Gefangenschaft, 1943 kehrte er nach Frankreich zurück - Paris und Lyon waren seine Wohnsitze. Um sein Leben als Weltenbummler zu finanzieren, verrichtete er Jobs wie Holzfäller, Matrose, Bauarbeiter, Plattenleger, Filmstatist, Vertreter und Fotograf.

Mitte der 50er-Jahre begann er zu schreiben, seine ersten fünf Romane (keine Krimis) kamen unter dem Pseudonym Yves Dieryck, dem Namen seiner Grossmutter, heraus. Ab 1966, jetzt unter dem Nom de plume Francis Ryck, verfasste er vorwiegend Krimis, darunter achtzehn Titel für die legendäre 'Série noire' bei Gallimard, aber auch eine Handvoll Spionageromane aus dem Kalten Krieg. Das Werk des bis kurz vor seinem Tod aktiven Autors enthält rund sechzig Bücher, von denen zehn verfilmt worden sind. Zusammen mit seinen Vorgängern Jean Amila, José Giovanni, Albert Simonin, Léo Malet und Auguste Le Breton zählt er zu den wichtigsten und originellsten Exponenten des Roman Noir. Er starb 87-jährig in Paris und hinterliess zwei Töchter, Michèle und Dominique.

Rycks harte und schnörkellose, ohne jegliche Sentimentalitär erzählte Romane kreisen meist um verzweifelte, am äussersten Rand der Gesellschaft sich bewegende Figuren, die sich im Leben nicht zurechtfinden und gewalttätig werden - mit fatalen Folgen, auch für sie selbst. Die Mehrzahl der Bücher spielt in "seiner" Stadt Paris, deren Atmosphäre eindrucksvoll gezeichnet ist.

Bibliografie:
'Les heures ouvrables' (1963), 'Nature morte aux châtaignes' (1963), 'L'histoire d'une psychose' (1964), 'L'apprentissage' (1965), 'Opération Millibar' (1966), 'Ashram drame' (auch unter dem Titel 'Satan S.A., 1966), 'Feu vert pour poisson rouge' (1967), 'La cimetière des durs' - 'Alle Fäden in ihrer Hand' (1968), 'Incognito pour ailleurs' (1968), 'La peau de Torpedo' (1968), 'Drôle de pistolet' - 'Ein Sender im Gepäck' (1968), 'Paris va mourir' - 'Überleben soll keiner' (1969), 'L'incroyant' (1970), 'Les chasseurs de sable' - 'Wie Sand zwischen den Fingern' (1971), 'Le campagnon indésirable' - 'Flieh nicht mit Fremden' (1972), 'Voulez-vous mourir avec moi?' - 'Wollen Sie mit mir sterben?' (1973), 'Le prix des choses' - 'Der Preis der Dinge' (1974), 'Le testament d'Amérique' - 'Die Testamentsvollstrecker' (1974), 'Ettraction' - 'Sterben, das ist nicht so wichtig' (1975), 'Le fils de l'alligator' (1977), 'Nos intentions sont pacifiques' (1977), 'Prière de se pencher au dehors' - 'Ehrlich währt am kürzesten' (1978), 'Nous n'irons pas à Valparaiso' (1980), 'Le Piège' - 'Eine Falle für drei Personen' (1981), 'Le nuage et la foudre' (1982), 'Le conseil de famille' (1983), 'Il fera beau à Deauville' (1984), 'Un cheval mort dans une baignoire' (1986), 'Autobiographie d'un tueur professionel' (1987), 'Requiem pour un navire' (1989), 'L'honeur des rats' (1995), 'Fissure' (1998), 'Le point de jonction' (2000), 'Le chemin des enfants morts' (2001), 'La discipline du diable' (2004), 'La casse' (2007), 'L'enfant du lac' (2007).
Gemeinsam mit Marina Edo: 'Les genoux cagneux' (1990), 'Les relations dangereuses' (1991), 'L'Eté de Mathieu' (1992), 'La petite fille dans la forêt' (1993), 'La toile d'araignée dans le rétroviseur' (1995), 'L'autre versant de la nuit' - 'Rendezvous fatal' (1996), 'Mauvais sort' (1999).

++ Erstellt: September 2010 ++  



 

Satterthwait, Walter

(*1946)

Walter Satterthwait kam in Philadelphia, Pennsylvania, zur Welt. Er hielt sich in New York City, Portland (Oregon), Kenia, Thailand, Griechenland, später auch in Holland, England und Frankreich auf und arbeitete unter anderem als Lexikonvertreter, Barkeeper, Restaurant-Manager und Korrektor. 1979 veröffentlichte er seinen ersten Roman 'Cocaine Blues', dem mehrere in Afrika spielende Kriminalstories folgten. Mit der 1987 gestarteten Joshua Croft & Rita Mondragon-Serie wurde Satterthwait einem grösseren Publikum bekannt. In seiner Wahlheimat Santa Fé, New Mexico, widmete er sich bis 2006 vorrangig dem Schreiben. Seither hat man leider nichts mehr von ihm gehört.

Joshua Croft und Rita Mondragon betreiben in der multikulturellen Kleinstadt Santa Fé zusammen eine Detektei und sind auch privat ein Paar. Rita ist eine charismatische, blitzgescheite Spezialistin für Online-Datenbeschaffung und eine erstklassige Schützin. Nach einer Schiesserei, bei der ihr Mann, ein Cop, ums Leben kam, war sie lange Zeit an den Rollstuhl gefesselt. Die Laufarbeit erledigt Joshua, ein harter, schlagfertiger, aber auch empfindsamer Mann, der nie um einen ironischen Spruch verlegen ist. Die fünf fein konstruierten Krimis sind gespickt mit knappen, ungemein plastischen Natur-, Milieu- und Personenschilderungen, kleinen Beobachtungen und literarischen Anspielungen.

In 'Die Blume in der Wüste', dem dritten Band der Reihe, behandelt Satterthwait auf eindringliche Weise Amerikas schmutzige Rolle im blutigen Bürgerkrieg in El Salvador. 'Der Gehängte', eine Art "Locked Room Mystery", dreht sich um einen Zirkel von New-Age-Anhängern, die sich gegenseitig aufs Kreuz legen. Als binnen Wochenfrist zwei von ihnen unsanft ins Jenseits befördert werden, sind Joshuas und Ritas Dienste gefragt. 'Ans Dunkel gewöhnt' - der Autor blickt hier immer wieder auf die Vergangenheit der beiden Protagonisten zurück - bildet den würdigen Abschluss der fünfteiliegen Serie. Der Gangster Martinez, der vor sechs Jahren Rita schwer verletzt und in den Rollstuhl befördert hat, bricht aus dem Staatsgefängnis von Santa Fé aus und begibt sich mit einem Kumpel auf Rachetour - Rita steht zuoberst auf seiner Liste. Als sie durch einen Kopfschuss lebensgefährlich verletzt wird, macht Joshua Jagd auf seinen Erzfeind, der Showdown spielt sich in den Sümpfen Floridas ab.

In Satterthwaits kurz nach dem Ersten Weltkrieg spielender Trilogie um das britisch-amerikanische Pinkerton-Detektivpaar Phil Beaumont und Jane Turner kommen auch authentische Personen wie Ernest Hemingway, Gertrude Stein, Arthur Conan Doyle und Harry Houdini zu eindrucksvollen Auftritten. Die aus den Perspektiven der beiden Hauptfiguren erzählten Romane spielen in England, Paris bzw. Deutschland.

'Miss Lizzie', angesiedelt im Boston der frühen 20er-Jahre, handelt von einer betagten Dame namens Lizzie Borden, einer realen Figur, die Ende des 19. Jahrhunderts ihre Eltern mit einem Beil zerstückelt haben soll ("Lizzie Borden took an axe, And gave her mother forty whacks, When she saw what she had done, She gave her father forty-one"), vor Gericht jedoch freigesprochen wurde. Jetzt trifft sie auf die 13-jährige Amanda, deren Stiefmutter mit einer Axt ermordet wurde - der Beginn einer grossen, aussergewöhnlichen Freundschaft, die auch dem zehn Jahre später spielenden (im Original erst 2016 veröffentlichten) Roman 'Miss Lizzie kehrt zurück' den Stempel aufdrückt.

In der funkensprühenden Humoreske 'Oscar Wilde im Wilden Westen' befindet sich Oscar Wilde, begleitet von seinem Manager Jack Vail und einem Tross von schillernden, teilweise recht zwielichtigen Figuren, im Jahr 1882 auf einer Vortragsreise im gesetzlosen Wilden Westen zwischen Chicago und San Francisco. Dort trifft er auf den legendären Doc Holliday, der ihm zweimal das Leben rettet; und macht ihm ein bestialischer Prostituiertenkiller, der sich in seinen eigenen Reihen befinden muss, das Leben schwer.

'Scherenschnitte', im Jahr 2001 fertig gestellt, erschien 2003 zuerst in deutscher Sprache, die amerikanische Fassung folgte erst drei Jahre später. Satterthwaits letzter Roman 'Dead Horse' befasst sich mit dem bis heute nicht schlüssig geklärten, offiziell als Suizid deklarierten Tod von Emily Thayer, der Ehefrau des in den 20er-Jahren bekannten Pulp-Autors Raoul Whitfield, die im Mai 1935, drei Monate nach der Trennung von ihrem Mann, auf ihrer Ranch in New Mexico erschossen aufgefunden wurde.

Bibliografie:
Joshua Croft & Rita Mondragon-Serie: 'Wall of Glass' - 'Wand aus Glas' (1987), 'At Ease with the Dead' - 'Mit den Toten in Frieden' (1990), 'A Flower in the Desert' - 'Eine Blume in der Wüste' (1992), 'The Hanged Man' - 'Der Gehängte' (1993), 'Accustomed to the Dark' - 'Ans Dunkel gewöhnt' (1996);
Phil Beaumont & Jane Turner-Serie: 'Escapade' - 'Eskapaden' (1995), 'Masquerade' - Maskeraden' (1998), 'Cavalcade' - 'Scharaden' (2005);
Einzelwerke: 'Cocaine Blues' (1980), 'The Aegean Affair' (1982), 'Miss Lizzie' - 'Miss Lizzie' (1989), 'Wilde West' - 'Oscar Wilde im Wilden Westen' (1991), 'Perfection' - 'Scherenschnitte' (2001), 'New York Nocturne' - 'Miss Lizzie kehrt zurück' (deutsche Übersetzung 2006, Original erst 2016 erschienen), 'Dead Horse' (2006).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: April 2014 ++
++ Update: September 2016 ++
 


Scerbanenco Giorgio

(Pseudonym für Vladimir Scerbanenco, 1911-1969; schrieb auch als John Colemoore)

Vladimir Scerbanenco kam als einziges Kind eines ukrainischen, im zaristischen Staatsdienst stehenden Latein- und Griechischlehrers und einer gebürtigen Italienerin in Kiew zur Welt und verbrachte dort auch seine ersten Lebensjahre. Sein Vater wurde bei Ausbruch der Russischen Revolution als vermeintlicher Konterrevolutionär von Studenten erschossen, Mutter und Sohn konnten daraufhin nach Rom entkommen - eine äusserst beschwerliche Flucht.

Ohne Schulabschluss und Ausbildung geblieben, ging Scerbanenco nach dem Tod seiner Mutter nach Mailand und hielt sich dort mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Er nannte sich jetzt Giorgio, um nicht als Ausländer aufzufallen, und studierte in seiner Freizeit die Werke der grossen Philosophen. Seiner 1930 mit Teresa Bandini geschlossenen Ehe entsprangen zwei Kinder, die im Kleinkindesalter verstorbene Elena und Alberto. Die Familie nagte zunächst arg am Hungertuch, doch die finanziellen Nöte nahmen ein Ende, als Scerbanenco zu Beginn der 30er-Jahre Redakteur und Reporter bei verschiedenen italienischen Zeitschriften wurde und nebenbei Fortsetzungs-Liebesromane für die Frauenmagazine 'Piccola' und 'Novella' verfasste.

Der Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten im September 1943 bedeutete eine erneute Zäsur in Scerbanencos Leben. Er flüchtete vor den Nazis in die Schweiz, wo er die meiste Zeit in den Flüchtlingslagern von Büsserach (Solothurn), Les Avants (Waadt) und Magliaso (Tessin) verbrachte, zeitweilig aber auch bei Freunden im Puschlav und in Chur unterkam. Nach der Befreiung Norditaliens kehrte er in seine Wahlheimatstadt Mailand zurück.

Mitte der 60er-Jahre liess sich Scerbanenco mit seiner grossen Liebe, der 25 Jahre jüngeren Journalistin und Verlegerstochter Nunzia Monanni, und den beiden gemeinsamen Töchtern Germana und Cecilia im Badeort Lignano Sabbiadoro an der Adria-Küste nieder. Vier Jahre später, im Alter von 58 Jahren, erlag er in Mailand einem Herzinfarkt.

Scerbanenco debütierte 1940 im Krimigenre: Mit 'Der sechste Tag', dem Auftakt zur sechsteiligen Serie um den Polizeibeamten Arthur Jelling, einen schüchternen Famlienvater Anfang vierzig, der in Boston im Polizeiarchiv tätig ist (der Autor kannte die USA nur vom Hörensagen, was diesen Romanen anzumerken ist). Später kamen unzählige Kurzgeschichten, mehrere autobiografische Werke, Kinodrehbücher und eine Reihe von Liebes-, Spionage-, Western-, Sciencefiction- und weiteren Kriminalromanen hinzu.

Den Höhepunkt seines literarischen Schaffens erreichte Scerbanenco, der "padre del noir all italiana", in seinen letzten Lebensjahren mit den Duca Lamberti-Romanen. Duca Lamberti, Sohn eines Polizisten, der von der Mafia erschossen wurde, arbeitete als Arzt in Mailand, bis man ihn wegen aktiver Sterbehilfe verurteilte und er die Approbation verlor. Jetzt, nach drei Jahren Haft, wird er mehr oder weniger zufällig Privatdetektiv in seiner Geburtsstadt, mit dem heissblütigen sardisch-stämmigen Kommissar Carrua - seinerzeit Vorgesetzter und Freund von Lambertis Vater - und der schönen, mutigen Soziologin Livia Ussaro als wichtigste Bezugspersonen. Lamberti ist ein gross gewachsener, magerer, empfindsamer Mann mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und einem scharfen Blick für menschliche Schwächen.

Die vier schnörkellosen, mit authentischen Dialogen und eindringlichen Milieu- und Personenschilderungen geschmückten Romane spielen im Mailand der späten 50er- und frühen 60er-Jahre - in der Zeit des norditalienischen "Wirtschaftswunders", als organisierte Kriminalität, internationaler Frauenhandel, Korruption, Waffenschieberei und Drogenschmuggel in der norditalienischen Metropole und deren anonymen Vororten zu blühen beginnen.

'Der lombardische Kurier' ist der beste Band der Reihe. Duca Lamberti, der zur rechten Hand seines Mentors Carrua aufgerückt ist und über ein kleines Büro im Kommissariat verfügt, wird zur Auflösung eines scheusslichen Kriminalfalls beigezogen: Die junge Lehrerin einer Abendschule ist von ihren elf halbwüchsigen, fast ausnahmslos aus desolaten sozialen Verhältnissen kommenden Schülern im Klassenzimmer brutal misshandelt, vergewaltigt und schliesslich ermordet worden. Im Fortgang der geschickt geführten, letztlich jedoch fruchtlosen Einzelverhöre beschleicht Lamberti der Verdacht, dass ein Erwachsener die Gewaltorgie angezettelt hat. Als sich der einzige Junge, der vielleicht ausgepackt hätte, vom Dach der Besserungsanstalt zu Tode stürzt, schmiedet Lamberti einen unorthodoxen, riskanten Plan: Er nimmt einen der Schüler, den 14-jährigen Carolino, in seine Obhut, kümmert sich Tag und Nacht um ihn, redet mit ihm und versucht auf diese Weise, ihm die Wahrheit zu entlocken. Doch Carolino, hin und her gerissen zwischen der Hoffnung auf eine bessere Zukunft und der Angst vor dem Erziehungsheim, entschliesst sich zu fliehen - und verkriecht sich in seiner Verzweiflung beim Drahtzieher des Verbrechens.

Bibliografie:
Arthur Jelling-Serie: 'Sei giorni di preavviso' - 'Der sechste Tag' (1940), 'La bambola cieca' - 'Die blinde Puppe' (1941), 'Nessuno è colpevole' (1941), 'L'antro die filosofi' - 'Zu reich zum Leben' (auch unter dem Titel 'Luciana ist verschwunden', 1942), 'Il cane che parla' (1942), 'Lo scandalo dell'osservatorio astronomico' (1943);
Duca Lamberti-Tetralogie: 'Venere privata' - 'Das Mädchen aus Mailand' (auch unter den Titeln 'Verboten' und 'Leichte Mädchen sterben schwerer', 1966), 'Tradituri di tutti' - 'Die Verratenen' (auch unter den Titeln 'Tod den Verschwörern' und 'Doppelt gekillt hält besser', 1966), 'I ragazzi del massacro' - 'Der lombardische Kurier' (auch unter dem Titel 'Mord stand nicht im Stundenplan', 1968), 'I milanesi ammazzano al sabato' - 'Ein pflichtbewusster Mörder' (auch unter dem Titel 'In Mailand mordet man samstags', 1969);
'La sabbia non ricorda' - 'Venedig sehen und sterben' (1963), 'Ladro contro assassino' - 'An einem kühlen Tag um fünf' (1971), 'Al mare con la ragazza' - 'Beerdigung auf italienisch' (auch unter dem Titel 'Mit den Augen einer Toten' (1973).

++ Erstellt: Januar 2013 ++  


Schmid, Ulrich

(*1954)

Ulrich Schmid, geboren und aufgewachsen in Zürich als Sohn einer Pianistin und eines Gymnasiallehrers, studierte Geschichte, englische Literatur und Politikwissenschaften in Zürich und am Virginia Tech in Blacksburg, Virginia (USA). Nach der Promotion zum Dr. phil. zum Thema 'Wahlkampffinanzierung in den USA und in der Schweiz' arbeitete er von 1984 bis 1987 als Redakteur der Schweizerischen Depeschenagentur. Danach wechselte er zur NZZ, als deren Auslandredakteur er aus Afghanistan, der DDR und Sri Lanka berichtete. Seine anschliessende Tätigkeit als NZZ-Auslandkorrespondent führte ihn in alle Winkel der ehemaligen Sowjetunion (1991 bis 1995), nach Washington (1995 bis 1999), Peking (1999 bis 2002), Prag (2002 bis 2008) und Berlin (seit 2008). Schmid ist verheiratet und hat eine 1991 geborene Tochter.

1995 machte Schmid mit dem Sachbuch 'Gnadenlose Bruderschaften. Der Aufstieg der Russen-Mafia' von sich reden. Fünf Jahre später liess er den Roman 'Der Zar von Brooklyn' folgen. Im Mittelpunkt der anspruchsvollen, ein farbiges und detailreiches Bild der russischen Gesellschaft zeichnenden Geschichte steht der junge Moskauer Journalist Alexander Michailowitsch Zwetkow, genannt Sascha, der beauftragt wird, für seine Zeitschrift 'Sputnik' einige nach New York ausgewanderte Russen zu porträtieren. In "Little Odessa" (Brighton Beach, Brooklyn), wo mehrere hunderttausend Russen auf engstem Raum zusammenleben, trifft er auf den krebskranken Elektrohändler Gennadi Markow, einen früheren KGB-Agenten, der sich zur Zeit des grossen russischen Umbruchs mit 100 Millionen Dollar Schwarzgeld aus Moskau abgesetzt hatte. Als Markow (scheinbar durch Selbstmord) den Löffel abgibt, beginnt Sascha, ein schlauer, wenn auch etwas naiver und feiger Mann, in Markows Vergangenheit zu wühlen, taumelt in eine geheimdienstliche Intrige, wird bedroht, entführt und gefoltert, verliert Freundin und Job, wurstelt sich durch und bietet schliesslich Markows Gegenspieler Iwan Gubin, dem Vorstandsvorsitzenden einer russischen Holding, seine Dienste an.

In seinem zweiten Roman 'Aschemenschen' behandelt Schmid ein trübes Kapitel der neueren Geschichte: Mengistu, 1977, drei Jahre nach dem Sturz von Kaiser Haile Selassie, in Äthiopien gewaltsam an die Macht gekommen, errichtete in seinem Land ein Regime, in dem Terror, Folter und Hinrichtungen zur Tagesordnung gehörten - beraten und tatkräftig unterstützt von der DDR-Staatssicherheit. Schmid lässt den Roman in der Unruheprovinz Xinjiang beginnen, wo sich die muslimischen Uiguren - die so genannten Aschemenschen - mit terroristischen Aktionen gegen die chinesischen Besatzer auflehnen. Drei gegensätzliche Menschen treffen dort aufeinander: Die Schweizer Ex-Bankerin Erla Weder, eine etwas exaltierte Frau Anfang dreissig, die eine spezielle Art von Abenteuertourismus - Scheinentführung mit ein wenig Peinigung - anbietet; ihr 64-jähriger Kunde Gerd Wohlfahrt aus der ehemaligen DDR, ein Widerling mit Vergangenheit als Folterberater in Äthiopien, der eigentlich in die chinesische Randprovinz gekommen ist, um seinem hier archäologisch tätigen Zwillingsbruder Jakob Fotos zu entreissen, die von seiner Vergangenheit als Folterknecht zeugen; und der sympathische chinesische Unternehmer Xin, der die Entführung ernst nimmt und Wohlfahrt zu dessen Ärger befreit. - Dann verschwindet Xins halbwüchsige Tochter Xiao Fei, Xin, Erla und Wohlfahrt machen sich auf die Suche nach ihr - und begegnen Jonas Tefera, einen in Europa lebenden Äthiopier, der vor dreissig Jahren in ein Folterlager verschleppt worden ist und jetzt in China weilt, um sich an seinen Peinigern - unter ihnen Wohlfahrt - zu rächen (Schmid hat ihn 1999 in Peking zufällig getroffen).
Mit grossem Geschick vermischt der Autor Fiktion und Fakten zu einem faszinierenden, vielschichtigen, in einer bilderreichen Sprache erzählten Roman, in dem die Grenzen zwischen Gut und Böse immer unschärfer werden.

Bibliografie:
'Der Zar von Brooklyn' (2000), 'Aschemenschen' (2006).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Schmidt, Peter

(*1944; schreibt auch als Peter Cahn und Mike Jaeger)

Peter Schmidt kam im westfälischen Dorf Gescher, Kreis Coesfeld, zur Welt. Nach der Ausbildung zum Dekorateur war er in unterschiedlichen Berufen tätig, zuletzt im Marketing. 1977 gab er seinen gut bezahlten Job in der Möbelwerbung auf. Er begann zu schreiben, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum - und wurde einer der bedeutendsten Politromanautoren deutscher Zunge. Schmidt lebt in Gelsenkirchen, Nordrhein-Westphalen.

Zu Schmidts am höchsten eingestuften Werken zählen 'Schafspelz', ein Roman über die Welt der Spionage nach dem Mauerfall; 'Die Stunde des Geschichtenerzählers', ein Eric Ambler verpflichteter, vornehmlich in der Dritten Welt angesiedelter Agententhriller; der deutsche Wiedervereinigungskrimi 'Die andere Schwester'; 'Winger', die actiongeladene Geschichte eines schier unglaublichen Komplotts rechtsradikaler Kreise im Deutschland der frühen 90er-Jahre; der Psychothriller 'Der Mädchenfänger'; der schwarzhumorige Krimi 'Linders Liste'; und die pfiffige Gaunerkomödie 'Roulette'.

Neben seinen über dreissig Spannungsromanen schrieb Peter Schmidt Kriminalerzählungen, Drehbücher, ein Kriminalhörspiel, Sachbücher (unter anderem zu den Themen Emotionale Intelligenz und Mentaltraining) und satirische Werke.

'Die Stunde des Geschichtenerzählers' beginnt in einem kleinen, verschlafenen Ort in Niedersachsen, wo der ehemalige Geheimagent Karlsbeck seinen Lebensabend verbringt. Dort erhält er eines Tages Besuch von der jungen Mulattin Diana Kirsch, die angeblich an einer wissenschaftlichen Arbeit über die Entstehung der kleinen ostafrikanischen Republik Mayotte arbeitet, an deren Befreiungskampf Karlsbeck als Berater des Präsidenten massgeblich beteiligt war. Tatsächlich aber unterstützt Diana die unterdrückten linksrevolutionären Kräfte und sammelt Material gegen den Staatsgründer, dessen Wiederwahl bevorsteht. Karlsbeck durchschaut das Spiel sofort - und lässt sich trotzdem darauf ein.

Adrian Haag, Spezialist für Ostpolitik beim Bundesnachrichtendienst (BND), verheirateter Vater einer 20-jährigen Tochter, ist die Hauptperson in 'Schafspelz'. Angesichts des nach dem Mauerfall drohenden Friedens zwischen Ost und West wird Haag in ein zynisches Ränkespiel, das streng geheime Projekt "Schafspelz", verwickelt. Sein gefährlichster Gegenspieler ist Ronald Sehlen, ein BND-Agent mit wüster Vergangenheit. In einer wichtigen Nebenrolle: Generalsekretär Gorbatschow, auf den möglicherweise ein Attentat geplant wird. Schmidt erzählt die schnörkellose Geschichte in einem knapp-präzisen Stil und würzt sie mit einer gehörigen Portion Ironie.

'Die andere Schwester' spielt ebenfalls in der Zeit kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands (und streift mehrmals das Projekt "Schafspelz"). Im Brennpunkt des undurchsichtigen Geschehens stehen der charismatische Journalist Julius Pomm, seine jüngere Schwester Katja und ihr gemeinsamer Freund Stachus Klein, die vor der Wende in Ostberlin die Bürgerrechtlergruppe "Die Waage" gegründet haben. Zu Beginn der Erzählung wacht Julius mit Filmriss in einem unbekannten Hotelzimmer auf und erfährt, dass Katja, Stachus sowie ein brisantes, von ihnen gemeinsam verfasstes Manuskript und seine gesamte Wohnungseinrichtung verschwunden sind. Mühsam rekonstruiert Julius seine Vergangenheit - und kommt bei seinen Recherchen einem beispiellosen, weit in den Kalten Krieg zurückreichenden politischen Komplott auf die Spur.

Bibliografie:
'Mehnerts Fall' (1981), 'Die Trophäe' (1982), 'Augenschein' (1983), 'Eiszeit für Maulhelden' (1984), 'Die Regeln der Gewalt' (1984), 'Ein Fall von grosser Redlichkeit' (1985), 'Erfindergeist' (1985), 'Die Stunde des Geschichtenerzählers' (1986), 'Das Prinzip von Hell und Dunkel' (1986), 'Der EMP-Effekt' (1986), 'Der Agentenjäger' (1986), 'Linders Liste' (1988), 'Die fünfte Macht' (1989), 'Der kleine Herzog' (1989), 'Das Veteranentreffen' (1990), 'Schafspelz' (1991), 'Die andere Schwester' (1992), 'Roulett' (auch unter dem Titel 'Roulette, 1992), 'Der Mädchenfänger' (1993), 'Schwarzer Freitag' (1993), 'Winger' (1994), 'Harris' (1995), 'Trojanische Pferde' (1996), '2999 - Das dritte Millenium' (1999), 'Endzeit' (2004), 'Einsteins Gehirn' (2012).
Als Peter Cahn: 'Gen Crash' (1994).
Als Mike Jaeger: 'Feuervogel' (1999).

++ Erstellt: Dezember 2015 ++  


Scholefield, Alan

(*1931; schreibt auch als Lee Jordan)

Alan Scholefield kam in Kapstadt, Südafrika, zur Welt. Er begann seine Ausbildung am Queen's College in Queenstown und ging anschliessend an die University of Cape Town, wo er 1951 in Anglistik abschloss. Danach arbeitete er als Journalist für 'The Cape Times' und 'The Cape Argus'. Die 50er-Jahre verbrachte er mit seiner Frau Patricia vorwiegend in Spanien, in dieser Zeit schrieb er seine ersten Kurzgeschichten. 1962, zwei Jahre nach der Scheidung von Patricia, heiratete er die australische Journalistin und Autorin Anthea Goddard, mit der er sich in London niederliess. Sie unterstützte ihn finanziell, als er an seinem ersten Roman 'A View of Vultures' schrieb, der 1966 herauskam. Sein zweiter Krimi 'Great Elephant' war ein derart grosser Erfolg, dass Scholefield aus steuertechnischen Gründen mit seiner aus Anthea und den drei Kindern Nicola, Lynn und Kate bestehenden Familie zuerst nach Wien, dann nach Frankreich zog. Später kehrten sie dann doch wieder nach England zurück und bezogen Wohnsitz in einem alten Gehöft in Hampshire.

Scholefields Werk ist breit gefächert. Es enthält afrikanische Abenteuerromane, subtile Psychodramen, schnörkellose Politthriller, eine drei Bände umfassende, auf Deutsch nicht erschienene Reihe um die Gefängnisärztin Dr. Anne Venon sowie die grossartige Serie um die Londoner Polizisten George Macrae und Leo Silver. Darüber hinaus verfasste Scholefield das Sachbuch 'The Dark Kingdoms. The Impact of White Civilization on Three Great African Monarchies' (1975), Drehbücher, Hörspiele für die BBC sowie, zusammen mit Sara Dunn, einen Gedichtband (1991).

Scholefields erster Krimi 'Lautlos und tödlich' spielt sich an einem einzigen Schauplatz ab: Zwei Erpresser, der zehnjährige Philip Blanchet, ein alter Freund von Philips derzeit im Ausland weilenden Eltern, eine Leiche - und eine Schwarze Mamba befinden sich in dem von der Polizei umstellten Haus der Blanchets. Es kommt zu einem packenden Katz- und Mausspiel.

'Katzenaugen' erzählt von Rachel Chater, einer jungen Schriftstellerin mit blühender Fantasie, die nach einem Autounfall körperlich und seelisch erst halbwegs wieder hergestellt ist. Von ihrem Ehemann Bill allein gelassen (als Drehbuchautor hat er einen lukrativen Auftrag in Hollywood erhalten), wird sie in ihrem düsteren Haus von Ängsten und Alpträumen gepeinigt: Eine riesige, verwilderte Katze, die auch beim Unfall eine bedeutende Rolle gespielt hat, scheint es auf sie abgesehen zu haben.

John Spencer, die Hauptperson in 'Terror in Berlin', ist ein erfolgreicher britischer Unternehmer um die fünfzig, doch er hat keine reine Weste: Im Alter von sechzehn Jahren war er der faschistischen Nationalen Front beigetreten, als sich die russische Armee bereits unaufhaltsam der deutschen Hauptstadt näherte. Fünfunddreissig Jahre später wird er von seiner Vergangenheit eingeholt. Die intelligent komponierte Geschichte spielt sich im Berlin der 40er- und späten 70er-Jahre ab.

In 'Makler des Todes' stellt sich die Frage: Wie wird man Dauermieter los, die ein erstklassiges Londoner Spekulationsobjekt einfach nicht verlassen wollen? Man engagiert eine Truppe jugendlicher Skinheads, die mit Terrorakten dafür sorgen, dass die betagten Leute im Altersheim, im Krankenhaus oder - wenn's denn sein muss - auf dem Friedhof landen.

Den Gipfel seiner schriftstellerischen Kunst erklamm Scholefield in den 90er-Jahren mit sechs in London angesiedelten Polizeiromanen. Die kunstvoll konstruierten, poetischen Geschichten drehen sich um zwei einfühlsam skizzierte Cops: George Macrae, alias der grosse Ganovenjäger, ein ehemaliger Boxer, der die Fäuste zum Missfallen seines Partners auch bei der Berufsausübung wirksam einzusetzen pflegt, ein trinkfester, privat heruntergekommener Schotte mit ausgezeichneten Verbindungen zur Londoner Unterwelt, und gleichzeitig ein überaus erfolgreicher Polizist; und Leo Silver (eigentlich Leopold Silberbauer), ein sensibler, intelligenter Jude, der seine Lebensgefährtin Zoe kennen lernte, als er sie in letzter Sekunde aus den Fängen eines Vergewaltigers retten konnte.

Bibliografie:
Afrikanische Abenteuerromane: 'A View of Vultures' - 'Die Hyänen' (1966), 'Great Elephant' - 'Zulu - wilder Himmel' (1967), 'The Eagles of Malice' - 'Adler des Bösen' (1968), 'Wild Dog Running' - 'Die wilden Hunde' (1970), 'The Young Masters' - 'Die jungen Herren' (1971), 'The Hammer of God' - 'Der Hammer Gottes' (1973), 'Lion in the Evening' - 'Löwen am Abgrund' (1974), 'The Alpha Raid' - 'Kanonenboot auf dem Tanganjika-See' (1976), 'The Stone Flower' - 'Die steinerne Blume' (1982), 'The Sea Cave' - 'Gestörte Verhältnisse' (1983), 'Fire in the Ice' (1984), 'King of the Golden Valley' - 'König im goldenen Tal' (1985), 'The Last Safari' - 'Die letzte Safari' (1987), 'The Lost Giants' (1989);
Krimi-Standalones: 'Venom' - 'Lautlos und tödlich' (1977), 'Point of Honour' - 'Ehrensache' (1979), 'Berlin Blind' - 'Terror in Berlin' (1980), 'Loyalties' (1991), 'Night Child' (1992), 'The Drawning Mark' (1997);
George Macrae & Leo Silver-Serie: 'Dirty Weekend' - 'Kurzschluss' (1990), 'Thief Taker' - 'Ein schöner Tag für Mord' (1991), 'Never Die in January' - 'Stirb nie im Januar' (1992), 'Threats & Menaces' - 'Bis aufs Blut gequält' (1993), 'Don't Be a Nice Girl' (1994), 'Night Moves' (1996);
Dr. Anne Vernon-Serie: 'Burn out' (1994), 'Burried Treasure' (1995), 'Bad Timing' (1997).
Als Lee Jordan (auf Deutsch als Alan Scholefield): 'Cat's Eyes' - 'Katzenaugen' (gemeinsam mit Anthea Goddard, 1981), 'Criss Cross' - 'Spuren in die Dunkelheit' (1984), 'The Deadly Side of the Square' - 'Makler des Todes' (1988), 'The Toy Cupboard' (1989), 'Chain Reaction' (1989).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Januar 2011 ++
 


Schrader, Leonard

(1943-2006)

Leonard Schrader, der ältere Bruder des berühmten Drehbuchautors und Filmregisseurs Paul Schrader, wurde als Sohn einer streng calvinistischen holländisch-stämmigen Familie in Grand Rapids, Michigan, geboren und wuchs auch dort auf. Er studierte an der Michigan Academy of Arts and Sciences und besuchte zusammen mit Grössen wie Jorge Luis Borges, Nelson Algren und Kurt Vonnegut einen Autoren-Workshop an der University of Iowa, Abschluss 1968, bevor er nach Japan ging, wo er seine spätere Ehefrau Chieko kennen lernte und Amerikanische Literatur an den Universitäten Doshisha und Kyoto in Kyoto unterrichtete. 1973 kehrte er in die USA zurück, um eine Laufbahn als Drehbuchautor, "Skriptdoktor" und Filmregisseur einzuschlagen. Ab 1996 war er vornehmlich als Lehrer tätig. Er unterrichtete drei Jahre Drehbuchschreiben an der University of Southern California's Film School, danach vier Jahre Film an der Chapman University und war von 2003 bis 2005 am American Film Institute in Los Angeles. Schrader starb 62-jährig in Los Angeles.

Schraders Erstlingsroman 'Yakuza' ist auf Umwegen entstanden. Mit japanischen Traditionen eng vertraut, schrieb Schrader in den frühen 70er-Jahren eine Kurzgeschichte und schickte sie seinem damals noch wenig bekannten Bruder. Dieser entwickelte daraus ein Drehbuch, das ein "Skriptflicker" namens Robert Towne in die endgültige Fassung brachte, und nach dem Sidney Pollack 'Yakuza' drehte, einen recht erfolgreichen Streifen, der dann von Leonard Schrader novellisiert wurde. Seine nachfolgenden Krimis 'Blue Collar' und 'Hardcore' liegen nicht auf Deutsch vor. Darüber hinaus verfasste Schrader Artikel über die Aktivitäten der Yakuza sowie, zusammen mit seiner Frau, eine Reihe von japanischen Bühnenwerken.

'Yakuza' (wörtlich: Spieler) ist heute gleichbedeutend mit Gangster oder Mafioso. Und der Yakuza ist ein höchst gefährlicher Mafioso - einer, der, anders als sein sizilianischer Vetter, den Tod nicht nur nicht fürchtet, sondern geradezu herbeisehnt (Kamikaze, Harakiri usw.). Und so ist Harry Kilmer - Investor, ehemaliger Privatdetektiv und Veteran des Zweiten Weltkrieges mit langjähriger Japan-Erfahrung, wohnhaft in Los Angeles - begreiflicherweise nicht darauf erpicht, gegen die Yakuza anzutreten, als die 17jährige Tochter seines Kriegskumpels, des international tätigen Reeders George Tanner, in Tokio von einem Gangsterboss entführt wird. Doch Harry kann seinen alten Freund nicht im Stich lassen. Er geht nach Japan, befreit zusammen mit dem Bruder seiner Ex-Geliebten Eko, dem ehemaligen Yakuza Tanaka Ken, in einer Blitzaktion Georges Tochter - diese aber wird kurz danach tot aufgefunden, und George ist verschwunden. 'Yakuza', ein finsterer und temporeicher, mit blutrünstigen Szenen gespickter Krimi, vermittelt dem Leser faszinierende Einblicke in die japanische Kultur.

Bibliographie:
'The Yakuza' - 'Yakuza' (1975), 'Blue Collar' (1977), 'Hardcore' (1979).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Schutz, Benjamin M.

(1949-2008)

Geboren in Washington, D.C., ausgebildet an der Walt Whitman High School in Bethesda und am Lafayette College in Pennsylvania, erwarb Benjamin M. Schutz 1977 seinen Doktortitel in Klinischer Psychologie an der Catholic University of America. Zusammen mit seiner Frau Dr. JoAnne Lindenberger arbeitete er als klinischer und forensischer Psychologe in Woodbridge, Virginia, ehe er 1985 als Krimiautor debütierte.

Ins Zentrum seiner Krimis stellte Schutz den hartgesottenen Washingtoner Privatdetektiv Leo Haggerty, eine prägnant und glaubhaft gezeichnete Figur, die sich auf Mordfälle und das Aufspüren vermisster Personen spezialisiert hat. 'Krieg in den Strassen' gilt als bester Titel der sechsbändigen, 1994 beendeten Serie.

Ab Mitte der 90er-Jahre schrieb Schutz lange Zeit nur noch Kurzgeschichten, die (wie auch die zweite Hälfte der Leo Haggerty-Serie) nicht in deutscher Sprache vorliegen. 2004 erschien sein letzter Roman 'Unerbittlich', eine massentaugliche Mischung aus Psycho- und Justizthriller. Ein Jahr später folgte der Sammelband 'Mary, Mary, Shut the Door and Other Stories', in dem auch drei Leo Haggerty-Stories vertreten sind.

Schutz starb 58-jährig nach einer Herzattacke im Potomac Hospital in Woodbridge. Er hinterliess seine Frau, mit der er 32 Jahre verheiratet war, und zwei Söhne.

In 'Krieg in den Strassen' erteilt Mrs. Vasquez Leo Haggerty den Auftrag zu beweisen, dass ihr Mann nicht freiwillig den Löffel abgegeben hat, damit sie zu ihrer Lebensversicherungsprämie kommt - scheinbar bloss ein harmloser Versicherungsfall. Schon bald aber gerät der furchtlose Ermittler in eine gefährliche, von lateinamerikanischen Drogenbaronen und skrupellosen argentinischen Generalen angezettelte Politintrige, die ihn beinahe das Leben kostet.

Bibliografie:
Leo Haggerty-Serie: 'Embrace the Wolf' - 'Wie ein Wolf' (1985), 'All the Old Bargains' - 'Flieh vor der Bestie' (1985), 'A Tax in Blood' - 'Krieg in den Strassen' (1987), 'Things We Do for Love' (1989), 'A Fistful of Empty' (1991), 'Mexico Is Forwever' (1994);
'The Mongol Reply' - 'Unerbittlich' (2004).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Scoppettone, Sandra

(*1936; schreibt auch als Jack Early)

Geboren und aufgewachsen als Einzelkind in South Orange, New Jersey, besuchte Sandra Scoppettone bis 1954 die Columbia High School im nahe gelegenen Maplewood. Anschliessend liess sie sich in New York City nieder, um zu schreiben. Nach etlichen Theaterstücken, TV-Skripts sowie Jugendbüchern zu den Themen Homosexualität, Gewalt und Alkoholsucht veröffentlichte sie in den 80er-Jahren drei harte, mit Jack Early gezeichnete Kriminalromane.

'Die sinnliche Polizistin' (welch hirnrissiger Titel - im Original lautet er treffend 'Donato & Daughter') dreht sich um das italienisch-stämmige Vater-Tochter-Polizistengespann Sergeant Mike Donato und Lieutenant Dina Donato, beide vom NYPD, zwei dickköpfige Figuren mit schwierigem Privatleben - Dina ist allein erziehende Mutter eines kleinen Jungen und beginnt eine Affäre mit einem Kollegen, Mike, schwer gezeichnet vom gewaltsamen, viele Jahre zurückliegenden Tod seines heroinabhängigen Sohnes Rich, wird zu Beginn der Geschichte von seiner Frau aus der Wohnung geworfen -, die sich tunlichst aus dem Weg gehen. Als in New York mehrere Nonnen auf bestialische Art misshandelt und ermordet werden, ist Dina als Leiterin der Sonderkommission, die den Killer jagt, auf die besten Männer angewiesen - und es gibt keinen besseren als Mike. Detailreich-realistische Darstellung der Polizeiarbeit und einfühlsame Charakterzeichnung werten die nicht besonders originelle Soziopathenstory erheblich auf.

Anfang der 90er-Jahre lüftete Scoppettone ihr Pseudonym und veröffentlichte den ersten Band ihrer Serie um die Privatdetektivin Lauren Laurano, eine ehemalige FBI-Angestellte Mitte vierzig, die in Greenwich Village seit vielen Jahren mit der Psychotherapeutin Kip zusammenlebt und hin und wieder Kriminalfällen aus der näheren Umgebung auf den Grund geht - eine charmante, im Original fünf Bände umfassende Serie mit viel Lokalkolorit, zahlreichen Verweisen auf politische und soziale Strömungen und einer warmherzigen, humorvollen Protagonistin, deren Leidenschaft für Computer und Süssigkeiten keine Grenzen kennt.

Im dritten Krimi 'Überall suche ich deine Spur' hat Lauren Laurano ihren rätselhaftesten Fall. Für einen Ex-Junkie namens Boston Blackie soll sie herausfinden, was seiner Mutter Susie Mcmann zugestossen ist, als sie kurz nach seiner Geburt, vor 38 Jahren, spurlos verschwand und ihren Sohn beim gewalttätigen Vater zurückliess. Offiziell fiel sie einem Unfall zum Opfer, Blackie hingegen ist sich sicher, dass sie von ihrem Mann ermordet wurde, doch dann mehren sich die Hinweise, wonach sich Susie damals nach Hollywood absetzte, um als Schauspielerin Karriere zu machen. Nach vielen (nicht immer ganz plausiblen) Verwicklungen kommt die Detektivin schliesslich den Geheimnissen dreier Generationen auf die Spur. Einen scharfen Kontrast zur Krimihandlung bildet das qualvolle Sterben von Kips schwulem, aidskrankem Bruder Tom.

In Scoppettones beiden letzten - 2005 bzw. 2006 erschienenen - Romanen ist die junge Privatdetektivin Faye Quick im Manhattan des Zweiten Weltkriegs am Werk.

Die Autorin lebt mit ihrer langjährigen Gefährtin, der Autorin Linda Crawford, in Southold, New York State.

Bibliografie:
Als Jack Early:
'A Creative Kind of Killer' - 'Künstlerpech' (1984), 'Razzamatazz' (1985), 'Donato & Daughter' - 'Die sinnliche Polizistin' (1988).
Als Sandra Scoppettone:
Lauren Laurano-Serie: 'Everything You Have Is Mine' - 'Alles, was du hast, gehört mir' (1991), 'I'll Be Leaving You Always' - 'Immer verlasse ich dich' (1993), 'My Sweet Untraceable You' - 'Überall suche ich deine Spur' (1994), 'Let's Face The Music and Die' (1996), 'Gonna Take a Homicidal Journey' (1998);
Einzelwerke: 'Some Unknown Person' (1977), 'Such Nice People' (1980), 'Innocent Bystanders' (1983), 'Beautiful Rage' (2004);
Faye Quick-Romane: 'This Dame for Hire' (2005), Too Darn Hot' (2006).

++ Erstellt: September 2015 ++  


Scott, Jack S.

(Pseudonym für Jonathan Escott, 1922-1987)

Jonathan Escott, geboren und aufgewachsen in London, war ein beliebter Unterhaltungskünstler - Schauspieler, Komiker und Sänger in einer Big Band -, ehe er mit 54 Jahren eine schriftstellerische Laufbahn einschlug.

Zehn seiner sechzehn (mit einer Ausnahme unter dem Pseudonym Jack S. Scott publizierten) schwarzhumorigen Krimis drehen sich um den englischen Kleinstadtpolizisten Detective Inspector Alf Rosher, eine prägnant gezeichnete Figur, deren Arbeit sorgfältig und realistisch beschrieben ist. Rosher, seit 26 Jahren mit einer fett gewordenen Frau verheiratet, widmet sein ganzes Leben dem Beruf, ohne darin sonderlich zu brillieren. Er ist ein recht unsympathischer von Vorurteilen geleiteter, sich bei Beförderungen stets übergangen fühlender Zeitgenosse, der im Fortgang der Reihe jedoch an menschlichem Format gewinnt.
'Inspektor aus Leidenschaft', der erste Band der Reihe, sticht hervor. Er befasst sich mit seltsamen "Unfällen" in einem Altersheim - Alice Baddow, die Tante eines einflussreichen Stadtrats (ihres Alleinerben), ist das neuste Opfer -, aber auch mit dem Privatleben von Roshers Untergebenem Sergeant Johnnie Howes, einem jungen, eigentlich glücklich mit Madge verheirateten Mann, der die psychisch labile Journalistin Janie Vincent geschwängert hat - und diese will ihn jetzt für sich allein haben.

Scotts bester Krimi ist der (kurz vor dem ersten Band der Alf Rosher-Serie erschienene) Standalone 'Der Bastard hiess Bristow'. Er erzählt die Geschichte des charmanten, aber charakterschwachen Tiefkühltruhen-Vertreters Lenny Bristow, der sein Glück kaum fassen kann, als sich eine neue Kundin - die reiche und unsichere, von ihrem zwanzig Jahre älteren Mann arg vernachlässigte Jennifer Pilbeam - hoffnungslos in ihn verliebt. Er gibt ihr guten Sex, sie revanchiert sich mit wertvollen Geschenken. Eines Tages kommt der gehörnte Ehemann früher als erwartet nach Hause, erwischt das Paar beim Schäferstündchen, und in der Not zertrümmert ihm Bristow den Schädel. Wohin mit der Leiche? Die neue, enorm geräumige Tiefkühltruhe bietet sich als Versteck an - und dann soll es so schnell wie möglich nach Südamerika gehen; und zwar ohne Jennifer, derer er überdrüssig geworden ist.

Bibliografie:
Detective Inspector Alf Rosher-Serie: 'The Poor Old Lady's Dead' - 'Inspektor aus Leidenschaft' (auch unter dem Titel 'Tod einer alten Dame', 1976), 'The Shallow Grave' - 'Kein Grab für Ellie Beavis' (1977), 'A Clutch of Vipers' - 'Den machen wir fertig!' (1979), 'The Gospel Lamb' - 'Das Werkzeug' (1980), 'A Distant View of Death' (auch unter dem Titel 'The View from Deacon Hill') - 'Mit eigenen Augen' (1981), 'An Uprush of Mayhem' - 'Kein Lorbeer für Rosher' (1982), 'The Local Lads' - 'Die Lokalmatadore' (1982), 'All the Pretty People' - 'Teuflisch nette Leute' (1983), 'A Death in Irish Town' - 'Tod in Irish Town' (1984), 'A Knife Between the Ribs' (1986);
Chief Inspector Peter Parsons-Romane: 'A Time of Fine Weather' (1984), 'A Little Darling, Dead' (1985);
'A Better Class of Business' (auch unter dem Titel 'The Bastard's Name Was Bristow') - 'Der Bastard hiess Bristow' (1976), 'A Walk in Dead Man's Wood' (1978), 'Corporal Smithers, Deceased' (1983).
Als Jonathan Escott: 'Landfall in Sefton Carey' (1976).

++ Erstellt: März 2011 ++  


Seymour, Gerald

(Kürzel für William Hershel Kean Gerald Seymour, *1941)

Gerald Seymour kam in Guildford, der Hauptstadt der südenglischen Grafschaft Surrey, als Sohn des Schriftsteller-Ehepaars William Kean Seymour und Rosalind Herschel Wade zur Welt. Er studierte Moderne Geschichte am Kelly College in Tavistock, Devon, mit einem Abschluss am University College in London. Von 1963 bis 1978 arbeitete er als Reporter des britischen Nachrichtensenders 'Independent Television News' (ITN), sein erster Beitrag behandelte den "Grossen Postraub" durch Ronald Biggs im August 1963.

In den folgenden Jahren berichtete Seymour unter anderem über den Krieg zwischen Indien und Pakistan, die Aden-Krise in Südjemen, den arabisch-israelischen Yom-Kippur-Krieg, den Zypernkonflikt, den Vietnamkrieg und den irischen Bürgerkrieg, über das Massaker bei den Olympischen Spielen in Münchnen, die Terroranschläge der RAF und der Roten Brigade sowie aus Palästina.

1976 liess er sich mit seiner Frau Gillian und den beiden Söhnen Nicholas und James im Rom nieder und eröffnete dort ein ITN-Büro, das für den Mittelmeerraum verantwortlich war. Im Jahr 1978, drei Jahre nach der Veröffentlichung seines ersten Romans, entschloss sich Seymour für ein Leben als freier Autor. Die nächsten sechs Jahre verbrachte er in der Nähe von Dublin, anschliessend liess er sich im West Country, im Südwesten Englands, nieder.

Mit seinen bisher einunddreissig Politthrillern (Stand vom Herbst 2014) deckt der international renommierte Terrorismus-Experte so ziemlich alle bedeutenden Konfliktherde der neueren Zeit ab. Seine realistischen, schlackenfreien, in einem nüchternen Stil aus schnell wechselnden Perspektiven erzählten und mit lebensnahen Figuren bevölkerten Geschichten handeln von russischen Dissidenten, arabischen Terroristen, dem Krieg in Afghanistan, den Bürgerkriegen in Irland, Guatemala, Jugoslawien und im Libanon, der sizilianischen Mafia, dem Kalten Krieg, dem Apartheid-Regime und den Golfkriegen, in der jüngeren Vergangenheit von der organisierten Kriminalität in Europa, internationalem Waffenhandel, George W. Bushs "Krieg gegen den Terrorismus" und dem Drohnenprogramm der Nato. Zu Wort kommen stets auch kleine, verzweifelte Leute - die Opfer der zynischen Ränkespiele von Geheimdienstlern und Politikern jeder Couleur.

Der Romanerstling 'Harry's Game' ('Das tödliche Patt'), eines der bekanntesten Werken des Autors, liegt in einer vorzüglichen deutschsprachigen Übersetzung als gebundene Ausgabe vor. Belfast, im Jahr 1974, gegen Ende des blutigen Stadtguerilla-Kriegs, eine zerrüttete und erschöpfte Stadt, ist Schauplatz des Duells zwischen dem IRA-Killer Billy Downs, der in London auf offener Strasse einen englischen Minister erschossen hat, und dem krisenerprobten Undercover-Agenten Harry Brown, der im Auftrag der englischen Regierung den Attentäter fassen und liquidieren soll, zwei verheirateten Familienvätern Anfang dreissig, die wohl nur zufällig auf verschiedenen Seiten stehen - ein Duell, das nur Verlierer kennt.

Seymours fünfter, vorwiegend im geteilten Deutschland angesiedelter Roman 'Der Auftrag' handelt vom Kalten Krieg, von verzweifelten Überläufern und abgebrühten Spionen. Die Hauptrollen bekleiden Dr. Otto Guttmann, ein betagter, im Dienst der Sowjetunion stehender, noch immer äusserst wertvoller deutschstämmiger Wissenschaftler mit dem Spezialgebiet Panzerabwehrraketen, seine erwachsenen Kinder Erica und Willi sowie Johnny Donoghue vom Secret Intelligence Service (SIS), dessen steile Karriere ins Stocken geriet, als er bei einem Einsatz in Nordirland versehentlich ein 15-jähriges Mädchen erschoss. Jetzt erhält Johnny, ein harter, intelligenter und einfallsreicher, moralisch integrer (perfekt Deutsch sprechender) Geheimagent, die Möglichkeit, sich zu rehabilitieren - er soll Dr. Guttmann einen Seitenwechsel schmackhaft machen. Das Mittel zum Zweck ist Guttmanns rührend-naiver, grossen Mut beweisender Sohn, den der SIS auf hinterhältige Weise in den Westen gelockt hat. Doch auch Johnny Donoghue ist ein Spielball skrupelloser Strippenzieher - das Unternehmen endet im Fiasko.

Im Spätsommer 1990, kurz vor Saddam Husseins Einmarsch in Kuweit, arbeiten die Wissenschaftler fieberhaft an der nuklearen Aufrüstung des Irak, wer nicht pariert, wird abserviert. Dies ist die Ausgangslage in Seymours zwölftem Thriller 'Schwarze Geschäfte', als der junge englische Hitman Colin Oliver Louis Tuck, abgekürzt Colt, im Auftrag Bagdads einen irakischen Dissidenten und dessen Kontaktperson, den CIA-Mann Harry Lawrence, auf den Strassen Athens ermordet. Der FBI-Agent Bill Erlich, der mit Lawrence eng befreundet war, heftet sich auf die Fersen des Killers. Dieser hat inzwischen bereits einen neuen Auftrag erhalten: Den frustrierten, weil überarbeiteten, schlecht bezahlten und arg verschuldeten britischen Atomwaffenexperten Frederic Blisset für den Irak zu rekrutieren. Zwischen den beiden facettenreich geschilderten Widersachern entspinnt sich ein Katz-und-Maus-Spiel, in das neben anderen auch der MI5-Agent James Rutherford und ein für den Mossad spionierender schwedischer Chemiker involviert sind.

Bibliografie:
'Harry's Game' - 'Das tödliche Patt' (1975), 'The Glory Boys' - 'Fliegenpilz' (1976), 'Kingfisher' - 'Der Ruf des Eisvogels' (1977), 'Red Fox' (1979), 'The Contract' - 'Der Auftrag' (1980), 'Archangel' - 'Erzengel' (1982), 'In Honour Bound' (1984), 'Field of Blood' - 'Der Kronzeuge' (1985), 'A Song in the Morning' (auch unter dem Titel 'Shadow on the Sun') - 'Gesang im Morgengrauen' (1986), 'At Close Quarters' - 'Aus nächster Nähe' (1987), 'Home Run' - 'Heimkehr in den Tod' (1989), 'Condition Black' - 'Schwarze Geschäfte' (1991), 'The Journeyman Tailor' (1992), 'The Fighting Man' - 'Tod der Schmetterlinge' (1993), 'The Heart of Danger' (1995), 'Killing Ground' - 'Die Informantin' (1997), 'The Waiting Time' (auch unter dem Titel 'Dead Ground', 1998), 'A Line in the Sand' (1999), 'Holding the Zero' (2000), 'The Untouchable' (2001), 'Traitor's Kiss' (2003), 'The Unknown Soldier' (2004), 'Rat Run' (2005), 'The Walking Dead' (2007), 'Time Bomb' (2008), 'The Collaborator' (2009), 'The Dealer and the Dead' (2010), 'A Deniable Death' (2011), 'The Outsider's (2012), 'The Corporal's Wife' (2013), 'Vagabond' (2014).

++ Erstellt: November 2013 ++
++ Update: November 2014 ++
 


Shames, Laurence

(*1951; schreibt auch als Gary Troup)

Laurence "Larry" Shames wurde in Newark, New Jersey, geboren und wuchs dort und in Colonia, ebenfalls New Jersey, in bescheidenen Verhältnissen auf. Er besuchte ein Jahr die Lehigh University in Betlehem, Pennsylvania, und machte 1972 an der New York University einen Abschluss in Englischer Literatur. Danach verrichtete er Jobs wie Taxifahrer, Möbelpacker, Tellerwäscher, Strandwächter, Turnlehrer und Schuhverkäufer, ehe er ab 1979 als Journalist unter anderem für die 'New York Times', den 'Esquire', 'Playboy' und 'Vanity Fair' arbeitete und überdies eine Reihe von Essays und zwei Sachbücher verfasste. Nach zwanzig Jahren in New York City bezog er im Januar 1990 Wohnsitz in Key West, wo er seine Frau, die Fotografin Marilyn Staruch, kennen lernte und bis 2000 das gemeinsam mit zwei FBI-Agenten verfasste Mafia-Sachbuch 'Boss of Bosses' (1991) und acht Florida-Romane herausgab; unter ihnen 'Florida Straits' und 'Sunburn oder Stille Tage in Key West', zwei turbulente, mit Augenzwinkern erzählte Geschichten um ausgebrannte New Yorker Mafiosi, die im Rentnerparadies Key West ihre letzten Runden drehen. Es folgten zwölf sehr erfolgreiche Jahre als Ghostwriter/Koautor (unter anderem für den Musiker Peter Buffett), bevor er 2013 mit seinem neunten Key West-Krimi 'Shot on Location' als Romanautor zurückkehrte.

Shames' meist gelobter Roman 'Sunburn oder Stille Tage in Key West' schildert den Lebensabend des pensionierten Mafiapaten Don Vincente Delgatto. Dieser will nach dem Tod seiner Frau ein wenig ausspannen, im Garten Hand anlegen, mit seinem Kumpel Andy the Dandy über die guten alten Zeiten plaudern - und (auf Anraten seines unehelichen Sohnes Joey, der etwas Struktur in Vincentes Alltag bringen möchte) seine Memoiren schreiben. Doch dieses Freizeitprojekt stösst begreiflicherweise nicht überall auf Begeisterung. Schon bald treten denn auch die ersten FBI-Agenten und New Yorker Mafiosi auf den Plan, doch Don Vincente und Andy the Dandy erweisen sich als äusserst trickreiche, mit allen Wassern gewaschene Gegner.

Nach längeren Aufenthalten in Steamboat Springs, Colorado, und Ojai, Kalifornien, leben Larry Shames und seine Frau heute in der kleinen Stadt Asheville im Herzen der Blue Ridge Mountains, North Carolina, und bereisen von dort aus die Kontinente.

Bibliografie:
Key West-Krimis: 'Florida Straits' (1992), 'Scavenger Reef' (1994), 'Sunburn' - 'Sunburn oder Stille Tage in Key West' (1995), 'Tropical Depression' - 'Tropentief oder Heisse Nächte in Key West' (1996), 'Virgin Heat' - 'Virgin Heat' (1997), 'Mangrove Squeeze' - 'Die Freunde der russischen Oper' (1998), 'Welcome to Paradise' (1999), 'The Naked Detective' (2000), 'Shot on Location' (2013).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2013 ++
 


Sheckley, Robert

(1928-2005; schrieb auch als Phillips Barbee und Finn O'Donnevan)

Robert Sheckley kam im New Yorker Viertel Brooklyn zur Welt und wuchs in Maplewood, New Jersey, auf. Kurz nach Abschluss der High School zum Militärdienst eingezogen, war er bis 1948 in Korea stationiert. Anschliessend studierte er Englisch, Psychologie und Philosophie an der University of New York mit einem Abschluss 1951. Nach kurzer Tätigkeit als Ingenieur im Flugzeugbau machte er das Schreiben zu seinem Hauptberuf. 1951 verkaufte er seine erste Story, 1954 kam seine erste Sammlung mit Science Fiction-Geschichten heraus. Ein Jahr nach der Scheidung von seiner ersten Frau Barbara heiratete er 1957 die Journalistin Ziva Kwitney und lebte mit ihr in Greenwich Village.

Die 70er-Jahre verbrachte Sheckley auf Ibiza und danach mit seiner dritten Frau Abby in London, bis er 1980 in die Vereinigten Staaten zurückkehrte, um für das neu gegründete Sciencefiction-Magazin 'Omni' zu arbeiten und an verschiedenen Universtäten Sciencefiction zu unterrichten. Nach weitschweifigen Europareisen liess er sich Mitte der 80er-Jahre mit seiner vierten Frau Jay in Portland, Oregon, nieder. Sein letzter Wohnsitz war die Kleinstadt Red Hook, Dutchess County, New York State. Sheckley war fünfmal verheiratet, zuletzt mit der Schriftstellerin Gail Dana, und hatte einen Sohn, Jason, aus erster, eine Tochter, Alisa, aus zweiter sowie eine Tochter, Anya, und einen Sohn, Jed, aus dritter Ehe. Mit 77 Jahren starb er im Krankenhaus von Poughkeepsie.

Sheckley war einer der bekanntesten und produktivsten Sciencefiction-Autoren des 20. Jahrhunderts. Darüber hinaus verfasste er in den 60er-Jahren eine Handvoll schnörkellose, actiongeladene Krimis mit dem freischaffenden Sonderagenten Stephen Dain als Hauptperson, einen weiteren - humoristisch-turbulenten, den Kalten Krieg auf die Schippe nehmenden - Spionagethriller ('Spaghetti mit blauen Bohnen') und den Psychothriller 'Duell in der Hitze'.

Stephen Dain, hager und gross gewachsen, ein kaltblütiger, verschlossener und unscheinbarer, stets etwas gleichgültig wirkender Einzelgänger Ende dreissig, war OSS-Offizier im Zweiten Weltkrieg, bevor er sich als Troubleshooter selbständig machte - und fürderhin im Auftrag des amerikanischen Militärgeheimdienstes seinen sowjetischen, arabischen oder lateinamerikanischen Gegnern das Fürchten lehrt, ohne darum viel Aufhebens zu machen.

Der Standalone 'Duell in der Hitze' spielt auf einem Segelboot, das von der Karibikinsel St. Thomas nach New York unterwegs ist. An Bord: der Schiffsbesitzer Captain James, ein kriegs- und krisengestählter Glücksritter um die fünfzig, und der zwanzig Jahre jüngere Koreaveteran und Rumtreiber Dennison, der es auf James' Besitzgüter abgesehen hat. Unter der sengenden Sonne entwickelt sich ein atemloses Katz- und Mausspiel, in dessen Verlauf Dennison allmählich den Verstand verliert.

Bibliografie:
Stephen Dain-Serie: 'Calibre .50' - 'Kaliber .50' (1961), 'Dead Run' - 'Lauf um dein Leben' (1961), 'Live Gold' (1962), 'White Death' (1963), 'Time Limit' (1967);
'The Man in the Water' - 'Duell in der Hitze' (1962), 'The Game of X' - 'Spaghetti mit blauen Bohnen' (1965).

++ Erstellt: November 2012 ++  


Siler, Jenny

(*1971; schreibt auch als Alex Carr)

Jenny Siler wurde in New Brunswick, New Jersey, geboren, wuchs in Missoula, Montana, auf, besuchte eine High School in Andover, Massachusetts, und blieb ohne Hochschulabschluss. Sie jobbte ein Jahr in verschiedenen europäischen Ländern, zwei Sommer in einer Lachskonservenfabrik in Alaska und drei Jahre in Key West, Florida, bevor sie nach Seattle ging, um als Gabelstapelfahrerin, Möbelpackerin und Barmixerin, aber auch als Lehrerin für taube Kinder zu arbeiten. Siler war Mitte zwanzig, als sie mehr oder weniger zufällig zum Schreiben kam. Nach der Veröffentlichung ihres ersten Buches verbrachte sie fünf Jahre in Missoula, bis sie sich mit ihrem Mann Keith und ihrer Tochter Vivica im Shenandoah Valley bei Lexington, Virginia, niederliess und sich dort hauptberuflich dem Romanschreiben widmet.

Silers Erstlingsroman 'Schnelle Beute' dreht sich um die Ex-Junkie Alison "Al" Kerry, die sich mit illegalen Kurierdiensten (Rauschgift, Autos usw.) durchschlägt. Als sie eine harmlos aussehende Diskette übergeben soll, liegt ihr Mittelsmann erschossen in einer Toilette, und Al kann den Killern erst in letzter Sekunde entfliehen. Ein befreundeter Computer-Freak findet auf der Diskette Hinweise auf illegale CIA-Aktionen in Vietnam - und wird ebenfalls ermordet. Jenny Siler erzählt die harte, mit geschickt eingestreuten Rückblenden angereicherte Road-Novel mit viel trockenem Witz und ohne Sentimentalität.

In 'Auf dünnem Eis' nimmt Meg Gardner, eine kleine Gaunerin, die nach einer 18-monatigen Gefängnisstrafe in ihre Heimatstadt Missoula zurückkehrt, ihren ersten legalen Job an: Sie konfisziert Autos von säumigen Zahlern. Als sie den Cherokee des kurz vor der Pleite stehenden Piloten Clay Bennett zurückholen will, wird dessen Leiche gerade von der Polizei aus dem Wasser gezogen. Im Cherokee aber befindet sich ein Koffer mit Strassenkarten, auf den es diverse zwielichtige Gestalten abgesehen haben. Meg gerät in Lebensgefahr, beginnt, um ihre Haut zu retten, Bennetts gewaltsamen Tod zu ermitteln und findet heraus, dass dieser vor vierzig Jahren mit einem Flugzeug der Air Force über den Wäldern von Montana abgestürzt ist und sich noch immer auf der Suche nach dem Wrack des Flugzeugs befand. Transportierte Bennett damals einen Schatz? Die Autorin zeichnet in diesem poetischen Roman das eindrucksvolle Bild einer Aussenseiterin, der es letztlich nur ums Überleben geht.

Auch 'Ticket nach Tanger' handelt von einer Überlebenskünstlerin: der Amerikanerin Eve, die mit einer Schusswunde im Kopf und ohne Gedächtnis vom Benediktinerinnen im Burgund aufgelesen wird und dann ein Jahr im Kloster verbringt, bis die Nonnen massakriert werden - die langen Schatten von Eves Vergangenheit. Eve muss fliehen, macht sich auf die Suche nach ihren Wurzeln, nach ihrer Identität. Die Reise bringt sie über Marokko zurück nach Frankreich und schliesslich in die Slowakei, wo sich der Kreis schliesst.

Nicole Blake, eine junge Libanesin mit amerikanischem Pass, ist die Protagonistin des Eric Ambler verpflichteten Politthrillers 'Portugiesische Eröffnung', der in den USA unter Silers androgynem Pseudonym Alex Carr erschienen ist. Die vorbestrafte Dokumenten-Fälscherin, die zurückgezogen in den französischen Pyrenäen lebt, soll für den CIA-Agenten Valsamis ihren ehemaligen Liebhaber Rahim Ali aufspüren, weil dieser angeblich in einen antiamerikanischen Terrorakt verwickelt ist. Der Weg führt über Lissabon, wo Rahim vor Nicoles Augen ums Leben kommt, nach Beirut - hier wurde Nicoles Mutter bei einem Anschlag von arabischen Terroristen auf die amerikanische Botschaft im Jahre 1983 getötet. Mit grossem Geschick, in schnörkellosem Stil, verknüpft die Autorin Nicole Blakes Geschichte mit der unbedarften Nahostpolitik der Vereinigten Staaten unter Präsident Bush.

Der multiperspektivisch angelegte, zwischen verschiedenen Zeiten hin und her springende Roman 'Verschärftes Verhör' behandelt ein weiteres trübes Kapitel der neueren amerikanischen Aussenpolitik - den Afghanistan-Rachefeldzug nach 9/11. Im Mittelpunkt: Die Arabisch-Expertin Kat Caldwell, die 2002 in Bagram, dem grössten amerikanischen Stützpunkt in Afghanistan, Verhöre durchführte und als Dolmetscherin tätig war, und ihr damaliger Schützling, der jugendliche, in einem grauenhaften Waisenhaus aufgewachsene Marokkaner Jamal, der sich mit Prostitution und als CIA-Informant durchschlägt, sowie mehr oder weniger skrupellose Angehörige der US Army und der CIA. Die düstere Geschichte kreist um den zwei Jahre zurückliegenden Erstickungstod eines mutmasslichen Terroristen in Bagram (wurde er beim Verhör etwas gar hart angefasst oder starb er auf natürliche Weise?), einen Fall, der in Kürze vor Gericht verhandelt werden soll - und dessen Zeugen jetzt auf dubiose Weise aus dem Verkehr gezogen werden.

Bibliografie:
'Easy Money' - 'Schnelle Beute' (1998), 'Iced' - 'Auf dünnem Eis' (2000), 'Shot' (2002), 'Flashback' - 'Ticket nach Tanger' (2004).
Als Alex Carr (nur im Original): 'An Accidental American' - 'Portugiesische Eröffnung' (2007), 'The Prince of Bagram Prison' - 'Verschäftes Verhör' (2008).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Siller, Hilda Van

(1911-1982; schrieb auch als Van Siller)

Hilda Van Siller wurde in New York City geboren. Weil ihr Vater als Ingenieur im Ausland arbeitete, verbrachte sie den grössten Teil ihrer Jugendzeit ausserhalb der USA - vor allem in Venezuela. In den 30er-Jahren absolvierte sie ein Kunststudium. 1941 erbte sie mit ihrer Schwester einen Bauernhof in Virginia, den die beiden dann eine Zeit lang gemeinsam betrieben. Nebenbei begann sie zu schreiben. Mehr weiss man nicht über das Leben dieser Autorin, die 1982 in New York City gestorben ist.

Namentlich in den 50er- und 60er-Jahren war Hilde Van Siller eine gern gelesene Erfinderin von Spannungsliteratur. 'Mord ist mein Geschäft', ihr wohl bekanntester, 1957 erschienener Roman, dreht sich um die junge, attraktive, etwas verdrehte, aus strategischen Gründen sich als Mann ausgebende Krimiautorin Hastings "Hasty" Gore. Die Erzählung beginnt in einem noblen New Yorker Restaurant mit einer Auseinandersetzung zwischen Hasty und ihrem Verleger, der von ihr verlangt, das Ende ihrer letzten Geschichte zu ändern. Hasty widerspricht mit der Begründung, sich mit Verbrechen und der menschlichen Seele auszukennen wie keine zweite, und lässt sich, um dies zu beweisen, auf eine höchst seltsame Wette ein: Im Restaurant sucht sie sich zwei ihr völlig unbekannte Männer aus, die an einem Nebentisch in ein Streitgespräch verwickelt sind, und behauptet, einem der beiden werde in den nächsten Tagen etwas zustossen.
Wenig später wird auf dem Rasenplatz vor ihrem Landhaus ein britischer Schriftsteller ermordet aufgefunden - der Mann, dem sie eine schlimme Zukunft prophezeit hat. Als tags darauf schon wieder eine Leiche in ihrem Garten liegt, muss Hasty als Hauptverdächtige sämtliche Register ihres beachtlichen detektivischen Könnens ziehen, um schliesslich den wahren Täter zu entlarven. Eine hübsche, verwickelte und märchenhafte Geschichte, eine durchaus gelungene Parodie der Gattung 'Golden-Age-Cosy'.

Ihre frühen Bücher sowie ein paar Kurzgeschichten veröffentlichte Hilda Van Siller ursprünglich unter dem männlich klingenden Pseudonym Van Sinner, darunter je zwei Richard Massey- und Peter Rector-Romane, die in der Zeit des Zweiten Weltkriegs angesiedelt sind. Drei spätere - in deutschen Übersetzungen verfügbare - Titel schildern die Abenteuer des Krimiautors und Amateurdetektivs Allan Stewart.

Bibliographie:
Richard Massey-Romane: 'Echo of a Bomb' (1943), 'The Curtain Between' (auch unter dem Titel 'Fatal Bride' (1947);
Peter Rector-Romane: 'Good Night, Ladies' (1943), 'Under a Cloud' (1944);
Allan Stewart-Romane: 'A Complete Stranger' - 'Niemand kennt Mallory' (1965), 'The Mood for Murder' - 'Der Hilfeschrei' (1966), 'The Biltmore Call' - 'Das Ferngespräch' (1967);
'Somber Memory' (1945), 'One Alone' - 'Die Mörderin' (1946), 'Paul's Apartment' - 'Pauls Appartment' (1948), 'Man of Extinction' (1949), 'The Last Resort' (auch unter dem Titel 'Fatal Lover', 1951), 'Bermuda Murder' - 'Der Bermuda-Mord' (1956), 'Murder Is My Business' - 'Mord ist mein Geschäft' (1957), 'The Widower' (1959), 'The Road' (1960), 'The Lonely Breeze' (auch unter dem Titel 'The Murders at Hibiscus Key') - 'Küss mich und stirb' (1965), 'The Read Geranium' (1966), 'Sudden Storm' - 'Der Familienkonflikt' (1968), 'The Watchers' - 'Telefon aus Teheran' (1969), 'It Had to Be You' - 'Eine kurze Affäre' (1970), 'Deception of Death' - 'Eine hübsche Witwe' (1973), 'The Old Friend' - 'Ein guter alter Freund' (1973), 'The Hell with Elaine' - 'Zum Teufel mit Elaine' (1974), 'The Sloane Divorce' - 'Die schöne Lügnerin' (1977, Original nicht auffindbar), 'Pammy' - 'Ein fairer Prozess' (1977, Original nicht auffindbar).

++ Erstellt: Oktober 2014 ++  


Simmons, Dan

(*1948)

Dan Simmons wurde in Peoria, Illinois, geboren und wuchs in verschiedenen Städten des Mittleren Westens auf, unter anderem in Brimfield, Illinois. Nach seinem Englischstudium, das er am Wabash College (Bundesstaat Indiana) abschloss, erwarb er 1971 einen Magister in Erziehung an der Washington University in St. Louis. Die folgenden achtzehn Jahre verbrachte er als Grundschullehrer in den Bundesstaaten Missouri, Buffalo, New York und Colorado. Im Jahr 1982 veröffentlichte er seine ersten Kurzgeschichten, fünf Jahre später stellte er das Schreiben ins Zentrum seines Berufslebens. Simmons lebt mit seiner Frau Karen in Longmont am Fusse der Rocky Mountains.

Simmons war bereits ein renommierter Horror-, Fantasy- und Sciencefiction-Autor (Hyperion-Romane!), als er im Jahr 1999 den historischen Spionageroman 'Fiesta in Havanna' herausgab, eine knapp 600 Seiten umfassende Mischung aus Fiktion und Tatsachen mit eindrucksvollen Gastauftritten von Ian Fleming, Cary Cooper, Ingrid Bergman und Marlene Dietrich. Im Frühjahr 1942, kurz nach Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg, entsendet FBI-Direktor Edgar J. Hoover den abgebrühten (fiktiven) Agenten Joe Lucas in die kubanische Hauptstadt, damit dieser dem Erfolgsautor Ernest Hemingway, der zusammen mit seiner bunt zusammengewürfelten, selbstironisch als Crook Factory (Gaunerbande) bezeichneten Truppe deutsche U-Boote ausspioniert, ein wenig auf die Finger schaut. Fasziniert von der Persönlichkeit des abenteuerlustigen Schriftstellers freundet sich Lucas mit Hemingway an - und die beiden kommen einem ungeheuren Komplott auf die Spur.

Simmons' nachfolgender Roman 'Das Schlangenhaupt', actiongeladen und mit einer hübschen Liebesgeschichte gewürzt, dreht sich um den renommierten Schadensermittler Dr. Darwin Minor, genannt Dar, und die FBI-Agentin Cydney Olson, die einen gigantischen Versicherungsbetrug (es geht um fingierte Verkehrsunfälle) ans Licht bringen.

Anfangs der Nullerjahre kreierte Simmons mit Joe Kurtz eine ungemein wuchtige Thrillerfigur. Aufgewachsen in einem Waisenhaus, dann Privatermittler in der heruntergekommenen Industriestadt Buffalo, New York State, rächt Kurtz zu Beginn der Trilogie den gewaltsamen Tod seiner Partnerin und Geliebten Samantha Fielding. Die folgenden elfeinhalb Jahre verbringt er in Attica, einem der übelsten Gefängnisse der Vereinigten Staaten. Nach seiner Freilassung eröffnet der instinktsichere Einzelgänger mit seiner früheren Sekretärin, der gewieften Hackerin Arlene Demarco, im Keller eines Pornoladens eine Art Detektivbüro - jetzt natürlich ohne Lizenz. Seinen ersten Auftrag erhält er dann ausgerechnet von dem greisen Mafiaboss Farino, dessen missratenem Sohn "Little Skag" er im Knast das Leben gerettet hat - er soll den Mord am Buchhalter des Clans aufklären. Doch Joe Kurtz, clever, eiskalt und kampferprobt, gräbt zu tief und sieht sich allsbald einer Meute aus skrupellosen Drogendealern, durchgeknallten Auftragskillern und korrupten Cops gegenüber.

Auch im zweiten Roman 'Bitterkalt' bekämpfen sich Joe Kurtz und der (nach dem wilden Finale des ersten Teils arg dezimierte) Farino-Clan mit harten Bandagen. Doch diesmal hat der Detektiv noch einen zweiten Fall, der ihm alles abverlangt: Im Auftrag des krebskranken Musikers John Frears jagt er den Serienmörder James B. Hansen, einen hochintelligenten Psychopathen, der seit vielen Jahren - verborgen hinter ganz unterschiedlichen Masken - pubertierende Mädchen entführt, vergewaltigt und umbringt, um dann unter Vortäuschung des eigenen Todes unterzutauchen - Frears ist der Vater eines dieser Opfer. Im Zuge seiner Ermittlungen enthüllt Kurtz die gegenwärtige Identität des Killers - Captain Robert Millworth, Leiter der Mordkommission in Buffalo…

'Kalt wie Stahl' bildet den Abschluss der atemberaubenden Trilogie. Die miteinander verfeindeten New Yorker Mafiafamilien Gonzaga und Farino (neuerdings mit Angelina Farino Ferrara an der Spitze), ein mächtiger Gangsterboss mit dem unpassenden Spitznamen Baby Doc, ein höchst effizienter Kopfgeldjäger, der weitherum als der Däne bekannt und gefürchtet ist, ein Killer, den man den Dodger nennt, sowie dessen geheimnisvoller Drahtzieher sorgen für ausufernden Blutfluss in der Stadt. Und dann bricht ein flächendeckender Drogenkrieg aus - mit Joe Kurtz zwischen allen Fronten.

Bibliografie:
'The Crook Factory' - 'Fiesta in Havanna' (1999), 'Darwin's Blade' - 'Das Schlangenhaupt' (2000);
Joe Kurtz-Trilogie: 'Hardcase' - 'Eiskalt erwischt' (2001), 'Hard Freeze' - 'Bitterkalt' (2002), 'Hard as Nails' - 'Kalt wie Stahl' (2003).

++ Erstellt: Mai 2015 ++  


Simon, Roger L.

(*1943)

Roger Lichtenberg Simon wurde in New York City als Sohn einer Publizistin und eines Arztes geboren und wuchs dort und in Scarsdale, New York State, auf. Er studierte Englisch an der Eliteschule Dartmouth in Hanover, New Hampshire, und dann Stückeschreiben an der Yale School of Drama, wo er seine erste Frau, die spätere Drehbuchautorin Dyanne Asimov, kennen lernte (die beiden waren von 1965 bis 1982 ein Paar). Nach einem einjährigen Aufenthalt in Europa liess er sich in Los Angeles nieder. Dort arbeitet er seit vielen Jahren als Journalist, Filmregisseur, Drehbuch- und Krimiautor, gelegentlich auch als Schauspieler. Darüber hinaus ist er CEO des 2004 gegründeten Netzwerks 'Pajamas Media'. Zeitweilig ist er auch als Dozent für Drehbuchschreiben tätig. Er ist in zweiter Ehe mit der Drehbuchautorin Sheryl Longin verheiratet und hat zwei Söhne und eine Tochter.

Mit dem jüdisch-stämmigen, jedoch antizionistischen Privatdetektiv Moses Wine hat Roger L. Simon eine eigenständige und vielschichtige Figur zum Leben erweckt, die im Fortgang der Reihe einen markanten Reifeprozess durchläuft. Moses Wine - kiffender Hippie mit abgebrochenem Jurastudium, Demonstrant gegen den Vietnamkrieg und die Rassentrennung; zynischer Macho mit romantischer Ader, der Gewalt verabscheut; geschiedener Erzieher zweier Söhne (seine Frau Suzanne ist mit einem Guru durchgebrannt und befindet sich meistens auf der Suche nach sich selbst, bis sie schliesslich Anwältin wird; der ältere Sohn, Jacob, zu Beginn der Reihe vierjährig, entwickelt sich zu einem geistreichen Intellektuellen, outet sich als homosexuell und will Schriftsteller werden; der drei Jahre jüngere, eher introvertierte Simon mausert sich vom Graffiti-Sprayer zum Umweltaktivisten und talentierten Kunstmaler) - ist vornehmlich in Los Angeles am Werk, es verschlägt ihn jedoch berufshalber nach China ('Die Pekingente'), Japan ('Kurzschluss im Silicon Valley'), in den Nahen Osten ('Auferstanden von den Toten') oder nach Prag ('Director's Cut', 2003, keine deutsche Übersetzung). Die Spezialität des eloquenten und lebensklugen Detektivs ist die Improvisation: eine Nummer abziehen, eine Rolle spielen, um Informationen zu erlangen bzw. den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Die achtbändige, dreissig Jahre abdeckende Reihe, in der Moses Wine und seine Angehörigen mehr oder weniger in Echtzeit altern, zeichnet ein facettenreiches Bild des modernen Amerikas; ganz besonders auch der links-alternativen Szene, die Simon bei aller Sympathie recht kritisch beleuchtet. Den Durchbruch schaffte Simon 1973 mit seinem dritten Roman 'Das Geschäft mit der Macht', dem ersten, mit einem Edgar ausgezeichneten und erfolgreich (mit Richard Dreyfuss als Moses Wine) verfilmten - primär um Wahlkampfmanipulation in Kalifornien kreisenden - Band der Moses Wine-Serie, dessen Bedeutung von der amerikanischen Kritik etwas gar euphorisch mit jener von Raymond Chandlers 'Der grosse Schlaf' verglichen wurde.

'Die Peking-Ente' berichtet von den Abenteuern, die eine bunt zusammengewürfelte vierzehnköpfige Gruppe auf einer Studienreise im China der 70er-Jahre erlebt. Reiseleiterin ist Sonya Lieberman, Moses Wines betagte, linksradikale Tante, und Moses Wine ist auch dabei, lange Zeit nur als stiller Beobachter. Als aus einem Museum in Peking eine unschätzbar wertvolle goldene Ente entwendet wird und offenbar nur einer der vierzehn amerikanischen Gäste als Täter in Frage kommt, wird die ganze Gruppe unter Hausarrest gestellt. Moses Wine, auf einmal arg unter Druck stehend, geht dem Diebstahl auf den Grund - und vereitelt im gleichen Zug eine Verschwörung geheimer konterrevolutionärer Kräfte.

'Kurzschluss in Silicon Valley' beginnt mit der Ermordung eines für den Tulip-Computer-Konzern tätigen EDV-Genies - Werkspionage scheint das Motiv zu sein. Moses Wine, neuerdings als Sicherheitschef bei dieser aufstrebenden Firma angestellt, beginnt zu ermitteln. Die Spuren führen ihn nach Japan, ein Land, dessen Sprache und Bräuche ihm fremd sind. Gewalttätige Russen, rachesüchtige Japanerinnen und ein durchgedrehter ehemaliger CIA-Agent kreuzen seinen Weg, Moses Wine bekommt - wie in jedem Buch - eins auf die Rübe, bewahrt aber trotzdem kühlen Kopf und löst den Fall. Einen Fall, der ihm dermassen aufs Gemüt schlägt, dass er den lukrativen Job bei Tulip quittiert und eine Psychotherapie beginnt. Schon bald bringt der Therapeut viel neuen Schwung ins Moses Wines Leben: Er vermittelt ihm eine betuchte Klientin (eine seiner Patientinnen), deren Mann unter unklaren Umständen ums Leben gekommen ist; Wine heuert eine junge, frankokanadische Assistentin namens Chantal an, in die er sich sofort verliebt; und auch sein mittlerweile 17-jähriger Sohn Jacob greift kurz ins Geschehen ein. Beschrieben in 'Schwarzer Schnee', einer turbulenten, mit umwerfend komischen Szenen gewürzten Geschichte, in deren Verlauf Moses Wine langsam wieder ins Leben zurückfindet.

Mit einem besonders brisanten Fall wird Moses Wine in 'Auferstanden von den Toten' betraut: Im Auftrag der Araber soll er herausfinden, wer den Präsidenten der Arabisch-Amerikanischen Freundschaftsgesellschaft, den Anwalt Joseph Damoor, in Los Angeles in die Luft gesprengt hat - oder, in Moses Wines Worten: Es ist die Geschichte eines Juden, der als Undercoveragent für die Araber arbeitet. Schweren Herzens reist der Detektiv nach Israel, in das Land seiner Väter, das er bisher nur vom Hörensagen kennt, gerät dort zwischen die Fronten von zionistischen Fanatikern und israelischen Geheimdienstlern und trifft auf seinen alten Freund Max Hirsch, den Paten seiner Söhne, der eine zwiespältige Rolle zu spielen scheint.

In 'Die Baumkrieger', dem letzten auf Deutsch erschienenen Moses Wine-Krimi, begibt sich der Protagonist - er ist jetzt fast fünfzig Jahre alt, hat dem Hippieleben längst den Rücken gekehrt und führt mit seiner asiatisch-stämmigen Lebensgefährtin Nancy ein recht bürgerliches Leben - zusammen mit seiner Ex-Frau in den nordkalifornischen Regenwäldern auf die Suche nach seinem 20-jährigen Sohn Simon, der als Mitglied der radikalen Umweltschützertruppe "Hüter des Planeten" am Tod eines Baumfällers schuldig sein soll. Es wird Moses Wines bislang schwierigste Ermittlung, die ihn zwingt, sich auf schmerzhafte Weise mit seiner eigenen Lebensgeschichte - seinen Idealen, der Beziehung zu seinen Söhnen, aber auch seiner gescheiterten Ehe und den unzähligen Frauengeschichten - auseinanderzusetzen. Im Verlauf der Geschichte kommen Moses Wine und seine Ex-Frau sich wieder etwas näher, sie haben sogar Sex miteinander, doch selbstverständlich wird nichts daraus - und auch Wines Beziehung zu Nancy scheitert. Am Schluss aber scheint Moses Wine doch noch die grosse Liebe gefunden zu haben, in der Person der jungen FBI-Agentin Samantha, die er später heiratet - und die in 'Director's Cut' von ihm ein Kind erwartet.

Bibliografie:
Moses Wine-Serie: 'The Big Fix' - 'Das Geschäft mit der Macht' (1973), 'Wild Turkey' - 'Hecht unter Haien' (1974), 'Peking Duck' - 'Die Peking-Ente' (1979), 'California Roll' - 'Kurzschluss im Silicon Valley' (1985), 'The Straight Man' - 'Schwarzer Schnee' (1986), Raising the Dead' - 'Auferstanden von den Toten' (1988), 'The Lost Coast' - 'Die Baumkrieger' (1997), 'Director's Cut' (2003).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Simonin, Albert

(Kürzel für Albert-Charles Simonin, 1905-1980)

Albert Simonin, geboren und aufgewachsen im Pariser Proletarier-Viertel La Chapelle als Sohn eines Blumenhändlers, musste als Zwölfjähriger die Schule verlassen, um Geld zu verdienen. Vier Jahre später war er Waise. Nachdem er sich einige Zeit mit Gelegenheitsarbeiten durchgeschlagen hatte, leistete er Mitte der 20er-Jahre seinen Militärdienst. Danach wurde er Journalist, zuerst beim Blatt 'L'Intransigeant' im Ressort Sport. Schwierigkeiten mit dem Gesetz führten zu zwei Jahren im Exil. Zurück in Paris, war er zunächst als Taxifahrer tätig, später wieder als Journalist bei verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften.

Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Simonin für das 'Centre d'Action et de la Documentation', ein antisemitisches Organ, das von den Deutschen finanziert wurde. Nach der Befreiung Frankreichs musste Simonin deshalb für fünf Jahre ins Zuchthaus. Als er auf freien Fuss kam, begann er Krimis und Drehbücher zu schreiben - und wurde einer der Begründer des "roman noir". Kurz vor dem Tod konnte er noch seine Memoiren unter dem Titel 'Confession d'un enfant de la Chapelle' veröffentlichen. Simonin starb 74-jährig in Paris.

Simonins Stil prägender (mit Wörtern der französischen Umgangssprache, dem Argot getränkter) Erstling, der Gangsterroman 'Touchez pas au grisbi!' (auf Deutsch: 'Wenn es Nacht wird in Paris'), ist 1953 erschienen und bildet mit den Nachfolgewerken 'Le cave se rebiffe' und 'Grisbi or not grisbi' eine Trilogie. Schwindelmaxe und Heini (im Original Max-le-Menteur und Riton) planen einen letzten Dreh, bevor sie sich endgültig zur Ruhe setzen wollen: Raub von Goldbarren im Wert von 50 Millionen Anciens Francs. Alles läuft wie am Schnürchen, die Polizei tappt im Dunkeln, doch Heini macht sich mit diesem Coup bei seiner Geliebten Josy wichtig, diese weiht den aufstrebenden Gangster Angelo (ihren Kokainlieferanten und neuen Liebhaber) ein, und der trachtet nun danach, Schwindelmaxe und Heini die Beute abzujagen, um sich zum Chef der Pariser Unterwelt aufzuschwingen. Der spektakuläre, mit viel schwarzem Humor beschriebene Bandenkrieg findet im Vergnügungsviertel längs des Boulevard Clichy und des Boulevard Rochouart statt. Jean Becker verfilmte das Buch im Jahr 1954 mit Jean Gabin, Jeanne Moreau und Lino Ventura in den Hauptrollen.

Simonins übrige Romane, darunter die legendäre, in den 1920er-Jahren in Paris spielende Le Hotu-Trilogie, liegen nicht auf Deutsch vor. Neben seinen neun Romanen publizierte der Autor mehrere Essays und ein Wörterbuch des Argot.

Bibliografie:
Max le Menteur-Trilogie: 'Touchez pas au grisbi!' - 'Wenn es Nacht wird in Paris' (1953), 'Le Cave se rebiffe' (1954),'Grisbi or not grispi' (1955);
Le Hotu-Trilogie: 'Le Hotu' (1968), 'Le Hottu s'affranchi' (1969), 'Hotu soit qui mal y pense' (1973);
'Une balle dans le canon' (1958), 'Du mouron pour les petits oiseaux' (1960), 'L'Elegant' (1973).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Januar 2014 ++
 


Siniac, Pierre

(1928-2002; schrieb auch als Pierre Signac)

Pierre Siniac wurde als Sohn eines Schuhmachers und einer Kostümverleiherin in Paris geboren und wuchs in höchst bescheidenen Verhältnissen auf. Er verliess die Grundschule mit vierzehn und besuchte verschiedene Berufsschulen, blieb jedoch ohne Abschluss. Danach zog er durch Frankreich und hielt sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Es folgten einige Jahre bei verschiedenen kleinen Theatertruppen, für die er als Autor, Regisseur und Hilfsdekorateur, aber auch administrativ tätig war.

1958 veröffentlichte Siniac seinen ersten Krimi, 1967 machte er das Schreiben zum Hauptberuf. 1971 veröffentlichte er den ersten von sieben Romanen um das einzigartige Gespann bestehend aus dem Schlawiner Luj Inferman' und der geradezu monströsen Gestalt La Cloducque, die Serie wurde 1982 abgeschlossen. Danach schrieb Siniac vorwiegend fantastische Kriminalromane. Er verbrachte seine letzten Lebensjahre zurückgezogen in Aubergenville, einem ländlichen Dorf in der Nähe von Paris, und starb dort im Frühling 2002, seine Leiche wurde jedoch erst nach mehreren Wochen von seinen Nachbarn aufgefunden.

Pierre Siniac, einer der innovativsten Schöpfer von frankophoner Spannungsliteratur des zwanzigsten Jahrhunderts, erlebte seine produktivste Phase in den 70er- und 80er-Jahren. Im deutschsprachigen Raum ist er bis heute weitgehend unbekannt geblieben.

'Todesreigen', der zweite seiner drei ins Deutsche übersetzten Romane, spielt auf einer namenlosen, gottverlassenen Insel. Im Mittelpunkt stehen zwei abgebrühte einander belauernde Verbrecher, die es auf ein Paket Heroin im Wert von 1.2 Millionen Dollar abgesehen haben. In wichtigen Nebenrollen: eine tickende Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg und eine Schar gefrässige Haie, die die Insel umkreisen.

Bibliografie:
'Les Morfalous' (1968), 'Le Casse-route' (1969), 'La Nuit des Auverpins' (auch unter dem Titel 'La Nuit des flingueurs', 1969'), 'Les Monte-en-l'air sont là' (1970), 'L'Increvable' - 'Der Unverwüstliche' (1970), 'Deux pourris dans l'île' - 'Todesreigen' ('1971), 'Les Sauveurs suprêmes' (1971), 'Si jamais tu m'entubes' (1974), 'Les Congelés' (1974), 'L'Or des fous' (auch unter dem Titel 'Sous l'aile noire des rapaces', 1975), 'Le Tourbillon' (1975), 'L'Orchestre d'enfer' (1977), 'L'Epinglage' (1980), 'Aime le Maudit' (auch unter dem Titel 'Vampir's Club', 1980), 'Femmes blafardes' (1981), 'La Câline inspirée' (1981), 'Un assassin, ca va ca vient' - 'Ein Mörder kommt, ein Mörder geht' (1981), 'Comment tuer son meilleur copain' (1981), 'Bazar bizarre' (1982), 'La Tenue léopard' (1983), 'Charenton non-stop' (1983), 'Ras le Casque' (1984), 'Les Enfants du père Eddy' (1984), 'Carton blème' (auch unter dem Titel 'Coupes sombres', 1985), 'L'Affreux joujou' (1985), 'La Femme au cigare' (1986), 'Des amis dans la police' (1989), 'Sombres soirées chez madame Glauque' (1989), 'Mystère en coup de vent' (1990), 'Les Mal-lunés' (1995), 'Démago Story' (1996), 'Ferdinand Céline' (1997), 'Le Mystère de la Sombre Zone' (1999), 'De l'horrifique chez les tarés' (2000), 'Bon cauchemar, les petits' (2001), 'Le Crime du dernier métro' (2001), 'La Course du hanneton dans une ville détruite ou La Corvée de soupe' (2006);
Luj Inferman' & La Cloducque-Serie: 'Luj Inferman' et La Clodique' (1971), 'Les 401 coups de Luj Inferman'' (1972), 'Les 5 milliards de Luj Inferman'' (1972), 'Lij Inferman' dans la jungle des villes' (1979), 'Pas d'ortolans pour La Cloducque' (1979), 'Lui Inferman' chez les poulets' (1980), 'Luj Inferman' ou Macadam-Clodo' (1982).
Als Pierre Signac: 'Illégitime défense' (1958), 'Bonjour cauchemar' (1959), 'Monsieur cauchemar' (1960).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: September 2013 ++
 


Skirrow, Desmond

(1924-1976)

Viel weiss man nicht über den höchst wahrscheinlich 1924 (nach einzelnen Quellen: 1923) in Wales geborenen Werbedesigner und Romanautor Desmond Skirrow, der sich auch als Journalist und Kunstmaler hervortat und in seinen letzten Lebensjahren den Posten eines Creative Director der renommierten Londoner Werbeagentur Masius Wynne-Williams innehielt.

In der zweiten Hälfte der 60er-Jahre veröffentlichte Skirrow den humoristischen Roman 'Poor Quail', den Jugendkrimi 'The Case of the Silver Egg' und drei harte, ironisch gemeinte, mit lässigem Witz erzählte Spionageromane, die John Brock-Trilogie.

John Brock, ein Veteran des Zweiten Weltkriegs, verdient sich den grössten Teil seines Einkommens in der Londoner Werbung (wo er sich schier zu Tode langweilt), erhält jedoch zum Ausgleich "nasse" Aufträge von einer in Kensington Gardens ansässigen Geheimdienstorganisation, der ein Mann mit dem Übernamen "The Fat Man" vorsteht - Aufträge, die Brock nicht ablehnen kann, denn der fette Mann hat belastendes Material gegen ihn in der Hand, aber im Grunde auch nicht ablehnen will. Er ist ein zäher, einfallsreicher und schlagkräftiger, ja überlebensgrosser Agent und wird oft von Provis begleitet, seinem besten, aus demselben Holz geschnitzten Kumpel. Brock zieht in jedem Buch eine blonde Schönheit an Land, und mit ihr erholt er sich dann in einem entlegenen Cottage in den Cotswolds von seinen haarsträubenden Abenteuern.

'Im Würgegriff', Teil Eins der Trilogie, beschert Brock einen harten Brocken als Gegenspieler: Lord Llewellyn, den mächtigen walisischen Direktor des Riesenunternehmens 'Allied Electrical Industries', in dessen Umfeld kürzlich mehrere tödliche Verkehrsunfälle passiert sind - Brock soll ihm jetzt auf den Zahn fühlen. Schon bald entlarvt sich Llewellyn als fanatischer Nationalist, der die Absicht hegt, Englands gesamte Stromversorgung auf einen Schlag lahmzulegen; ein grotesker Plan, den zu vereiteln Brock und Provis jedoch alles abverlangt.

Zu Beginn des dritten Romans 'Ausgepunktet' geraten sich John Brock und Tommy Tranter - Besitzer des Konzerns 'Tranter Trust' und wichtigster Kunde von Brocks primärem Arbeitgeber - durch einen unglücklichen Zufall in die Haare. Dieser Zwischenfall, der Brock beinahe seinen Brotberuf kostet, führt zum letzten und gefährlichsten Fall des Gelegenheitsagenten - es geht um Industriespionage. Auftraggeber ist ausgerechnet besagter Tommy Tranter, dessen näheres Umfeld augenscheinlich fast nur von zwielichtigen Gestalten bevölkert ist.

Skirrows bekanntestes literarisches Werk ist indes kein Krimi, sondern sein einziges, aus bloss zwölf Wörtern bestehendes Gedicht 'Ode on a Grecian Urn Summarized', das in das 'New Oxford Book of Light Verse' aufgenommen wurde und wie folgt lautet: Gods Chase/Round Vase./What say?/What play?/Don't know/Nice, though.
Skirrow starb 52-jährig in London.

Bibliografie:
John Brock-Trilogie: 'I Won't Get You Anyware' - 'Im Würgegriff' (1966), 'I Was Following this Girl' - 'Die faule Masche' (1967), 'I'm Trying to Give it up' - 'Ausgepunktet' (1968).

++ Erstellt: November 2011 ++  


Smith, Kay Nolte

(1932-1993)

Geboren in Eveleth, Minnesota, aufgewachsen in Wisconsin, absolvierte Kay Nolte Smith ein Theater- und Speech-Studium an der University of Minnesota und der University of Utah mit einem Master-Abschluss 1955. Danach zog sie nach New York City, wo sie fünf Jahre in der Werbung tätig war, bis sie unter dem Künstlernamen Kay Gillian als Bühnen- und Fernsehschauspielerin Karriere machte. Smith gehörte zum Zirkel der Objektivisten um Ayn Rand, die sich für einen "rationalen Individualismus" engagierten, verfasste für deren Plattform 'The Objectivist' eine Reihe von Essays, Theater- und Filmkritiken und koproduzierte Rands Theaterstück 'Penthouse Legend'. Daneben unterrichtete sie Schreiben und Speech an einem College in New Jersey. Sie war auch kulturpolitisch aktiv und führte zusammen mit ihrem Mann ein Sommertheater in Michigan. Nach ihrer Trennung vom Rand-Zirkel verfasste Smith in den 80er-Jahren fünf psychologisch tiefgründige Krimis, kurz vor ihrem Tod liess sie zwei historische Romane folgen.

Ihr bekanntestes Werk 'Der Beobachter' wurde 1981 mit dem "Edgar" für den besten Krimierstling des Jahres ausgezeichet. Die verschachtelte Erzählung - eine reizvolle Mischung auf Polizei- und Gerichtsroman, angereichert mit einfühlsamen psychologischen Studien und vielen literarischen und philosophischen Anspielungen - sieht zwei komplexe Charaktere, Paul Damon und Astrid Cain, im Fokus. Damon wuchs nach dem gewaltsamen Tod seiner Mutter mit seinem Bruder Sam, den er später an die Drogen verlor, bei einer Tante auf. Er studierte Jura, bis sich sein grosses Vorbild, ein Richter, als korrupt erwies - und wechselte daraufhin zur New Yorker Polizei. Cain, eine ehemalige Off-Broadway-Schauspielerin und heutige Enthüllungsjournalistin, verfolgt ein grosses Ziel: Sie will dem Psychologen Martin Granger, dem einflussreichen Direktor des Instituts für das Studium kultureller und ethischer Werte, das Handwerk legen - denn ihr bei Granger arbeitender Mann, ein begabter Neurophysiologe, wurde unter dessen Einfluss in den letzten Monaten von einer geistigen Lähmung ergriffen. Undercover, getarnt als Grangers neue Sekretärin, sammelt sie Material gegen ihren Chef. Während eines heftigen Streits zwischen den beiden Kontrahenten stürzt er auf unklare Weise von seinem Balkon und stirbt - Cain gerät nun unter Mordverdacht. Zusammen mit seinem Partner Riley soll Damon dem Fall auf den Grund gehen; ausgerechnet er, der vor acht Jahren Cains Geliebter war und die Trennung von ihr noch immer nicht ganz verarbeitet hat. Im Verlauf einer turbulenten Gerichtsverhandlung bringt der vom Cop zum Strafverteidiger mutierte Damon die Wahrheit über Grangers wahren Charakter ans Tageslicht

Smith verbrachte ihre letzten Jahre in Tinton Falls, New Jersey, und erlag 61-jährig in einem nahe gelegenen Krankenhaus einer Krebserkrankung. Sie hinterliess ihren Ehemann Philip Smith, mit dem sie seit 1958 kinderlos verheiratet war.

Bibliografie:
'The Watcher' - 'Der Beobachter' (1980), 'Catching Fire' - 'Feuerprobe' (1982), 'Mindspell' - 'Verdammte Seelen' (1983), 'Elegy for a Soprano' - 'Sterbelied für Sopran' (1985), 'County oft he Heart' (1988).

++ Erstellt: Juni 2011 ++  


Smith, Scott B.

(*1965)

Geboren in Summit, New Jersey, aufgewachsen in Toledo, Ohio, studierte Scott B. Smith am Dartmouth College und an der Columbia University in New York mit einem Abschluss in Creative Writing. In dieser Zeit veröffentlichte er seine ersten Stories. Nach längeren Aufenthalten in New Orleans, Louisiana, und Berkeley, Kalifornien, lebt er heute mit seiner Frau, einer Autorin, in New York City und widmet sich vorwiegend dem Roman- und Drehbuchschreiben.

In Smiths erstem Krimi 'Ein ganz einfacher Plan' stossen Hank Mitchell, Buchhalter einer Futtermittelhandlung, sein geistig etwas zurückgebliebener Bruder Jacob und dessen bester Freund Lou, ein versoffener und arbeitsloser Taugenichts, an Weihnachten auf ein Flugzeug, das in der Ödnis des verschneiten Ohio abgestürzt ist. Inhalt des Flugzeuges: der tote Pilot und 4.4 Millionen Dollar. Hank und seine Frau Sarah schmieden einen Plan, den sie immer wieder leicht modifizieren müssen. Der ultimative Plan ist dann aber ganz einfach: Hank soll jeden umlegen, der sie um die Zufallsbeute bringen könnte. Smith zeichnet in seinem atmosphärisch dichten, in einem lakonischen Stil erzählten Noir-Roman, zu dessen erfolgreicher Verfilmung er das Drehbuch beigesteuert hat, das plastische Bild eines bauernschlauen Psychopathen.

Nach der Veröffentlichung seines Erstlings arbeitete Smith fünf Jahre an einem neuen Roman. Als dessen Ende auch nach über tausend Seiten nicht in Sicht war, brach er die Übung ab. Viele Jahre später, 2006, kam schliesslich sein zweites Buch heraus, der Horrorthriller 'Dickicht', der ebenfalls verfilmt worden ist.

Bibliografie:
'A Simple Plan' - 'Ein ganz einfacher Plan' (auch unter dem Titel 'Ein einfacher Plan, 1993), 'The Ruins' - 'Dickicht' (2006).

++ Erstellt: März 2011 ++  


Smith, Shelley

(Pseudonym für Nancy Hermione Courlander, 1912-1998)

Nancy Hermione Courlander wurde in Richmondon Thames, Surrey, geboren. In der zweiten Hälfte der 20er-Jahre zog sie mit ihren Eltern nach Frankreich. Sie studierte in Cannes und an der Pariser Sorbonne und schloss 1931 mit einem Diplom ab. 1933 heiratete sie Stephen Bodington, fünf Jahre später kam es zur Scheidung der kinderlosen Ehe. Von 1942 bis 1978, unter dem Nom de plume Shelley Smith, veröffentlichte sie fünfzehn Spannungsromane - zunächst konventionelle Tüftelkrimis (mit Detective Inspector Jacob Chaos von Scotland Yard als Protagonist der beiden ersten Romane), dann psychologische Studien. Sie starb 85-jährig in einem Pflegeheim in Steyning, Sussex.

Die Experten sind sich einig: 'Herr, erbarme dich der Schwachen' ist Shelley Smiths grösster Wurf (knapp gefolgt von 'Das Gift der Bosheit' und 'The Party at No 5', von dem es keine deutsche Übersetzung gibt). Schauplatz ist ein namenloses ländliches Dorf in England, dessen klatschsüchtige Bevölkerung augenscheinlich nur von Missgunst, Bosheit, Eifersucht und Hass getrieben wird. Das Zentrum des Krimis, in dem unzählige wunderbar porträtierte Einheimische zu Wort kommen, bildet der gutmütige Arzt Dr. Mansbridge, dessen Frau Editha, ein scharfzüngiges, niederträchtiges Miststück, in der Mitte des Buches unter seltsamen Umständen ums Leben kommt. Man verdächtigt den Doktor, Editha aus dem Weg geräumt zu haben, um seine Freiheit zurückzugewinnen, man tuschelt und intrigiert, Mansbridge verliert Patienten, beginnt zu trinken - sein Leben zerbricht.

Bibliografie:
Detective Inspector Jacob Chaos-Romane: 'Background of Murder' (1942), 'He Died of Murder' (1947).
'Death Staks a Lady' (1945), 'This Is the House' - 'Das Haus auf der Apostelinsel' (1945), 'Come and Be Killed' (1946), 'The Woman in the Sea' (1948), 'Man with a Calico Face' (1951), 'Man Alone' (1952), 'An Afternoon to Kill' - 'Das Gift der Bosheit' (1953), 'The Party at No 5' (1954), 'The Lord Have Mercy' - 'Herr, erbarme dich der Schwachen' (1956), 'Rachel Weeping' (1957), 'The Ballad of the Running Man' - 'Der zweite Mann' (1961), 'A Grave Affair' - 'Ein dickes Ding' (1971), 'A Game of Consequences' - 'Spiel der Konsequenzen' (1978).

++ Erstellt: Dezember 2011 ++  


Solomita, Stephen

(*1943; schreibt auch als David Cray)

Stephen Solomita wurde im New Yorker Stadteil Queens als Sohn eines Verkäufers von Autozubehör und einer Gebrauchsgrafikerin geboren und wuchs dort mit einem Bruder und zwei Schwestern auf. Schon in der Schulzeit veröffentlichte er Essays und Stories im Literaturmagazin der Bayside High School und in anderen Periodika. Sein Literaturstudium am Queens College beendete er ohne Abschluss. Daraufhin verrichtete er Gelegenheitsjobs, unter anderem im väterlichen Geschäft, und verfasste weitere Kurzgeschichten. Von 1983 bis 1987 schob er harte 12-Stunden-Schichten als Taxifahrer in New York City. Dabei schloss er Freundschaft mit zahlreichen Cops und sammelte wertvolles Rohmaterial für seine Prosa, ehe er freier Autor wurde und 1988 seinen ersten Stanley Moodrow-Krimi 'Katanos' veröffentlichte.

Stanley Moodrow, ein riesenhafter, Furcht erregender Mann in seinen Fünfzigern, ein legendenumwobener Ermittler, der die Lower East Side von Manhattan kennt wie seine eigene Westentasche, hat eine 35-jährige (meist partnerlose) Zeit als Cop beim NYPD hinter sich, als er am Schluss des zweiten Romans 'Crack' seine Marke abgibt und im Nachfolgeband 'Push' als Privatermittler anfängt.

'Push' handelt von gewissenlosen Grundstückspekulanten, die kein Mittel scheuen, langjährige Mieter aus den Wohnungen zu vertreiben, um sich den Weg für ihre (Millionenprofite versprechenden) Geschäfte freizuschaufeln. Ihren Plänen scheint nichts mehr im Wege zu stehen, bis Stanley Moodrow von seiner neuen Geliebten, der Bürgerrechtsanwältin Betty Haruka, gebeten wird, der Sache nachzugehen. Unterstützt von seinem besten Freund, dem jungen NYPD-Detective Jim Tilley, dem er seinerzeit die Polizeiarbeit beigebracht hat, greift Moodrow mit gesunder Härte durch und bringt den Immobilienhaien das Fürchten bei.

In 'Räche sich wer kann', dem letzten Teil der sechsteiligen Moodrow-Saga, bekommt es der nunmehr kurz vor seinem 60. Geburtstag stehende, noch immer mit Betty Haruka liierte Ermittler mit dem psychopathischen Serienmörder Jilly Sappone zu tun, der nach vierzehn Jahren völlig überraschend aus dem Gefängnis entassen wird - und sich nun (protegiert vom FBI?) an denen rächt, die ihn hinter Gitter gebracht hatten.

Von Solomitas sechs unter dem Pseudonym David Cray erschienenen Büchern (unter ihnen zwei Romane um Detective Julia Brennan vom NYPD) ist einzig das Einzelwerk 'Die Klientin' ins Deutsche übersetzt worden.

Solomita war zweimal verheiratet - die erste Ehe endete durch Scheidung, die zweite durch den Tod seiner Frau - und hat einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe. Er lebt in der New Yorker Lower East Side und widmet sich vornehmlich dem Verfassen von Spannungsromanen.

Bibliografie:
Stanley Moodrow-Serie: 'A Twist of the Knife' - 'Katanos' (1988), 'Force of Nature' - 'Crack' (1989), 'Forced Entry' - 'Push' (1990), 'Bad to the Bone' - 'Pur' (1991), 'A Piece of Action' (1992), 'Damaged Goods' - 'Räche sich wer kann' (1996);
'A Good Day to Die' (1993), 'Last Chance for Glory' (1994), 'Trick Me Twice' (1998), 'No Control' (1999), 'Monkey in the Middle' (2008), 'Cracker Bling' (2009), 'Mercy Killing' (2010), 'Angel Face' (2011), 'Dancer in the Flames' (2012), 'The Striver' (2015).
Als David Cray: 'Keeplock' (1995), 'Bad Lawyer' - 'Die Klientin' (2001), 'Partners' (2004), 'Dead is Forever' (2005); Julia Brennan-Romane: 'Little Girl Blue' (2001), 'What you Wish for' (2002).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
++ Update: November 2015 ++
 


Spring, Michelle

(*1947)

Michelle Spring wurde als Tochter eines Tiefseefischers in der kanadischen Kleinstadt Victoria auf Vancouver Island, British Columbia, geboren und wuchs dort und im nahe gelegenen Nanaimo in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach ihrem Studium an der University of Victoria (Abschluss 1968) und der Heirat liess sie sich 1969 in der englischen Universitätsstadt Cambridge nieder und schlug dort zwei Jahre später eine akademische Laufbahn ein, indem sie als Michelle Stanworth, dem Namen ihres damaligen Mannes, Soziologie an der Anglia Polytechnic University (der heutigen Anglia Ruskin University) sowie Politik- und Sozialwissenschaften an der University of Cambridge unterrichtete. Sie war überdies journalistisch tätig und verfasste eine Reihe von Fachbüchern und Artikel zu soziologischen und politischen Themen mit den Schwerpunkten Gleichstellungs- und Genderfragen.

Nachdem Michelle Spring in den frühen 90er-Jahren während achtzehn Monaten von einem ihrer Studenten gestalkt worden war, begann sie mit dem Verfassen von Spannungsliteratur, um die traumatischen Erlebnisse besser verarbeiten zu können. Im Jahr 1997 beendete sie ihre Uni-Karriere schweren Herzens zu Gunsten des Schreibens. Die Mutter zweier erwachsener Kinder lebt in Cambridge und arbeitet gelegentlich für Zeitungen und andere Medien. Ihr letzter Roman, das Einzelwerk 'The Night Lawyer', ist 2006 erschienen.

Laura Principal, eine warmherzige Akademikerin aus Cambridge, die zur Privatdetektivin mutierte, ist die Protagonistin einer fünfbändigen Reihe von psychologischen Kriminalromanen. Privat und beruflich liiert ist sie mit Sonny Mendlowitz - Laura ist Chefin der örtlichen Filiale von 'Aardvark Investigations', deren Londoner Hauptsitz von Sonny geleitet wird -, der zwei halbwüchsige Söhne aus einer früheren Beziehung hat. Lauras beste Freundin seit Jugendtagen ist die Bibliothekarin Helen Cochrane, die beiden teilen sich ein Wochendhäuschen auf dem Lande. In ihrer Freizeit spielt die Detektivin Saxophon und treibt viel Sport.
Die Autorin überzeugt in ihrer Serie mit sprachlicher Ausdruckskraft, geschickter Handlungsführung und sensibler Behandlung heikler Themen (etwa Kriminalität bei Kindern).

'Vermisst', der letzte, 2002 als bester kanadischer Krimi ausgezeichnete Band der Laura Principal-Serie, erzählt die schreckliche Geschichte der Familie Cable, deren jüngeres Kind Timmy vor zwölf Jahren verschwunden ist, und die daran zerbrochen ist. Jack, der Vater, ein begüterter, willensstarker Forschungsreisender, leidet darunter, dass er, der berühmte Entdecker, seinen eigenen Sohn nicht finden kann, Catherine, die Schwester bekam nach dem Verlust zu wenig Zuwendung von ihren trauernden Eltern, und Olivia, die Mutter, meint immer wieder, den Sohn, der jetzt sechzehn wäre, auf der Strasse zu sehen. Eines Tages erblickt Olivia in Cambridge den jungen Strassenmusiker Liam, und diesmal ist sie sich ganz sicher - das ist er, ihr verlorener Sohn. Jack ist skeptisch und bittet Laura Principal, herauszufinden, wo Liam aufgewachsen ist, wer er wirklich ist - vielleicht doch Timmy? Oder ein Schwindler, der es auf sein Vermögen abgesehen hat? Laura beginnt mit ihren Ermittlungen, bald aber stellt sich ihr noch eine andere Frage: Was erklärt diese Welle von merkwürdigen Gewalttaten, die mit der Ankunft von Liam in Cables Haus einhergehen? Und dann überstürzen sich die Ereignisse - bis zum verblüffenden Finale.

Bibliografie:
Laura Principal-Serie: 'Every Breath You Take' - 'Frauenhaus' (1994), 'Running for Shelter' - 'Schattenzeit' (1996), 'Standing in the Shadows' - 'Darylls Geständnis' (1998), 'Nights in White Satin' - 'Eine Nacht in Weiss' (1999), 'In the Midnight Hour' - 'Vermisst' (2001).
'The Night Lawyer' (2006).

++ Erstellt: September 2014 ++  


Standiford, Les

(Kürzel für Lester Alan Standiford, 1945)

Les Standiford kam in Cambridge, Ohio, zur Welt. Er studierte an der Columbia University School of Law in New York und machte danach Abschlüsse in Psychologie am Muskingum College in Ohio sowie in Literatur und Creative Writing an der University of Utah. Danach arbeitete er fast zwanzig Jahre als Ranger im Westen Amerikas als Ranger. Parallel dazu absolvierte er eine Ausbildung am American Film Institute in Los Angeles. Seit 1981 in Miami ansässig, unterrichtet er seit 1985 als Englischprofessor und Leiter des Creative Writing Program an der Florida International University - Dennis Lehane gehörte zu seinen Schülern. Darüber hinaus schreibt er Sachbücher zu historischen Themen, Artikel, Kritiken, Kurzgeschichten, Drehbücher und, seit 1991, Romane. Seit 1980 ist er in zweiter Ehe mit der Psychotherapeutin und Künstlerin Kimberly Kurzwell-Standiford verheiratet und hat mit ihr zwei Kinder, Hannay und Jeremy. Ein zweiter Sohn, Alexander, ist 2009 mit achtzehn im Schlaf gestorben.

Standifords Krimierstling 'An einem Tag im Juli' spielt im Yellowstone-Nationalpark, der wie jeden Sommer von Tausenden fröhlichen Touristen bevölkert ist. Jack Fairchild, beruflich gescheitert und gerade von seiner Frau verlassen, hat als Ranger für die Sicherheit der Nationalpark-Gäste zu sorgen. Als ein Tankwagen der PetroDyne Corporation, der mit einer Ladung biologischer Kampfstoffe - Pesterregern - im Park unterwegs ist, verunglückt, kommt es zur Katastrophe. Um den Vorfall zu vertuschen, ist der Firma jedes Mittel recht: auch der Einsatz ihres hauseigenen Killers Skanz.

Aus Standifords neunteiliger Serie um den kleinen, aufmüpfigen Bauunternehmer John Deal aus Miami ist auf Deutsch einzig der erste Roman 'Fluchtpunkt Miami' erschienen. John Deal, verheiratet mit Janice und befreundet mit dem Ex-Cop Vernon Driscoll, versucht die Konkurs gegangene Firma seines verstorbenen Vaters wieder aufzubauen, kommt dabei jedoch dem skrupellosen Geschäftsmann Raoul Alcazar und dessen Mann fürs Grobe, dem Ex-Footballspieler Leon, in die Quere. Leon manipuliert die Bremsen von Deals Wagen, der Wagen verfehlt eine Kurve und stürzt ins Wasser, doch nicht John, sondern Janice war am Steuer - und John Deal mutiert zum Detektiv.

Bibliografie:
'Spill' - 'An einem Tag im Juli' (1991), 'Black Mountain' (2000);
John Deal-Serie: 'Done Deal' - 'Fluchtpunkt Miami' (1993), 'Raw Deal' (1994), 'Deal to Die For' (1995), 'Deal on Ice' (1997), 'Presidential Deal' (1998), 'Deal With the Dead' (2001), 'Bone Key' (2002), 'Book Deal' (2002), 'Havana Run' (2003).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
++ Update: November 2015 ++
 


Starck, Marcus

(ungelüftetes Pseudonym, *1963)

Marcus Starck, geboren in Schwanenstadt, Salzkammergut, als Sohn eines Offiziers des österreichischen Bundesheers, aufgewachsen in Linz, Oberösterreich, studierte Elektrotechnik, Schwerpunkt technische Informatik, und Journalismus, nebenbei schrieb und redigierte er Artikel für Fachzeitschriften. Anschliessend fand er sich in der Geschäftsführung einer internationalen Verlagsgruppe wieder. 1998 übersiedelte er nach Australien und war dort bis 2000 Marketing Director des börsennotierten australischen Sexartikelanbieters adultshop.com.

Die Ankündigung seines Romans 'SexDotCom' sorgte 2003 in Finanzkreisen offenbar für riesigen Wirbel, der gar zu handfesten Drohungen gegen den Autor und seinen Verleger (MAAS Verlag, Berlin) ausartete - Starck zog sich daraufhin mit seiner Frau und seinen sechs Kindern an einen geheimen Ort in Westaustralien zurück, nahm sein englisch klingendes Pseudonym und die australische Staatsbürgerschaft an und konzentrierte sich fortan auf das Verfassen von Artikeln, Einträgen in sein (im Oktober 2012 dem Anschein nach eingestelltes) Blog marcusstark.com und eines zweiten Romans, der 2012 als eBook herauskam.

Recht erstaunlich, diese ganze Aufregung um 'SexDotCom', denn dies ist zwar durchaus ein kenntnisreich geschriebener und die New Economy wüst in die Pfanne hauender Börsen- und Cybersex-Thriller - doch wer wusste damals, in den 90er-Jahren, nicht, mit welchen Methoden (Insidergeschäfte bis zum Abwinken!) grosskotzig spekuliert wurde, um dann Milliarden Dollar in den Sand zu setzen und die Kleinanleger ins Verderben zu reiten.

Die sehr unterhaltsame, an brutalen Szenen reiche Erzählung dreht sich um die Gründung bzw. Börsenplatzierung des Internet-Erotic-Unternehmens SexDotCom durch den skrupellosen australischen Pornokönig Brad Knight und dessen gewieften deutschen Berater Andreas Berger, zwei Gestalten, die sich von Anfang an voller Misstrauen gegenüberstehen. Als Berger in der Firma immer mehr die Überhand gewinnt, greift Knight zu drastischen Mitteln: Die ‚Graveyard Angels', eine Bikergang, die vor keiner Gewalttat zurückschreckt, und der korrupte Cop Chuck Despott sollen seinen Konkurrenten endgültig aus dem Verkehr ziehen.

Bibliografie:
'SexDotCom' (2003), '419 - Ohne Namen wird mich der Tod nicht finden' (bisher nur als eBook, 2012).

++ Erstellt: April 2015 ++  


Steiger, Otto

(1909-2005)

Otto Steiger, geboren als Sohn eines Zollbeamten in Uetendorf bei Thun, Kanton Bern, wuchs mit seinen Eltern und den beiden Brüdern in Bern auf. 1928 zog er nach Paris, wo er 1930 das Gymnasium abschloss, einige Semester Romanistik studierte und sich den Lebensunterhalt als Giesser und Reiseleiter verdiente. 1936 kehrte er in die Schweiz zurück und trat als Redakteur und Nachrichtensprecher in den Dienst der Schweizerischen Depesche-Agentur. Während des Zweiten Weltkrieges war Steiger offizieller Nachrichtensprecher der Schweizer Regierung bei Radio Beromünster. 1943 ging er nach Zürich und eröffnete eine private Handelsschule, deren Leitung er nach zwölf Jahren abtrat, um - neben seiner Schriftstellerei - ein Handelsunternehmen zu leiten.

Im Jahr 1957, kurz nach dem Ungarnaufstand, verbrachte der "rote Steiger" auf Einladung des (von dem Roman 'Porträt eines angesehenen Mannes' begeisterten) Sowjetischen Schriftstellerverbandes drei Wochen Urlaub in der damaligen UdSSR, was ihm in seiner Heimat nicht verziehen wurde - Steiger wurde während vielen Jahren von der Schweizer Kulturszene geschnitten, musste seine Werke in Kleinverlagen unterbringen und konnte nicht vom Schreiben leben. Steiger verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Zürich, wo er 95-jährig in einem Krankenhaus starb. Seine Erinnerungen in Episoden tragen den Titel 'Ein Stück nur' und sind 1999 erschienen.

Otto Steiger war ein produktiver und vielseitiger Autor. Neben seiner regelmässigen Tätigkeit als pointierter freier Kolumnist für die Zeitschrift 'Femina', den Zürcher 'Tages-Anzeiger' und die Gewerkschaftspresse veröffentliche er etliche bedeutende (zum Teil ins Russische und Chinesische übersetzte) Romane ('Porträt eines angesehenen Mannes, 1951, 'Spurlos vorhanden', 1980, um nur zwei der bekanntesten zu nennen), ab Mitte der 70er-Jahre auch zahlreiche recht erfolgreiche Jugendbücher (zuvorderst 'Lornac ist überall', die Geschichte einer Tankerkatastrophe vor der bretonischen Küste, die 1987 vom Schweizer Fernsehen als dreizehnteilige Serie verfilmt wurde), daneben Erzählungen, Theaterstücke und sechs Kriminalromane, in denen er den Zukurzgekommenen eine Stimme gibt.

'Die Schlinge', 1962 unter dem Titel 'Nochmals beginnen können' erstmals erschienen, wurde 1992 in überarbeiteter Form wieder aufgelegt. Die zwei nachfolgenden Krimis 'Katz und Maus' und 'Die Tote im See' kamen ursprünglich in den 60er-Jahren als Serienromane für den 'Tages-Anzeiger' bzw. den 'Beobachter' heraus. 'Die Tote im See' wurde 1993 (in einer überarbeiteten, mit 'Die Tote im Wasser' betitelten Fassung) in Buchform gebracht.

In seinem Frühwerk 'Die Schlinge', einem stilistisch exzellenten und sehr unterhaltsamen, mit subtiler Ironie erzählten - an Georges Simenons "Romans durs" erinnernden - Krimi besticht der Autor mit präzisen Psychogrammen. 'Die Schlinge', angesiedelt in einem kleinen Ort in der Nähe von Grenoble, erzählt die traurige Lebensgeschichte von Sally Cressier, die ihren plumpen Körper und ihre grobschlächtigen Gesichtszüge verabscheut. Mit fünfzehn, nach dem unklaren Tod ihres Vaters verwaist, wird sie von ihrer verhassten Stiefmutter Angèle und deren betuchtem, über 60-jährigem Liebhaber, genannt "Onkel" - Sally verdächtigt die beiden des Mordes an ihrem Vater - seelisch und körperlich gequält und wie eine Sklavin gehalten, während ihre anziehende jüngere Schwester Rose ungeschoren davonkommt. Als Sally es nicht mehr aushält, sinnt sie nach Rache an ihren Peinigern. Sie schmiedet einen Plan, der ihr das Vermögen des Alten sichern soll, führt ihn recht geschickt zu Ende - und erstickt dann an ihren Schuldgefühlen.

Kommissar Borel von der Zürcher Kriminalpolizei, Hauptfigur in zwei Romanen, ermittelt in 'Die Tote im Wasser' den Mord an der jungen, attraktiven Serviererin Maria Brodbeck, die offenbar mit ihrem Patron Ruedi Grütter, dessen Frau Erna an Multipler Sklerose leidet, ein Verhältnis hatte. Der impulsive Rätoromane Tuor, Marias eifersüchtiger Ex-Freund, bietet sich als Täter an, zumal seine Fingerabdrücke auf der mutmasslichen Tatwaffe nachgewiesen werden. Doch der erfahrene Kommissar zweifelt an der einfachen Lösung, geschickt und hartnäckig quetscht er alle Beteiligten aus - und bringt schliesslich die tragische Wahrheit ans Licht.

Steigers merkwürdigstes Buch ist 'Schott' - ein Krimi, in dem möglicherweise gar kein Verbrechen verübt wird. Der Ich-Erzähler Kurt Schott (nur die letzten 30 Seiten werden in der 3. Person erzählt) ist ein schlichtes Gemüt, ein unscheinbarer Mann wohl Mitte dreissig, der in seinem bisherigen Dasein nicht viel erreicht hat - und dem jetzt ein grosses Erbe winkt. Doch Schott vergibt seine Chance auf ein neues Leben, muss dann wegen mutmasslicher Brandstiftung sogar ins Gefängnis, während seine Kontrahenten - eine junge Frau und ihr Geliebter, die vielleicht einen alten Mann ermordet haben, um dessen Vermögen (Schotts potentielle Erbschaft!) zu ergattern - unbehelligt bleiben. Ganz am Schluss aber erlebt Schott eine schöne Überraschung.

Bibliografie:
'Die Schlinge' (auch unter dem Titel 'Nochmals beginnen können', 1962), 'Katz und Maus' (1963), 'Der Doppelgänger' (1985), 'Orientierungslauf' (1988), 'Schott' (1992);
Kommissar Borel-Romane: 'Die Tote im Wasser', 1993, 'Schachmatt' (1996).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Februar 2011 ++
 


Stephens, Reed

(Pseudonym für Stephen R. Donaldson, *1947)

Geboren in Cleveland, Ohio, wuchs Stephen R. Donaldson ab 1950 in Indien auf, wo sein Vater als Arzt Leprakranken half. Nach seiner Rückkehr in die USA 1963 ging er ans College of Wooster in Ohio und schloss in Englischer Literatur ab. Während des Vietnamkrieges arbeitete er als Dienstverweigerer in einem Krankenhaus. 1971 machte er seinen Magister an der Kent State University. Darauf liess er sich in New Jersey nieder, um eine schriftstellerische Laufbahn zu verfolgen. 1993 wurde er in Literatur promoviert.

Nachdem Donaldson bereits als Fantasy-Autor auf sich aufmerksam gemacht hatte (Thomas Convenant-Serie), veröffentlichte er von 1980 bis 2001 vier Krimis, die so genannte 'Man Who...-Serie'. Die ersten drei Bände waren mit dem Pseudonym Reed Stephens gezeichnet, der vierte Band mit bürgerlichem Namen. Der erste Titel 'Der Mann der seinen Bruder tötete' liegt auch auf Deutsch vor. Im Mittelpunkt der düsteren Geschichte steht der Privatdetektiv Mick 'Brew' Axbrewder aus der fiktiven Grossstadt Puerta del Sol, der vor fünf Jahren im Alkoholrausch ungewollt einen Cop erschossen hat - seinen jüngeren Bruder Rick; und der seither ohne Lizenz der hart gesottenen Privatdetektivin Ginny Fistoulari zur Hand geht, wenn er nicht gerade sturzbetrunken in den Altstadtlokalen rumhängt. Doch dann ist Ricks 13-jährige Tochter Alathea spurlos verschwunden, und Brew kommt zu seinem schwierigsten Fall.

Stephen Donaldson lebt heute in Albuquerque, New Mexico, und arbeitet vorrangig an seiner Thomas Convenant-Serie.

Bibliografie:
Man Who...-Serie: 'The Man Who Killed his Brother' - 'Der Mann der seinen Bruder tötete' (1980), 'The Man Who Risked his Partner' (1984), 'The Man Who Tried to Get Away' (1990), 'The Man Who Faught Alone' (2001).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Sterling, Stewart

(Pseudonym für Prentice Winchell, 1895-1976; schrieb auch als Spencer Dean, Dexter St. Clair, Dexter St. Clare und Jay de Bekker)

Prentice Winchell, geboren im Bundesstaat Illinois, arbeitete lange Zeit für verschiedene Zeitungen und Wirtschaftsmagazine, das Radio (er verfasste und produzierte über 500 Kriminalhörspiele) und das Fernsehen und veröffentlichte nebenbei rund 400 Kurzgeschichten in Pulp-Magazinen, unter anderem in 'Black Mask'. Erst mit über fünfzig Jahren begann er Kriminalromane zu schreiben, wozu er sich der Pseudonyme Stewart Sterling und Spencer Dean bediente. Der Autor, über dessen Leben fast nichts bekannt ist, lebte längere Zeit auf einer Yacht am Hafen von Daytona Beach, Florida.

In seinen drei actionreichen Krimiserien stehen jeweils spezialisierte Detektive im Mittelpunkt: Chief Ben Pedley, ein zäher, hart gesottener, völlig humorloser Fachmann für Brandstiftungsfälle (neun Romane, aber auch zahlreiche Stories); Gil Vine, Detektiv und Troubleshooter in einem gediegenen New Yorker Hotel, ein kaltblütiger Bursche mit FBI-Vergangenheit, der ständig Witze reisst und hinter den Mädchen her ist (acht Romane und einige Stories); und Don Cadee, leitender Detektiv in einem riesigen New Yorker Warenhaus, dessen Freundin immer wieder gekidnappt wird (neun Romane).

Bibliografie:
Ben Pedley-Serie: 'Five Alarm Funeral' (1942), 'Where There's Smoke' (1946), 'Alarm in the Night' - 'Alarm in der Nacht' (1949), 'Nightmare at Noon' - 'Der Nachtreiter' (1951), 'The Hinges of Hell' (1955), 'Candle for a Corpse' (auch unter dem Titel 'Too Hot to Kill' - 1957), 'Fire on Fearstreet' - 'Feuermelder 815' (1958), 'Dying Room Only' (1960), 'Too Hot to Handle' - 'Löschzug 58 kommt zu spät' (1961);
Gil Vine-Serie: 'Dead Wrong' (1947), 'Dead Sure' (1949) - 'Es stand nicht in der Zeitung' (1949), 'Dead of Nicht' (1950), 'Alibi Baby' - 'Unter ihrem Kopfkissen' (1955), 'Dead Right' - 'Der Horcher an der Wand' (1956), 'Dead to the World' (1958), 'The Body in the Bed' (1959), 'Dead Certain' (1959).
Als Spencer Dean: Don Cadee-Serie: 'The Frightened Fingers' - 'Zitternde Finger' (1954), 'The Scent of Fear' (auch unter dem Titel 'The Smell of Fear') - 'Drei Flaschen Parfum' (1954), 'Marked Down for Murder' (1956), 'Murder on Delivery' - 'Scheidung unerwünscht' (1957), 'Dishonor Among Thieves' - 'Rätsel um Andrea' (1958), 'The Merchant of Murder' - 'Im Zeichen des Skorpions' (1959), 'Price Tag For Murder' - 'Auktion in Atlantic City' (1959), 'Murder After a Fashion' - 'Das Ereignis der Saison' (1960), 'Credit for a Murder' - 'Das Mädchen im Bikini' (1961). Als Dexter St. Clair: 'Saratoga Mantrap' (1951), 'The Lady's Not For Living' (1963). Als Jay de Bekker: 'Gutter Gang' (1954), 'Keyhole Peeper' (1955).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Stern, Richard Martin

(1915-2001)

Richard M. Stern stammt aus Fresno, Kalifornien. Er lernte bereits mit drei Jahren das Lesen, als er krankheitsbedingt längere Zeit das Bett hüten musste. Nach seinem Studium in Harvard 1933 bis 1936 lebte er in New York City und schrieb dort seine ersten Stories für 'Collier's' und 'The Saturday Evening Post'. Daneben arbeitete er als Redakteur bei der New Yorker 'Hearst Corporation'. 1958 debütierte er als Krimiautor. Bis 1990 folgten 26 Romane, darunter die sechsteilige Johnny Ortiz-Serie, der berühmte Katastrophen-Thriller 'Der Turm' (das Drehbuch des 1974er Blockbusters 'Flammendes Inferno' basiert auf diesem Roman sowie auf 'The Glass Inferno' von Thomas Scortia und Frank Robinson), sowie einige Drehbücher. Stern starb 86-jährig kurz nach seiner Frau Dorothy in Santa Fé, New Mexico, und hinterliess eine Tochter, Mary.

In Sterns erstem Krimi 'Kein Weg zurück' prallen drei italienisch-stämmige Männer wuchtig aufeinander: Angelo Lucca, ein unzimperlicher New Yorker Gangsterboss, wurde vor einem Jahr aus Amerika ausgewiesen und betreibt seine weltumspannenden Heroingeschäfte seither von Neapel aus; Joe Anthony, früher Luccas rechte Hand, ein hoch intelligenter, mit allen Wassern gewaschener Anwalt, erleidet jetzt dasselbe Schicksal, kehrt ebenfalls in seine Heimat zurück - er fühlt sich indes zu müde und zu alt, um seine kriminelle Laufbahn fortzusetzen, hat allerdings mit Lucca noch eine Rechnung offen; Johnny Bellanca schliesslich, ein kaltblütiger Mann Ende zwanzig, wurde unter dem Tarnnamen Ricciardi "Ricci" Morelli durch das New Yorker Drogendezernat in Luccas Imperium eingeschleust, um es endgültig zu zerschlagen. Doch dann verliebt Ricci sich in Luccas grazile Frau Belle; und läuft zufällig seinem alten Schulfreund Pete Jenner, der als Tourist in Italien weilt, über den Weg - seine wahre Identität droht aufzufliegen, sein Leben ist keinen Pfifferling mehr wert. Der Showdown der pluriperspektivisch konzipierten Geschichte findet in Genua statt, und nur einer der drei Kontrahenten bleibt am Leben.

Lieutenant Juan Felipe Ortiz, genannt Johnny, Sohn eines anglo-hispanischen Vaters und einer Apachenmutter, ging im Reservat zur Schule und begann anschliessend ein Jurastudium, doch dann ging ihm das Geld aus, und er wurde in den Vietnamkrieg entsandt. Mit knapp dreissig Jahren stiess er zur Polizei der fiktiven Stadt Santo Cristo (gemeint ist Santa Fe) in New Mexico. Er ist ein feinfühliger, blitzgescheiter und bescheidener Einzelgänger mit ausserordentlichen Fähigkeiten im Fährtensuchen. Im ersten Roman entwickelt sich zwischen ihm und der dunkelhäutigen Anthropologin Cassandra "Cassie" Enright eine intensive Liebesbeziehung.
Die unprätentiöse, stilistisch sehr ansprechende Reihe vermittelt dem Leser farbige Eindrücke von den Landstrichen und der Bevölkerung New Mexicos, der Wahlheimat des Autors, mit ihren scharfen Gegensätzen zwischen den Alteingessenen, die für die Erhaltung wertvoller Kulturgüter kämpfen, und den skrupellosen, buchstäblich über Leichen gehenden Vertretern der Urbanisierung.

Bibliografie:
'The Bright Road to Fear' - 'Kein Weg zurück' (1958), 'The Search for Tabitha Carr' - 'Das weisse Grab' (1960), 'These unlikely Deeds' (auch unter dem Titel 'Quidnunc County') - 'Cocktails für den Mörder' (1960), 'High Hazard' (1962), 'Cry Havoc' - 'Frauen in Gefahr!' (1963), 'Right Hand Opposite' (1964), 'I Hide, We Seek' - 'Die Himmelsmaschine' (1965), 'The Kessler Legacy' (1967), 'Merry Go Round' - 'Endstation: Mord' (1968), 'Brood of Eagles' (1969), 'Manuscript for Murder' - 'Manuskript für einen Mord' (1970), 'Stanfield Harvest' - 'Sturm ist ihre Ernte' (1972), 'The Tower' - 'Der Turm' (auch unter dem Titel 'Flammendes Inferno', 1973), 'Power' - 'Die Herren von El Rancho' (1975), 'Snowbound Six' - 'Hölle im Schnee' (1977), 'Flood' - 'Tödliche Flut' (1979), 'The Big Bridge' - 'Die Todesbrücke' (1982), 'Wildfire' - 'Waldfeuer' (1985), 'Tsunami!' - 'Tsunami' (1988);
Johnny Ortiz-Serie: 'Murder in the Walls' - 'Casa flora' (1971), 'You don't Need an Enemy' - 'Du brauchst keinen Feind' (1971), 'Death in the Snow' - 'Tod im Schnee' (1973), 'Tangled Murders' (1989), 'Missing Man' (1990), 'Interloper' (1990).

++ Erstellt: Novermber 2011 ++  


Stevens, Shane

(schrieb auch als J.W. Rider)

Shane Stevens (ein ungelüftetes Pseudonym?) wurde 1937 (vielleicht auch erst 1941) im New Yorker Stadtteil Harlem geboren und wuchs auch dort auf. Er schloss sein Studium an der Columbia University ab und war danach kurze Zeit in der Werbung tätig. Von 1966 bis 1987 veröffentlichte er acht actiongeladene Thriller.

'Der Killer', einer der ersten Serienkillerromane der Weltliteratur, erzählt die Lebensgeschichte des x-fachen Mörders Thomas Bishop, alias Chess Man (er plant seine Morde wie ein Schachspieler), der von seiner Mutter, einem mehrfachen Opfer männlicher Gewalt, während Jahren brutal misshandelt wird, bis er sie als Zehnjähriger kaltblütig umbringt und daraufhin in einer psychiatrischen Anstalt verwahrt wird. Nach fünfzehn Jahren Haft plant er den Ausbruch: Er tötet den einfältigen Mithäftling Vincent Mungo, zerstört dessen Gesicht und nimmt die Identität des Toten an. Die Flucht gelingt fast mühelos - und Thomas Bishop, der glaubt, er sei der uneheliche Sohn des berühmt-berüchtigten, 1960 hingerichteten Gangsters und mutmasslichen Massenvergewaltigers Caryl Chessman (Chessman, eine authentische Figur, verbrachte zwölf Jahre in der Todeszelle des texanischen Zuchthauses San Quentin und bestritt die Vergewaltigungen bis zuletzt) beginnt seine fünf Monate dauernde, ungemein blutige Tätigkeit als "gesichtsloser" Frauenmörder. Sein wichtigster Gegenspieler: der eigenbrötlerische, intuitiv arbeitende Polizeireporter Adam Kenton. In diesem komplexen, im Stil einer Reportage, mit schnellen Perspektivenwechseln erzählten Roman zeichnet Stevens ein finsteres Bild der amerikanischen Gesellschaft der frühen 70er-Jahre - einer Gesellschaft, in der Journalisten und Politiker nicht davor zurückschrecken, eine Mordserie für ihre Zwecke auszuschlachten.

Es folgten zwei mit dem Pseudonym J.W. Rider gezeichnete Krimis um den Ex-Ringkämpfer, Ex-Jesuiten-Seminaristen und Ex-FBI-Agenten Malone (Vorname unbekannt) aus Jersey City, New Jersey. Als Malone nach vier Jahren beim FBI rausgeflog, wurde er Privatdetektiv in Miami. Dann kam seine schwangere Frau Karen bei einem Raubüberfall auf offener Strasse ums Leben, die Täter blieben auf freiem Fuss, und Malone, durch den Tod seiner grossen Liebe schwer gezeichnet, kehrte nach Jersey City zurück - dies die Vorgeschichte.

Malone ist einer der härtesten und gemeinsten Ermittler der Kriminalliteratur. Er nimmt grundsätzlich nur Mordfälle an - allenfalls noch Fälle von Morddrohung. Liiert ist er mit der aparten Malerin Marilyn, die sich auf Werwolfbilder spezialisiert hat. Im ersten Roman 'Der Teufel hat vielen Masken', einer mit ausgesprochen fiesen Gestalten bevölkerten Geschichte, hat Malone zwei Auftraggeber: Den aufstrebenden Immobilienhai Cooper Jarrett, dem anonyme Telefonanrufer einen baldigen Tod vorausgesagen, wenn er sich nicht aus seinem Milliardenprojekt beim Hafen von Jersey City zurückzieht; und Constance Kelly, eine atheistische Aktivistin, deren Mutter kürzlich durch eine Kugel aus dem Leben schied - laut der Polizei handelte es sich um Suizid. Schon bald wird Malone klar, dass die beiden Fälle eng miteinander verknüpft sind - Geldgier und Korruption, Sexualität und Hass sind die Bindeglieder. Welche Rolle aber spielt Jarretts Ex-Frau und Geschäftspartnerin Laura, die Malone heftig umgarnt?

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts versuchte sich Stevens erfolglos als Drehbuchautor in Hollywood. Danach verlieren sich die Spuren des äusserst medienscheuen Mannes, von dem es offenbar kein einziges Foto gibt. Gemäss einer nicht sehr vertrauenserweckenden italienischen Quelle ist er 2007 verstorben.

Bibliografie:
Als Shane Stevens: 'Go Down Dead' - 'Uns gehört die Nacht' (1966), 'Way Uptown in Another World' (1971), 'Dead City' (1973), 'Rat Pack' (1974), 'By Reason of Insanity' - 'Der Killer' (1979), 'The Avil Chorus' (1985).
Als J.W. Rider: Malone-Romane: 'Jersey Tomatoes' - 'Der Teufel hat viele Masken' (1986), 'Hot Tickets' - 'Der Teufel kennt kein Gesetz' (1987).

++ Erstellt: Mai 2012 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Stone, Robert

(1937-2015)

Robert Stone kam in Brooklyn, New York City, auf die Welt. Er wuchs bei seiner allein erziehenden und schizophrenen Mutter, einer Lehrerin, die als Zimmermädchen arbeitete und mehrere Jahre in Kliniken weilte, in der West Side von Manhattan auf, verbrachte aber auch etliche Zeit in Waisenhäusern und Internaten. Mit siebzehn flog er wegen Schwänzens und atheistischen Ideen von der Archbishop Malloy High School, einer Konfessionsschule, und heuerte bei der US-Navy an. Im Jahr 1959 heiratete er die Sozialarbeiterin Janice Burr, mit der er zwei Kinder, Ian und Deirdre, hatte. Nach einem längeren Aufenthalt in New Orleans, wo er Gelegenheitsjobs verrichtete, studierte er von 1958 bis 1959 an der New York University, später, von 1962 bis 1964, an der Stanford University. In den frühen 60ern trieb er sich mit dem Autor Ken Kesey und den "Mary Pranksters", einer Gruppe kalifornischer Künstler, Desperados und LSD-Konsumenten, in Palo Alto, Kalifornien, herum und experimentierte intensiv mit Drogen.

Mit seinem ersten Roman 'A Hall of Mirrors', der 1967 herauskam, schrieb sich Stone in die erste Reihe der amerikanischen Autoren. Die folgenden vier Jahre verbrachte er mit seiner Familie in England. 1971 berichtete er für den 'Guardian' aus Saigon (heute: Ho Chi Minh City) über den Vietnamkrieg. Von 1971 bis 1985 unterrichtete er an verschiedenen Universitäten, unter anderem in Princeton, am Amherst College und in Harvard, später auch in Yale. Nach Aufenthalten in Massachusetts und Connecticut lebte er in New York City und Key West, Florida.

Dass er in knapp fünfzig Jahren nur acht Romane und zwei Erzählbände und die Memoiren 'Prime Green: Remembering the Sixties' (2007) zu Papier gebracht hatte, schrieb Robert Stone seinem mit Faulheit gepaarten Perfektionismus zu. In seinem Werk finden sich fünf anspruchsvolle Spannungsromane, von denen einzig der letzte 'Death of the Black-Haired Girl' abfällt.

In 'Unter Teufeln', Stones bekanntestem Buch, lässt sich der amerikanische Schriftsteller und Journalist John Converse, kein sehr charakterfester Mann, in Vietnam auf einen Drogendeal ein, als der Krieg bereits seinem Ende zustrebt. Johns Plan ist einfach: Sein psychopathischer Kumpel Ray Hicks soll zwei Kilo reines Heroin in die Staaten schmuggeln und Johns tablettensüchtiger Frau Marge übergeben, damit sie den Stoff für gutes Geld unter die Leute bringt. Es zeigt sich indes schon bald, dass diese Sache für das recht unbedarft agierende Trio ein paar Nummern zu gross ist. Der apokalyptische Showdown findet in Mexiko statt.

'Das Geschrei deiner Feinde' spielt in einem fiktiven zentralamerikanischen Land (Vorbild ist wohl Nicaragua, das Stone in der Zeit des Somoza-Regimes mehrmals besucht hatte), in dem eine sozialistische Revolution unmittelbar bevorsteht. Vier facettenreich gezeichnete Amerikaner stehen im Mittelpunkt: Der versoffene Pater Egan, die junge Nonne Justin Feeney, der Anthropologieprofessor Frank Holliwell und der durchgeknallte Amphetamin-Junkie Pablo Tabor, ein Deserteur der amerikanischen Küstenwache. Der Autor verwebt die Schicksale seiner Protagonisten und komponiert aus zahlreichen Erzählsträngen ein in sich geschlossenes Werk.

Robert Stones sechster Roman 'Das Jerusalem-Syndrom', angesiedelt in Jerusalem und im Gazastreifen, dreht sich um eine Verschwörung religiöser Fanatiker, die den heiligen Tempelberg in die Luft jagen wollen. Die Hauptrollen bekleiden Christopher Lucas, ein amerikanischer Journalist auf der Suche nach dem Glauben; Sonia Barnes, eine schwarze Nachtclubsängerin jüdischer Abstammung; Janusz Zimmer, ein polnischer Journalist mit Verbindungen zu den israelischen Geheimdiensten; Adam De Kuff, ein steinreicher Guru, der zum neuen Messias hochstilisiert werden soll; und eine irische Krankenschwester, die Waffen in den Gazastreifen schmuggelt.

Im nachfolgenden Roman 'Die Professorin' gewinnt das Leben des Literaturwissenschaflers Michael Ahearn, eines ausgebrannten Familienvaters und Professors in einer namenlosen Kleinstadt im Mittelwesten der USA, schlagartig an Fahrt, als er sich in seine neue Kollegin verliebt, die geheimnisvolle Schönheit Lara Purcell aus der Karibik. Er verfällt ihrem Zauber, folgt ihr in ihre Heimat, auf die Insel St. Trinity, wo archaische Voodoo-Rituale ebenso zum Alltag gehören wie militärische Unruhen, und wird in die blutigen politischen Wirren hineingezogen - die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit beginnen zu verschwimmen.

Im Januar 2015, im Alter von 77 Jahren, zollte Robert Stone seinem ungesunden Lebensstil - gefährliche Reisen, Unmengen Whiskey und Zigaretten - Tribut und starb in seinem Haus in Key West an den Folgen eines Lungenemphysems.

Bibliografie:
'Dog Soldiers' - 'Unter Teufeln' (1973), 'A Flag of Sunrise' - 'Das Geschrei deiner Feinde' (1981), 'Damascus Gate' - 'Das Jerusalem-Syndrom' (1998), 'Bay of Souls' - 'Die Professorin' (2003), 'Death of the Black-Haired Girl' (2013).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2013 ++
++ Update: Januar 2015 ++
 


Straley, John

(*1953)

John Straley, geboren in Redwood City, Kalifornien, wuchs in der Nähe von Seattle auf und ging in New York City zur Schule. Nach seinem Literaturstudium am Grinnell College und an der University of Washington arbeitete er unter anderem als Viehtreiber, Hufeisenschmied, Führer von Abenteuerreisen und Sekretär. 1977 liess er sich mit seiner Frau Jan Straley, einer renommierten Meeresbiologin, in der im Süden Alaskas am Pazifik gelegenen Kleinstadt Sitka nieder und arbeitete dort geraume Zeit als Privatdetektiv, bevor er sich Anfang der 90er-Jahre dem Schreiben zuwandte. Sein Werk besteht aus der sechsteiligen Cecil Younger-Serie, den historischen Spannungsromanen 'The Big Both Ways' und 'Cold Storage, Alaska', ein paar Erzählungen und Essays und einem Gedichtband.

John Straleys Krimiheld ist der introvertierte, alkoholkranke, nicht besonders talentierte - zu Beginn des ersten Bandes von seiner Geliebten verlassene und daraufhin mit seinem autistischen Freund Toddy eine Wohngemeinschaft bildende - Privatdetektiv Cecil Younger aus Alaska, der immer wieder in turbulente Kriminalfälle verwickelt wird. In allen Romanen spielen das raue Klima und die wilde Natur Alaskas eine wichtige Rolle.

'Giftiges Gold' erzählt von den kriminellen Praktiken eines mächtigen, auf Goldgewinnung ausgerichteten, auch vor Mord nicht zurückschreckenden Konzerns. Louise Root, die in der Goldmine als Köchin arbeitet, stellt offenbar für ihre Arbeitgeber eine Gefahr dar. Sie wird vergewaltigt, engagiert deshalb Cecil Younger, doch tags darauf wird sie mit augeschlitzter Kehle aus einem Fluss gezogen. Gegen den Willen der Konzernleitung, angestachelt durch seine Ex-Geliebte Hannah Elder, die Louises Jugendfreundin war, geht Younger dem Mordfall auf den Grund.

In 'Seelenverkäufer' verschlägt es den abgebrannten Ermittler auf das luxuriöse Kreuzfahrtschiff 'S.S. Westward', auf dem auffallend viele Todesfälle geschehen. Im Auftrag eines Tourismus-Unternehmens soll er dem Schiffsarzt möglichst diskret ein wenig auf die Finger schauen, begleitet wird er von seiner Freundin Jane Marie und Kumpel Toddy. Kaum an Bord, stolpert Younger bereits über die ersten Leichen; und stellt bald fest, dass der Luxusdampfer vornehmlich von Aids-Kranken bevölkert ist. Als Younger der Wahrheit immer näher kommt, wird er mit seiner Freundin auf einer kleinen Insel abgesetzt, auf der nur Bären leben.

Bibliografie:
Cecil Younger-Serie: 'The Woman Who Married a Bear' - 'Die Frau des Bären' (1992), 'The Curious Eat Themselves' - 'Giftiges Gold' (1993), 'The Music of What Happens' - 'Der Klang der Gefahr' (1996), 'Death and the Language of Happiness' - 'Grosse Fische' (1997), 'The Angels Will not Care' - 'Seelenverkäufer' (1998), 'Cold Water Burning' (2001);
Cold Storage-Romane: 'The Big Both Ways' (2008), 'Cold Storage, Alaska' (2014).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Februar 2014 ++
 



 

Taibo II, Paco Ignacio

(*1949)

Paco Ignacio Taibo II wurde als Sohn des einflussreichen Autors und Fernsehjournalisten Paco Ignacio Taibo I in der spanischen Stadt Gijon geboren und emigrierte im Alter von neun Jahren mit seinen an den Widerstandskämpfen gegen General Franco beteiligten Eltern nach Mexiko-Stadt. Nach nicht abgeschlossenem Literatur-, Soziologie- und Geschichtsstudium engagierte er sich als links gerichteter Politiker und als Gewerkschafter, später machte er auch als Publizist, Sachbuchautor und Universitätsdozent von sich reden. Mit seiner Reihe um Hector Belascoaran Shayne gelang ihm Ende der 70er-Jahre der Durchbruch als Krimiautor.

Taibo II ist Mitbegründer der Internationalen Vereinigung der Krimischriftsteller (AIEP), Organisator der "Semana Negra", eines jeden Sommer in Gijon stattfindenden Krimifestivals mit internationaler Beteiligung, Biograf von Ernesto Che Guevara und Pancho Villa und Chronist der linken Bewegungen Lateinamerikas. Er lebt mit seiner Frau, der Fotografin Paloma Saiz Tejeiro, in Mexiko-Stadt.

Hector Shayne, einäugiger Sohn einer Irin und eines früh gestorbenen Basken, ein harter und zynischer, aber auch gerechter, zur Selbstironie fähiger Mann mit idealistischer Ader, einer harten Rechten und einer .38er im Halfter, war Elektroingenieur und Spezialist für Rationaliserungsfragen und kinderlos verheiratet, bis er mit dreissig Jahren ein neues Leben begann: Als Privatdetektiv in der schillernden, von Korruption und Machtmissbrauch beherrschten Grossstadt Mexiko, wo er sich seine schmuddeligen Büroräume mit drei Handwerkern teilt.

Im zweiten Band der Serie ('Eine leichte Sache') hat Hector Shayne gleich drei Fälle am Hals, die vielleicht irgendwie zusammenhängen. Er soll eine junge, offenbar in Lebensgefahr schwebende Frau vor Unbill schützen, Nachforschungen über den Verbleib des alten Revolutionärs Emiliano Zapata anstellen und die Ermordung zweier homosexueller Ingenieure aufklären. Als wäre dies nicht genug, gilt es eine Erbschaftsangelegenheit mit seinen beiden Geschwistern Elisa und Carlos auszuhandeln und die andauernd eintreffenden Briefe seiner (namenlosen) Geliebten zu lesen - sie befindet sich in Europa auf einem Selbsterfahrungstrip. An Schlaf ist nicht mehr zu denken, Shayne fallen die Augen zu. Und doch fügt sich schliesslich alles wunderbar zusammen.

'Ein Paar Wolken', chronologisch der dritte Band der Reihe, befasst sich mit organisierter Kriminalität in der mexikanischen Metropole, um Geldwäsche und Korruption. Elisas alte Freundin Anita ist darin verwickelt - ihr Mann wurde ermordet, sie brutal zusammengeschlagen und vergewaltigt, und so stolpert Hector Shayne in den Fall hinein, in Wort und Tat unterstützt durch einen Enthüllungsjournalisten und Krimiautor namens Paco Ignacio…

Auf der letzten Seite des chronologisch vierten Romans 'Das nimmt kein gutes Ende' stirbt Hector Shayne, von Kugeln durchlöchert, auf einer dunklen Strasse in Mexiko-Stadt, während der Regen auf seinen Körper niederprasselt, doch in 'Comeback für einen Toten' weilt der Detektiv wieder unter den Lebenden, nicht ganz in alter Frische zwar, von Ängsten und Alpträumen gequält - und seine Freundin (das Mädchen mit dem Pferdeschwanz) glänzt wieder einmal durch Abwesenheit. Doch dann hilft ihm die junge, dickköpfige Alicia auf die Sprünge - ihre Schwester wurde von dem zwielichtigen kubanischen Geschäftsmann Luke Medina in den Tod getrieben, und sie will Rache.

'Der melancholische Detektiv' aus dem Jahr 1991 besteht aus den drei kürzeren Titeln 'Verliebte Phantome', 'Grenzträume' und 'Verschwundene Tote'. Dann war Schluss für Shayne, bis er vierzehn Jahre später in 'Unbequeme Tote' noch einmal reaktiviert wurde.

'Vier Hände', Taibos vielschichtiger, mit scharfen szenischen Schnitten erzählter und mit Slapstick-Elementen gewürzter Krimi aus dem Jahr 1990, vereint Eigenschaften des Politthrillers, des historischen und des Abenteuerromans in sich. Neben den Hauptfiguren Greg und Julio, die vierhändig den grossen Revolutionsroman schreiben wollen, kommen ein brutaler CIA-Agent, ein durchgeknallter Drogenhändler, Leo Trotzki als Krimiautor, der Zauberer Houdini, Stan Laurel sowie - als heimliche Protagonisten - zwei differenziert gezeichnete Positivhelden, der Anarchist Longoria und der Altkommunist Stojan, zu einprägsamen Auftritten.

Auch in seinem drei Jahre später erschienenen Roman 'Das Fahrrad des Leonardo da Vinci' gelingt es Taibo scheinbar mühelos, mehrere Handlungsstränge miteinander zu verknüpfen. Der 53-jährige Schriftsteller Fierro schreibt an einem Roman über seinen Grossvater, einen Revolutionär im Barcelona der 20er-Jahre, als er sich in die berühmte amerikanische Baseballspielerin Karen Turner verliebt. Diese wird von Organhändlern entführt und taucht - um eine Niere ärmer - schwer gezeichnet in einem Spital wieder auf. Fierro will ihr helfen, das Organ wieder zu finden. Taibo verwebt die rasante Geschichte auf geistreiche Weise mit den politischen Verwicklungen im aufgewühlten Barcelona der 20er-Jahre, mit Leonardo da Vincis Zeichnung eines Fahrrads, die erst jetzt, vierhundert Jahre nach ihrer Entstehung, aufgefunden wird, und mit den Machenschaften eines hochkriminellen CIA-Agenten.

Im Jahr 2004 liess sich Taibo auf ein wohl einzigartiges Experiment ein: Gemeinsam mit Subcomandante Marcos, dem legendären, wortgewandten Sprecher der zapatistischen Befreiungsarmee EZLN im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas, der seit deren Aufstand vom 1. Januar 1994 auf den Fahndungslisten der mexikanischen Behörden steht und im Urwald lebt (Taibo und Marcos sind sich nie begegnet und kommunizierten nur per E-Mail miteinander!), verfasste er einen Kriminalroman, dessen Folgen wöchentlich in 'La Jornada', der grössten linken Tageszeitung Mexikos, erschienen und später in Buchform gebracht wurden - unter dem Titel 'Unbequeme Tote', mit dem charismatische Indio Elias Contreras, Sonderermittler der EZLN, und dem desillusionierten, in die Jahre gekommenen Privatdetektiv Hector Belascoaran Shayne aus Mexiko-Stadt im Mittelpunkt, zwei gegensätzlichen Gestalten, die gemeinsam einem Fall auf den Grund gehen, der in die Zeit des "Schmutzigen Krieges" im Mexiko der frühen 70er-Jahre zurückreicht.

Taibos jüngstes Werk ist der Piratenroman 'Die Rückkehr der Tiger von Malaysia' aus dem Jahr 2010.

Bibliografie:
Hector Shayne-Serie: 'Dias de Combate' - 'Die Zeit der Mörder' (1976), 'Cosa facil' - 'Eine leichte Sache' (1977), 'No habra final feliz' - 'Das nimmt kein gutes Ende' (1981), 'Algunas Nubes' - 'Ein paar Wolken' (1985), 'Regreso a la misma ciudad y bajo la Iluvia - 'Comeback für einen Toten' (1989), 'Amorosos fanatasmas', 'Suenos de frontera' und 'Desvanecidos difuntos' - 'Der melancholische Detektiv: Drei Fälle für Hector Belascoaran Shayne' (1991);
Einzelwerke: 'Sombra de la sombra' - ‚Der Schatten des Schattens' (1986), 'La vida misma' - 'Das bizarre Leben' (1987), 'Quatro manos' - 'Vier Hände' (1990), 'La bicicleta de Leonardo' - 'Das Fahrrad des Leonardo da Vinci' (1993), 'Sintiendo que el campo de batalla' und 'Que todo es imposible' - 'Olga Forever: Krimi in zwei Fällen' (1994), 'Retornamos como sombras' - 'Die Rückkehr der Schatten' (2001).
Gemeinsam mit Subcommandante Marcos: 'Muertos incomodos' - 'Unbequeme Tote' (2005).

++ Erstellt: März 2015 ++  


Tey, Josephine

(Pseudonym für Elizabeth MacKintosh, 1896-1952; schrieb auch als Gordon Daviot)

Elizabeth MacIntosh, alias Josephine Tey (das Pseudonym setzt sich aus dem Vornamen der Mutter und dem Übernamen einer Ur-Ahnin zusammen) kam in den schottischen Highlands, in Inverness, zur Welt, wo sie mit zwei Schwestern aufwuchs. Nach ihrer Ausbildung an der dortigen Royal Academy und dann, von 1915 bis 1918, am Anstey Physical Training College in Birmingham mit den Fächern Sport, Tanz, Medizin, Biologie und Physiotherapie war sie acht Jahre lang Sportlehrerin an verschiedenen englischen und schottischen Colleges. Im Jahr 1926, nach dem Tod ihrer Mutter, kehrte sie ins Elternhaus zurück, um den gebrechlichen Vater zu betreuen. In dieser Zeit schrieb sie ihre ersten Kurzgeschichten und Gedichte, die in verschiedenen Magazinen abgedruckt wurden. Daneben befasste sie sich intensiv mit Psychologie, insbesondere mit der Frage, ob sich Charaktereigenschaften aus den Gesichtszügen lesen lassen.

Der literarische Durchbruch gelang ihr 1932 mit dem Theaterstück 'Richard of Bordeaux' (King Richard II., 14. Jahrhundert) mit dem legendären Schauspieler Sir John Gielgud in einer seiner ersten Hauptrollen (Gielgud blieb bis zu Teys Tod ihr engster Freund). Die Theaterstücke, die vier nicht zum Krimigenre zu zählenden Romane und ursprünglich auch den ersten Krimi zeichnete Tey mit ihrem zweiten Pseudonym, Gordon Daviot. Die medienscheue, introvertierte, jedoch durchaus lebensfrohe Einzelgängerin, die die zweite Hälfte ihres Lebens vornehmlich in England verbrachte und ledig blieb, erlag 55-jährig in Streatham, London, einer Krebserkrankung.

Teys Kriminalwerk enthält zwei Einzelwerke und die sechsteilige Reihe um Inspektor Alan Grant von Scotland Yard, alle in der dritten Person erzählt. Ausgedehnte innere Monologe, subtiler Humor und feinfühlige Charakterzeichnung sind die Stärken der auch stilistisch überzeugenden Autorin. Alan Grant, stets elegant gekleidet, ist ein beharrlicher und ungemein fähiger, jedoch keinesfall unfehlbarer Ermittler und ein scharfsinniger Beobachter, der fast immer allein unterwegs ist. Er wurde durch eine Erbschaft finanziell unabhängig, blieb als eingefleischter Junggeselle ohne Hobbys dem Polizeidienst jedoch erhalten.

'Der Mann in der Schlange', der erste Band der Alan Grant-Serie, beginnt mit dem Tod eines jungen Mannes, der in einer dicht gedrängten Schlange vor einer Theaterkasse mit einem Dolch erstochen wird. Die örtliche Polizei, mit dem Fall heillos überfordert, sucht Hilfe bei Scotland Yard, personifiziert durch dessen besten Beamten Alan Grant, und für den stellen sich nun vier zentrale Fragen: Wer ist dieser Mann mit unbestimmbarer Identität, den niemand zu vermissen scheint? Weshalb trug er einen Revolver auf sich? Warum wurde er umgebracht? Und natürlich: Von wem? Erste Spuren verlaufen im Sand, dann aber kommt plötzlich Leben in die Fahndung - Grant verhaftet den mutmasslichen Täter nach einer wilden Jagd in den schottischen Highlands. Alle Beweisstücke scheinen perfekt zusammen zu passen, doch es fehlt ein Motiv, und Grant ist ein gescheiter Mann, der den Indizien nicht immer traut. 'Der Mann in der Schlange', ein klassischer Tüftelkrimi, in dem die Polizeiarbeit erstaunlich detailreich zur Darstellung kommt, behandelt einen recht seltsamen Kriminalfall, über den Grants Vorgesetzter Superintendent Barker schliesslich sagt, das Komischste an ihm sei, dass es gar keinen Schurken gibt.

'Alibi für einen König' ist Teys bekanntestes und originellstes, aber auch umstrittenstes Prosawerk (der einflussreiche Kritiker William L. DeAndrea bezeichnete es als den meist überschätzten Krimi aller Zeiten, ohne dies allerdings näher zu begründen); es behandelt den "Fall Richard III." aus dem 15. Jahrhundert. Inspektor Grant langweilt sich im Krankenhaus, wo er einen Dienstunfall auskuriert, schier zu Tode, bis ihm ein Porträt des berüchtigten (in Shakespeares Drama 'Richard III' als Mörder seiner beiden kleinen Neffen angeprangerten) Königs in die Hände fällt und sich ihm die Frage stellt: Sieht so ein machthungriger und skrupelloser Verbrecher aus? Unterstützt durch die mit ihm befreundete Schauspielerin Marta Hallard, zwei Krankenschwestern und vor allem den aufgeweckten amerikanischen Geschichtsstudenten Brent Carradine betreibt Grant von seinem Bett aus historische Forschung, macht überraschende Entdeckungen - und rehabilitiert den Monarchen.

Teys Meisterwerk 'Tod im College', eine unspektakuläre, psychologisch ausgeklügelte Geschichte, erzählt von Lucy Pym, einer bescheidenen Französischlehrerin im Ruhestand, die vor kurzem mit der Veröffentlichung eines Psychologiebuchs für Aufsehen gesorgt hat. Jetzt wird sie von ihrer alten Freundin Hernrietta Hodge, der Leiterin einer Sportfachschule in der englischen Provinz, für einen Abend als Dozentin eingeladen. Begeistert von der Schulatmosphäre und den enthusiastischen Schülerinnen verlängert Miss Pym ihren Aufenthalt am College. Als sie während einer Abschlussprüfung die fleissige und unbeliebte Barbara beim Schummeln erwischt, behält sie dies für sich. Doch dann wird ausgerechnet dieses Mädchen für seine Leistungen ausgezeichnet - und stirbt wenig später auf unklare Weise: Mord oder Unfall? Miss Pym avanciert zur Detektivin, findet wichtige Beweise - und gerät in einen fast nicht zu ertragenden Gewissenskonflikt.

Bibliografie:
Inspector Alan Grant-Serie: 'The Man in the Queue' (auch unter dem Titel 'Killer in the Crowd') - 'Der Mann in der Schlange' (auch unter dem Titel 'Warten auf den Tod', 1929), 'A Shilling for Candles' - 'Klippen des Todes' (1936), 'The Franchise Affair' - 'Die verfolgte Unschuld' (auch unter dem Titel 'Der grosse Verdacht', 1948), 'To Love and Be Wise' - 'Wie ein Hauch im Wind' (1950), 'The Daughter of Time' - 'Richard der Verleumdete' (auch unter dem Titel 'Alibi für einen König', 1951), 'The Singing Sands' - 'Der singende Sand' (1952);
'Miss Pym Disposes' - 'Tod im College' (1946), 'Brat Farrar' (auch unter dem Titel Come and Kill Me') - 'Bratt Farrar' (auch unter dem Titel 'Der Erbe von Latchetts', 1949).

++ Erstellt: November 2011 ++  


Thomas, Leslie

(1931-2014)

Leslie Thomas, geboren in der südwalisischen Ortschaft Newport, Grafschaft Gwent, als Spross eines alten Seefahrergeschlechts, verlor seine Eltern mit zwölf (der Vater, ein gewalttätiger Säufer, fiel im Zweiten Weltkrieg, die Mutter starb sechs Monate später an Krebs) und wuchs darauf mit seinem jüngeren Bruder Roy in einem Waisenhaus in Surrey auf. Seinen Militärdienst leistete er von 1949 bis 1951 in Singapore und Malaysia. Danach verfolgte er eine journalistische Karriere und wohnte Ereignissen wie dem Eichmann-Prozess (1961) und dem Begräbnis von Winston Churchill (1965) bei. In dieser Zeit veröffentlichte er sein erstes (von seiner Jugendzeit handelndes) Buch 'This Time Next Week', 1966 folgte 'The Virgin Soldiers' - der Beginn seiner erfolgreichen Laufbahn als Roman-, Reisebuch- und Rundfunkautor mit einer Gesamtauflage von über 15 Millionen Exemplaren. Thomas verbrachte einen grossen Teil seines Lebens in einem prächtigen gregorianischen Haus in Salisbury, Südengland, und starb dort im Alter von 83 Jahren. Er hinterliess drei Kinder aus seiner ersten, 1956 mit Maureen Crane geschlossenen Ehe (Lois, Mark und Gareth), seine zweite Frau Diana Miles (Hochzeit 1970) und ihren gemeinsamen Sohn Matthew.

Von 1976 bis 1998 publizierte Thomas vier skurrile, mit herrlichen Slapstickszenen aufwartende Krimikomödien um einen gutmütigen, schusseligen, nicht besonders intelligenten Polizisten: den notorischen Pechvogel und alle hundert Seiten krankenhausreif geprügelten Detective Constable "Dangerous" Davies (Vorname unbekannt), der im schäbigen Industrievorort Willesden im Nordwesten Londons als "letzter Detektiv" unterwegs ist (er wird immer dann eingesetzt, wenn sonst niemand da ist, den man schicken könnte) und in seiner Freizeit über Mordfälle stolpert, die keinen interessieren, und die er dann, gleichsam nebenberuflich, zur Verblüffung aller praktisch im Alleingang auflöst, wozu ihm seine Milieukenntnisse, sein Einfühlungsvermögen und sein stark ausgeprägter Gerechtigkeitssinn untentbehrliche Dienste leisten.

Wie seine zickige Frau Doris, von der er seit Jahren getrennt lebt, bewohnt Dangerous ein Zimmer in der von Mrs. Fulljames straff geführten Pension "Bali Hi", wenn auch auf einer anderen Etage, derweil sich sein Hund Kitty, ein riesiges Vieh mit verfilztem Fell, auf dem Rücksitz des klapperigen Autos aufhält. Begleitet von seinem arbeitslosen Kumpel Mod Lewis, einem selbsternannten Philosophen und kräftigen Zecher, verbringt Dangerous den Feierabend vorzugsweise in der Quartierkneipe "Wickelkind".

Im zweiten Roman verliebt sich der sympathische Schnüffler in die schöne karibische Sozialarbeiterin Jemma Duval - der Beginn einer recht glücklichen Beziehung, wenngleich Jemma in ihrer Heimat Mann und Sohn hat. Zu Beginn des vierten Romans ist Dangerous Davies am Boden zerstört, als er erfährt, dass er vorzeitig in den Ruhestand treten soll, und dass Jemma in ihre Heimat zurückkehren wird, um über ihre Zukunft nachzudenken. In seiner Verzweiflung eröffnet er eine Privatdetektei - und wird schon bald mit Aufträgen überhäuft: Ein angesehener Wissenschaftler, der ein Medikament gegen Alzheimer entwickelt hat, ist mit seiner jungen Geliebten verschwunden, die Inhaber der Partnervermittlungsagentur "Happy Life" befürchten zu Recht, dass jemand ihren Kundinnen an den Kragen will, dem Neffen von Mrs. Fulljames ist die Harley Davidson abhanden gekommen, und dann soll der leicht überforderte Detektiv auch noch den seit vielen Jahren vermissten Vater einer Bekannten aufspüren. Dangerous Davies wird zusammengeschlagen und von einer zwielichtigen Zeugin verführt, doch am Schluss fügt sich alles zum Guten.

Bibliografie:
Dangerous Davies-Serie: 'The Last Detective' - 'Der letzte Detektiv' (1976), 'Dangerous in Love' - 'Bis über beide Ohren' (1987), 'Dangerous by Moonlight' - 'Auf eigene Faust' (1993), 'Dangerous Davies & The Lonely Heart' - 'Dangerous Davies und die einsamen Herzen' (auch unter dem Titel 'Ein Weihnachtsgeschenk für Dangerous Davies', 1998);
'The Man With the Power' - 'Das Kreuz mit Pfarrer Properjohn' (1973), 'Bare Nell' - 'Die unkeusche Nell' (1977), 'That Old Gang of Mine' - 'Die Müssiggänger' (1979), 'The Adventures of Goodnight and Loving' - 'Die unfreiwilligen Reisen des Mr. Goodnight' (1987).

Erstellt: Dezember 2012 ++
Update: Mai 2014
 


Thomas, Louis C.

(Pseudonym für Thomas Cervoni, 1921-2003; schrieb auch als Louis Thomas, René Thomas, Serge Thomas und Jacques Griss)

Thomas Cervoni kam in Hyères an der Côte d'Azur als Sohn einer italienisch-stämmigen Schneiderin und eines korsischen Infanterieoffiziers zur Welt. Er hatte zwei jüngere Schwestern und einen kleinen Bruder, der nur wenige Monate alt wurde. Nach der Schulzeit in Toulon studierte Cervoni bis 1941 Philologie in Draguignan, anschliessend unterrichtete er einen Monat in Salles-sur-Verdon. In der Zeit der Besatzung Frankreichs durch die Nazis musste er auf Baustellen und in deutschen Fabriken arbeiten. Als er schliesslich aus der Kriegsgefangenschaft in das befreite Frankreich zurückkehrte, war er als Lehrer in La Londe, dann in Hyères tätig, bis er 1947 erblindete und deshalb zu schreiben begann. 1956 lernte er in Hyères die Pariser Lehrerin Suzanne Darcémont kennen. Sie heirateten im folgenden Jahr und bezogen Wohnsitz im 18. Arrondissement von Paris. Suzanne stellte von nun an die Augen für Cervonis Karriere als Autor dar, und die ersten Erfolge liessen nicht lange auf sich warten.

In Cervonis Werk finden sich (neben über 150 Kriminalhörspielen, zahlreichen Kriminalgeschichten und -Novellen, zwei Theaterstücken und knapp drei Dutzend Texten für Kinder) 31 Krimis, unter ihnen der Fünfteiler um Commissaire Paron aus Lyon. Die frühen Werke sind ursprünglich unter Thomas' angestammtem Namen oder dem Pseudonym Louis Thomas erschienen. Ab 1957 publizierte er seine Bücher nur noch unter dem Pseudonym Louis C. Thomas, um nicht mit seinem Berufskollegen Louis Thomas verwechselt zu werden. Er starb 91-jährig in seiner Geburtsstadt.

In vielen seiner beklemmenden, jeweils mit einer Handvoll Figuren auskommenden Krimis konfrontiert Thomas durchschnittliche Menschen mit lebensbedrohlichen Situationen und Intrigen, aus denen es kein Entrinnen gibt. 'Bitte nicht töten' erzählt von einem Mann, der an der Côte d'Azur einen schweren Autounfall erlitten und dadurch sein Gedächtnis verloren hat. Nach kurzem Spitalaufenthalt erholt er sich jetzt in seiner luxuriösen Villa am Cap Bénat, betreut durch seine junge Frau Christiane, seinen indochinesischen Diener Kiem und seinen Kumpel Frédéric - drei Personen, die ihm ebenso fremd sind wie das riesige Anwesen. Der Mann fühlt sich eingeschlossen und verfolgt, beginnt an seinem Verstand zu zweifeln, bis er eines Nachts eine fürchterliche Entdeckung macht und sich jetzt sicher ist, dass man ihm nach dem Leben trachtet.

'Das Fragment' bildet einen weiteren Höhepunkt in Thomas' Werk. Der berühmte Pariser Krimiautor Daniel Moret hat stets die Meinung vertreten, Mörder seien zu wenig intelligent, um ein perfektes Verbrechen zu begehen. Ein schmächtiger, kahlköpfiger, offenbar einen falschen Namen und eine falsche Identität benutzender Mann will Moret vom Gegenteil überzeugen - und tötet ihn in dessen abgeschiedenem Appartement. Morets bester Freund Maurice Latel, auch er ein renommierter Krimiautor, beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Dann wird in Latels Verlagshaus ein Manuskript abgegeben, das mit dem letzten Werk des Ermordeten (einem Roman, in dem Moret gleichzeitig als Autor und Hauptperson fungiert) identisch ist. Ganz am Schluss der raffiniert gebauten Geschichte wartet der Autor mit einer faustdicken Überraschung auf.

Bibliografie:
Commissaire Paron-Serie: 'Jour des morts' 1953), 'Le mal est fait' (1955), 'Tué par un ange' (1956), 'Poison d'Avril' (1957), 'Le froid du tombeau' (1959);
Einzelwerke: 'De sac et de corde' (1954), 'Le retour des rats' (1956), 'Malemort' (1956), 'L'assassin connaît la musique' (1957), 'La mort qui marche' (1958), 'Sans espoir de retour' (1960), 'La mort au coeur' - 'Der zweite Mann' (1961), 'Manie de la persécution' - 'Bitte nicht töten!' (1962), 'A vos souhaits - la mort' - 'Tod per Einschreiben' (1963), 'Les mauvaises fréquentations' (1964), 'Par cruauté mentale' - 'Karussell der Angst' (1965), 'La complice' (1966), 'La Nuit de nulle part' - 'Nacht im Nirgendwo' (1967), 'Coup de sang' - 'Othello stand nicht im Prospekt' (1967, 'Les trente deniers' - 'Aber die Reue ist lang' (1968), 'Les écrits restent' - 'Das Fragment' (1969), 'Malencontre' - 'Ein Mädchen stirbt zum zweitenmal' (1972), 'La place du mort' - 'Vier Opfer und kein Mörder' (1975), 'Pour le meilleur et pour le pire' - 'Lieben, achten und ehren' (1976), 'La mort en chantier' - 'Zahlen, schweigen, sterben' (1978), 'Le sauf-conduit' - 'Freies Geleit' (1980), 'Des Briques en vrac'(1983), 'Une chute qui n'en finit pas' (1985), 'Télé Scoop' (1988), 'Une fille pleurait' (1991), 'Une femme de trop' (1995).

++ Erstellt: April 2012 ++  


Thomas, Ross

(1926-1995, schrieb auch als Oliver Bleek)

Ross Thomas, geboren und aufgewachsen in der Südstaatenstadt Oklahoma City, schrieb während seiner Collegezeit Sportberichte für die Lokalzeitung 'The Daily Oklahoman'. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er als 18-jähriger Infanteriesoldat auf den Philippinen gegen die Japaner. Nach dem Krieg schloss er sein Englischstudium an der University of Oklahoma in Norman ab und arbeitete danach als Journalist sowie als PR-Experte für die Gewerkschaft National Farmers Union NFU. 1956 gründete er in Denver, Colorado, sein eigenes Werbebüro 'Stapp, Thomas & Wade', das sich auf politische Kampagnen spezialisierte. 1958 ging er nach Deutschland, um das Bonner Studio des AFN (American Forces Network) einzurichten und sich danach jeden Abend während ein bis zwei Minuten in der Sendung 'Report from Europe' zu Wort zu melden.

Zurück in den Vereinigten Staaten, in Washington, D.C., im Jahr 1961, schuf sich Thomas einen ausgezeichneten Ruf als Berater von Gewerkschaften und Politikern. In dieser Eigenschaft wurde er unter anderem von einer Londoner Firma in das gerade unabhängig gewordene Nigeria entsandt, um die Präsidentschaftskandidatur des Stammesführers Chief Obafemi Awolowo zu organisieren (Nigeria wird dann Schauplatz des Romans 'Urne oder Sarg, Sir?'). Mitte der 60er-Jahre engagierte er sich für Präsident Lyndon Johnsons Armutsbekämpfungs-Kampagne VISTA.

Ross Thomas war bereits fast vierzig Jahre alt, als er sich anschickte, seine reichhaltigen politischen Erfahrungen in Literatur umzusetzen, und im Jahr 1966 seinen ersten (innert weniger Wochen zu Papier gebrachten) Roman 'Kälter als der kalte Krieg' veröffentlichte - seither gehört er zusammen mit Eric Ambler, John le Carré und Robert Littell zur ersten Garnitur der angloamerikanischen Politthrillerautoren. Auf Deutsch sollte man sich seine Bücher unbedingt in den ungekürzten und vorzüglich übersetzten Versionen des Berliner 'Alexander Verlags' zu Gemüte führen.

In seinen scharf geschliffenen, in einem lakonischen, zwischen Ironie und Sarkasmus oszillierenden Tonfall erzählten Romanen geht Thomas davon aus, dass den Repräsentanten der "staatserhaltenden Organisationen" (Geheimdiensten, Parteien und Gewerkschaften, der Polizei und der Hochfinanz) jegliche Moral abgeht; und dass Lobbying, Korruption und Mauschelei, Zweckbündnisse und Komplotte, Täuschungsmanöver und Mord die wichtigsten Werkzeuge zur Erlangung und Bewahrung von Geld und Macht darstellen.

Seine fast ausnahmslos männlichen Protagonisten - Strippenzieher, Mittelsmänner, Unterhändler, Abenteurer und "Berater" - bewegen sich am liebsten in den Schattenzonen der internationalen Politik und schmieden von dort aus ihre Ränke. Den meisten Romanen drücken zwei eng miteinander befreundete Partner - so genannte "asshole buddies" - den Stempel auf.

Einer grösseren Leserschaft bekannt wurde Thomas mit den drei ersten Bänden des Vierteilers um Cyril "Mac" McCorkle und Michael "Mike" Padillo, ein gegensätzliches Paar mit etwas verschwommener Vergangenheit. Der Ich-Erzähler Mac (Ross Thomas' alter Ego), ein kluger, abgebrühter, illusionsloser Ex-OSS-Agent und Veteran des Zweiten Weltkriegs mit ein paar Kilos zu viel auf den Rippen, führt ab dem zweiten Roman eine befriedigende Ehe mit der klugen, für eine grosse Frankfurter Tageszeitung arbeitende Journalistin Fredl Arndt, derweil Padillo, Spross einer Estin und eines Spaniers, ein sprachbegabter, wortkarger, ungemein kaltschnäuziger Abenteurer mit katzenhaften Bewegungen, von Zeit zu Zeit als Spezialagent eines obskuren Geheimdienstes unterwegs ist, um "nasse" Aufträge zu erledigen, beziehungsweise, in Macs Worten, "für Ordnung zu sorgen, wenn irgendwo etwas nicht stimmt". Padillo selber sagt von sich, er werfe einen gelben Schatten, eine arabische Redensart, die bedeutet, dass er eine Menge Schicksal mit sich rumschleppt - aber nur zum Bösen.

Die beiden trinkfesten Freunde betreiben seit 1954 gemeinsam das legendenumwobene Lokal Mac's Place in Bonn-Bad Godesberg, einem noblen Bezirk der westdeutschen Hauptstadt. Thomas' erster (1967 mit einem "Edgar" für das beste Debüt ausgezeichneter) Roman 'Kälter als der kalte Krieg' spielt denn auch ausschliesslich in Deutschland, mit Bonn und Berlin als farbig geschilderten Schauplätzen. Geheimdienstliche Ränkespiele und undurchsichtige Agentenaustausch-Aktionen (mit Padillo in einer fast nicht unter einen Hut zu bringenden Doppelrolle als Drahtzieher und Austauschobjekt) sind die wichtigsten Ingredienzien der lässig-frechen, mit viel bösem Witz und einem scharfen Blick für Details erzählten Geschichte.

Als ihr Lokal am Schluss des Buches in die Luft gesprengt wird, kehren McCorkle und Padillo der BRD endgültig den Rücken - Mac's Place liegt fürderhin in einem siebenstöckigen Gebäude nördlich der K Street und etwas westlich der Connecticut Avenue in Washington, D.C., und mausert sich dort schon bald zu einer ziemlich teuren, für diskretes Personal, gedämpfte Beleuchtung, grosszügig bemessene und gut gekühlte Drinks und ausgezeichnete Hähnchen, Steaks und andere Fleischgerichte bekannten Gaststätte - und zu einer brodelnden (vor allem von Journalisten, Rechtsanwälten, Diplomaten und Politikern frequentierten) Gerüchteküche.

Im zweiten Band 'Gelbe Schatten' verlangt man von Padilla, den weissen Premierminister eines unbenannten südafrikanischen Staates zu ermorden. Auftraggeber ist der betagte, todkranke Politiker selbst - das Attentat soll dann den Schwarzen in die Schuhe geschoben werden und so die Macht des Apartheidregimes in seinem Land zementieren. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, entführen die Chergen des Premiers Fredl Arndt, ein harter Schlag für McCorkle. Padillo setzt nun alles auf eine Karte, um das Leben der Frau seines Freundes zu retten, ohne der gebeutelten schwarzen Bevölkerung des afrikanischen Landes allzu sehr das Wasser abzugraben. Unterstützt wird er durch alte Bekannte aus dem Milieu der Spionage und der Washingtoner Halbwelt - ein paar habgierige, unberechenbare Typen, die höchst wahrscheinlich ihr eigenes Süppchen kochen.

'Die Backup Männer' beginnt für McCorkle mit einer bösen Überraschung: Er findet den deutschen Hitman Walter Gothar, einen ehemaligen Kollegen Padillos, erdrosselt in seinem Lieblingssessel vor. Dieser Mord bildet den Auftakt zu einem Himmelfahrtskommando für Mac und Mike, bei dem es darum geht, den Thronanwärter eines kleinen arabischen Staates am Leben zu erhalten, der sich zur Unterzeichnung eines milliardenschweren Ölhandelsabkommens inkognito in den USA aufhält und von dem Furcht einflössenden Killerduo Kragstein und Gitner verfolgt wird.

Der rund zwanzig Jahre später die Reihe beschliessende, in der dritten Person erzählte Roman 'Dämmerung in Mac's Place' dreht sich um die (in eindeutig erpresserischer Absicht geschriebenen) Memoiren des alt gedienten, zwielichtigen Geheimagenten Steadfast "Steady" Haynes, eines Experten für schmutzige Tricks, der offiziell nie bei der CIA war, und der jetzt im Bett der jungen Journalistin und Ghostwriterin Isabelle Gelinet, einer von Padillos früheren Geliebten, den letzten Schnaufer tut. Sein von ihm entfremdeter Sohn und Erbe Granville, ein kluger Mann Anfang dreissig, der bis vor kurzem bei der Mordkommission des LAPD im Dienst stand und sich jetzt als Schauspieler versucht, deponiert das hoch geheime, offenbar mit brisanten Daten über den Kalten Krieg und die Iran-Contra-Affäre gespickte Manuskript in Mac's Place - ein Dokument, das bisher niemand gelesen hat, das vielleicht bloss aus leeren Seiten besteht. Als wenig später Isabelle gewaltsam ums Leben kommt, macht sich Granville daran, dem väterlichen Nachlass, an dem unter anderem die CIA grosses Interesse bekundet, auf den Grund zu gehen. Begleitet wird er von Macs erwachsener Tochter Erika, die seine Freundin wird, später gesellen sich die etwas in die Jahre gekommenen Kneipiers Padillo und McCorkle hinzu, doch auch sie können nicht verhindern, dass es schon bald zu weiteren Morden kommt.

Die Artie Wu & Quincy Durant-Trilogie bildet den Kern von Thomas' belletristischem Werk. Artie Wu, ein korpulenter, einsneunzig grosser Chinese, mit einer Schottin verheirateter Vater von zwei Zwillingspaaren und legitimer Anwärter auf den Kaiserthron seines Landes (sagt er jedenfalls), und Quincy Durant, ein hagerer Bursche, dessen Rücken von 36 Peitschenhieben gezeichnet ist, sind unzertrennlich, seit sie sich vor dreissig Jahren als kleine Jungen in einem amerikanischen Waisenhaus kennen lernten - ihre Biografien leuchten im ersten Band 'Umweg zur Hölle' auf.

Das scharfsinnige, mit allen Wassern gewaschene Gespann hat sich nach längeren Aufenthalten in Asien, Lateinamerika und Schottland an der kalifornischen Küste niedergelassen, in Malibu, um von hier aus Jagd zu machen auf zwei Millionen Dollar, die die Amerikaner bei Kriegsende auf dem Gelände ihrer Botschaft in Saigon heimlich vergraben haben sollen, und lässt seine Gegenspieler - die Mafia, verkörpert durch Vincent Imperlino, alias Terence Northwood, dessen alten Kumpel Luke Childester, alias Reginald Simms, von der CIA, umtriebige Polizisten und andere Intriganten - dabei alt aussehen. Schauplatz der gut 400 Seiten umfassenden Geschichte ist die fiktive, südlich von Los Angeles gelegene Stadt Pelican Bay, ein Hort der Korruption und Niedertracht. Abgerundet wird der Roman durch ein sehr lesenswertes Nachwort des deutschen Krimiautors und passionierten Ross Thomas-Lesers Jörg Fauser ('Die hohe Kunst des Komplotts').

'Am Rand der Welt', der mittlere Band der Artie Wu & Quincy Durant-Trilogie, eine komplexe, teilweise auf historisch belegten Daten beruhende Geschichte (die Fakten liefert Thomas Wörtche in seinem erhellenden Nachwort), handelt von einem undurchsichtigen Deal, der im Frühjahr 1986 auf den Philippinen über die Bühne geht - wenige Wochen nach dem Sturz des Diktators Ferdinand Marcos ein äusserst instabiles Land. Es geht um fünf Millionen Dollar, mit denen ein zwielichtiges Konsortium (Geschäftsleute? der amerikanische Geheimdienst? oder Marcos' Gefolgsleute gar?) den legendären philippinischen Freiheitskämpfer Alejandro Espiritu mit sanftem Druck davon überzeugen will, seinem Land den Rücken zu kehren und sich in Hongkong zur Ruhe zu setzen, damit man dann die herrliche, an Bodenschätzen und unberührter Natur ungeheuer reiche Inselgruppe in aller Ruhe auslutschen kann. Booth Stallings, ein altgedienter Terrorismusexperte, der den Guerillero vor vierzig Jahren im Zweiten Weltkrieg kennenlernte, soll das Geschäft für ein Honorar von einer halben Million Dollar abwickeln, doch Stallings traut seinen Auftraggebern nicht über den Weg - und will sich die ganzen fünf Millionen unter den Nagel reissen. Seine kompetenten Helfer sind der smarte Hochstapler Maurice "Otherguy" Overby, die gerissene Ex-Spionin und Personenschutz-Expertin Georgia Blue - und natürlich das komplottgestählte Gespann Artie Wu und Quincy Durant. Und dann beginnt das alte Spiel, bei dem es darum geht, wer wen geschickter aufs Kreuz legt.

Fünf Jahre später, in 'Voodoo, Ltd', lassen es Artie Wu und Quincy Durant scheinbar etwas ruhiger angehen: Sie sind in London sesshaft geworden und haben die Firma 'WuDu Ltd.' ("Voodoo") gegründet, eine, in Wus Worten, "straff geführte Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die für andere das tut, was sie selbst für sich nicht tun können" - sie befasst sich mit der Lösung "unlösbarer", aber hochdotierter Fälle. Diesmal geht es um den gewaltsamen Tod des milliardenschweren Hollywood-Produzenten Billy Rice, neben dessen noch warmer Leiche am Neujahrsmorgen 1991 seine Ex-Geliebte, die berühmte Schauspielerin Ione Gamble, sturzbetrunken, ohne Erinnerung daran, was geschehen ist, mit der Tatwaffe in der Hand gefunden wird. Ihr Anwalt engagiert ein undurchsichtiges Geschwisterpärchen von Hypnotiseuren, das Gambles Filmriss kitten und die Unschuld der Diva beweisen soll. Doch nach den ersten Séancen lösen sich die beiden in Luft auf, eine Erpressung bahnt sich an, und die derzeit klamme Firma "WuDu" kommt zu einem 750'000-Dollar-Auftrag. Mit von der Partie sind Stallings und Otherguy, die neuerdings zusammenspannen, und die eben erst nach fünf Jahren aus einem philippinischen Gefängnis freigelassene Georgia Blue. Während im Irak der obszöne Zweite Golfkrieg wütet, nimmt das Spezialistenteam seine Ermittlungen an der kalifornischen Pazifikküste straff in die Hand.

'Unsere Stadt muss sauber werden', 'Teufels Küche' und die drei letzten Romane 'Schutzwall', 'Gottes vergessene Stadt' und 'Die im Dunkeln', alles Einzelwerke, bilden weitere Höhepunkte im Oeuvre von Ross Thomas, dieses unerreichten Fachmanns für Schilderungen herrlich-undurchsichtiger Verschwörungen, dieses Grossmeisters des ausgeklügelten Plots und pointierten Dialogs, der knappen, lebensnahen Personenbeschreibung, der bösen, überraschenden Wendung.

'Teufels Küche' befasst sich mit der scheinbar einfachen Frage, die sich dem amerikanischen Wahlhelfer Draper Haere und seinem abgebrühten Mitstreiter Morgan Citron (einem Reporter, der sich unlängst in einem afrikanischen Knast von Menschenfleisch ernähren musste - 'Missionary Stew', so der Originaltitel) stellt: Wie bringen wir unseren Kandidaten am schnellsten ins Weisse Haus? Die Antwort: Mit einem Haufen Geld - und mit wachem Verstand, der es uns ermöglicht, gerissener zu intrigieren als alle unsere Gegenspieler.

In 'Gottes vergessene Stadt', einer verwickelten, mit lässigem Witz erzählten Geschichte um Habsucht und Rache, beglückt Thomas den Leser (einmal mehr) mit einem umwerfenden Ensemble. Bundesrichter Jack Adair, der wegen einer Betrugsgeschichte fünfzehn Monate im Gefängnis sass, und sein Schwiegersohn Kelly Vines, ein Anwalt mit entzogener Zulassung, zwei abgebrühte Männer, die zu Recht um ihr Leben fürchten, erhalten Unterschlupf in dem kalifornischen Küstenkaff Durango - für eine Million Dollar, die das smarte Pärchen B.D. Huckins, Bürgermeisterin, und Sid Fork, Polizeichef, dringend benötigen, um Recht und Ordnung in ihrer von Gott vergessenen Stadt aufrechtzuerhalten. Auf den Fersen der beiden abgehalfterten Juristen und ihrer geschäftstüchtigen Beschützer: Ein kleinwüchsiger Fettwanst mit rüsselförmiger Nase, eine monströse Gestalt, die jeden umlegt, der sich ihr in den Weg stellt.

Sein Nebenwerk, die fünfbändige Reihe um Philip St. Ives, gab Thomas von 1969 bis 1976 unter dem (in neueren Auflagen aufgelösten) Pseudonym Oliver Bleeck heraus, um, wie er selbst sagte, Brot und Butter auf dem Tisch zu haben. Philip St. Ives, ein geschiedener, grossen Wert auf elegante Kleidung legender Ex-Journalist aus Manhattan mit ausgezeichneten Kontakten zur New Yorker Unterwelt, ist als eine Art Privatdetektiv tätig: Für üppige Honorare überbringt er Lösegelder, transferiert gestohlene Ware - und wird dabei in Morde verwickelt. Die turbulenten Fälle führen den zynischen, stets perfekte Arbeit leistenden Zwischenträger - "ein kleines Rädchen im komplizierten Rädchen der Intrigen und Korruption" - unter anderem nach London, Jugoslawien, Rotterdam und Washington.

Ross Thomas, von 1961 bis 1975 (mit einem kurzen Unterbruch zu Beginn der 70er-Jahre, als er sich mit seiner ersten Frau Judy in London aufhielt) in Washington, D.C., ansässig, verbrachte seine letzten zwanzig Lebensjahre mit seiner zweiten Frau Rosalie Appleton, einer Bibliothekarin, die er 1973 kennen gelernt und ein Jahr danach geheiratet hatte, in Malibu, zuerst in einem Haus am Strand, ab 1993, nachdem ein Grossbrand seinen Wohnsitz und sämtliche Bücher und Manuskripte vernichtet hatte, in einem kleineren Domizil auf den Hügeln des nahe gelegenen Ortes Pont Dume, und widmete sich vorrangig dem Verfassen von Romanen, ab 1982 auch von Drehbüchern für Filme ('Hammett', 'Bad Company') und Fernsehserien ('Simon & Simon', 'Die unglaublichen Geschichten von Roald Dahl'), zeitweise auch dem Rumdoktern an Scripts. Mit 69 Jahren erlag der kinderlose Autor in einem Krankenhaus in Santa Monica einer Krebserkrankung.

Bibliografie:
McCorkle & Padillo-Serie: 'The Cold War Swap' (auch unter dem Titel 'Spy in the Vodka') - 'Der Ein-Weg-Mensch' (auch unter dem Titel 'Kälter als der kalte Krieg', 1966), 'Cast a Yellow Shadow' - 'Der Tod wirft gelbe Schatten' (auch unter dem Titel ‚Gelbe Schatten', 1967), 'The Backup Men' - 'Was ich nicht weiss, macht mich nicht kalt' (auch unter dem Tite 'Die Backup-Männer', 1971), 'Twilight at Mac's Place' - 'Letzte Runde in Mac's Place' (auch unter dem Titel 'Dämmerung in Mac's Place', 1990);
Artie Wu & Quincy Durant-Trilogie: 'Chinaman's Chance' - 'Umweg zur Hölle' (1978), 'Out on the Rim' - 'Am Rand der Welt' (1987), 'Voodoo, Ltd.' - 'Voodoo & Co.' (auch unter dem Titel 'Voodoo, Ltd., 1992);
Einzelwerke: 'The Seersucker Whipsaw' - 'Urne oder Sarg, Sir?' (1967), 'The Singapore Wink' - 'Sing Sing Singapur' (1969), 'The Fools in Town Are on Our Side' - 'Unsere Stadt muss sauber werden' (1970), 'The Porkchoppers' - 'Wahlparole Mord' (auch unter dem Titel 'Porkchoppers', 1972), 'If You Can't be Good' - 'Nur lass dich nicht erwischen' (1973), 'The Money Harvest' - 'Die Millionenernte' (auch unter dem Titel 'Fette Ernte', 1975), 'Yellow-Dog Contract' - 'Geheimoperation gelber Hund' (auch unter dem Titel 'Der Yellow-Dog-Kontrakt', 1977), 'The Eighth Dwarf' - 'Vierzig Riesen für den Zwerg' (auch unter dem Titel 'Der achte Zwerg', 1979), 'The Mordida Man' - 'Der Bakschischmann' (1981), 'Missionary Stew' - 'Mördermission' (auch unter dem Titel 'Teufels Küche', 1983), 'Briarpatch' - 'Schutzwall' (auch unter dem Titel 'Dornbusch', 1984), 'The Forth Durango' - 'Gottes vergessene Stadt' (1989), 'Ah, Treachery!' - 'Die im Dunkeln' (1994).
Als Oliver Bleek:
Philip St. Ives-Serie: 'The Brass Go-Between' - 'Bonbons aus Blei' (auch unter dem Titel 'Der Messingdeal', 1969), 'Protocol for a Kidnapping' - 'Kopfpreis eine Million' (1971), 'The Procane Chronicle' (auch unter dem Titel 'The Thief Who Painted Sunlight') - 'Das Mordpatent Procane' (1972), 'The Highbinders' - 'Ein scharfes Baby' (1974), 'No Question Asked' - 'Schreie im Regen' (1976).

++ Erstellt: September 2013 ++
++ Update: März 2014 ++
++ Update: März 2015 ++
++ Update: Oktober 2015 ++
++ Update: Februar 2016 ++
 


Thornburg, Newton Kandall

(1929-2011)

Newton Kendall Thornburg wurde als Sohn eines einfachen Geschäftsmanns in Harvey, Illinois, geboren und wuchs mit einem älteren Bruder und zwei jüngeren Schwestern in Chicago Heights auf, einem Vorort im Süden Chicagos. Er studierte am Illinois Wesleyan College und machte einen Abschluss in Fine Arts an der University of Iowa. In dieser Zeit, mit achtzehn, veröffentlichte er seine erste Story. Frisch verheiratet mit seiner grossen Liebe Karin Larson, verbrachte er in den 1950er-Jahren einige Zeit in Chicago und Manhattan, begann zu malen und schreiben, ohne jedoch davon leben zu können, und verrichtete verschiedene Gelegenheitsarbeiten. Desillusioniert von der Welt der schönen Künste, kehrte er mit seiner Familie nach Illinois zurück und war zunächst auf einer Farm, danach fünf Jahre im väterlichen Geschäft tätig. Anschliessend arbeitete er zehn Jahre als freischaffender Werbetexter mit Stationen in Milwaukee, St. Louis und Santa Barbara. In den 70er-Jahren lebte er mit seiner Familie fünf Jahre auf einer kleinen, abgelegenen Farm in den Ozarks, Missouri, 1980 liess er sich in Seattle nieder.

Thornburg, der 1967, in seiner Zeit als Werbetexter, als Romanautor debütiert hatte, widmete sich ab 1973 ganz dem Schreiben und verdiente mit seinen Büchern und Filmrechten sehr viel Geld, bis er 1998 einen schweren Hirnschlag erlitt und seine Selbständigkeit einbüsste. Seit 1986 verwitwet, unterstützt durch den Staat, lebte er in einem Pflegeheim in der Nähe von Seattle und starb dort im Alter von 81 Jahren.

Zwischen 1967 und 1998 veröffentlichte Thornburg elf von einer pessimistischen Stimmung durchdrungene Romane, von denen auf Deutsch einzig die Caper Novel 'Die Mäuse bringt der Nikolaus' und die Noir-Romane 'Geh zur Hölle Welt!' (im Original: 'Cutter and Bone', verfilmt 1981 unter dem Titel 'Cutter's Way' mit Jeff Bridges und John Heard in den Hauptrollen) und 'Schwarze Herde' erschienen sind.

'Geh zur Hölle Welt!', Thornburgs zeit- und sozialkritisches Meisterwerk aus dem Jahr 1976, handelt von drei sozialen Aussenseitern, die zusammen unter trostlosen Bedingungen in der kalifornischen Stadt Santa Barbara leben - es ist die bleierne Zeit nach dem Vietnamkrieg. Der 33-jährige Rich Bone hat seinen gut dotierten Job als Marketingchef in Milwaukee vor zwei Jahren aufgegeben und Frau und Kinder verlassen, um ein Leben als Rumtreiber und Gelegenheitsgigolo zu führen. Alex Cutter, ein seelisch schwer angeschlagener Vietnamveteran, der im Krieg ein Auge, einen Arm und ein Bein verloren hat, ein durchgedrehter Clown mit einer theatralischen Ader, stammt aus einer reichen Familie, hat jedoch seine Eltern früh verloren und hasst das Establishment. Liiert ist er mit der drogen- und alkoholsüchtigen Mo, auch sie aus gutem Haus, und die beiden haben einen einjährigen Sohn. Eines Tages beobachtet Bone aus der Ferne einen Mann, der eine weibliche Leiche in einer Mülltonne entsorgt. Handelt es sich beim Täter um den millionenschweren Industriellen J.J. Wolfe? Cutter und Bone wittern die einmalige Chance, zu Geld zu kommen - und zu überleben in einer kapitalistischen Welt, in der sich jeder selbst retten muss: Sie planen eine Erpressung.

Bibliografie:
'Gentleman Born' (1967), 'Knockover' - 'Die Mäuse bringt der Nikolaus' (1968), 'To Die in California' (1973), 'Cutter and Bone' - 'Geh zur Hölle, Welt!' (auch unter dem Titel 'Cutter und Bone', 1976), 'Black Angus' - 'Schwarze Ernte' (1978), 'Valhalla' (1980), 'Beautiful Kate' (1982), 'Dreamland' (1983), 'The Lion at the Door' (1990), 'A Man's Game' (1996), 'Eve's Men' (1998).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2011 ++
++ Update: September 2015 ++
++ Update: November 2016 ++  


Timlin, Mark

(*1950; schreibt auch als Johnny Angelo, Jim Ballantyne, Holly Delatour, Lee Martin, Martin Milk und Tony Williams)

Mark Timlin kam in Tulse Hill, South London, zur Welt und wuchs auch dort auf. Er begleitete die Pop-Gruppen 'T. Rex' und 'The Who' als Tour-Manager, ehe er in den 80er-Jahren, nach der Trennung von seiner Frau, zur Schriftstellerei wechselte und Nick Sharman in die Kriminalliteratur brachte. Raymond Chandler und Elmore Leonard bezeichnet er als seine wichtigsten Einflüsse, doch auch Mickey Spillanes deftige Rachethriller scheinen ihm nahe zu stehen. Neben knapp dreissig Krimis veröffentlichte Timlin zwei Bücher über Groupies und ein paar Pornoromane. Darüber hinaus betreut er die Krimiseite der Zeitung 'Independant on Sunday'. Er lebt auf der Halbinsel Isle of Dogs im Londoner Eastend.

Timlins alter Ego Nick Sharman ist in siebzehn Romanen und der Kurzgeschichten-Sammlung 'Sharman and Other Filth' (1996) als hart gesottener und trinkfreudiger Privatdetektiv im südlichen Teil von London unterwegs (wobei der Autor sich ein paar Cameo-Auftritte gönnt). Er war vor vielen Jahren Polizist im schäbigen Londoner Stadtteil Brixton, bis ihm ein Kollege unabsichtlich in den Fuss schoss und er den Polizeidienst aufgab. Wenig später verliess ihn seine Frau Laura, mit der er eine Tochter, Judith, hat - diese wird in 'Die Frau im Rollstuhl' entführt. Auch die folgenden Liebesbeziehungen bringen Sharman nur kurzes Glück - die Prostituierte Teresa verlässt ihn, um ein solides Leben zu beginnen, und die einer amerikanischen Mafiafamilie angehörende Josephine wird in die Luft gesprengt. Acht Bücher später jedoch, in 'Pretend Were Dead', heiratet Sharman seine grosse Liebe Dawn.

In den Sharman-Krimis, die zu einem guten Teil in der Musikbranche spielen, fliesst ziemlich viel Blut, aber auch Sexszenen, Witz und scharfe Sprüche kommen nicht zu kurz. In den Jahren 1995 und 1996 wurde die fünfteilige TV-Serie 'Sharman' ausgestrahlt mit einem grossartigen Clive Owen in der Rolle des Privatdetektivs.

Bibliografie:
Nick Sharman-Serie: 'A Good Year for the Roses' - 'Schnee und Rosen' (1988), 'Romeo's Tune' - 'Schwanengesang' (1990), 'Gun Street Girl' - 'Die verlorene Tochter' (1990), 'Take the A Train' (1991), 'The Turnaround' - 'Die Frau im Rollstuhl' (1991), 'Zip Gun Boogie' - 'Shooting Stars' (1992), 'Hearts of Stone' (1992), 'Falls of the Shadow' (1993), 'Ashes By Now' - 'Schnee von gestern' (1993), 'Pretend Were Dead' (1994), 'Paint it Black' (1995), 'Find My Way Home' (1996), 'A Street That Rhymed at 3 AM' (1997), 'Dead Flowers' (1998), 'Quick Before They Catch Us' (1999), 'All the Empty Places' (2000), 'Stay Another Day' (2010);
Einzelwerke: 'I Spied a Pale Horse' (1999), 'Answers from the Grave' (2004), 'Guns of Brixton' (2010).
Als Jim Ballantyne: 'The Torturer' (1995).
Als Lee Martin: 'Gangsters Wives' (2007), 'The Lipstick Killers' (2009).
Als Martin Milk: 'That Saturday' (1996).
Als Tony Williams: 'Valin's Raiders' (1994), 'Blue on Blue' (1999).

++ Erstellt: Februar 2011 ++  


Togawa, Masako

(1931-2016)

Masako Togawa kam in Tokio zur Welt und wuchs nach dem frühen Tod ihres Vaters und ihres Bruders bei ihrer Mutter in Otsuka auf. Nachdem sie von der Schule geflogen war, arbeitete sie fünf Jahre als Sekretärin, in ihrer Freizeit trat sie ab 1956 als Sängerin in dem bekannten Nachtclub "Gin-Pari" auf. Mit 29 Jahren debütierte sie als Krimiautorin, und im folgenden Jahr landete sie mit ihrem zweiten Krimi 'Schwestern der Nacht' ihren ersten Bestseller. In Japan war sie mit einem Werk von über 20 Romanen und ungezählten Kurzgeschichten eine grosse Nummer, während im deutschen und englischen Sprachraum gerade mal vier ihrer Bücher erschienen sind. Masako Togawa, die in Tokio seit 1967 Jahren ein berühmtes Lokal ("Aoi Heya", englischer Name "Blue Room") besass, machte auch als Essayistin, Chansonsängerin, Fernseh- und Filmschauspielerin und Feminstin von sich reden. Sie starb 85-jährig in einem Krankenhaus in der Präfektur Shizuoka und hinterliess mehrere Kinder.

Togawas erster, 1962 mit dem renommierten "Edogawa Rampo Award" ausgezeichneter Krimi 'Der Hauptschlüssel', eine aus wechselnden Perspektiven mit vielen Zeitsprüngen erzählte Geschichte, spielt über weite Strecken in einem Wohnheim für allein stehende, berufstätige Frauen, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Tokio gebaut worden ist. Jetzt soll das Haus um vier Meter versetzt werden, weil man eine Strasse verbreitern will - ein tiefer Einschnitt ins Leben der in die Jahre gekommenen Bewohnerinnen, die befürchten, dass jahrelang gehütete Lügen, Geheimnisse und Verbrechen ans Licht kommen.

In 'Schwestern der Nacht' ist der verheiratete Computeringenieur Ichiro Honda in Tokio auf der Pirsch. Seine Waffen: eine tiefe, erotische Stimme und ein unwiderstehlicher Charme, seine Spezialität: One-night-stands mit einsamen Frauen, akribisch und emotionslos festgehalten im "Jagd-Logbuch". Doch eines Tages, kurz nach dem Selbstmord der 19-jährigen, im sechsten Monat schwangeren Keiko, die ein halbes Jahr zuvor mit ihm im Bett war, wird Honda vom Jäger zum Gejagten: Seine ehemaligen Gespielinnen werden reihenweise ermordet, und in und an den Körpern der Leichen finden sich Sperma und Blut seiner äusserst seltenen Blutgruppe. Honda wird verhaftet, sitzt in der Todeszelle, sein Schicksal scheint besiegelt zu sein. Der dichte, geschickt konstruierte Roman zieht einen in den Bann, selbst wenn man Keikos ältere Schwester Tsuneku bereits nach wenigen Seiten als wahre Täterin identifiziert zu haben glaubt - und kurz vor dem Ende dreht die Autorin eine atemberaubende Pirouette.

Bibliografie (nicht über alle Zweifel erhaben):
'Oi naru Genei' - 'Der Hauptschlüssel' (1962), 'Ryojin Nikki' - 'Schwestern der Nacht' (1963), 'Nemurenai yoru no hon' (1967), 'Saketa nemuri' (1968), 'Mitsu no aji' (1968), 'Kaso gyoretsu' (1968), 'Motto keo o!' (1968), 'Muma' (1969), 'Aka Kasa' (1969), 'Kamen no sei' (1969), 'Kari no jikoku' (1970), 'Seijo' (1971), 'Fukai Shissoku' - 'Trübe Wasser in Tokio' (1976), 'Hanayakanaru hy oga' (1977), 'Nijiro no funsui' (1977), 'Hi no seppun' - 'Der Kuss des Feuers' (1985).

++ Erstellt: Januar 2012 ++
++ Update: Mai 2016 ++
 


Toms, Bernard

(1931-1990)

Über das Leben des Briten Bernard W. Toms ist praktisch nichts bekannt. Geboren in der Hafenstadt Newport, Südwales, ging er als Angehöriger der Metropolitan Police neun Jahre lang im Londoner East End auf Streife. Es folgte ein kurzes Intermezzo als Privatdetektiv, bevor er sich in dem südostwalisischen Weiler Llandenny bei Usk niederliess.

1965 veröffentlichte Toms seinen ersten Roman 'George Arbuthnot Jarrett' (auf Deutsch: 'Ich gegen mich'), der die Gefühlswelt eines schizophrenen Mannes beleuchtet. Ein Jahr danach folgte sein einziger (unter dem Titel 'The Strange Affair' mit Michael York und Susan George in den Hauptrollen verfilmter) Krimi 'Gangster in Uniform', eine schnörkellose Geschichte über Polizeikorruption. Im Mittelpunkt steht der frisch gebackene Londoner Bulle P.C. Strange, der aufgrund seiner idealistischen Ader bös unter die Räder kommt und schliesslich sogar im Gefängnis landet.

1985 trat Toms als Ghostwriter des Buches 'Brian Jones: The Inside Story of the Original Rolling Stones' von Nicholas Fitzgerald in Erscheinung. Fitzgerald, ein guter Freund des 1969 in einem Swimming Pool ums Leben gekommenen Stones-Gitarristen Brian Jones, behauptet in diesem Buch, der Musiker sei ermordet worden.

Bibliografie:
'The Strange Affair' - 'Gangster in Uniform' (1966).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: August 2013 ++
++ Update: November 2015 ++
 


Topin, Tito

(*1932)

Tito Topin, geboren und aufgewachsen in Casablanca, Marokko, als Sohn eines Kommissars und späteren Privatdetektivs, gründete mit 21 Jahren in seiner Geburtsstadt die Werbeagentur 'Publicasso'. 1955/56 nahm er am Algerienkrieg teil, danach emigrierte er nach Brasilien und betrieb in Sao Paulo das Werbebüro 'Catalox'. Sechs Jahre später kehrte er nach Casablanca zurück, um wiederum in der Werbung tätig zu sein. 1966 liess er sich als Illustrator und Comic-Zeichner in Paris nieder, seit 1978 lebt er als Drehbuchautor, Romancier und Filmproduzent in Villedieu, unweit des südfranzösischen Städtchens Vaison-la-Romaine. 1989 kreierte er die berühmte Kommissar Navarro-Serie für das französische Fernsehen. 1997 gründete er die Produktionsfirma 'Serial Productions'.

In den 80er-Jahren publizierte Tito Topin drei rasante Politthriller. 'Casablanca im Fieber' spielt im Casablanca des Sommers 1955, kurz vor dem Rückzug der französischen Kolonialherren. Aufbruchstimmung und Rassenhass beherrschen die Stadt, als die 19-jährige Spanierin Ginette 'Gin' Garcia schwer verletzt in eine Privatklinik eingeliefert wird: Sie ist von Georges Bellanger vergewaltigt worden. Hélène Bellanger, Chefärztin der Klinik und Geliebte des einflussreichen Zivilgouverneurs, versucht die Tat ihres Sohnes den Arabern anzuhängen. Doch ausgerechnet jetzt kehrt Ginettes Freund Manu nach zwei Jahren Militärdienst nach Casablanca zurück - und schwört Rache.

'Im letzten Akt fliesst immer Blut' ist in Paris angesiedelt. Die libanesischen Terroristen Abdessalam jagen ein Café in die Luft, um ihren inhaftierten Bruder freizubekommen; Robert Slovacki und sein Freund William, zwei kleine Gauner, nutzen das allgemeine Chaos, um im grossen Stile abzusahnen; einzig der abgebrühte Kommissar Sépulchre behält die Übersicht.

2006 kehrte Topin mit der Trilogie um den Pariser Kommissar Bentchimoun, genannt Bentch, zum Krimi zurück. Bis 2014 folgten sieben weitere Spannungsromane, von denen einzig 'Exodus aus Libyen' auf Deutsch erschienen ist.

'Exodus aus Libyen' spielt im Juli 2011 in Libyen, auf dem Höhepunkt des Bürgerkrieges gegen Gaddafi, die NATO unterstützt die aufständischen Truppen aus der Luft. Ein bunt zusammengewürfelter achtköpfiger Haufen ist in einem gestohlenen Land Cruiser auf der Flucht aus Tripolis, Tunesien ist das Ziel. In knappen Einschüben erzählen die Flüchtlinge ihre Vorgeschichte - der französische Kampfpilot Henri Ventura, der um ein Haar der Hinrichtung entging; der ägyptische Bankräuber Emmanuel Sharif; die schöne Schauspielerin Salima, die mit Gaddafi im Bett war und ihn mit einem Messer schwer verletzte; der versoffene kanadische Arzt Kenneth Hitchcock, der den Diktator dann zusammenflickte; der Gymnasiallehrer Ikken Massimina, genannt Chino; Ousmane Elmalik, ein Flüchtling aus dem Tschad; der Franzose Jean-David Mouillon, ein Archäologe, der wegen Fälschungen neun Jahre im Gefängnis einsass; Wardia Tisantani, eine hochschwangere, unverheiratete, von ihrer Familie verstossene Krankenschwester. - Eine unter sich zerstrittene Gruppe von Menschen, denen es nur darum geht, ihre Haut zu retten. Die Flüchtlinge stranden in einem zerstörten, gottverlassenen Städtchen und treffen dort auf den desillusionierten libyschen Kommandanten. Und dann kommen die Rebellen, die Welt explodiert 'Exodus aus Libyen': Eine schnörkellose, nachtschwarze Parabel über die Sinnlosigkeit des Krieges.

Bibliografie:
'55 de fièvre' - 'Casablanca im Fieber' (1983), 'Tchatcha Nouga' (1984), 'Un gros besoin d'amour' - 'Im letzten Akt fliesst immer Blut' (1988), 'Photo Finish' (2008), 'Parfois je me sens comme un enfant sans mère' (2009), 'Des rats et des hommes' (2011), 'Les enfants perdus de Casablanca' (2011), 'Libyan Exodus' - 'Exodus aus Libyen' (2012), 'Carmen City' (2012), 'Métamorphose des cendres' (2014);
Kommissar Bentch-Trilogie: 'Bentch et Cie' (2006), 'Bentch Blues' (2007), 'Cool. Bentch!' (2008).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juni 2013 ++
++ Update: November 2015 ++
++ Update: August 2016 ++
 


Tosches, Nick

(*1949)

Nick Tosches, geboren in Newark, New Jersey, als Spross eines italienisch-stämmigen Barkeepers und einer irisch-stämmigen Hausfrau, aufgewachsen in Jersey City, verliess zum grossen Kummer seines Vaters bereits mit vierzehn Jahren die High School, um als Barkeeper zu arbeiten und ein wildes, von Drogen, Rockmusik und Schlägereien geprägtes Leben zu führen. 1969 ging er nach New York City, arbeitete dort als Grafiker in einem Unternehmen für Damenunterwäsche und gab seine ersten Kurzgeschichten heraus. 1972 ging er nach Florida, wo er unter anderem als Schlangenfänger für das Serpentarium in Miami arbeitete. Er gab diesen Job jedoch auf, als ihn eine Schlange biss, kehrte nach New York zurück und wurde Rockmusikkritiker ('Fusion', 'Creem') und Autor.

Tosches' fulminantes Krimidebüt 'Kopf an Kopf' handelt von Geldgier, Betrug, Verrat und schlau ausgedachten Täuschungsmanövern. Im Mittelpunkt stehen der kleine Gauner Louie Brunellesches, ein smarter, etwas ausgelaugt wirkender Mann Ende dreissig, der sich in New York mühsam als "Usuraio" (Kredithai) durchschlägt, und sein legendärer Grossonkel Giovanni, bzw. Onkel John, der Ende der 20er-Jahre, kurz vor dem grossen Börsen-Crash, mit einem Schlag das illegale Lotteriegeschäft von ganz Harlem in italienische Hände brachte; und der jetzt, fast sechzig Jahre später, in Newark einen letzten Coup ausheckt, der ihn um einige Millionen reicher machen soll. In wichtigen Nebenrollen: Johns alter Intimfeind Frankie Scarpa, genannt "Il Capraio" ("der Ziegenhirt"), der in seinem Sold stehende, jetzt aber offenbar die Fronten wechselnde Killer Joe Brecia, alias Brusher, und Louies heissblütige Freundin Donna Lou.

Sechs Jahre folgte 'Die Meister des Bösen', ein epischer, in New York, Mailand, Palermo und Hongkong spielender Roman, gespickt mit brutalen, unter die Haut gehenden Szenen und scharf geschliffenen Dialogen - ein Meilenstein des Mafiathrillers ("Der Pate der 90er-Jahre", bloss ein, zwei Klassen besser)). Sprachmächtig schildert Tosches den irrwitzigen Kampf um den weltweiten Heroinhandel, den sich die ergrauten, etwas müde gewordenen New Yorker Mafiosi und das habgierige, mit brutaler Härte vorgehende fernöstliche Drogensyndikat, die Triaden, liefern - einen Kampf, den die Sizilianer unter der operativen Leitung von Johnny di Pietro, dem Neffen eines der sizilianischen Greise, der sich bisher nur als kleiner Auftragskiller in Szene setzte, erstaunlicherweise noch einmal haarscharf für sich entscheiden können.

2002 kam Tosches' dritter Roman heraus: 'In the Hand of Dante', ein auf zwei Zeitebenen, im 14. Jahrhundert und in der Gegenwart, spielendes Werk um Dante Alighieris 'Göttliche Komödie'. Deren Manuskript wird fast 600 Jahre nach der Niederschrift in einer unteririschen Kammer des Vatikans gefunden - und fällt alsbald in die Hände der Mafia. Einige Wochen später taucht das vermeintliche Originalmanuskript in New York auf, ein Autor und Dante-Experte namens Nick Tosches(!) soll es auf seine Echtheit prüfen. Doch Tosches kann der Versuchung nicht widerstehen und stibitzt das unschätzbar wertvolle Objekt.

Neben seinen Romanen publizierte Tosches zahlreiche Gedichte und Reportagen, ein Buch über die grossen Vergessenen der Rockmusik ('Unsung Heroes of Rock'n Roll', 1984) sowie grandiose Biografien der Unterhaltungskünstler Jerry Lee Lewis ('Hellfire', 1982) und Dean Martin ('Dino', 1992), des Vatikanbankiers und Mafiosos Michele Sindona ('Geschäfte mit dem Vatikan', 1986) und des legendären Boxers Sonny Liston ('Der Teufel und Sonny Liston', 2000). Der Autor lebt in New York City.

Bibliografie:
'Cut Numbers' - 'Kopf an Kopf' (1988), 'Trinities' - 'Die Meister des Bösen' (1994), 'In the Hand of Dante' (2002), 'Me and the Devil' (2012).

++ Erstellt: Dezember 2010 ++
++ Update: Dezember 2012 ++
++ Update: März 2013 ++
 


Tracy, Don

(Kürzel für Donald Fiske Tracy, 1905-1976; schrieb auch als Roger Fuller, Carolyn MacDonald, Barnaby Ross und C. K. M. Scanlon)

Geboren in New Britain, Connecticut, arbeitete Don Tracy von 1926 bis 1928 als Journalist für verschiedene lokale Zeitungen in seinem Heimatstaat, danach bis 1934 als Redakteur für 'Radio News' in New York City, bevor er im selben Jahr seinen ersten (und bekanntesten) Roman 'Criss Cross' veröffentlichte. Von 1955 bis 1960 gab er Sommerkurse an der Syracuse University. Er starb 71-jährig in Clearwater, Florida.

Unter bürgerlichem Namen schrieb Tracy rund ein Dutzend Noir-Romane und die neunteilige Serie um den für eine geheime Armeeorganisation arbeitenden Undercover-Agenten Giff Speer, unter mehreren Pseudonymen, aber auch unter bürgerlichem Namen, über zwanzig historische Romane und etliche Novellisierungen bekannter Fernsehserien wie 'Peyton Place', 'The Defenders', 'The Fugitive' und 'Burke's Law'. Kurz vor seinem Tod gab er ein Sachbuch über Alkoholismus heraus.

Tracys von David Goodis beeinflusste "Romans noirs" kreisen um Rassenhass, Alkoholabhängigkeit und die sozialen Auswirkungen der grossen Wirtschaftskrise.

Auf Deutsch gibt es 'Der grosse Hass', einen meisterhaft gestalteten, in der Kleinstadt Tangerine County, Florida, zu Beginn der 1960er-Jahre - der Zeit der Rassentrennung - spielenden Roman. Sheriff Henry Taggart, der vor einiger Zeit den Klu-Klux-Klan aus der Stadt vertrieben hat, versucht für Recht und Ordnung zu sorgen, doch Angst vor einem Aufstand der Schwarzen lähmt die Weissen - geschürt durch eine dubiose, durch einen General namens Edmund Ruffin MacWhalen ins Leben gerufene Organisation. Als die junge Schwarze Coralee nackt neben dem erschossenen (glücklich verheirateten und als integer geltenden) Staatsanwalt Jack Taggart, dem Neffen des Sheriffs, aufgefunden wird, soll sie möglichst schnell verurteilt und hingerichtet werden.
Dies ist die Situation in Tangerine County, als der Ich-Erzähler Frank Coombs nach acht Jahren Abwesenheit in seine Heimatstadt zurückkehrt - als gescheiterte Existenz. Coombs, Spross einer angesehenen Familie, war ein erfolgreicher Rechtsanwalt, bis er zu trinken begann, von seiner Frau Blanche verlassen wurde und einen Grossteil seines Vermögens beim Glücksspiel verlor. Inzwischen sind Coombs' Finanzen durch seinen Ex-Partner Bill Carter ins Reine gebracht worden, ein Check liegt abholbereit in der Kanzlei.
Kaum in Tangerine County angekommen, begegnet Coombs seiner alten Nanny Hattie May, die ihn anfleht, ihre jüngste Tochter, Coralee, zu vertreten - ein Auftrag, den Coombs nicht ablehnen kann. Er entsagt dem Schnaps, beginnt zu ermitteln, stösst auf eine Mauer der Ablehnung und des Hasses und wird brutal zusammengeschlagen, während der seit Jahren schwelende Rassenkonflikt zu eskalieren droht.
In knappem Stil, mit scharfem Blick für Haupt- und Nebenfiguren erzählt Don Tracy seine ganz ohne Schwarz-Weiss-Malerei und reisserische Szenen auskommende, mit eindrucksvollen Milieuschilderungen aufwartende Geschichte, in der kaum einer der Beteiligten eine weisse Weste hat.

Bibliografie:
'Criss-cross' (1934), 'Last Year's Snow' (1937), 'How Sleeps the Beast'(1937), 'The Cheat' (1951), 'Streets of Askelon' (auch unter dem Titel 'Strumpet City', 1951), 'Too Many Girls' (1958), 'No Trespassing' (1961), 'The Hated One' - 'Der grosse Hass' (1963), 'The Big Brass Ring' (1963), 'Bazzaris' (1965), 'The Last Boat out of Cincinnati' (1970), 'A Corpse Can Sure Louse up a Weekend' - 'Der Mord zum Sonntag' (1973), 'Honk if You've Found Jesus' (1974);
Giff Speer-Serie: 'Deadly to Bed' (1960), 'Naked She Died' (1962), 'Fun and Deadly Games' (1968), 'Look Down on her Dying' (1968), 'Pot of Trouble' (1971), 'Flats Fixed, Among Other Things' (1975), 'The Big X' (1976), 'Death Calling Collect' (1976), 'High, Wide & Ransom' (1976).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Traver, Robert

(Pseudonym für John D. Voelker, 1903-1991)

John D. Voelker, Nachkomme einer deutschen Einwandererfamilie, wurde als jüngster von sechs Söhnen einer Lehrerin und eines Barbesitzers in Ishpeming, Michigan, geboren, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Nach seinem Jurastudium, das er 1928 an der University of Michigan Law School abschloss, praktizierte er kurze Zeit in Chicago und Ishpeming, bis er 1934 zum Oberstaatsanwalt von Marquette County, Michigan, gewählt wurde. Er übte dieses Amt vierzehn Jahre aus, und zwar höchst erfolgreich, verlor er doch in den letzten zehn Jahren seiner Karriere nur einen einzigen Fall. 1957 ernannte man ihn zum Oberrichter am Michigan Supreme Court, zwei Jahre später gab er die Jurisprudenz zugunsten des Schreibens (in den Wintermonaten) und des Fischens (in den wärmeren Jahreszeiten) auf.

Robert Traver verfasste Essays, Kurzgeschichten, drei Bücher über das Fischen und fünf Romane, unter ihnen das umfangreiche, auf einem authentischen Kriminalfall basierende Gerichtsdrama 'Anatomie eines Mordes' aus dem Jahr 1958, sein weitaus bekanntestes (von Otto Preminger mit James Stewart in der Hauptrolle verfilmtes) Werk, und der historische Justizroman 'Siberfisch', auch er eine lohnende Lektüre.

In 'Anatomie eines Mordes' übernehmen Paul "Polly" Biegler und Parnell McCarthy, zwei eng miteinander befreundete, in einer ländlichen Gegend Michigans ansässige Provinzanwälte, die schon bessere Zeiten erlebt haben, die Verteidigung des unberechenbaren Hitzkopfs Oberleutnant Frederic Manion - Kriegsheld im Zweiten Weltkrieg und in Korea -, der die angebliche Vergewaltigung seiner Frau Laura auf drastische Weise gerächt hat: Mit der Ermordung des Täters, des Hoteliers Barney Quill. Ein ungemein schwieriger, ja fast aussichtsloser Fall, es droht die Todesstrafe, sofern das Gericht den Angeklagten nicht für unzurechnungsfähig erklärt. Doch Biegler legt sich mächtig ins Zeug, zieht alle Register seiner juristischen und rhetorischen Fähigkeiten, steuert bereits auf einen hauchdünnen Sieg zu, als die Staatsanwaltschaft in letzter Minute einen neuen Zeugen ins Feld führt, der Manions Schicksal endgültig zu besiegeln scheint. Geschickte Handlungsführung, realistisch wirkende Gerichtsszenen und plastische Zeichnung der Charaktere machen 'Anatomie eines Mordes' zu einem Meilenstein der amerikanischen Justizkrimi-Literatur.

'Silberfisch' spielt ebenfalls in Michigan, aber viel früher, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, kurz nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg, und auch dieser Krimi gründet auf historisch verbürgten Geschehnissen. Die Chippewa-Indianerin Charlotte alias Laughing Whitefish, eine schöne, idealistische Lehrerin an einer Missionsschule für Indianer in Marquette, beauftragt den jungen Anwalt William Poe, einen Neuzuzüger mit eigener Kanzlei, ihrem gebeutelten Volk zu seinem Recht zu verhelfen. Ihr in Armut gestorbener Vater Marji führte vor langer Zeit weisse Prospektoren zu einer ergiebigen Eisenerzmine und wurde dann um seinen Anteil geprellt. Poe soll das Geld jetzt für die eben volljährig gewordene Charlotte, Marjis einzigen überlebenden Nachkommen, vor Gericht erstreiten - die reiche und mächtige Jackson Ore Company ist seine Gegnerin, vertreten durch Henry Harwood, den prominentesten Juristen des Berzirks, und vor allem den trickreichen Guy Nesbitt aus New York City. Im Verlauf der detailreich beschriebenen, viel Licht auf das Brauchtum und die desolate Situation der amerikanischen Ureinwohner werfenden Gerichtsverhandlung entwickelt sich eine tiefe Liebesbeziehung zwischen Poe und seiner Klientin.

1989 gründete der Autor die John D. Voelker Fondation, die sich für die Rechte und Ausbildung der in Michigan ansässigen Indianer engagiert. Während einer Autofahrt in der Nähe seines Hauses in Ishpeming erlag er 87-jährig einem Herzanfall. Er hinterliess seine Frau Grace, mit der er über fünfzig Jahre verheiratet war, und seine drei Töchter.

Bibliografie:
'Anatomy of a Murder' - 'Anatomie eines Mordes' (1958), 'Hornstein's Boy' - 'Hornsteins Boy' (1962), 'Laughing Whitefish' - 'Silberfisch' (1965), 'People Versus Kirk' (1982).

++ Erstellt: August 2011 ++  


Treat, Lawrence

(Pseudonym für Lawrence Arthur Goldstone, 1903-1998)

Lawrence Treat kam in New York City zur Welt. Er studierte bis 1924 Jura am Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, und machte seinen Abschluss 1927 an der Columbia University School of Law in New York. Danach war er als Rechtsanwalt tätig. Als seine Kanzlei bereits nach drei Monaten Konkurs ging, zog er nach Paris, wo er Gelegenheitsjobs verrichtete, sich als Lyriker versuchte und erste Stories und Bilderrätsel zu Papier brachte. Ein alter Freund beherbergte ihn später gratis in seinem Haus in der Bretagne - Treat hatte nun mehr Zeit für das Schreiben und debütierte 1937 (unter seinem bürgerlichen Namen Lawrence A. Goldstone) mit dem Krimi ‚Run Far, Run Fast'. Zurück in den Vereinigten Staaten entschloss er sich für eine professionelle Schriftsteller-Karriere - und begründete 1945 mit 'V as in Victim', dem ersten Band der Mitch Taylor & Jub Freeman-Reihe, das Genre der Police-Procedural-Novel. In den folgenden fünfzig Jahren veröffentlichte er weitere 15 Romane, über 300 Kurzgeschichten, mehrere Bände mit kriminalistischen Bilderrätseln und das Sachbuch 'Mystery Writers' Handbook'.

Treats bedeutendste Protagonisten sind Detective Mitch Taylor und sein Freund und Sidecick, der Forensiker Jub Freeman, beide von der New Yorker Mordkommission, und auch ihr direkter Vorgesetzter Lieutenant Bill Decker kommt regelmässig zum Zuge. Doch selbst wenn die Polizeiarbeit recht präzis und detailreich beschrieben wird, kann die zehnbändige Reihe nur bedingt dem Polizeiroman McBain'scher Prägung zugerechnet werden - einerseits beteiligen sich auch die von dem Kriminalfall unmittelbar betroffenen Personen (meistens auf eigene Faust) an den Ermittlungen, andererseit gehorcht die Auflösung der Verbrechen in der Regel den Gesetzen des klassischen Whodunits.

Mitch wird im Fortgang der Reihe nach ein paar bösen Schnitzern degradiert und versetzt, schliesslich (in 'Big Shot') wegen Amtsmissbrauchs gar gefeuert - und wagt dann als verheirateter Vater von zwei Kindern einen Neuanfang in einer namenlosen Kleinstadt. Er ist kein besonders brillanter und auch nicht gerade arbeitswütiger, dafür aber ein schlauer Polizist, der seine Verhöre recht geschickt zu führen versteht.

Held eines nicht ins Deutsche übersetzten Vierteilers ist Carl Wayward, ein auf Kriminologie spezialisierter, aus seine Intuitionen bauender Psychologie-Professor Mitte dreissig, der im Verlauf der Serie heiratet.

Neben seiner Schriftstellerei war Treat Gastdozent für Krimischreiben an der Columbia University, der New York University, dem Adelphi College auf Long Island und an verschiedenen Schulen in New York und Massachusetts. Nach einem längeren Aufenthalt im ländlichen Ort Yorktown Heights, New York State, liess er sich 1972 mit seiner Frau Rose Ehrenfreund, einer Künstlerin mit tschechischen Wurzeln, auf Marta's Vineyard, Massachusetts, nieder. Er starb dort 94-jährig in einem Krankenhaus in Oak Bluffs.

Bibliografie:
Carl Wayward-Serie: 'B as in Banshee' (auch unter dem Titel 'Wal for the Corpses', 1940) 'D as in Dead' (1941), 'H as in Hangman' (1942), 'O as in Omen' (1943).
Mitch Taylor & Jub Freeman-Serie: 'V as in Victim' (1945), 'H as in Hunted' (1946), 'Q as in Quicksand' (auch unter dem Titel 'Step into Quicksand', 1947), 'T as in Trapped' - 'M wie Mord' (1947), 'Mitten ins Herz' - 'F as in Flight' (1948), 'Over the Edge' - 'Sturz in den Abgrund' (1948), 'Big Shot' (1951), 'Weep for a Wanton' - 'Hochzeit oder Leichenschmaus' (1956), 'Lady, Drop Dead' (1960).
'The Leather Man' (1944), 'Trial and Terror' (1949), 'Venus Unarmed' (1961).
Als Lawrence Goldstone: 'Run Far, Run Fast' (1937).

++ Erstellt: September 2011 ++  


Trevanian

(Pseudonym für William Rodney "Rod" Whitaker, 1931-2005; schrieb auch als Benat Le Cagot, Jean-Paul Morin, Edoard Moran und Nicholas Seare)

Trevanians bürgerlicher Name, über den jahrelang gerätselt wurde (die Spekulationen reichten von Robert Ludlum und Ian Fleming bis Tom Wolfe und Thomas Pynchon!), und der dem Vernehmen nach erst 1998 gelüftet wurde, lautet William Rodney Whitaker, die Angaben zum Lebenslauf des Autors sind jedoch mit grosser Vorsicht zu geniessen.

Whitaker kam in Granville, New York State, zur Welt und wuchs in bescheidenen Verhältnissen in der Nähe von Montréal auf, später in Albany, New York State. In der Zeit des Koreakrieges diente er vier Jahre bei der US-Navy. Es folgte ein Aufenthalt in Seattle, wo er an der University of Washington Drama studierte (Bachelor 1959, Master 1960). Während des Studiums verfasste er den Dreiakter 'Eve of the Bursting', und in diese Zeit fiel auch seine Heirat mit der Kunstmalerin Diane Brandon. 1966 wurde er in den Fächern Kommunikationswissenschaften und Film an der Northwestern University in Evanston, Illinois, promoviert.

Von 1963 bis 1966 lehrte Whitaker Drama am lutheranischen Dana College in Blair, Nebraska, danach nahm er eine ausserordentliche Professur an der Abteilung Film der University of Texas in Austin wahr. Später unterrichtete er einige Semester an der Buknell University in Lewisburg, Pennsylvania. Tief enttäuscht, ja angewidert von der amerikanischen Politik, Kultur und konsumorientierten Lebensweise, verliess er seine Heimat Ende der 70er-Jahre und liess sich mit seiner Familie in einem kleinen Dorf auf der französischen Seite der Pyrenäen nieder.

Unter seinem bekanntesten Pseudonym Trevanian begann Whitaker zu Beginn der 70er-Jahre seine schriftstellerische Laufbahn mit den beiden das Genre auf die Spitze treibenden Spionageromanen 'Im Auftrag des Drachen' (unter dem Titel 'The Eiger Sanction' von und mit Clint Eastwood verfilmt) und 'Der Experte' (die Geschichte eines genialen Kunstraubs, der später von Gangstern in Italien haargenau kopiert wurde). Im Mittelpunkt steht jeweils Dr. Jonathan Hemlock, ein auf Long Island in einer renovierten gotischen Kirche lebender Kunstgeschichts-Professor, Fachbuchautor, Sammler wertvoller (auf illegalem Weg erworbener) Gemälde, raffinierter Verführer schöner Frauen und international bekannter Bergsteiger, der von der fiktiven, durch den monströsen Albino Yurasis Dragon geleiteten Geheimorganisation CII gelegentlich mit gut dotierten "nassen Arbeiten" und "Strafaktionen" betraut wird.

Im Jahre 1976 liess Trevanian den im "Scherbenviertel" Main der damaligen Olympiastadt Montreal angesiedelten Police Procedural 'Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit' folgen, mit Claude Lapointe, einem erfahrenen, sozial engagierten Cop und glänzenden Menschenkenner als Hauptfigur. Der internationale Durchbruch gelang Trevanian 1979 mit 'Shibumi', und auch das 1914 spielende Melodrama 'Katya' aus dem Jahr 1983 verkaufte sich gut.

'Shibumi' ist die Geschichte des Nikolai Hel, des höchst bezahlten Auftragskillers der Welt - auch wenn er erst kurz nach der Hälfte des Buches erstmals in Natura auftritt. Geboren Anfang der 20er-Jahre in einem von Nachkriegswirren geprägten Shanghai als Spross einer russischen Aristokratin und eines mysteriösen deutschen Vaters, der kurz nach der Geburt seines Sohnes das Weite sucht, wächst er nach dem Tod der Mutter in einem kultivierten und angesehenen japanischen Umfeld auf - und erlernt dort nicht nur das Strategiespiel Go, sondern auch die Kunst des unauffälligen Tötens mit Hilfe alltäglicher Gegenstände, etwa eines Bleistifts, eines Kamms oder eines Trinkstrohhalms. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wird der staatenlose Protagonist der Spionage für die Sowjets bezichtigt und von den Amerikanern drei Jahre in Isolationshaft gesteckt, bis ihn die CIA als Hitman rekrutiert - sein erster Auftrag führt ihn nach Peking. In den folgenden zwei Dezennien steht Hel im Sold von Regierungen und Geheimdiensten fast jeder Couleur - und kassiert pro Auftrag die schöne Summe von 250'000 Dollar.

Dreissig Jahre später (zu Beginn von 'Shibumi') lebt Nikolai Hel mit seiner japanischen Geliebten Hana und seinem besten Freund, dem ehemaligen ETA-Mann Benat Le Cagot, in einem Schlösschen im französischen Baskenland und geniesst den Ruhestand, indem er sich seinem wunderschönen japanischen Steingarten, der Höhlenforschung, erfüllenden sexuellen Begegungen und der Suche nach einem tiefen inneren Frieden widmet. Doch dann, nach einem gründlich missratenen Attentat in Rom, das einer seiner einstigen Mitstreiter geplant und durchgeführt hat, wird Hel von seiner Vergangenheit eingeholt.

Mehr sei hier nicht verraten über die Handlung dieses (in sechs den Phasen eines Go-Spiels entsprechenden Hauptkapitel unterteilten, fast ganz ohne Actionszenen auskommenden) Spionageroman, den zwei deutsche Krimiexperten höchst gegensätzlich beurteilt haben - Martin Compart bezeichnete 'Shibumi' als atemberaubenden und komplexen Jahrhundertthriller, Thomas Wörtche hingegen als ein Beispiel für ungünstig gebaute, streckenweise langweilige, unfreiwillig komische Trivialliteratur. Vielleicht kann man 'Shibumi' aber einfach als stilistisch brillante, höchst vergnügliche, das Genre auf die Schippe nehmende Agentengeschichte geniessen, in der die Amerikaner ihr Fett abbekommen, dass es eine Art hat.
Im Jahr 2011 veröffentlichte Don Winslow mit 'Satori' eine Art Prequel zu 'Shibumi'.

Neben seinen Spannungsromanen verfasste der äusserst medienscheue Autor Sachbücher zu den Themen Theologie, Recht, Ästhetik und Film, zwei ironische Mittelalterromane, den Erzählband 'Hot Night in the City' sowie den autobiografisch geprägten Roman 'The Crazyladies of Pearl Street', sein letztes, 2005 publiziertes Werk.

Whitaker erlag 74-jährig an seinem letzten Wohnsitz im englischen West Country einer langwierigen Lungenkrankheit und hinterliess seine Frau Diane, seine Söhne Lance und Christian und seine Töchter Alexandra (sie ist ebenfalls Schriftstellerin und betreut die Homepage ihres Vaters) und Tomasin.

Bibliografie:
Jonathan Hemlock-Romane: 'The Eiger Sanction' - 'Im Auftrag des Drachen' (1972), 'The Loo Sanction' - 'Der Experte' (1973);
'The Main' - 'Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit' (1976), 'Shibumi' - 'Shibumi' (auch unter dem Titel 'Shibumi oder Der leise Tod', 1979), 'The Summer of Katya' - 'Katya' (1983), 'Incident at Twenty-Mile' (1998).

++ Erstellt: Mai 2014 ++  


Tripp, Miles Barton

(1923-2000; schrieb auch als Michael Brett und John Michael Brett)

Miles Barton Tripp kam in der ländlichen Ortschaft Ganwick Corner in der südenglischen Grafschaft Hertfordshire zur Welt. Im Zweiten Weltkrieg diente er als Bomber bei der Royal Air Force. Nach Abschluss des Jurastudiums war er von 1950 bis 1952 als Anwalt in Stamford, Lincolnshire, tätig, anschliessend lange Jahre in der Rechtsabteilung des britischen Wohltätigkeitsausschusses. In seiner Freizeit verfasste er Kriminalromane und -geschichten, Theaterstücke sowie die Kriegserinnerungen 'The Eighth Passage'. Ab 1983 betrieb er das Schreiben im Hauptberuf. Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Hertfordshire.

Tripp veröffentlichte zwischen 1963 und 1994 knapp vierzig Krimis, darunter die 14-bändige Serie um John Samson, den bestbezahlten Privatdetektiv von London, die auf Deutsch nicht vorliegende, unter den Pseudonymen Michael Brett und John Michael Brett erschienene Trilogie um Hugo Baron, der als Killer für die britische Organisation "Diecast" ins Feld zieht, sowie das Einzelwerk 'Duell zu dritt', sein bekanntestes Buch.
(Nicht verwechseln sollte man Tripp/Brett mit dem amerikanischen Krimiautor Michael Brett, dem Erfinder des Privatdetektivs Pete McGrath - ein Fehler, der den Autoren des Standardwerks 'Private Eyes: 101 Knights' unterlaufen ist.)

'Duell zu dritt', ein psychologisch ausgefeiltes Kammerspiel mit scharf skizziertem Personal, erzählt von vier in Kairo lebenden Menschen - dem englischen Weltenbummler, Spieler und Säufer Foster Smith, dem charismatischen, geschäftstüchtigen armenisch-libanesischen Intriganten Haik und dem kinderlosen französischen Ehepaar Philippe und Hélène Cormandot, das sich etwas auseinander gelebt hat. Die gegensätzlichen Freunde verbringen ihre Wochenenden oft gemeinsam an einer kleinen, einsamen Bucht am Roten Meer, um ein wenig auszuspannen und ein paar Fische zu fangen - doch im Grunde haben sie sich nicht mehr viel zu sagen. Als Foster Smith eines Morgens am Strand über die angespülte Leiche einer gewaltsam ums Leben gekommenen Frau stolpert (Foster und Haik sind sich völlig sicher, dass es sich beim Opfer um die kurz zuvor verschwundene Hélène handelt!), geraten sich die drei Männer in die Haare - Eifersucht, gegenseitiger Mordverdacht und Hass vergiften das Klima. Es kommt zur Katastrophe, an der auch die quicklebendig wieder aufgetauchte Hélène teilhat.

John Samson, ein fetter, schlecht gekleideter, stets drei Uhren tragender Mann mit schläfrigem Blick, winzigen Zähnen und ungehobelten Manieren, ist ein ungemein fähiger, ausgezeichnet vernetzter Detektiv, der stets etwas im Hintergrund verharrt und lustvoll seine Fäden spinnt. Im Zentrum der Romane steht jeweils eine direkt von einer Intrige oder einem Verbrechen betroffene Figur. Im vierten Band 'Todesküsse aus Warschau' - einer verführerischen Mischung aus Spionagegeschichte und Beziehungsdrama - ist es der medizinische Journalist John Freeman aus London, ein etwas weltfremder Mann, dessen Ehe am zerbröckeln ist. Während eines Kongresses in Warschau lernt er die schöne, mit einem dissidenten, im amerikanischen Exil lebenden Juraprofessor verheiratete Ärztin Anna Wilczek kennen und hat Sex mit ihr. Als Anna kurz danach ins Visier der polnischen Behörden gerät, bittet sie Freeman, ihr zur Flucht in den Westen zu verhelfen. Eher widerwillig lässt sich Freeman schliesslich darauf ein, eine turbulente und gefährliche Reise nimmt ihren Lauf - mit einem verdienten Happy End für den Protagonisten.

Bibliografie:
'Faith Is a Windsock' (1952), 'The Image of Man' (1955), 'A Glass of Red Wine' (1960), 'Kilo Forty' (auch unter dem Titel 'Death Is Catching') - 'Duell zu dritt' (1963), 'The Skin Dealer' (1964), 'A Quarter of Three' (1965), 'The Chicken' (1966), 'Fifth Point of the Compass' (1967), 'One Is One' - 'Der Schatten des dritten Mannes' (1968), 'Malice and the Maternal Intinct' (1969), 'Man Without Friends' - 'Mord stand nicht im Horoskop' (1970), 'Five Minutes with a Stranger' - 'Fünf Minuten mit einem Fremden' (1971), 'Claws of God' (1972), 'Woman at Risk' - 'Tote Ladies küssen nicht' (1974), 'Going Solo' - 'Alleingang durch die Hölle' (1981), 'A Charmed Death' (1984), 'The Dimensions of Deceit' (1993), 'A Woman of Conscience' (1994), 'Extreme Provocation' (1995), 'The Suitcase Killings' (1997);
John Samson-Serie: 'Obsession' (1973), 'Woman in Bed' (1978), 'The Once a Year Man' - 'Jeder Schuss ein Agent' (1978), 'The Wife Smuggler' - 'Todesküsse aus Warschau' (auch unter dem Titel 'Das letzte As', 1978), 'Cruel Victim' (1979), 'High Heels' - 'Requiem in Marseille' (1980), 'One Lover Too Many' (1983), 'Some Predators Are Male' (1985), 'Death of Man Tamer' (1987), 'The Frightened Wife' (1987), 'The Cords of Vanity' (1990), 'Video Vengeance' (1990), 'Samson and the Greek Delilah' (1995), 'Deadley Ordeal' (1999).
Als Michael Brett bzw. John Michael Brett: Hugo Baron-Trilogie: 'Diecast' (1963), 'A Plague of Dragons' (1965), 'A Cargo of Spent Evil' (1966).

++ Erstellt: März 2011 ++
++ Update: Mai 2011 ++
++ Update: August 2011 ++
 


Turèll, Dan

(1946-1993)

Dan Turèll, auch bekannt als "Onkel Danny", aufgewachsen im Kopenhagener Vorort Vangede, ist in seiner Heimat bis heute, viele Jahre nach seinem frühen Krebstod, eine Kultfigur - ein bekanntes Kopenhagener Lokal trägt seinen Namen (Café Dan Turèll), und 2007 wurde ihm zu Ehren in Vangede ein Platz Dan Turèlls Plads benannt. Weltenbummler, Lyriker, Journalist, Entertainer, Rockmusiker, Cartoonist, Avantgarde-Autor (seine experimentelle Prosa sorgte Anfang der 70er-Jahre für Aufsehen) - Turèll war ein ungemein produktiver und vielseitiger, von der amerikanischen Beat Generation um Allen Ginsberg, Jack Kerouac und William S. Burroughs beeinflusster Mann.

Seine von 1981 bis 1990 herausgekommene, aus zehn Romanen und zwei Erzählbänden ('Mord pa montvaskeriet', 1986, und 'Mord pa markedet', 1989) bestehende Krimireihe, die so genannte Mord-Serie (jeder Titel beginnt mit dem Wort Mord), brachte Dan Turèll den literarischen Durchbruch. Im Mittelpunkt stehen der unbenannt bleibende Ich-Erzähler - kiffender, versoffener Ex-Musiker, abgebrühter Kriminalreporter für ein Boulevardblatt und andauernd über Leichen stolpernder Privatschnüffler, der eine Liebesbeziehung zu der Anwältin Gitte Bristol aufbaut, Vater eines Sohnes wird und seine Geliebte im letzten Roman 'Mord in San Francisco' sogar heiratet - und sein bärbeissiger, durch einen wild wuchernden Bart auffallender Kumpel Inspektor Ehlers von der Kriminalpolizei.

Dan Turèll erzählt seine von einer melancholischen Stimmung durchwehten, fast ausschliesslich in dem rauen Kopenhagener Stadtteil Vesterbro (die drei Ausnahmen - Rodby, ein kleiner Ort auf der Insel Lolland, Malta und San Francisco - sind aus den Titeln ersichtlich) angesiedelten Geschichten mit lässigem Witz, Liebe zum Detail und schwarzem Humor, während die Kriminalhandlung nicht immer den Gesetzen der Logik folgt.

Bibliografie:
Mord-Serie: 'Mord i morket' - 'Mord im Dunkeln' (1981), 'Mord i Rodby' - 'Mord in Rodby' (1981), 'Mord pa Malta' - 'Mord auf Malta' (auch unter dem Titel 'Tod in Malta', 1982), 'Mord ved Runddellen' - 'Mord am Rondell' (1983), 'Mord i marts' - 'Mord im März' (1984), 'Mord i september' - 'Mord im Herbst' (1984), 'Mord i myldretiden' - 'Mord in der Dämmerung' (1985), 'Mord i rendestenen' - 'Mord im Strassengraben' (1987), 'Mord pa medierne' - 'Mord in Vesterbro' (1988), 'Mord i San Francisco' - 'Mord in San Francisco' (1990).

++ Erstellt: Januar 2015 ++  



 

Uhnak, Dorothy

(1930-2006)

Dorothy Uhnak, geborene Goldstein, kam in der New Yorker Bronx auf die Welt und wuchs auch dort auf. Ihr Vater war ein Filmvorführer, der hin und wieder für die Polizei arbeitete. Sie besuchte das City College in New York und arbeitete dann von 1953 bis 1967 (zwei Jahre als Officer und zwölf Jahre als Detective) bei der New York City Transit Police, zuletzt in der Sonderabteilung des District Attorney. Anschliessend schloss sie ihr Studium am John Jay College of Criminal Justice, New York, ab. Drei Jahre vor ihrem Ausscheiden aus dem Polizeidienst gab sie ihr erstes, autobiografisch geprägtes Buch 'Policewoman' heraus. 1968 debütierte sie als Krimiautorin.

Detective Christie Opara, 26-jährig, verwitwet (ihr Mann Mike, ein NYPD-Cop, wurde vor fünf Jahren von jugendlichen Rauschgiftsüchtigen umgebracht), Mutter eines kleinen Sohnes, das einzige weibliche Mitglied der 17-köpfigen Sonderabteilung des Staatsanwaltschaft Manhattan, steht im Mittelpunkt eines Trilogie, die aufgrund der geschickten Handlungsführung, der intelligenten Behandlung von Themen wie Rassenunruhen und organisierte Kriminalität, der plastischen Figurenzeichnung und der schnörkellos-realistischen Darstellung von Polizeiarbeit unter die bedeutendsten Beiträge zum Police-Procedural-Genre eingereiht wird.

Dorothy Uhnaks erfolgreichstes Buch 'Gesetz und Ordnung' gilt als Meilenstein des amerikanischen Polizeiromans. Die Autorin zeichnet darin das Schicksal dreier Generationen der stolzen irisch-stämmigen Familie O'Malley in einer namenlos bleibenden amerikanischen Grossstadt. Die O'Malleys sind Polizisten. Der alte, rücksichtslos seine Macht ausübende Patriarch Sergeant Brian O'Malley, der im Dienst von einer Prostituierten getötet wird; sein aufbrausender Sohn Brian, der es bis ganz nach oben schafft, derweil seine Familie zerbricht; und sein Enkel Patrick, ein Vietnamveteran, der ein ehrlicher Cop werden will. Die Autorin schildert den schwierigen Alltag der Polizeibeamten in all seinen Facetten, gibt darüber hinaus aber auch den Frauen eine Stimme - den Frauen, die in ständiger Angst um ihre Männer und Söhne leben.

Im Jahr 1977 folgte der düstere Roman 'Das Geständnis', in dem der Ich-Erzähler Joe Peters, ein kurz vor der Pensionierung stehender NYPD-Detective, mit der Ermittlung des Falles Kitty Keeler betraut wird: Hat Kitty ihre beiden kleinen Kinder tatsächlich getötet?

Zwischen 1981 und 1997 publizierte Uhnak vier weitere Romane, die nicht auf Deutsch vorliegen. Im Juli 2006 schied sie in Greenpoint, New York City, freiwillig aus dem Leben. Sie hinterliess ihren Ehemann Anthony, ihre Tochter Tracy und ihre Schwester Mildred.

Bibliografie:
Christie Opara-Trilogie: 'The Bait' - 'Mädchenmord mit Voranmeldung' (1968), 'The Witness' - 'Die hartnäckige Zeugin' (1969), 'The Ledger' - 'Was zu beweisen war...' (1970);
'Law and Order' - 'Gesetz und Ordnung' (auch unter dem Titel 'Denn sie fürchten sich nicht', 1973), 'The Investigation' - 'Das Geständnis' (auch unter dem Titel 'Ein abgekartetes Spiel', 1977), 'False Witness' (1981), 'Victims' (1985), 'The Ryer Avenue Story' (1993), 'Codes of Betrayal' (1997).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Ümit, Ahmet

(*1960)

Am 12. September 1980 kommt in der Türkei eine Militärjunta an die Macht, verhängt den Ausnahmezustand im ganzen Land, löst alle unabhängigen Parteien und Organisationen auf, beschneidet die Pressefreiheit - Polizeikontrollen, Razzien, willkürliche Verhaftungen, Folterungen und Hinrichtungen sind fortan an der Tagesordnung.

Diese finstere Zeit thematisiert Ahmet Ümit in 'Nacht und Nebel', einer faszinierenden Mischung aus Politroman und psychologischer Studie. Ich-Erzähler Sedat, liebevoller Familienvater und gleichzeitig Mitarbeiter des berüchtigten türkischen Geheimdienstes, ist angeschossen worden. Einer der beiden Attentäter ist flüchtig, aber auch die Kunststudentin Mine, mit der Sedat eine Affäre hatte, ist seit der Schiesserei spurlos verschwunden. Nach längerem Spitalaufenthalt macht sich Sedat auf die Suche nach dem Schützen und nach Mine - eine Suche, die ihn mit seiner eigenen Schuld, seiner Lebenslüge konfrontiert.

Ahmet Ümit kam in der südostanatolischen Provinzstadt Gaziantep zur Welt und schloss das Studium der Verwaltungslehre 1983 an der Marmara Universität in Istanbul ab. Von 1974 bis 1989 war er aktives Mitglied der Türkischen Kommunistischen Partei. Während der Militärdiktatur beteiligte er sich an Untergrundaktionen für die Demokratisierung des Landes. 1985/85 studierte er illegal an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften in Moskau. 1989 bis 1998 arbeitete er in einer Werbeagentur in Istanbul. Seit 1980 mit Vildan Ümit verheiratet, hat er eine erwachsene Tochter namens Gül. Er ist seit vielen Jahren Kulturberater am Goethe-Institut in Istanbul.

Neben all dem ist Ahmet Ümit seit 1983 als Schriftsteller tätig. Sein Werk enthält Erzählungen, Gedichte, Essays (unter anderem über Dostojewski, Kafka, Highsmith und Poe), Fernsehdrehbücher, ein Märchen und Comics, vor allem aber Spannungsromane, die zum Teil verfilmt wurden. Er gilt als Begründer des modernen türkischen Kriminalromans mit literarischem Anspruch.

Bibliografie (nur auf Deutsch erschienene Werke):
'Sis ve Gece' - 'Nacht und Nebel' (1996), 'Patasana' - 'Patasana' (2000), 'Seytan Ayrintida Gizlidir' - 'Der Teufel steckt im Detail - Kriminalgeschichten aus Istanbul' (2002).

++ Erstellt: Oktober 2016 ++  


Unsworth, Cathi

Cathi Unsworth (vermutlich 1968 geboren) begann ihre journalistische Laufbahn mit 19 Jahren, als sie am London College of Fashion studierte. Von 1987 bis 1991 arbeitete sie für die legendäre Musikwochenzeitschrift 'Sounds', anschliessend bis 1995 für den 'Melody Maker' und danach für andere Kulturmagazine wie 'Bizarre', 'Purr', 'Mojo', 'Uncut', 'Volume' und 'Deadline'. Geprägt durch Derek Raymonds rabenschwarze Factory-Romane, publizierte die "Queen of Noir" 2005 ihren ersten von bislang vier Krimis 'The Not Knowing' ('Die Ahnungslose'), ein Jahr später gab sie die Kurzgeschichtensammlung 'London Noir' heraus. Neben ihren Büchern verfasst sie Krimikritiken für 'The Guardian'. Sie lebt seit 1987 in West-London, wo auch ihre Bücher angesiedelt sind.

Unsworth Debütkrimi 'Die Ahnungslose' ist aus der Sicht der 26-jährigen Journalistin und Gothic-Anhängerin Diana Kemp erzählt, die zusammen mit Barry Hudson und Neil Bambridge seit kurzer Zeit das alternative Kultur-Magazin 'Lux' herausgibt. Die drei ungleichen Berufskollegen wittern ihre grosse Chance, als der aufstrebende Filmregisseur Jon Jackson einem bizarren Ritualmord zum Opfer fällt, sind sie doch im Besitz des letzten, kurz vor seinem Tod aufgenommenen Interviews. Parallel dazu folgen wir den Umständen, die zu dem Verbrechen geführt haben - und wohnen schliesslich der scheusslichen Tat bei. Ein weiterer Strang behandelt der aufkeimende Beziehung zwischem Diana und dem charismatischen, scheinbar aus dem Nichts aufgetauchten Krimiautor Simon Everill, der ihr ein exklusives Gespräch gewährt und dabei die erschütternden Hintergründe seines Buches zu Tage bringt. Im zweiten Teil des geschickt gebauten, mit unzähligen Details über die Londoner Subkulturszene aufwartenden Buches - der Leser weiss inzwischen, wer der Mörder ist - enthüllt die Autorin den trostlosen Lebenslauf des psychopathischen Killers.

Bibliografie:
'The Not Knowing' - 'Die Ahnungslosen' (2005), 'The Singer' (2007), 'Bad Penny Blues' (2009), 'Weirdo' - 'Opfer' (2012).

++ Erstellt: September 2012 ++
++ Update: März 2013 ++
 


Upfield, Arthur W.

(1888-1964)

Arthur W. Upfield (ursprünglich: William Arthur Upfield) wurde als Sohn eines wohlhabenden Textilkaufmanns in der südenglischen Hafenstadt Gosport, Hampshire, geboren und wuchs vorwiegend bei seinen Grosseltern auf. Nach der Schulzeit machte er eine Ausbildung im Immobiliengeschäft, bestand jedoch die Prüfungen nicht. Von seinem Vater daraufhin arg verunglimpft und als Nichtsnutz abgestempelt, wanderte er mit 21 Jahren nach Australien aus, trampte kreuz und quer durch das Hinterland, lernte die Kultur der Ureinwohner kennen und lieben und verdiente sich sein Brot als Pelztierjäger, Hirte, Koch, Goldgräber und Opalschürfer.

Den Ersten Weltkrieg verbrachte Upfield als Soldat der australischen Armee im türkischen Gallipoli, in Ägypten, England und Frankreich. 1915 heiratete er Anne Douglass, eine australische Militärkrankenschwester, die er während eines Spitalaufenthalts in Alexandria kennen gelernt hatte. Nach dem Krieg bezogen die beiden Wohnsitz in England. 1920 kam ihr einziges Kind James auf die Welt.

Nach einer frustrierenden Zeit als Privatsekretär eines britischen Armeeoffiziers übersiedelte Upfield endgültig nach Australien, bereiste auf eigene Faust das Outback und verrichtete verschiedene Jobs, unter anderem als Koch. 1931 liess er sich mit seiner Familie in Melbourne nieder und widmete sich nun hauptberuflich dem Schreiben von Krimis, Kurzgeschichten und von Artikeln für den 'Herald'. Im Zweiten Weltkrieg war er Zensor beim militärischen Geheimdienst.

1946 verliess Upfield seine Frau, um mit der Kriegswitwe Jessica Hawke zuerst in Melbourne, ab 1952 an der Südküste Victorias, ab 1954 in Bermagui, New South Wales, und schliesslich in Bowral, ebenfalls New South Wales, zusammenzuleben - die Ehe mit Anne wurde jedoch nicht geschieden.

Inspiriert von seinem Freund Leon Wood, einem australischen Mischling und Fährtenleser, der der Polizei in Queensland wertvolle Dienste leistete, verfasste Upfield von 1929 bis 1964 die 29-teilige Serie um Detective Inspector Napoleon "Bony" Bonaparte aus Banyo, einem Vorort von Brisbane, Queensland. Die mit zwei Ausnahmen im Outback spielenden Geschichten beziehen ihre Originalität aus den farbigen Schilderungen des ursprünglichen Australiens und dessen Bevölkerung und dem charismatischen Protagonisten Bony Bonaparte. Bony war der Sohn einer Aborigine, die zwei Wochen nach der Niederkunft getötet wurde, weil sie sich mit einem Weissen, Bonys unbekanntem Vater, eingelassen hatte; das Baby, das man neben der Leiche seiner Mutter fand, kam auf eine Missionsstation, wo es von Schwestern gross gezogen wurde und zu seinem ungewöhnlichen Namen kam, als es an einer Napoleon-Biografie knabberte.

Nach seinem glanzvollen Hochschulabschluss an der University of Queensland wandte sich Bony als glücklich verheirateter Vater von drei Söhnen dem Polizeidienst zu. Der selbstbewusste und hochintelligente, aber auch instinktsichere, mit einer Engelsgeduld gesegnete Ermittler und exzellente Spurenleser kommt - in jedem Buch an einem anderen Ort und oft verdeckt ermittelnd - immer dann zum Zuge, wenn die örtliche Polizei nicht mehr weiter weiss - kein einziger seiner Fälle blieb unaufgeklärt. 'Ein glücklicher Zufall' aus dem Jahr 1931 und die Mitte der 50er erschienenen Krimis 'Der sterbende See', 'Der schwarze Brunnen' und 'Bony kauft eine Frau' sind die herausragenden Bände der Serie.

Upfields letzter Roman 'Gefahr für Bony' wurde von J.L. Price und Dorothy Stange vollendet. Zwei seiner sechs Einzelwerke erschienen erst über 50 Jahre nach ihrer Niederschrift (1987 bzw. 1996). Im Jahr 1957 gab Upfields Lebensgefährtin Jessica Hawke eine mit 'Follow my Dust!' betitelte Biografie des Autors heraus, zu der kein Geringerer als Police Inspector Bony Bonaparte das Vorwort beisteuerte. Arthur Upfield starb 75-jährig in Bowral, Jessica folgte ihm ein Jahr später.

Bibliografie:
Bony Bonaparte-Serie: 'The Barrakee Mystery' (auch unter dem Titel 'The Lure of the Bush') - 'Bony und der Bumerang' (1929), 'The Sands of Windee' - 'Ein glücklicher Zufall' (1931), 'Winds Above the Diamantina' (auch unter den Titeln ‚Winged Mystery' und 'Wings above the Claypan') - 'Das rote Flugzeug' (1936), 'Mr. Jelly's Business' (auch unter dem Titel 'Murder Down Under') - 'Mr. Jellys Geheimnis' (1937), 'Winds of Evil' - 'Bony stellt eine Falle' (1937), 'The Bone is Pointed' - 'Todeszauber' (1938), 'The Mystery of the Swordfish Reef' - 'Der Kopf im Netz' (1939), 'Bushranger of the Skies' (auch unter dem Titel 'No Footprints in the Bush') - 'Bony und die Todesotter' (1940), 'Death of a Swagman' - 'Bony wird verhaftet' (1945), 'The Devil's Steps' - 'Der Pfad des Teufels' (1946), 'An Author Bites the Dust' - 'Die Leute von nebenan' (1948), 'The Mountains have a Secret' - 'Tödlicher Kult' (1948), 'The Bachelors of Broken Hill' - 'Die Junggesellen von Broken Hill' (1950), 'The Widows of Broome' - 'Die Witwen von Broome' (1950), 'The New Shoe' (auch unter dem Titel 'The Clue of the New Shoe') - 'Der neue Schuh' (1951), 'Venom House' - 'Die Giftvilla' (1952), 'Murder Must Wait' - 'Viermal bei Neumond (1953), 'Death of a Lake' - 'Der sterbende See' (1954), 'Sinister Stones' (auch unter dem Titel 'The Cake in the Hat Box') - 'Der schwarze Brunnen' (1954), 'The Battling Prophet' - 'Der streitbare Prophet' (1956), 'Man of Two Tribes' - 'Höhle des Schweigens' (1956), 'Bony Buys a Woman' (auch unter dem Titel 'The Bushman who Came Back') - 'Bony kauft eine Frau' (1957), 'Bony and the Mouse' (auch unter dem Titel 'Journey to the Hangman') - 'Bony und die Maus' (1959), 'Bony and the Black Virgin' (auch unter dem Titel 'The Torn Branch') - 'Bony und die schwarze Jungfrau' (1959), 'Bony and the Kelly Gang' (auch unter dem Titel 'Valley of Smugglers') - 'Fremde sind unerwünscht' (1960), 'Bony and the White Savage' (auch unter dem Titel 'The White Savage') - 'Bony und die weisse Wilde' (1961), 'The Will of the Tribe' - 'Wer war der zweite Mann?' (1962), 'Madman's Bend' (auch unter dem Titel 'The Body of Madman's Bend') - 'Bony übernimmt den Fall' (1963), 'The Lake Frome Monster' - 'Gefahr für Bony' (auch unter dem Titel 'Bony in Gefahr', 1966);
Einzelwerke: 'The House of Cain' (1928), 'The Beach of Atonement' (1930), 'A Royal Abduction' (1932), 'Gripped by Drought' (1932), 'The Murchison Murders' (1934), 'Breakaway House' (1987), 'The Great Melbourne Cup Mystery' (1996).

++ Erstellt: Dezember 2010 ++  



 

Valin, Jonathan

(*1948)

Jonathan Valin kam in Cincinnati, Ohio, als Sohn des Psychologen Sigmund (!) Valin und der Grundschullehrerin Marcella Valin, geborene Fink, zur Welt und wuchs in Pittstown, Pennsylvania, und auf Hawaii an der Seite seiner Schwester Julie auf. Er besuchte die Walnut Hills High School in seiner Geburtsstadt und studierte anschliessend Englische Literatur an der University of Cincinnati und der University of Chicago. 1977 wurde er an der Washington University in St. Louis promoviert. Nach dem Studium war er fünf Jahre als Englischprofessor tätig, zuerst an der University of Cincinnati, dann an der Washington University in St. Louis, bis er 1979, inspiriert durch Raymond Chandlers und Ross Macdonalds Detektivromane, das Krimischreiben zu seinem Hauptberuf machte.

Von 1980 bis 1995 veröffentlichte Jonathan Valin elf sauber konstruierte, mit farbigen Personenschilderungen und authentisch wirkenden Dialogen geschmückte Krimis, in denen der Vietnamveteran Harry Stoner, ein gross gewachsener, muskelbepackter, etwas heruntergekommener Einzelgänger mit hohem Moralkodex und geschliffenem Mundwerk, nach einigen Jahren als Mitarbeiter der Pinkerton-Agentur und der Staatsanwaltschaft jetzt als ich-erzählender Privatermittler in Cincinnati auf Achse ist, wobei er es (wie sein Vorbild Lew Archer) zumeist mit dunklen Familienaffären zu tun bekommt, denen er mit viel Engagement und Feingefühl auf den Grund geht.

Zu Beginn der Reihe 36-jährig, danach in Echtzeit alternd, lebt Stoner in einer schäbigen 2½-Zimmer-Wohnung im Stadtteil Clifton, hört ständig klassische Musik, fährt einen verrosteten Pinto und trinkt am liebsten Scotch, zur Not auch Bourbon. Wie jeder gute Privatdetektiv hat auch er einen guten Kumpel bei der Polizei - den routinierten Detective Sergeant Sid McMasters. Seine detailreich beschriebenen Frauenbeziehungen sind jeweils von kurzer Dauer, nicht zuletzt, weil sich Stoner weitaus intensiver seinen vor Gewalt und Brutalität strotzenden Fällen als seinem Privatleben widmet. Umso enger hat ihn die Leserschaft in ihr Herz geschlossen: Als das Krimimagazin 'Rap Sheet' im Jahr 2006 eine Umfrage durchführte, welcher fiktive Privatdetektiv denn am meisten vermisst würde, gewann Harry Stoner das Rennen knapp vor Stephen Greenleafs Marsh Tanner und Martha Lawrences Elizabeth Chase.

Im Jahr 1989 für den achten Stoner-Titel 'Extenuating Circumstances' mit einem Shamus Award ausgezeichnet, verlor Valin in der Folge allmählich das Interesse an seiner Hauptfigur - und 1995, nach drei weiteren Bänden, war dann endgültig Schluss mit Harry Stoner. Der Autor wandte sich fortan vermehrt seiner zweiten Leidenschaft, der Musik, zu, veröffentlichte das gewichtige Sachbuch 'Living Stereo: The RCA Bible, a Compendium of Opionion on RCA Living Stereo Records', und war Mitgründer des Musikmagazins 'Fi'.

Valin lebt mit seiner Frau Katherine Valin, geborene Brockhaus, einer reputierten Lyrikerin, Künstlerin und Kritikerin, mit der er seit 1971 verheiratet ist, in Clifton, Cincinnati, und schreibt und redigiert für die breit gefächerte Musikzeitschrift 'The Absolute Sound'.

Bibliografie:
Harry Stoner-Serie: 'The Lime Pit' - 'Bis auf die Knochen' (1980), 'Final Notice' - 'Letzte Warnung' (1980), 'Dead Letter' - 'Versiegelt und geklaut' (1981), 'Day of Wrath' - 'Am Tag der Rache' (1982), 'Natural Causes' - 'Natürliche Umstände' (1983), 'Life's Work' - 'Spiel ums Leben' (1986), 'Fire Lake' - 'Cincinnati Blues' (1987), 'Extenuating Circumstances' - 'Mildernde Umstände' (1989), 'Second Chance' (1991), 'The Music Lovers' (1993), 'Missing' (1995).

++ Erstellt: Februar 2014 ++  


Vallet, Raf

(Pseudonym für Jean Laborde, 1918-2007; schrieb auch als Jean Delion)

Jean Laborde wurde in Lyon geboren. Nach Abschluss des Jurastudiums arbeitete er als Journalist in seiner Heimatstadt, bis er 1945 nach Paris übersiedelte, um als Gerichtsreporter des 'France-Soir' über die grossen Prozesse der Nachkriegszeit (Victor Kravchenko, Marie Besnard, Gaston Dominici) zu berichten. 1964 wechselte er zur Pariser Tageszeitung 'L'Aurore', bei der er bis 1978, als sie durch den 'Figaro' aufgekauft wurde, für das Ressort Gerichtsreportagen verantwortlich war.

Nebenberuflich, zunächst unter seinem angestammten Namen, ab 1966 unter den Pseudonymen Jean Delion und Raf Vallet, schrieb Jean Laborde Krimis, mit denen er sich unter die wichtigsten Vorläufer des "Néo-Polar" einreihte. Darüber hinaus verfasste er einige Filmdrehbücher, darunter jenes zu Henri Verneuils Erfolgsstreifen 'Peur sur la ville'.

Zu Labordes bekanntesten Prosawerken gehören die recht frei verfilmten Thriller 'Pouce!' (Filmtitel: 'Le Pacha', Jean Gabin spielte die Hauptrolle des Kommissars Louis Joss, genannt "Le Pacha"), 'Mort d'un pourri' (eine harte Geschichte über korrupte Machenschaften französischer Politiker in der Pompidou-Ära mit Alain Delon als Protagonist des gleichnamigen Films) und 'Adieu poulet!' (mit Lino Ventura als Kommissar Verjeat in einer seiner besten Rollen).

Trotz (auch hierzulande) recht beachtlicher cinéastischer Erfolge konnte Jean Laborde ausserhalb von Frankreich mit seinen Romanen nie richtig Fuss fassen - ins Deutsche etwa sind einzig 'Adieu poulet!' ('Adieu, Bulle') und 'Aux armes, mégalos!' ('Auf ins Gefecht!') übertragen worden.

Im Mittelpunkt von 'Adieu, Bulle' steht Kriminalkommissar Germain Verjeat, ein mürrischer und ungehobelter, jedoch ungemein fähiger Flic Mitte vierzig, der in einer südwestfranzösischen Grossstadt als Chef der Sitte Verbrecher jagt und sich dabei - zum Leidwesen seiner Vorgesetzten - immer wieder unorthodoxer Methoden bedient. Als Verjeat unter Verdacht gerät, Bestechungsgelder von einer Hure angenommen zu haben, dreht er den Spiess um: Angewidert von den Machenschaften der korrupten und machtgierigen Notablen der Stadt, schmiedet er einen genialen Plan, der ihm einen riesigen Haufen Geld einbringen und - an der Seite seiner schönen Geliebten Sylvaine - ein genussvolles Leben in Venezuela ermöglichen soll. An Verjeats Seite: Sein loyaler, zum Militärpiloten ausgebildeter Assistent Inspektor Maurat, dem der Flug in die Freiheit obliegt.

In Vallets zweitletztem Krimi 'Aux armes, mégalos!' liefern sich Frankreichs Staatsfeind Nr.1 Maurice Berson, dem es gelungen ist, aus dem Gefängnis auszubrechen, und der ausgekochte Pariser Kommissar Etienne Véjart ein Duell auf höchster Ebene. Während der Gangster seine Kriegskasse mit ein paar Banküberfällen füllt, zieht der Bulle dessen Kumpane aus dem Verkehr, um ihn zu isolieren. Die Situation spitzt sich zu, als Berson den milliardenschweren Pressemagnaten und Frauenhelden Philippe Trémois als Geisel nimmt - doch Véjart hat noch ein paar Pfeile im Köcher.

Über die letzten zwanzig Lebensjahre des (Jean-Pierre Manchette zufolge) politisch ziemlich weit rechts stehenden Autors sind keine verlässlichen Angaben auffindbar. Jean Laborde starb 88-jährig in der südfranzösischen Atlantikküstenstadt Biarritz.

Bibliografie:
Als Jean Laborde: 'Amour, que de crimes' (1954), 'Les assassins de l'ordre' (1956), 'La loterie aux filles' (1956), 'Les loups derrière le traîneau' (1958), 'Le palais du rire' (1958), 'Les cœurs vides' (1959), 'Les bonnes causes' (1960), 'Un homme à part entière' (1961), 'Les grandes chaleurs' (1962), 'Le voyage en Sibérie' (1963), 'Caline Olivia' (1964), 'Olivia et les 4 boss' (1965), 'Olivia à gogo' (1965)', 'Les assassins de l'ordre' (1968), 'L'héritage de violence' (1969), 'Un matin d'été à Lurs - 5 août 1952' (1972).
Als Jean Delion: 'Quand me tues-tu?' (1966), 'Quand s'allongent les nababs' (1966), 'Pouce !' (1967), 'Chérie froide' (1967), 'Les espions ont soif' (1968).
Als Raf Vallet: 'Mort d'un pourri' (1973), 'Adieu poulet!' - 'Adieu, Bulle' (1974), 'Sa majesté le flic' (1976), 'Squelette pour madame' (1975), 'Saccage à Cannes' (1982), 'Darling dollar' (1982), 'Aux armes, mégalos!' - 'Auf ins Gefecht!' (1982), 'Salut les coquins!' (1984).

++ Erstellt: Januar 2014 ++  


Vance, Jack

(Kürzel für John Holbrook Vance, 1916-2013; schrieb auch als Peter Held, Ellery Queen, Alan Wade und John van See)

Geboren in San Francisco als mittleres von fünf Kindern, wuchs Jack Vance nach der frühen Trennung seiner Eltern (die Mutter war eine Angehörige der feinen Gesellschaft, der Vater setzte sich nach Mexiko ab und ward nie mehr gesehen) auf der Ranch seines Grossvaters mütterlicherseits im San Joaquin Valley, Kalifornien, auf. Er studierte Bergbau, Physik, Englisch und Journalistik an der University of California in Berkeley mit einem Abschluss in Bergbau 1942. Neben dem Studium arbeitete er bis wenige Wochen vor dem japanischen Überfall als Elektriker in den Werften von Pearl Harbor auf Hawaii. Im Zweiten Weltkrieg befuhr er als Matrose der amerikanischen Handelsmarine den Pazifik. Nach dem Krieg arbeitete er in einer Konservenfabrik, als Zimmermann und Obstpflücker und frönte seiner Passion, dem Jazz, bis er endlich vom Schreiben leben konnte. Der nimmermüde Segler bereiste die halbe Welt und lebte geraume Zeit mit seinen Schrifstellerfreunden Frank Herbert und Poul Anderson auf einem selbst gebauten Hausboot.

Jack Vance, der 1945 seine erste Story und 1950 seinen ersten Roman veröffentlichte und seine produktivste Zeit in den 60er-Jahren hatte, zählte zu den bedeutendsten und originellsten Autoren von Sciencefiction- und Fantasy-Literatur der neueren Zeit. Nebenbei hat er elf wenig bekannte Krimis zu Papier gebracht, unter ihnen 'Das tödliche Tal' und 'Die feinen Leute von Pleasant Grove', in denen Joe Bain, Sheriff im fiktiven San Rodrigo County (Vorbild ist wohl das San Joaquin Valley) im Mittelpunkt steht. (Ein dritter Joe Bain-Krimi blieb unvollendet.)

Joe Bain, ein aufrechter Mann Mitte dreissig, wurde von seiner Frau kurz nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter verlassen und zog diese dann mit Hilfe seiner Mutter gross. Er nahm am Koreakrieg teil, besuchte anschliessend einen Lehrgang für Kriminologie und war dann Hilfssheriff in San Rodrigo County, bis sein Vorgesetzter das Zeitliche segnete und er interimistisch dessen Amt übernahm. Dies ist die Ausgangslage, als Ausley Wyett in 'Das tödliche Tal' nach sechzehn Jahren aus dem Zuchthaus entlassen wird und auf seine Farm in Marblestone zurückkehrt - er wurde damals in einem Indizienprozess wegen Vergewaltigung und Mord verurteilt, beteuerte jedoch stets seine Unschuld. Kurze Zeit später beginnt eine Serie von unklaren Todesfällen, die vier der fünf Belastungszeugen aus jenem Prozess betreffen. Joe Bain wird jetzt durch eine schier unlösbare Dreifachaufgabe aufs äusserste gefordert: Er gilt zu beweisen, dass die Getöteten nicht einem Unfall, sondern vorsätzlichem Mord zum Opfer gefallen sind; er muss Ausley Wyett vor dem Mob beschützen, der nach seinem Blut lechzt; und nicht zuletzt will er die bevorstehende Sheriffwahl gegen den ehrgeizigen und populären Anwalt Lee Gervase gewinnen. Doch am Schluss fügt sich fast alles zum Guten.

Vances Einzelwerk 'Der Mann im Käfig' spielt in der Zeit des Algerienkriegs. Noel Hutson, ein junger, nicht sehr charakterfester Abenteurer aus den Vereinigten Staaten, schmuggelt im Auftrag eines zwielichtigen Geschäftsmanns Waffen von Marokko nach Algerien. Doch diesmal besteht die Rückfracht aus einer grossen Ladung Heroin - und Noel verschwindet spurlos. Ist er mit dem Stoff untergetaucht? Oder wurde ihm das Heroin gewaltsam abgenommen? Sein älterer Bruder Darrell reist aus den USA nach Tanger, um der Sache auf den Grund zu gehen - und gerät bald selbst in Lebensgefahr.

Seit Mitte der 50er-Jahre verbrachte Jack Vance den grössten Teil seines Lebens in den Oakland Hills, Kalifornien. Seine Frau Norma Ingold, mit der er 62 Jahre verheiratet war und die viele seiner offenbar nahezu unleserlichen Manuskripte abtippte, starb 2008. Vances letzte Publikation war die Autobiografie 'This Is Me, Jack Vance!' ('Gestatten, Jack Vance!', 2009). Der Autor starb 96-jährig in seinem Haus in Oakland und hinterliess seinen Sohn, John.

Bibliografie:
Als John Holbrook Vance 'The Man in the Cage' - 'Der Mann im Käfig' (1959), 'The Deadly Isles' - 'Die tödlichen Inseln' (1969), 'Bad Ronald' (1973), 'The House on Lily Street' (1973); Joe Bain-Romane: 'The Fox Vallex Murders' - 'Das tödliche Tal' (1966), 'The Pleasant Grove Murders' - 'Die feinen Leute von Pleasant Grove' (1967).
Als Alan Wade: 'Isle of Peril' (auch unter dem Titel 'Bird Isle') - 'Wölfe im Paradies' (1957).
Als Peter Held: 'Take My Face' (1957).
Als Ellery Queen: 'The Four Johns' (auch unter dem Titel 'Four Men Called John') - 'Die vier Johns' (1964), 'A Room to Die In' - 'Mit drei Beinen im Grab' (1965), 'The Madman Theory' - 'Einer fällt aus' (1966).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Mai 2013 ++
 


Vautrin, Jean

(Pseudonym für Jean Herman, 1933-2015)

Jean Vautrin wurde als Jean Herman in Pagny-sur-Moselle, Lothringen, geboren und wuchs dort und in Auxerre, Burgund, auf. Er studierte am Pariser Institut des Hautes Etudes Cinématographiques (IDHEC) und lehrte danach zwei Jahre französische Literatur am Wilson College in Bombay (dem heutigen Mumbai). In seiner Indienzeit war er auch als Filmredakteur und Schöpfer von humoristischen Zeichungen tätig und als Regieassistent an Roberto Rosselinis Dokumentarfilm 'India, terre mère' beteiligt. Von 1959 bis 1961 absolvierte er seinen Militärdienst beim Service Cinéma des Armées im Fort d'Ivry. Anschliessend machte er als Filmregisseur von sich reden - Fernsehproduktionen und der erfolgreiche Streifen 'Adieu l'ami' (mit Alain Delon und Charles Bronson in den Hauptrollen) standen im Zentrum seines Schaffens.

In den 70er-Jahren legte sich Herman das Pseudonym Jean Vautrin zu, um (neben etlichen mit seinem angestammten Namen gezeichneten Drehbüchern) Erzählungen, Krimis und andere Romane zu schreiben. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die drei frühen - auch auf Deutsch vorliegenden, mit schrillen und skurrilen Actionszenen gespickten - Krimis 'Billy-ze-Kick', 'Bloody Mary' und 'Groom', das autobiografische Werk 'La vie ripolin' (auf Deutsch: 'Haarscharf am Leben'), der 1989 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnete Roman 'Un grand pas vers le bon Dieu' (auf Deutsch: 'Das Herz spielt Blues') und die achtteilige, gemeinsam mit Dan Franck von 1987 bis 2009 verfasste Serie um den jüdisch-ungarischen, nach Frankreich ausgewanderten Photoreporter Blèmia Borovicz, genannt Boro, die in den 1930er- bis 1950er-Jahren angesiedelt ist.

In 'Billy-ze-Kick' zieht ein mysteriöser Billy-ze-Kick mordend durch den gesichtslosen Sozialbunker einer Pariser Trabantenstadt. Billy-ze-Kick ist aber auch der Held einer Gutenachtgeschichte, die der frustrierte, weil klein gewachsene Bulle Chapeau, dessen gelangweilte Frau heimlich auf den Strich geht, seiner schrägen, charmant lispelnden siebenjährigen Tochter Julie-Berthe erzählt.

'Bloody Mary', eine düstere, mit schnellen szenischen Schnitten vorangetriebene Geschichte, kreist um mehrere am Rande der Gesellschaft lebende Gestalten. Locomotive-Baba N'Doula aus Mali, Fensterputzer im Betonwohnturm, verliebt sich in den Rotschopf France, genannt Bloody Mary, die weggetretene Ehefrau des psychopathischen Polizisten Sam Schneider; Jean-Yves Granvallet, ein gewalttätiger, bis zu den Zähnen bewaffneter, gerade mal achtzehnjähriger Spinner, läuft Amok gegen die Gesellschaft; Granvallets Stiefvater Emile kämpft als alkoholbeduselter Kanalarbeiter in der Kloake mit grotesken Fischen, während sich seine Frau Victoire mit ihrem Stiefsohn vergnügt; N'Doula wird von Sam Schneider und rassistischen Bürgerwehrtypen in den Tod gehetzt; der siebenjährige Butch, ein völlig durchgeknalltes Produkt der Stadt, überlebt - und landet in der Schule. Auf zweihundert Seiten zeichnet der Autor das apokalyptische Bild einer verrohten Gesellschaft.

'Groom' (Untertitel: Verbrechenstagebuch, aufgezeichnet von einem Kind dieses Jahrhunderts) dreht sich um den 25-jährigen Groom (sinngemäss: Diener) Chaim Bronstein, einen verkrüppelten, durchgedrehten Hotelpagen, in seinen eigenen Worten "ein humpelnder Haufen Scheisse voll Phantasie" mit einer Vorliebe für Sex mit aufblasbaren Puppen, der eines Tages seinen kranken Phantasien freien Lauf lässt und ein Blutbad anrichtet.

Jean Herman, ein politisch links stehehnder Antimilitarist und Antikolonialist, war seit 1963 mit der ehemaligen Schauspielerin Anne Doat verheiratet und hatte mit ihr drei Kinder - unter ihnen ein autistischer Sohn, was die beiden dazu bewog, die Vereinigung 'Autisme Solidarité' zu gründen. Das Paar lebte auf einem grossen Anwesen im Département Lande im Südwesten Frankreichs, bis es sich 1999 in Gradignan am Rande von Bordeaux niederliess. Er starb dort im Alter von 82 Jahren.

Bibliografie (nur Kriminalromane):
'A bulletins rouges' (1973), 'Billy-ze-Kick' - 'Billy-ze-Kick' (1974), 'Typhon gazoline' (1977), 'Bloody Mary' - 'Bloody Mary' (1979), 'Groom' - 'Groom' (1980), 'Canicule' (1982), 'Le roi des ordures' (1997), 'Un monsieur bien mis' (1997), 'L'homme qui assassinait sa vie' (2001), 'Le journal de Louise B.' (2002).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: August 2013 ++
Update: Juni 2015 ++
 


Véry, Pierre

(1900-1960; schrieb auch als Toussaint-Juge)

Pierre Véry wurde als Enkel eines Grossgrundbesitzers und Sohn eines politisch engagierten Mathematiklehrers auf einem Bauernhof in dem Weiler Bellon, Departement Charente, geboren und verbrachte dort seine ersten zwölf Lebensjahre. Seine Mutter starb, als er dreizehn war, sein älterer Bruder kehrte nicht aus dem Ersten Weltkrieg zurück.

Nach der Schulzeit im Internat Sainte-Marie de Meaux verrichtete Véry unzählige Gelegenheitsjobs, versuchte sich als Radrennfahrer und reiste ein wenig herum. 1924 eröffnete er in Paris das Buchantiquariat 'Galerie du Zodiaque', das er bis 1932 innehatte. Daneben schrieb er für Fachorgane wie 'Journal littéraire', 'Revue européenne' und 'Paris-Journal'. 1929 gab er seinen ersten, von seiner Jugendzeit geprägten Roman 'Pont-Egaré' heraus. Der Durchbruch gelang ihm ein Jahr später mit dem unter seinem seltsamen Pseudonym Toussant-Juge publizierten, in England angesiedelten Tüftelkrimi 'Le Testament de Basil Crookes' - er gewann damit den ersten Preis des 'Grand Prix du Roman d'Aventures'.

Früh schon setzte Véry sich zum Ziel, die Kriminalliteratur zu erneuern: Mit poetischen, humorvollen Romanen - "Märchen für Erwachsene" bzw. "romans de mystere". Und Véry war ein produktiver, vielseitiger, von seinen jüngeren Kollegen verehrter Autor. Er verfasste 28 (meist im ländlichen Frankreich spielende) Krimis, zwei Sciencefiction- und ein paar andere Romane, sowie Jugendbücher, Novellen und zwei Dutzend Filmdrehbücher. Sein berühmtester Krimi ist 'Les disparus de Saint-Agil', der fünfte von sieben Bänden der Serie um den detektivisch tätigen Anwalt Prosper Lepicq, die sich auch an Jugendliche richtet.

Aus Vérys Kriminalwerk ist einzig 'Böser Traum um braches Land' ins Deutsche übertragen worden, eine wunderbare, stilistisch brillante Geschichte aus der nordfranzösischen Provinz. Im Mittelpunkt steht ein grosses, ödes Stück Land in der fiktiven Kleinstadt Neugate-sur-Touques im Département Calvados, auf dem - geht es nach den Wünschen der Mächtigen der Region - wahlweise ein Stadtpark, ein Sanatorium, Schlachthäuser, eine Kathedrale, eine Radrennbahn, ein Observatorium oder irgend ein anderes Luftschloss - gebaut werden soll. Hitzige Diskussionen sind in vollem Gange, als der alte Mediziner Professor Favreau (Sanatorium-Projet) erschlagen aufgefunden wird, kurz danach beisst auch der Bürgermeister (Stadtpark-Projekt) ins Gras. Eine zentrale Rolle spielt der für das Projekt verantwortliche Architekt Nicolas Niel, der sich unsterblich in die junge, erst seit kurzem im Ort lebende Vietnamesin Dam-Van verliebt hat, die Verlobte des Asienforschers Jacques Maudit, der nicht nur der Besitzer des umstrittenen Grundstücks ist, sondern auch Niels bester Freund. Kurz nach den beiden Morden trifft die Nachricht ein, dass Maudit bei einer Expedition im Urwald einer Infektion erlegen ist und das Brachland seiner Verlobten vermacht hat. Die Bevölkerung (vor allem ihr weiblicher Teil) gerät nun ausser Rand und Band - mit Dam-Van, der schönen Fremden, als Zielscheibe ihres Hasses.

Kurz vor seinem 60. Geburtstag erlag Pierre Véry in Paris einer Herzattacke. Er hinterliess seine Frau Jeanne, mit der er seit 1939 verheiratet war und drei Kinder, Madeline, Dominique und Noël, hatte.

Bibliografie:
'Le testament de Basil Crookes' (1930), 'Danse à l'ombre' (1930), 'Les métamorphoses' (1931), 'Calvier universel' (1933), 'Le meneur de jeux' (1934), 'Les quatre vipères' (1934), 'Les trois Claude' (1936), 'Goupi mains-rouges' (1937), 'Mam'zelle Bécot' (1937), 'Les veillés de la tour pointue' (1937), 'Monsieur Malbrough est mort' (1937), 'L'inspecteur Max' (1937), 'Série de sept' (1938), 'Madame et le mort' (1940), 'Mort depuis 100'000 ans' (1941), 'L'assassin a peur la nuit' (1942), 'L'inconnu du terrain vague' - 'Böser Traum um braches Land' (1943), 'Histoire de brigands' (1943), 'Les anciens de Saint-Loup' (1944), 'Le costume des dimanches' (1948), 'Goupi mains-rouges à Paris' (1948);
Prosper Lepicq-Serie : 'Meurtre quai des orfèvres' (1934), 'Monsieur Marcel des pompes funèbres' (1934), 'L'assassinat du père Noël' (1934), 'Le réglo' (1935), 'Les disparus de Saint-Agil' (1935), 'Le gentleman des antipodes' (1936), 'Le Thé des vieilles dames' (1937).

++ Erstellt: Juni 2012 ++  


Vilar, Jean-Francois

(1947-2014)

Jean-Francois Vilar wurde in Paris geboren und wuchs auch dort auf. Nach dem Jura- und Philosophiestudium arbeitete er als Feuilleton-Redakteur des linksradikalen Wochenblatts 'Rouge' und war bis 1981 in der Revolutionären Kommunistischen Liga (LCR) aktiv. Geprägt von Dashiell Hammett, Marcel Duchamp und Léon Trotzki , veröffentlichte er von 1982 bis 1997 sieben Romane, zwölf Erzählungen, zwei Jugendbücher und zuletzt den knapp dreissig Seiten langen Essay 'Les Fous de Chaillot'. 1997 zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück und meldete sich seither nur noch hin und wieder im Internet zu Wort, etwa nach dem Tod seines alten Freundes und Mitstreiters Daniel Bensaid am 12. Januar 2010. Vilar verbrachte den grössten Teil seines Lebens in Paris, hielt sich aber auch häufig in seiner zweiten Heimatstadt Prag auf. Er starb 67-jährig in seiner Geburtsstadt.

Vilars 1985 erschienener Spannungsroman 'Palazzo Calonna' erzählt die Geschichte des Filmemachers Adrien Leck und des von seinen früheren Genossen zum Tod verurteilten Ex-Terroristen Arno Rieti, die zu Beginn des Karnevals nach Venedig gehen, um gemeinsam einen Film über Rietis Leben zu drehen. Bevor sie die Filmarbeiten aufnehmen können, schlagen die Roten Brigaden zu, eine Richterin wird schwer verletzt, und Leck gerät zwischen die Fronten der Polizei, der Roten Brigaden und der Mafia.
'Djemila', drei Jahre später herausgekommen, handelt von der jungen, mutigen Algerierin Djemila, die einer rechtsextremen Bewegung in Frankreich einen blutigen Kampf liefert.

Victor Blainville, Vilars Antiheld (und alter Ego) in 'C'est toujours les autres qui meurent' (keine deutsche Übersetzung), 'Affenpassage', 'Bastille Tango', 'Die Masslosen' und 'Die Verschwundenen' (in 'Palazzo Colonna' spielt er nur eine kleine Nebenrolle als Freund Adrien Lecks), ein eigenbrötlerischer Ex-68er, Trotzkist und Katzenliebhaber, flaniert durch Paris und fotografiert: Minutiös dokumentiert er die Modernisierung, sprich Zerstörung, seiner Stadt, lässt deren Geschichte (vor allem jene der Revolutionen 1789, 1917 und 1968) und Kultur aufleben und widmet sich nebenbei - und eher widerwillig - der Aufklärung von politisch motivierten Verbrechen.

In dem umfangreichen, die Serie abschliessenden Roman 'Die Verschwundenen' ist Victor - höchst wahrscheinlich für politische Zwecke - mit dem ihm vorher unbekannten Professor Alex Katz in ein fernes Land entführt und dort fast drei Jahre lang festgehalten worden. Als er nach seiner Befreiung nach Paris zurückkehrt, ist seine Wohnung verwüstet und ausgeraubt, auch die Fotos sind weg. Einige Tage später wird Alex Katz vor Victors Augen von einem Lastwagen überfahren. Mehr oder weniger zufällig stösst Victor dann auf das Tagebuch von Katz' Vater Alfred, eines Trotzkisten, der 1938, in der Zeit der blutigen Auseinandersetzungen zwischen Stalinisten und Trotzkisten, nach Paris kam und kurz danach ermordet wurde. Geschickt verknüpft Vilar die Geschehnisse dieser brüchigen Zeit mit jenen der Gegenwart des Jahres 1989, kurz nach dem Zusammenbruch der Ostblockstaaten.

Seit einigen Jahren gibt es einen Blog mit einer grossen Fülle von Material zu Vilars Werk und Leben (http://passagejfv.eklablog.com/).

Bibliografie:
Victor Blainville-Serie: 'C'est toujours les autres qui meurent' (1982), 'Passage des singes' - 'Affenpassage' (1984), 'Bastille Tango' - 'Bastille Tango' (1986), 'Les Exagérés' - 'Die Masslosen' (1989), 'Nous cheminons entourés de fantômes aux fronts troués' - 'Die Verschwundenen' (1993;
'Etat d'urgence' - 'Palazzo Calonna' (1985), 'Djemila' - 'Djemila' (1988).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: August 2011 ++
++ Update: Februar 2015 ++
 


Voss, Willi

(Ursprünglich Willi Pohl, *1944; schreibt auch als E.W. Pless)

Willi Voss (seit 1979 Pohls offizieller Name, jener seiner ersten Frau) wuchs in der westfälischen Stadt Velbert im Ruhrgebiet auf und verbrachte dort eine von Gelegenheitsjobs, halbstarker Kleinkriminalität und Gefängnisaufenthalten geprägte Jugendzeit. Nach turbulenten, mit äusserst gefährlichen (auch terroristischen und geheimdienstlichen) Abenteuern im nahen Osten prall gefüllten, von Todesängsten und existentiellen Krisen begleiteten Jahren (eindrucksvoll beschrieben in dem 2012 publizierten autobiografischen Buch 'UnterGrund' und dem 'SPIEGEL'-Artikel 'Ein Mann, drei Leben' vom 31.12.2012) kehrte er Ende der 70er-Jahre nach Deutschland zurück und begann zu schreiben. Anfang der 90er-Jahre, auf dem Höhepunkt seiner schriftstellerischen Karriere, schrieb er auch mehrere Drehbücher für die TV-Serien 'Grossstadtrevier' und 'Tatort'.
Es folgten sechzehn Jahre der Abstinenz vom Kulturbetrieb - persönliche Gründe hinderten ihn am Publizieren von Texten. Voss war in dieser Zeit den Vernehmen nach in der Lokalpolitik, als Verleger, Druckereibesitzer, Rennfahrer und Undercoveragent tätig, bis er sich 2008 mit einem Beitrag für die Anthologie 'Mord Westfalen' und ein Jahr später mit dem in der westfälischen Provinz angesiedelten Polizei- und Sektenroman 'Pforte des Todes' zurückmeldete. Voss lebt in Berlin.

Neben unzähligen Western und Jerry Cotton-Romanen verfasste Willi Voss (zuerst unter dem Pseudonym E.W. Pless) vier anspruchsvolle Politthriller, unter ihnen der autobiografisch gefärbte 1979er Erstling 'Geblendet. Aus den authentischen Papieren eines Terroristen' und der in Beirut spielende Roman 'Gegner', der 2003 in einer vom Autor überarbeiteten, diesmal mit Willi Voss gezeichneten Fassung wieder aufgelegt wurde. 'Gegner' erzählt die eindrucksvolle Geschichte des deutschen Ex-Offiziers und Geschäftsmanns Kanter, der in das vom Bürgerkrieg zerrissene Beirut zurückkehrt, um dort mit seinem falangistischen Folterer George Chehada abzurechnen.

Darüber hinaus gab der sprachlich und stilistisch versierte Autor eine Reihe von sehr lesenswerten Kriminalromanen heraus, darunter die sechsbändige Serie um den abgehalfterten Hamburger Kriminalobermeister (und späteren Privatdetektiv bzw. Sonderermittler) Holger Fleestedt, eine komplexe, gebrochene Figur, die sich in der Hansestadt vornehmlich mit Fällen von Korruption, Schiebung und organisierter Kriminalität auseinandersetzt - und in Voss' jüngstem Krimi 'Bitteres Blut' aus dem Nichts heraus ein kurzes Comeback erlebt.

Bibliografie:
Kriminalobermeister Holger Fleestedt-Serie: 'Tränen schützen nicht vor Mord' (1981), 'Frost im Blut' (1983), 'Das Gesetz des Dschungels' (1988), 'Asphalt' (1989), 'Die Nacht, der Tod' (1990), 'Bluthunde' (1992);
Der Fahnder-Serie: 'Liebe macht blind' (1985), 'Der Dichter vom Bahnhof' (1985), 'Ein König ohne Reich' (1985);
'Kein Platz an der Sonne' (1982), 'Wo Rauch ist...' (1983), 'Der stirbt von selbst!' (1984), 'So schön, so tot' (1984), 'Keine Tränen für das Opfer' (1985), 'Requiem für einen gefallenen Engel' (1985), 'Das Gangsterliebchen' (1986), 'Die glitzernde Falle' (1987), 'Pforte des Todes' (2009), 'Bitteres Blut' (2012).
Als E. W. Pless: 'Geblendet' (1979), 'Gegner' (1983), 'Auch Narren sterben einsam' (1986), 'Signum F' (1986).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Mai 2012 ++
++ Update: Februar 2013 ++
 



 

Wager, Walter H.

(1924-2004; schrieb auch als Walter Herman, John Tiger und Lee Davis Willoughby)

Walter Herman Wager, geboren in der New Yorker Bronx als Spross einer russischen Einwandererfamilie (der Vater war Arzt, die Mutter Krankenschwester), besuchte eine Privatschule in Manhattan. Er studierte an der Columbia University und der Harvard Law School, Abschluss 1946, um sich dann an der Northwestern University und der Pariser Sorbonne auf das Luftfahrtrecht zu spezialisieren. Im Jahr 1951 heiratete er Sylvia Leonard und hatte mit ihr eine Tochter.

Nach einjähriger Tätigkeit für das israelische Zivilluftfahrtamt in Tel Aviv kehrte Wager nach New York zurück, arbeitete dort zwei Jahre für die UNO und verfasste in dieser Zeit seine ersten Spannungsromane. Mitte der 50er-Jahre entschloss er sich für ein Leben als Drehbuch- und Romanautor sowie als Journalist für verschiedene Radiostationen und Magazine mit Schwerpunkte Kunst und Reisen. Darüber hinaus schrieb er Vorlagen zu Dokumentarfilmen für das Fernsehen, war Chefredakteur des Theaterblatts 'Playbill' und arbeitete gelegentlich auch in der Werbung. Der äusserst reisefreudige Autor erlag 79-jährig in Manhattan einem Hirntumor. Er hinterliess seine zweite Frau Winifred McIvor, mit der er knapp dreissig Jahre kinderlos verheiratet war, und die ihn nur um wenige Monate überlebte.

Wagers belletristisches Werk besteht aus zwei mit Lee Davis Willoughby gezeichneten Westernromanen, dem satirischen Roman 'My Side by King Kong' und 28 actiongeladenen, mit einer gehörigen Portion Humor erzählten - von tickenden Zeitbomben, zum Äussersten entschlossenen Terroristen und anderen drohenden Katastrophen geprägten - Politthrillern, die zumeist in New York City angesiedelt sind - und auf Deutsch nur in verstümmelten, schlecht übersetzten Versionen zu haben sind.

Wagers bekannteste Krimis sind 'Viper Three', die atemlose, durch Robert Aldrich unter dem Titel 'Das Ultimatum' verfilmte Geschichte über fünf entflohene Schwerverbrecher, die zehn Interkontinental-Raketen in ihre Gewalt bringen und nun die Vereinigten Staaten erpressen; 'Telefon', die Vorlage zu Don Siegels gleichnamigem Film mit Donald Pleasance als durchgedrehtem KGB-Agenten, der mit seinem 51 "Schläfern" den Dritten Weltkrieg auslösen will und von Charles Bronson daran gehindert wird; '58 Minutes', der Roman zum Bruce Willis-Streifen 'Stirb langsam 2'; 'The Spirit Team' um einen afrikanischen Diktator, der einen Angriff auf New York mit biologischen Waffen plant; 'Otto's Boy', die spektakuläre Geschichte eines versuchten Giftgasanschlags auf das New Yorker U-Bahn-Netz; und 'Tunnel', in dem eine Gruppe von internationalen Terroristen, die "Beirut Brigade", damit droht, den Lincoln Tunnel unter dem Hudson River in die Luft zu sprengen.

Drei Krimis kreisen um die intelligente, hart gesottene, umwerfend schöne Ermittlerin Alison B. Gordon, eine jung verwitwete ehemalige CIA-Agentin Anfang dreissig, die sieben Jahre in Afrika und Asien im Einsatz war. Sie spricht fünf Sprachen, trägt stets eine .357er Magnum im Bauchholster, ist mit einem Porsche unterwegs, hat Sex mit wechselnden Partnern und betreibt seit kurzem in Beverley Hills höchst erfolgreich eine Detektivagentur - Spezialgebiet: Spektakuläre Kriminialfälle mit internationalem Touch; Tagessatz: 400 Dollar plus Spesen.

Unter dem Pseudonym John Tiger veröffentlichte Wager in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre sieben auf der TV-Serie 'I Spy' (mit den CIA-Agenten Kelly Robinson und Alexander Scott) und zwei auf den 'Mission Impossible'-Filmen beruhende Romane.

Bibliografie:
'Sledgehammer' (1970), 'Viper Three' (auch unter dem Titel 'Twilight's Last Gleaming') - 'Rothaut in Viper 3' (1971), 'Swap' - 'Fluchthilfe auf israelisch' (1972), 'Telefon' - 'Krieg per Telefon' (1975), 'Time of Reckoning' (1977), 'Warhead' (1978), 'Designated Hitter' (1982), 'Otto's Boy' (1985), 'The Assassin' (1985), 'Raw Deal' - 'Der Cityhai' (1986), '58 Minutes' (auch unter dem Titel 'Die Hard 2: Die Harder') - '58 Minuten Angst' (1987), 'The Spirit Team' (1996), 'Tunnel' (2000), 'Kelly's People' (2002);
Alison Gordon-Trilogie: 'Blue Leader' (1979), 'Blue Moon' (1981), 'Blue Murder' (1982).
Als John Tiger: 'Death Hits the Jackpot' (1954);
I Spy-Serie: 'I Spy' (1965), 'Masterstroke' (1966), 'Superkill' (1967), 'Wipeout' (1967), 'Countertrap' (1967), 'Doomdate' (1967), 'Death-Twist' (1968);
Mission Impossible-Romane: 'Mission Impossible' (1967), 'Code Name: Little Ivan' (1969).
Als Walter Herman: 'Operation Intertrigue' (1956).

++ Erstellt: April 2015 ++  


Wainwright, John

(1921-1995; schrieb auch als Jack Ripley)

John Wainwright wurde in der englischen Industriestadt Leeds, Yorkshire, geboren. Er verliess die Schule mit fünfzehn und war danach im Baugewerbe tätig. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges trat er der Royal Air Force bei, für die er über siebzig Einsätze in feindlichen Gebieten flog. 1947 wurde er Polizeibeamter in der Yorkshirer West Riding Constabulary. Nebenbei absolvierte er ein Jurastudium an der London University, das er 1956 abschloss. 1965 veröffentlichte er seinen ersten Roman. 1967 quittierte er den Polizeidienst, um sich ganz dem Schreiben zu widmen - und den modernen britischen Police Procedural zu begründen.

In seiner produktivsten Zeit, 1966 bis 1985, schrieb Wainwright täglich etwa zweitausend Wörter. Er arbeitete an sieben Tagen pro Woche, woraus bis zu sechs Romane pro Jahr (insgesamt über achtzig) resultierten. Darüber hinaus verfasste er sieben Hörspiele, ungezählte Artikel und Kolumnen für Zeitungen und Magazine, eine Handvoll Kurzgeschichten, zwei Sachbücher sowie zwei autobiografische Werke, 'Tail-End Charlie' und 'Wainwright's Beat: Twenty Years with the West Yorkshire Police Force', in denen er Kriegserlebnisse bzw. seine Zeit als Polizeibeamter aufarbeitete. John Wainwright, ein Liebhaber der Jazzmusik, scheute die Öffentlichkeit. Mit seiner Frau Avis, die er 1942 geheiratet hatte, verbrachte er die meiste Zeit seines Lebens in einem Bungalow in Ripon im Norden Yorkshires. Nach seinem Tod geriet er rasch in Vergessenheit.

Wainwright war ein vielseitiger und sprachgewandter, mit allen Facetten der menschlichen Psyche vertrauter Autor. In seinen sorgfältig gebauten, aus den Blickwinkeln von Streifenpolizisten, hochrangigen Polizeibeamten, Tätern und Opferangehörigen erzählten Romanen zeichnet er ein scharfes Bild der von Monotonie, sozialer Isolation, Frustration, Schlafmangel, Zynismus und Gewalt geprägten Polizeiarbeit. Anders als Ed McBain behandelt er pro Buch nur einen einzigen Kriminalfall; und schickt immer wieder neue Polizisten ins Gefecht.

Charles Ripley von der fiktiven Kriminalaussenstelle Beechwood Brook, eine dickköpfige, zerrissene Persönlichkeit, ein erstklassiger, legendenumwobener Bulle, steht zwischen 1967 (damals noch als Chief Inspector) und 1975 neunmal im Brennpunkt des Geschehens, zuletzt als Chief Superintendent ausser Dienst, an den Rollstuhl gefesselt, nachdem eine Kugel ihm das Rückgrat zerfetzt hat - was ihn jedoch nicht daran hindert, zusammen mit zwei pensionierten Kollegen dem kaltblütigen Gangsterboss und Polizistenmörder Paul Gunter endgültig das Handwerk zu legen, bevor er selbst den Löffel abgibt; beschrieben in 'Der Tod des alten Hasen', einer von Wainwrights faszinierendsten Geschichten. Elf Jahre später liess der Autor mit 'Portrait of Shadows' eine Sammlung von Charles Ripley-Stories folgen.

Wainwrights Werk wird überstrahlt von der chronologisch zu lesenden Reihe um den einfachen Yorkshirer Dorfpolizisten Johnny George Davis, einen hasserfüllten, habgierigen Mann mittleren Alters, der die Fronten wechselt, als er von seinen Vorgesetzten fallen gelassen wird ('Die Leiche vor der Tür'); und der in 'Das Gesetz der Unterwelt', in dem zunächst die beiden Gangster und Erzfeine Zimmerman und Kerr sowie Kriminalinspektor Liddell, dem Zimmerman einst die Frau ausgespannt hat, im Rampenlicht stehen, nur scheinbar eine Nebenrolle innehat, denn am Schluss ist Kerr tot, Zimmerman sitzt im Knast - und Davis hat sich den Weg zu einer grossen Gangsterkarriere freigeschaufelt. In den nachfolgenden Romanen 'Die Abrechnung', 'Das Geheimnis der schwarzen Messe' und 'Teuflische Rache' kämpft Davis mit härtesten Bandagen gegen amerikanische Mafiatypen, korrupte Bullen und die lokale Konkurrenz, um seine Stellung in der englischen Unterwelt zu halten. 'Treffpunkt Marseille' bildet den wuchtigen Abschluss der sechsteiligen Serie: Johnny George Davis, nunmehr stolzer Besitzer eines exklusiven Nachtlokals in Leeds, wird von der CIA als Lockvogel benutzt, um einem internationalen Drogenring zu zerschlagen. Johnny überlebt.

Weitere Höhepunkte in Wainwrights breit gefächertem Werk: die Policeman-on-the-Run-Story 'Rache in zwei Minuten' (mit Charles Ripley in einer kleinen Nebenrolle); 'Ein folgenschwerer Plan', die düstere, in den Slums von Leeds angesiedelte Geschichte des allseits geachteten Polizisten Robert Woolley, der eines Tages die Linie überschreitet und zu morden beginnt; 'Das Empfangskomitee' und 'Joey', zwei Titel aus der Superintendent Lennox-Serie, in denen jeweils ein unschuldig verurteilter Mann nach langen Jahren im Gefängnis wieder auf die Menschheit losgelassen wird; 'Gehirnwäsche', der erste Titel der kleinen Reihe um den raffinierten Verhörspezialisten Detective Inspector Lyle, der einen mutmasslichen Kindermörder eine Nacht lang ausquetscht, in die Ecke drängt, "mit Worten erdrosselt"; der Spionagethriller 'Agenten unter sich' mit dem ehemaligen Polizisten Johnny Pewter in der Hauptrolle; die an Georges Simenons 'Romans durs' erinnernde Familiendramen 'Schlafen Sie gut, Mr. Grantley' und 'Faktor Feminin'; der Gerichtskrimi 'Kopf oder Zahl'; der Geheimdienstroman 'Mörder kennen keine Reue'; 'Das falsche Geständnis', ein Polizeithriller, in dem ein homosexueller Cop als Mörder entlarvt wird; sowie 'In einer einzigen Nacht', eine unerhört dichte Darstellung der Ereignisse während einer achtstündigen Nachtschicht in der nordenglischen Kleinstadt Radholm, aufgezeichnet von einfachen Polizisten, hohen Polizeioffizieren, kleinen Gaunern, Durchschnittsbürgern und Angehörigen von Polizisten.

Und dann gibt es noch einen gewissen David Raff, der immer wieder in kleineren Rollen zum Zug kommt - ein Polizist, der sich gelegentlich einen Fehler leistet; ein Polizist, der noch Schuldgefühle empfinden und weinen kann; ein Polizist, der den seelischen Belastungen eines Tages nicht mehr standhält und in einer psychiatrischen Klinik landet - Wainwrights Alter Ego?

Bibliografie:
Johnny Pewter-Serie: The Crystallised Carbon Pig' - 'Die Juwelenbande' 1966), 'Web of Silence' - 'Agenten unter sich' (1968), 'Take-over Men' - 'Der organisierte Mord' (1969);
Charles Ripley-Serie: 'Evil Intent' (1966), 'The Worms Must Wait' - 'Die Würmer müssen warten' (1967), 'The Darkening Glass' - 'Der schwarze Himmel' (1968), 'Freeze the Blood Less Coldly' - 'In einer Nacht des Grauens' (1970), 'Dig the Grave and Let Him Die' - 'Acht Gewehre und kein Mörder' (1971), 'Night Is a Time to Die' - 'Nachts stirbt man schneller' (1972), 'A Touch of Malice' - 'Vorsatz gehört zum Mord' (1973), 'The Hard Hit' (1974), 'Death of a Big Man' - 'Der Tod des alten Hasen' (1975), 'Portrait in Shadows' (Stories, 1986);
Richard Sullivan-Serie: 'Talent for Murder' - 'Talent zum Morden' (1967), 'The Big Tickle' - 'Ein folgenschwerer Plan' (1969), 'Requiem for a Loser' - 'Requiem für einen Verlierer' (1972), 'High Class Kill' - 'Mord in der besten Gesellschaft' (1973), 'Kill the Girls and Make Them Cry' - 'Die ganz besondere Nacht' (1974);
Johnny George Davis-Serie (die vier ersten Titel erschienen zuerst unter dem Pseudonym Jack Ripley): 'Davis Doesn't Live Here Any More' - 'Die Leiche vor der Tür' (1971), 'The Pig Got Up and Slowly Walked Away' - 'Das Gesetz der Unterwelt' (1971), 'My Word, You Should Have Seen Us' - 'Die Abrechnung' (1972), 'My God How the Money Runs In' - 'Das Geheimnis der schwarzen Messe' (1972), 'The Devil You Don't' - 'Teuflische Rache' (1973), 'Cause For a Killing' - 'Treffpunkt Marseille' (1974);
Lennox-Serie: 'Landscape With Violence' - 'Gegend mit Gewalt' (1975), 'Square Dance' - 'Das Empfangskomitee' (1975), 'The Day of the Pepercorn Kill' - 'Joey' (1977);
Lyle-Romane: 'Brainwash' - 'Gehirnwäsche' (1979), 'The Tenth Interview' - 'Schlafen Sie gut, Mr. Grantley' (1986);
Robert Blayde-Serie: 'All on a Summer's Day' (1981), 'An Urge for Justice' (1981), 'Blayde R.I.P.' (1982);
Einzelwerke: 'Death in a Sleeping City' - 'Die schwarze Gräfin' (1965), 'Ten Steps to the Gallow' - 'Rache in zwei Minuten' (1965), 'Prynter's Devil' - 'Jedes Mittel ist erlaubt' (1970), 'Coppers don't Cry' (1975), 'Acquittal' - 'Der Preis der Freiheit' (1976), 'The Bastard' - 'Das Messer an der Kehle' (1976), 'Pool of Tears' - 'Sechs Richtige und ein Toter' (1977), 'Thief of Time' - 'Gutschein für Mord' (1978), 'Man of Law' - 'Kopf oder Zahl' (1980), 'The Distaff Factor' - 'Faktor Feminin' (1982), 'Heroes No More' - 'Mörder kennen keine Reue' (1983), 'Cul-de-Sac' - 'Ein Schritt zuviel' (1984), 'The Forest' (1984), 'Clouds of Guilt' - 'Das falsche Geständnis' (1984), 'All Through the Nicht' - 'In einer einzigen Nacht' (1985), 'The Tenth Interview' (1986), 'The Forgotten Murders' (1987), 'Blind Brag' (1988), 'A Very Parochial Murder' (1988), 'The Gauntley Incident' (1990), 'Sabbath Morn' (1993), 'Murder Story' (1994), 'The Life an Times of Christmas Calvert. Assassin' (1995).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Waller, Leslie

(1923-2007; schrieb auch als C.S. Cody, Patrick Mann und Drake Waller)

Leslie Waller wurde als Sohn ukrainischer Einwanderer in Chicago geboren und wuchs auch dort auf. Nach Abschluss der High School arbeitete er als Polizeireporter für das'‚City News Bureau' und die 'Chicago Sun', bevor er sich an der University of Chicago immatrikulierte. 1942 wurde er zum Geheimdienst der Luftwaffe eingezogen. Nach dem Krieg kehrte er an die University of Chicago zurück. 1950 machte er einen Master-Abschluss in Amerikanischer Literatur an der Columbia University, Manhattan.

Mit seiner ersten Frau Louise Hetzel, die zwei Töchter, Elizabeth und Susan, gebar, verbrachte Waller knapp zwanzig Jahre in New York City, wo er - neben seiner Tätigkeit in der Werbung - seine ersten Romane verfasste. 1967 liess er sich scheiden. Im selben Jahr heiratete er die Fotografin und Schauspielerin Patricia Mahen, mit der er dann ausgiebige Reisen unternahm. Nach Aufenthalten in Roccella Ionica, Kalabrien (1978-89), und London (1989-93) kehrte er mit Patricia in die USA zurück und verbrachte seine letzten vierzehn Jahre in Florida, wo er unter anderem für das angesehene Kulturmagazin 'Naples Review' arbeitete und an der Florida Gulf Coast University in Forth Myers Kreatives Schreiben unterrichtete. Vier Tage vor seinem 84. Geburtstag starb er während eines Besuchs seiner älteren Tochter in Rochester, New York State.

Leslie Waller, der bereits als Teenager seine ersten Texte verfasste, gab bis 2001 über fünfzig Bücher heraus - vorwiegend Krimis und Kinderbücher, aber auch Sachliteratur über organisierte Kriminalität. Gemeinsam mit dem gleichaltrigen (und fast zur selben Zeit verstorbenen) Autor Arnold Drake, unter dem Pseudonym Drake Waller, begründete er 1950 mit 'It Rhymes with Lust' das Konzept der so genannten "Graphic Novel", einer Kreuzung zwischen Roman und Comic. Darüber hinaus novellisierte er die Filme 'Dog Day Afternoon' und, zusammen mit dem Regisseur Steven Spielberg, 'Close Encounters of the Third Kind'.

Zu Wallers berühmtesten Werken zählen die zwischen 1963 und 1971 erschienene "Organisierte Kriminalität-Trilogie", bestehend aus 'The Banker', 'The Family' und 'The American', sowie die thematisch ähnlichen Romane 'The Swiss Account' 'Embassy' und 'Mafia Wars'; Ferner der Politthriller 'K', in dem der russische Präsident Nikita Khrushchev während einer Reise in die USA ermordet werden soll. In seinem letzten Buch 'Target Diana' wartet Waller mit einer verblüffenden These zum Tod der englischen Prinzessin Diana auf.

'Der Banker', einer von sieben ins Deutsche übersetzten Romanen, ist die Geschichte des aufstrebenden Bankers und Familienvaters Woods Palmer aus Chicago, der mit 44 Jahren geschäftsführender Vizepräsident der (fiktiven) United Bank & Trust Company wird, der grössten Bank der Vereinigten Staaten, und sich jetzt im Haifaischbecken der New Yorker Hochfinanz durchsetzen muss. An seiner Seite: Virginia Clary, Expertin für Öffentlichkeitsarbeit und bald auch Palmers Bettgefährtin, und Mac Burns, Strippenzieher und Ränkeschmied libanesischer Herkunft. Die Erzählung handelt von Machthunger und Geldgier, von Intrigen und Erpressung - und kommt doch ganz ohne Blutfluss aus. (Dies ändert sich jedoch markant, als im Fortgang des Dreiteilers die Mafia auf den Plan tritt.)

Woods Palmer steht auch in den nach folgenden Bänden der "Organisierte Kriminalität-Trilogie" im Mittelpunkt - und erlebt zwanzig Jahre später in 'Deadly Sins' ein überraschende Comeback: Als Banker im Ruhestand, der zuoberst auf der Abschlussliste der Mafia steht.

Bibliografie:
Organisierte Kriminalität-Trilogie: 'The Banker' - 'Der Banker' (1963), 'The Family' - 'Die Familie' (1968), 'The American' (1971);
'Three Day Pass' (1944), 'Show Me the Way' (1947), 'The Bed She Made' (1951), 'Phoenix Island' (1958), 'Will the Real Toulouse Lautrec Please Stand up?' (1965), 'Overdrive' (1966), 'New Sound' - 'Ich, Stacy Nora' (1968), 'A Change in the Wind' (1970), 'Number One' (1973), 'The Coast of Fear' - 'Mord kennt keine Ferien' (1974), 'K. Assignment' (auch unter dem Titel 'K', 1976), ‚The Swiss Account' (1976), ‚Close Encounter of the Third Kind' (gemeinsam mit Steven Spielberg, 1977), ‚Hide in Plain Sight' (1978), 'Trocadero' (1978), 'The Brave and the Free' (1979), 'Blood and Dreams' - 'Die Königin von New Orleans' (1980), 'Gameplan' (1983), 'Embassy' - 'Die Botschaft' (1987), 'Amazing Faith' - 'Die Fürstin und die Mafia' (1988), 'Mafia Wars' (1991), 'Deadly Sins' (1992), 'Tango Havana' (1993), 'Manhattan Transfer' (1994), 'Eden' (1997), 'Comeback' (1997), 'Target Diana' (2001).
Als C.S. Cody: 'The Witching Night' (1952), 'Lie Like a Lady' (1955).
Als Patrick Mann: 'The Vacancy' (1973), 'Dog Day Afternoon' (1974), 'Steal Big' (1981), 'Falcon Crest' (1984).

++ Erstellt: Oktober 2013 ++  


Walsh, Thomas

(1908-1984)

Thomas Walsh kam in New York City zur Welt und ging auch dort zur Schule. Nach dem Studium an der Columbia University, das er 1933 abschloss, arbeitete er kurze Zeit als Journalist bei der Tageszeitung 'Baltimore Sun', bevor er ab Mitte der 30er-Jahre Kriminalgeschichten für Gefässe wie 'Black Mask' und 'Ellery Queen's Mystery Magazine' verfasste - und damit dermassen erfolgreich war, dass er bald schon das Schreiben zum Hauptberuf machte. Er brachte über fünfzig Kurzgeschichten und elf Krimis zu Papier.

Nach einem längeren Aufenthalt in Kalifornien lebte er mit seiner Frau Cassandra von 1949 bis 1965 in Ridgefield, Connecticut. Seit 1968 verwitwet und im selben Jahr als Autor verstummt, starb Walsh 76-jährig in Danbury, Connecticut. Er hinterliess einen Sohn namens Tom.

Walshs ausschliesslich Einzelwerke enthaltendes Kriminalwerk ist auf den Strassen von New York City angesiedelt und dreht sich meist um irisch-stämmige Cops mit harter Schale und weichem Kern.

1951 ist 'Kidnapper in Manhattan', Walshs erster und bekanntester, mit einem "Edgar" prämierter und erfolgreich verfilmter Krimi erschienen; eine atemlose Geschichte, in der die Polizei genau 48 Stunden Zeit hat, um Tony, den sechsjährigen, von einem grossen, rothaarigen, mit einem braunen Mantel bekleideten Mann entführten Sohn des Ölmagnaten Murchison, in der New Yorker Grand Central Station aufzuspüren - ein Fall für den bärbeissigen Lieutenant Willie Calhoun, der den riesigen Bahnhof wie kein Zweiter kennt. Ungemein detailliert und realistisch schildert der sprachgewandte Autor die Jagd nach dem Kidnapper. Wird Tony Murchison überleben?

Bibliografie:
'Nightmare in Manhattan - 'Kidnapper in Manhattan' (1951), 'The Night Watch' - 'Nachtposten vor Nr. 1775' (1952), 'The Dark Window' - 'Hotel Imperial' (1956), 'Dangerous Passenger' - 'Nachts im Central Park' (1959), 'The Eye of the Needle' - 'Das Nadelöhr' (1961), ‚A Thief in the Night' - 'Das Verbrechen des Jahrhunderts' (1962), 'To Hide a Rogue' - 'Rache für Jackie' (1964), 'The Tenth Point' - 'Das eiskalte Mädchen' (1965), 'The Resurrection Man' - 'Der schwarze Vorhang' (1966), 'The Face oft he Enemy' - 'Der letzte Passagier' (1966), 'The Action of the Tiger' - 'Die Pranke des Tigers' (1968).

++ Erstellt: März 2011 ++  


Wambaugh, Joseph

(*1937)

Joseph Wambaugh, geboren und aufgewachsen in der kleinen Ortschaft East Pittsburgh, Pennsylvania, als einziges Kind des dortigen irisch-stämmigen Polizeichefs, wurde an einer katholischen Schule und der East Pittsburgh High School ausgebildet. 1951 zog er mit seinen Eltern nach Kalifornien. 1954, im zarten Alter von siebzehn, ging er für drei Jahre zur Marineinfanterie. Mit achtzehn heiratete er Dee Allsupp, und nach dem Militärdienst liess er sich mit ihr im kalifornischen Ontario nieder. Im Anschluss an seine Ausbildung am Chaffey College in Rancho Cucamonga, Kalifornien, die er 1958 vorzeitig abbrach, war er vierzehn Jahre Angehöriger des LAPD - er stieg vom einfachen Streifenpolizisten zum Detective Sergeant im Raubdezernat auf und schloss 1968 nebenbei ein Anglistikstudium an der California State University in Los Angeles ab -, bis er am 8. März 1974 den Dienst quittierte (nicht ganz freiwillig und eher contrecoeur, denn die Polizeiarbeit faszinierte ihn noch immer), um das Genre des Polizeiromans aufzumischen.

In seinen harten, von herrlich komischen, bizarren, ja surrealen Szenen durchtränkten und mit beissender Ironie erzählten Polizeiromanen, in denen den Kriminalfällen oft nur marginale Bedeutung zukommt, zeichnet Wambaugh - zumeist am Beispiel von Los Angeles - das düstere Bild einer zerrissenen Grossstadt-Zivilisation, in der Korruption, Gewalt und Verbrechen verinnerlicht sind. Scharfsinnig beschreibt er die selbstzerstörerische, zwischen Langeweile, Frustration und Lebensgefahr pendelnde Arbeit seiner Protagonisten, den ausgebrannten, sozial isolierten, dem Zynismus und Suff verfallenen, suizidgefährdeten Cops.

'Der müde Bulle' ist der innere Monolog des 50-jährigen Streifenpolizisten Bumper Morgan aus Los Angeles, der nach zwanzig Jahren Dienst im gleichen abgefuckten Revier drei Tage vor dem Ausscheiden steht. Er ist ein dicker und jovialer, nicht sehr intelligenter, aber schlauer und beliebter Bulle, der manchmal einen Meineid begeht, bestechlich ist bis in die Haarspitzen, jedoch immer nur im kleinen Stil - eine Gefälligkeit hier, ein Gratisessen und ein paar Drinks dort; und er hat mindestens hundert Neulinge in die Polizeiarbeit eingeweiht bzw. "bumperisiert", eine Leistung, auf die er stolz ist. Bumpers bester Spruch bezieht sich auf den Tod eines 44-jährigen Kollegen, dessen Herz vor kurzem stillgestanden ist: "In einem Job wie diesem, wo man oft endlos untätig auf seinem fetten Hintern herumsitzt und dann mit einem Schlag wie ein Verrückter loslegen muss, kann man täglich mit einem Herzinfarkt rechnen". Wambaugh veröffentlichte diesen (seinen zweiten) Roman noch während seiner Zeit beim LAPD - und stiess damit bei Vorgesetzten und Kollegen auf wenig Gegenliebe.

Wambaughs bekanntester (von Robert Aldrich kläglich verfilmter) Roman 'Die Chorknaben' handelt von zehn einfachen Streifenpolizisten, genannt "die Chorknaben", die einmal die Woche ihren Feierabend gemeinsam im MacArthur Park (Los Angeles) verbringen, um den unerträglichen beruflichen und privaten Druck mit faulen Sprüchen, billigem Schnaps, trostlosem Sex und gewalttätigen Handlungen abzubauen - bis die "Singstunden" eines Tages ausser Kontrolle geraten. Die Polizisten, alle vom Wilshire-Revier, sind: Spermwhale Wahlen, mit 52 der älteste, fetteste und vermutlich am härtesten gesottene der zehn, und sein Partner Baxter Slate, knapp 27, wortkarg, gebildet und empfindsam; Sam Niles und Harold Bloomguard, zwei 26-jährige Vietnamveteranen, die sich in der Kriegsgefangenschaft kennen gelernt haben; Spencer Van Moot, ein 40-jähriger Familienvater, dessen dritte Ehe gerade den Bach runtergeht, und "Father" Willie Wright, 24, Zeuge Jehovas, unglücklich verheiratet und einsam; Calvin Potts, 28, ein dunkelhäutiger, geschiedener Alkoholiker, und Francis Tanaguchi, 25, eine Nervensäge mit japanischen Wurzeln; und schliesslich Roscoe Rules, 29, ein fieser, gewalttätiger und hasserfüllter Vietnamveteran und Vater von zwei Söhnen, und Dean "Whaddayamean" Pratt, 25, ein etwas weinerlicher Bursche, dessen Gehirn bereits nach kleinsten Alkoholmengen derart benebelt ist, dass er dann fast jeden Satz mit "What do you mean?" bzw. "Whaddaya mean?" beginnt.

Mit 'Der Rolls-Royce-Tote', der herzzerreissenden Geschichte über drei Männer, deren Söhne jung gestorben sind, ist Wambaugh 1985 auf dem Gipfel seines literarischen Schaffens angelangt. Sergeant Sidney Blackpool aus Hollywood, ein einsamer Mann mittleren Alters, der den Unfalltod seines Sohnes nicht verarbeitet hat, und sein Partner Otto Stringer erhalten von einem mächtigen Industriellen aus Palm Springs den Auftrag, den siebzehn Monate zurückliegenden Tod seines Sprösslings zu ermitteln, dessen verkohlte Leiche mit einer Kugel im Kopf in einem ausgebrannten Rolls Royce aufgefunden worden ist. Was zunächst wie eine hübsche und erst noch fett bezahlte Ablenkung vom trostlosen Polizeialltag ausschaut, erweist sich, so Otto, als "dreckiger Scheissfall", bei dessen Lösung sich die abgebrühten Cops mit "Wüstenratten", Amphetamin-Junkies, Biker-Gangs und allerlei Knallchargen vom örtlichen Sheriffsamt herumschlagen müssen. Dann treffen sie auf einen Polizisten namens Harry Bright, der seit einem Hirnschlag in einem Pflegeheim vegetiert, und dessen Sohn vor etlichen Jahren bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen ist.

'Flucht in die Nacht' spielt ebenfalls in der kalifornischen Wüstenstadt Palm Springs. Im Mittelpunkt steht die resolute Privatdetektivin Breda Burrows, die sich nach zwanzig Jahren Polizeidienst beim LAPD selbständig macht. Für gutes Geld soll sie dem Ehemann der Millionärin Rhonda Devon ein wenig auf die Finger schauen, dem 63-jährigen Clive, der seltsamerweise eine Samenbank aufgesucht hat. Gemeinsam mit Lynn Cutter, einem versoffenen, aber auch schlauen und witzigen, kurz vor der Pensionierung stehenden Cop aus Palm Springs, nimmt sie die Ermittlungen auf. Unterstützt wird das ungleiche Paar durch den kleingewachsenen, übereifrigen Cop Nelson Hareem, genannt "Half-Nelson" oder "Dirty Hareem", der in seiner Freizeit nach einem vermeintlichen Drogendealer und/oder Terroristen fahndet, und dem schwermütigen Ex-Polizisten Jack Graves, der den Dienst quittierte, weil er versehentlich einen zwölfjährigen Jungen erschoss. Eine wichtige, wenn auch lange Zeit völlig unklare Rolle spielt ein kahler, schnurrbärtiger Lateinamerikaner, den der Autor als "der Flüchtige" bezeichnet (er ist der Mann, den Hareem jagt!). Um diese Antihelden hat Wambaugh einen raffinierten, fast ohne körperliche Gewalt auskommenden, mit schrägen Metaphern, komischen Szenen, spritzigen Dialogen und einer schönen Liebesgeschichte garnierten Roman komponiert.

'Tod im Zwiebelfeld', Wambaughs erstes seiner fünf semidokumentarischen Bücher, berichtet über vier junge Männer, die sich in einer gottverlassenen Gegend von Los Angeles fatalerweise über den Weg laufen. Dies geschieht in der Nacht des 9. März 1963, als die beiden unerfahrenen Streifenpolizisten Ian Campbell und Karl Hettinger einen Wagen anhalten, dessen hinteres Nummernschild nicht beleuchtet ist, und so auf den psychopathischen Gangster Greg Powell und seinen Kumpel Jimmy Smith treffen. Diese überwältigen und entführen die beiden Cops und erschiessen Ian in einem Zwiebelfeld bei Bakersfield. Karl kann entkommen, die Verbrecher werden verhaftet und zum Tode verurteilt. Akribisch setzt sich Wambaugh mit dem Leben der vier Männer auseinander und legt dabei viel Gewicht auf die seltsame Beziehung zwischen den beiden Mördern und die seelische Pein des überlebenden Polizisten, der von Scham und Schuldgefühlen schier erdrückt wird. Auch die Gerichtsverhandlung nimmt breiten Raum ein - die Dialoge hat Wambaugh wörtlich dem offiziellen Gerichtsprotokoll entnommen.

'Die San-Diego-Mission' erzählt von einem bizarren Polizeieinsatz im Niemandsland zwischen den gegensätzlichen Millionenstädten San Diego, Kalifornien, und Tijuana, Mexiko, das den illegalen Grenzgängern von der amerikanischen Regierung stillschweigend überlassen worden ist - ein gefundenes Fressen für mexikanische Gangs, welche die unzähligen Menschen, die nachts über die Grenze wollen (unter ihnen schwangere Frauen und kleine Kinder), mit Raub, Vergewaltigung und Mord terrorisieren. Diesen Banden soll jetzt, im Jahr 1976, eine Sondereinheit des San Diego Police Department auf den Leib rücken - eine Idee des idealistisch gesinnten Polizisten Dick Snider. Die Task wird angeführt von Sergeant Jesus Manuel Lopez, einem charismatischen Supermacho mit kahlem Kopf, Zapata-Schnurrbart und Furcht erregender Augenbrauen-Akrobatik, und besteht aus zehn mexikanisch-stämmigen Cops, die ärmlichen Verhältnissen entstammen. Getarnt als illegale Einwanderer und bis an die Zähne bewaffnet werden die "Barfer" (BARF steht für Border Alien Robbery Force, also Kommando gegen Grenzgängerräuber) in die scheussliche, nicht nur von Verbrechern und schurkischen Bullen aus Tijuana, sondern auch von Klapperschlangen, Skorpionen und Taranteln wimmelnde Region, den Deadman's Canyon, geschickt - und bei ihren Einsätzen in stockfinsterer Nacht unmenschlichen seelischen und körperlichen Strapazen ausgesetzt. Eine Grenzerfahrung im wörtlichen und im übertragenen Sinn.

'Der Susan-Reinert-Fall' kreist um den Aufsehen erregenden Mord an der geschiedenen Englischlehrerin Susan Reinert und ihren beiden kleinen Kindern, einen haarsträubenden Fall, der die Polizei von Philadelphia während sieben Jahren, 1979 bis 1986, intensiv beschäftigt hat ("Main-Line-Mordfall" - die Main Line ist eine gediegene Gegend bei Philadelphia, dem Wohnsitz Susan Reinerts). Im Fokus der Ermittlungen stehen zwei surreal anmutende, zwischen Genie und Wahnsinn pendelnde Pädagogen, die an derselben High School wie das Opfer tätig sind - der hühnenhafte, vollbärtige Englischlehrer, Hobbydichter und Frauenversteher Bill Bradfield, in den Susan Reinert heftig verliebt war, und der sexsüchtige, ein Doppelleben führende Schuldirektor Dr. Jay Smith. In einem spektakulären Indizienprozess wird Bradfield wegen Mordes verurteilt, doch drei Jahre später kommen neue Fakten ans Tageslicht.

'Nur ein Tropfen Blut' ist der Tatsachenroman über den ersten Mordfall der Welt, der mit Hilfe des "genetischen Fingerabdrucks" gelöst werden konnte. In der englischen Kleinstadt Narborough, in der Nähe einer psychiatrischen Klinik, wird Lynda Mann vergewaltigt und ermordet aufgefunden, die fieberhaften Ermittlungen der Polizei bleiben erfolglos. Als drei Jahre später ein Mädchen auf dieselbe Art ums Leben kommt, fällt der Verdacht auf einen jungen Mann, doch modernste gentechnologische Methoden entlasten ihn.

Nach den arg abfallenden Krimis 'Finnegan's Week' (keine deutsche Übersetzung) und 'Floaters' ('Wasserpatrouille') veröffentlichte Wambaugh während zehn Jahren keine Bücher mehr, bis er 2006 mit dem den Auftakt zu einer bislang fünfteiligen Reihe bildenden Roman 'Hollywood Station' überraschend zurückkehrte, ohne jedoch die Qualität seiner früheren Werke noch einmal zu erreichen.

Wambaugh lebt mit seiner Frau Dee, mit der er seit 1955 verheiratet ist, und die zwei Söhne (einer von ihnen erlitt mit 21 Jahren in Mexiko einen tödlichen Verkehrsunfall) und eine Tochter zur Welt brachte, seit 1989 zurückgezogen im San Diego County, Südkalifornien (bis 1992 in Rancho Santa Fe, seither in Point Loma, hoch über der Bucht von San Diego), wo er sich auch heute noch vornehmlich dem Krimischreiben widmet.

Bibliografie:
Krimis: The New Centurions' - 'Nachtstreife' (1970), 'The Blue Night' - 'Der müde Bulle' (1972), 'The Choirboys' - 'Die Chorknaben' (1975), 'The Black Marble' - 'Ein guter Polizist' (1978), 'The Glitter Dome' - 'Der Hollywood-Mord' (1981), 'The Delta Star' - 'Der Delta-Stern' (1983), 'The Secrets of Harry Bright' - 'Der Rolls-Royce-Tote' (1985), 'The Golden Orange' - 'Golden Orange' (auch unter dem Titel 'Ein kalifornischer Traum', 1990), 'Fugitive Night' - 'Flucht in die Nacht' (1992), 'Finnegan's Week' (1993), 'Floaters' - 'Wasserpatrouille' (1996);
Hollywood Station-Serie: 'Hollywood Station' - 'Hollywood Station' (2006), 'Hollywood Crows' - 'Sunset Boulevard' (2008), 'Hollywood Moon' (2009), 'Hollywood Hills' (2010), 'Harbor Nocturne' (2012).
True Crime: 'The Onion Field' - 'Tod im Zwiebelfeld' (1973), 'Lines and Shadows' - 'Die San-Diego-Mission' (1984), 'Echoes in the Darkness' - 'Der Susan-Reinert-Fall' (1987), 'The Blooding' - 'Nur ein Tropfen Blut' (1989), 'Fire Lover' (2002).

++ Erstellt: Oktober 2011 ++
++ Update: April 2012 ++
 


Warner, Douglas

(Pseudonym für John Desmond Currie und Elizabeth Warner)

Über die britischen Autoren John Desmond Currie und Elizabeth Warner, die in den 60er-Jahren unter dem Pseudonym Douglas Warner fünf harte, schnörkellose Thriller ("Death of"-Serie) sowie den Sciencefiction-Roman 'Sturm des Verderbens' verfassten, sind keine biografischen Daten verfügbar. Ihr bekanntestes Buch ist 'Tod eines Greifers', die Geschichte der Gebrüder Lane (gemeint sind die legendären Zwillinge Ronnie und Reggie Kray), die Anfang der 60er-Jahre die Londoner Unterwelt beherrschten. Als die Leiche des jungen Polizisten Philip Raven aus der Themse gefischt wird, bekommt es die Lane-Bande mit dem härtesten Bullen der East Side zu tun: mit Paul Raven, dem Vater des Ermordeten.

'Tod eines leichten Mädchens' erzählt von der dramatischen Jagd auf den Massenmörder Edgar Horncastle, der in London reihenweise Huren schlachtet und der Polizei, angeführt von Chefinspektor David Wyndham, immer wieder um Haaresbreite entwischt, bis er schliesslich von der hasserfüllten Prostituierten Linda Ward zur Strecke gebracht wird.

'Tod eines Träumers' dreht sich um den jungen Scotland-Yard-Beamten Harry Harris vom Londoner Rauschgiftdezernat. Als Harris zu seinem grossen Entsetzen feststellt, dass der von ihm verehrte Chief Superintendent Robert Mills auf der Lohnliste des grössten britischen Drogenhändlers (genannt der grosse Mann) steht, glaubt ihm dies kein Mensch, er muss den Polizeidienst quittieren. Doch Harris gelingt es auf eigene Faust, in den Rauschgiftring einzubrechen, und sich auf die Fersen des grossen Mannes zu heften - ein Selbstmordunternehmen.

Bibliografie:
"Death of"-Serie: 'Death of a Snout' - 'Polizeispitzel x 2' (1961), 'Death of a Bogey' - 'Tod eines Greifers' (1962), 'Death of a Tom' - 'Tod eines leichten Mädchens' (1963), 'Death of a Dreamer' - 'Tod eines Träumers' (1964), 'Death of a Nude' - 'Die tote Venus' (1964).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Watts, Timothy

(*1957)

Timothy Watts kam in Philadelphia zur Welt, wo er auch aufwuchs. Er verfasste seine ersten Stories, als er in Paoli, Pennsylvania, als Automechaniker angestellt war. Anschliessend verbrachte er vier Jahre als Drehbuchautor in Los Angeles, bis er nach Pennsylvania zurückkehrte, um sich dem Schreiben von Krimis zu widmen. In seinen schwarzhumorigen, mit verblüffenden Wendungen aufwartenden und mit lässigen Sprüchen und schnellen, aus dem Leben gegriffenen Dialogen gewürzten Romanen stehen zynische Verbrecher, kleine Ganoven und durchtriebene Weiber aus der amerikanischen Provinz im Mittelpunkt.

Kaum aus dem Raiford Staatsgefängnis in Florida freigelassen, vermöbelt Frank "Cully" Cullen in Watts' Erstling 'Knastbrüder' im kalifornischen Beaufort einen Typen, der ihm den verdienten Taglohn nicht entrichten will, wird jedoch von dem angesehenen Farmer Herb Dorrance vor einem neuerlichen Knastaufenthalt bewahrt: Cully soll für ihn ein paar kleine Jobs erledigen. Herbs attraktive Gattin Michelle ist indes die Ex-Frau des bösartigen Verbrechers Benny Marsh, der einst bei einem gemeinsam eingefädelten Bankraub hinter Gitter kam, und der nun, wieder auf freiem Fuss, nach Beaufort zurückkehrt, um an Herbs Vermögen heranzukommen. Eine harte Nuss für Cully, der eigentlich ein anständiges Leben führen möchte; und es kommt noch dicker, als Michelles Schwester Kristin mit ihm ein Ding drehen will. Zwischen den fünf Hauptfiguren entwickelt sich ein faszinierendes Katz-und-Maus-Spiel, bei dem der hinterhältige Manipulator Herb Dorrance alle Fäden fest in der Hand zu halten scheint.

'Geldgeier' dreht sich um den gerade erst aus dem Golfkrieg in die Heimat zurückgekehrten Scharfschützen Jimmy Decker. Er steht auf seine Jugendliebe Katherine, die mit dem Kotzbrocken Nicky Kramer verheiratet ist und sich andauernd Gin in den Magen schüttet, um das Leben an der Seite ihres Mannes aushalten zu können. Als Katherine von dem einfältigen Muskelmann Ellis Bowers mit pornographischen Fotos erpresst wird, erwachen Jimmys Beschützerinstinkte. Gleichzeitig führt Nicky zusammen mit seinem harmlos auftretenden Partner Wesley einen Riesenschwindel erfolgreich zu Ende, der die beiden um über eine Million Dollar reicher macht, doch keiner hat Katherines ausgekochte Freundin Susie auf der Rechnung. Nach einer turbulenten Jagd auf die Beute, bei der jeder jeden aufs Kreuz legt, setzen sich Jimmy und Susie in den Süden ab - mit einer Million Dollar im Gepäck.

In 'Tod eines Paten', Watts' viertem (und bislang letztem), in Philadelphia angesiedeltem Roman, stehen fünf recht gegensätzliche Figuren im Rampenlicht: Der ausgekochte, höchst erfolgreiche Autodieb Teddy Clyde, der im Kofferraum eines eben erst ergaunerten Sportwagens auf die Leiche des erschossenen Mafia-Paten Dominic Scarlotti stösst - und die Chance auf eine hübsche Erpressung wittert; Scarlottis designierter Nachfolger Little Anthony Bonica, ein etwas unterbelichteter, seine Fähigkeiten arg überschätzender Hitzkopf; Izzy Feldman, der sich seine Brötchen als international tätiger Troubleshooter, Intrigant und Killer verdient; Izzys zwielichtiger Ziehvater und Auftraggeber Saul Rubin, ein listiger alter Jude, der den Holocaust überlebt hat; und die junge Enthüllungsjournalistin Natalie Pentrice, die undercover in Teddys Stammlokal arbeitet.

Bibliografie:
'Cons' - 'Knastbrüder' (1993), 'The Money Lovers' - 'Geldgeier' (1994), 'Steal Away' - 'Minnesota' (1996), 'Grand Theft' - 'Tod eines Paten' (2003).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Waugh, Hillary

(1920-2008; schrieb auch als Elissa Grandower, H. Baldwin Taylor und Harry Walker)

Hillary Waugh, in den 50er- und 60er-Jahren ein sehr einflussreicher Autor, ist heute selbst in seiner Heimat kaum mehr bekannt. Er kam in New Haven, Connecticut, zur Welt und wuchs auch dort auf. Sein Kunst- und Musikstudium schloss der talentierte Badminton- und Schachspieler 1942 an der Yale University ab. Im Zweiten Weltkrieg diente er drei Jahre als Navy-Pilot in Panama. Danach war er Karikaturist, Songwriter, Herausgeber eines Wochenblatts, Wissenschafts- und Mathematiklehrer an einer High School und Dozent für Krimischreiben an der Yale University. 1947 veröffentlichte er seinen ersten Roman 'Madame Will Not Dine Tonight', der den Auftakt zum "Cozy"-Dreiteiler um den steinreichen Hobbydetektiv Sheridan Wesley aus New York City bildet. In den 60er-Jahren verbrachte er einige Zeit bei den Detectives der New Yorker Mordkommission. 1991 erschien sein Sachbuch 'Hillary Waugh's Guide to Mysteries and Mystery Writing'. Er verfasste über fünfzig Bücher, darunter fünf Schauerromane als Elissa Grandover.

Waugh gehört zu den Begründern der Police-Procedural-Novel (Ed McBains erster Roman über das 87. Polizeirevier ist ein paar Jahre nach Waughs Frühwerken erschienen). Er brach als erster Autor das Tabu, ein Sexualverbrechen ins Zentrum der Geschichte zu stellen ('Sleep Long My Love', 1959). Seine auf drei Serien verteilten Krimihelden sind Fred Fellows, Polizeichef in der (fiktionalen) ländlichen Kleinstadt Stockford in Connecticut; der New Yorker Cop Lieutenant Frank Sessions von der Mordkommission Manhattan East (so genannte Homicide North-Reihe mit drei düsteren, von komplexen Figuren getragenen Geschichten); und der hartgesottene Privatdetektiv Simon Kaye. Die Mehrzahl von Waughs Romanen spielt in amerikanischen Kleinstädten oder Vororten.

Waughs bekanntester Krimi ist das 1952 erschienene Einzelwerk 'Spurlos verschwunden', in dem Chief Frank Ford, der ruppige Polizeichef des fiktiven Städtchens Bristol in Massachusetts, und sein Assistent Sergeant Cameron dem Mord an einer achtzehnjährigen Studentin auf den Grund gehen. Ungemein realistisch und detailreich schildert der Autor die Ermittlung aus der Sicht der beiden ungleichen Polizisten - oder, in den Worten von Chief Ford: "Du weisst doch, wie das bei der Polizei läuft. Jede Ermittlung bedeutet Kleinarbeit, nichts als mühselige Kleinarbeit. Bedeutet, jeder Möglichkeit nachzugehen, eine Tonne Sand zu sieben, um ein Goldkörnchen zu finden. Mit hundert Leuten zu reden, ohne weiterzukommen, und sich dann die nächsten hundert vorzunehmen".

Hillary Waugh war zweimal verheiratet, zuerst von 1951 bis 1981 mit Diana Taylor, dann von 1983 bis 1993 mit der Krimiautorin Shannon O'Cork. Er verbrachte die meiste Zeit seiner zweiten Lebenshälfte in Guilford bei New Haven, wo er Anfang der 70er-Jahre auch politisch tätig war, und starb 88-jährig in einem Pflegeheim in Torrington, Connecticut. Er hinterliess seinen Sohn Lawrence und seine Töchter Kathryn und Sandra, alle aus erster Ehe, sowie sieben Enkelkinder.

Bibliografie:
Sheridan Wesley-Serie: 'Madam Will Not Dine Tonight' (1947), 'Hope to Die' (1948), 'The Odds Run Out' (1949);
Chief Fred Fellows-Serie: 'Road Block' - 'Zahltag' (1959), 'Sleep Long, My Love' - 'Unter falschem Namen' (1959), 'That Night It Rained' - 'Die Nacht des grossen Regens' (auch unter dem Titel 'Die Nacht, in der es regnete', 1961), 'Born Victim' - 'Vermisst wird' (1962), 'The Late Mrs. D.' - 'Seine dritte Frau' (1962), 'Death and Circumstance' - 'Die Bestie' (1963), 'Prisoner's Plea' - 'Der letzte Appell' (1963), 'The Missing Man' - 'Ein Mann wird gesucht' (1964), 'End of a Party' - 'Das Ende einer Party' (1965), 'Pure Poison' - 'Gift in falschen Händen' (1966), 'The Con Game' - 'Die Entlarvung' (1968);
Lt. Frank Sessions-Serie (Homicide North-Romane): '30 Manhattan East' - 'Tödliche Doppelrolle' (1968), 'The Young Prey' - 'Tod in Harlem' (1969), 'Finish Me Off' - 'Kein Platz für Zuhälter' (1970);
Simon Kaye-Serie: 'The Doria Rafe Case' (1980), 'The Glenna Powers Case' (1980), 'The Billy Cantrell Case' (1981), 'The Nerissa Claire Case' - 'Der Fall Nerissa Claire' (1983), 'The Veronica Dean Case' - 'Der Fall Veronica Dean' (1984), 'The Priscilla Copperwaite Case' (1986);
Einzelwerke: 'Last Seen Wearing' - 'Spurlos verschwunden' (auch unter dem Titel 'Eine perfekte Indizienkette', 1952), 'A Rag and a Bone' - 'Fünf Jahre später...' (1954), 'Rich Man, Dead Man' (auch unter dem Titel ‚Case oft he Brunette Bombshell', 1956), 'Rich Man, Murder' - 'Tod eines Playboys' (1956), 'The Eighth Mrs. Bluebeard' - 'Die achte Mrs. Blaubart' (auch unter dem Titel 'Blaubarts achte Frau', 1958), 'The Girl Who Cried Wolf' - 'In der Maske des Wolfs' (1958), 'Girl On the Run' - 'Ein Mädchen muss flüchten' (1965), ‚Run When I Say Go' - 'Es war die falsche Dame' (1969), ‚The Shadow Guest' - 'Vorhang auf für den Mörder' (1971), 'Parrish fort he Defense' (1974), 'A Bride for Hampton House' - 'Eine Braut für den Toten' (1975), 'The Secret Room of Morgate House' (1977), 'Madman at My Door' - 'Der Böse vor der Tür' (1978), 'A Death in a Town' (1988).
Als Harry Walker: 'The Case of the Missing Gardener' (1954).
Als H. Baldwin Taylor: 'The Triumvirate' (1966), 'The Duplicate' (1967), 'The Trouble With Tycoons' (auch unter dem Titel 'The Missing Tycoon', 1967).
Als Elissa Grandover: 'Seaview Manor' (1976), 'The Summer at Raven's Roost' (1976), 'Blackbourne Hall' (1979), 'Rivergate House' (1980).
Gemeinsam mit Bernard Wolfe: 'Come on Out, Daddy (auch unter dem Titel 'Death and Circumstance', 1963).
Gemeinsam mit Douglas McBriarty und David Serafin: 'Murder on Safari' (auch unter den Titeln 'Whitewater VJ' und 'Port of Light', 1987).

++ Erstellt: Dezember 2010 ++
++ Update: September 2013 ++
 


Webb, Jack

(Kürzel für John Alfred Webb, 1916-2008; schrieb auch als John Farr und Tex Grady)

Geboren und aufgewachsen in Los Angeles, schloss Jack Webb (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Schauspieler und Produzenten der berühmten TV-Serie 'Dragnet') sein Anglistikstudium 1937 am dortigen Occidental College mit einem Bachelor of Arts ab. Danach arbeitete er zwei Jahre im Zoo von San Diego, bevor er im Zweiten Weltkrieg als Leutnant des Office of Strategic Service (OSS, Vorläufer der CIA) im chinesischen Chungking stationiert war. Nach dem Krieg bezog er wieder Wohnsitz in Los Angeles, vermählte sich 1950 mit Nell und hatte mit ihr zwei Kinder.

In den 50er-Jahren widmete sich Webb vorrangig der Schriftstellerei. Von 1957 bis 1966 lebte er in Phoenix, Arizona, und richtete dort eine grosse Voliere und eine naturhistorische Bibliothek ein. Zurück in Los Angeles war er unter anderem in der Werbung tätig, ehe er Leiter der Technischen Information der General Electric Company wurde, eine Position, die er bis 1986 innehielt. Webb starb 92-jährig in Coronado, Kalifornien.

Webbs zwischen 1952 und 1963 erschienenes Romanwerk enthält einen Western ('High Mesa', gezeichnet mit dem Pseudonym Tex Grady) und sechzehn Krimis (sieben Einzelwerke und die neunteilige Reihe um Father Joseph Shanley und Detective Sammy Golden), die zum Teil für das Fernsehen adaptiert wurden. Überdies veröffentlichte er Kurzgeschichten in 'Manhunt', 'Alfred Hitchcock's Mystery Magazine' und 'Mike Shayne Mystery Magazine'.

Father Joseph Shanley, zu Beginn der Reihe Anfang dreissig, arbeitet hauptberuflch als römisch-katholischer Priester der St. Anne's Church in der fiktiven, hauptsächlich durch die hispanische Unterschicht bewohnten Gemeinde Royal Heights einer unbenannten Grossstadt, bei der es sich zweifellos um Los Angeles handelt, nebenbei aber auch als Hobby-Ermittler und Rosenzüchter. Seine athletische Gestalt verdankt der alleinstehende irisch-stämmige Pfeifenraucher seiner Vergangenheit als College-Boxer und einer Judoausbildung, die er sich als Navy-Kaplan im Zweiten Weltkrieg von einem Sergeant angedeihen liess. Im ersten Titel der Reihe, 'Die Sünderin von La Marimba', lernt er den jüdischen Detective Sammy Golden von der örtlichen Mordkommission kennen, einen hartgesottenen, schlagkräftigen Junggesellen mit heldenhafter Vergangenheit als Soldat im Zweiten Weltkrieg (Nordafrika, Salerno und Anzio) und beachtlichem Frauenverschleiss.

Shanley und Golden, zwei gegensätzliche Charaktere, die schon bald eine tiefe Freundschaft verbindet, treffen im Zusammenhang mit Verbrechen jeweils mehr oder weniger zufällig aufeinander und ergänzen sich bei deren Auflösung ausgezeichnet. Die mit viel Humor und sozialem Engagement erzählten Romane warten immer wieder mit Anspielungen auf Musik, Kunst und Literatur, aber auch mit gewalttätigen Szenen auf - eine doch recht ungewöhnliche Mischung für jene Zeit.

Bibliografie:
Father Joseph Shanley & Detective Sammy Golden-Serie: 'The Big Sin' - 'Die Sünderin von La Marimba' (1952), 'The Naked Angel' (auch unter dem Titel 'Such Women Are Dangerous') - 'Der nackte Engel' (1953), 'The Damned Lovely' - 'Gehetzte Schönheit' (1954), 'The Broken Doll' - 'Die zerbrochene Puppe' (1955), ‚The Bad Blonde' - ‚Der Tod wartet nicht' (1956), ‚The Brass Halo' - 'Das rächende Florett' (1957), 'The Deadly Sex' - 'Gefährliche Steine' (1959), 'The Delicate Darling' - 'Der Abenteurer' (1959), 'The Gilded Witch' (1963);
'One form my Dame' - 'Alles für Carla' (1961), 'Make my Bed soon' - 'Charme macht blind' (1963).
Als John Farr: 'Don't Feed the Animals' (auch unter den Titeln 'Naked Fear' und 'The Zoo Murders') - 'Eine fast menschliche Hand' (1955), 'The Shark' (1956), 'The Lady and the Snake' (1957), 'Murder Isn't Funny' (1958), 'Murder Ship' (1958).

++ Erstellt: September 2013 ++  


Westlake, Donald E.

(1933-2008; Pseudonyme: siehe Text!)

Donald E. Westlake wurde als Spross einer irisch-stämmigen Familie im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren und wuchs dort und in Albany, New York State, an der Seite seiner Schwester auf. Er studierte am Champlain College in Plattburgh, New York, und am Harper College, der späteren State University of New York, blieb jedoch ohne Hochschulabschluss. Von 1954 bis 1956 diente er bei der amerikanischen Luftwaffe. Danach kehrte er nach New York City zurück, wo er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, bis er freier Mitarbeiter des New Yorker Literaturagenten Scott Meredith wurde.

Mitte der 50er-Jahre, als junger Soldat, begann Westlake seine schriftstellerische Laufbahn mit Kurzgeschichten (unter anderem den Stories um den Cop Abe Levine), Western und Softpornos. Im Jahr 1960 veröffentlichte er seinen ersten Kriminalroman: den fulminanten Standalone 'Das Gangstersyndikat' um den Troubleshooter George Clayton, genannt Clay, der für Ed Ganoleses New Yorker Organisation die Kastanien aus dem Feuer holt.

Donald Westlake, Amerikas Meister der Caper Novel mit einem Oeuvre von über hundert Romanen, mehreren Sachbüchern und Filmscripts, legte sich wegen seines hohen Schreibtempos schon bald eine Vielzahl von Pseudonymen zu: Tucker Coe (Mitch Tobin-Serie), Richard Stark (Parker- und Alan Grofield-Serie), Curt Clark, Timothy J. Culver, John B. Allan (für eine Biografie der Schauspielerin Elizabeth Taylor), Morgan J. Cunningham, Samuel Holt (Samuel Holt-Tetralogie), Edwin West, John Dexter, Alan Marsh, James Blue, Ben Christopher, Andrew Shaw, Don Hollyday, Judson Jack Carmichael, Barbara Wilson, P.N. Castor - und wohl noch ein paar andere.

Seine erfolgreichste Zeit erlebte Westlake in den 60er- und frühen 70er-Jahren, als er mit seinen düsteren Romanen um den Berufsgangster Parker die Krimiszene aufmischte. (Im Jahr 1997 nahm er die Parker-Serie nach 23-jähriger Unterbrechung wieder auf und ergänzte sie bis 2008 um acht Romane.) Anders als in seiner Heimat erreichte der von Krimiautoren und -kritikern verehrte, im Jahr 1993 von den Mystery Writers of America zum Grandmaster ernannte Autor in Europa zeitlebens nur bescheidene Verkaufszahlen.

Parker (seinen Vornamen hat nicht einmal das FBI herausgefunden, und auch seine Vergangenheit liegt im Dunkeln) ist ein kaltblütig handelnder, einzelgängerischer Spezialist für sorgfältig vorbereitete bewaffnete Raubüberfälle, ein disziplinierter Profi, der nie irgendwelche Gefühle zeigt und der nur tötet, wenn dies absolut unumgänglich ist - denn "Mord bringt die Bullen gegen einen auf". Er begnügt sich damit, ein- bis höchstens zweimal im Jahr einen Coup zu landen - gepanzerte Fahrzeuge, Juweliere, Banken, Lohngelder, "alles, was das Risiko lohnt" -, um es sich danach in Miami, Las Vegas oder Palm Springs gut gehen zu lassen. Das Geld deponiert er in Hotelsafes. Wenn seine Bestände auf 5000 Dollar abgesunken sind, sieht er sich nach einer neuen Sache um.

Parkers Liaison mit der schönen Lynn nimmt ein schlimmes Ende: In die Ecke gedrängt von dem feigen, grossspurigen Verbrecher Mal Resnick, schiesst sie Parker über den Haufen, um ihre Haut zu retten, doch er überlebt den Anschlag, Lynn begeht Selbstmord, und Parker startet seinen Rachefeldzug - beschrieben in 'The Hunter', dem ersten und bekanntesten (zweimal verfilmten) Titel der Serie. Auch in den folgenden Romanen wird Parker oft von seinen ständig wechselnden Mitstreitern betrogen, kann seinen Kopf jedoch meistens wieder aus der Schlinge ziehen. Zu Beginn von 'Das grosse Gold' landet Parker für einmal doch im Knast, sein dortiger Aufenthalt ist indes von kurzer Dauer.

Im zweitletzten Teil der Reihe 'Fragen Sie den Papagei' beteiligt sich Parker unter dem Decknamen Ed Smith an der Jagd nach sich selbst - um später listenreich sein Konto aufzubessern. 'Das Geld war schmutzig', der letzte Band der Serie mit dem um keinen Tag gealterten Gangster, kreist um 2 Millionen Dollar, die Parker und seine Kumpel bei einem spektakulären Raubüberfall erbeuten und in einer kleinen Kirche verstecken konnten. Während Polizei und FBI eine riesige Truppe von Jägern und Ermittlern auf die Beine stellen, versucht Parker mit allen Mitteln, an sein Geld zu kommen - doch auf den Zaster haben es zu seinem Leidwesen auch andere Parteien abgesehen. Und überall hängt Parkers Konterfei aus. In diesem letzten, kurz vor seinem Tod veröffentlichten Krimi zieht Westlake noch einmal sämtliche Register seines Könnens - raffinierte Handlungsführung, staubtrockene Dialoge und präzise, schlackenlose Erzählweise.

Mit der kleinen Reihe um den eloquenten, schlitzohrigen Wanderschauspieler und Berufsdieb Alan Grofield, der sich Geld ergaunert, um vielleicht einmal ein eigenes Theater zu eröffnen, und hin und wieder auch mit Parker zusammenarbeitet, sowie der humoristischen Serie um den Gentleman-Einbrecher und notorischen Pechvogel John Archibald Dortmunder und seine Gurkentruppe, bestehend aus dem Autodieb Kelp, dem Safeknacker Hermann X, dem ehemaligen FBI-Agenten Viktor und dem Amateurrennfahrer March, setzte Westlake prägnante Kontrapunkte zu den Parker-Romanen.

Eine weitere Serienfigur ist der schuldgeplagte Ex-Cop Mitch Tobin aus New York City. Dieser lag während des Dienstes mit einer Frau, jedoch nicht der eigenen, im Bett, als sein Partner erschossen wurde, musste deshalb den Polizeidienst quittieren, zog sich zurück und errichtete eine Mauer um sich. Auf Druck seiner Frau Kate, die ihm den Seitensprung verziehen hat, betätigt er sich gelegentlich als Privatermittler - und findet im Fortgang der Serie allmählich wieder ins Leben zurück.

Zu Westlakes ambitioniertesten Büchern zählt der Politthriller 'Kahawa' (Kahawa ist die suahelische Bezeichnung für Kaffee), der mit einem Ensemble von facettenreich gezeichneten Figuren aufwartet: Die kriegserprobten Ex-Söldner Lew Brady und Frank Lanigan, der gewiefte asiatische Geschäftsmann Mazar Balim, Baron Chase, ein skrupelloser Weisser, der in Uganda politische Karriere machte - und der legendäre Despot Idi Amin, der den Brasilianern Kaffee im Wert von 6 Millionen Dollar verkaufen will. Und dann ist der ganze Kaffee plötzlich spurlos verschwunden.

In seinem zeitkritischen, mit grimmigem Humor erzählten Spätwerk 'Der Freisteller' zeigt sich Westlake als Meister des inneren Monologs. Der Ich-Erzähler Burke Devore, leistungsorientiertes, fürsorgliches Familienoberhaupt, wird mit fünfzig Jahren aus seinem Job im mittleren Management einer Papierfabrik wegrationalisiert. Seit mehr als einem Jahr arbeitslos und ohne Aussicht auf eine neue Stelle, nimmt der bisher untadelige Mann in seiner wachsenden sozialen und finanziellen Not die Luger seines Vaters aus dem Schrank - und schiesst sich kaltblütig (und höchst erfolgreich!) in die Arbeitswelt zurück.

Westlake war von 1957 bis 1966 mit Nedra Henderson und von 1967 bis 1975 mit Sandra Foley verheiratet. 1979 vermählte er sich mit der Sachbuchautorin Abigail "Abby" Adams und lebte mit ihr auf einer ehemaligen Farm in New York State und in Manhattan. Am Silvesterabend 2008, während eines Urlaubs in Mexiko, erlag er mit 75 Jahren einem Herzversagen. Er hinterliess Abigail und vier Söhne aus den vorherigen Ehen - Sean, Steven, Paul und Tod.

Bibliografie:
Parker-Serie (als Richard Stark): 'The Hunter' (auch unter den Titeln 'Payback' und 'Point Blank') - 'Payback' (auch unter den Titel 'Jetzt sind wir quitt' und 'The Hunter', 1962), 'The Man with the Getaway Face' (auch unter dem Titel 'The Steel Hit') - 'Parkers Rache' (1963), 'The Outfit' - 'Die Gorillas' (1963), 'The Mourner' - 'Ein Job für Parker' (1963), 'The Score' (auch unter dem Titel 'Killtown') - 'Stadt im Würgegriff' (1964), 'The Jugger' - 'Parkers Urteil' (1965), 'The Seventh' (auch unter dem Titel 'The Split') - 'Parker und der Amateur' (1966), 'The Handle' (auch unter dem Titel 'Run Lethal') - 'Das Kasino vor der Küste' (1966), 'The Rare Coin Score' - 'Sein Gewicht in Gold' (1967), 'The Green Eagle Score' - 'Unternehmen grüner Schnee' (1967), 'The Black Ice Score' - 'Unternehmen Schwarzes Eis' (1968), 'The Sour Lemon Score' - 'Eine Falle für Parker' (1969), 'Deadly Edge' - 'Ein wunder Punkt kann töten' (1971), 'Slayground' - 'Ich bin die dritte Leiche links' (1971), 'Plunder Squad' - 'Harte Zeiten, weiche Knie' (1972), 'Butcher's Moon' - 'Blutiger Mord' (1974), 'Comeback' - 'Verbrechen ist Vertrauenssache' (1997), 'Backflash' - 'Sein letzter Trumpf' (1998), 'Flashfire' - 'Irgendwann gibt jeder auf' (2000), 'Firebreak' - 'Der Gewinner geht leer aus' (2001), 'Breakout' - 'Das grosse Gold' (2002), 'Nobody Runs Forever' - 'Keiner rennt für immer' (2004), 'Ask the Parrot' - 'Fragen Sie den Papagei' (2006), 'Dirty Money' - 'Das Geld war schmutzig' (2008;
Mitch Tobin-Serie (als Tucker Coe): 'Kinds of Love, Kinds of Death' - 'Auf totem Gleis' (1966), 'Murder Among Children' - 'Das hab ich nicht gewollt' (1967), 'Wax Apple' - 'Der Wachsapfel' (1970), 'A Jade in Aries' - 'Keine Schonzeit für Widder' (1971), 'Don't Lie to Me' - 'Sag die Wahrheit, Kollege' (1972);
Alan Grofield-Serie (als Richard Stark): 'The Damsel' - 'Mädchenraub in Mexiko' (1967), 'The Dame' - 'Kein Rum für Puerto Rico' (1969), 'The Blackbird' - 'Die Singdrossel' (1969), 'Lemons Never Lie' - 'Zunder, Zaster und Zitronen' (1971);
John Archibald Dortmunder-Serie (als Donald E. Westlake): 'The Hot Rock' - 'Finger weg vom heissen Eis' (auch unter dem Titel 'Fünf schräge Vögle', 1970), 'Bank Shot' - 'Fünf gegen eine Bank' (1972), 'Jimmy the Kid' - 'Jimmy the Kid' (1974), 'Nobody's Perfect' - 'Jeder hat so seine Fehler' (1977), 'Why Me?' (1983), 'Good Behavier' (1986), 'Drowned Hopes' (1990), 'Don't Ask' (1993), 'What's the Worst That Could Happen?' (1996), 'Bad News' (2001), 'The Road to Ruin' (2004), 'Thieves' Dozen' (Stories, 2004), 'Watch Your Bank' (2005), 'What's So Funny' (2007);
'Samuel Holt-Serie (als Samuel Holt): 'I Know a Trick Worth Two of That' (1986), 'One of Us Is Wrong' (1986), 'What I Tell You Three Times Is False' (1987), 'The Fourth Dimension Is Death' (1989);
Standalones:
Als Donald E. Westlake: 'The Mercenaries' (auch unter den Titeln 'The Smashers' und 'The Cutie') - 'Das Gangstersyndikat' (1960), 'Killing Time' (auch unter dem Titel 'The Operator') - 'Einer von Sieben' (1961), '361' - 'Höllenfahrt' (auch unter dem Titel 'Mafiatod', 1962), 'Killy' - 'Übung macht den Mörder' (1963), 'Pity Him Afterwords' - 'Ein Irrer macht Urlaub' (1964), 'The Fugitive Pigeon' - 'Wem die Sekunde schlägt' (1965), 'The Busy Body' - 'Heroin und viele Dollars' (1966), 'The Spy in the Ointment' - 'Held wider Willen' (1967), 'God Save the Mark' - 'Geld macht doch glücklich' (1967), 'Philip' (1967), 'Who Stole Sassi Manoon?' - 'Wer stahl Sassi Manoon?' (1968), 'Somebody Owes Me Money' - 'Ich will mein Geld' (1969), 'Up Your Banners' (1969), 'Adios, Schehezerado' (1970), 'I Gave At the Office' (1971), 'Cops and Robbers' - 'Räuber in Uniform' (1972), 'Gangway' - 'Bahn frei für eine Fuhre Gold' (gemeinsam mit Brian Garfield, 1973), 'Help, I'm Being Held Prisoner' - 'Hilfe, man hält mich gefangen' (1974), 'Brothers Keepers' (1975), 'Two Much' - 'Two much' (auch unter dem Titel 'Zwei sind zuviel', 1975), 'Dancing Aztecs' (auch unter dem Titel 'A New York Dance', 1976), 'Enough' - 'Einmal reicht noch lange nicht' (1977), 'A Castle in the Air' - 'Ein Luftschloss wird gejagt' (1980), 'Kahawa' - 'Kahawa' (1981), 'A Likely Story' (1984), 'High Adventure' (1985), 'Transsylvania Station' (gemeinsam mit Abby Westlake, 1987), 'High Jinx' (gemeinsam mit Abby Westlake', 1987), 'The Hood House Heist' (1987), 'Trust Me on This' (1988), 'Double Crossing' (1988), 'The Maltese Herring' (1988), 'Way Out West' (1988), 'Sacred Monster' (1989), 'Humans' (1992), 'Baby, Would I Lie?' (1994), 'Smoke' (1995), 'The Ax' - 'Der Freisteller' (1997), 'The Hook' (2000), 'Put a Lid on It' (2002), 'Money for Nothing' (2003).
Als Timothy J. Culver: 'Ex Officio' (auch unter dem Titel 'Power Play', 1970).
Als Morgan J. Cunningham: 'Comfort Station' (1973).

++ Erstellt: November 2015 ++  


Weston, Carolyn

(1921-2001)

Aufgewachsen in Hollywood zur Zeit der Grossen Depression, arbeitete Carolyn Weston während des Zweiten Weltkriegs in einer Flugzeugfabrik. Danach bereiste sie die Vereinigten Staaten und hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, bis sie nach Kalifornien zurückkehrte und zu schreiben begann. Mehr weiss man nicht über das Leben dieser Autorin, die 80-jährig in Santa Monica verstarb.

Westons Romanwerk besteht aus den Spionagethrillern 'Tormented' und 'Danju Gig' und der (auch auf Deutsch vorliegenden) Al Krug & Casey Kellog-Trilogie, deren erster Band 'Poor, Poor Ophelia' die Grundlage für die höchst erfolgreiche 1970er-TV-Serie 'The Streets of San Francisco' darstellte.

Sergeant Al Krug, ein routinierter, grantiger Cop der alten Schule, und Detective Casey Kellog, ein ehemaliger Surfer, der noch immer bei seiner Mutter lebt und in einem Mustang durch die Gegend braust, sind als gegensätzliche Partner in Santa Monica auf der Piste - als Vorbilder der im Fernsehen von Karl Malden und Michael Douglas verköperten Bullen Mike Stone und Steve Keller, die ihrem Beruf in San Francisco nachgehen. Die drei Krimis leben von geschickter, schnörkelloser Handlungsführung und knackigen Dialogen, während es den Haupt- und Nebenfiguren etwas an Tiefe fehlt.

Bibliografie:
'Tormented' (1956), 'Danju Gig' (auch unter dem Titel 'Spy in Black', 1969);
Al Krug & Casey Kellog-Trilogie: 'Poor, Poor Ophelia' - 'Kein Alibi für Mr. Farr' (1972), 'Susannah Screaming' - 'Sie hat noch geschrien' (1972), 'Rouse the Demon' - 'Gruppentherapie' (1976).

++ Erstellt: November 2015 ++  


Wetering, Janwillem van de

(1931-2008)

Janwillem van de Wetering wurde als Sohn eines reichen Kaufmanns in Rotterdam geboren und wuchs auch dort auf. Als Neunjähriger erlebte er die Bombardierung seiner Stadt durch die Deutschen, ein Ereignis, das ihn zutiefst erschütterte. Nach der Schulzeit absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung an der Technischen Universität Delft. 1952 vermittelte ihm sein Vater einen Job bei einer holländischen Firma in Kapstadt, den er jedoch nur kurz ausübte. Stattdessen ging er eine erste (kurze) Ehe mit einer Künstlerin, Edyth, ein, verkehrte vorzugsweise in der Kapstadter Beatnik-Szene und schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. Nach einem kurzen Aufenhalt in London, während dem er sich intensiv mit Philosophie befasste, ging er 1958 für achtzehn Monate ins japanische Kyoto, um dort in einem Kloster die Lehre des Zen-Buddhismus zu studieren. Seine letztlich erfolglose Suche nach der Erleuchtung beschrieb er in einer dreiteiligen Buchreihe.

Wetering arbeitete anschliessend als Kaufmann in Lateinamerika, zuerst in Bogota, Kolumbien, dann in Lima, Peru, wo er Juanita Levy heiratete. Ab 1963 war er als Liegenschaftsmakler in Brisbane, Australien, tätig. 1965 übernahm er die Textilfabrik seines verstorbenen Schwiegervaters in den Niederlanden. Nebenbei arbeitete er fast acht Jahre bei der Amsterdamer Polizei, um der Einberufung in die Armee zu entgehen, und nahm zuletzt den Grad eines Inspektors ein.

1975 wanderte er mit Juanita und ihrer gemeinsamen Tochter Thera nach Amerika aus, nach Surry, an der Küste von Maine, und wurde Schriftsteller, Bildhauer, Übersetzer und später Herausgeber japanischer Krimi-Anthologien. Er verfasste Kinderbücher (unter anderem die Serie um Stachel-Charlie), einen Comic, Sachbücher über den Zen-Buddhismus, Kurzgeschichten (darunter eine Reihe von Erzählungen um den japanischen Inspektor Saito, aber auch einige Stories mit den Amsterdamer Cops), ein Theaterstück und, beeinflusst von Georges Simenon und Robert von Gulik, die legendäre, in niederländischer und englischer Sprache verfasste Amsterdam-Cops-Serie, deren Versionen sich teilweise erheblich unterscheiden. Nach dem elften Krimi verbrachte er acht Jahre mit Schiffsreisen durch die Welt. Zurück in Maine, setzte er seine schriftstellerische Laufbahn fort. Van de Wetering starb 77-jährig in seiner Wahlheimat. Er hinterliess seine Frau und seine Tochter.

Die Amsterdam-Cops - der übergewichtige, unglücklich verheiratete Zyniker Adjutant Henk Grijpstra, der athletische, etwas melancholische Frauenheld Brigadier Rinus de Gier und der namenlose Commissaris (von ihm erfahren wir nur den Vornamen Jan), ein älterer, von Rheuma geplagter, adrett gekleideter Polizeioffizier, ein gütiger, bescheidener Mann und blitzgescheiter, listenreicher Ermittler - zählen zu den originellsten Protagonisten der Kriminalliteratur. Grijpstra und de Gier betrachten ihre Fälle als zen-buddhistische Aufgaben, glauben an Magie, lehnen Gewalt ab und spielen während der Arbeit Bach auf Schlagzeug und Querflöte, um sich zu entspannen und vielleicht erleuchtet zu werden.
In Weterings bekanntestem Krimi 'Massaker in Maine' reisen der Commissaris und de Gier wegen einer familiären Angelegenheit ins ländliche Maine - und werden dort in einen höchst komplizierten Mordfall verwickelt, dessen Auflösung sie beinahe das Leben kostet.
Nach dem elften Roman 'Der Feind aus alten Tagen', in dem die Amsterdam-Cops per Zufall auf einen Haufen Drogengeld stossen, dieses unterschlagen und mit Hilfe ihres väterlichen Mentors, des Commissaris, durch geschickte Anlagestrategien gar verdoppeln, ziehen sie sich vom Polizeidienst zurück. Rinus de Gier und Henk Grijpstra gründen in Amsterdam die Privatdetektei G & G, führen ein weitgehend sorgenfreies Leben und nehmen nur ganz sporadisch einen Fall an.

Bibliografie (in der Regel nur englische und deutsche Titel):
Amsterdam Cops-Serie: 'Outsider in Amsterdam' - 'Outsider in Amsterdam' (1975), 'Tumbleweed' - 'Eine Tote gibt Auskunft' (1976), 'The Corpse on the Dike' - 'Der Tote am Deich' (1976), 'Death of a Hawker' - 'Tod eines Strassenhändlers' (1977), 'The Japanese Corpse' - 'Ticket nach Tokio' (1977), 'The Blond Baboon' - 'Der blonde Affe' (1978), 'The Maine Massacre' - 'Massaker in Maine' (1979), 'The Mind-Murders' - 'Ketchup, Karate und die Folgen' (1979), 'The Streetbird' - 'Der Commissaris fährt zur Kur' (1982), 'The Rattle-Rat' - 'Rattenfang' (1984), 'Hard Rain' - 'Der Feind aus alten Tagen' (1985), 'Just a Corpse at Twilight' - 'De Gier im Zwielicht' (1993), 'The Hollow-Eyed Angel' - 'Strassenkrieger' (1996), 'The Perfidious Parrot' - 'Ölpiraten' (1997);
Einzelwerke: 'The Butterfly Hunters' - 'Der Schmetterlingsjäger' (1982), 'Safe Feeling' - 'Das sichere Gefühl' (1983), 'Murder by Remote Control' - 'Mord per Fernbedienung' (Graphic Novel, 1984), 'Aap' (nur holländische Fassung, 1987), 'Seesaw Millions' (nur holländische Fassung', 1988), 'Habgier' (nur in deutscher Übersetzung, 1999), 'Die entartete Seezunge (auch unter dem Titel 'Der Freund, der keiner war', Kriminalnovelle, nur in deutscher Übersetzung, 2002).

++ Erstellt: Dezember 2011 ++  


White, Lionel

(1905-1985; schrieb auch als L. W. Blanco und Nick Carter)

Lionel White - sein Lebenslauf ist nur fragmentarisch bekannt - arbeitete von 1923 bis 1925 als Polizeireporter in Ohio und von 1925 bis 1951 als Redakteur und Herausgeber einer Zeitschrift, die sich mit wahren Verbrechen befasste, im Zweiten Weltkrieg diente er bei der US Army. 1953 wechselte er den Beruf und verfasste in den folgenden zweieinhalb Jahrzehnten rund drei Dutzend harte und temporeiche - nicht immer den Gesetzen der Logik folgende - Kriminalromane, alles Einzelwerke, in denen zumeist Verbrecher im Mittelpunkt stehen (in der 'New York Times' wurde der Autor einst als "Master of the big caper" bezeichnet, und Tarantino liess sich offenbar durch White für seinen Film 'Reservoir Dogs' inspirieren).

'Poker mit dem Satan' aus dem Jahre 1954, 'Totenschein im Handgepäck', 1955 herausgekommen und ein Jahr später von Stanley Kubrik unter dem Titel 'Killing' verfilmt, und 'The Big Caper, ebenfalls 1955 erschienen, sind Whites bekannteste Romane.

'Poker mit dem Satan' erzählt von Lieutenant Marty Ferris von der New Yorker Mordkommission, einem unbeugsamen, ungemein fähigen Ermittler, der die Seiten wechselt, als er von einem Kollegen Hinweise erhält, dass seine schöne Frau Fern ihn belogen und betrogen hat - er plant ihre Ermordung.

In 'Totenschein im Handgepäck' will der kürzlich aus dem Gefängnis entlassene Berufsverbrecher Johnny Clay die prall gefüllte Kasse einer Pferderennbahn erbeuten. Der Plan ist gut, doch bei der Wahl seiner Helfer - vier kleinbürgerliche Typen mit Geldsorgen, aber ohne jegliche kriminelle Erfahrung - greift Clay arg daneben.

Bibliografie:
'The Snatchers' - 'Der Todesschrei im Morgengrauen' (1953), 'To find A Killer' (auch unter dem Titel 'Before I Die') - 'Poker mit dem Satan' (1954), 'Love Trap' (1955), 'The Big Caper' (1955), 'Clean Break' (auch unter dem Titel 'The Killing') - 'Totenschein im Handgepäck' (auch unter dem Titel 'Der Millionencoup', 1955), 'Flight into Terror' - 'Flucht in den Schrecken' (auch unter dem Titel 'Flucht in die Gefahr', 1955), 'Operation - Murder' (1956), 'The House Next Door' - 'Das Haus nebenan' (1956), 'Right for Murder' (1957), 'Hostage for a Hood' (1957), 'Death Takes the Bus' - 'Requiem in Manhattan' (1957), 'Too Young to Die' (1958), 'Coffin for a Hood' - 'Wer von uns ist morgen dran?' (1958), 'Invitation to Violence' - 'Heisser Schmuck' (1958), 'The Merriwether File' - 'Mörder unter sich' (1959), 'Rafferty' (1959), 'Run Killer, Run' (1959), 'Lament for a Virgin' (1960), 'Steal Big' - 'Der grosse Job' (1960), 'The Time of Terror' - 'Terror' (1960), 'Marilyn K' (1960), 'A Grave Undertaking' - 'Das Bestattungsinstitut' (1961), 'A Death at Sea' (1961), 'Obsession' - 'Kein Weg zurück' (1962), 'The Money Trap' - 'Manche mögen Mord' (1963), 'The Ransomed Madonna'- 'Lösegeld für eine Madonna' (1964), 'The House on K Street' - 'Gefährliche Nachbarn' (1965), 'A Party to Murder' - 'Die Weihnachtsparty' (1966), 'The Night of the Rape' - 'Die Nacht der Gewalt' (1967), 'The Crimshaw Memorandum' - 'Die 100 Dollar Stimme' (1967), 'Hijack' - 'Mit Vollgas ins Verderben' (1970), 'Death of a City' - 'Die schwarzen und die weissen Ratten' (1970), 'A Rich and Dangerous Game' - 'Die Todesfahrt' (1974), 'The Mexico Run' - 'Giftige Träume' (1974), 'Jailbreak' (1976), 'The Walled Yard' (1978).
Als L.W. Blanco: 'Spykill' (1966).
Als Nick Carter: 'The Mind Prisoners' (gemeinsam mit Valerie Moolman, 1966).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Whitfield, Raoul

(1896-1945; schrieb auch als Ramon Decolta und Temple Field)

Raoul Whitfield, als Sohn eines wohlhabenden, im Staatsdienst stehenden Verwaltungsbeamten in New York City geboren, verbrachte einen grossen Teil seiner Jugendzeit auf den Philippinen mit regelmässigen Abstechern nach Japan und China. 1914 kehrte er in die USA zurück und bestritt seinen Lebensunterhalt kurze Zeit als Stummfilmschauspieler in Hollywood. In der letzten Phase des Ersten Weltkriegs stand er in Frankreich als Jagdflieger im Einsatz.

Nach dem Krieg arbeitete Whitfield als Reporter für die 'Pittsburgh Post' und verrichtete Gelegenheitsjobs. 1923 heiratete er die Journalistin Prudence Van Tine. Drei Jahre danach zog das Paar an die Westküste Floridas, und Whitfield wurde hauptberuflicher Autor. Die Ehe wurde 1933 geschieden. Wenige Wochen später heiratete Whitfield die New Yorker Intellektuelle Emily Vanderbilt Thayer und liess sich mit ihr auf einer Ranch in New Mexico nieder. Das Paar bereiste die Welt, doch die Ehe hielt nicht lange. Im Sommer 1935 wurde Emily erschossen aufgefunden: ein unklar bleibender, offiziell als Suizid deklarierter Tod, der von Walter Satterthwait im 2006 publizierten Roman 'Dead Horse' behandelt wird.

Raoul Whitfield, der 1926 seine ersten Stories im Magazin 'Black Mask' veröffentlicht hatte, schrieb - zumeist unter dem Pseudonym Ramon Decolta - bis 1934 hundertfünfundfünfzig Kriminal-, Flieger- und Kriegs- Agenten- und Abenteuergeschichten für Jugendliche und Erwachsene, seine bedeutendsten Serienhelden waren der Pilot Gary Greer und der Privatdetektiv Jo Gar aus Manila. Anfang der 30er-Jahre verfasste er überdies eine Handvoll harte, schnelle Kriminalromane, darunter 'Grünes Eis', sein bekanntestes Werk, das auf fünf 1929 und 1930 erschienenen Stories basiert. Auch für seinen zweiten Roman 'Der letzte Paukenschlag' stützte sich Whitfield auf Material aus einigen Kurzgeschichten, in denen der Privatdetektiv Ben Jardinn aus Los Angeles die Hauptrolle innehat.

'Grünes Eis', angesiedelt in New York City, kreist um eine Handvoll Smaragde, hinter denen offenbar unzählige Gauner und Gangster her sind. Die Hauptperson ist der eben erst aus Sing-Sing entlassene Ex-Journalist Mal Ourney (er verbrachte dort unschuldig zwei Jahre, weil er seiner Freundin Dot Ellis aus der Bredouille half), dessen Bekannte in der Folge reihenweise um die Ecke gebracht werden, unter ihnen Dot, und auch die Anschläge auf Mals Leben beginnen sich zu häufen. Kann Mal seine - lange Zeit recht nebulös bleibenden - Ziele trotzdem verwirklichen? Bzw.: Gelingt es ihm wenigstens, seine Haut zu retten?

Als Schriftsteller stand Raoul Whitfield stets im Schatten seines Freundes und Saufkumpans Dashiell Hammett. Nach dem Tod seiner zweiten Frau verstummte der Autor. Zehn Jahre später, an Tuberkulose erkrankt, verarmt und vom Alkohol schwer gezeichnet, starb er 48-jährig in einem Militärkrankenhaus in San Fernando.

Bibliografie:
'Green Ice' - 'Grünes Eis' (1930), 'Death in a Bowl' - 'Der letzte Paukenschlag' (1931), 'The Virgin Kills' - 'Hart auf Kurs' (1932).
Als Temple Field: 'Five' (1931), 'Killer's Carnival' (1932).

++ Erstellt: Oktober 2010 ++  


Whittington, Harry

(1915-1989; schrieb auch als Harry White, Whit Harrison, Hondo Wells, Clay Stuart, Hallum Whitney, Harriet Kathryn Meyers, Ashley Carter, Robert Hart Davis, Tabor Evans, Kel Holland, Harriet Kathryn Myers, Blaine Stevens, Kyle Onstott, Lance Horner)

Harry Whittington, geboren in Ocala, Nord-Florida, aufgewachsen auf einer Kuh-Farm, arbeitete nach der Schulzeit für eine Werbeagentur in St. Petersburg. 1936 vermählte er sich mit Kathryn Odom. Ab 1938 war er Redakteur beim Blatt 'Advocate' in St. Petersburg, bis er 1945 in die Navy eingezogen wurde. Nachdem er 1943 seine erste Story verkauft hatte, machte er nach der Militärzeit das Schreiben zum Hauptberuf und brachte fürderhin in horrendem Tempo Western, Romanzen, Soft Pornos, Arztgeschichten, Heimatromane und Thriller zu Papier. Whittington, der "König der Taschenbuchpioniere", bezeichnete sich als harten Arbeiter, und er liebte seinen Beruf: Wie sonst wäre es ihm möglich gewesen, in zwanzig Jahren gegen zweihundert Romane zu veröffentlichen?

Verbittert über die Machenschaften seiner Verleger, gab er 1968 das Romanschreiben auf, um mehrere Jahre lang redaktionelle Arbeiten für das Landwirtschaftsdepartement zu verrichten. Später kehrte er als Autor zurück und publizierte von 1976 bis 1986 zahlreiche Western und historische Südstaaten-Romane. Whittington verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in St. Petersburg, West-Florida, die letzten Jahre im benachbarten Küstenort Indian Rocks Beach, hoch über dem Golf von Mexiko.

Den Durchbruch schaffte Whittington in den 50er-Jahren mit einer Reihe von temporeichen und spannungsgeladenen, in einem lakonischen Stil erzählten Noir-Romanen. 'Du bist als nächster dran!' (mit einem Nachwort von Bill Crider und einer umfassenden Bibiliographie versehen), 'Im Netz' (durch ein gut zwanzigseitiges Nachwort von Whittington selbst aus dem Jahre 1986 abgerundet) und 'Vergib mit, Killer' sind in neueren deutschsprachigen Übersetzungen erhältlich.

Im Mittelpunkt des Krimis 'Vergib mir, Killer' steht Mike Ballard, Leiter des Sittendezernats einer namenlosen Stadt, ein zynischer, illusionsloser Bulle, der auf der Lohnliste des Gangsters Alex Luxtro steht. Mike soll den wegen Mordes an der Prostituierten Ruby Venuto in der Todeszelle sitzenden Earl Walker vor der Hinrichtung bewahren, ausgerechnet Mike, der auf Walkers Frau Peggy scharf ist; und der in einen Schlamassel gerät, als ihn die Polizei - und infolgedessen auch sein "Chef" Luxtro loswerden will.

In 'Du bist als nächster dran!' wird Harry Wilson, ein friedlicher, eher unauffälliger Buchhalter, der seit ein paar Monaten glücklich mit der schönen Ex-Sängerin Lila verheiratet ist, eines Tages grundlos zusammengeschlagen, dann erhält er einen Drohbrief von einem gewissen Sam und verliert seine Stelle. Wird er mit einem anderen Mann verwechselt? Oder wirft Lilas Vergangenheit Schatten auf sein Leben? Für Harry beginnt ein Alptraum.

'Im Netz' dreht sich um den erfolgreichen Anwalt Charley Brower und seine umwerfende Sekretärin Laura, die den perfekten Mord an Browers steinreicher Frau Cora planen. Alles scheint rund zu laufen, doch dann wird Laura erschlagen aufgefunden, und Charley sitzt nicht nur die Polizei, sondern erst recht die durchtriebene Schlampe Victoria, die ihm sexuell verfallen ist, und Lauras gewalttätiger Ehemann im Nacken. Am Schluss der atemberaubenden Geschichte sitzt Charley im Rollstuhl, ist mit Victoria verheiratet - und sehnt sich nach dem Tod.

Bibliografie (nur Krimis):
Als Harry Whittington: 'Slay Ride for a Lady' - 'Mord ist keine Lösung' (auch unter dem Titel 'Todestanz um Mitternacht', 1950), 'The Brass Monkey' (19519), 'Call me Killer' - 'Ich soll der Mörder sein' (1951), 'Fires that Destroy' - 'Gefährliche Träume' (1951), 'The Lady Was a Tramp' (auch unter dem Titel 'Murder at Midnight', 1951), 'Married to Murder' - 'Toter Mann, was nun?' (auch unter dem Titel 'Marmorkalt und leichenblass', 1951), 'Murder Is My Mistress' - 'Liebling, ich bring dich um' (1951), 'Forever Evil' (1951), 'Satan's Widow' (1952), 'Drawn to Evil' (1952), 'Mourn the Hangman' - 'Tränen für den Henker' (1952), 'Girl on Parole' (1952), 'Savage Love' (1952), 'This Woman Is Mine' - 'Jagd auf Joyce' (auch unter dem Titel 'Mir gehört die Frau', 1953), 'Cracker Girl' (1953), 'Prime Sucker' (1953), 'You'll Die Next' - 'Du bist als nächster dran!' (1954), 'One Got Away' - 'Jäger oder Gejagter?' (1955), 'Forgive Me, Killer' (auch unter dem Titel 'Brute in Brass') - 'Vergib mir Killer' (auch unter den Titeln 'Der Mann in der Todeszelle' und 'Die Zwickmühle', 1956), 'The Humming Box' - 'Jeder stirbt auf seine Weise' (auch unter dem Titel 'Auf den Schwingen des Todes', 1956), 'Saturday Night Town' (1956), 'A Woman on the Place' (1956), 'One Deadly Dawn' (1957), 'Play for Keeps' - 'Blond und verwegen' (1958), 'Web of Murder' - 'Im Netz' (1958), 'A Moment to Prey' (auch unter dem Titel 'Blackwoods Tramp', 1959), 'Halfway to Hell' (1959), 'Strange Bargain' (1959), 'Strangers on Friday' - 'Freitags in einer fremden Stadt' (1959), 'A Ticket to Hell' (1959), 'Connolly's Woman' (1960), 'The Devil Wears Wings' (1960), 'Guerilla Girls' (1960), 'Heat of Night' (1960), 'Hell Can Wait' (1960), 'A Night for Screaming' (1960), 'Nita's Place' (1960), 'Rebel Woman' (1960), 'Vengeance ist the Spur' (1960), 'Any Woman He Wanted' (1960), 'God's Back Was Turned' (1961), 'Journey into Violence' (1961), 'A Haven for the Damned' (1962), 'Hot as Fire, Cold as Ice' (1962), '69 Babylon Park' (1962), 'Don't Speak to Strange Girls' (1963), 'The Doomsday Affair' (1965), 'Doomsday Mission' (1967), 'Burden's Mission' - 'Adam Burdens Mission' (1968).
Als Whit Harrison: 'Swamp Kill' (1951), 'Body and Passion' (auch unter dem Titel 'Dear Deadly Past', 1951), 'Violent Night' (1952), 'Rapture Alley' (1952), 'Shanty Road' (1953), 'Strip the Town Naked' (1953).
Als Hallam Whitney: 'Shack Road' (1953), 'City Girl' (1953), 'The Wild Seed' (1955).

++ Erstellt: September 2010 ++  


Willard, Fred

Fred Willard kam in Atlanta, Georgia, zur Welt, wo er auch aufwuchs und die Cross Keys High School und die Brown University besuchte. Nach dem Studium hing er viele Jahre ziellos in Atlanta herum, arbeitete aber auch als Fotoreporter des Blattes 'Marietta Daily Journal', bis er wegen einer Gelenkserkrankung kürzer treten musste und zu schreiben begann - zunächst im Sinne einer Beschäftigungstherapie. Der mit seiner Frau Brianne in Atlanta ansässige Vater einer Tochter hat bislang zwei groteske, mit herrlichen Szenen, spritzigen Dialogen und frechen Sprüchen gewürzte, Elmore Leonard verpflichtete Krimis herausgegeben.

In Willards Romandebüt 'Spiel mit bösen Jungs' (Originaltitel: 'Down on Ponce'), das offenbar autobiografische Züge trägt, zieht der ehemalige Drogenschmuggler Sam Fuller in der Ponce de Leon Avenue, genannt "die Ponce", ansässigen, einer von hoffnungslosen Aussenseitern bevölkerten Strasse Atlantas, mit seinen vier Kumpanen - einem Ex-Sträfling, einem aus der Klinik entwichenen Spinner und zwei schwer behinderten Obdachlosen - und einer jungen Rechtsanwältin in den Kampf gegen das organisierte Verbrechen, gegen die ganze kriminelle Welt, um Rache zu üben - und zu einem Haufen Geld zu kommen: Der millionenschwere Gangster Billy "Dong" Chandler ist das Objekt ihrer Begierde.

'Prinzessin Liederlich', eine schnelle, multiperspektivisch angelegte und in über sechzig knappe Kapitel gegliederte Erzählung, kreist um Johnny McLendon, ein Froschgesicht mit kleinem Hirn und riesigem Vermögen, der seine patriotischen Dienste für sechs Millionen Dollar der CIA anbietet. Die smarten Gauner Ray Justus und Peanut Shoke und die "liederliche Prinzessin" Ginger Loudermilk, Rays Freundin, erfahren zufällig davon und wittern ihre Chance auf McLendons Geld. Hinter den Millionen sind aber auch der abgehalfterte CIA-Veteran Bill Schiller, ein paar Knallchargen aus dem Dunstkreis der Geheimdienste sowie Maggie Donald, die ausgebuffte Witwe eines CIA-Agenten, her.

Bibliografie:
'Down on Ponce' - 'Spiel mit bösen Jungs' (1997), 'Princess Naughty and the Woodoo Cadillac' - 'Prinzessin Liederlich' (2000).

++ Erstellt: November 2010 ++  


Willeford, Charles

(Kürzel für Charles Ray Willeford III, 1919-1988; schrieb auch als Will Charles)

Charles Willeford, geboren in Little Rock, Arkansas, Vollwaise mit acht, wuchs zuerst in Internaten, später bei seiner in Los Angeles ansässigen Grossmutter und auf der Strasse auf. Mit sechzehn ging er zum Militär und war zwanzig Jahre Berufssoldat. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er als Panzerkommandant in Pattons Armee vornehmlich auf europäischen Schauplätzen und wurde mehrmals verwundet und ausgezeichnet. 1953 debütierte er als Romanautor. Nach etlichen privaten (Scheidung, Depressionen) und beruflichen Tiefschlägen ging er 1954 nach Palm Beach, Florida. 1956 schied er aus der Armee aus. Er arbeitete als Boxer, Radiosprecher, Pferdetrainer und Schauspieler und machte eine kurze Ausbildung in Malerei in Paris. Danach studierte er drei Jahre Philosophie und Englische Literatur an der University of Miami mit einem Master-Abschluss 1964. In dieser Zeit war er auch als Redakteur für Alfred Hitchcocks Kriminalmagazin und als Krimikritiker des 'Miami Herald' tätig. Von 1968 bis 1985 unterrichtete er Englische Literatur und Philosophie an der University of Miami.

In seinem ersten Roman 'Der Hohepriester' erzählt Willeford die kaputte Liebesgeschichte des Russel Haxby, eines schmierigen Gebrauchtwagenhändlers und hinterhältigen Manipulators, und der spröden, naiven Alyce Vitale. Russel will Alyce um jeden Preis ins Bett bekommen, selbst wenn er dazu ihren pflegebedürftigen Ehemann, dessen Gehirn von der Syphilis zerfressen ist, endgültig ins Verderben stürzen muss - und ihm eigentlich gar nichts an Alyce liegt.

Bis 1962 veröffentliche er fünf weitere Romane. Nach einer neunjährigen Schriebpause folgte 'Ketzerei in Orange', der manchen Kritikern als Willefords bestes Einzelwerk gilt; eine Noir-Geschichte mit satirischen Elementen um den skrupellosen, geld- und machtgierigen Kunstkritiker James Figueras, der vor Diebstahl und Brandstiftung nicht zurückschreckt - und schliesslich sogar einen Mord begeht, um seine Ziele zu erreichen.

Erst wenige Jahre vor seinem Tod, mit der vierteiligen Hoke Moseley-Serie, gelang Willeford der literarische Durchbruch. Hoke Moseley, Detective Sergeant bei der Mordkommission des Miami Police Department, knapp über vierzig, geschiedener Vater von zwei Töchtern, übergewichtiger, fast kahler Träger eines künstlichen Gebisses, ist ein faszinierender, gebrochener Mann, der nach der Scheidung längere Zeit in einem heruntergekommenen Hotel lebte. In 'Miami Blues', dem ersten Band der Reihe, erhält er mit dem soziopathischen Freddy J. Frenger Jr., der gerade aus dem Knast kommt, einen höchst gefährlichen Gegenspieler, den er nach mitreissendem Katz-und-Maus-Spiel zur Strecke bringt.

Im zweiten Hoke-Roman 'Neue Hoffnung für die Toten' muss der finanziell gebeutelte Protagonist, der den gewaltsamen Tod eines kleinen Junkies aufklären soll, bös unten durch: Sein Vorgesetzter knallt ihm fünfzig alte, ungelöste Mordfälle auf das Pult; seine aufgeweckten Teenager-Töchter, Sue Ellen und Aileen, stehen eines Tages vor der Tür, wollen bei ihm wohnen; seine kubanisch-stämmige Partnerin Ellita Sanchez, die, als sie schwanger wird, nicht mehr im Haus ihres Vaters bleiben darf, nistet sich ebenfalls beim leicht überforderten Hoke ein; und dann will ihm erst noch die schöne und reiche Stiefmutter des toten Junkies an die Wäsche, ausgerechnet ihm, der seit endlosen Monaten keinen Sex mehr gehabt hat. Doch Hoke zieht sich letztlich bravourös aus der Affäre.

'Seitenhieb' hat zwei Hauptstränge, in denen zwei vom Leben gebeutelte Männer im Mittelpunkt stehen: Der alte Stanley, der zu Unrecht im Gefängnis landet, weil ihm eine frühreife neunjährige Göre einen üblen Streich spielt; Stanley wird zwar rehabilitiert, doch sein Leben ist aus den Fugen geraten. Er freundet sich mit dem psychopathischen Berufsverbrecher Troy Louden an, den er im Knast kennen gelernt hat - das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Die zweite Hauptfigur ist Hoke Moseley, der, plötzlich an "Gefechtsmüdigkeit" (bzw. Burnout) erkrankt, beschliesst, sein Leben zu vereinfachen, den Bettel - Job, Kinder, Ellita, Haus in Miami - hinzuwerfen und ein geruhsames Leben in der Nähe seines betuchten Vaters in Rivera Beach zu führen. Ganz am Schluss, nach einem von Troy durchgeführten, ungemein blutigen Überfall auf einen Supermarkt, prallen Hoke und Stanley aufeinander.

Den Höhepunkt von Willefords literarischem Werk bildet der die Hoke Moseley-Reihe beschliessende Roman 'Wie wir heute sterben'. Hoke, der noch immer mit seinen halbwüchsigen Töchtern und der nach der Geburt beurlaubten Polizistin Ellita Sanchez zusammenlebt und sich mit seinen "kalten" Fällen herumschlägt, erhält einen Undercover-Auftrag: Er soll aufklären, weshalb in Südflorida illegale haitianische Arbeitskräfte spurlos verschwinden. Getarnt als Landarbeiter dringt er in die archaische Sumpflandschaft ein, nimmt das Gesetz in seine Hand und räumt auf. Um bei seiner Rückkehr in Miami feststellen zu müssen, dass Ellita und seine Töchter sich auf einer Kreuzfahrt befinden - einer Kreuzfahrt mit Donald Hutton, den Hoke einst hinter Gitter gebracht hatte, und der ihm daraufhin Rache schwor; und dass er von seinen Vorgesetzten auf fieseste Art hereingelegt wurde. In diesem komplexen, mit viel schwarzem Humor erzählten Alterswerk kommen Willefords Stärken noch einmal vortrefflich zum Tragen: Er ist ein Meister des authentischen Dialogs und des inneren Monologs, der präzisen Schilderung von Haupt- und Randfiguren, des Tempo- und Perspektivenwechsels; und er fügt seine Erzählstränge sowie unzählige - wie nebenbei erwähnte - Details auf unaufgeregte Weise zu einem harmonischen Ganzen zusammen.

Neben seinen Krimis verfasste Willeford die Kurzgeschichtensammlung 'The Machine in Ward Eleven' (1963), zahlreiche Gedichte, Essays und autobiografische Texte, zwei sehr unterschiedliche Sachbücher - das eine über seine Hämorrhoiden-Operation (!), das andere über den Kriminalfall David Berkowitz alias "Son of Sam" - sowie einige nicht dem Krimigenre zuzurechnende Romane, darunter der mit Will Charles gezeichnete Western 'The Hombre from Sonora'. Im Alter von neunundsechzig erlitt Willeford in Miami einen plötzlichen Herztod. Der kinderlos gebliebene Autor hinterliess seine dritte Frau Betsy Poller, mit der er seit 1981 verheiratet war. In seinem Todesjahr sind die zweiteiligen Memoiren ('Something About a Soldier' und 'I Was Looking for a Street') herausgekommen.

Bibliografie:
Einzelwerke: 'High Priest of California' - 'Der Hohepriester' (1953), 'Pick Up' - 'Sperrstunde' (1955), 'The Black Mass of Brother Springer' (auch unter dem Titel 'Honey Gal') - 'Die Schwarze Messe' (1958), 'The Woman Chaser' (1960), 'Whip Hand' (auch unter dem Titel 'Deliver Me From Dallas!', gemeinsam mit W. Franklin Sanders, 1961), 'Cockfighter' - 'Hahnenkampf' (1962), 'The Burnt Orange Heresy' - 'Ketzerei in Orange' (auch unter dem Titel 'Die Kunst des Tötens', 1971), 'Kiss Your Ass Good-Bye' - 'Miami Love' (1987), 'The Shark-Infested Custard' - 'Playboys in Miami' (1993);
Hoke Moseley-Serie: 'Miami Blues' - 'Miami Blues' (1984), 'New Hope for the Dead' - 'Neue Hoffnung für die Toten' (auch unter dem Titel 'Auch die Toten dürfen hoffen', 1985), 'Sideswipe' - 'Seitenhieb' (1987), 'The Way We Die Now' - 'Wie wir heute sterben' (auch unter dem Titel 'Bis uns der Tod verbindet', 1988).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: November 2013 ++
 


Williams, Charles

(1909-1975)

Charles Williams kam in der texanischen Stadt San Angelo zur Welt und wuchs dort und in New Mexico auf. Nach Abschluss der High School arbeitete er von 1929 bis 1939 als Funker für die amerikanische Handelsmarine. 1939 vermählte er sich mit Lasca Foster. In den folgenden Jahren war er als Radioexperte für verschiedene Unternehmen tätig, zuerst in Galveston, Texas, danach, bis Ende des Zweiten Weltkriegs, für die Marine in Puget Sound, Washington State, und schliesslich in Los Angeles bei Mackay Radio. 1951 veröffentlichte er seinen ersten Krimi 'Hill Girl', der sich dermassen gut verkaufte, dass Williams das Schreiben zu seinem Hauptberuf machte.

Einige von Williams' besten Romanen spielen auf dem Wasser, unter ihnen 'Todesstille' aus dem Jahr 1963. John und Rae Ingram verbringen ihre Flitterwochen auf der Yacht "Saracen", die Reise führt von Florida nach Tahiti. Mitten im Pazifik treffen sie den jungen Schiffbrüchigen Hughie Warriner an und können ihn bergen. Doch Ingram traut Warriner, dessen Mitpassagiere an einer Nahrungsmittelvergiftung gestorben sein sollen, instinktiv nicht über den Weg. Als der erschöpfte Gast endlich eingeschlafen ist, begibt sich Ingram auf die sinkende "Orpheus" und findet dort zwei eingesperrte Menschen vor - Warriners Frau und ein Ekelpaket namens Bellew - derweil Warriner sein wahres Gesicht zeigt: Er überwältigt Rae und sucht mit ihr als Geisel auf der "Saracen" das Weite. Von jetzt an stellen sich nur noch zwei Fragen: Gelingt es John Ingram, das Wrack seetüchtig zu machen oder zumindest lange genug über Wasser zu halten? Und wer bleibt Sieger im Katz-und-Maus-Spiel zwischen der klugen Rae und ihrem athletisch gebauten, psychopathischen Entführer?

Zu Williams' bekanntesten und stärksten Prosawerken zählt 'Der Köder', eine mit überraschenden Wendungen aufwartende, James Mallahan Cains Klassiker 'Wenn der Postmann zweimal klingelt' verpflichtete Dreiecksgeschichte, die nur Verlierer sieht. Im Mittelpunkt steht der Football-Profi John Harlan, dessen Karriere durch einen Autounfall jäh beendet wird. Als sich herausstellt, dass der Unfall ein Mordanschlag war, wittert Harlan die Chance auf grosses Geld, trifft jedoch bei seinen Erpressungsversuchen auf eine mindestens ebenbürtige Gegnerin: die mit allen Wassern gewaschene Julia Cannon, der moralisches Denken gänzlich fremd ist.

Mit seinen pessimistischen Krimis, in denen vielmals charakterschwache Männer auf schöne, ausgekochte Frauen treffen, in der Regel mit verhängnisvollem Ausgang für den männlichen Part, reihte sich Williams unter die zweite Garnitur der amerikanischen Noir-Autoren der 50er- und 60er-Jahre. In einzelnen Werken schlug er jedoch einen leichteren Ton an - etwa in 'Der Diamanten-Bikini' und 'Mondschein-Whisky', beide mit dem Youngster Billy, der von den Abenteuern seines Onkels Sagamore berichtet.

Charles und Lasca Williams wechselten mehrmals ihren Wohnsitz. Unter anderem lebten sie längere Zeit in Frankreich, wo man seinem Werk bis heute grosse Wertschätzung entgegenbringt. 1975, drei Jahre nach dem Krebstod seiner Frau, schied Williams in seiner Wohnung in Los Angeles freiwillig aus dem Leben. Er hinterliess ihre gemeinsame Tochter Alison.

Bibliografie:
'Hill Girl' - 'Die Liebe der Brüder' (1951), 'Big City Girl' - 'Das Mädchen aus der Grossstadt' (1951), 'River Girl' - 'Das Mädchen vom Fluss' (1951), 'Nothing in her Way' - 'Der grosse Dreh' (1953), 'Hell Hath no Fury' (auch unter dem Titel 'The Hot Spot') - 'Spiel mit dem Feuer' (auch unter dem Titel 'Bis dass der Mord euch scheidet', 1953), 'A Touch of Death' - '100 Meilen Angst' (1954), 'Go Home, Stranger' - 'Sein grosser Bluff' (auch unter dem Titel ‚Nur die Toten wussten es', 1954), 'Scorpion Reef' - 'Heiss weht der Wind von Yukatan' (1955), 'The Diamant Bikini' - 'Der Diamanten-Bikini' (1956), 'The Big Bite' - 'Der Köder' (1956), 'Talk of the Town' (auch unter dem Titel 'Stain of Suspicion') - 'Drei Tage Aufenthalt' (1958), 'Man on the Run' (auch unter dem Titel 'Man in Motion' - 'Kein Alibi' (1958), 'All the Way' (auch unter dem Titel 'The Concrete Flamingo') - 'Der Flamingo-Mörder' (1958), 'Girl Out Back' (auch unter dem Titel 'Operator') - 'Der Dollarbaum' (1958), 'Uncle Segamore and his Girls' - 'Mondschein-Whisky' (1959), 'The Sailcloth Shroud' - 'Dreimal sterben ist zuviel' (1960), 'Aground' - 'Westlich der Bahamas' (1961), 'The Long Saturday Night' - 'Die lange Samstagnacht' (auch unter dem Titel 'Auf Liebe und Tod', 1962), 'Dead Calm' - 'Todesstille' (auch unter dem Titel 'Tödliche Flaute', 1963), 'The Wrong Venus' (auch unter dem Titel 'Don't Just Stand There') - 'Die falsche Venus' (1966), 'And the Deep Blue Sea' - 'Begräbnis auf hoher See' (1971), 'Man on a Leash' - 'Der Mann an der Leine' (1973).

++ Erstellt: Januar 2011 ++  


Willocks, Tim

(*1957)

Tim Willocks kam im Gebirgsstädtchen Stalybridge bei Manchester als ältestes von vier Kindern eines Maurers und einer Hausfrau zur Welt. Er besuchte katholische Privatschulen und studierte Medizin und Psychologie an der University College Medical Hospital School in London, wo er 1983 promoviert wurde. Danach arbeitete er bis 2003 hauptberuflich als Arzt und Psychiater in einer Klinik für Drogensüchtige in London, macht aber seit Anfang der 90er-Jahre auch als Filmregisseur, Drehbuch- und Romanautor von sich reden. Er pendelt zwischen London und den Vereinigten Staaten.

Willocks' zweites Buch 'Die Gefangenen von Green River' gilt als einer der besten Gefängnisromane der Weltliteratur. Green River (Texas), bis zum Dach mit Mördern, Vergewaltigern und Kinderschändern gefüllt, ist übler als alle anderen Zuchthäuser. Unter der Regie des psychopathischen Direktors John Campbell Hobbes hat sich ein schier unerträgliches Klima von Provokation, Gewalt, Paranoia und Perversion entwickelt, im Krankenlager siechen die Aids-Kranken und Junkies dahin. Als Hobbes es mit seinen grausamen Spielchen übertreibt, bricht eine apokalyptische Häftlingsrevolte aus. Der unschuldig verurteilte Arzt Ray Klein, der nur noch vierundzwanzig Stunden zu verbüssen hat, und die junge Gefängnispsychologin Juliette Devlin behalten als einzige die Übersicht, können jedoch nicht verhindern, dass 32 Mann ums Leben kommen.

'Das Sakrament' bildet den Auftakt zu der auf drei Bände angelegten, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts spielenden Mattias Tannhäuser-Serie. Historischer Hintergrund ist die "Grosse Belagerung" der Insel Malta 1565 durch das Osmanische Reich, das sich damals auf dem Höhepunkt seiner Macht befand. Die aus 200 Schiffen und 40'000 Mann bestehende, bisher ungeschlagene osmanische Kriegsflotte trifft im Mai 1565 vor der strategisch äusserst wichtigen Mittelmeerinsel ein, doch der Malteserorden, der zunächst nur 10'000 Kämpfer mobilisieren kann, leistet in seiner gewaltigen Festung erbitterten Widerstand und fügt den Türken schwere Verluste zu. Als die Verteidiger dann Unterstützung von mehreren tausend sizilianischen Kräften erhalten - unter ihnen Mattias Tannhäuser, ein legendenumrankter Mann, der seine Kindheit in der Türkei verbracht hat und jetzt in Sizilien weilt, und sein alter Freund Bors von Carlisle - wendet sich das Blatt endgültig, und die Osmanen müssen das Feld nach vier Monaten räumen. 'Das Sakrament' ist ein prächtiges, von starken, farbig gezeichneten Figuren und Willocks' Liebe zum Detail geprägtes, über 700 Seiten umfassendes Werk.

Bibliografie:
'Bad City Blues' (1991), 'Green River Rising' - 'Die Gefangenen von Green River' (1994), 'Gloodstained King' - 'Rachegöttin' (1995);
Mattias Tannhäuser-Romane: 'The Religion' - 'Das Sakrament' (2006), 'The Twelve Children of Paris' - 'Die Blutnacht' (2013).

++ Erstellt: November 2010 ++
++ Update: April 2014 ++
 


Wiltse, David

(*1940)

David Wiltse wurde in Lincoln, Nebraska, als Sohn eines Anwalts geboren und wuchs in Falls City, ebenfalls Nebraska, auf. 1963 schloss er sein Studium an der University of Nebraska mit einem Bachelor ab. Danach verfasste er Bühnenwerke, Drehbücher für Film und Fernsehen und Zeitschriftenartikel. Anfang der 80er-Jahre debütierte er als Krimiautor. Er ist zum dritten Mal verheiratet (mit Anne Keefe, der früheren künstlerischen Leiterin des Westport Country Westhouse), hat drei Töchter, unter ihnen die berühmte Fotografin Lisa Wiltse, und lebt in der Kleinstadt Weston, Connecticut.

Wiltses belletristisches Werk enthält zwölf action- und sexgeladene Kriminalromane: Die sechsteilige Serie um den legendären Ex-FBI-Agenten John Becker, zwei (nicht auf Deutsch vorliegende) Bücher um Billy Tree, Deputy Sheriff in Falls City, und vier Einzelwerke. Seit 2002 widmet sich Wiltse vorrangig dem Stückeschreiben. Er hat eine feste Anstellung am Westport Country Westhouse in Connecticut.

John Becker, zu Beginn der Serie Anfang vierzig, eine zerrissene, seit seiner scheusslichen Kindheit von Ängsten geplagte Figur, musste seine erfolgreiche Karriere als Serienkillerjäger beim FBI unterbrechen, weil er die Gewalt nicht mehr aushielt und einen psychischen Zusammenbruch erlitt. Er lebt in Clamden, einem ruhigen und reichen - fiktiven - Städtchen in Connecticut. Sein bester Freund ist der örtliche Polizeichef Thomas Terence Terhune, genannt Tee. Im ersten Roman 'Der Wille zu töten' wird Becker von Tee um Hilfe gebeten, denn in Clamden und den umliegenden Ortschaften sind in letzter Zeit auffallend viele junge Männer spurlos verschwunden. Im Verlauf der abwechselnd aus der Perspektive des Täters (dass ein Serienmörder am Werk ist, wird dem Leser bereits zu Beginn des Buches kundgetan) und des Protagonisten erzählten Geschichte nimmt dieser seine Tätigkeit beim FBI wieder auf.

Später heiratet Becker seine grosse Liebe und direkte Vorgesetzte Karen Crist, die als Associate Deputy Director der FBI-Abteilung für Serienmörder und allein erziehende Mutter ein spannungsreiches Leben führt - und in 'Nachthauch' in die Fänge eines Psychopathen gerät.

Bibliografie:
Einzelwerke: 'The Wedding Guest' - 'Der Hochzeitsgast' (1982), 'Serpent' - 'Die Giftschlange' (1983), 'The Assassin' (1984), 'The Fifth Angel' - 'Der fünfte Engel' (1985), 'Doubles' (1986), 'Home Again' - 'Schmutzige Heimat' (1986);
John Becker-Serie: 'Prayer for the Dead' - 'Der Wille zu töten' (1991), 'Close to the Bone' (1992), 'The Edge of Sleep' - 'Blutfalle' (1993), 'Into the Fire' - 'Tief ins Herz' (1994), 'Bone Deep' - 'Nachthauch' (1995), 'Blown Away' (1996);
Billy Tree-Romane: 'Heartland' (2001), 'The Hangman's Knot' (2002).

++ Erstellt: September 2011 ++  


Wingate, William

(Pseudonym für Ronald Ivan Grbich, 1939-2012)

Geboren in Johannesburg, Südafrika, studierte Ronald Ivan Grbich Maschinenbau und Jura an der dortigen University of the Witwatersrand. Anschliessend arbeitete er der Reihe nach als Grubeningenieur, Journalist und Rechtsanwalt in Johannesburg. Parallel zu seiner juristischen Tätigkeit, unter dem Pseudonym William Wingate, veröffentlichte er von 1977 bis 1989 fünf Politthriller, ehe er von seinen Verlegern fallen gelassen wurde. Die Romane sind im Original seit kurzem wieder als eBooks verfügbar, teilweise in etwas modifizierter Form.

Grbich war überdies ein leidenschaftlicher Pokerspieler, nachzulesen in seinem 2011 publizierten eBook 'Wake Up Late, Read This…Play Winning Poker Before Noon'. Und ein Fachmann für Mafiafragen, wovon das ebenfalls 2011 als eBock erschienene Sachbuch 'The Don: How to Run a Mafia Familiy' zeugt. Laut seinen Söhnen Robin und Julian ist er am 28. August 2012 in Las Vegas gestorben, wo er viele Jahre ein hoch geachtetes Mitglied des berühmten Spielclubs 'Bellagio Poker Room' war.

Wingates Geschöpf Iwan Yazov, alias Crystal, alias John Hardacre, alias Miami Slim ist ein unglaublich cooler Typ, ein listenreicher Überlebenskünstler, ein Mann, der weder Moral noch Loyalität kennt und für jeden arbeitet, solange die Entlöhnung stimmt. Höchst wahrscheinlich der beste Berufskiller aller Zeiten. Ein Naturereignis.

Wingates Prosa lebt indes nicht nur von der überlebensgrossen Hauptfigur, sondern auch von schlackenfreier, tempostarker und schwarzhumoriger, gelegentlich auch zynischer Erzählweise, expliziter Schilderung von (oft skurrilen) Gewaltakten und packender Zeichung der Haupt- und Nebenfiguren. All dies macht die Lektüre seiner Romane, die sich in der Handlung stark voneinander unterscheiden, zu einem einzigartigen Erlebnis.

Zu Beginn der Reihe sorgt Yazow in seiner Doppelfunktion als Oberst des bulgarischen Geheimdienstes und als Hitman des KGB hinter dem Eisernen Vorhang für Angst und Schrecken - bis er in den 70er-Jahren fünfzehn bulgarische Geheimdienstagenten tötet, die Zentrale des Komitees für Staatssicherheit in Sofia in die Luft jagt und in den Westen, zu den Amerikanern, überläuft ('Feuerspiel').

Im Nachfolgeband 'Blutbad' soll Yazow für die CIA den gerissenen, analphatischen - mit westlichen und palästinensischen Terrororganisationen sympathisierenden und ihnen Zuflucht bietenden - Diktator von Uganda, Obama Okan, umlegen (gemeint ist natürlich Idi Amin), während der KGB die Liquidierung seines abtrünnigen Agenten in die Wege leitet und seine beiden fähigsten Killer in die USA einschleust. Die CIA ihrerseits scheint ebenfalls nicht an einer längeren Zusammenarbeit mit Yazow interessiert zu sein und denkt bereits darüber nach, wie man ihn nach erfülltem Auftrag endgültig loswerden könnte. Der instinktsichere und kaltblütige Auftragsmörder spürt jedoch die Gefahr - und kann in letzter Sekunde über den Viktoriasee nach Ruanda entkommen, nachdem er, bis an die Zähne bewaffnet, in Uganda ein ungeheures Blutbad angerichtet und bürgerkriegsähnliche Zustände heraufbeschworen hat.

Der dritte Roman 'Die Vergeltung des Fremden' sieht den Killer als John Hardacre am Werk. "Ein schlanker, nicht besonders gross gewachsener Mann, dessen Gesicht eine tiefe Freudlosigkeit und Bedrohlichkeit ausstrahlt"; so beschreibt ihn die 15-jährige Lou, die Ich-Erzählerin, als er in dem hinterwäldlerischen Appalachen-Kaff Baptist's Fire, Tennessee, auftaucht, wo sie mit ihrem verwitweten Vater Jed eine Garage betreibt - und wo der untergetauchte New Yorker Mafiaboss Sam Camazza, genannt Cam, und seine rechte Hand Joey Dibella ihr Comeback auf der grossen Bühne in die Wege leiten. Als Hardacre von Cams Chergen drangsaliert und provoziert wird, startet er seinen äusserst blutigen Rachefeldzug, den Lou auf rührende Weise dokumentiert.

Der vierte Krimi 'Crystal' beginnt mit einer spektakulären Sexszene, die sich zwischen der umwerfenden Blondine Liz Fitzwilliam und dem New Yorker Mafioso und Heroinzar Giacomo Graniano, alias Jack English, in einem noblen Nachtclub abspielt. Doch danach hat Graniano nicht mehr viel zu lachen in Wingates Erzählung um Geldgier, Verrat und Korruption, denn Yazov/Crystal beginnt alsbald mit seinen rigorosen Aufräumarbeiten - und zerstört die Rauschgiftroute zwischen der Türkei (Mohnernte), Marseille (Umwandlung der Morphin-Base in Heroin) und New York City (Verkauf des Stoffs an die grossen Mafiafamilien) auf seine ihm eigene Art.

'Verschollen in Hongkong', der letzte und stärkste Titel der Serie, wird aus der Sicht des New Yorker Ex-Marines Anthony Rice erzählt, dessen 14-jährige Tochter Candice während des Familienurlaubs in Hongkong gekidnapped und vermutlich einem Nobelbordell der Triaden zugeführt wird, worauf die Mutter den Verstand verliert. In seiner Verweiflung verkauft Rice sein Hab und Gut und begibt sich mit dem Erlös auf die Suche nach Candice. Eigentlich ein aussichtsloses Unterfangen, doch dann schickt ihm Michael Tarrant, ein alter Bekannter von der CIA, der ihm noch einen Gefallen schuldet, seinen besten Mann zu Hilfe: Miami Slim, alias Yazov. Und der hat einen durch seine Einfachheit bestechenden Plan: Die Triadenbosse in die Eier treten, ihnen klar machen, dass ihr Blut in Strömen fliesst, solange sie Candice nicht freigeben - die "Zehn Plagen" des Alten Testaments dienen ihm dabei als Vorbild.

Bibliografie:
Yazof/Crystal/Hardacre/Miami Slim-Serie: 'Firefly' - 'Feuerspiel' (1977), 'Bloodbath' - 'Blutbad' (1978), 'In Hardacre's Way' (auch unter dem Titel 'Shotgun') - 'Die Vergeltung des Fremden' (auch unter dem Titel 'Malone', 1980), 'Crystal' - 'Crystal' (1983), 'Hong Kong, Let Candice Go' - 'Verschollen in Hongkong' (1985).

++ Erstellt: November 2013 ++  


Wishnia, Kenneth J.A.

(*1960)

Kenneth John Alexander Wishnia wurde in Hanover, New Hampshire, als Spross einer jüdischen Akademiker-Familie geboren. Er studierte Literatur und Film an der Brown University in Providence, Rhode Island, und der San Francisco State University sowie Visuelle Kunst an der Rhode Island School of Design, wurde an der New Yorker Stony Brook University (SUNY) in Vergleichender Literatur promoviert und unterrichtete daraufhin Kreatives Schreiben und Literatur.

Nachdem er einige Zeit als Bühnenautor in Paris, New York und Cuenca (Ecuador) gearbeitet hatte, verbrachte Wishnia drei Jahre in den Anden, wo er 1985 die Ecuadorianerin Mercedes Pena heiratete und später mit ihr eine Tochter und einen Sohn hatte. Ende der 90er-Jahre wandte er sich dem Krimischreiben zu.

Filomena "Fil" Buscarsela aus Ecuador, geboren in einem kleinen Bergdorf, aufgewachsen unter der Militärjunta dort und in der Millionenstadt Guayaquil, allein erziehende Mutter einer kleinen Tochter namens Antonia, eine willensstarke, scharfzüngige und rebellische New Yorker Polizistin mit einem starken Sinn für Gerechtigkeit, ist Wishnias eigenständige Hauptfigur in fünf Romanen, in denen das facettenreich geschilderte New York eine wichtige Rolle spielt. Am Ende des ersten Krimis 'Modulation in Schwarz' quittiert Fil frustriert den Polizeidienst bei der Abteilung Vergewaltigung des NYPD. Im zweiten Roman arbeitet sie für eine Umweltschutz-Organisation, später schlägt sie eine Karriere als Privatdetektivin ein. Im letzten Band 'Blood Lake' kehrt sie mit ihrer nunmehr 13-jährigen Tochter zu ihren Wurzeln nach Ecuador zurück, um ihre verstreute Familie wieder einmal zu sehen - und wird natürlich auch dort in Verbrechen verwickelt.

'Modulation in Schwarz' ist Wishnias bekanntester Krimi - die reaktionäre Reagan-Zeit der frühen 80er-Jahre bildet den historischen Hintergrund. Fil Buscarsela, eine der ersten Latina-Cops im NYPD, hat nichts zu lachen bei der von weissen Männern dominierten Truppe, sie wird betrogen und schikaniert, bekommt stets die widerlichsten Fälle und wird gelegentlich als Lockvogel eingesetzt. Ihre grosse Stunde schlägt, als bei einer Giftgaskatastrophe in einer Fabrik für Insektizide elf Menschen ums Leben kommen, unter ihnen der junge Maler und militante Umweltschützer Wilson McCullough, der mit seinem Bild "Modulation in Schwarz" für Aufsehen gesorgt hat: Zusammen mit dem bärbeissigen Polizisten Detective Snyder soll sie dem Unfall, der natürlich keiner ist, auf den Grund gehen. Was sie auch tut, die meiste Zeit jedoch auf eigene Faust, und dabei grossen Mut beweist.

Im Jahr 2010 veröffentlichte Wishnia seinen letzten Krimi 'The Fifth Servant', 2015 folgte der Band 'Jewish Noir', eine Sammlung mit 33 Kurzgeschichten von Autoren wie Reed Farrel Coleman, S.J. Rozan, Charles Ardai und ihm selbst. Er lebt mit seiner Familie auf Long Island, New York City, und unterrichtet Englisch am dortigen Suffolk Community College.

Bibliografie:
Fil Buscarsela-Serie: '23 Shades of Black' - 'Modulation in Schwarz' (1998), 'Soft Money' - 'Mädchen für alles' (1999), 'The Glass Factory' (2000), 'Red House' (2001), 'Blood Lake' (2002);
'The Fifth Servant' (2010).

++ Erstellt: Juli 2016 ++  


Wolfson, P.J.

(Kürzel für Pincus Jacob Wolfson, 1903-1979)

P.J. Wolfson kam in New York City als zweites von fünf Kindern russischer Einwanderer zur Welt und wuchs zuerst in Manhattan, dann in der Bronx auf. Als Teenager legte er im Klempnergeschäft seines Vaters Hand an, später schloss er ein Pharmaziestudium an der New Yorker Fordham University ab. Seiner 1926 mit Billie Marmon geschlossenen Ehe entsprangen eine Tochter, Carolyn, und zwei Söhne, Michael und Peter. Nach der Heirat liess sich Wolfson in Binghamton, New York State, nieder und betrieb dort eine eigene Apotheke, die er jedoch bald wieder schliessen musste - offenbar widmete er sich weniger seiner Kundschaft als dem Schreiben an seinem ersten Roman, der 1931 unter dem Titel 'Bodies Are Dust' herauskam.

Nach einem kurzen Intermezzo in New York City ging Wolfson nach Hollywood, wo er in den 30er- und 40er-Jahren erfolgreich als Drehbuchautor, Filmproduzent und Regisseur mit den Spezialgebieten Musical, Komödie und Romanze für die grossen Filmstudios arbeitete. 1956 vermählte er sich mit der zwanzig Jahre jüngeren Joan Virginia Lorish; die Ehe wurde nach zehn Jahren geschieden.

Pincus Wolfson, Übername "Pinky", starb knapp 76-jährig in Woodland Hills, Kalifornien. In seiner Heimat und im deutschsprachigen Raum bis heute weitgehend unbekannt geblieben, geniesst der (unter anderem von Jean-Patric Manchette verehrte) Autor in Frankreich Kultstatus.

'Geissel der Niedertracht', angesiedelt in einem düsteren New York der Prohibitionszeit, ist Wolfsons bekanntestes Prosawerk. Im Mittelpunkt steht der Ich-Erzähler Buck Safiotte, ein niederträchtiger, bis ins Mark korrupter, von Ehrgeiz zerfressener Polizeibeamter und Überlebensstratege italienischer Herkunft, ein Meister der Intrige und der Schmiergelderpressung, der in einem Slum aufgewachsen ist und höchst fruchtbare Beziehungen zur Unterwelt pflegt. Doch Bucks Leben nimmt eine dramatische Wendung, als er sich zum ersten Mal unsterblich in eine Frau verliebt; und fast gleichzeitig mit Beth anbändelt, der Frau seines Jugendfreundes Tinevelli, eines Bankers, der wegen Unterschlagung untergetaucht ist.

Wolfson hat in diesem Buch die alttestamentarische Schuld-und-Sühne-Parabel aus dem zweiten Buch Samuel aufgearbeitet, in der König David seinen ihm untergebenen Offizier Urija in den Tod schickt, damit er dessen Frau Bathseba, die von ihm ein Kind erwartet, ehelichen kann, worauf das Neugeborene schwer erkrankt und wenig später stirbt.

'Geissel der Niedertracht': Eine nachtschwarze, hundsgemeine und extrem deprimierende - in einem krassen Gegensatz zu Wolfsons heiterem Filmwerk stehende - Prosa.

Bibliografie:
'Bodies Are Dust' (auch unter dem Titel 'Hell Cop') - 'Geissel der Niedertracht' (1931), 'Summer Hotel' (1932), 'All Women Die' (auch unter den Titeln 'This Woman Is Mine' und 'Three of a Kind', 1933), 'Is My Flesh of Brass?' (auch unter den Titeln 'Pay for Her Passion' und 'The Flesh Baron' (1934), 'How Sharp the Point' (1959).

++ Erstellt: Januar 2014 ++  


Wolter, Walter

(*1950)

Walter Wolter, geboren in Nunkirchen, Saarland, bestritt seinen Lebensunterhalt nach abgebrochenem Gymnasium unter anderem als Wanderarbeiter, Holzfäller und Journalist. In den 70ern war er mit dem Abenteurer Werner Freund (dem legendären "Wolf unter Wölfen") in Kolumbien, im Sudan, auf Neuguniean und den Molukken unterwegs. Seine Begegnungen mit Indianern, Kriegern, Kopfgeldjägern und Steinzeitmenschen beschrieb er in den Büchern 'Jäger - Krieger - Kannibalen' und 'Unternehmen Kopfjäger' und in zahlreichen Reportagen. Danach war er als Journalist in Süddeutschland und der Schweiz tätig, bis er in den 90er-Jahren in seine saarländische Heimat zurückkehrte, um sich hauptberuflich dem Schreiben zu widmen. Heute lebt Wolter nicht mehr im Saarland, sondern in Bad Säckingen, an der Grenze zur Schweiz. Neben bislang sieben Kriminalromanen verfasste er die hübschen Erzählbände 'Gefallene Männer', 'Flirt mit zwei Nonnen' und '13 Storys über Männer' sowie 'Zwischen Zähnen und Klauen', ein Buch über das Leben des Werner Freund.

In Walter Wolters Krimigroteske 'Sau tot' aus dem Jahr 1999 hat der stinkreiche, unansehnliche Kotzbrocken und Schweinezüchter Franz-Josef Köttelgruber von einem Jagdausflug in den Karpaten die exotische Schönheit Daria mitgebracht. Doch Daria ist es mit der ehelichen Treue nicht sehr ernst. Als Köttelgruber ihren Affären auf die Spur kommt, muss der schwachsinnige und kleinwüchsige Knecht Jürgen Kanallisch in die Hosen: Sämtliche Nebenbuhler sind auszuradieren. Bis zum (auch für Köttelgruber) bitteren Ende.

Zwei Jahre später publizierte Wolter den schnörkellosen, den Auftakt zu einer Serie darstellenden Krimi 'Hundstage, Wolfsnächte'. Bruno Schmidt, ein privat und beruflich gescheiterter Ex-Profiboxer mit dem Kampfnamen "Hammer", ein Eigenbrötler mit Herz, dem es in seinem neuen Beruf als Privatschnüffler noch nicht so richtig läuft, wird von einer reichen, geheimnisvollen Schönheit als Rächer engagiert: Shanta Berlinger ist vor vielen Jahren in dem abgelegenen, von Inzucht und Suff geprägten Hunsrück-Kaff Wolfsgruben von drei Einheimischen vergewaltigt worden - der unzimperliche Schmidt soll ihnen nun die passende Strafe zuteil kommen lassen.

In 'Zur Hölle mit den Wanderfalken', dem dritten Band der Bruno Schmidt-Serie, hat Wolter eigene Erlebnisse aufgearbeitet. (Vor vielen Jahren schleuste er sich in eine illegale Söldner-Organisation ein. Er durchlief Ausbildungs-Camps, in denen das Töten gelehrt wurde, und liess den Verein schliesslich hochgehen.) Im Zuge seiner Mordermittlung - in einer saarländischen Garnisonsstadt ist ein zwielichtiger Bundeswehrsoldat mit einer Armbrust abgemurkst worden - stösst Bruno Schmidt auf eine weggetretene, testosterongetriebene Truppe, die in einem geheimen Camp im deutschfranzösischen Grenzgebiet das Handwerk des Tötens trainiert - und hat seinen bislang haarigsten Fall.

'Der Fremde aus dem Wald' bildet offenbar den Abschluss der sechsteiligen Serie, denn Bruno Schmidt, vor kurzem fünfzig geworden und von seiner grossen Liebe Silvi Witorra wegen eines jüngeren Mannes verlassen, will in der Provence ein neues Leben beginnen. Sein letzter Auftraggeber ist ein reicher Autohändler: Seine Tochter hat sich mit einem zwielichtigen Kampfsportler eingelassen und will ihn sogar heiraten, Schmidt soll dies verhindern - und kommt einer Bande von Schutzgelderpressern auf die Spur. Als in einem Wald die schwer misshandelte Leiche eines unbekannten Schwarzen aufgefunden wird, hat Schmidt gleich noch einen zweiten - nicht weniger gefährlichen - Fall.

Bibliografie:
'Sau tot' (1999);
Bruno Schmidt-Serie: 'Hundstage, Wolfsnächte' (2001), 'Verdammter Räuber' (2004), 'Zur Hölle mit den Wanderfalken' (2005), 'Eisblumen' (2006), 'Ein Lied vom Tod' (2007), 'Der Fremde aus dem Wald' (2009).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Dezember 2011 ++
 


Woodrell, Daniel

(*1953)

Daniel Woodrell, geboren in Springfield, Missouri, verliess mit sechzehn Jahren die Schule, um bei den Marines anzuheuern; Drogendelikte führten zur baldigen Entlassung. Er schlug sich daraufhin mit Gelegenheitsjobs durchs Leben, reiste durch die USA, konsumierte illegale Substanzen und holte dann doch noch seinen Collegeabschluss an der University of Kansas nach. Anschliessend studierte er zwei Jahre am berühmten Iowa Writer's Workshop, Abschluss 1981. Im Jahre 1986 veröffentlichte er seinen ersten Roman 'Cajun Blues', den ersten Band der so genannten Bayou-Trilogie. Er lebt mit seiner Frau, der Autorin Katie Estill, im Städtchen West Plains, Süd-Missouri, und widmet sich vorranging dem Schreiben von Romanen, die er selbst als "country noir" bezeichnet.

Woodrells Bayou-Trilogie ist in dem trostlosen (fiktiven) Kaff St. Bruno, Louisiana, angesiedelt. Der Cop Rene Shade fungiert als Hauptperson - er ermittelt, oft auch gegen den Willen seiner Vorgesetzten, Mordfälle, in denen Korruption und Machtmissbrauch von grosser Bedeutung sind. Der die Trilogie beschliessende Roman 'John X.' (Rene Shade bekleidet hier bloss eine kleine Rolle) erzählt von dem gealterten und tattrig gewordenen Ex-Billardprofi und Ex-Frauenhelden John X. Shade, Rene Shades Vater, der im 'Enoch's Rib and Lounge', der Bar seines zwei Jahre jüngeren, schwer krebskranken Schwiegervaters arbeitet, und der mit seiner zehnjährigen Tochter Etta Hals über Kopf das Weite suchen muss, als seine zweite Frau ihn sitzen lässt und gleich auch die siebenundvierzig Riesen mitnimmt, die John X. für den Auftragskiller Lunch Pumphrey aufbewahren sollte. John X. macht sich auf den Weg nach St. Bruno, wo seine erste Frau und die drei erwachsenen Söhne (unter ihnen der momentan suspendierte Polizist Rene Shade) leben. Doch Pumphrey ist ihm auf den Fersen.
Die Bayou-Trilogie ist 2012 in einem Sammelband unter dem Titel 'Im Süden' herausgekommen.

In den Ozarks, einem gebirgigen Niemandsland zwischen Kansas und Missouri, gibt es nicht nur undurchdringliche Wälder und kaum passierbare Strassen, sondern auch reiche Pinkel, korrupte Polizisten, abgelöschte Rednecks, üble Slums, explodierte Crystal-Meth-Küchen - und jede Form von Gewalt. Daniel Woodrell lebt in dieser Gegend, und hier spielen auch alle seine ab 1996 erschienenen Romane, mit denen ihm Ende der 90er der literarische Durchbruch gelang.

'Stoff ohne Ende', ein schnörkelloser, schmutziger Noir-Roman, kreist um den erfolglosen Schriftsteller Doyle Redmond und dessen Bruder Smoke. Doyle, mitte dreissig und wohnhaft in Kalifornien, verlässt seine Frau, lässt ihren Wagen mitlaufen und kehrt zu seinen Wurzeln zurück - in die Ozarks. Dort trifft er seinen Bruder, der sich mit seiner Geliebten Big Annie und deren Tochter auf einer Marihuana-Plantage vor der Polizei versteckt. Gemeinsam frönen sie einem unbeschwerten Hippiedasein, bis ihnen ein rivalisierender Hillbilly-Clan in die Quere kommt - ein blutiges Gefecht nimmt seinen Lauf.

Woodrells berühmtester Roman 'Winter's Bone' kam 2010 unter dem gleichen Titel in die Kinos. Die wuchtige, schlackenfreie, in einer sinnlichen Sprache erzählte Geschichte handelt von einer ungemein starken und zähen Frau, der erst 16-jährigen Ree Dolly, die unter armseligsten Bedingungen in den Ozarks lebt. Ree trägt die Verantwortung für ihre ganze Familie, bestehend aus dem nichtsnutzigen Vater Jessup (er ist der beste Crystal Meth-Koch der Region und sass deshalb bereits im Gefängnis), der geisteskranken Mutter und den beiden jüngeren Brüdern. Wegen Drogendelikten steht Jessup auch jetzt wieder unter Anklage, für die Kaution hat er sein ganzes Hab und Gut verpfändet - und seither ist er spurlos verschwunden. Verzweifelt begibt Ree sich auf die Suche nach ihm, denn wenn Jessup den kurz bevorstehenden Gerichtstermin verpasst, verliert die Familie alles, was sie hat. Sie trifft auf eine Mauer des Schweigens, wird von einer Frau brutal zusammengeschlagen - und jeder ausser ihr scheint zu wissen, dass Jessup getötet worden ist. In der finsteren, pessimistischen Erzählung ist Ree Dolly der einzige Lichtblick - der Leser wird sie nicht so schnell vergessen.

2011 veröffentlichte Woodrell seinen ersten Erzählband 'The Outlaw Album', eine Sammlung von zwölf (zumeist älteren) Kriminalgeschichten.

Bibliografie:
Bayou-Trilogie: 'Under the Bright Light' - 'Cajun Blues' (1986), 'Muscle for the Wing' - 'Zoff für die Bosse' (auch unter dem Titel 'Boss', 1988), 'The Ones You Do' - 'John X.' (1992);
Ozark-Romane: 'Give Us a Kiss' - 'Stoff ohne Ende' (1996), 'Tomato -Red' - 'Tomato Red' (1998), 'The Death of Sweet Mister' - 'Der Tod von Sweet Mister' (2001), 'Winter's Bone' - 'Winters Knochen' (2006), 'The Maid's Version' - 'In Almas Augen' (2013).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Januar 2011 ++
++ Update: März 2011 ++
++ Update: Juli 2012 ++
++ Update: Dezember 2012 ++
++ Update: September 2013 ++
++ Update: Februar 2014 ++
 


Woolrich, Cornell

(Kürzel für Cornell George Hopley-Woolrich, 1903-1968; schrieb auch als William Irish und George Hopley)

Cornell Woolrich, geboren in New York City, wuchs nach der Scheidung seiner Eltern zunächst bei seinem Vater Gennaro auf, der in Mexico City als Ingenieur tätig war. Mit zwölf Jahren kehrte er zu seiner Mutter Claire nach New York zurück. Von 1921 bis 1926 besuchte er sporadisch die Columbia University (er belegte die Fächer Journalismus, Philosophie und Literatur), brach das Studium jedoch vorzeitig ab, um seinem grossen Vorbild F. Scott Fitzgerald nachzueifern und Schriftsteller zu werden. Sein zweiter Roman 'Children of the Ritz' trug ihm 1929 einen Vertrag mit den 'First National Pictures' ein - Woolrich ging nach Hollywood, wo er während drei Jahren an mehreren Drehbüchern mitarbeitete, ohne den Durchbruch zu schaffen.

Nach einer katastrophalen, nur drei Monate dauernden Ehe mit Gloria Blackton, einer Tochter des Stummfilmpioniers J. Stuart Blackton, und ein paar homosexuellen Abenteuern zog Woolrich 1932 zu seiner dominanten Mutter, mit der ihn eine bizarre Hass-Liebe verband. Obwohl recht begütert, verbrachten die beiden die folgenden 25 Jahre in dem schäbigen, hauptsächlich von Zuhältern, Nutten und Kriminellen bewohnten Hotel Marseilles in den Slums von Harlem. Als die Mutter 1957 starb, brach für Woolrich eine Welt zusammen. Er übersiedelte in das New Yorker Hotel Franconia, verfiel dem Alkohol und war nach dem Verlust eines Beines an den Rollstuhl gefesselt. Sein letzter Wohnsitz war das Hotel Sheraton-Russell in Manhattan. Verbittert und vereinsamt erlag er dort mit 64 Jahren einem Schlaganfall. Zum Gedenken an seine Mutter stiftete er seinen Nachlass von 850'000 Dollar der Columbia University zur Unterstützung von Journalismus-Studenten.

Woolrichs literarisches Werk umfasst sechs von Fitzgerald geprägte, zwischen 1926 und 1932 erschienene Gesellschaftsromane ("Jazz Age Fiction"), über 200 Kurzgeschichten, die in den einschlägigen Pulp-Magazinen abgedruckt wurden, sechzehn, zum Teil unter den Pseudonymen William Irish, George Hopley und H.H. Holmes publizierte Spannungsromane (darunter die einflussreiche "Schwarze Serie") und die Fragment gebliebene Autobiographie 'Blues for a Lifetime'.

Die "Schwarze Serie" enthält sechs klaustrophobische, atmosphärisch dichte, oft aus der Sicht von Frauen beschriebene, in der Regel unglücklich endende Psychothriller (die so genannten "Black-Romane": im Titel taucht immer das Adjektiv black auf), in denen die Zweifel, Obsessionen und elementaren Ängste der Protagonisten - zumeist kleine, verloren wirkende Leute, deren Leben durch ein Ereignis aus den Fugen gerät - einfühlsam und plastisch beschrieben sind, während der Handlungsführung zugunsten der Spannung (Woolrich war ein Meister der "tickende Uhr"-Technik) bisweilen etwas die Plausibilität abgeht.

Als Woolrichs beste Romane gelten 'Die Braut trug schwarz', 'Die Nacht hat tausend Augen', und 'Ich heiratete einen Toten', alle aus den 40er-Jahren, der produktivsten Zeit des Autors. 'Die Braut trug schwarz', der erste Band der "Schwarzen Serie", erzählt von Julie Killeen, einer jungen Frau aus New York, die zur Serienmörderin wird, als ihr Mann unmittelbar nach der Hochzeit vor der Kirche überfahren wird. Ihr Motiv bleibt zunächst unklar, die Kriminalpolizei, verkörpert durch Lew Wanger, tappt im Dunkeln, denn die Verwandlungskünstlerin Julie geht äusserst geschickt vor, und zwischen den durchwegs männlichen Opfern scheint es keine Gemeinsamkeiten zu geben.

'Die Nacht hat tausend Augen' ist Woolrichs Meisterwerk. Harlan Reid, Witwer und erfolgreicher Geschäftsmann, wird in wenigen Wochen sterben - dies sagt zumindest ein schrulliger, älterer Mann voraus, Jeremiah Tompkins, dessen Prophezeiungen bisher immer eingetroffen sind und Reid auch oft geholfen haben -, und zwar zu einem exakt vorausgesagten Zeitpunkt im Rachen eines Löwens! Als die angekündete Todesstunde immer näher rückt, zerfällt Reids Persönlichkeit. Dies geht seiner Tochter Jean dermassen nahe, dass sie Selbstmord begehen will. Der junge Polizist Tom Shawn kann sie in letzter Sekunde davon abhalten, worauf sie ihm den Grund für ihren Seelenschmerz verrät. Shawn und sein Vorgesetzter Lieutenant McManus, die beide nicht an Prophezeiungen glauben, mobilisieren nun den Polizeiapparat, um Tompkins (und seinen mutmasslichen Hintermännern) das Handwerk zu legen und Harlan Reids Leben zu retten, doch dieser scheint den Tod bereits in sich zu tragen. Aus diesem Rohmaterial baut Woolrich, "der Magier der Finsternis", eine faszinierende, unter die Haut gehende Geschichte, in der die Figuren (wie meistens bei Woolrich) hilflos ihrem Schicksal ausgeliefert sind in einer düsteren und bedrohlichen Welt voller Fallen, Seltsamkeiten und Intrigen.

'Ich heiratete einen Toten' ist die Geschichte der jungen Helen, einer einsamen, mittellosen Frau, die sich in New York in einen Dreckskerl verliebt, von ihm geschwängert und bald darauf auf die Strasse gestellt wird. In ihrer Verzweiflung steigt sie in den Zug nach San Francisco, wo sie herkommt. Sie trifft auf ein nettes, frisch verheiratetes Paar - Patrice, auch sie hochschwanger, und Hugh. Die beiden befinden sich auf der Reise zu seinen Eltern, die ihre Schwiegertochter noch nie gesehen haben. Dann verunglückt der Zug, Patrice und Hugh sterben, und die schwer verletzte Helen, die durch einen Zufall Patrices Ehering am Finger trägt, bringt ihr Baby zu Welt. Hughs wohlhabende Eltern halten Helen für Patrice, freuen sich über ihren Enkel nehmen die beiden bei sich auf. Nach heftigen Gewissenskämpfen beschliesst Helen, die Wahrheit zu verschweigen, um nicht wieder in der Gosse zu landen. Sie verliebt sich in Hughs Bruder Bill, doch ihre Hoffnung auf ein wenig Glück im Leben wird jäh zerstört, als ihr nichtsnutziger Ex-Lover (der Vater ihres Kindes) auf der Bildfläche erscheint.

Woolrich, in den 40er- und frühen 50er-Jahren auch in kommerzieller Hinsicht ein recht erfolgreich Autor, wäre wohl längst vergessen, wenn nicht Alfred Hitchcock ('Das Fenster zum Hof'), Robert Siodmak ('Phantom Lady'), Francois Truffaut ('Die Braut trug schwarz', 'Walzer in die Dunkelheit') und andere namhafte Regisseure seine Kurzgeschichten und Romane verfilmt hätten.

1988 veröffentlichte Francis M. Nevins Jr. die grossartige Woolrich-Biografie 'Cornell Woolrich: First You Dream, Then You Die'. Der Titel bezieht sich auf Woolrichs oft zitierten Aphorismus, der das Kriminalwerk, aber auch das Weltbild des Autors auf den Punkt bringt.

Bibliografie:
Romane:
Als Cornell Woolrich:
Die "Schwarze Serie": 'The Bride Wore Black' (auch unter dem Titel 'Beware the Lady') - 'Die Braut trug schwarz' (auch unter dem Titel 'Die Braut trägt schwarz', 1940), 'The Black Curtain' - 'Der schwarze Vorhang' (1941), 'Black Alibi' - 'Schwarzes Alibi' (1942), 'The Black Angel' - 'Der schwarze Engel' (auch unter dem Titel 'Adresse: Friedhof', 1943), 'The Black Path of Fear' - 'Der schwarze Pfad' (auch unter dem Titel 'Der dunkle Pfad der Angst', 1944), 'Rendezvous in Black' - 'Rendezvous in Schwarz' (auch unter dem Titel 'Die Tote vom 31. Mai', 1948);
Andere Romane: 'Savage Bride' - 'Die wilde Braut' (1950), 'Death Is My Dancing Partner' (1959), 'Into the Night' - 'Die Nacht trägt schwarz' (zu Ende gebracht von Lawrence Block, 1987).
Als William Irish:
'Phantom Lady' - 'Phantom Lady' (1942), 'Deadline at Dawn' - 'Am Ende dieser langen Nacht' (auch unter dem Titel 'Jagd im Morgengrauen', 1944) 'Waltz into Darkness' - 'Walzer in die Dunkelheit' (1947), 'I Married a Dead Man' - 'Ich heiratete einen Toten' (1948), 'Strengler's Serenade' (1951).
Als George Hopley:
'Night Has a Thousand Eyes' - 'Die Nacht hat tausend Augen' (1945), 'Fright' - 'Schatten der Nacht' (1950).
Geschichtensammlungen:
Als Cornell Woolrich:
'Nightmare' (1956), 'Violence' (1958), 'Hotel Room' (1958), 'Beyond the Night' (1959), 'The Doom Stone' (1960), 'The Ten Faces of Cornell Woolrich' (1965), 'The Dark Side of Love' (1965).
Als William Irish:
'I Wouldn't Be in Your Shoes' (1943), 'After-Dinner Story' (1944), 'If I Should Die Before I Wake' (1945), 'The Dancing Detective' (1946), 'Borrowed Crime' (1946), 'Dead Man Blues' (1946), 'The Blue Ribbon' (1949), 'Somebody on the Phone' (1950), 'Six Nights of Mystery' (1950), 'Bluebeard's Seventh Wife' (1952), 'Eyes That Watch You' (1952).

++ Erstellt: April 2012 ++  


Wright, Eric

(1929-2015)

Eric Wright wurde in South London als eines von zehn Kindern eines Fuhrmanns und einer Schneiderin geboren und wuchs in einfachsten Verhältnissen im Londoner Bezirk Lambeth auf. Mit zweiundzwanzig Jahren wanderte er nach Kanada aus. Nach seinem Studium an der University of Manitoba in Winnipeg und der University of Toronto, Master-Abschluss 1963, unterrichtete er bis 1989 Englisch an der Ryerson Polytechnic University in Toronto. Anfang der 80er-Jahren, mit bereits über fünfzig, begann er zu schreiben.

Aufgrund seiner realistischen und unaufgeregten Serie um Inspector Charlie Salter von der Metropolitan Toronto Police (im Original elf Bände, herausgekommen zwischen 1983 und 2002) gilt Eric Wright - zusammen mit Howard Engel - als Vater des kanadischen Kriminalromans. Zu seinen besten Werken zählt die vertrackte Erpressungsgeschichte 'Tod im Land der Väter', in der Charlie Salter, eine überaus sympathische und zur Selbstironie fähige Figur aus Fleisch und Blut, während seiner gemeinsam mit Ehefrau Annie verbrachten, arg verregneten England-Ferien über einen Mordfall stolpert, der ihn bis nach Italien führt.

Wrights weitere Romanhelden sind Joe Barley, Collegelehrer für Englische Literatur und Gelegenheitsdetektiv in Toronto; Mel Pickett, ein Toronto-Cop im Ruhestand, der bereits im siebten Charlie Salter-Krimi 'A Sensitive Case' einen kleineren Auftritt hatte; und Lucy Trimble Brenner, Buchhändlerin, auch sie aus Toronto, die in ihrem mittleren Alter eine Privatdetektei erbt und daraufhin den Beruf wechselt.

2002 veröffentlichte Wright zusammen mit seinem Landsmann Howard Engel den Krimi 'My Brother's Keeper', in dem Charlie Salter und Engels Serienheld Benny Cooperman gemeinsam ermitteln. Über seine Zeit als Kind einer armen englischen Arbeiterfamilie in der Wirtschaftsdepression schrieb Wright in den Memoiren 'Always Give a Penny to a Blind Man' aus dem Jahr 1999. 2003 ist eine Sammlung von sechzehn Kurzgeschichten (eine davon mit Charlie Salter) unter dem Titel 'Killing Climate' erschienen.

Eric Wright verbrachte den grössten Teil seines Lebens in Toronto, wo er 86-jährig starb. Er hinterliess seine Frau und seine beiden Töchter.

Bibliografie:
Inspector Charlie Salter-Serie: 'The Night the Gods Smiled' - 'Die Nacht, in der die Götter lächelten' (1983), 'Smoke Detector' - 'Asche zu Asche' (1984), 'Death in the Old Country' - 'Tod im Land der Väter' (1985), 'A Single Death' - 'Späterer Mord nicht ausgeschlossen' (1986), 'A Body Surrounded by Water' (1987), 'A Question of Murder' (1988), 'A Sensitive Case' (1990), 'Final Cut' (1991), 'A Fine Italian Hand' (1992), 'Death by Degrees' (1993), 'The Last Hand' (2002);
Lucy Trimble Brenner-Romane: 'Death of a Sunday Writer' (1996), 'Death on the Rocks' (1999);
Mel Pickett-Romane: 'Buried in Stone' (1996), 'Death of a Hired Man' (2001);
Joe Barley-Romane: 'The Kidnapping of Rosie Dawn' (2000), 'The Hemingway Caper' (2003), 'A Likely Story' (2010).
Gemeinsam mit Howard Engel: 'My Brother's Keeper' (2002).

++ Erstellt: September 2010 ++
++ Update: Juli 2013 ++
++ Update: Oktober 2015 ++
 


Wright, Wilbur

(1919-1994; schrieb auch als Donald Carter und David Graham)

Die Biografie des Engländers Wilbur Wright liegt zu grossen Teilen im Dunkeln. Er war Pilot und arbeitete in einer Hovercraft-Firma, bevor er Ende der 70er-Jahre zu schreiben begann. Wright veröffentlichte acht Romane - einen, seinen besten ('Case'), als Donald Carter, vier unter angestammtem Namen und drei als David Graham, darunter der Endzeitthriller 'Seven Years to Sunset', sein bekanntestes Werk.

Eddie Case, genannt "Hard Case", ein ungemein erfolgreicher Verkaufsmanager (d.h.: Rationalisierungsexperte, Troubleshooter und Exekutor oder, in Eddies Worten, Freund in der Not), ist ein harter Bursche, ein niederträchtiger Schweinehund, der an Gemeinheit höchstens noch von seinem Chef Herman Weinbaum übertroffen wird. Eine Filiale des auf Isolierglas spezialisierten Konzerns "Galaxy", deren Umsätze zuletzt etwas ins Stottern geraten sind, ist sein Tummelfeld - er provoziert und intrigiert, macht träge oder kleinkriminell gewordene Mitarbeiter zur Schnecke - ohne auch nur eine Sekunde lang seine eigenen Interessen (Sex mit scharfen Weibern und haufenweise Knete!) aus den Augen zu verlieren. Eddies Niedergang beginnt, als er sich zum ersten Mal in seinem Leben ernsthaft in eine Frau verliebt. Die böse und schwarzhumorige, mit scharfen Sprüchen, knackigen Dialogen und herrlich zynischen inneren Monologen getränkte Geschichte hält der modernen Geschäfts- und Finanzwelt, die weder Moral noch Skrupel kennt, den Spiegel vor die Nase.

In 'Die zwölf Apostel' erhält der 28-jährige Harry Morgan - Kopf der Londoner Detektei "Harry Morgan Investigations", ein verbitterter ehemaliger Falklandkämpfer, der im Krieg ein Bein verloren hat - von der durchtriebenen Schönheit Emma Dancer den seltsamen Auftrag, ihren Ex-Mann John Dancer daran zu hindern, mit ihrer gemeinsamen 18-jährigen Tochter Diana Inzucht zu begehen. Doch offiziell ist John bereits vor Dianas Geburt gestorben, als er nachts auf der Kanalfähre über Bord fiel, und kurz vor diesem Unglück soll er ein Au-pair-Mädchen vergewaltigt und getötet haben. Als Harry Morgan in der Vergangenheit der Familie Dancer zu wühlen beginnt, werden kurz nacheinander drei in den Fall involvierte Personen ermordet: Zuerst Emmas gebrechlicher Gatte Lord Hamilton, dann der Gangster Jack Brannon, der "geschäftliche" Bezehungen mit Emma pflegte, und schliesslich Morgans Mitarbeiter und bester Freund Fank Foley, der eigentlich John Dancer (!) heisst. Ist Emma Hamilton-Dancer eine kaltblütige Mörderin? Und wo befindet sich das Objekt der Begierde - eine Goldkette von unschätzbarem Wert, an der unglaublich schöne, die zwölf Apostel repräsentierende Edelsteine prangen?

'Kelly's Flucht' ist die atemlose Erzählung einer Flucht quer durch die Vereinigten Staaten. Kelly Peters, Tochter des mächtigen New Yorker Mafiabosses Don Alfredo, wurde nach ihrem getürkten Unfalltod vom Vater in Los Angeles versteckt, als sie acht war - denn dieser wusste nur zu gut, dass sie eines Tages von seinen Gegnern entführt werden würde, um ihn kaltzustellen. Als Don Alfredo dreizehn Jahre später eines natürlichen Todes stirbt, hinterlässt er seiner Tochter in einem Bankschliessfach in Manhattan ein riesiges Vermögen - und das legendäre "Blaue Buch", in dem er fein säuberlich alle Verbrechen der Mafia und die Namen der daran beteiligten Männer notiert hat, seine Lebensversicherung. Kurz nach dem Tod des Paten erfährt sein potentieller Nachfolger von Kellys Existenz, ihr Leben ist nun keinen Pifferling mehr wert. In letzter Sekunde, unterstützt durch den englischen Piloten und Falklandveteranen Max Knight, kann Kelly ihren Häschern entkommen. Und jetzt schicken sich die beiden an, das "Blaue Buch" an sich zu bringen - ein Himmelfahrtskommando.
Nach diesem nagelharten Mafiathriller-Auftakt mutiert 'Kellys Flucht' jäh zur turbulenten, mit Slapstick-Szenen gewürzten und durch ein Happy End abgerundeten Abenteuergeschichte, in der die ausgesprochen dämlich sich gebärdenden Sizilianer nur noch marginale Rollen innehaben.

'Letzte Chance', mit einem Ex-Piloten namens Donald Carter (!) als Hauptperson, ist klar dem Genre des Abenteuerromans zuzurechnen. Und von den mit David Graham gezeichneten Büchern gibt es keine deutschsprachigen Versionen.

Bibliografie:
Als Wilbur Wright: 'Carter's Castle' - Letzte Chance' (auch unter dem Titel 'Carters Königreich', 1983), 'Three Proud Dancers' - 'Die zwölf Apostel' (1986), 'Kelly's Run' - 'Kellys Flucht' (1987), 'Now, Centurion' (1991).
Als David Graham: 'Down to a Sunless Sea' (1979), 'Sidewall' (1983), 'Seven Years to Sunset' (1985).
Als Donald Carter: 'Hard Case' - ‚Case' (1982).

++ Erstellt: März 2011 ++  



 

Yorke, Margaret

(Pseudonym für Margaret Beda Nicholson, geborene Larminie, 1924-2012)

Geboren in der kleinen Ortschaft Compton, Grafschaft Surrey, und aufgewachsen in Dublin als Tochter eines irischen Vaters, der dort bei der Brauerei Guinness arbeitete, kehrte Margaret Larminie (Übername: Peggie) als 13-Jährige mit ihrer Familie nach Südengland, in die Nähe des Städtchens Basingstoke, Hampshire, zurück. Sie absolvierte die Prior's Field School in Godalming, Surrey, bevor sie im Zweiten Weltkrieg drei Jahre als Fahrerin beim Woman's Royal Naval Service diente. Ihrer mit Basil Nicholson bei Kriegsende geschlossenen (und 1957 geschiedenen) Ehe entsprangen eine Tochter und ein Sohn.

Nach der Scheidung arbeitete Margaret Larminie zuerst in der legendären Londoner Buchhandlung Hatchards am Piccadilly Circus, danach in den Bibliotheken der Oxforder Colleges St.Hilda's und Christ Church, bis sie Ende der 60er-Jahre - unter dem Pseudonym Margaret Yorke - das Schreiben zu ihrem Hauptberuf machte. Darüber hinaus engagierte sie sich für das "Public Lending Right". Den grössten Teil ihres Leben verbrachte die reisefreudige Autorin (Griechenland und Russland waren ihre bevorzugten Destinationen) in dem Weiler Long Crendon, Buckinghamshire. Sie starb dort im Alter von 88 Jahren.

Nach elf romantischen Romanen veröffentlichte Yorke im Jahr 1970 ihren ersten Krimi 'Tod am Vormittag', der den Auftakt zu dem leicht verdaulichen, dem "Golden Age" verpflichteten, mit vielen Details über das akademische Leben angereicherten Fünfteiler um den Oxforder Englischprofessor und Hobby-Ermittler Patrick Grant bildet.

Bekannt wurde Yorke mit ihren knapp dreissig anspruchsvollen, psychologisch ausgefeilten Standalones, die zumeist in kleinen englischen Ortschaften angesiedelt sind. Sie kreisen um Opfer von Geschehnissen, über die sie keine Kontrolle haben, um subtile Veränderungen, die das Gefüge von Familien und anderer sozialen Gemeinschaften erschüttern. Yorkes bedeutendste Romane stammen aus den 70er- und 80er-Jahren - die Autorin wurde damals oft in einem Atemzug mit P.D. James und Ruth Rendell genannt.

'Der Hass der Selbstgerechten' gehört zu den besten Werken der stilsicheren Schriftstellerin. Es ist die tieftraurige, aus unzähligen Blickwinkeln erzählte Geschichte des 58-jährigen Majors Frederick Johnson, der sich nach Abschluss seiner militärischen Laufbahn in der (erfundenen) Ortschaft Wiveldown niederlässt und dort, von seinen Nachbarn geachtet, ein ruhiges und bescheidenes Leben führt. Dies ändert sich jedoch grundlegend, als man im Kofferraum seines Autos die Leiche eines elfjährigen Mädchens findet: Bevor irgendwelche Beweise vorliegen (der Leser weiss von Anfang an, dass der Major unschuldig ist), wenden sich alle Freunde und Bekannten von ihm ab, ein Kesseltreiben beginnt, die Stimmung im Dorf wird explosiv - Johnson zieht sich in der Not schliesslich auf seine Weise aus der Affäre.

Bibliografie:
Patrick Grant-Serie: 'Dead in the Morning' - 'Tod am Vormittag' (1970), 'Silent Witness' (1972), 'Grave Matters' (1973), 'Mortal Remains' (1974), 'Cast for Death' - 'Die Leiche mit den roten Haaren' (auch unter dem Titel 'Rote Haare sind kein Indiz' (1976);
'No Medals for the Major' - 'Der Hass der Selbstgerechten' (auch unter dem Titel 'Lauter nette Nachbarn', 1974), 'The Small Hours of the Morning' - 'Eine lasterhafte Frau' (1975), 'The Cost of Silence' - 'Angst über der Stadt' (auch unter dem Titel 'Angst', 1977), 'The Point of Murder' (auch unter dem Titel 'The Come-On') - 'Bei Treffpunkt Mord' (1978), 'Death on Account' - 'Der tödliche Traum' (1979), 'The Scent of Fear' - 'Pfade der Nacht' (auch unter dem Titel 'In Nacht und Grauen', 1980), 'The Hand of Death' - 'Aber das Fleisch ist schwach…' (1981), 'Devil's Work' (1982), 'Find Me a Villain' (1983), 'The Smooth Face of Evil' - 'Ein Mann für jede Gelegenheit' (1984), 'Intimate Kill' - 'Vertrauen, das dich tötet' (1985), 'Savely to the Grave' - 'Sicher ins Grab' (1986), 'Evidence to Destroy' - 'Bedrohliche Schatten' (1987), 'Speak to the Dead' - 'Falscher Verdacht' (1988), 'Admit to Murder' - 'Ruhe in Frieden' (1990), 'A Small Deceit' - 'Jugendsünde' (1991), 'Criminal Damage' (1992), 'Dangerous to Know' (1993), 'Almost the Truth' (1994), 'Serious Intent' (1995), 'Pieces of Justice' (Short Stories, 1995), 'A Question of Belief' (1996), 'Act of Violence' (1997), 'False Pretences' (1998), 'The Price of Guilt' (1999), 'A Case of Answer' (2000), 'Cause of Concern' (2001).

++ Erstellt: Februar 2013 ++  


Zahavi, Helen

(*1966)

Helen Zahavi wurde als Tochter eines polnischen Rabbiners, der im Zweiten Weltkrieg mit der polnischen Armee nach England gekommen war, und einer ukrainisch-stämmigen Lehrerin in London zur Welt gebracht und wuchs auch dort auf. Sie besuchte eine jüdische Mädchenschule in Middlesex und war Mitglied einer zionistischen Jugendgruppe. Nach abgebrochenem Studium verrichtete sie Gelegenheitsjobs, übersetzte aus der russischen Sprache und reiste durch die Welt. In den 90er-Jahren veröffentlichte sie drei Krimis, 2013 folgte 'Brighton Boy', allerdings nur als eBook. Nach längeren Aufenthalten in Frankreich, Israel, Brighton und Irland lebt Zahavi als freie Drehbuchautorin in Paris.

In Zahavis erstem (auf eigenen Erlebnissen beruhendem) Roman 'Schmutziges Wochenende', der nach seinem Erscheinen im Jahr 1991 heftige Diskussionen über Gewalt von Frauen auslöste, holt die ehemalige Prostituierte Bella, eine unscheinbare, immer wieder gedemütigte und missbrauchte Frau aus Brighton, zum Befreiungsschlag aus, indem sie ein ganzes Wochenende lang Männer umbringt. Eine tempostarke, schlakenfreie, mit expliziten Schilderungen von Gewalt gespickte Prosa, die 1993 von Michael Winner unter demselben Titel mit Lia Williams in der Hauptrolle verfilmt wurde.

Zahavis dritter (auch als Hörspiel gestalteter) Krimi 'Donna und der Fettsack' dreht sich um das abgebrühte Londoner Strassenmädchen Donna. Donna liebt Joe, doch Joe hat Schulden bei dem sadistischen Kredithai Henry, genannt Fatman, auf dessen Lohnliste die beiden Schläger Merv und Billy stehen. Henry ist scharf auf Donna, doch er kriegt sie nicht und vergeht sich deshalb an Joe. Donna schlägt hart zurück, um in dieser feindseligen Umgebung vielleicht überleben zu können. Die Autorin erzählt die bitterböse Geschichte mit viel Sprachwitz und schwarzem Humor.

Bibliografie:
'Dirty Weekend' (auch unter dem Titel 'The Weekend') - 'Schmutziges Wochenende' (1991), 'True Romance' - 'Dirty Games' (1994), 'Donna and the Fatman' - 'Donna und der Fettsack' (1998), 'Brighton Boy' (eBook, 2013).

++ Erstellt: Juli 2016 ++  


Zahl, Peter Paul

(1944-2011)

Geboren in Freiburg im Breisgau als Sohn eines Juristen und Verlegers, verbrachte Peter Paul Zahl seine Kindheit in Mecklenburg, bis er mit seinen Eltern in die Nähe von Düsseldorf zog. Nach einer Lehre als Offsetdrucker setzte er sich 1964 nach Westberlin ab, um der Einberufung in die Bundeswehr zu entgehen, bewegte sich dort in APO-Kreisen, betrieb eine kleine Druckerei und begann zu schreiben. Er war Mitherausgeber der anarchistischen, von 1969 bis 1972 erschienenen Berliner Wochenzeitung 'Agit 883' und Begründer und Herausgeber von 'SPARTACUS', der "Zeitschrift für lesbare Literatur", die von 1967 bis 1972 herausgekommen ist. Nachdem er bei einer Fahrzeugkontrolle einen Polizisten angeschossen hatte, tauchte er 1972 in Essen unter, wurde jedoch nach kurzer Zeit verhaftet und zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Dort schrieb er den in Berlin-Kreuzberg spielenden Schelmenroman 'Die Glücklichen', der zum Kultbuch wurde, sowie zahlreiche Gedichte, Erzählungen und Essays.

Nach seiner vorzeitigen Entlassung im Dezember 1982 lebte Zahl auf Grenada, den Seychellen, in Italien und Nicaragua, ehe er sich 1985 in Long Bay auf Jamaika niederliess, dort eine vielköpfige Familie gründete - und tiefe kulturelle und sozialpolitische Spuren setzte.

1994 erweckte Zahl den jamaikanischen Ex-Bullen und heutigen Privatdetektiv Aubrey Fraser, genannt "Ruffneck" oder "Ruffi", zum Leben, die Hauptfigur einer ursprünglich auf vierzehn Bände - für jeden der jamaikanischen Bezirke einen - angelegten Serie. Ruffneck, Vater zahlreicher Kinder von fünf oder sechs verschiedenen Frauen (zwei Kinder entstammen seiner zurzeit relativ festen Partnerin Valerie) ist ein liebenswerter, fast pausenlos kiffender Müssiggänger, der sich hin und wieder dazu aufrafft, zusammen mit seinem langjährigen Freund, dem in San Antonio stationierten Polizisten Dean "Prento" Campbell, Verbrechern das Handwerk zu legen. Die Romane befassen sich mit den Problemen der Insel - Sextourismus, Homophobie, Drogenhandel, Korruption, organisierte Kriminalität, Hahnenkämpfe usw. -, doch auch den schönen Seiten Jamaikas und Palavern über Gott und die Welt wird viel Platz eingeräumt.

2002 publizierte Zahl den historisch belegten Roman 'Der Domraub', die Geschichte seines früheren Knastgenossen Vladimir Heiter - jugoslawischer Ex-Partisan, wortgewandter Liebhaber schöner Frauen und der deutschen Literatur und professioneller Kunstdieb -, dem die Plünderung der Schatzkammer des Kölner Doms zur Last gelegt wird.

2011, im Alter von 66 Jahren, erlag Peter-Paul Zahl im Krankenhaus von Port Antonio, Jamaika, einer Krebserkrankung. Er hinterliess seine langjährige Lebenspartnerin Deborah Clark.

Bibliografie:
Fraser & Prento-Serie: 'Der schöne Mann' (1994), 'Nichts wie weg' (1995), 'Teufelsdroge Cannabis' (auch unter dem Titel 'Miss Mary Huana', 1995), 'Lauf um dein Leben' (1996), 'Im Todestrakt' (2004), 'Kampfhähne' (2005); 'Der Domraub' (2002).

++ Erstellt: Mai 2011 ++  


Zelik, Raul

(*1968)

Raul Zelik wurde in München geboren und wuchs auch dort auf. Für Projektarbeiten hielt er sich ab 1985 immer wieder in Lateinamerika auf, zuerst einige Monate in einer Arbeitsbrigade in Nicaragua, später vor allem in Kolumbien. Von 1990 bis 1995 studierte er in Berlin Politikwissenschaften und Lateinamerikanistik und arbeitete nebenbei für ein baskisches Regionalradio. Ab 1997 schrieb er Arbeiten für 'SPEX', die Schweizer 'WoZ', die deutsche Wochenzeitung 'Freitag' und weitere Medien. Im selben Jahr debütierte er auch als Romanautor. Sein Werk besteht aus Erzählungen, Features, Aufsätzen Sachbüchern, Romanen und einem politischen Tagebuch. Darüber hinaus übersetzt er Bücher aus dem Baskischen. Ende 2009 wurde er als Professor für Politik an die Nationaluniversität Kolumbien berufen. Er lebt in Medellin und Berlin und ist verheiratet.

Zeliks Romanerstling 'Friss und stirb langsam' ist an den so genannten Fall Kaindl angelehnt: 1992 töteten Berliner Jugendliche Gerhard Kaindl, einen einflussreichen Vertreter der rechtsradikalen Partei "Deutsche Liga für Volk und Heimat". Zelik, der mit den Tätern verkehrte, erzählt ihre berührende Geschichte - eine Geschichte über Arbeitslosigkeit, Rassismus und das Zusammenleben von jungen Deutschen, Türken und Kurden. Der Stoff wurde 2000 für das Theater und 2002 für das Radio adaptiert.

'La Negra', Zeliks zweiter, ebenfals in den 90er-Jahren angesiedelter Roman, spielt in einem von Terror, Korruption und politischen und wirtschaftlichen Machtkämpfen erschütterten Kolumbien. Die desillusionierte Guerillatruppe um das Trio Luisa la Negra (eine dunkelhäutige Frau aus Brasilien), Ricardo und Flacoloco plant einen spektakulären, jedoch aussichtslos erscheinenden Coup: die Besetzung einer Raffinerie in der kolumbianischen Erdölmetropole Barrancabermeja. Eindrucksvoll und engagiert schildert der Autor den Alltag seiner (authentischen Personen nachgezeichneten) Antihelden - einsame, erschöpfte, im Grunde zum Scheitern verurteilte Träumer, die dann dank eines Zufalls immerhin einen Teilerfolg erleben.

Zelik verfasste später vier weitere Romane ('bastard', 'Berliner Verhältnisse', 'Der bewaffnete Freund' und 'Der Eindringling'), in denen er aus einem linken Blickwinkel jüngere Zeitgeschichte darstellt.

Bibliografie:
'Friss und stirb langsam' (1997), 'La Negra' (2000).

++ Erstellt: Februar 2014 ++  


Zeltserman, Dave

(*1959)

Geboren in Boston, Massachusetts, studierte Dave Zeltserman an der University of Colorado in Boulder mit Abschlüssen in Angewandter Mathematik und Computer-Wissenschaft. Danach kehrte er mit seiner Frau Judy nach Boston zurück, wo er zwanzig Jahre lang Software-Programme für Konzerne wie Motorola, DEC, Nokia, Lucent und Cisco entwickelte. Seit 2004 widmet er sich vorwiegend dem Krimischreiben und der chinesischen Kampfkunst. Er lebt in Newton, Massachusetts.

'28 Minuten' ist die kunstvoll konstruierte Geschichte eines Banküberfalls: Minutiös geplant durch den freundlichen 48-jährigen Software-Experten und Familienvater Dan Wilson, der sich seit dem Verlust seiner Arbeitsstelle vor knapp zwei Jahren im Leben nicht mehr zurechtfindet; durchgeführt von ihm und seinen ebenfalls erwerbslosen Kumpanen Joel, Gordon und Shrini - auch sie aus der IT-Branche, und auch sie ganz ohne kriminelle Erfahrung.
Der Plan ist einfach und, so scheint es, narrensicher: Einen Programmierfehler im Alarmsystem der Bank ausnutzend, als Mafiosi verkleidet, einen Bandenkrieg vortäuschend, die Schliessfächer des berüchtigten russischen Mobsters Viktor Petrenko ausräumen, danach das Weite suchen und es sich gut gehen lassen. Doch dann fallen Schüsse, eine junge Frau stirbt, eine weitere Geisel wird lebensgefährlich verletzt, die Amateurräuber geraten sich in die Haare - eine atemlose Jagd beginnt, mit Dan Wilson, Viktor Petrenko und dem abgebrühten, seit einem Schicksalsschlag zerrissenen, seinen Beruf indes noch immer sehr ernst nehmenden Cop Alex Resnick als zentrale Figuren.

'Paria' aus dem Jahr 2009, nach '28 Minuten' der zweite auf Deutsch erschienene Noir-Thriller des ungemein produktiven Autors, gehört zur so genannten "Badass Gets Out of Jail-Trilogie", in der frisch aus dem Knast entlassene Männer sich auf ihre ganz eigene Art wieder in die Gesellschaft eingliedern - in diesem Fall Kyle Nevin aus South Boston, ein gewalttätiger, grossspuriger und unberechenbarer irischer Gangster, der acht Jahre im Bau verbrachte, nachdem er von seinem Mentor und Boss Red Mahoney fallen gelassen und dem FBI ans Messer geliefert worden war. Endlich wieder auf freiem Fuss, macht er dort weiter, wo er vor dem Strafvollzug aufgehört hat: Saufen, koksen und ficken, drohen, prügeln und rumballern, Beweise manipulieren, seinen kleinen Bruder Danny bis aufs Blut piesacken. Dann kidnappt er einen zehnjährigen Jungen, um mit dem Lösegeld die Jagd auf den untergetauchten Verräter Red Mahoney zu finanzieren. Die Entführung geht natürlich gründlich schief, erweist sich dann aber als Trittbrett für Nevins spektakulären Aufstieg zum Erfolgsautor und Medienstar. Am Schluss aber werden Kyle Nevin nicht die Entführung und die Morde zum Verhängnis, sondern Dashiell Hammetts Krimi 'Rote Ernte' - mehr sei hier nicht verraten.
'Paria' ist eine rabenschwarze, von düsterer Komik durchdrungene, Donald Westlake verpflichtete Geschichte mit einem Protagonisten, den man eigentlich zutiefst verachtet, aber, ohne es zu wollen, zeitweilig halt doch ein wenig ins Herz schliesst.

Dass er auch über eine leichtfüssig-humoristische Seite verfügt, offenbart Zeltserman in seiner Julius Katz & Archie-Serie (drei Geschichtensammlungen und ein Roman) mit dem reizvollen Gespann Julius Katz als Nero Wolfe-Pastiche und Sidecick Archie, einem technischen Wunderwerk ohne Herz und ohne Seele…

Bibliografie:
Bill Shannon-Romane: 'Bad Thoughts' (2007), 'Bad Karma' (2009);
Badass Gets Out of Jail-Romane: 'Small Crimes' (2008), 'Pariah' - 'Paria' (2009), 'Killer' - 'Killer' (2010);
Hunted-Romane: 'The Hunted' (2012), 'The Dame' (2012);
Julius Katz & Archie-Serie: 'Julius Katz and Archie' (Roman, 2011), 'Julius Katz Mysteries' (Stories, 2011), 'One Angry Julius Katz' (Stories, 2012), 'Archie Solves the Case' (Stories, 2013);
Einzelwerke: 'Fast Lane' (auch unter dem Titel 'In His Shadow' (2000), 'The Caretaker of Lorne Field' (2010), 'Outsourced' - '28 Minuten' (2010), '21 Tales' (Stories, 2010), 'Blood Crimes' (2010), 'A Killer's Essence' (2011), 'Monster' (2012), 'The Boy Who Killed Demons' (2014).

++ Erstellt: April 2014 ++
++ Update: Dezember 2014 ++